Auf des Messers Schneide Fred MacMason Mit allem hatten Hasard und seine Männer auf ihrer Rückreise nach Panama gerechn...
29 downloads
647 Views
339KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Auf des Messers Schneide Fred MacMason Mit allem hatten Hasard und seine Männer auf ihrer Rückreise nach Panama gerechnet, aber nicht damit, daß sich chinesische Kampfdschunken in das Kielwasser der »San Lorenzo« und der »Estrella de Málaga« hängen würden. Die Zopfmänner auf den drei Dschunken sahen wild und wüst genug aus, um sie richtig einzuschätzen, nämlich als Piraten. Leider verfügten diese Kerle auch über ganz übles Feuerwerk, gegen das noch kein Kraut gewachsen war, und darum zogen es die Seewölfe vor, sich zu den Galápagos-Inseln abzusetzen, wobei sie es allerdings schafften, zwei Dschunken zu einer Höllenreise zu verhelfen. Ihre »San Lorenzo« mußten sie dabei aufgeben. Aber die dritte Dschunke konnten sie nicht abschütteln und es wurde ein furchtbarer Kampf… 1. 11. Februar 1595. Galápagos, die verwunschenen Inseln. Es war jetzt später Nachmittag auf der Insel Isabela, auf der sich das Schicksal Arauas erfüllt hatte. Ein verirrter Pfeil, abgefeuert von einem chinesischen Schnapphahn, hatte sie tödlich getroffen. Jetzt war Araua, Tochter des Seewolfs und der SchlangenPriesterin Arkana, tot. Dementsprechend düster und gedrückt war auch die Stimmung der Arwenacks und Le Vengeurs. Die stumme Bilanz, die sie zogen, war traurig und erschütternd. Die Hauptpersonen des Romans: Philip Hasard Killigrew – die Männer können aufatmen, als der Seewolf aus der Bewußtlosigkeit erwacht. Ben Brighton – als Hasards Stellvertreter zeigt er, was in ihm steckt.
Dan O’Flynn – unternimmt mit fünf Männern das Wagnis, mit einer Jolle nach Panama zu segeln. Pedro Ibarra – Bootsmann einer spanischen Kriegskaravelle, der über die Männer im Vordeck als Herrgott herrscht. Hasard hatte im Endkampf gegen die chinesischen Piraten eine lebensgefährliche Stichwunde unter dem Herzen erhalten und war immer noch bewußtlos. Ihr Schiff, die »Estrella de Málaga«, war von den Piraten in Brand geschossen und vernichtet worden. Jetzt saßen sie auf den Inseln des Galápagos-Archipels fest, rätselhafte Inseln, die sie noch nicht erforscht hatten, und die mit Recht die verwunschenen Inseln genannt wurden, weil sie angeblich immer wieder auf geheimnisvolle Weise verschwanden und wieder auftauchten. Das alles drückte schwer auf die Stimmung. Die zauberhaften Inseln hatten ihren strahlenden Glanz verloren und wirkten genauso düster wie die Gesichter der Männer, die auf ihnen gefangen waren. Sie hatten noch vier Beiboote retten können, aber das waren Nußschalen. Die südamerikanische Küste war sechshundert Meilen entfernt, bis zu ihrem Ziel Panama war es fast das Doppelte. Jetzt fragte sich jeder der Männer bedrückt, warum es gerade Araua und Hasard getroffen hatte, um dessen Leben sie ja auch bangen mußten. Nach allem, was der Kutscher und Pater David gesagt hatten, sah es gar nicht so gut aus. Die beiden warfen sich immer wieder besorgte Blicke zu. Einige Männer resignierten fast und fragten sich, was das alles für einen Sinn hätte. Jetzt befanden sie sich völlig abgeschnitten von der Welt in der einsamen Verlorenheit der Inseln. Sie hatten einen hohen Preis bezahlt, und dieser Preis würde noch höher werden, falls Hasard an seiner schweren Verletzung starb. Ben Brighton, Hasards Stellvertreter, sah besorgt auf die Männer, die so bedrückt wirkten. Er mußte etwas tun, um sie aus ihrer Niedergeschlagenheit zu reißen. Jetzt hatte er die Verantwortung für die Männer. Alles Grübeln half und nutzte nichts, überlegte er. Sie mußten mit den Tatsachen fertig werden und sich vor allem darauf einrichten, auf diesen Inseln vorerst noch zu bleiben und sich
häuslich einzurichten. Wie lange das der Fall sein würde, stand in den Sternen. Niemand wußte es. »Wir müssen die Männer hochpurren«, sagte er zu Big Old Shane. Der Exschmied von der Feste Arwenack strich über seinen grauen Bart und nickte traurig. Auch ihm setzte das alles schwer zu, aber es war eben nicht zu ändern. »Ja, das Leben geht weiter«, sagte er schwer. »Wir können hier nicht herumsitzen und auf ein Wunder warten. Es wird keines geben. Wir sollten die Männer beschäftigen, damit sie nicht weiter ihren traurigen Gedanken nachhängen.« »Genau das hatte ich vor, Shane. Zuallererst sollten wir für Hasard ein Zelt aus geteertem Segeltuch errichten, natürlich ebenfalls eine Lagerstatt aus Decken und weichen Moosen, von denen es hier viele gibt. Dann müssen die Leichen der chinesischen Piraten verschwinden, sonst grassiert hier in ein paar Tagen möglicherweise noch eine Seuche.« »Und die Boote, die wir in den Felsen versteckt haben?« »Die müssen sofort geholt werden, weil wir sie zum Einsatz in der Bucht brauchen.« Auch Dan O’Flynn war inzwischen erschienen, ebenso Jean Ribault und der herkulisch gebaute Pater David. Ben brauchte nicht zu fragen, wie es um den Seewolf stand. Der besorgte Blick des Paters sagte alles. Sie hatten ihn in die Mulde gebracht und auf Decken gelegt. Jetzt waren die Zwillinge, der Kutscher und Mac Pellew bei ihm. Die Wunde war gesäubert und verbunden worden. »Was wir auch brauchen, ist Trinkwasser«, sagte Ben. »Wir haben nur ein paar Fässer mit an Land genommen. Dabei kann ein Trupp gleich die nähere Umgebung erkunden.« »Das übernehme ich mit ein paar Männern«, sagte Ribault, »und zwar gleich, denn Wasser ist lebensnotwendig. Wenn wir auf dieser Insel keins finden, müssen wir es auf einer anderen versuchen und umsiedeln.« »Gut, der Punkt ist damit abgehakt. Ich vermute, daß ihr vielleicht hoch in den Bergen Wasser findet.« Jean Ribault ließ keine Zeit verstreichen. Ohne Trinkwasser konnten sie nicht überleben. Er scharte Roger Lutz, Dave Trooper und Tom Coogan um sich. Kurze Zeit später stiegen die vier Männer bereits in die Lavafelsen auf.
Ben überlegte sorgfältig, was alles erforderlich wurde. Im Geist hatte er bereits eine Liste zusammengestellt. Alles, was noch in der Bucht trieb, mußte geborgen werden, man mußte Fischfang betreiben, um zu überleben, man brauchte eine größere Kochstelle, man mußte sich um die Hühner kümmern, und was der Dinge mehr waren. Etwas später ging eine Gruppe daran, den Strand von den toten Zopfmännern zu säubern. Einige hatten schon die Haie geholt, viele andere waren ins Meer hinausgetrieben worden, aber etliche lagen noch am Strand. Für sie wurde am anderen Ende der Bucht eine große Grube ausgehoben. Dann wurden die vier Jollen aus den Felsen geholt und zum Wasser gebracht. Auch das war wieder eine Heidenarbeit, die nur durch viele Männer bewältigt werden konnte. Noch an diesem Nachmittag herrschte auf der Insel eine Emsigkeit, die fast beängstigend wirkte. Aber Ben hatte das erreicht, was er wollte, und bewies damit, daß er die Leute zu führen verstand. Sie hatten jetzt so viel zu tun, daß sie pausenlos beschäftigt und abgelenkt waren. Das Zelt für Hasard wurde errichtet und eine Lagerstatt aus Decken und Moosen geschaffen. Als es stand, trugen sie den Seewolf hinein. Seine Söhne wichen nicht von seiner Seite. Pater David und der Kutscher bemühten sich ebenfalls ständig um ihn. Sein Gesicht war immer noch bleich und eingefallen, sein Atem ging flach, und auf seiner Stirn perlte der Schweiß. Die Schnittwunde auf seiner linken Wange war dick mit Salbe bestrichen worden. »Mehr können wir vorläufig nicht tun – nur beten«, sagte Pater David zum Kutscher. Der nickte nur stumm und betrübt. Nein, mehr konnten sie nicht tun, auch ihre ärztliche Kunst war begrenzt. Aber Hasard hatte eine bärenstarke Natur, und darauf hoffte der Kutscher, hofften auch die Zwillinge und all die anderen. Sam Roskill, Bob Grey und Gary Andrews fischten inzwischen mit einer Jolle die Bucht ab. Eine zweite Jolle mit Pete Ballie, Al Conroy und Batuti war ebenfalls unterwegs, um das in der Bucht treibende Zeug zu bergen. Da war trotz der wilden Explosion, die die »Estrella« zerfetzt hatte, noch allerlei aufgetrieben. In der schwachen Dünung bewegten sich rußgeschwärzte Planken, da trieben angekohlte
und versengte Holzstücke in allen Größen herum, und da war von der Karavelle noch ein ebenfalls pechschwarzes Gerippe übriggeblieben, das langsam Kurs auf die offene See nahm. Auch Tauwerk, Segelfetzen und ein paar leere Fässer trieben herum. Das chinesische Drachenschiff war ebenfalls zerfetzt worden, als es in einem Glutball auseinanderflog. Erstaunlicherweise gab es aber auch hier noch Überreste. An einem Maststück hing noch ein toter chinesischer Schnapphahn, der ebenfalls in die See abtrieb. Sie ließen ihn, wo er war. Die Haie würden ihn ohnehin bald holen, und sie hatten Wichtigeres zu tun, als in der See treibende tote Piraten an Land zu bringen. Das schwarze Gerippe wurde in Schlepp genommen. Gary Andrews band es an der Jolle fest. Dann pullten sie zum Strand zurück, wo die Männer mit allerlei Arbeiten beschäftigt waren. Die Bergeaktion in der Bucht diente nicht nur dem Zweck der Ablenkung. Das Holz konnte zumindest als Brennholz noch verwendet werden. Viele Bäume gab es auf der Insel Isabela nicht, und so wurde jede Planke und jeder Splitter geborgen und zum Ufer gebracht, wo es gestapelt wurde. Unterdessen war Mac Pellew zusammen mit dem Koch Eric Winlow damit beschäftigt, eine Kochstelle zu errichten. Dazu nahmen sie Lavabrocken, die sie bei den Felsen fanden. Mitunter aber mußten sie auch größere Brocken aus dem Fels schlagen, und das erwies sich als sehr mühsam. Das Lavagestein, das so porös aussah, erwies sich als hartes Zeug, das nur schwer zu bearbeiten war. Die beiden Köche schufteten im Schweiße ihres Angesichts. Mac sah noch grämlicher drein als zuvor, und seine Laune ließ ebenfalls sehr zu wünschen übrig. Seit Araua tot war und der Seewolf schwer verletzt im Zelt lag, hatten sich Falten und Kerben in Macs Gesicht gegraben. Er war auch nicht gerade freundlich und sprach nur selten ein Wort. Etwas weiter von ihnen entfernt war der Profos mit Smoky, Blacky und Luke Morgan dabei, für die acht Hühnerchen, die in einem Verschlag an Land gebracht worden waren, einen Auslauf zu bauen. Dieser Auslauf wurde aus Steinen errichtet, hoch genug, damit die Hühner nicht darüber flattern konnten. Carberry ging hinüber, wo Mac Pellew und Eric Winlow die Lavasteine abschlugen, suchte sorgfältig ein paar Brocken heraus,
klemmte sie unter den Arm und nahm sie mit, um damit die Mauer für den Stall zu errichten. Mac Pellew war so beschäftigt, daß er nichts davon bemerkte. Als der Profos das zweite Mal aufkreuzte, hatte Mac aber doch etwas gesehen und lauerte schon auf ihn. Sein Blick war äußerst gallig, und in der Hand hielt er einen Hammer, als wollte er damit gleich zuschlagen. »Von wegen«, knurrte Mac. »Ich racker mir hier die Seele aus dem Leib, um einen verdammten Herd zu bauen, und du kreuzt einfach auf und klaust mir die Steine. Nicht mit mir, Mister Carberry. Hau dir deinen Scheiß gefälligst selbst raus.« »He, was ist denn mit dir los, Mac?« »Ich bin nicht dein Mac, Mister Carberry, und ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn du mir die Steine klaust.« »Wer klaut denn hier?« fragte Ed erstaunt. »Ich habe mir doch nur ein paar genommen, die ihr nicht brauchen könnt. Die Mauer muß hoch, sonst flattern mir die Hühner davon.« »Koch deine Hühner doch zu Brühe, dann fliegen sie nicht mehr, und du kannst sie in einem Faß unterbringen. Und was ich hier brauchen kann oder nicht, das mußt du schon mir überlassen.« Der Profos wollte gerade losbrüllen, weil Mac eine große Lippe riskierte, aber dann stemmte er nur die Pranken in die Seiten und sah Mac Pellew nachdenklich an. »Verstehe«, brummte er, »dir geht es genauso beschissen wie mir und den anderen. Klopfen wir die Steine zusammen ab, was, wie?« »Wenn’s denn sein muß«, brummte Mac. »Ich habe heute nicht gerade meinen besten Tag, weißt du!« »Ja, manchmal regt man sich über jede Kleinigkeit auf«, gab der Profos zu. Aber dann klopften sie in stiller Eintracht doch zusammen die Brocken aus dem Fels. Mac Pellew sprang ein paarmal erschreckt zur Seite, denn der Profos schlug zu, als habe er die Absicht, den ganzen Berg abzuräumen. Nach und nach erschienen auch die Pinguine und die Seelöwen wieder, die der gewaltige Feuerzauber in der Bucht vertrieben hatte. Sie hielten zwar noch Abstand, aber sie waren wieder da. Die neugierigen Pinguine, die wie kleine Kinder umhertollten, watschelten bald wieder näher heran und sahen offenbar interessiert dem seltsamen und ungewohnten Treiben zu.
Ben Brighton erschien mal am Strand, dann wieder in der Mulde und kümmerte sich um alles. Ferris Tucker stand mit seiner riesigen Axt unten am Strand und sichtete das Treibgut. Was noch verwendet werden konnte, sortierte er aus. Der Rest wanderte auf den Stapel, der später als Brennholz dienen sollte. »Sehr viel ist es ja nicht«, sagte Ferris. »Es wird auch nur ein paar Tage reichen. Aber ich war mal bei den Mangroven da drüben. Das Holz kann man notfalls zum Feuern, besser aber noch zum Räuchern verwenden. Es gibt hier auch viele Fische, die man über dem Mangrovenholz räuchern kann. Wir müssen sie nur fangen.« »Mit dem Fischfang beginnen wir morgen«, sagte Ben. »Wer hier länger überleben will, muß mit erheblichen Problemen rechnen und vor allem damit fertig werden. Ein großes Problem ist augenblicklich noch das Trinkwasser. Hoffen wir, daß Jean auf Wasser stößt, sonst sieht es böse für uns aus.« »Notfalls ziehen wir um. Ich bin ganz sicher, daß es auf irgendeiner der Inseln Trinkwasser gibt.« »Ja, ich hoffe es wenigstens. Wir werden auch damit beginnen, die Inseln zu erkunden. Von dieser hier haben wir zwar noch nicht viel gesehen, aber Dan sagte, daß sie ziemlich trostlos sei. Er hatte sich aber auch nur einen kurzen Überblick verschafft.« Ben kehrte wieder zurück, ging ins Zelt und sah nach Hasard. Aber sein Zustand hatte sich nicht geändert. Er war weder besser, aber auch nicht schlechter geworden. * Inzwischen hatten Jean Ribault, Roger Lutz, Dave Trooper und Tom Coogan die Felsen erstiegen. Ribault war tief in Gedanken versunken, denn Arauas Tod ging ihm sehr nahe. Er wußte noch nicht, wie sie diese schlimme Nachricht ihrer Mutter Arakana beibringen sollten, obwohl noch viel Zeit vergehen würde, bis sie die Schlangen-Insel erreichten. Vorerst war daran noch nicht zu denken. Aber Arkana hatte sie ihm anvertraut – wegen einer nichtigen Streitigkeit mit Hasard – und jetzt grübelte er darüber nach. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich wieder gefangen hatte und sich nach allen Seiten umsah. Trinkwasser brauchten sie, das war vordringlich. Alles andere
mußte vorerst zurückgestellt werden. Kurze Zeit später lag ein schroffes Hochplateau vor ihnen, bewachsen mit Büschen, Kakteen und Sträuchern, die in den Lavaschlacken ziemlich mager gediehen. Das Plateau zog sich ein paar hundert Yards hin, dann begannen wieder Felsen und Schroffen. Aber von da an veränderte sich die fast öde Landschaft auf erstaunliche Weise. Alles wurde bunter, farbenprächtiger und schien in vollem Saft zu stehen. Weit vor ihnen wuchs ein mächtiger Vulkankegel in den Himmel. Die Vegetation war grün und saftig. Hohe, dicht belaubte Bäume standen da, behangen von wehenden Silberflechten und Lianen. Hier wuchsen die Passionsblume und die buschige Scalesia, und hier gab es auch kleine Bäume, die einem Apfelbaum ähnlich sahen. Die Bäume trugen kleine gelbe, apfelähnliche Früchte. Es war der Manzanillo, dessen Früchte sehr verlockend aussahen und angenehm rochen, aber hochgiftig waren. Roger Lutz blieb verwundert stehen und betrachtete die Bäume. Auch die anderen waren stehengeblieben und bestaunten die »Äpfel«. Roger Lutz schnupperte ein bißchen, griff dann nach einer Frucht und roch daran. »Hm«, sagte er begeistert, »das wird unseren Speisezettel bereichern. Wie das duftet, ganz phantastisch.« Er wollte gerade kraftvoll hineinbeißen, da ergriff Ribault seine Hand. »Nicht so voreilig, Roger«, warnte er. »Wir kennen die Dinger nicht und sollten vorsichtig sein.« »Aber der riecht herrlich«, wandte Roger ein. »Trotzdem ist Vorsicht geboten.« Jean hielt immer noch die Hand mit dem Apfel fest, und unwillkürlich drückte Roger dabei ein bißchen. Aus der unbekannten, so herrlich duftenden Frucht floß etwas milchiger Saft, der über Rogers rechte Hand lief. Sofort begann die Haut unerträglich stark zu jucken. Der Saft biß stark in die Augen, reizte die Schleimhäute und die Speiseröhre. Roger Lutz hustete, seine Augen begannen zu Tränen. »Verdammt«, sagte er, nach Luft ringend, »das ist ja das
reinste Gift.« Mit einer schnellen Bewegung schlenkerte er die verlockend duftende Frucht auf den Boden. Noch immer tränten ihm die Augen, er hustete und würgte, und seine Hand brannte ganz entsetzlich. Es wurde erst wieder besser, als er sie an der Hose abwischte. Trotzdem kriegte er noch am selben Tag einen Hautausschlag, der ihn eine halbe Woche lang plagte. »An dem wärst du erstickt, aber auf höllische Art und Weise«, sagte Jean ernst. »Das ist ein Teufelsapfel, voller Gift und Galle. Den Genuß hättest du nicht überlebt. Seid also vorsichtig mit den Früchten, die hier wachsen. Nicht alles, was prachtvoll aussieht, ist auch immer genießbar.« Für die Männer war das eine Lehre, die ganz besonders der Frauenheld Roger Lutz so schnell nicht vergaß. Sie schlugen um jeden der trügerischen Bäume von nun an einen weiten Bogen. In anderen Bäumen, die sie auf dem Plateau vorfanden, hingen schmarotzende Orchideen von herrlichen Farben. Und immer wieder tauchten diese leuchtenden Silberflechten auf – wie die langen Haare eines uralten Greises, die sich leicht im Wind bewegten. Von hier aus hatten sie einen prächtigen Ausblick auf die Inselwelt der Galápagos. Sie gingen weiter zwischen Lavafelsen hindurch, über humusreichen Boden und grüne Vegetation, die sich urwaldähnlich in immer größere Höhen erstreckte. Einmal blieb Ribault wie versunken stehen. Vor ihnen befand sich ein gewaltiger Lavabrocken, ein fast viereckiger Riesenklotz, der innen muldenförmig ausgehöhlt war. Eine dicke Lavaplatte lag seitlich daneben, die keine fünf Männer hochheben konnten. Ribault war so in Gedanken versunken, als sei er allein auf der Welt. Er starrte auf den Riesenklotz, dann wieder auf die schwere Platte. »Was ist, Jean?« fragte Dave Trooper. »Ich – ich dachte gerade an Araua. Das hier wäre eine würdige Grabstelle für sie«, sagte er leise. »Wenn wir die Platte auf den ausgehöhlten Felsen legen, hat sie ein Steingrab auf einem hohen Punkt der Insel.« Die Männer schluckten hart. Auch sie fanden, daß dieser Platz, über den ewig der Wind des Pazifiks strich, eine würdige Begräbnisstätte für Araua war. Wenn der tonnenschwere Deckel darauf lag, würde nichts und niemand ihre immerwährende Ruhe
stören. Sie nickten beklommen. Nach einer Weile gingen sie weiter. Zum ersten Male sahen sie jetzt Schildkröten und waren genauso beeindruckt wie Dan O’Flynn. Der Boden wurde härter und sandiger. Der Wind hatte die Lava zu schwerem Staubsand zerrieben und ihn in die porösen Löcher des Untergrundes geweht. Hier oben gab es mehrere kleine Vulkane, die längst erloschen waren. Vor Jahrhunderten mochten sie einmal Feuer, Asche und Magma gespien haben. Jetzt waren sie erkaltet, tot und erloschen. Dave Trooper wies mit der Hand nach links, wo eine Senke zu einem großen Krater führte. »Da ist ein See«, sagte er überrascht. »Trinkwasser in Massen, soviel können wir nie verbrauchen.« Die vier Männer eilten zu dem Krater. Seltsamerweise waren seine Ränder kaum bewachsen, obwohl es hier Wasser in Hülle und Fülle gab. Aber es wuchs nicht einmal ein Baum in unmittelbarer Nähe. Der Kratersee lag ruhig da, sein Wasser schimmerte wie Blei, kein Hauch bewegte die Oberfläche. »Damit ist eins der größten Probleme gelöst«, sagte Ribault erleichtert. »Das wird die anderen beruhigen.« Am Rand knieten sie nieder und schöpften mit den Händen Wasser. Ihr Durst war groß. Coogan schlürfte einen langen Schluck, während Roger Lutz erst einmal seine Hand im Wasser kühlte. Auch Ribault tauchte die Hände hinein. Dann fuhr Coogan mit einem leisen Schrei hoch, preßte beide Hände auf den Magen und spie das Wasser aus. Es brannte höllisch, war scharf und salzig. »Pfui Teufel, Salzwasser«, sagte er hustend. Es war Salzwasser, und es schmeckte fast noch salziger als das Meerwasser. Enttäuscht blickten sie auf den schimmernden See, dessen Wasser absolut ungenießbar war. »Das war Pech«, sagte Jean. »Damit habe ich leider auch nicht gerechnet. Also weiter, vielleicht finden wir doch anderes Wasser.« »Der Krater reicht vermutlich bis unter den Meeresspiegel«, meinte Lutz. »Aber wieso liegt dann der See höher?« »Wahrscheinlich, weil er zusätzlich durch Regenwasser
aufgefüllt wird, aber er liegt gar nicht sehr viel höher. Wir sind ja ein ganzes Stück wieder nach unten gegangen. Der Eindruck täuscht nur.« Etwas später entdeckten sie zwei riesige Schildkröten, die schwerfällig in Richtung eines anderen kleinen Kraters trotteten. Sie blieben stehen, um den beiden Tieren nachzusehen. Zwei gigantische gepanzerte Exemplare waren das, von einer Größe, wie sie sie noch nie gesehen hatten. Obwohl sie sich sehr langsam fortbewegten, war doch eine gewisse Zielstrebigkeit zu erkennen. Es schien, als hätten sie einen genau abgesteckten Kurs vor sich, dem sie hartnäckig folgten. Die Männer überholten die mächtigen, vorsintflutlich anmutenden Tiere und bestaunten sie von vorn. Dunkle Augen aus einem riesigen vorgereckten Schädel starrten sie an. Die gewaltigen Vorderbeine der Tiere erinnerten fast an Elefantenbeine. Sie walzten heran und ließen sich nicht beirren. Sie hatten auch nicht die geringste Scheu. Als sie vorbeiwalzten, schlug Roger Lutz leicht mit der Hand auf den harten gewölbten Rückenpanzer. Die einzige Reaktion war ein Zusammenzucken des Schädels und ein leises Schnauben wie von einem Stier. Das war alles. Dann setzten die Tiere ihren Weg fort, ohne die neugierigen Männer zu beachten. Roger Lutz konnte es jedoch nicht lassen. Er schwang sich der einen Schildkröte von der Seite her auf den Rücken, der oberhalb des langen Halses wie ein spanischer Pferdesattel hoch aufgestülpt war. Etwas furchtsam blickte er dabei auf den vorgereckten Schädel. Das Tier ließ sich nicht weiter stören. Ebensowenig schien es das Gewicht des Mannes zu empfinden. Es schaukelte in seinem merkwürdigen Gang weiter. Erst als einmal das unwillige Schnauben erklang, stieg Lutz ab. Weiter vorn waren noch zwei Exemplare dieser Riesenschildkröten zu sehen. Durch ihr beachtliches Gewicht hatten sie einen regelrechten Trampelpfad geschaffen, der an manchen Stellen wie poliert wirkte. Hier gab es erstaunlicherweise allerdings noch mehr der Trampelpfade. Auf den ersten Blick schien es, als seien sie von Menschen angelegt oder geschaffen worden. Wie kleine Hohlwege sahen die Pfade mitunter aus und führten zum Meer oder von dort hinauf.
Hier, direkt oberhalb des Lagerplatzes, stieß die Gruppe auf einen weiteren See, einen erloschenen Krater, dessen Oberfläche das Blau des Himmels spiegelte. Völlig überrascht blieben die Männer stehen und sahen auf das eindringliche Bild, das sich ihren Blicken bot. Hier wimmelte es von den monströsen Riesenleibern der Schildkröten. Dicht am Ufer tauchten sie ihre Schädel bis weit über die Augen ins Wasser und schluckten voller Gier. Auch diesmal störte sie die Anwesenheit der Männer nicht, die neugierig näher herangingen. Gluckern, Schlucken und Schlabbern waren zu hören, dann wieder das stierähnliche Schnauben, wenn sich zwei Riesen in die Quere gerieten. »Saufen die denn Salzwasser?« fragte Coogan. »Ganz sicher nicht«, entgegnete Ribault, »da hätten sie es an der Küste einfacher haben können. Diese Tiere wandern extra hier so hoch hinauf, um ihren Durst zu löschen, das beweisen die ausgetretenen Pfade. Demzufolge scheint es sich diesmal um trinkbares Wasser zu handeln, sonst hätten wir an dem anderen See auch Tiere vorgefunden.« Das hörte sich logisch an, aber da sie immer noch Durst hatten, wollten sie das Wasser auch gleich probieren. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so dicht zwischen den Riesenleibern zu stehen. Doch die Tiere ließen sich überhaupt nicht stören und nahmen keinerlei Notiz von den Männern. Einige der Schildkröten soffen buchstäblich wie die Ochsen und konnten gar nicht genug kriegen. Andere befanden sich mit weit vorgerecktem Hals bereits wieder auf dem Rückmarsch und benutzten dabei die Trampelpfade. Als Ribault vorsichtig von dem Wasser kostete, erschienen auch die beiden anderen Exemplare, die sie unterwegs gesehen hatten. Sie schoben ihre mächtigen Leiber ins Wasser, tauchten den Kopf ein und schluckten gierig. Ribault konnte sie genau beobachten. Das Wasser schmeckte etwas abgestanden, aber es war kühl und erfrischte. Ein wenig schmeckte es wie das Wasser in Fässern nach den ersten vier oder fünf Tagen. »Etwas schal«, sagte Coogan, nachdem er getrunken hatte. Er beugte sich noch einmal hinunter, um mit den Händen Wasser zu schöpfen. Er sah nicht, wie die anderen versteckt grinsten, denn
eine der Riesenschildkröten, die weder nach links oder rechts blickte und nur das Wasser im Auge hatte, rannte ihn einfach um. Er landete auf dem gepanzerten Rücken, glitt ab und fiel ins Wasser. Das Vieh störte sich nicht im geringsten daran. In stoischer Ruhe begann es zu saufen, den Hals weit vorgereckt, den Schädel unter Wasser. »Nun ja«, murmelte Coogan, »die haben schließlich ältere Rechte hier. Jedenfalls zeigen sie keine Angst – wie die anderen Tiere auch.« Das Trinkwasser-Problem war damit gelöst. In dem Krater sammelte sich offenbar immer das Regenwasser und füllte ihn auf. Daß sie das Wasser mit Schildkröten und kleinen Vögeln teilen mußten, störte die Männer nicht weiter. Das Überleben war gesichert. »Damit ist unsere Mission für heute eigentlich erfüllt«, sagte Jean. »Es wird auch bald dunkel. Kehren wir zurück, in einer knappen halben Stunde können wir wieder am Strand sein.« 2. Die Arbeiten waren immer noch im Gange, als der Trupp zurückkehrte und berichtete, was sie erlebt hatten. Ben Brighton nickte andächtig und sah in die Felsen hinauf. »Ich bin richtig erleichtert, daß ihr Wasser gefunden habt. Gleich morgen kann eine Gruppe losziehen, um die Fässer zu füllen. Die andere Gruppe beschäftigt sich mit der Fischerei, damit wir Abwechslung in den Speiseplan kriegen.« »Da ist noch etwas«, sagte Jean verhalten. »Wir fanden da oben einen Platz in den Felsen. Dort steht ein großer Steinbock mit einer tiefen Mulde, fast wie ein Sarkophag. Sogar ein dazu passender Steindeckel liegt da, ist allerdings sehr schwer. Ich schlage vor, wir bestatten Araua dort oben.« »Angenommen«, erwiderte Ben. Dabei stieg ihm wieder ein Kloß in der Kehle hoch. »Es erhebt sich auch noch die Frage, ob wir mit der Beisetzung so lange warten sollen, bis Hasard aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Dan, Shane und ich haben darüber bereits gesprochen. Was meinst du dazu, Jean?« Jean Ribault schüttelte den Kopf. »Nein, es ist besser, nicht damit zu warten. Jedenfalls ist das meine Ansicht. Es kann unter Umständen auch noch Tage dauern,
bis er wieder bei sich ist.« »Das war auch die Ansicht von Pater David«, sagte Ben. »Auch er hielt das für besser. Dann findet die Beisetzung morgen statt. Ich glaube, damit sind alle einverstanden.« Ein Mann hockte abseits von den anderen in der Mulde – wie ein verirrter Einzelgänger. Er hatte Karten vor sich ausgebreitet, Material, das sie noch von der »Estrella« gerettet hatten. Darin war er so vertieft, daß er die Welt um sich her vergaß. Er sah weder nach links noch nach rechts. Völlig konzentriert rechnete er, überlegte, grübelte und zeichnete hin und wieder etwas in die Karten ein. »Was tut Dan mit den Karten?« fragte Ribault interessiert. Ben ließ sich auf einem Lavabrocken nieder, betrachtete die etwas weiter entfernten watschelnden Pinguine und streckte die Beine der Länge nach von sich. »Er brütet sozusagen, wie man es so schön nennt. Ich habe nicht die Absicht, den Rest meines Lebens in diesem Archipel zu verbringen, und mag er noch so reizvoll und einsam sein. Und diese Meinung teilen die anderen auch.« »Ich schließe mich an«, sagte Jean und ließ sich ebenfalls auf dem Lavabrocken nieder. »Und weiter?« »Ich habe Dan den Auftrag gegeben, darüber nachzudenken, in welcher Zeit und auf welchem Kurs das Festland oder eben Panama zu erreichen ist. Seitdem ist er beschäftigt.« »Du willst es mit den Jollen riskieren, Ben?« »Ich überlege noch. Wir werden uns zwar weiter hier häuslich auf unbestimmte Zeit einrichten, aber wir wollen weg, und das muß genau geplant werden.« Typisch Ben Brighton, dachte Jean, der überstürzt nie etwas, der wägt immer ab und tut das alles mit einer Ruhe, die direkt dickfellig wirkt. Dabei legt er eine kühle Gelassenheit an den Tag. Über die Insel Isabela senkte sich der erste Schatten der Nacht. Es gab keine lange Dämmerung. Der Übergang zwischen Tag und Nacht erfolgte hier am Äquator unglaublich rasch. Es war nur ein kurzes Zwielicht, nicht mehr, dann senkten sich die Schleier der Dunkelheit auch schon herab. Die Lavafelsen nahmen bizarre Formen und Gestalten an, als würden sie jeden Augenblick zum Leben erwachen oder sich in Bewegung setzen. In der großen Mulde wurde ein Feuer entzündet. Der Kutscher und Pater David sahen nach Hasard, dem die Zwillinge nicht von
der Seite wichen. Araua hatte man in eine Plane gehüllt und ihren Leichnam oberhalb in eine kleine Felsenhöhle gebracht. Als der Kutscher zum Feuer zurückkehrte, schüttelte er den Kopf. »Keine Änderung«, sagte er, »weder besser noch schlechter. Ihr werdet heute abend auch auf ein warmes Essen verzichten müssen, der steinerne Herd ist noch nicht ganz fertig. Es geht eben nicht alles an einem Tag.« »Gott hat die Welt auch nicht an einem Tag erschaffen«, sagte Pater David. »Wir haben heute gewiß genug getan. Dann verpflegen wir uns eben mit dem, was wir haben. Oder wir hängen einen Kessel über das Feuer und kochen Linsen mit Pökelfleisch.« Der Vorschlag wurde sofort angenommen. Also schleppte Mac Pellew einen großen Kessel herbei und begann ihn zu füllen. Während er Linsen hineinkippte, sah sich Ribault im Kreis der Männer um, die um das Feuer hockten. »Ich möchte alle noch warnen, die später mal in die Berge aufsteigen. Dort gibt es einen Baum, dessen gelbe Früchte wie Äpfel aussehen, die sehr verlockend duften. Die Frucht ist aber absolut tödlich. Roger hat sie nur ein wenig zermatscht, litt unter Übelkeit, Erbrechen und hat jetzt einen Hautausschlag. Laßt euch also bloß nicht vom Aussehen und Geruch der Frucht verführen.« »Sehr gut, daß du das erwähnt hast«, sagte Ben. »Auf derartige Weise sind schon viele ums Leben gekommen. Ich hoffe, die Männer haben das alle begriffen. Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Eine Stunde später war die Suppe doch noch fertig, und die Kummen wurden verteilt. Die Nacht war lau und mild. Als die Männer mit dem Essen fertig waren, ging auch der Mond an der Kimm auf und schob sich gelbrot immer höher hinauf, bis sein narbiges Gesicht deutlich zu erkennen war. Weiter im Süden stand das Kreuz des Südens, jene aus vier hellen Sternen bestehende Gruppe, die die Form eines Kreuzes aufweist. Wie ein Mahnmal leuchtete das Sternbild. Ben ließ für jeden eine Muck Rum ausgeben. Er wollte den Männern seinen Plan erläutern, über den er lange nachgedacht hatte und sehr gründlich natürlich. »Ich habe schon mit Jean darüber gesprochen«, begann er.
»So schön diese Inseln vielleicht auch sein mögen – wir kennen sie ja noch nicht und werden sie näher erforschen –, aber wir müssen hier weg. Hier können wir nicht ewig bleiben.« »Richtig, fragt sich nur wie«, sagte der Profos. »Große Schiffe haben wir ja leider nicht mehr, nur noch die Jollen.« »Ja, vier Jollen haben wir noch, das ist alles. Wir werden eine kleine Mannschaft zusammenstellen, die versuchen wird, mit einer der Jollen das Festland zu erreichen. Das kann Panama im Nordosten sein oder einer der Küstenorte, angefangen bei Guayaquil im Osten und von dort hinauf bis nach Panama.« »In Guayaquil können wir uns nicht mehr blicken lassen«, meinte Shane. »Da haben wir noch ein paar Rechnungen mit den lieben Dons offen.« »Welcher Ort und welche Route vorzuziehen ist, wird nachher Dan noch genau ausführen. Das ist jetzt egal, es geht um die Aufgabe, die der kleinen Mannschaft zufällt.« Gespannte Blicke hingen an seinen Lippen, als er langsam und bedächtig weitersprach. »Diese noch auszusuchende Mannschaft soll vom Festland aus einen kleinen Zweimaster besorgen, um die restlichen Männer von den Inseln abzuholen. Das ist der Grundgedanke.« »Sehr vernünftig«, sagte Ribault, während von den anderen Männern zustimmendes Gemurmel zu hören war. »Eine Crew segelt also mit der Jolle los. Warum brechen wir nicht gleich mit allen vier Jollen zugleich auf? Das würde uns eine Menge Zeit ersparen, und wir wären mit einem Schlag von den Inseln verschwunden.« Ben Brighton blieb kühl und gelassen, und genauso klangen auch seine nächsten Worte. »Natürlich habe ich auch darüber nachgedacht. Wenn wir mit allen vier Jollen aufbrechen, müßten wir zwei Jollen mit je dreizehn, und zwei weitere Jollen mit je zwölf Mann besetzen. Das ist aber noch nicht alles. In die Jollen gehört die erforderliche Ausrüstung wie Waffen, Proviant, Trinkwasser und anderes Zeug. Mit zwölf Mann plus Ausrüstung würde es demnach mehr als eng werden. Einen solchen Aufbruch lehne ich aus Sicherheitsgründen ab. Stell dir weiter vor, Jean, daß eine der Jollen aus irgendwelchen Gründen kentert oder sinkt, bei einem Sturm zum Beispiel. Was geschieht dann mit der Besatzung, wie wollen wir sie auf die drei restlichen Jollen verteilen? – Nein«, sagte er
kopfschüttelnd, »ich halte das nicht für richtig. Die Jollen wären ständig überladen, hätten zuwenig Freibord und wären keiner schweren See und keinem schlechtem Wetter gewachsen. Das ist mir zu riskant.« Jean Ribault dachte darüber nach. Ben Brighton argumentierte sehr logisch und sachlich. Er hatte wirklich lange und gründlich über alles nachgedacht. »Das sehe ich ein«, gab er schließlich zu. »Die Sicherheit wäre zu stark beeinträchtigt.« »Es wäre schlicht unverantwortlich«, sagte Ferris Tucker. »Das Risiko hält sich in Grenzen, wenn nur eine Jolle mit ein paar Männern zum Festland aufbricht.« »Und wohin? Panama oder Guayaquil?« »Das wird Dan euch erklären«, sagte Ben. »Er kann die weiteren Ausführungen übernehmen, denn gerade mit diesem Problem hat er sich ausgiebig beschäftigt.« Dan O’Flynn räusperte sich etwas, als er vortrat. »Panama«, sagte er. »Das hat ganz besondere Gründe, die ich gleich erläutern werde.« »Aber Panama ist fast doppelt so weit entfernt«, warf einer der Le Vengeurs ein. »Ich weiß. Die Küste im Osten – also der Golf von Guayaquil – liegt an die sechshundert Meilen von diesen Inseln entfernt, wie ich ausgerechnet habe, während Panama etwa tausendeinhundertfünfzig Meilen entfernt ist. Es gibt aber einen kalten Strom, der zuerst an der Küste Südamerikas nordwärts fließt, dann plötzlich nach Westen abbiegt, wo die Küste beim Golf von Guayaquil nordwärts zu verlaufen beginnt. Dieser Strom zieht dann auch westwärts an den südlichen Inseln dieser Gruppe vorbei, während ein anderer wesentlich wärmerer Strom nördlich des Äquators und auf dem Äquator in östlicher Richtung verläuft und sich teilt, und zwar ebenfalls bei diesen Inseln. Diesmal allerdings hinter den östlichen. Ein Teil des Stromes fließt nach Nordosten und dreht dann auf Nordwesten. Der andere dreht zwischen den Galápagos-Inseln und dem Festland radikal aus der Ostrichtung über Süden erneut westwärts und vereinigt sich sozusagen wieder mit der kalten Strömung.« »Das soll einer begreifen«, sagte Paddy Rogers verzweifelt. »Warum fließen diese Ströme denn dauernd durcheinander?« »Damit du was zum Nachdenken hast«, sagte Dan trocken.
»Aus diesem Grund halte ich es für günstiger, wenn wir in Panama anlegen, wobei wir den Südostwind nutzen können, der sogar später als Südwind in den Golf von Panama bläst.« Die Männer hatten alle Mühe, seinen Worten zu folgen, denn einigen rauchten bereits die Köpfe. »Ich weiß, das hört sich recht kompliziert an«, sagte Dan, »aber es ist nur halb so schlimm. Wir können also jene Strömung nutzen, die nach Nordosten driftet und im Nordosten, von hier aus gesehen, liegt ja Panama, genauer gesagt, der Golf von Panama. Vorhin wurde schon ganz richtig bemerkt, daß wir uns im Golf von Guayaquil nach Möglichkeit nicht blicken lassen dürfen. Da gab es zu viele Geschehnisse, die im Zusammenhang mit der Insel Puna passierten.« In Ben Brightons Gesicht erschien ein kaum sichtbares Lächeln. »In Panama wird die entsprechende Gruppe auch auf mehr Schiffe stoßen«, setzte er hinzu. »Notfalls kann man versuchen, den dicken Hafenkommandanten, den sehr ehrenwerten Don Alfonso de Roja, wieder ein bißchen zu erpressen. Er hat ja eine Menge Flecken auf seiner Weste. Wir haben also Gründe genug, unter Ausnutzung von Strom und Wind Panama anzusteuern, statt direkt ostwärts gegen den Strom auf die Küste zuzusegeln.« »Wobei wir bei den Windverhältnissen auch noch höher als halbwinds segeln müßten«, sagte Dan. »Das wäre eine zusätzliche Schwierigkeit.« »Wie lange würde man mit der Jolle bis nach Panama brauchen?« erkundigte sich Jean Ribault. »Ich habe etwa zehn Tage errechnet, falls keine widrigen Umständen eintreten. Zehn Tage unter normalen Bedingungen etwa. Das müßte ungefähr zu schaffen sein.« Dan O’Flynn hatte auf alle Fragen eine Antwort. Und sie stellten ihm jetzt ziemlich viele. Ben Brighton hatte die Arme über der Brust verschränkt und lächelte insgeheim. Dabei sah er Dan O’Flynn von der Seite her an. Himmel, dachte er, wie hat dieser Dan O’Flynn sich nur verändert! Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatten sie ihn nur das »Bürschchen« genannt. Da war er noch rotzig, frech und verfressen gewesen, aber trotzdem schon ein ganzer Kerl. Das Bürschchen hatte sich gemausert, seit es zusammen mit Hasard,
dem Kutscher und Blacky auf die »Marygold« unter Francis Drake gepreßt worden war. Seitdem hatte er sehr viel gelernt und sich prächtig entwickelt, bis hin zum erstklassigen Navigator und auch Schiffsführer. O’Flynn reagierte schnell, war äußerst hart im Nehmen und dachte dennoch gut nach. Er griff nicht mehr so spontan zu wie einst, sondern überlegte sorgfältig und rechnete kühl alles durch. Und wenn er sich mit Strömungen und Wind beschäftigt hatte, dann konnte Ben sicher sein, daß auch alles seine Richtigkeit hatte. Da gab es kein Zaudern oder Zagen. Dan traf Entscheidungen wie der Seewolf. Man müßte eigentlich ihn mit der Aufgabe betrauen, nach Panama zu segeln, überlegte Ben. Der Kerl hatte die richtigen Qualitäten dazu. Vor allem war er in der Navigation unschlagbar. Ben Brighton sprach das aus, was er dachte und sich gerade überlegt hatte. »Ich schlage vor«, sagte er geradeheraus, »daß wir Dan O’Flynn mit dieser Aufgabe betrauen, in Panama ein Ersatzschiff zu besorgen, mit dem die restlichen Männer von den GalápagosInseln abgeborgen werden. Er scheint mir der richtige Mann dafür zu sein.« Ribault schien das nicht besonders zu gefallen, obwohl er beileibe nichts gegen Dan O’Flynn hatte. »Das wäre auch eine Sache für mich«, sagte er, und seine Stimme klang fast ein wenig aggressiv. »Oder traut man mir das nicht zu?« »Darum geht es doch gar nicht«, erwiderte Ben. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch da fuhr Karl von Hutten dazwischen. »Ich bin genau Bens Meinung«, sagte er. »Für Dan ist das die richtige Aufgabe, denn er hat sich exakt mit den Möglichkeiten befaßt, wie man wieder das Festland erreichen kann. Und er hat sich ausgiebig und sehr lange damit beschäftigt, das möchte ich extra betonten. Im übrigen – auch das möchte ich hier gleich klarstellen – betrachte ich Ben als den Stellvertreter Hasards, und fasse daher dessen Weisungen oder Empfehlungen auch als verbindlich auf. Ben hat heute bewiesen, daß er richtige und gute Entscheidungen getroffen hat, nachdem fast alle, auch du, Jean, die Ohren hängen ließen.« »Um Himmels willen«, sagte Jean Ribault, »da habt ihr mich wohl mißverstanden, und ich entschuldige mich hiermit. Meine
Frage ist keine Kritik an Bens Handeln gewesen. Ich wollte auch nicht seinen Vorschlag in Frage stellen, tut mir leid. Natürlich ist Bens Führungsrolle unangetastet und für mich absolut verbindlich.« »Nur keine Aufregung«, sagte Ben gelassen. »Das ist es gar nicht wert. Setzen wir mal eine Frist von etwa na, sagen wir…« »Etwa vier Wochen«, murmelte Dan. »Gut, vier Wochen«, stimmte Ben zu. »Sollte Dan mit seiner Mannschaft innerhalb dieser Zeit nicht zurück sein, setzen wir eine zweite Jolle in Marsch. Dabei schlage ich vor, daß Jean dann die Führung über die zweite Jolle übernimmt. Ist das akzeptabel?« Ribault stimmte sofort zu. Auch die anderen nickten. Jetzt wußten sie endlich wieder, wo es langging, und sie erkannten die Führungsrolle Ben Brightons ohne Einwände an. Er hatte bewiesen, klar und deutlich, daß er es verstand, die Männer zu führen. »Dann überlasse ich es dir, Dan, die Männer zu bestimmen, die mit dir segeln. Ein halbes Dutzend Leute müßte für die Jolle ausreichend sein.« Der Profos, der natürlich mit von der Partie sein wollte, kriegte schon den glasigen Blick, als Dan die Männer aussuchte. Er wölbte seinen mächtigen Brustkasten vor, um ja nicht übersehen zu werden. Dan O’Flynn würde ihn doch wohl hoffentlich nicht vergessen, was, wie? »Karl von Hutten«, sagte Dan, »Batuti, Stenmark und noch einen der Vengeurs – Mel Ferrow.« Der Profos schluckte und krächzte sich die Kehle frei. Seine Augen quollen ihm fast aus dem Schädel. Dan ließ den hungrig blickenden Profos noch ein wenig im eigenen Saft schmoren, bis der von beiden Seiten richtig angebraten war. »Ja, wen noch?« überlegte er laut. Er sah schon einen, der sich schlimmer als ein Ochsenfrosch aufblähte und bei Dans Frage fast Bauchschmerzen kriegte. »Ach ja, Ed natürlich, aber nur, falls er will.« Ed stieß tief die Luft aus und schickte einen frommen Blick zum Himmel. Und ob er wollte! Das mußte er aber nicht unbedingt mit Stentorstimme hinausbrüllen, sonst grinste sich dieser Dan O’Flynn vielleicht noch eins. Andererseits konnte er
das auch nicht gleichgültig hinnehmen, sonst fiel diesem O’Flynn noch ein, jemanden zu nehmen, der wesentlich begeisterungsfähiger war. »Einverstanden«, sagte er. »Allerdings ohne den Papagei Sir John«, sagte Dan einschränkend. Das paßte dem Profos zwar ganz und gar nicht, aber er sah doch ein, daß es besser war, wenn er seinen Kreischgeier hier zurückließ. »Auch einverstanden«, knurrte Ed. »Das ist nicht gegen dich persönlich gerichtet«, sagte Dan, der am Unterton in der Profos-Stimme schon heraushörte, daß Ed davon nicht sonderlich begeistert war. »Es ist einfach zu wenig Platz in der Jolle, wir sind ziemlich eingeengt.« »Weiß ich doch«, brummte Ed. »Ich sehe es ja auch ein.« »Und wie steht es mit euch?« wandte Dan sich fragend an die ausgewählten Männer. »Auch alle einverstanden?« Ausnahmslos alle freuten sich und waren einverstanden. Die Inseln bedrückten sie, ganz besonders die Geschehnisse hier, und so waren sie froh, etwas für die anderen tun zu können. Als der Mond immer weiterwanderte, verstummten nach und nach auch die Gespräche der Männer, und einer nach dem anderen suchte seinen Schlafplatz in der Mulde auf, um sich auf seine Decke zu legen. Die Luft war warm und mild. Nichts mehr erinnerte äußerlich an die Schrecknisse der jüngsten Zeit. Still und friedlich lag die Bucht da wie eine große Platte aus allerfeinstem Silber. 3. Am anderen Morgen, es war der zwölfte Februar, schritt eine stumme Prozession von Männern in die Felsen hinauf, um Araua zur letzten Ruhe zu geleiten. Hasard, die Zwillinge und der Kutscher waren nicht dabei. Die Zwillinge bangten um ihren Vater, und der Kutscher mußte zurückbleiben, falls Hasard erwachte oder sein Zustand sich änderte. Es war ein trauriger, schweigsamer Zug. Niemand sprach ein Wort, bis sie das große Steingrab erreichten. Alle fanden, daß es eine würdige Begräbnisstätte sei.
Araua, eingehüllt in eine Plane, wurde sanft in den natürlichen Sarkophag aus Lavagestein gebettet. Pater Davis sprach die letzten Worte des Abschieds. Die Männer waren tief bewegt, und in etlichen Augen schimmerten verstohlen ein paar Tränen, oder es glänzte feucht. »Amen«, wiederholten dann alle. Die Sonne war aufgegangen und tastete mit leuchtenden farbigen Armen den Berg ab. Die Ruhe war fast mit den Händen greifbar. Von Hutten, Shane, Batuti, der Profos, Dan O’Flynn, Ben Brighton, Paddy Rogers und Jean Ribault hievten mühsam den schweren Steindeckel, der einer Grabplatte glich, in die Höhe und trugen ihn zu dem Felsengrab. Es bedurfte erheblicher Kraftaufwendung, bis die schwere Steinplatte am richtigen Platz lag. Ein letztes Knirschen war zu hören, dann saß die Platte fest und verschloß Arauas Grab. Fast sah es aus, als sei dieses Felsengrab extra für sie gefertigt worden. Die Steinplatte würde auch niemand mehr entfernen können, so schwer war sie. Über das einsame Grab strich leise harfend der Seewind. Ein paar der wildwuchernden Orchideen waren der letzte Abschiedsgruß der Seewölfe und der Männer von Jean Ribault. Als sie still und in sich gekehrt den Weg zurückgingen, war dies das Ende eines langen Kapitels. Aber ein neues begann bereits oder hatte bereits begonnen. An diesem Morgen wurde eine der Jollen ausgerüstet, und das wurde sehr sorgfältig getan, stand den Männern doch eine ungewisse Reise von mehr als tausend Meilen bevor. »Bis heute abend sind wir mit der Jolle vermutlich fertig«, sagte Ben. »Das heißt also, daß ihr morgen früh lossegeln könnt.« Edwin Carberry zog unbehaglich das Genick ein. »Morgen?« fragte er beklommen. »Wollen wir nicht lieber noch einen Tag warten?« »Wieso das denn?« »Na, ich meine ja nur. Morgen ist doch der Dreizehnte, und man weiß ja, was passiert, wenn ein Schiff an einem solchen Tag in See geht.« »Gilt das denn auch für Jollen?« fragte Dan O’Flynn anzüglich. Smoky, der daneben stand, nickte sofort und eifrig. »Das gilt für alles, was in See geht«, erklärte er. »Hat dein Vater immer wieder betont. An einem solchen Tag soll man nicht
mal baden oder schwimmen, weil man da ja auch gewissermaßen in See geht.« »Das fängt ja gut an«, murmelte Dan. »Der morgige Tag ist ein Tag wie jeder andere auch, und was mein Vater behauptet, das…« »… hat mit Sicherheit gestimmt«, sagte Smoky schnell. Dan O’Flynn warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Mein Alter hat auch schon eine Menge Stuß behauptet. Aber ihr Kerle behaltet ja immer nur das in euren Schädeln, was wirklich eingetroffen ist. Die falschen Prognosen vergeßt ihr sofort, und da waren mehr falsche als richtige dabei. Wenn wir heute abend fertig werden, dann segeln wir morgen los, und damit basta und paletti.« »Der dreizehnte ist aber ein beschissener Tag«, maulte Ed, »wir werden ja sehen, was wir davon haben.« »Entscheide dich, Mister Carberry«, sagte Dan hart. »Ich gehe keine faulen Kompromisse ein, und abergläubische Kerle kann ich an Bord der Jolle nicht brauchen. Die liegen mir nur ständig mit ihrem durch nichts zu beweisenden Gefasel in den Ohren. Hier gibt es mindestens vierzig andere, die sofort mit dir tauschen würden.« Der Profos gab klein bei, denn er sah an Dans Blicken, daß der es fertig kriegte und ihn im letzten Augenblick einfach ausbootete. »Ich wollte ja auch nur zu einem guten Gelingen der Reise beitragen. Da wird man doch wohl noch ein gutgemeintes Wort sagen dürfen.« »Das war wirklich sehr besorgt gedacht«, sagte Dan etwas versöhnlicher. »Aber da wir sowieso kein richtiges Zeitgefühl haben, lassen wir einfach offen, was morgen für ein Datum ist. Kann ja sein, daß wir uns in der Zeitrechnung geirrt haben. Einverstanden?« Der Profos betrat im Geiste etwas schwankend die Brücke, die Dan ihm gebaut hatte, und nickte. »Alles klar«, sagte er strahlend. »Hm, kann sein, daß heute sogar der Dreizehnte ist, oder war er gestern?« Wie gesagt, über das doch etwas heikle Thema wurde dann nicht mehr gesprochen. Auch Smoky, den solche Dinge ganz besonders juckten, hielt die Klappe, vorsichtshalber, weil er Dan kannte, der ganz anders dachte als der Hexenmeister Old
O’Flynn. Der hätte sich eher den Hals gebrochen, als daß er an einem dreizehnten in See gegangen wäre. Sein Sohn hingegen betrachtete das alles stocknüchtern und sehr realistisch. Der glaubte nicht mal an Meermänner, obwohl die doch ständig in allen Meeren herumkrebsten und üble Streiche im Sinn hatten. Unterdessen nähten der alte Segelmacher Will Thorne und Tom Coogan aus der Crew Ribaults eine Spritzpersenning, die von vorn nach achtern über die Jolle gespannt werden konnte. Vor allem sollte sie als Schutz gegen überkommende See bei schlechtem Wetter dienen, aber sie war auch gleichzeitig als Regen- und Sonnenschutz gedacht. Roger Brighton war damit beschäftigt, den Pfahlmast der Jolle stärker zu verstagen, damit er größerer Belastung standhielt. Die Jolle erhielt auch noch eine größere und kleinere Fock, die je nach Windstärke gesetzt werden konnte. Vorher war sie nur mit einem Großsegel geriggt. Damit waren die Männer vollauf beschäftigt, und es stand außer Frage, daß darüber der heutige Tag vergehen würde. Schließlich sollte die Jolle ja, so gut es eben ging, seetüchtig gemacht werden. Ben Brighton nahm sich inzwischen die Spezialgürtel vor, die Will Thorne einmal genäht hatte und die kleine Innentaschen für Münzen und Perlen aufwiesen. Diese Gürtel hatten sich schon immer bewährt. Die Männer trugen ihr »Betriebskapital« dann ständig so versteckt bei sich, daß es kaum jemandem auffiel. Betriebskapital brauchten sie, denn wenn sie dem dicken Hafenkommandanten nichts abzwacken oder aus dem Kreuz leiern konnten, dann mußten sie es eben anders versuchen und ein Schiff ganz offiziell kaufen. Daher füllte Ben auch noch Münzen und Perlen in eine kleine Holzkiste, die später an Bord der Jolle gestaut werden sollte. Die Arbeiten gingen unermüdlich weiter. Aber nicht nur an der Jolle wurde gearbeitet. In der Bucht waren die Männer ebenfalls noch immer damit beschäftigt, das aufgefischte Holz zu stapeln, und den Herd fertig zu bauen. Der Auslauf für die Hühner war ebenfalls noch nicht fertig. Mac Pellew und Pete Ballie waren in die Bucht hinausgepullt, hatten Angeln ausgelegt und fischten. Die Bucht war sehr fischreich, denn Pete und Mac zogen einen Fisch nach dem
anderen aus dem Wasser. Zwischen den arbeitenden Männern watschelten ungeniert die kleinen Pinguine umher. Sie waren so zutraulich, daß sie sich auch anfassen ließen. Etwas später kehrten die beiden erfolgreichen Fischer zurück und brachten ihre Beute an Land. Inzwischen hatten der Kutscher und Ferris Tucker einen Lavastein so bearbeitet, daß er als Herdplatte dienen konnte. Sie erhitzte sich fast so schnell wie die eiserne Herdplatte, speicherte die Wärme aber viel länger. Zum Mittagessen gab es gebackenen Fisch, der vorzüglich schmeckte, denn die Männer hieben rein, als hätten sie tagelang nichts gegessen. Danach gingen die Arbeiten an der Jolle mit Hochdruck weiter. Das »Betriebskapital« war bereits von Ben gestaut worden. Kartenmaterial, Navigationsinstrumente, Waffen, Proviant, Trinkwasser und Decken befanden sich ebenfalls an Bord, alles in geteertem Segeltuch verpackt und wasserdicht. Als der Bootskompaß eingebaut wurde, sagte Dan: »Nachher können wir einen Probeschlag unternehmen. Dann zeigt sich gleich, wie die Jolle auf dem Ruder liegt.« »Die Persenning ist aber noch nicht ganz fertig«, wandte der alte Segelmacher Will Thorne ein. »Kein Problem, Will. Die brauchen wir bei dem Versuch auch nicht.« Dan kontrollierte alles noch einmal genau. Roger Brighton hatte hervorragend gearbeitet. Er hatte auch alles, was an Tauwerk oder zum Ausbessern der Segel gebraucht wurde, extra gestaut. Etwas abseits standen der Profos und Smoky. Sie unterhielten sich so leise, daß es auch niemand verstand. »Ich habe so ein dumpfes Gefühl«, murmelte Smoky. »Die anderen grinsen ja immer darüber, aber das mit dem Dreizehnten gefällt mir ganz und gar nicht. Da ist was dran, sage ich dir.« »Ja, das glaube ich auch«, versicherte Ed. »Aber vielleicht ist morgen gar nicht der Dreizehnte, wir haben das jedenfalls so hingebogen.« »Der Dreizehnte läßt sich nicht behumsen, der lauert nur darauf, daß ein Schiff in See geht.« »Aber es ist doch nur eine Jolle.« »Jollen sind auch Schiffe, das gilt grundsätzlich für alle.«
»Aber ich kann doch jetzt nicht zurück«, sagte Ed Carberry unbehaglich. »Und ich kann die anderen nicht überreden, die Fahrt um einen Tag zu verschieben. Du hast ja die Reaktion bemerkt. Vielleicht geht ja auch alles trotzdem gut.« Smoky schüttelte den Kopf. »Nichts geht gut«, murmelte er dumpf. »Irgend etwas passiert mit Sicherheit. Du wirst noch an unser Gespräch denken, Ed. Nimm dich also gut in acht und sieh dich vor.« »Mann, wenn nur dieser Dreizehnte nicht wäre«, brummte Ed. »Ich habe mich selten so unbehaglich gefühlt.« Sie redeten noch eine Menge Stuß miteinander, wobei Smoky mit beschwörenden Gesten und salbungsvollen Worten glänzte. »Ich muß wieder zurück zur Jolle«, sagte der Profos, dem ganz blümerant zumute war, und vom Dreizehnten wollte er auch nichts mehr hören, denn Smoky malte in den allerschwärzesten Farben. Nach seiner Meinung würde die Jolle bestenfalls bis zur Kimm gelangen, dann war der Ofen aus. Aber auf ihn wolle ja keiner hören, sagte er abschließend. »Na, habt ihr wieder Quatsch geredet?« fragte Dan, als er Carberrys besorgtes Gesicht sah. Der Profos schickte einen lammfrommen Blick zum blauen Himmel. »Wir sprachen nur über die Seefahrt im allgemeinen und so. Wie sieht es mit dem Probeschlag aus?« fragte er dann hastig, um Dan O’Flynn von weiteren Fragen abzulenken. Dan grinste ein bißchen hintergründig. »Mit dem Probeschlag gehen wir offiziell in See«, sagte er. »Vielleicht beruhigt dich das ein bißchen. Wir laufen also nachher aus, kehren aber noch mal sozusagen zum Hafen zurück. Es liegt nur eine Ruhepause dazwischen.« »Gute Idee«, murmelte Carberry erleichtert, der die Jolle im Geist schon an der Kimm versinken sah. »Dann geht es also heute los?« »Ja«, sagte Dan seufzend, »heute geht es los, wenn’s recht ist.« Danach verschwand die Besorgnis aus Eds Gesicht, aber im Hintergrund stand erneut eine bange Frage. Was war, wenn sie sich doch im Datum geirrt hatten, und wenn heute der Dreizehnte war? Dann ging der ganze Kram wieder von vorn los. Am Nachmittag stiegen von Hutten, Batuti, Stenmark, Mel
Ferrow, Carberry und Dan in die Jolle. Dan übernahm die Pinne, während sich die anderen auf die Duchten setzten. »Sechs Mann sind gerade genug«, meinte Stenmark. »So kann man sich wenigstens noch etwas bewegen.« Carberry sah nach dem gestauten Zeug, das wasserdicht verpackt war. Auch die Wasserfässer waren festgezurrt, ebenso wurden auch die Riemen in der Jolle belassen. Kräftige Hände packten an und schoben die Jolle aus dem seichten Wasser mit Schwung hinaus. Das große Focksegel wurde gesetzt, die Jolle nahm Fahrt auf und segelte langsam in westlicher Richtung aus der Bucht. Als sie weiter draußen waren und an Steuerbord die Insel Fernandina größer wurde, ging Dan O’Flynn mit der Jolle höher an den Wind. »Sie zieht ein wenig nach Lee«, stellte er nach einer Weile fest, »sonst liegt sie gut auf dem Ruder.« »Stimmt, sie ist leegierig«, sagte von Hutten, »aber das können wir gleich ändern, indem wir die Wasserfässer weiter nach vorn stauen.« Die Wasserfässer wurden losgebunden, weiter nach vorn gebracht und dort erneut seefest gezurrt. »Besser?« fragte Batuti. »Ja, jetzt ist alles in Ordnung. Die Leegierigkeit hat aufgehört. Ihr könnt selbst mal die Pinne übernehmen.« Sie wechselten sich an der Ruderpinne ab. »Liegt wunderbar und prächtig«, sagte der Profos. Die anderen fanden das auch. Das Schiffchen lag gut auf dem Ruder. Ein paar Kreuzschläge wurden gesegelt, dann wieder liefen sie platt vorm Laken, luvten an, gingen hoch an den Wind oder fielen wieder ab. Es gab nichts auszusetzen. »Dann steht unserer Abreise nichts mehr im Wege«, sagte Dan. »Hoffen wir nur noch, daß die See sich einigermaßen ruhig hält. Mehr als tausend Meilen liegen vor uns.« »Mehr als tausend Meilen«, murmelte Stenmark. »Und du glaubst, daß wir es in zehn Tagen schaffen?« »Wenn alles normal verläuft, dann ja. Irgendwelche Hindernisse kann ich nicht mitrechnen.« Der Profos dachte wieder an den Dreizehnten und blickte zur
Kimm. Aber er sagte nichts und schwieg. »Der Probeschlag ist einwandfrei verlaufen«, sagte Dan, »segeln wir also wieder zurück. Will und Coogan können sich dann noch mit der Persenning beschäftigen.« Am Strand erwarteten sie Pinguine. Bolzengerade standen sie da und sahen neugierig dem Boot entgegen. Unterwegs hatten die Männer diese unglaublich flinken Kerlchen schon beobachten können, wie sie pfeilschnell Fische jagten. Die Männer sprangen heraus und zogen die Jolle höher ans Ufer, wo Ben Brighton und Ferris Tucker standen. »Hattet ihr Schwierigkeiten?« fragte Hasards Stellvertreter. »Ich habe gesehen, daß ihr etwas umgestaut habt.« »Die Jolle war leegierig, deshalb haben wir die Wasserfässer weiter nach vorn gestaut.« »Sonst alles in Ordnung?« erkundigte sich Ben. »Alles bestens und einwandfrei«, versicherte Dan. Inzwischen war auch die Persenning fertig, die Will Thorne und Coogan genäht hatten. Jetzt gingen sie daran, sie von vorn nach achtern über die Jolle zu spannen. Einer der Zwillinge rannte auf sie zu. Er raste, als seien tausend Teufel hinter ihm her. Es war Philip, der sich beim Laufen fast überschlug. Als jetzt auch noch der Kutscher vor dem Zelt erschien und neben ihm Pater David auftauchte, zuckte Ben verstört zusammen. Die anderen Männer schluckten hart und fragten sich beklommen, ob etwas passiert sei. Aber Philip war quietschfidel und grinste. Er japste nur noch nach Luft. Der Profos hatte anfangs das Gefühl, ein ganzer Ameisenhaufen würde in seinem Magen hochsteigen. Als er jetzt das grinsende Gesicht sah, rutschte der Ameisenhaufen wieder ab. »Stellt euch vor, Dad, ist eben erwacht!« brüllte Philip. »Stellt euch das nur mal vor!« »Nichts wie hin!« schrie der Profos. In seinem narbigen Gesicht zuckte und wetterleuchtete es. Er rannte sofort los, gefolgt von einer ganzen Meute, die alles hinwarfen, was sie gerade in den Händen hatten. Diesmal rannten die Kerle, als seien noch mehr als tausend Teufel hinter ihnen her.
»Langsam, langsam«, mahnte der Kutscher, als die wilde Horde heranstürmte. »Ihr könnt doch hier nicht wie die Hammelböcke herumspringen. Ihr rennt mir ja das Zelt ein.« »Wie geht es ihm?« fragte Ben aufgeregt. »Gut, sehr gut.« Der Kutscher schlug die eine Seite der Persenning zurück, damit die Männer einen Blick auf Hasard werfen konnten. In allen Gesichtern war spürbare Erleichterung zu lesen, als sie ihren Seewolf sahen. Seine Augen waren geöffnet und blickten seltsam klar. Langsam wanderte sein Blick von einem zum anderen. Dann lächelte er ganz schwach. Sein Gesicht war verhärmt und etwas schmaler geworden. Aber sie entdeckten auch noch etwas anderes: An den Schläfen zeigten sich helle Fäden, als sei das schwarze Haar stellenweise mit Silberfäden durchwebt worden. Er sah dadurch keineswegs älter aus, nur noch interessanter und verwegener, so dachten sie alle. Als Ben etwas sagen wollte, winkte der Kutscher sofort ab. »Später, heute abend«, sagte er bestimmt. »Ihr habt ihn alle gesehen, es geht ihm gut, aber er soll sich jetzt nicht gleich überanstrengen. Reden könnt ihr heute abend mit ihm, jetzt wollen wir erst noch nach der Verletzung sehen. Das gilt auch für dich«, setzte der Kutscher grob hinzu, als sich der Profos noch dichter heranschob. »Hab’ dich nicht so«, knurrte Ed. »Ich hab’ mich aber so. Und jetzt zisch ab, du Stielauge!« Der Profos glaubte, sich verhört zu haben. Er sah den Kutscher kopfschüttelnd an und winkte ab. »Dir geht’s wohl zu gut, was, wie?« sagte er grollend. »Lange nicht mehr dein eigenes Geschrei gehört, he?« Er gehorchte aber und zog mit den anderen ab. Bloß über das »Stielauge« ärgerte er sich mächtig. »Nun wird alles gut«, sagte Ben. »Hoffen wir, daß seine Genesung rasch voranschreitet, und hoffen wir weiter, daß er das mit Araua verkraftet, er hat schon viel verkraften müssen.« »Seine Schläfenhaare sind innerhalb kürzester Zeit silbergrau geworden«, sagte Dan. »Man sieht es deutlich am Haaransatz.« »Ja, das fiel mir auch auf.« Als sich die Dunkelheit über Meer und Insel senkte, wurde in der Mulde wieder ein Feuer entzündet.
Hasard saß aufrecht auf seinem Lager. Sein Blick war klar, nur die Wangen waren ein wenig eingefallen. Aber auch das würde sich bald wieder geben. Sie nahmen rings um Hasards Lagerstatt auf dem Boden Platz. Das Zelt war vorübergehend umgelegt worden. Es war ein ruhiger Abend mit einem leuchtenden Mond und funkelnden Sternen, unter denen auch das Kreuz des Süden wieder zu sehen war. Ben berichtete dem Seewolf, was bisher vorgefallen war. Hasard nickte schweigend dazu. »Wo – wo habt ihr Araua beigesetzt?« fragte er mit leiser Stimme. »Oben, in den Felsen, Sir, in einem Steingrab. Dort singt ewig der Seewind, und niemand wird ihre Ruhe stören.« Hasard schluckte, schließlich nickte er. »Ich werde morgen hinaufgehen.« »Aber, Sir«, wandte der Kutscher ein, »der Weg ist schwierig.« »Es bleibt dabei, Kutscher. Ich fühle mich kräftig genug.« Ben berichtete wieder. Er war froh, daß Hasard wieder so weit hergestellt worden war, daß er über die Dinge urteilen konnte. »Morgen früh soll eine Jolle mit sechs Mann versuchen, Panama zu erreichen. Es ist alles vorbereitet, auch der Probeschlag verlief zufriedenstellend. In Panama sollen sie ein kleineres Schiff besorgen, um uns von den Inseln abzubergen. Ich wollte damit nicht länger warten. Schließlich gibt es bessere Plätze auf der Welt, auch wenn die Inseln ganz schön sind.« »Das hätte ich auch getan«, sagte Hasard, »ich bin voll und ganz damit einverstanden.« »Dan hat das Kartenmaterial gesichtet, die Entfernung ausgerechnet und die verschiedenen Strömungen aufgezeichnet. Wir rechnen für die Überfahrt etwa zehn Tage, die gleiche Zeit dann zurück, plus etwa zehn Tage Aufenthalt. Wir schätzen, daß die Männer in einem Monat wieder zurück sein können. Falls das nicht der Fall ist und widrige Umstände eintreten, wollte ich eine zweite Jolle unter Jean mit ebenfalls sechs Mann Besatzung losschicken.« »Das ist auch eine gute Entscheidung«, sagte Hasard. Dann erschien ein ganz fernes, verlorenes Lächeln in seinem Gesicht. »Jean?« fragte er. »Vielleicht sollte ich die zweite Jolle übernehmen, falls Dan nicht zurückkehrt.«
Die Männer grinsten erleichtert, auch Jean Ribault, denn nach diesen Worten wußten sie, daß ihr Kapitän nicht aufgegeben hatte. Der schwere Schicksalsschlag hatte ihn nicht untergekriegt. Er schien wieder ganz der Alte zu sein, ein Mann, der an seinem Schicksal nicht zerbrach und sich nicht selbst aufgab. Er sah nur noch ein wenig mitgenommen aus. Hasard lehnte sich ein wenig zurück an den Pfosten, der das Zelt hielt und sah in die Runde. »Eigentlich«, sagte er bedächtig, »sollten wir diesen Abend mit einem guten Schluck begießen. Ich könnte jedenfalls einen Schluck vertragen und die anderen sicher ebenfalls.« Der Profos grinste bereits erfreut und zeigte das auch. Er grinste fast bis an die Ohren. Jetzt ist das alte Gleichgewicht wiederhergestellt, dachte er zufrieden. Der Seewolf war nicht unterzukriegen, und das freute Carberry am meisten. Der Kutscher schleppte ein Fäßchen herbei und verteilte auch Mucks an die Männer. Der alte Segelmacher Will Thorne, der bescheidene und zurückhaltende gute Geist der Mannschaft, hob feierlich seine Muck und sah Hasard in die Augen. »Auf dein ganz spezielles Wohl, Sir, und auf die rasch fortschreitende Gesundheit. Vielleicht darf ich noch etwas dazu bemerken, wenn es gestattet ist.« »Natürlich, Will. Sage nur, was du sagen möchtest.« »Ich möchte nur das sagen, was viele andere denken und was sie ebenfalls geopfert hätten. Es wäre für mich alten Mann an der Zeit gewesen, die letzte Reise zum großen Kapitän anzutreten. Warum der Pfeil ausgerechnet Araua traf, das weiß nur er da oben im Himmel. Aber er hat so entschieden, und wir müssen uns seiner Entscheidung beugen. Aber ich wollte, er hätte mich ausgesucht, Sir.« Hasard sah dem Alten in die hellen ehrlichen Augen. Er nickte ihm zu und trank, und er wußte auch, was Will sagen wollte: daß jeder von ihnen den Pfeil klaglos hingenommen hätte, um Araua vor dem Tod zu bewahren. Es ist schön, das zu wissen, dachte er ergriffen. Spontan streckte er dem alten Segelmacher die Hand hin, der sie dankbar und kräftig drückte. »Ich glaube, dieser Abend nimmt von uns allen etwas die
Bedrückung«, sagte er. »Wir müssen auch Niederlagen hinnehmen und können nicht immer die strahlenden Sieger sein. Ja, wir müssen sogar den Tod hinnehmen, wen immer von uns es auch trifft. Aber das Leben geht weiter, und das ist nicht nur so dahingesagt.« Die Worte von Hasard und Will rührten die hartgesottenen Kerle. Es wurde fast still und feierlich, ein ruhiger guter Abend. Auch später noch saßen sie plaudernd beisammen. Hasard ging es immer besser, er genas fast zusehends. Erst spät in der Nacht kehrte auf der Insel Ruhe ein. 4. Noch bevor die Sonne aufging, war Hasard schon auf den Beinen. Er tastete über seine linke Wange und spürte deutlich die Schnittwunde, die langsam zu einer Narbe verheilte. Zwei prächtige Narben habe ich jetzt, dachte er sarkastisch. Die alte, die von der rechten Stirnseite über die Augenbraue zur linken Wange hinlief, und die neue, die sich direkt darunter befand. In der Rippengegend stach es noch, doch das legte sich, wenn er sich ruhiger bewegte und hastige Bewegungen vermied. Der Kutscher war ebenfalls wach, auch die Zwillinge. Am Strand liefen bereits die ersten Männer umher. »Soll ich dich begleiten, Sir?« fragte der Kutscher, der wußte, daß Hasard in die Felsen hinauf wollte. »Nein, danke, ich möchte allein gehen, Kutscher. Ich denke, du verstehst das.« »Aye, Sir.« »Sollen wir mitgehen, Dad, Sir?« Der Seewolf schüttelte den Kopf. »Wir gehen später einmal zusammen hinauf«, versprach er. »Heute gehe ich allein.« Die Zwillinge akzeptierten das. Sie sahen ihm nach, als er langsam in die Felsen stieg. Die Dunkelheit wich einer kurzen grauen Dämmerung. Dann ging im Osten die Sonne auf. Der Trupp, der nach Panama aufbrechen sollte, befand sich bereits vollzählig am Strand. Auch die anderen Männer scharten sich nach und nach um sie. »Hasard ist noch oben«, sagte der Kutscher, »er dürfte aber
bald zurück sein.« Inzwischen wurde noch einmal das Boot kontrolliert. Dan und Carberry taten das äußerst gründlich. Sie überprüften auch, ob alles festgezurrt und sicher gestaut war. Inzwischen hatte Hasard das Steingrab erreicht und blieb andächtig stehen. Mit schimmernden Augen blickte er auf den Strauß farbenprächtiger Orchideen. Dieser letzte Gruß rührte ihn tief. Lange stand er da, in stiller Andacht versunken, einsam, nur vom Wind begleitet, der flüsternd über das Grab strich. Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Die erste Begegnung zwischen ihm und der Schlangen-Priesterin Arkana, die Insel Mocha, das geheimnisvolle Ritual im Schlangen-Tempel, dann Araua, seine Tochter. Bewegungslos stand er lange Zeit da, den Blick in grenzenlose Fernen gerichtet. Die Wunde begann wieder zu schmerzen, aber das lag vielleicht an dem Druck, den er dumpf im Herzen spürte. Als er sich umdrehte, seufzte er verhalten, und der Blick seiner Augen war etwas verschleiert. Er würde noch oft hier hinaufgehen, das wußte er. Das Leben geht weiter, flüsterte eine innere Stimme. Er nickte wie unter einem Zwang und kehrte zurück. Als er unten am Strand ankam, war sein Blick wieder klar und die Beklemmung verschwunden. Die Wunde stach auch kaum noch. Der Profos verabschiedete sich gerade von seinem Papagei, als würde er ihn nie mehr wiedersehen. Sir John hockte auf seiner Schulter und schien andächtig zu lauschen. »Der alte Carberry ist ja bald wieder da«, sagte er, »und er bringt dir auch was Feines mit. Du mußt aber auch schön brav sein und keinen Stuß erzählen.« »Das sagt er ausgerechnet Sir John«, murmelte der Kutscher. »Sir John sollte das lieber zu ihm sagen.« Die grinsenden Männer mußten sich weitere Belehrungen anhören, obwohl sie die bereits zur Genüge kannten. Sie sollten ja auf die acht Hühnerchen aufpassen, auch auf Arwenack, Plymmie und ganz besonders Sir John. Die Krachente lag ihm besonders am Herzen, und sie gab ihm auch ein paar liebevolle, leider aber völlig unpassende und ordinäre Worte zurück, die Carberry gerührt zur Kenntnis nahm.
»Dem Rahenkacker wird schon nichts passieren«, meinte Matt Davies. »Wir passen alle auf ihn auf.« »Hoch am Wind ihr Rübenschweine«, krächzte Sir John. »Anbrassen, ihr müden Säcke, hopp auf!« »Ist das nicht rührend?« fragte der Profos. Die anderen fanden das auch sehr rührend, ganz besonders, als der liebe Sir John prompt noch weitere unflätige Worte krächzte. Matt Davies pflückte den »Rahenkacker« vorsichtig von Carberrys breiter Schulter. »Saukopf!« schrie Sir John, wobei er offenließ, wen er damit meinte. Der Profos fand auch das »sehr rührend«. Die Männer wurden verabschiedet. Hasard gab jedem von ihnen die Hand. »Alle guten Wünsche begleiten euch«, sagte er. »Bis in etwa einem Monat also. Solltet ihr dann nicht zurück sein – aus welchen Gründen auch immer –, schicken wir die nächste Jolle los.« »Gott sei mit euch«, sagte Pater David. »Möge er stets auf eurem Kurs sein.« »Wir tun, was in unserer Kraft steht«, versprach Dan, »und wir hoffen, bald mit einem anderen Schiff hier zu sein.« Sie wünschten sich noch gegenseitig Mast- und Schotbruch. Dann wurde die Jolle ins tiefere Wasser geschoben. Batuti setzte das Focksegel. Die Jolle ging gleich darauf auf nördlichen Kurs in Richtung der Insel Fernandina, um die Nordspitze der großen Insel Isabela zu runden. Die Männer auf der Insel sahen ihnen lange nach und winkten, bis die Jolle schließlich außer Sicht war. Die sechs Mann winkten ebenfalls zurück. Der Wind wehte händig und gleichmäßig aus Südost. Eine lange, ebenfalls gleichmäßige Dünung bewegte die Jolle auf und nieder. An den Ufern stürzten sich ein paar Pinguine ins Wasser, auch ein paar Seelöwen wälzten ihre mächtigen Körper über die Klippen und verschwanden mit lautem Aufklatschen im Meer. Gleich darauf konnten sie die Pinguine vom Boot aus deutlich sehen, wie sie spielerisch und pfeilschnell Fische jagten. Sie flogen nur so durch das Wasser und waren unglaublich wendig
und flink. »Wir runden die Nordspitze und gehen dann auf Nordostkurs«, sagte Dan. »Vor uns liegen jetzt eintausendeinhundertfünfzig Meilen.« »Und das alles in einer Nußschale«, fügte Ed hinzu, »gemessen natürlich an der riesigen Weite der See.« Diese See, die noch ruhig und langgezogen dünte, konnte aber auch innerhalb kürzester Zeit zu einer tosenden Hölle werden. Das wußten sie alle, und dann waren sie den entfesselten Elementen so gut wie hilflos ausgeliefert. Noch einmal zog die Tierwelt der Insel an ihnen vorbei. Ganze Scharen der großen Meerechsen tummelten sich auf den Klippen oder dösten in der Sonne. Vor einem großen Gebüsch aus Kakteen tummelten sich ein paar braune Pelikane. Sie liefen träge auf den Klippen hin und her und starrten angestrengt ins Wasser. Einer der Pelikane strich ab, flog über das Wasser und legte die Flügel an. Mit dem Schnabel voran tauchte er ins Meer, um einen Fisch zu fangen. Dort, wo die Mangroven wuchsen, gab es auch kleine Kolonien von rosafarbenen Flamingos. Doch diese Vögel waren scheu. Sobald die Jolle vorbeizog, erhob sich der ganze Schwarm aufgeregt in die Luft und flog davon. Der Ruf einer Spottdrossel erklang langgezogen. Pausenlos war das »Cu-cu« des Vogels zu hören. »Hört sich fast nach meinem Sir Jöhnchen an«, sagte Ed, »als wenn er jemanden nachäfft.« Die Sonne war jetzt seit einer halben Stunde aufgegangen. Das Meer gleißte grell in allen Farben, von Kupfer bis Grünorange. Die Luft war klar und würzig, nur ein paar kleine ferne Wolken zogen an der Kimm dahin. Aber es wurde warm, bald darauf schon heiß, denn hier, unmittelbar am Äquator, brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel. Auf der Insel hatte man das nicht so deutlich gespürt. Als sich der Profos das Hemd über den Kopf zog, folgten die anderen sofort seinem Beispiel. Als Mel Ferrow sein Hemd ablegte, zog sein Oberkörper wie magisch die Blicke der anderen an, obwohl sie die fürchterlichen Narben schon oft gesehen hatten. Der dunkelblonde Mann mit den wasserhellen Augen hatte eine riesige Narbe auf dem Körper, die Erinnerung an einen
zuschnappenden Hai, der ihn fast zerrissen hätte. An der Bißwunde waren deutlich die Haizähne zu sehen, die von der Schulter bis weit über den Rücken verliefen. Seitdem hatte Mel Ferrow einen mörderischen Haß auf Haie. Dieser Haß war blindwütig und ließ ihn alles vergessen, sobald er einen Hai entdeckte. Schon oft hatte er sich dann wie ein Wahnsinniger ins Wasser gestürzt und wild zugestochen. Die nördliche Spitze der Insel wurde gerundet. Dan O’Flynn blickte auf den Kompaß, den Ferris Tucker fest in einem Gehäuse in Schrägstellung zwischen Steuerducht und der ersten Ruderducht in der Plicht eingebaut hatte. Als der neue Nordostkurs anlag, nickte er wie zur Bestätigung. »Wir teilen jetzt die Wachen ein«, sagte Dan. »Wenn der Wind weiterhin so stetig weht, haben wir mit dem Segeltrimm ohnehin nicht viel zu tun. Jeder übernimmt umschichtig einen ZweiStunden-Wachtörn an der Ruderpinne und hat danach zehn Stunden Freiwache, bis er wieder an der Reihe ist.« »Wird ja ein faules Leben«, meinte von Hutten lächelnd. »Was tut man in den zehn Stunden Freiwache?« »Pennen«, erwiderte Ed, »faulenzen oder solange in die nächste Kneipe gehen, falls eine da ist.« Er hatte es sich unter der Persenning bequem gemacht und döste ein wenig vor sich hin. Dann aber schreckte er hoch und blickte mißtrauisch in den blauen Himmel. Da bewegte sich ein farbiger Fleck hoch oben, der mal niederschwebte, dann wieder höher zu steigen schien. So genau war das für den Profos nicht zu erkennen. »Gibt’s auf den Galápagos-Inseln eigentlich Papageien?« fragte er verwundert. »Dann hätte Sir John ja gute Gesellschaft.« »Ich habe auf den Inseln noch keine Papageien gesehen«, sagte Stenmark. »Vielleicht gibt’s auf den anderen Inseln Papageien. Wir haben ihnen ja noch keinen Besuch abgestattet.« »Sah aber aus wie einer«, behauptete Ed. Dann griff er nach dem Kieker und suchte nach dem schillernden Punkt, aber er kriegte ihn nicht richtig vor die Optik, dazu blendete die Sonne zu stark. Der farbige Punkt zog jetzt lange Kreise und sauste fast übermütig in riesigen Kurven hin und her. Es sah aus, als tobe ein Vogel seine Freude am Fliegen gründlich aus. Auf den schimmernden Punkt konzentrierte sich jetzt die
gesamte Aufmerksamkeit, es gab ja eh kaum etwas zu tun. Die Insel Isabela wurde Steuerbord achteraus langsam kleiner. Die Jolle lief gute Fahrt. Alle Segel standen voll und bei. Auch Dan O’Flynn beobachtete interessiert den schimmernden Punkt am Himmel. Dessen Kreise wurden jetzt enger, als habe er vor, sich auf ein Ziel zu stürzen. So allmählich begann Dan etwas zu dämmern, aber noch war er sich seiner Sache nicht sicher. Batuti war schon eine ganze Weile am Grinsen. »Sir John«, sagte er feixend. »Sieht genauso bunt aus. Glaubst du nicht, daß er es ist, Dan?« »Ich weiß noch nicht genau.« Dan seufzte ein bißchen. »Aber ich hoffe, daß er es nicht ist.« »Wenn das Sir John ist«, meinte Stenmark, »dann wird vielleicht der Affe auch noch einfliegen oder die acht Hühnerchen.« Etwas später wurde Dans Seufzen noch länger. Der Punkt wurde größer, und es gab gar keinen Zweifel mehr an der Identität. »Sir John«, sagte Dan gequält. »Der Kreischgeier ist abgehauen, um seinem Herrn und Meister nachzufliegen. Der hat mir an Bord gerade noch gefehlt.« Dan paßte das ganz und gar nicht. Dafür freute sich der Profos, der sich schon die Hände rieb. »Er ist es tatsächlich!« rief er und sprang mit einem Satz hocherfreut auf die Beine. »Scheißregen!« krächzte es aus der Luft. Der von Dan als Kreischgeier bezeichnete Vogel stieß nieder. Seine bunten Schwingen schlugen aufgeregt, dann landete er auf der Schulter des Profos. Zärtlich rieb er seinen großen Schnabel an Eds stoppeliger Wange. »Jetzt müssen wir ihn wohl oder übel mitnehmen«, meinte er. »Er ist vor Sehnsucht nach mir fast vergangen.« »Verdammt, ich wollte ausdrücklich keine Viecher an Bord«, sagte Dan verärgert. »Was tun wir mit einem Papagei in der Jolle bei dicker See? Der ist doch nur im Weg, so gern ich das Vieh auch habe.« »Er nimmt ja nicht viel Platz weg«, murmelte Ed. »Aber er ist nicht der richtige Begleiter in einer Nußschale auf so einer langen und ungewissen Reise«, sagte Dan. »Ich überlege mir ernsthaft, ob wir umkehren sollen.«
»Das würde die anderen aber sehr befremden«, erwiderte Ed. »Die warten in stiller Demut auf ihre baldige Rettung, und wir kehren um, nachdem wir schon fast in Panama sind.« »O Gott! In stiller Demut und so. Mir fließen gleich die Tränen. Und fast in Panama sind wir auch schon. Das ist mir ganz neu, nachdem wir bestenfalls ein paar Meilen hinter uns haben.« »Ich schlage vor, daß wir nicht umkehren«, sagte von Hutten. »Bis wir wieder an diesem Punkt sind, haben wir einen halben Tag verloren, und für uns steht wirklich allerlei auf dem Spiel.« »Was meint ihr?« fragte Dan die anderen. »Wir lassen ihn an Bord. Er nimmt ja wirklich keinen Platz weg. Wenn wir ihn zurückbringen, fliegt er vielleicht erneut los, und der ganze Zirkus beginnt von vorn.« Es war Stenmark, der das sagte. Die anderen waren auch dafür, daß Sir John an Bord bleiben solle. Schließlich gab Dan O’Flynn nach, etwas widerwillig allerdings, denn ihm blieb keine andere Wahl. Und umkehren, um Sir John abzuliefern, wollte er dann doch nicht. »Schön, dann ist das also geregelt.« Dann sah er den Profos etwas hinterhältig an. »Du bist dir hoffentlich darüber im klaren, daß er Körner frißt, Maiskörner und Sonnenblumenkerne, um nur einige zu nennen. Wie gedenkst du, den Piepmatz auf der Reise zu ernähren, Mister Carberry? Mit Pökelfleisch und Bohnen?« Über das narbige Gesicht des Profos zog ein strahlendes Grinsen, so hell wie der sonnige Morgen. Er lehnte sich auf der Ducht zurück, den Papagei auf der Schulter, und grinste noch breiter. Richtig schlitzohrig sah das aus. »Oh, für solche unvorhergesehenen Zwischenfälle habe ich vorgesorgt, äh – sozusagen proklamaktisch, oder wie der Kutscher sagt.« »Prophylaktisch«, verbesserte Dan. »Ja, so ähnlich.« Carberry kramte in einer der Kisten herum und brachte einen Leinenbeutel zum Vorschein, der mit all den Herrlichkeiten vollgestopft war, die Sir John gern mampfte. Auch Rosinen waren dabei und die Kerne von Melonen. Dan und die anderen sahen fassungslos zu. Das Futter reichte für mindestens drei Wochen.
Dan O’Flynn kniff die Augen zusammen und musterte den Profos. »Du hast doch nicht etwa schon im voraus gewußt, daß der krummbeinige Zwergstorch uns folgen wird, was?« fragte er drohend. »Hast vielleicht Matt Davies was in die Plüschohren geflüstert, damit er den Geier rechtzeitig aufläßt. Oder sehe ich das falsch?« »Völlig falsch«, sagte Ed entrüstet. »Wo werde ich denn! Ich bin eben ein Tierfreund, und da dachte ich mir – ja, was dachte ich da eigentlich? Also, ich dachte, wenn du jetzt auf See bist, und da kommt so ein verwaistes Vögelchen angeflogen, müde, hungrig und durstig, das vielleicht den Kurs verloren hat, und das setzt sich jetzt in höchster Not auf das Dollbord, was tust du dann, Ed?« »Ja, was tust du dann, Ed?« äffte Dan nach. »Du rupfst das Vögelchen und haust es in die Pfanne. Und die Federn steckst du dir an den Hut.« »Aber nicht doch«, verwahrte sich der Profos. »Wer wird denn ein kleines, halbverhungertes Vögelchen rupfen und in die Pfanne hauen? Nein, ich würde es füttern, damit es wieder zu Kräften gelangt. Nur aus diesem Grund nahm ich das Futter mit.« »Angenommen, uns wäre aber kein Piepmatz zugeflogen?« fragte Stenmark. »Was dann?« »Dann hätte ich das Futter selbst gefressen«, sagte der Profos in schlichter Offenheit mit einem ergebenen Blick auf den Papagei. Dan mußte jetzt auch grinsen, ob er wollte oder nicht. Klar, der Profos hatte damit gerechnet, daß Sir John folgte, und vielleicht hatte er auch ein bißchen mit Matt Davies geschummelt. Allerdings war ihm das nicht zu beweisen. Und wenn Dan dann auch noch diesen lammfrommen, aber etwas scheinheiligen Blick sah, dann konnte er einfach nicht mehr böse sein. Sir John legte den Kopf schief und musterte O’Flynn mit einem Auge. »Schon gut«, murmelte Dan. »Affenarsch«, krächzte der bunte Vogel laut, was Dan schon gar nicht mehr so gut fand, denn er wurde das Gefühl nicht los, daß Sir John ihn persönlich gemeint hatte. »Das muß er irgendwo aufgeschnappt haben«, sagte Ed hastig, »aber das ist nicht persönlich gemeint. Manchmal weiß er
nicht so genau, was er so quasselt.« »Das geht manch anderem auch so«, meinte Dan anzüglich. Der Wind wehte immer noch gleichmäßig und händig, und die See dünte in langgezogenen gläsern schimmernden Wellen. Als die Sonne höher stieg, löste Batuti Dan O’Flynn ab. Danach war Mel Ferrow an der Reihe. Die Äquatorhitze nahm zu. Der Wind brachte auch keine Kühlung, obwohl er händig wehte. Jetzt erwies sich die von Thorne und Coogan genähte Persenning als eine segensreiche Einrichtung. Unter der Persenning ließ es sich prächtig vor der sengenden Sonne aushalten. Von Hutten stand auf, nahm die Pütz und schöpfte Wasser. Dann goß er es schwungvoll über die Persenning. »Wenn das Wasser verdunstet, bringt es angenehme Kühlung unter der Plane«, sagte er. »Wenn wir das alle halbe Stunde tun, läßt sich die Hitze gut ertragen.« Stenmark, Batuti und Dan hatten sich ausgestreckt und lagen der Länge nach unter den Duchten, im Schatten der kühlenden Persenning, wo sie der Ruhe pflegten. Sie ruhten sich aus oder dösten vor sich hin, denn keiner wußte, wann sie ihre ganzen Kräfte einsetzen mußten, um zu überleben. Schon in kurzer Zeit konnte die See zu toben beginnen, ein Unwetter hereinbrechen oder an der Kimm ein Schiff auftauchen. Bis jetzt sah es allerdings nicht danach aus, doch auch das konnte sich überraschend schnell ändern. »Was laufen wir an Fahrt?« fragte Dan schläfrig. »Ich glaube, Karl ist mit dem Loggen dran.« Auch das taten sie abwechselnd alle halbe Stunde, damit Dan immer über die Geschwindigkeit der Jolle informiert war. Von Hutten warf das Logscheit mit der Leine aus. Dann zählte er in einer bestimmten Zeiteinheit, die Knoten, die ihm durch die Hände liefen. »Fast genau fünf Knoten«, sagte er nach einer Weile. »Also unverändert«, murmelte Dan. »Wenn wir fünf Knoten beibehalten, können wir uns selbst gratulieren.« Auch am Mittag liefen sie immer noch mit halbem Wind über Backbordbug liegend fünf Knoten. Das Nachtrimmen der Segel konnten sie vorerst vergessen, es gab kaum etwas zu tun, und so bunkerte jeder für den Fall der Fälle etwas Schlaf im voraus.
Als sich der Tag dem Ende zuneigte, zeigte sich Edwin Carberry erleichtert. »Der ist so gut wie rum«, verkündete er. »Wer ist rum?« fragte Batuti. »Der Dreizehnte, der heutige Tag.« »Und warum ist der rum?« »Weil er eben rum ist, vorbei, Sense. Ab sofort haben wir nichts mehr zu befürchten.« »Wir hatten sowieso nichts zu befürchten«, sagte Dan, »außer daß dein Geier uns nachfliegt, was er auch getan hat. Und nun hör mit dem Quatsch vom Dreizehnten endlich auf. Ich kann das schon nicht mehr hören.« Die Sonne war untergegangen und wie ein feuriger Ball scheinbar im Meer versunken. Es kühlte ein klein wenig ab. Über die Persenning wurde wieder Wasser geschüttet. Danach aßen sie etwas und tranken Wasser, mit dem sie sehr sparsam umgingen. Von Anfang an hatte Dan das Wasser rationiert und eingeteilt, denn davon hing ihr Überleben ab. Sir John kriegte ebenfalls einen Schnabel voll Wasser, das er gleich aus der Muck trank. Dann fütterte der Profos seinen Liebling mit den mitgenommenen Körnern und Rosinen. An der Kimm schimmerte es noch purpurfarben und violett. Das Wasser paßte sich der Färbung des Himmels an, wurde dann jedoch schnell dunkel bis schwarz. Bevor endgültig die Dunkelheit hereinbrach, suchte Dan O’Flynn mit dem Spektiv sorgfältig alle Himmelsrichtungen ab. »Weit und breit nichts zu sehen«, verkündete er. »Es scheint so, als seien wir wieder mal allein auf der Welt. Ed, du bist mit der nächsten Wache dran. Nach zwei Stunden übernimmt Karl.« Der Profos setzte sich auf die Ruderducht und übernahm die Pinne. Auf seiner Schulter hockte der Papagei. Er hatte den Kopf unter das Gefieder gesteckt und schlief. Nichts und niemand störte ihn. Die anderen hatten sich wieder ausgestreckt und taten es dem Papagei nach. Hin und wieder blickte Carberry auf den Kompaß. Der Schein des Mondes reichte aus, um alles erkennen und ablesen zu können. Die Jolle glitt weiter durch die Nacht, ihrem Ziel Panama entgegen, das noch so weit entfernt war.
5. Zwei Tage lang geschah gar nichts. Nur einmal sichteten sie in der Weite der See einen mächtigen Albatros. Hoch über ihnen zog der Vogel stundenlang seine Kreise. Am sechzehnten Februar gab es die erste Abwechslung. Dan O’Flynn hatte gerade seine Berechnungen abgeschlossen. »Ein Viertel der Gesamtstrecke haben wir geschafft«, sagte er. »Das liegt achteraus und kann vergessen werden. Dreiviertel liegen noch vor uns, aber die werden wir auch schaffen.« »Auf das erste Viertel sollte man einen Schluck Rum gießen«, meinte der Profos, »damit der Rest auch so leicht bewältigt wird.« »Einverstanden, aber erst heute abend, wenn die größte Hitze vorbei ist.« Am heutigen Tag war der Himmel »knallblau«, wie Stenmark sagte, und das Meer flaschengrün, bläulich und an manchen Stellen von tintiger, schwarzer Farbe. An der Kimm flimmerte die Luft in heißen Streifenmustern und Wellen. Die Persenning dampfte, als Seewasser darüber gepützt wurde, und die Männer in ihrem Schatten Platz suchten. Karl von Hutten hockte nicht unter der Persenning. Er döste ebenfalls vor sich hin, hatte sich aber so gesetzt, daß er den schaumigen Streifen Kielwasser stets im Auge hatte. Blasenwerfend stieg es achteraus auf und verteilte sich in vielen kleinen Wirbeln. Gerade als er einmal die Augen schließen wollte, sah er einen Schatten weit achteraus im Wasser. Ein Fisch und allem Anschein nach ein ganz kapitaler Bursche, dachte er. So ein Fisch wäre eigentlich sehr gut zur Bereicherung des Speisezettels. Wortlos stand er auf, holte eine der Angeln, säbelte von dem Speck einen Brocken ab und steckte ihn auf den Haken. Neben ihm erwachte der Profos gähnend. Auf seinem Narbengesicht standen wie hingezaubert kleine Schweißperlen. »Was tust du da, Karl?« fragte Carberry. »Ich habe gerade einen ziemlichen Brocken gesehen. Könnte ein Zackenbarsch sein. Ich will dem Kollegen was zu fressen geben, damit wir dann anschließend was haben.« »Feiner Gedanke«, lobte Ed. »Mir ist gerade so fischig zumute.« Das verstand von Hutten zwar nicht, aber wahrscheinlich
wollte Carberry damit kundtun, daß er Appetit auf Fisch hätte. Sie warfen die Angelleine seitlich ins Kielwasser und peilten neugierig die Lage. Lange Zeit ließ sich der Fisch jedoch nicht mehr blicken, und von Hutten wollte schon aufgeben, da sah Ed ihn. »Da, tief unter uns schwimmt er.« Beide starrten gebannt ins Wasser. Da war eine Bewegung, ein Schatten, aber der wurde durch das blasenwerfende Wasser immer wieder verzerrt und gab nur ein unbestimmtes Bild ab. Er schwamm auch noch sehr tief. Von Hutten zog ein paarmal an der Angelleine, wie um zu prüfen, ob der Köder noch dran war. Dann gab es einen wilden Ruck. Jählings und unerwartet wurde von Hutten die Angelleine mitsamt der Angel entrissen. Der Ruck war so heftig, daß er dabei fast über Bord gegangen wäre. Der Profos griff zu und erwischte ihn gerade noch am Arm. »Verdammt«, murmelte von Hutten betroffen, »das scheint ja ein ganz besonderer Brocken zu sein. Der frißt gleich alles auf einmal.« »Vielleicht war es ein Hai«, sagte Dan von der Ruderpinne aus. Er hatte alles mitgekriegt. Er hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, als die Persenning zu wackeln begann, als würde der Hai direkt darunter toben. Mel Ferrow sprang mit einem wilden Satz auf die Beine, und mit einem Funkeln in den Augen sah er sich wie besessen nach allen Seiten um. »Wo ist ein Hai?« brüllte er. Mit seinem Geschrei trieb er auch die beiden letzten Schläfer schlagartig in die Höhe. Stenmark und Batuti sahen sich ebenfalls um, aber sehr gelassen und nicht in so wahnwitziger Erregung wie Mel Ferrow. »Noch ist gar kein Hai da«, sagte Carberry. »Da war nur ein Schatten zu sehen, mehr nicht. Und der hat den Köder mitsamt der Angel geschnappt. Kann auch ein Bonito gewesen sein. Oder ein Barracuda.« Mel war ganz aus dem Häuschen. Immer wieder schaute er mit funkelnden Augen ins Wasser. Das war sein Tick, der ihm durch nichts auszutreiben war. Wenn er einen Hai sah, dann drehte er durch. »Ich seh keinen Hai«, sagte Batuti gähnend und haute sich
wieder zwischen die Duchten. Da Stenmark auch keinen Hai entdeckte, fand er das Ganze uninteressant und folgte Batutis Beispiel. Nur Mel Ferrow nicht. Der stand da, als hätte ihn der Blitz gestreift. Ganz kribbelig und aufgeregt war er. Sein letzter Hai, den er erlegt hatte, war ein Hammerhai gewesen, und das hätte ihn fast das Leben gekostet. Eine Lehre hatte er daraus allerdings nicht gezogen. »Nun hab dich mal nicht so«, erklärte Dan. »Kaum hörst du was von einem Hai, schon hakt es bei dir aus. Es ist ja nicht gesagt, daß es einer war.« Es war aber doch ein Hai. Etwas später sahen sie seine Dreiecksflosse achtern im Kielwasser auftauchen. Es war ein ziemlich großer Weißhai, und er war länger als die Jolle. Dicht unter der Wasseroberfläche glitt er geschmeidig und kraftvoll dahin. Als Mel Ferrow die Dreiecksflosse durch das Wasser schneiden sah und den großen Hai erkannte, tastete er nach seinem Entermesser. Sein Blick ließ den Hai nicht mehr los. Sein Gesicht war eine angespannte Maske grimmiger Entschlossenheit. Jetzt stand in seinen Augen ein fiebriger Glanz. Als er sich bereits wie zum Sprung duckte, stieß von Hutten ihn hart an. Seine Stimme war von ätzender Kälte. »Wenn du jetzt außenbords springst, du Blödmann, dann holt dich keiner von uns aus dem Bach. He, hörst du mir überhaupt zu? Wir segeln zufällig nach Panama und haben keine Zeit und kein Verständnis, uns mit deinen Verrücktheiten aufzuhalten.« Mel Ferrow hörte nichts. Er sah nur den Hai, der jetzt langsam das Kielwasser verließ und nach Steuerbord der Jolle auswich. Immer noch stand er da wie auf dem Sprung, die Zähne zusammengebissen, in den hellen Augen das fanatische Funkeln und Glitzern. Seit dieser Weißhai aufgekreuzt war, war Mel Ferrow total verändert. Er war nicht mehr er selbst. Er schien unter einem Zwang zu stehen, unter einem unheilvollen Bann, und er hörte weder die Worte, noch sah er einen der Männer. Der Hai zog weiter, jetzt etwas schneller. Ganz deutlich war er zu erkennen. Sein Abstand von der Jolle betrug höchstens drei Yards. Sein kaltschimmerndes Auge blickte die Jolle an wie einen schmackhaften Bissen.
»Himmel«, sagte der Profos, »ist das ein Brocken! Der ist ja fast um die Hälfte länger als die Jolle.« Als das Biest auf gleicher Höhe war, und das Auge immer noch so kalt und ausdruckslos glotzte, hakte es bei Mel endgültig aus. Er riß mit einem wilden Griff sein Entermesser heraus und setzte zum Sprung an, um ins Wasser zu hechten. Karl von Hutten, der Mel am nächsten war, zögerte nicht einen Augenblick. Eine der Pistolen steckte gerade so schön griffbereit am Mast. Mit einem Ruck riß er sie aus dem Bandelier, drehte sie um und schlug zu. Der Lauf landete krachend auf Mels Schläfe. Der Schlag wirkte augenblicklich. Mel fiel das Entermesser aus der Hand. Er selbst knickte in den Knien ein, hob noch wie abwehrend die Hand und landete dann mit lautem Poltern und Krachen zwischen den Duchten. Das riß die beiden anderen Schläfer sofort hoch. »Was ist los?« brüllte Stenmark. »Er wollte gerade ins Wasser springen, um einen Weißhai anzugreifen«, sagte von Hutten lakonisch. »Na ja, und damit waren wir eben nicht einverstanden.« »Recht so«, brummte Stenmark, »der Kerl ist glatt verrückt und bringt uns mit seinem Fimmel alle in Gefahr.« »Übernimm mal die Pinne, Batuti«, sagte Dan. Der riesige Schwarze stieg kopfschüttelnd über den wie vom Blitz gefällten Mel Ferrow und kletterte nach achtern. »Verrückt«, brummte er. »Wer soll ihn nachher wieder aus dem Bach fischen?« »Das frage ich mich auch.« »Der Kerl muß wirklich und wahrhaftig nicht bei Troste sein«, meinte der Profos. »Der überlegt sich nichts mehr. Der hüpft einfach in den Bach, weil er keine Haie ausstehen kann. Daran hätten wir schon auf der Insel denken und einen anderen mitnehmen sollen.« »Damit hat ja auch keiner gerechnet«, sagte Dan. »Jetzt müssen wir ihn ständig im Auge behalten.« Stenmark untersuchte Mel flüchtig. »Bewußtlos«, sagte er, »und das wird er wohl auch für eine Weile bleiben.« Der Weißhai hatte die Jolle jetzt an Steuerbord überholt, umschwamm sie und setzte sich gleich darauf wieder ins Kielwasser. Dort schien ihn etwas zu reizen oder seine
Aufmerksamkeit zu erregen. Carberry sah unbehaglich hin. Das Riesenvieh schwamm ziemlich dicht hinter der Jolle her, wobei seine Flosse immer noch aus dem Wasser schnitt. »Der Kerl gefällt mir überhaupt nicht«, sagte er. »Der glotzt so tückisch, als möchte er uns ein bißchen rammen.« »Haie rammen nicht« widersprach von Hutten. »Ich habe das jedenfalls noch nicht gehört. Wenn es ein Wal wäre – die haben schon Schiffe gerammt, und zwar mit solcher Wucht, daß von den Schiffen nicht mehr viel übrigblieb. Haie beißen oder schnappen zu.« »Das ist auch nicht gerade beruhigend«, sagte Ed. »Ich kann nicht sagen, daß ich mich in seiner Nähe wohl fühle.« Die anderen fühlten sich auch nicht wohl. Immerhin war der Hai wesentlich länger als die Jolle und blieb beharrlich auf Kurs, als wollte er sich die vermeintliche Beute nicht entgehen lassen. Sie beobachteten ihn, wie er dicht hinter dem Ruderblatt durch das Wasser pfeilte. »Die Bewegung des Ruderblattes scheint ihn zu reizen«, sagte der Profos nachdenklich. »Wenn er da einmal seine Beißerchen reinhaut, brauchen wir ’n neues Blatt.« »Mal bloß nicht den Teufel an die Wand«, sagte Stenmark. »Das hätte uns gerade noch gefehlt.« Dan O’Flynn schnappte sich einen der langen Riemen und stellte sich ganz achtern auf. Der Hai wurde wild und glitt weiter vor. »Sieh dich vor, Dan!« rief Ed. »Paß auf!« schrie er dann laut. Der Hai pfeilte mit einem wilden und schnellen Satz auf das Ruderblatt zu. Er drehte sich etwas auf die Seite und riß das furchtbare Maul mit den rasiermesserscharfen Zähnen weit auf. Schaudernd sahen die Männer in diesen Rachen mit den doppelten Zahnreihen, die wie Dolche aufgereiht waren. Dan O’Flynn holte mit dem Riemen weit aus. Er legte alle Kraft in den Stoß hinein. Der Riemen fuhr blitzschnell in das offene Maul. Bis zur Hälfte verschwand er darin. Das Maul schnappte zu, wütend, mit einem hörbaren schaurigen Geräusch. Ein wilder Biß, ein heftiges Zucken des Riesenfisches. Dan O’Flynn starrte verdattert auf den Riemen, der immerhin eine beachtliche Stärke hatte. Er hielt ihn mit dem Blattende in
den Händen, um genau die Hälfte verkürzt. Ein glatter, sauberer Biß. Sogar die Zähne hatten sich wie eine große scharfe Säge sauber ins Holz gegraben. Aber der Stoß hatte doch Wirkung gezeigt. Noch während Dan auf den Torso starrte, ging der Hai dicht hinter dem Heck fast senkrecht auf Tiefe. Er kaute wohl noch an dem Brocken. »Heiliges Kanonenrohr«, murmelte Ed. Er war sehr beeindruckt von der gewaltigen Kraft des Fisches. »Und den wollte Mel Ferrow mal so eben mit dem Messerchen kitzeln. Das tut nur ein Irrer.« Er warf einen Blick zu Mel, doch der lag immer noch reglos zwischen den Duchten und war bewußtlos. Dan legte den Rest des Riemens an Deck und sah noch einmal auf die fürchterliche Bißstelle. »Du hättest einen Degen nehmen sollen«, tadelte der Profos. »Oder noch besser einen Säbel. Der ist viel unverdaulicher als ein halber Riemen.« »Hättest«, sagte Dan, »ich nahm das, was ich gerade zu fassen kriegte. Zumindest hat ihn der Holzprügel davon abgehalten, sich ins Ruderblatt zu verbeißen. Das ist immerhin ein Erfolg, denn wir haben leider kein Ersatzblatt.« »Wenn er noch mal auftaucht«, sagte Stenmark, »dann ist er erst richtig in Braß. Da wird auch ein Säbel nicht mehr helfen. Den kriegt er auch noch runter. Wir haben doch fast ein Dutzend Höllenflaschen an Bord. Ich schlage vor, wir ballern ihm so ein Buddelchen in den Rachen. Daran verschluckt er sich ganz sicher.« »Ein Pulverpfeil ist noch besser«, widersprach Batuti. »Höllenflaschen haben wir nur zehn Stück an Bord, Pulverpfeile aber eine ganze Menge. Die Wirkung ist genauso gut.« »Wahrscheinlich ist er bedient und hat die Nase voll«, sagte von Hutten. »Kann sein, daß er sich das gut gemerkt hat und auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist.« Der Hai ließ sich auch vorerst nicht mehr blicken. »Entzündet sicherheitshalber doch eine Ölfunzel«, sagte Dan. »Falls das Monstrum auftaucht, soll Batuti ihm einen Pfeil in den Rachen jagen. Ich übernehme wieder die Pinne.« Die Ölfunzel wurde entzündet – für alle Fälle. Zu dem Zeitpunkt begann sich auch Mel Ferrow wieder zu regen. Er stöhnte leise und bewegte die Arme. Von Hutten sah das. Mel war noch nicht ganz da, aber er
versuchte doch aufzustehen. »Ich schlage vor, wir fesseln den Blödmann für eine Weile, sonst gibt er doch keine Ruhe, ich kenne ja meinen lieben Mel Ferrow. Der ist zwar ein feiner, verläßlicher Kerl und auch ein guter Seemann, aber er hat eben seinen Tick mit den Haien und schnappt regelmäßig über, sobald er einen wittert.« »Kein Problem«, sagte Ed sofort. »Wir fesseln ihn, und dann haben wir Ruhe. Richtig so, Dan?« »Die beste Lösung. Dann passiert ihm auch selbst nichts.« Der Profos holte eine Leine, schnappte sich die Handgelenke des Haifischjägers und band sie zusammen. Um die Beine schlang er auch gleich noch einen Tampen. Mel konnte sich jetzt nicht mehr rühren und lag da wie ein Päckchen. Aber er kam wieder zu sich und starrte die Männer aus seinen wasserhellen Augen wütend an. »Was soll das?« brüllte er los. »Wer, zum Teufel, hat mich gefesselt? Nimm mir sofort die Tampen ab, Mister Carberry, oder du kannst was erleben!« »Ich hab’ schon viel erlebt«, sagte der Profos gemütlich. »Auch daß gewisse Rübenschweine zu spinnen anfangen und nur noch Haie und blaue Affen sehen.« »Mach die Fesseln los!« schrie Mel. »Einen Scheiß werde ich tun. Du bist gut versorgt und bleibst vorerst so liegen.« »Das ist Freiheitsberaubung, verdammt!« »Kannst dich ja später bei der Königin von England beschweren«, erklärte Ed gemütlich. »Und damit du es gleich weißt, du triefäugige Trangurke: Wir beschützen dich nur vor dir selbst.« »Ich will aber nicht beschützt werden.« »Du wirst aber. Wir sind nämlich nicht auf der Haifischjagd, sonst hätten wir uns anders ausgerüstet. Wir haben die Pflicht und die Aufgabe, vierundvierzig unserer Kameraden von den Inseln abzubergen, falls das in deinen verdammten Holzkopf geht. Deshalb sind wir unterwegs, und deshalb werden hier auch keine Haie mit der Hand gefangen. Das kannst du mit Kakerlaken tun, wenn du welche findest.« Mel Ferrow war immer noch wütend. Er bäumte sich wild auf und zerrte mit den Oberarmen an seinen Fesseln. Sein Kreuz wurde immer breiter, aber die Fesselung hielt.
»Habt ihr den Hai wenigstens?« wollte er wissen. »Nein, noch nicht. Wir sind aber auch nicht versessen darauf. Meinetwegen kann er auf Tiefe bleiben.« »Ha! Ich hätte ihn längst erledigt!« schrie Mel wild. »Gib mir sofort mein Messer, dann beweise ich es euch.« Wieder begann er sich hin und her zu wälzen, bis es dem Profos schließlich zu bunt wurde. Er warf einen fragenden Blick zu Dan hinüber. »Profos-Hammer«, sagte Dan lakonisch. »Was war das?« rief Mel kochend vor Wut. »Das hier, mein ungestümes Söhnchen.« Der Profos holte kurz aus. Der Schlag erfolgte so blitzschnell, daß Mel ihn nicht einmal im Ansatz sah. Die mächtige Faust des Profos’ krachte unter sein Kinn, genau auf den Punkt. Mels Augen wurden glasig. Seine Bewegungen hörten schlagartig auf, und er verschwand im Land der Träume. Dort sah er weder Haie noch blaue Affen, denn da herrschte absolute Stille. »So, der ist vorerst versorgt«, brummte Ed. Er packte Mel und legte ihn wieder zwischen die Duchten. Mel grinste ein bißchen schief, aber das war wohl auf den »Hammer« zurückzuführen, der seine Gesichtszüge ein wenig verschoben hatte. »Das war wirklich die vernünftigste Lösung«, sagte von Hutten. »Der Kerl ist einfach unberechenbar. Wir hätten uns nichts weiter als Ärger eingehandelt.« »Und vielleicht noch einen Toten«, setzte Stenmark hinzu. »Es ist ja nicht gesagt, daß er den Hai geschafft hätte. Mitunter geht’s auch umgekehrt zu.« Während Mel noch immer langgestreckt dalag und bewußtlos war – der Profos-Hammer war immer für eine halbe Stunde gut –, tauchte der Weißhai wieder auf. Batuti sah ihn zuerst und deutete ins Wasser. »Er ist wieder da. Und den Riemen hat er inzwischen gefressen.« Von dem halben Riemen war nichts mehr zu sehen. Es war aber durchaus möglich, daß der riesige Hai ihn verschluckt hatte. Das Spiel von vorhin begann sich zu wiederholen. Der Hai schwamm erneut an der Jolle vorbei, umkurvte sie neugierig und kehrte ins Kielwasser zurück. Wieder blickten sie ausdruckslos und doch irgendwie hungrige Augen an. Batuti nahm ganz achtern Aufstellung und hielt seinen
Langbogen in den Fäusten. Ein Pfeil, der mit Schießpulver gefüllt war, lag ebenfalls bereit. Carberry schnappte sich die Ölfunzel, damit er den Pfeil entzünden konnte. Von Hutten brachte einen weiteren Pfeil, falls der erste sein Ziel verfehlen sollte. Das war durchaus möglich, denn die Bewegungen des großen Fisches erfolgten schnell und überraschend. »Schieß ihm das Ding genau in den Rachen«, sagte Ed, »daran verschluckt er sich ganz sicher.« »Wohin sonst?« fragte Batuti trocken. »Ich kann ihm ja nicht in den Achtersteven schießen, weil er nicht rückwärts schwimmt.« Das Ruderblatt schien es dem Hai immer noch angetan zu haben. Wahrscheinlich versprach er sich davon einen ganz besonderen Leckerbissen, denn mitunter bewegte es sich schnell von einer Seite zur anderen – wie ein zappelnder Fisch. Das riesige Maul mit den scharfen Zähnen befand sich jetzt dicht davor. Der Profos hielt den Pulverpfeil ans Feuer der Lampe und entzündete ihn. Er blies ihn etwas an und reichte ihn Batuti, der ihn auf die Sehne des Langbogens legte. Dann spannte er den Bogen mit aller Kraft und visierte den Hai an. »Hoffentlich reißt er bald das Maul auf«, brummte er. »Sonst fliegt uns selbst der Pulverpfeil um die Ohren.« Der Hai tat ihm den Gefallen. Carberry sah, daß die mächtigen Oberarme Batutis etwas zitterten und die Muskeln wie gewaltige Stränge spielten. Der Weißhai schnellte vor, riß weit das Maul auf und hob sich dabei ein halbes Yard aus dem Wasser. Batuti ließ los. Der rauchende und qualmende Pulverpfeil verließ die Sehne und zuckte wie ein Blitz durch die Luft. Fast im selben Augenblick verschwand er tief im Rachen des Hais. Zwei Lidschläge lang erfolgte keine Reaktion. Lediglich das gewaltige Maul schloß sich mit einem wilden Zuschnappen. Haarscharf rasierten die Zähne am Ruderblatt vorbei. Dann schnellte der Hai steil aus dem Wasser. Sein ganzer Körper flog hoch und zappelte in der Luft. Er drehte eine Rolle rückwärts, ehe er wieder ins Wasser zurückklatschte. Das war der Augenblick, in dem der Pulverpfeil mit einem dumpfen Laut explodierte. Sie hörten es alle. Es klang wie eine schwache, sehr ferne Explosion.
Die Wirkung war unbeschreiblich. Das Meer achteraus kochte und brodelte, als der zuckende Todeskampf des Hais begann. Blut quoll in einer dunklen Wolke auf und färbte das Wasser. Schaumblasen stiegen auf, der Hai tobte, stieß wieder ein Stück aus dem Wasser. Seine linke Seite war aufgerissen. Immer mehr Blut floß daraus hervor, das sich mit dem Seewasser zu einer trüben Brühe vermischte. »Der ist erledigt«, sagte Batuti. Der Todeskampf dauerte noch ein paar Minuten, dann hörte das Schäumen und Brodeln auf. Auf der See schwamm ein dunkler Fleck, den die Dünung rasch auseinandertrieb. Der Weißhai hatte seinen Angriff mit dem Leben bezahlt. Irgendwo weiter achtern sank sein Kadaver auf den Meeresgrund. Carberry stieß hörbar die Luft aus. Auch Dan O’Flynn, Karl von Hutten und Stenmark atmeten auf. So ein unberechenbarer Riesenfisch im Kielwasser einer Jolle war etwas Bedrohliches. Jetzt war das vorbei. Weitere Haie wurden nicht mehr gesichtet. Als Batuti seinen Langbogen verstaute, öffnete Mel Ferrow fast erstaunt die Augen. Er blinzelte und fand sich offenbar noch nicht ganz zurecht. Dann verzog sich sein Gesicht schmerzhaft, und die Erinnerung kehrte schlagartig zurück. Er wollte auf die Beine springen, doch daran hinderten ihn noch immer die Fesseln. Carberry beugte sich über ihn und drückte ihn sanft unter die Ducht zurück. Dann sah er in seine fast fiebrig glänzenden Augen. »Immer mit der Ruhe, nur keine Aufregung, Mel. Bleib noch ein Weilchen liegen, es ist alles vorbei.« »Habt ihr ihn endlich?« keuchte Mel. »Ja, Batuti hat ihm einen Pulverpfeil ins Maul geschossen, und daran ist er krepiert.« »Tot?« »Ja, verdammt. Natürlich ist er tot.« Mels Gesicht entspannte sich. Plötzlich war er ganz friedfertig, und auch der fiebrige Glanz seiner Augen erlosch. Er wirkte wieder ganz normal, als er den Profos ansah. »Binde mich los, Ed«, sagte er ruhig. Der Profos zögerte noch ein bißchen und schaute einmal zu Dan hin, dann wieder zu Karl von Hutten, die beide unmerklich nickten. »Aber nur, wenn du mir versprichst, wieder vernünftig zu sein
und nicht zu spinnen anfängst.« »Ich verspreche es, mein Ehrenwort.« »Na gut. Falls wieder ein Hai auftaucht, fliegt der nächste Hammer, wenn du verrückt spielst. Der setzt dich dann gleich für den Rest der Reise außer Gefecht.« Der Profos löste die Leinen. Mel erhob sich und massierte seine Handgelenke. Dann ging er zu Dan hinüber. »Tut mir leid«, sagte er leise. »Ich bedaure den Zwischenfall. Aber ich kann nicht über meinen Schatten springen. Wenn ich so ein Biest sehe, dann fühle ich noch heute die scharfen Zähne in meinem Körper und sehe das fürchterliche Maul vor mir. Ich höre auch noch deutlich das Knirschen, wie meine Knochen zerbrachen. Wenn ihr das einmal selbst erlebt hättet, könntet ihr mich sicher auch viel besser verstehen.« »Ich kann es dir ungefähr nachfühlen, Mel«, sagte Dan, »obwohl ich es zum Glück noch nicht erlebt habe. Aber wir sind hier eine Gemeinschaft auf allerkleinstem Raum, und wir können uns solche Ausrutscher nicht erlauben und auch nicht leisten. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, und jeder muß dabei seinen Mann stehen.« »Ich weiß, und ich entschuldige mich dafür.« »Dann ist das hiermit vergessen.« Mel blickte auf das Spektiv, das Dan O’Flynn gerade abgelegt hatte. »Darf ich?« fragte er zaghaft. »Selbstverständlich.« Als er durch das Spektiv blickte, sah er weit achteraus im Kielwasser einen langgezogenen dunklen Fleck. Er erkannte auch Überreste des Hais, die im Wasser trieben, Fleischstücke, die die Explosion aus dem Körper gerissen hatte. Er nickte und gab das Spektiv zurück. »Ja, der ist erledigt. Danke. Wie steht es – soll ich jetzt die Ruderwache übernehmen?« »Ruh dich noch eine Stunde von dem Hammer aus«, erwiderte Dan mit einem schnellen Lächeln. »Die Nachwirkung dürfte noch nicht ganz abgeklungen sein.« »Hm, man merkt es noch. War ich wirklich so wahnsinnig, daß ich alles um mich her vergaß? Das ist wie ein Rausch, Dan, der einen ganz plötzlich wie eine Raserei überfällt. Hinterher weiß man nicht mehr, was geschehen ist.«
»Hauptsache, du hast es jetzt überwunden.« »Alles klar«, sagte Mel Ferrow. Damit war der Vorfall dann auch erledigt, und es wurde nicht mehr darüber gesprochen. 6. 20. Februar 1595. Bis auf den Zwischenfall mit Mel und dem Hai war es eigentlich eine unbeschwerte Reise gewesen. Einmal war die See einen Tag lang sehr kabbelig gewesen, und der Wind hatte stärker geblasen. Da hatte sich auch die Spritzpersenning gegen überkommendes Seewasser hervorragend bewährt. Es war immer noch heiß, mitunter sehr schwül, und so suchten sie unter der Persenning Schutz vor der glühenden Sonne. Alle halbe Stunde wurde Wasser gepützt. An diesem Tag hatten sie sich ein warmes Essen bereitet und tranken einen kleinen Schluck Rum hinterher. Dann saß Dan wieder auf der Ducht und beugte sich über das Kartenmaterial. Er hatte auch laufend die Etmale eingezeichnet und betrachtete die Karte jetzt genauer. »Sehr gut«, sagte er aufblickend. »Ich habe gerade nachgerechnet. Was schätzt ihr, wie weit sind wir noch von dem Golf von Panama entfernt?« »Wir sind jetzt den achten Tag unterwegs«, erwiderte Stenmark. »Schätze, wir haben noch knapp zweihundertfünfzig Meilen vor uns.« So ähnlich schätzten es auch die anderen. Sie hatten sich einen Spaß daraus bereitet, die zurückgelegte Strecke zu schätzen oder aber die Distanz, die sie noch von ihrem Ziel trennte. Dan zeigte auf seine Karten. Gerade eben hatte er eine Positionsbestimmung vorgenommen. »Wenn ich alles richtig berechnet habe«, sagte er, »dann trennen uns nur noch hundertvierzig Meilen vom Golf von Panama. Können ein paar mehr oder weniger sein, aber es dürfte in etwa stimmen.« »Das ist ja schon wieder ein Grund zum Feiern«, sagte Carberry lüstern. »Später gegen Abend«, versprach Dan. »Alles in allem war es doch eine fast unbeschwerte Reise. Da hat der Dreizehnte
diesmal keine Rolle gespielt. Du siehst also, Ed, daß dieser Aberglaube totaler Quatsch ist, denn das mit dem Hai zähle ich nicht dazu. Schließlich hat er uns nichts mehr tun können.« »Nicht mal ein Schiff haben wir gesehen«, sagte Stenmark. »Die See war wie leergefegt. Ich freue mich schon, daß wir bald wieder Land zu sehen kriegen. In Panama gibt es bestimmt Abwechslung.« Die Abwechslung gab es schon viel früher, und sie war den Männern gar nicht recht. Es war jetzt Nachmittag. An der Kimm war die Luft etwas glasig, und die Wellenmuster flimmerten am Horizont. An der östlichen Kimm stand eine große graublaue Wolke. Dan nahm wie üblich den Kieker, um die See abzusuchen. Er ließ das Spektiv in alle Himmelsrichtungen wandern, dann hielt er es ganz plötzlich still. »Siehst du was?« fragte Ed. Dan O’Flynn gab vorerst keine Antwort. Sie sahen nur, daß sich seine Lippen etwas verkniffen. Aber der Kieker war immer noch auf einem imaginären Punkt an der südöstlichen Kimm gerichtet. »Ein Schiff«, sagte er nach einer Weile, »aber es ist nur ein kaum sichtbarer Strich. Ich kann es noch nicht erkennen.« Die anderen suchten vergeblich nach dem Strich, obwohl sie gewiß keine schlechten Augen hatten. »Ich sehe überhaupt nichts«, sagte von Hutten, »nicht mal einen feinen Strich. Vielleicht hast du dich geirrt, Dan.« Aber Dan hatte sich nicht geirrt. Nach einer Weile sah er wieder durch das Spektiv und nickte. »Ja, ein Schiff«, sagte er. »Aber das muß nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben. Offensichtlich läuft es ebenfalls auf Kurs zum Golf von Panama. Möglich, daß sie uns gar nicht beachten.« Nochmals eine Viertelstunde später sah die Lage bereits anders aus, nur nicht besser. Jetzt waren die Masten mit bloßem Auge zu erkennen. Durch den Kieker rückte alles jedoch etwas näher und klarer heran. »Eine spanische Kriegskaravelle«, sagte Dan, »leider ist kein Zweifel möglich. Sie hält Kurs auf den Golf.« »Verdammt noch mal«, sagte Ed. »Ausgerechnet eine Kriegskaravelle der Dons. Dann sollten wir den Kurs ändern, aus
rein gesundheitlichen Gründen.« »Das würde erst recht auffallen und ihre Neugier wecken. Wir bleiben noch auf Kurs, wenigstens vorerst.« Die Jolle hatte aber auch ohne Kurswechsel die Neugier der Dons geweckt. Sie waren voller Mißtrauen gegen jedermann, der in »ihren« Regionen herumkrebste. Jetzt wurde es kritisch für die sechs Männer. Mit der Jolle gegen die stark bewaffnete Karavelle anzugehen, wäre Selbstmord gewesen. Das hätten sie mit ihren zehn Höllenflaschen und ein paar Brand- und Pulverpfeilen nicht überlebt. »Sie ändern den Kurs«, sagte Batuti. »Jetzt halten sie auf uns zu, die verdammten Dons.« »Auskneifen ist nicht drin«, sagte Stenmark, »die segeln schneller als wir. Was jetzt?« Dan O’Flynn hatte sich das gründlich überlegt, schon seit dem Zeitpunkt, als feststand, daß es sich um einen Don handelte. Noch dazu um ein Kriegsschiff. »Irgendwie müssen wir uns aus der Affäre ziehen«, sagte er. »Aber wie? das dürfte nicht leicht sein.« »Anbrassen, ihr müden Säcke!« kreischte Sir John. Der Papagei flatterte aufgeregt mit den Flügeln und hackte mit dem Schnabel Löcher in die Luft. »Wir haben nur eine Chance«, sagte Dan, »und die müssen wir rigoros nutzen, sonst können uns die Männer auf den GalápagosInseln endgültig vergessen. Wir geben uns für Spanier aus.« »Und du glaubst, das nehmen sie uns ab?« fragte Carberry entgeistert. »Wir müssen es nur richtig anfangen. Hört gut zu, ich habe eine Idee, die uns helfen wird. Bis die hier aufkreuzen, bleibt uns noch genügend Zeit. Werft jetzt zuerst die zehn Höllenflaschen über Bord.« »Die Höllenflaschen?« fragte Carberry, »das ist die einzige Möglichkeit, die wir…« »Werft sie über Bord«, befahl Dan. »Ich werde euch alles Weitere erklären.« Batuti, Mel und Stenmark holten die Höllenflaschen. »Vorsichtig ins Wasser gleiten lassen«, sagte Dan, »und zwar auf der anderen Seite, falls sie uns beobachten.« Eine Flasche nach der anderen glitt in das feuchte Element und
versank still und unauffällig. Als sie verschwunden waren, nickte Dan. »Wir haben noch mindestens eine Stunde Zeit. Werft jetzt auch die Kiste mit den Goldmünzen und Perlen über Bord. Natürlich auch ganz unauffällig.« »Aber das ist unser Betriebskapital«, wandte der Profos ein. »Damit wollen wir in Panama ein Schiff besorgen.« »Gibst du hier die Befehle oder ich?« »Du natürlich, aber…« »Kein aber. Ihr müßt euch schon auf mich verlassen. Nachher werde ich euch eine schöne Geschichte erzählen.« Auf die Geschichte waren sie schon alle sehr gespannt, denn keiner verstand, wie Dan vorgehen wollte, der immer noch stur seinen Kurs hielt. Sie vertrauten ihm jedoch. Ein O’Flynn wußte immer ganz genau, was er tat. So verschwand auch die Kiste mit den Goldmünzen und Perlen. Der ganze Segen blubberte ab und ging auf Tiefe. Aber sie hatten ja noch weiteres Betriebskapital in ihren Gürteln. »Jetzt alle Schußwaffen einschließlich der Munition über Bord«, befahl Dan als nächstes. Die Männer stöhnten unterdrückt. Was, zum Teufel, hatte Dan O’Flynn vor? Pistolen und Munition einschließlich Schießpulver nahmen ebenfalls den Weg ins Meer. Bedauernde Blicke folgten den Waffen, denn jetzt waren sie so gut wie »nackt« und hatten nur noch ihre Messer. »Sobald die Karavelle auf Rufweite heran ist«, erklärte Dan weiter. »Sprechen wir nur noch Spanisch. Kein Wort Englisch mehr.« »Was hast du vor?« japste von Hutten. »Wir sind der Rest der Mannschaft von der Galeone ›San Lorenzo‹, die aus dem Geleitzug nach Panama von Piraten in spanischen Uniformen mit der ›Estrella de Málaga‹ gekapert wurden.« »Himmel, das waren wir doch selbst«, sagte Ed. »Klar waren wir das, aber das wissen die Dons doch nicht. Diese Piraten haben uns arme Spanier in Booten ausgesetzt und sind dann mit beiden Schiffen südwärts gesegelt.« »Und die anderen Boote?« fragte Stenmark schluckend. »Die haben wir in einer stürmischen Nacht aus den Augen verloren. Sie sind verschwunden, abgetrieben wie wir auch. Ihr
müßt euch das alles nur ganz genau merken. Es darf nicht die geringsten Überschneidungen geben, und wir müssen unsere Rolle perfekt spielen, sonst sind wir geliefert.« Die Männer begriffen sofort, was Dan vorhatte. »Das ist wirklich die einzige Möglichkeit«, sagte von Hutten. »Mit etwas Glück kaufen die Dons uns das ab. Und wo wollen wir hin?« »Nach Panama natürlich.« »Die Sache hat noch einen Haken, Dan«, sagte von Hutten ernst. »Und der wäre?« »Du hast die echte Crew der ›San Lorenzo‹ vergessen. Die ist südlich von Trujillo an Land ausgesetzt worden.« »Das ist mir bekannt.« »Und wenn die inzwischen samt ihrem fetten Kapitän nach Panama zurückgekehrt ist? Das nämlich ist der wunde Punkt an der Sache.« »Ich habe mir das keineswegs leicht vorgestellt, Karl. Wenn das wirklich der Fall sein sollte, dann ist für uns der Ofen aus. Dann haben wir, wie man so schön sagt, Pech gehabt. Oder hast du eine bessere Lösung für unser Problem?« »Nein, leider nicht.« »Und ihr anderen?« fragte Dan, wobei er die Männer der Reihe nach scharf musterte. Batuti schüttelte stumm den Kopf. Stenmark hob die Schultern hoch. Mel zog ein ratloses Gesicht, und der Profos rümpfte die Nase. Niemand hatte etwas anzubieten. »Seht ihr, es geht einfach nicht anders. Wir begeben uns auf gefährliches Gebiet, aber noch gefährlicher wäre es, jetzt auszukneifen oder gar den Kampf gegen das Kriegsschiff anzunehmen. Damit wäre keinem unserer Kameraden gedient. Wir haben übrigens noch einen kleinen Beweis«, sagte Dan lächelnd. »Im Heck der Jolle steht der Name ›San Lorenzo‹ eingebrannt, ein kleiner Vorteil für uns, der die Geschichte glaubwürdiger erscheinen läßt.« Der Profos sah zu Sir John, der wieder auf seiner Schulter hockte. »Hoffentlich gibt’s mit ihm keinen Ärger«, murmelte er. »Die Krachente quasselt nur Englisch«, sagte Stenmark. »Diese Tatsache kann uns alle verraten. Man wird sich bei den
Dons auch fragen, woher Schiffbrüchige oder Ausgesetzte einen so gelehrigen Papagei haben.« Auch darauf wußte Dan eine Antwort. »Wir behaupten, er sei uns zugeflogen, ziemlich erschöpft war er. Vielleicht floh er von einem englischen Schiff, wir wissen es nicht genau. Es ist jedenfalls wichtig, daß wir wie Ausgesetzte wirken. Kontrolliert noch einmal, ob wirklich keine Munition oder Pulver mehr an Bord ist.« Noch einmal wurde gründlich nachgesehen. Aber es war nichts mehr da. Alles, was sie irgendwie verraten konnte, hatte seinen Weg in die unergründlichen Tiefen des Pazifiks angetreten und war für alle Zeiten verschwunden. »Im übrigen könnt ihr das Reden mir überlassen«, fügte Dan noch hinzu. »Mir wird schon zu rechten Zeit etwas einfallen.« Carberry fiel auch noch etwas ein. Sie mußten sich jeden Punkt ganz genau überlegen, sonst wurden die Dons mißtrauisch. »Ich habe noch Futter für Sir John«, sagte er, »aber das will ich nicht über Bord werfen, sonst leidet mein Liebling noch Hunger. Falls wir das erklären sollen, sagen wir lieber, die englische Sprache sei ihm von verdammten englischen Piraten vermutlich beigebracht worden, und er ist uns bereits vor einem halben Jahr in einem peruanischen Hafen zugeflogen. Das klingt glaubwürdiger, finde ich. Hier auf See gibt’s ja weit und breit keine Papageien, und in dieser Ecke auch an Land nicht. Was meinst du, Dan?« »Das klingt noch besser«, sagte Dan, »die Version gefällt mir, weil sie überzeugender klingt. Belassen wir es also dabei, daß er vermutlich von einem englischen Piratenschiff stammt und entflogen ist.« Damit war auch dieses Thema abgehakt, und jeder überlegte, ob ihm noch etwas dazu einfiel. »Natürlich müssen wir sehr höflich, freundlich und zuvorkommend sein«, sagte von Hutten in die lastende Stille. »Wir müssen uns ja mächtig freuen, auf Landsleute zu stoßen.« »Selbstverständlich. Bin nur gespannt, ob sie uns allein nach Panama segeln lassen«, murmelte Dan. Die Lage war sehr kritisch und sehr heikel, zumal niemand wissen konnte, wie der spanische Kapitän reagieren würde. Mit ein paar warmen Worten war es da sicherlich nicht getan. Inzwischen war die Karavelle größer geworden. An Bord waren
bereits einige Gestalten in der typisch spanischen Uniform zu erkennen. Dan bemerkte auch, daß man sie durch einen Kieker beobachtete. Von nun an sprachen sie alle nur noch Spanisch. Kein einziges englisches Wort fiel mehr. »In einer Viertelstunde sind sie auf Rufweite heran«, sagte Batuti beklommen. Auch er hatte ein unbestimmbares Gefühl im Magen, einen leichten Druck, als hätte er zuviel gegessen. Ihr weiteres Schicksal stand jetzt auf des Messers Schneide. Soldaten in blankpolierten Helmen und Brustpanzern waren zu erkennen, aber auch ein paar Dons, die keine Uniformen trugen. »Na, dann Gott befohlen«, sagte von Hutten. »Jetzt bin ich wirklich sehr gespannt.« Die Karavelle war auf Rufweite heran. * Auf dem Achterdeck standen Kapitän und Offiziere. Der Kapitän hatte ein verkniffenes Gesicht mit hellen durchdringenden Augen. Die Wangen waren etwas eingefallen, mit bläulich-schwarzen Bartschatten. Er trug einen Knebelbart, der seinem Gesicht noch zusätzliche Härte verlieh. Gleich darauf hörten sie eine harsche, befehlsgewohnte Stimme deutlich über das Wasser schallen. »Ich fordere Sie auf, mit der Jolle längsseits zu kommen. Nehmen Sie die Segel ein!« Das ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Auf der Karavelle wurden ebenfalls die Segel eingeholt. Gleich darauf lief sie nur noch mit schwacher Fahrt weiter. Bei der Jolle verfuhr man genauso. Aber dann fielen die Segel. Sie sahen die Karavelle jetzt von der Backbordseite. Dort waren zwei kleinere Stücke ausgerannt. Dann wurde eine Jakobsleiter ausgebracht. »Ich übernehme das«, sagte Ed. Auch er sprach Spanisch, genau wie die anderen, wenn sie den Mund auftaten. Er nahm einen der Riemen auf, schob ihn in die messingbeschlagene Rundsei und begann die Jolle zu wriggen. Langsam schob sie sich an die Backbordseite der Karavelle. An Deck standen Kerle, die neugierig zu ihnen hinunterschauten. Aus den Augenwinkeln erkannte Ed ein Gesicht, das ihm auf Anhieb
nicht gefiel, und das er einfach zum Kotzen fand. Der Kerl bekleidete offenbar eine Position an Bord und hatte etwas zu sagen. Er merkte das schon daran, daß die anderen großen Abstand von ihm hielten und sich ängstlich duckten, sobald nur seine Stimme erklang. Aha, ein Rübenschwein, dachte der Profos grimmig, aber eins von der ganz üblen Sorte. Er ließ sich jedoch nichts anmerken. Freundlich nett, höflich und zuvorkommend mußten sie sein, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Daher bemühte er sich auch tunlichst um freundliche Nasenlöcher, obwohl es ihm schwerfiel. Dicht vor der Jakobsleiter warf er die Vorleine hoch. Einer der Kerle fing sie auf und vertäute die Jolle. »Alle Mann aufentern!« erklang der nächste Befehl. Hocherfreut, wie es schien, folgten sie auch diesem Befehl und enterten nacheinander auf. Als sie dann an Deck standen, roch es schon ganz anders als auf englischen Schiffen, fand Carberry, ohne voreingenommen zu sein. Es waren ganz einfach ein anderer Duft und eine völlig andere Atmosphäre. Hier herrschte kein lockerer Ton, hier ging es nach dem strengen spanischen Reglement zu. Hier bestand das ganze Leben nur aus Vorschriften und Befehlen, und hier spürte man bei der Mannschaft auch deutlich die Angst vor den Männern des Achterdecks. Himmel, ist das ein Kerl, dachte der Profos, als er den Mann jetzt aus der Nähe sah, der hier offenbar viel zu sagen hatte. Der hatte eine üble, grobschlächtige Visage mit großen Blatternarben. Sein Blick ging allen durch und durch, und sobald er einmal einen Schritt zur Seite trat, flitzten die anderen Kerle auseinander, als hätte der Blitz neben ihnen eingeschlagen. Sie kuschten vor ihm, sie hatten eine fast hündische Angst und bemühten sich verzweifelt, nur recht freundlich zu ihm zu sein, damit er sie nicht mit Haut und Haaren fraß. Na, vielleicht läßt man uns ja auch wieder in Richtung Panama ziehen, und dann sind wir diesen Übelmann los, dachte Carberry. Denn mit diesem Monster würde er sicherlich anecken. Dem Kerl, er hieß Pedro Ibarra und war der Bootsmann, schien es ähnlich zu ergehen. Er blickte den Profos an, und sofort erschien auf seiner Visage ein niederträchtiges und heimtückisches Grinsen, das alles Üble, aber nichts Gutes
versprach. Etwas verächtlich war dieser Blick auch noch, als er den Profos von oben bis unten musterte wie einen Köter, der zum Verkauf angeboten wird. Dem Profos stieg bereits die Galle hoch. Mit diesem Hundesohn hätte er es keine fünf Minuten in der Kneipe ausgehalten, ohne ihm die Faust auf die Ohren zu setzen. Der hatte etwas an sich, das auf Anhieb zum Himmel stank. Als er den Profos schweigend gemustert hatte, ging sein hinterhältiger Blick zu Karl von Hutten, den er ebenfalls einer genauen Musterung unterzog. Ganz besonders betrachtete er dessen blonde Haare und wunderte sich über den »blondhaarigen Indianer« mit dem bronzefarbenen Gesicht. Dabei schüttelte er unmerklich den Kopf. Der stechende Blick wanderte weiter zu Stenmark, der ebenfalls blond war und helle Augen hatte. Dan O’Flynn wurde ungeniert von oben bis unten betrachtet. Der vorletzte der Männer war Mel Ferrow. Auch er hatte ganz helle Augen, was dem Bootsmann offenbar nicht paßte. Er verzog die wulstigen Lippen und spie verächtlich über Bord. »Scheint mir eine Bande von Bastarden zu sein«, knurrte er. »Und wo die anderen zu hell sind, ist diese Sau zu dunkel.« Das war auf Batuti gemünzt, der den Bootsmann an Größe und Breite noch übertraf. Dann musterte er Batuti genauer, grinste dreckig, tippte ihm den Zeigefinger auf den mächtigen Brustkasten und betrachtete seinen Finger dann, als sei schwarze Farbe auf ihm zurückgeblieben. Batuti stand reglos mit ausdruckslosem Gesicht da. Er sah harmlos aus, aber wer ihn genau kannte, der wußte, daß er dem Bootsmann jetzt am liebsten die Faust zwischen die hinterhältigen Augen gesetzt hätte. Sie mußten ihrer Rolle jedoch treu bleiben, und so nahm Batuti das nach außen gelassen hin. Damit war die Musterung beendet. Jetzt erweckte der Papagei Sir John auf Eds Schulter die Aufmerksamkeit Ibarras. Er stach den Zeigefinger vor, um nach Sir John zu pieksen, doch der war damit ganz und gar nicht einverstanden. Er breitete seine Schwanzfedern aus, gab ein leises drohendes Krächzen von sich und breitete ein wenig die Flügel aus – ein sicheres Zeichen, daß er sehr üble Laune hatte. Dann hackte er boshaft zu. Ibarra konnte seinen Finger gerade noch zurückziehen, sonst
hätte ihm die Fingerkuppe gefehlt. Er trat einen halben Schritt zurück. In seinen Augen glomm ein bösartiges Licht auf, und als er Carberry heimlich grinsen sah, ging ihm fast der Gaul durch. Dieser Kerl stank ihm ganz gewaltig, weil er so ein gewisses Grinsen draufhatte, was Ibarra fast zur Weißglut und Raserei trieb. Er wollte gerade losbrüllen, als vom Achterdeck eine scharfe, knarrende Stimme erklang. »Bringen Sie die Männer sofort nach achtern, Ibarra, und vertrödeln Sie keine Zeit.« Es war der Kapitän, der das befohlen hatte. Neben ihm standen auf dem Achterdeck der Erste und der Zweite Offizier wie Marionetten, die Angst hatten, zuviel Bewegung könne ihnen schaden oder an ihrer Substanz zehren. »Wir sprechen uns noch«, sagte das Monstrum drohend. Er erhielt keine Antwort, denn sie wollten ihn nicht provozieren, dazu stand zuviel auf dem Spiel. Die Männer wichen angstvoll zurück, als Ibarra losstapfte. Wieder war deutlich diese bedrückende Atmosphäre der Angst zu spüren. Auch Dan empfand sie überdeutlich. Vor diesem Kerl kuschten sie alle, hatten hündische Angst und heuchelten Ergebenheit, um sich ja keinen Ärger einzuhandeln. Als sie an der Kombüse vorbeigingen, tauchte im offenen Schott ein schmieriger Kerl mit einem fleckigen Hemd auf. Er grinste so albern wie ein Dorftrottel, zog sich aber sofort zurück, als er den Bootsmann sah. Gleichzeitig verschwand auch das Grinsen und wich einer ängstlichen Miene. Der Kerl, offenbar ein schmieriges Hilfsköchlein, hatte eine stark geschwollene Gesichtshälfte, die in allen Farben schillerte. Daß er gegen ein Schott gelaufen war, schloß Dan O’Flynn grundsätzlich aus. Es hatte eher den Anschein, als sei er gegen die Faust des Bootsmanns gelaufen, was keineswegs freiwillig geschehen war. Wie ein Wiesel zog er sich in seinen Bau zurück. Feines Schiffchen, dachte Dan O’Flynn. Wer hier klarfahren wollte, der mußte sich schon mächtig anstrengen. Hoffentlich ließen die Kerle sie wieder weitersegeln. »Benehmt euch anständig«, ranzte der Bootsmann sie an. »Der Capitán ist Don Alberto y Rodriguez de Famagusta de los Sanolotos. Ihr habt ihm höflich zu antworten und ihn mit Don Alberto anzureden.« Um Himmels willen, dachte Dan, wer sollte sich diesen
endlosen Namen bloß merken. Don Dingsbums y Dingsbums von Dingsbums. Der Teufel mochte diese unaussprechlichen Namen holen. Da klang Don Alberto schon viel besser. Der Schläger und Blutsäufer, als den sie Ibarra ganz richtig einschätzten, verbeugte sich vor Kapitän und Offizieren, zeigte auf die sechs Männer und trat augenblicklich den Rückzug an. Erneut wurden sie einer Musterung unterzogen, anfangs schweigend. Die Offiziere warfen sich verwunderte Blicke zu, als sie den »Indianer« und den schwarzen Riesen musterten. Auch der Papagei wurde von dieser Musterung nicht ausgeschlossen. Don Alberto mit dem schwarzgrauen Knebelbart war groß und hager und trug die Uniform eines spanischen Capitáns. Sein Gesicht war immer noch verkniffen, die Augen blickten äußerst mißtrauisch und voreingenommen. Als er Batuti sah, zogen sich seine Mundwinkel noch weiter nach unten. Dann war seine Musterung beendet. Er warf seinen beiden Offizieren einen Blick zu, den die immer noch verwundert zurückgaben. Wie hölzerne Figuren benahmen sie sich. Der Erste Offizier – später erfuhren sie, daß er Marjantes hieß – war ein eingebildeter großspuriger Lümmel, adlig und hochnäsig, der sich für den Nabel der Welt hielt. Das drückte schon sein arrogantes Gesicht aus. Der Zweite war nicht ganz so schlank, er sah wie ein bissiger Köter aus, der ausgesprochen schlechte Laune hatte. Und die hatte er leider sehr oft, was die Mannschaft täglich zu spüren kriegte. Dan O’Flynn sah, daß Don Alberto gerade loslegen wollte. Er kam ihm schnell zuvor, indem er sich etwas verbeugte. »Mein Name ist Juan Martinez«, sagte er sehr höflich. »Wenn Sie gestatten, Don Alberto, spreche ich für uns alle.« Don Alberto kniff die Lippen noch immer zusammen und gab mit einer gnädigen Handbewegung zu verstehen, daß er es gestatte. Es sah sehr herablassend aus. »Wir sind der Rest aus der Mannschaft der Galeone ›San Lorenzo‹, die von Piraten in spanischen Uniformen gekapert wurde. Wir fuhren im Geleitzug nach Panama…« Don Alberto sah überrascht aus und horchte auf. Aber das Mißtrauen stand immer noch überdeutlich in seinem Gesicht wie festgefroren. »Sie sind von der ›San Lorenzo‹, die gekapert wurde?« Er
taxierte Dan von oben bis unten. »Sehr interessant, wirklich sehr interessant. Berichten Sie weiter, ich bin sehr gespannt.« Dan hatte an einem Brocken zu kauen, der ihm fast unverdaulich schien. Er versuchte eine Regung aus dem Gesicht zu lesen, etwa die, ob Don Alberto mehr wußte, ob er die Geschichte bereits kannte. Das war ja ihr Handicap. Die echten Leute der »San Lorenzo« brauchten ja nur nach Panama zurückgekehrt zu sein, worüber sie ja bereits in der Jolle gesprochen hatten. Dann ging hier ein Tänzchen los, das unvorstellbar war. Dann war alles aus, aber auch alles gelaufen. Ihm wurde fast schlecht, als er daran dachte. Aber seine Stimme war fest, er blieb höflich, sehr geschickt und überaus freundlich. Nur das dumpfe Gefühl schwand nicht.# »Die ›Estrella de Málaga‹ hat uns gekapert«, fuhr er fort. »Wir waren völlig überrascht, erkannten aber, daß es Piraten in spanischen Uniformen waren.« »Soso, Piraten in spanischen Uniformen. Bis hierher stimmt die Geschichte ja. Was geschah dann?« Dan schwitzte Blut und Wasser. Es hörte sich so an, als hätte dieser Don Alberto noch ein As im Ärmel, das er erst ganz zum Schluß ausspielen wollte. Aus den Augenwinkeln sah er, daß seine Männer ebenso gespannt waren wie er, sie dachten auch genau das Gleiche. Hoffentlich sind die echten Leute nicht zurückgekehrt, dachte er inbrünstig. Und wenn das wirklich der Fall war, dann konnte er nur hoffen, daß Don Alberto nichts darüber bekannt war. »Diese Piraten«, log Dan weiter, »setzten uns in Boote aus und überließen uns unserem Schicksal.« »Wohin sind die Kerle gesegelt?« fragte Don Alberto scharf. »Sie segelten mit beiden Schiffen in südlicher Richtung davon, Don Alberto.« »Aha!« Das klang wie ein Kanonenschuß. »In südlicher Richtung. Wo sind die anderen Boote geblieben?« Auch diese Frage hatten sie erwartet. Nur gut, daß sie auch alles vorher genau abgesprochen hatten. »Wir gerieten in einen Sturm, bei dem wir auseinandergetrieben wurden. Dabei verloren wir uns nachts aus den Augen.« »Und wo wollten Sie jetzt hin?« Dieses »wollten« gefiel Dan O’Flynn ganz und gar nicht, und
ihm wurde immer unbehaglicher zumute. Das hieß in etwa, daß sie jetzt nichts mehr zu wollen hatten. »Nach Panama, und zwar unverzüglich, Don Alberto.« »Wo haben Sie den Papagei her?« »Er ist uns in einem peruanischen Hafen zugeflogen.« Dan lächelte liebenswürdig. »Das war auf der ›San Lorenzo‹. Wie lange haben wir ihn jetzt?« wandte er sich an Carberry. »Fast ein halbes Jahr«, erwiderte Ed in Richtung des spanischen Kapitäns und etwas unterwürfig. »Er scheint von verdammten englischen Piraten zu stammen.« »Woraus schließen Sie das?« Die Stimme klang immer scharf, knapp und knarrend wie bei einem harten Verhör, und nichts anderes war es ja auch in Wirklichkeit. »Er kennt sehr viel englische Flüche, Don Alberto. Daher nahmen wir an, daß er von einem englischen Piratenschiff stammt.« »Soso.« Das Mißtrauen blieb ungebrochen, als der Capitán sie alle noch einmal musterte. »Das sind also die Fakten. Ich gehörte mit meiner Karavelle zum Begleitschutz dieses Geleitzuges, aus dem die ›San Lorenzo‹ und die ›Estrella de Málaga‹ auf so rätselhafte Weise verschwanden. Vielleicht erinnern Sie sich noch. Allerdings sah ich da an Bord keinen bunten Papagei, und ich sah auch keinen Schwarzen. Seit wann gibt es spanische Nigger?« fragte er höhnisch. Der Brocken in Dans Magen wanderte langsam bis zum Hals und drohte ihn zu ersticken. Auch das noch, dachte er entsagungsvoll. Jetzt stand wirklich alles auf der Kippe. Ausgerechnet dieser Don Alberto hatte zum Begleitschutz des spanischen Verbandes gehört! Oder bluffte der mißtrauische Mann nur? Das war eine Frage, die Dan sich selbst nicht beantworten konnte. Aus dem harten Gesicht war nichts herauszulesen außer einer gehörigen Portion Mißtrauen. »Ich erinnere mich noch sehr genau an den Zwischenfall, Don Alberto«, sagte Dan eisern. »Niemand hat es vergessen. Wir waren ja total überrascht. Der schwarze Mann fuhr übrigens als Hilfskoch auf unserer Galeone. Er arbeitete unter Deck.« Don Alberto strich über seinen Knebelbart. Von spanischen »Niggern« schien er nicht viel zu halten. Er redete Batuti auch nicht selbst an, sondern fragte Dan:
»Warum gibt sich dieser Nigger so selbstbewußt?« »Man hat ihn sehr geschätzt. Er versteht sich auch auf die Seemannschaft ausgezeichnet.« »Na ja, lassen wir das.« Das »Niggerthema« war offensichtlich für ihn abgehandelt. Dafür warf er von Hutten einen nachdenklichen Blick zu. »Da fuhren ja recht eigenartige Leute auf der ›San Lorenzo‹. Einer ist ein Nigger, der andere offenbar ein blondhaariger Indianer. Aber das ist nicht meine Angelegenheit. Mich interessiert etwas ganz anders. Sie erinnern sich an den Geleitzugkommandanten?« »Ja, Don Alberto.« »Wie war denn sein Name?« »Señor Generalkapitän Don Miguel de Xeres«, erwiderte Dan wie aus der Pistole geschossen. »Wer würde diesen Mann je vergessen.« »Hm ja, das stimmt soweit.« Das Gesicht wurde kälter, abweisender, gleichzeitig klang die Stimme auch schärfer. »Dem Generalkapitän hat sich ein schwarzhaariger riesiger Kerl als Don Esteban de Castellano vorgestellt. Das war natürlich gelogen. Hinter diesem Namen verbarg sich ein anderer, und zwar ein Engländer, ganz genau ausgedrückt: El Lobo del Mar, der Todfeind der spanischen Krone.« Genau, dachte Dan, innerlich grinsend, ganz genau der Mann verbirgt sich dahinter. Das hast du gut gerochen, Don. Sein Gesicht blieb jedoch fast ausdruckslos, lediglich ein wenig überrascht. »Das kann nicht sein, Don Alberto«, sagte Dan freundlich, »das glaube ich einfach nicht.« »Und warum nicht?« schnauzte der Capitán. »Selbstverständlich war das ein Pirat.« »Ganz sicher«, stimmte Dan zu. »Aber soweit wir das beurteilen konnten, wurde an Bord nicht ein einziges Wort Englisch gesprochen, und das hätten sie sicherlich getan, denn auf uns brauchten sie ja keine Rücksicht mehr zu nehmen. Sie sprachen aber Französisch, das hörten wir genau heraus, und diesen Mann redeten die anderen Kerle auch immer mit Monsieur an. Das ist doch Französisch, nicht wahr? Sie nannten ihn nur Monsieur.« »Señor Marjantes, untersuchen Sie die Jolle gründlich. Ich will,
daß Sie das persönlich übernehmen. Erstatten Sie mir dann Bericht.« Der Erste salutierte und verschwand. Sofort enterte er ab. Auf dem Achterdeck ging Don Alberto nachdenklich auf und ab. Immer wenn er aufblickte, musterte er die Männer eingehend. Er hatte die Geschichte zwar geschluckt, doch sie schien ihm nicht zu gefallen. Ganz besonders mißfiel ihm, daß der schwarzhaarige Pirat nicht der gesuchte El Lobo del Mar zu sein schien, sondern ein Franzose. Auf und ab ging er, hin und her, überlegend, mißtrauisch, ständig seinen Knebelbart malträtierend. Kurze Zeit später erschien der Erste Offizier wieder an Deck. Erneut salutierte er. »Die Jolle stammt einwandfrei von der ›San Lorenzo‹, Don Alberto. Ihr Name ist achtern im Heck eingebrannt. Allerdings muß ich dazu bemerken, daß die Jolle hervorragend ausgerüstet ist. Da mangelt es an nichts.« »Munition oder Pulver an Bord?« »Nein, nichts dergleichen, absolut nichts. Ich wundere mich nur über die Ausrüstung.« »Soso. Eigenartig, das.« »Darf ich dazu etwas bemerken, Don Alberto?« fragte Dan höflich. Die gnädige Handbewegung von oben herab gestattete es. »Es können einfach keine Engländer gewesen sein, Don Alberto, denn die Piraten waren sehr freundlich, überhaupt nicht blutrünstig und haben uns gut behandelt. Bei Engländern wäre das sicher nicht der Fall gewesen, das kennt man ja vom Hörensagen. Es ist eine Schande, wie die uns Spanier behandeln. Aber die Piraten haben uns mit allem großzügig versorgt und nur erklärt, wir sollten uns zum Teufel scheren. Das haben wir ihnen hoch angerechnet.« In Don Albertos Gesicht zuckte es ärgerlich. Dan grinste sich eins und freute sich, daß sie den ehrenwerten Don vom Kurs El Lobo del Mar abgelenkt hatten. Auch seine fünf Männer nickten ernsthaft. Der Profos hatte einen fast frommen Blick drauf und sah ergeben zum Himmel. »Genauso war es, die Piraten waren wirklich nett. Nicht so wie die verdammten Engländer.« »Die lieben französischen Piraten«, höhnte der Capitán.
»Sollen wir auch noch Loblieder auf sie singen, weil sie uns zwei gutausgerüstete Schiffe mit einem hinterhältigen Trick klauten?« »Sie hätten uns aber umbringen können«, sagte Dan. »Sie haben es jedoch nicht getan.« »Nun – erfreut bin ich trotzdem nicht«, sagte Don Alberto sehr ungnädig. »Gesindel bleibt Gesindel, ob englisch oder französisch.« Die Spanier selbst klammerte er dabei aus. Die waren ja auch edel, selbstlos und gütig. Kein Gedanke, daß die sich mit Piraterie oder ähnlich üblen Geschäften befaßten. Aber er glaubte die Geschichte jetzt, und das war wichtig, das allein zählte. Jetzt trat allerdings genau das ein, was Dan und die restlichen fünf Männer insgeheim befürchtet, aber nicht ausgesprochen hatten. Don Alberto wirkte in diesem Augenblick sehr gütig. Jedenfalls kam er sich selbst so vor. »Sie werden in Panama natürlich einen genauen Bericht über die Vorfälle mit den Piraten abgeben, denn das muß alles geklärt werden. Man wird Sie da auch noch weiteren Verhören unterziehen.« »Selbstverständlich, Don Alberto«, sagte Dan. »Wir segeln dann auch gleich weiter und wollen Sie nicht länger behelligen.« »Ich bin ein großzügiger Mensch«, sagte der Capitán. »Seien Sie froh, daß Sie Ihre Nußschale endgültig verlassen können.« »Wir werden in Panama sehr froh darüber sein«, versicherte Dan, um zu retten, was noch zu retten war. »Vielleicht könnten Sie uns gütigerweise noch sagen, wie weit wir von der Küste entfernt sind.« »Das hat Sie jetzt nicht mehr zu interessieren.« Don Alberto hatte heute offenbar seinen ganz gütigen Tag, denn er lächelte flüchtig, etwas gnädig und überaus selbstgefällig. »Die Jolle nehmen wir an Bord. Ihnen werde ich gestatten, die Reise an Bord eines Schiffes Seiner Allerkatholischsten Majestät fortzusetzen. Sie dürfen sich damit ab sofort zur seemännischen Besatzung der Karavelle rechnend. Danken Sie Ihrem Herrgott auf den Knien dafür. Immerhin sind Sie ja Landsleute.« Die »Landsleute« waren total entsetzt, daß sie so einfach vereinnahmt wurden. Sie hatten keine andere Wahl mehr, wollten sie nicht höchst unangenehm auffallen.
Jetzt mußten sie auch noch Entzücken darüber heucheln, daß sie sich zur Besatzung zählen durften. »Wir danken Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit, Don Alberto«, sagte Dan entzückt. Und der Profos fügte begeistert hinzu: »Zu liebenswürdig, Don Alberto. Es wird uns eine ganz besondere Ehre sein.« Innerlich hatte er dabei allerdings das Gefühl, als würden pausenlos in seiner Brust chinesische Brandsätze krepieren. Das war ein Feuerregen, der immer bunter, heißer und mächtiger wurde. Himmelkreuzdonnerwetter, dachte er erbost und aufgewühlt. Jetzt fuhren sie als Hands auf einem spanischen Eimer, kriegten jeden Tag Kastanien zu fressen und mußten auch noch Dankbarkeit heucheln, was, wie? Die anderen taten ihre Begeisterung ebenfalls in frommen Worten kund und lobten allerhöchst Seine Allerkatholischste Majestät, Philipp II., seines Zeichens König von Spanien, in dessen ehrenvollen Diensten sie von nun an gnädigerweise stehen durften. Das ist ein Gefühl, dachte Dan halb erstickt, als wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Da wird man dann mit gefärbten Eiern und Weihnachtsmännern zugleich beworfen. Einfach himmlisch ist das, unbeschreiblich. In Wahrheit erstickten sie fast an diesem freundlichen Angebot, obwohl sie untertänige Dankbarkeit heuchelten. Na, das gab noch ein paar interessante Tage, aber im Hintergrund stand natürlich die bange Frage, wie es denn weitergehen würde, wenn sie erst einmal in Panama waren. Inzwischen wurde ihre Jolle an Bord gehievt und festgezurrt. Don Alberto, der heute seinen gnädigen Tag hatte und ein gutes Werk zu tun glaubte, winkte hochnäsig mit der Hand, als wolle er aufdringliche Hühner verscheuchen. Diese Handbewegung bedeutete, daß sie nunmehr gefälligst das Achterdeck zu verlassen hätten, denn es sei genug geredet worden. »Sie werden der Obhut des Bootsmanns Ibarra übergeben«, sagte Don Alberto. »Er wird sich um sie kümmern.« Womit sie endgültig entlassen waren in die Dienste der ehrenwerten spanischen Marine. 7.
Dieser Bootsmann, den sie schon kennengelernt hatten, war ein Hundesohn von ganz besonderer Art. Darin waren sich alle einig, obwohl sie noch nicht viel über ihn wußten. Aber sie sahen und lasen es an den Gesichtern der anderen. Dieser Kerl verschaffte sich mit seinen körperlichen Kräften und mit brutaler Härte selbst Respekt. Dazu brauchte er keinen Profos oder die Männer des Achterdecks. Er tat das gewissermaßen von Mann zu Mann, und obwohl vom Achterdeck alles stillschweigend geduldet wurde, tat er das dort, wo es keine Zuschauer und Zeugen gab. Einer der Don-Hands hatte nicht sofort das getan, was der Bootsmann befohlen hatte. Er war ein bißchen dösig gewesen, und da erwischte es ihn auch gleich. Ibarra wollte bei den Neuen ebenfalls gleich Eindruck schinden, und so erledigte er alles sozusagen in einem Aufwasch. Als Dan mit seinen Männern nach vorn ging, wie es angeordnet wurde, damit sie ihr Quartier kennenlernten, hockten dort schon zwei eingeschüchterte Hands, die den Boden schrubbten. Ibarra rief dem einen Mann zu, er habe sich sofort im Mannschaftsraum des Vorkastells einzufinden. »Jetzt geht es wieder los«, jammerte der eine Spanier, ein breitschultriger Bulle mit kernigen Fäusten. »Nehmt euch vor Ibarra in acht«, sagte er zu den sechs Neuen. »Tut alles sofort, schnell, willig und freudig, was er befiehlt.« »Ein kleiner Schläger, was?« fragte Ed. »Viel schlimmer. Er ist ein ganz übler Kerl, der bisher noch jeden Mann an Bord gebrochen hat. Er ist schnell mit den Fäusten und hat unglaubliche Kräfte.« »Und ihr habt alle Angst vor ihm?« fragte Dan, aber es war mehr eine Feststellung. »Ja, wir haben Angst. Auch ihr werdet ihn bald fürchten lernen. Ihr müßt euch anpassen, um klarzufahren, dann bleibt es vielleicht mal bei einer Tracht Prügel. Das ist die einzige Möglichkeit.« »Und wenn wir uns nicht anpassen?« fragte der Profos herausfordernd. »Was dann?« »Dann könnt ihr eure Knochen einzeln aufsammeln. Er wird euch gnadenlos zusammenschlagen.« »Und die Señores vom Achterdeck tun nichts dagegen?« fragte
Dan. »Nein, sie sehen es nicht und wollen es auch gar nicht sehen. Sie hören es nur mitunter.« Von oben waren schnelle Schritte zu hören. Dann polternde Schritte, die den anderen folgten. Ein hagerer Mann stürzte in das Mannschaftslogis, in dem es stickig und dumpf roch. Zitternd und hilflos blieb er stehen und lauschte den Stiefeltritten an Deck, die jetzt langsamer wurden. »Laß es nicht darauf ankommen«, raunte Dan dem Profos zu. »Wenn der hier die Leute verprügelt, ist das nicht unsere Sache.« »Und wenn er uns verprügeln will?« fragte Ed. »Das werden wir dann schon sehen.« Dem Mann stand die Angst im Gesicht geschrieben. Die beiden Hands, die den Boden schrubbten, schwiegen jetzt und konzentrierten sich voll Eifer auf ihre Arbeit. Dann erschien Pedro Ibarra. Sein Blick war tückisch, ein hartes Grinsen stand in seinem blatternarbigen Gesicht. Die sechs Männer rührten sich nicht und blieben stehen. Ibarra schloß das Schott hinter sich und schob den schweren Riegel aus Eisen davor. Dann grinste er noch breiter. Das war so eine Angewohnheit von ihm, die anderen einzuschüchtern und zu zermürben, indem er hinter sich abschloß. Dann war jedesmal einer von den Hands fällig, und alle wußten das und zitterten diesem Augenblick entgegen. Der Bulle rückte näher, musterte die sechs Neuen von der Seite her verächtlich und stemmte die Fäuste in die Hüften. »So, du Drecksack«, sagte er genüßlich zu dem zitternden Nervenbündel, das noch mehr zurückwich. »Jetzt unterhalten wir uns mal über Befehle, die zu spät ausgeführt werden.« Mit einem wilden Satz sprang er vor und schlug dem Don bretthart die Faust ins Gesicht. Edwin Carberry spannte bereits alle seine Muskeln an, doch ein Stoß mit dem Ellenbogen von Dan O’Flynn belehrte ihn darüber, daß er sich nicht einzumischen habe. Der hagere Don flog von dem Schlag bis an die Wand. Dort rutschte er mit blutverschmiertem Gesicht zu Boden und hielt sich wimmernd und stöhnend die Hand vors Gesicht. Der Bootsmann riß ihn mühelos hoch, hievte ihn auf die Beine und verpaßte ihm einen weiteren Brocken, der den Mann bis vor eine Koje trieb. Erneut riß er ihn hoch.
»Du wirst alle meine Befehle befolgen«, sagte er sehr leise. »Wiederhole das doch einmal.« »Ich werde alle Ihre Befehle sofort befolgen, Señor Ibarra!« schrie der Mann. »Alles, was Sie sagen und befehlen.« »Das freut mich aber sehr, Juan. Nur mußt du es dir auch gut merken, und damit du das nicht vergißt, bleue ich es dir noch einmal ganz genau ein.« Ein erneuter brutaler Schlag warf den Mann an ein eingebautes Schapp, dessen Tür krachend aufsprang. »Wer hat dir denn erlaubt, daß du das Schapp öffnen sollst?« rief der Kerl. »Ich doch nicht, oder?« »Nein, Señor Ibarra, nein, nein.« Dem Profos stieg mittlerweile die Galle bis an Oberkante Unterlippe. Er beherrschte sich nur noch mühsam. Die anderen verloren auch fast die Beherrschung, aber sie rührten sich nicht. Tatenlos sahen sie zu, wie der Mann systematisch zusammengedroschen wurde, bis er hilflos auf den Bohlen lag. »In zwei Minuten bist du an Deck«, befahl der Bootsmann. »In genau zwei Minuten, sonst besuche ich dich noch einmal. Und du weißt, was dann mit dir geschieht.« Der Hundesohn von einem Schläger drehte sich um. Er sagte kein Wort, er sah die sechs Männer nur der Reihe nach höhnisch, überlegen und triumphierend an. Aber er brauchte auch nichts zu sagen, gerade sein Schweigen sagte mehr als alle Worte. In aller Ruhe entriegelte er das Schott, sah noch einmal in den Raum und grinste dreckig. »Zwei Minuten«, wiederholte er leise. Als er draußen war, half Dan dem zusammengeschlagenen Mann auf die Beine. Er war knallrot im Gesicht vor Wut. »Passiert das hier jeden Tag?« fragte er. Die beiden, die den Boden schrubbten, gaben keine Antwort. Sie hielten die Köpfe still gesenkt, aus Angst, der Bootsmann würde auch sie verprügeln. Der Mann wischte sich das Blut aus dem Gesicht und humpelte gebückt zum Schott. »Sagt zu allem Ja und Amen«, flüsterte er gebrochen, »er schlägt euch sonst tot.« Dann humpelte er davon, um die Zeit nicht zu verpassen, die Ibarra angekündigt hatte. Auch die sechs Männer gingen wieder an Deck. Unterwegs flüsterte Dan dem Profos zu: »Gib es weiter an die anderen. In
Panama müssen wir unbedingt versuchen, von diesem Kahn zu türmen. Das ist ja nicht zum Aushalten mit diesem brutalen Stinktier.« Ed nickte nur grimmig, aber in seinen Augen glomm ein Licht, das die anderen nur allzugut kannten. Wenn dieses Licht glomm, dann stand meist die Kimm in Flammen. Ibarra wies ihnen dreckig grinsend eine Arbeit zu, dann ließ er sie allein und unbehelligt bis zum Abend. * Am Abend hockten sie im muffigen Quartier, zusammen mit einigen Männern der Freiwache. Sir John saß bei Ed auf der Schulter. Der schmierige Hilfskoch war erschienen und hatte einen kleinen Kübel voll undefinierbarer Pampe auf die Back geknallt. Seine eine Gesichtshälfte schillerte immer noch blau und grünlich. Er sah Batuti an, grinste anzüglich und schüttete die Pampe auf den Tisch statt in die Muck. Die Pampe sah so aus, als sei sie aus Dreck, Kakerlaken und Abfällen zusammengekocht worden. »Friß doch von der Back, Nigger«, sagte der Schmierige. »Die ist vor ein paar Wochen frisch gescheuert worden.« Dazu lachte er meckernd. »Nigger essen nicht, die fressen.« Batuti stand in aller Seelenruhe auf. Er holte wortlos mit der rechten Hand aus und klebte dem schmierigen Hilfskoch ein Ding an die Ohren, daß der quer durch den Raum schoß und bis ans Schott donnerte. Dann wollte er noch einmal nachsetzen, doch der Kerl entfloh mit einem Schrei des Entsetzens. Die anderen löffelten schweigend das graue Zeug. Auch die spanischen Hands sprachen kein Wort. Das Schott wurde durch einen harten Stiefeltritt aufgestoßen und flog bis an die Wand. Ibarra erschien, hartgesichtig, blatternarbig, unheilvoll grinsend. Die einstudierte Zeremonie begann. In aller Ruhe riegelte er sorgfältig das Schott hinter sich ab. Die Männer von der Freiwache krochen in sich zusammen, denn es war offensichtlich, daß es jetzt Prügel gab. Einer war wieder mal fällig, so war es schon immer gewesen. Dan und seine Männer zeigten sich weder beeindruckt, noch ließen sie sich stören. Sie gaben sich absolut unbeteiligt und
löffelten ihre zähe Pampe in sich hinein. Ibarra tigerte auf die Back zu, wo die Neuen saßen und blieb provozierend davor stehen. Wieder musterte er die Männer. Die anderen waren inzwischen wie erstarrt und vergaßen vor lauter Angst auch das Essen. Aber erleichtert wirkten sie doch, denn der Bootsmann hatte es diesmal offenbar auf die Neuen abgesehen. Grinsend stemmte er seine mächtigen Arme auf die Back, nahm Batuti die Kumme weg und schlenkerte sie über den Tisch. »Herhören«, knurrte er. »Damit ihr wißt, wo es langgeht, steht jetzt jeder von euch einzeln auf und verbeugt sich vor mir. Dann sagt jeder den gleichen Spruch auf, der da lautet: Ich bin ein Scheiß, ich bin der letzte Dreck und habe zu gehorchen. Und ich gehorche nur meinem Herrgott, der Señor Ibarra heißt. Wenn ihr das hinter euch habt, dann könnt ihr euren Fraß herunterwürgen, denn dann habt ihr begriffen, was ich meine.« Sein Zeigefinger schoß vor und stach auf Batuti zu. »Du sagst den Spruch zuerst auf, du schwarze Sau! Und ich hoffe, du hast ihn nicht vergessen.« Batuti stand jedoch nicht auf, sondern Dan O’Flynn, in dem die Wut bis obenhin kochte. Er trat einen Schritt zurück und blieb äußerlich gelassen. »Hier ist niemand ein Scheiß und der letzte Dreck, und vor allem kennen wir keinen Herrgott namens Ibarra. Lassen Sie uns in Ruhe, wir haben genug Ärger hinter uns. Wenn Sie Streit suchen, dann können wir in Panama darüber diskutieren, wer der eigentliche Herrgott ist. Sie sind es ganz sicher nicht. Und noch etwas: Dieser Mann aus Afrika ist keine schwarze Sau. Merken Sie sich das verdammt gut.« Der brutale Schläger glotzte Dan verständnislos an. So hatte noch niemand mit ihm gesprochen. Er kapierte einfach nicht, daß dieser Kerl Widerreden wagte. Die anwesenden Dons wurden noch kleiner, während die Neuen ungerührt, als ginge sie das gar nichts an, ihre Pampe löffelten. Sie nahmen ihn anscheinend gar nicht zur Kenntnis. Aber das würde sich sofort ändern. Ibarra senkte den Kopf wie ein Bulle, knurrte ärgerlich und stürmte auf Dan zu, um ihn durch die nächste Wand zu rammen. Gleichzeitig riß er dabei beide Fäuste hoch. Diesmal war er an den falschen Mann geraten. Dan O’Flynn
hatte die Nase voll von dem großkotzigen Schläger. Als der wutgeladen auf ihn zuraste, trat Dan mit einer kleinen Drehung elegant zur Seite und ließ den Bullen leerlaufen. Dessen Schädel war immer noch gesenkt. Dan O’Flynn holte aus und drosch ihm die Handkante mit aller Kraft ins blatternarbige Genick. Die Wirkung war erstaunlich. Der Bulle rannte noch einen Schritt weiter, ehe ihn der Hieb fällte. Sein Schädel krachte an das Schott, und er ging unter lautem Gepolter und Getöse auf die Planken. Ein Stöhnen drang aus seinem Mund, dann lag er platt da und rührte sich nicht mehr. Dan hockte sich in aller Ruhe hin und löffelte weiter. Der Profos sah nur einmal kurz hoch. Dafür waren die Spanier starr vor Staunen: Sie konnten nicht fassen, was sie soeben gesehen hatten. Dieser Mann hatte nur einen einzigen geschickten Schlag geführt, und der hatte den gefürchteten Bootsmann sofort außer Gefecht gesetzt. Das gab es doch gar nicht – unvorstellbar war das. Carberry legte grinsend den Löffel zur Seite. »Wenn er wieder zu sich kommt – rennt er dann zum Capitán, um ihm das zu verklaren?« erkundigte er sich freundlich. »Nein«, sagte einer der Männer entsetzt keuchend. »Das tut er nicht, aber er gibt auch nicht auf.« »Wie schön«, meinte Ed, während er liebevoll über seine Pranke strich, »wie mich das freut. Dann öffne mal das Schott, Señor.« Der eine öffnete zögernd das Schott. Dann hockten sie sich wieder hin und warteten, bis der Bootsmann nach einer Weile wieder etwas wacklig auf den Beinen stand und sich wild umsah. Diesmal ging Ed demonstrativ zum Schott, schloß es und verriegelte es sorgfältig. In seinem Gesicht stand ein sehr bösartiges Grinsen, als er vor dem Bootsmann Aufstellung nahm. »Nun hör mal her, du miese Wildsau«, sagte er in seiner freundlichen Art. »Entweder hältst du jetzt Ruhe und Frieden, oder es zieht gleich ein Gewitter auf, mit Blitz und Donner.« Die Antwort war ein mächtiger Schlag. Der Bootsmann sah nur noch rot und schlug in wilder Wut zu. Der Schlag erwischte Carberry hart am Kinn, aber das war wie ein Amboß. Der Profos wackelte und wankte nicht nach dem Hieb. »Du willst es also genau wissen«, brummte Ed, »dann weißt du
es jetzt gleich.« Er zog den Profos-Hammer ab, jenen berüchtigten, von unten her geführten mörderischen Schlag, der alles von den Beinen fegte. Der Hammer hatte schon ganz andere Brocken als Ibarra zerschmettert. Im Logis krachte es laut. Dann hob sich Ibarra fast aus den Stiefeln und flog davon, getrieben von einer Wucht, die an explodierendes Schießpulver erinnerte, das gut verdammt war. Er krachte in eine Koje. Ein paar Bretter gingen zu Bruch, eine Wolke von Staub wallte auf. »Rübenschwein!« kreischte Sir John. »Hummerarsch!« »Du sagst es«, bestätigte Carberry. »Falls du dich bedienen willst, Batuti – dann hat er gleich den nötigen Respekt.« Batuti wollte, schon um es diesem »Herrgott« zu zeigen. Er angelte sich den stöhnenden und schwer angeschlagenen Kerl aus der Koje und prügelte ihn quer durch das Logis, bis der Bootsmann schließlich eine Back umriß und unter einer Koje verschwand. Aber der Kerl war unglaublich zäh im Nehmen. Mit glasigen Augen kam er wieder hoch, und wollte es noch einmal wissen. Stenmark stellte ihn auf die Füße und grinste freundlich. Der Bootsmann schlug benommen zu ins Leere. »Hier bin ich«, sagte Stenmark freundlich und knallte ihm einen gewaltigen Hammer auf den Schädel. Der Bootsmann wurde zusammengestaucht und fiel auf die Knie. Dann kippte er langsam um und blieb auf den Planken liegen. Diesmal verging fast eine Viertelstunde, bis sich der Bulle wieder aufrappelte. Er stand so wacklig auf den Beinen wie ein neugeborenes Kalb und konnte sich kaum halten. Sein Gesicht war aufgequollen wie Hefeteig, und die Klüsen waren dick. Als er schwankend dastand, erhob sich Mel Ferrow. Sein ausgestreckter Zeigefinger stach vor, auf die Brust des Bullen. Der vertrug nicht einmal mehr diesen leichten Stoß. Er riß das Maul auf, taumelte zurück, stürzte über einen Schemel und krachte erneut auf die Planken. »So was«, sagte von Hutten, »dabei habe ich noch gar nicht einmal zugelangt. Fällt der Kerl einfach um, wie vom Wind umgeblasen.« »Wer sammelt denn jetzt seine Knochen ein?« fragte der Profos die spanischen Hands, die drauf und dran waren, sich vor
den Arwenacks fast zu verbeugen. »Er oder wir, was, wie?« Die Männer staunten nur noch, als sie Ibarra reglos und erneut auf den Planken liegen sahen. Diesmal dauerte es noch länger, bis er wieder mühsam auf die Beine kam. Er blickte auch nicht mehr richtig durch und war total erledigt. Wie besoffen schwankte er vor den Männern hin und her. »War war ein feiner Abend«, lallte er. »wir-wirklich, aber ich fühle mich et-etwas unwohl und brauche frische Luft.« »Verstehe ich«, sagte von Hutten, »ich werde Sie auch ans Schott begleiten, mein Guter. Schließlich sind wir hilfsbereite Menschen, und wir verstehen uns prächtig, nicht wahr?« »Ge-genau«, lallte Ibarra. Dann war er draußen und taumelte an Deck, wo er gierig frische Luft in seine Lungen pumpte. Ist wohl nichts, dachte er dumpf, gegen diese sechs Neuen ist noch kein Kraut gewachsen. Mit denen wollte er sich so schnell auch nicht mehr anlegen. Fürs erste war er restlos bedient… Ende Nächste Woche erscheint SEEWÖLFE Band 465 Hinter Gittern von Burt Frederick Die Flucht Dan O’Flynns und seiner fünf Gefährten von der spanischen Kriegskaravelle war vereitelt worden, und jetzt saßen sie in einer Zelle im Stadtgefängnis von Panama. Dabei brannte ihnen die Zeit unter den Nägeln, denn in Panama hatten sie ein Schiff »besorgen« wollen, um die Kameraden von den GalápagosInseln abholen zu können. Und sollten sie von einem gewissen Generalkapitän verhört werden – wie ihnen das angekündigt worden war –, dann konnte der Schwindel sehr schnell auffliegen, daß sie gar nicht die letzten Überlebenden der »San Lorenzo« waren. Dan O’Flynn wußte nur eins: Sie mußten raus aus diesem verdammten Bau, bevor die Dons begriffen, daß sie es mit englischen Freibeutern zu tun hatten…