H.G.Francis
Band 26
Aufruhr der Geknechteten RexCorda folgte den „Veränderten" mit der „Walter Beckett". Die Jagd füh...
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H.G.Francis
Band 26
Aufruhr der Geknechteten RexCorda folgte den „Veränderten" mit der „Walter Beckett". Die Jagd führt zu der Wasserwelt Kalta, einer kleinen, kalten Welt, die von den Laktonen ausgebeutet wird. Das System der Laktonen ist einfach und wirkungsvoll. Die beiden beherrschenden Völker von Kalta stehen sich wie feindliche Brüder gegenüber. Es ist leicht, sie gegeneinander auszuspielen. Deshalb inszenieren die Laktonen zahlreiche Zwischenfälle, die die angespannten politischen Verhältnisse aufheizen. In der Folge verlangen beide Völker nach Waffen. Lakton gibt sie ihnen und erhält dafür Perke. Das System funktioniert so lange, wie es nicht wirklich zu einem Krieg zwischen beiden Völkern kommt. Solange wetteifern sowohl die Rimaner als auch die Plankaner darum, möglichst viel Perke zu liefern, um viele Waffen zu bekommen, und um bessere
Waffen zu bekommen als die andere Macht. Doch selbst für den Kriegsfall hat Lakton noch eine Waffe zur Hand, die die Auseinandersetzung schnell beenden kann - die Sonnenspiegel, die ihre tödliche Glut auf den Befehl der Laktonen bis in die verborgensten Winkel des Planeten schleudern. Als die „Veränderten" in diese Welt einbrechen, zerschlagen sie das Ausbeutungssystem der Laktonen. Die Machtinstrumente der Laktonen werden plötzlich stumpf. Und jetzt ist niemand mehr da, der die aufgehetzten Völker noch zurückhalten könnte. Rex Corda sind zunächst die Hände gebunden. Die „Veränderten" sind in die „Walter Beckett" eingebrochen. Es gibt keine Waffe gegen sie. Niemand glaubt noch daran, daß Rex Corda in diesem erbarmungslosen Kampf Sieger bleiben kann.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . wurde von den Kaltanern gefangen Kuttner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein mörderischer „Veränderter" Kim Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rettet Wabash vor dem Hitzetod Wabash . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein Delphin im Weltall Mok Osgo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sucht seinen Bruder Bir Osgo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . wird vom Haß zerfressen
Die Faust Rex Cordas krachte auf den roten Hebel herunter. In der gleichen Sekunde jaulten die schrillen Sirenen auf, die den Katastrophenalarm anzeigten. Corda wirbelte herum. Mit drei Schritten war er an dem Spezialschrank, in dem sein Raumanzug lagerte. Mit ihm stürzten alle anderen Männer auf der Kommandobrücke zu den Raumanzügen. Niemand fragte, was geschehen war. Es war unnötig. Über dem ausladenden Steuerpult der „Walter Beckett" strahlte der mannshohe Holograf. Er gab ein dreidimensionales Bild der Männer wieder, die vor wenigen Augenblicken durch die große Hangarschleuse in das Raumschiff gedrungen waren. „Veränderte"! Es waren die Männer, die Rex Corda in diesem Raumabschnitt gesucht hatte, unendlich weit von der Erde entfernt, wo diese Männer ihre erschreckenden Eigenschaften gewonnen hatten. Rex Corda sprang in den sich aufblähenden Raumanzug, um sich vor dem sicheren Ende zu retten. Die „Veränderten" trugen kleine Gasbehälter in den Händen. Sie rissen die Versorgungsschächte der Lufterneuerungsanlage auf und schleuderten die Gasbomben hinein. Die „Veränderten" trugen Raumanzüge, ihnen konnte das Gas nichts anhaben. In Sekundenschnelle verbreitete sich der chemische Kampfstoff. Corda griff nach seinem transparenten Raumhelm, um ihn sich über den Kopf zu stülpen. Seine seltsam leblosen Hände griffen vorbei. Die Finger rutschten an dem Metallsockel ab. Corda stöhnte auf, als direkt vor ihm der laktonische Wissenschaftler Fan Kar Kont zusammenbrach. Das zebroid gestreifte Gesicht des Chefwissenschaftlers verzog sich in tiefer Qual. Immer wieder versuchte Corda, die
bleischweren Arme zum Kopf zu heben. Er versuchte es selbst dann noch, als er auf den Boden aufschlug. Er war der letzte, der das Bewußtsein verlor. Nur der Holograf über den Männern verlor nichts von seiner Aktivität. Er zeigte die „Veränderten", die wie Titanen durch die Gänge der „Walter Bekkett" stampften, um die Herrschaft über das Flaggschiff Terras zu ergreifen! * Der weiße Delphin schnellte sich aus dem Wasser und ließ sich schräg wieder hineinfallen. Ein Schwall kalten Wassers überschüttete Kim Corda, den vierzehnjährigen Bruder des Präsidenten der Erde. Der sommersprossige Junge trug nur eine Badehose. Ihm machte es nicht allzuviel aus, naß zu werden. In der Armbeuge trug er das leichte Atemgerät. Kim Corda stieß einen schrillen Pfiff aus und sprang ins Wasser. Der Delphin glitt spielerisch leicht an dem Jungen vorbei. Kim griff nach der Rückenflosse Wabashs, um sich ziehen zu lassen. In diesem Augenblick hörte er die Sirenen. Überrascht und beunruhigt ließ er sich los, obwohl ihn ein warnender Gedankenimpuls von Wabash erreichte. Er stieß sich vom Boden ab und schoß mit dem Kopf aus dem Wasser. Er schnappte nach Luft. Da sah er die Männer auf dem Holografen. Er wußte sofort Bescheid. Er wunderte sich über den seltsamen Druck in seinem Kopf. Der Delphin schnappte nach seinem Fuß und zog den Jungen mit einem heftigen Ruck unter Wasser. Instinktiv griff Kim nach dem Mundstück seines Atemgerätes. Kühl und erfrischend zischte der Sauerstoff in seine Lungen. Fast augenblicklich klärten sich seine Sinne wieder. Kim Corda wollte abermals nach
oben schwimmen, um die Ereignisse auf dem Holografen zu verfolgen, doch auch jetzt schnappte der intelligente Delphin nach seinem Fuß und hielt ihn zurück. Kim drehte sich herum und schwamm bis dicht an den Boden des großen Bassins heran, in dem der Delphin sich ständig aufhielt. Er konzentrierte sich ganz auf Wabash. Und jetzt vernahm er die telepathisch ausgestrahlte Warnung des weißen Delphins deutlich. Er erschrak heftig. Unwillkürlich sah er zur Wasseroberfläche hinauf. Er konnte nichts sehen, da das bewegte Wasser das holografische Raumbild zu stark verzerrte. Er hörte die jaulenden Sirenen. Der Schall pflanzte sich durch das Metall und durch das salzige Wasser fort. Ein heftiger Gedankenimpuls des Delphins schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Kim verstand sofort. Er nahm das Mundstück seines Sauerstoffgerätes aus dem Mund und drückte es fest auf das Atemloch hinter dem Kopf des Delphins. Der Sauerstoff zischte aus dem Ventil. Wabash atmete tief ein. Mit einem spielerischen Flossenschlag schwamm er davon. Er glitt dicht an der transparenten Seitenplatte des Bassins entlang. Seine klugen Augen beobachteten, was draußen geschah. Wabash sah den Mann, der stampfend hereinkam. Er empfing auch die harten Gedankenimpulse, die von dem turbulenten Geist des Mannes kamen. Blitzschnell schwang er sich herum und schoß zu Kim Corda hinüber. Der Junge preßte sich fest an den Boden des Bassins. Wabash spannte seine Zähne behutsam um den Arm des Jungen und zog ihn zu dem kleinen Schott hinüber, von dem aus sie den versteckten Spezialhangar erreichen konnten. Kim begriff sofort. Das Schott glitt lautlos zur Seite. Kim schob sich mit den Füßen zuerst in das kreisrunde Loch. Vorsichtig drückte
er dem Delphin das Mundstück seines Atemgerätes auf das Atemloch und preßte Sauerstoff in die Lungen seines Freundes. Dann zog er sich vorsichtig zurück. Das Schott schloß sich hinter ihm. Er konnte Wabash ruhig allein lassen. Der Delphin konnte sehr lange ohne erneuten Sauerstoffstoß auskommen. Er mußte ihn im Bassin lassen, damit der „Veränderte" keinen Verdacht schöpfte. Wabash glitt gelassen über den Boden des Bassins dahin. Er sah den „Veränderten" durch die Transparentscheibe. Der Terraner stand am Rande des Bassins und stützte die Hände auf die runde Kante. Jetzt stieg er auf die schmale Brücke hinauf, die quer über das Bassin hinwegführte. Fassungslos starrte er auf den Delphin hinab, der sich zu seinen Füßen durch das Wasser bewegte. Der Mann, der durch eine Operation zu einem Giganten mit fürchterlicher Macht geworden war, ahnte nicht, daß Wabash jeden seiner Gedanken erfaßte. * Kuttner schnaubte verächtlich durch die Nase und stieß den Mann, der vor ihm lag, mit dem Fuß an. „Du bist erledigt, Corda!" sagte er, aber der Präsident der Vereinigten Staaten der Erde hörte es nicht. Er atmete die verseuchte Luft der Umwälzanlage der „Walter Beckett" ein. Kuttner aber hatte den Helm seines Raumanzuges geschlossen. Er drehte sich um und sah zu den anderen Männern hinüber, die vor dem breiten Band der Steuerungsanlage standen. Sie versuchten, das System zu erkennen. Kuttners Mundwinkel sackten verächtlich herab. Er verkniff sich eine gehässige Bemerkung. „Macht schon!" rief er. „Durchsucht das ganze Schiff! Es können sich immer
noch einige Leute in Raumanzügen verkrochen haben! Stöbert sie auf!" Ole Meifert wandte sich von dem Holografen ab und verließ die Kommandobrücke. Drei Minuten später erreichte er die startbereiten Diskusraumschiffe. Ein kleiner Analysator neben dem Diskus, mit dem sie gekommen waren, zeigte an, daß die Luft jetzt wieder einwandfrei war. Ole Meifert schlug den Helm zurück. Er stieg in den Diskus, der voller bewußtloser Männer war, von denen nur einige einen Raumanzug trugen, ohne ihn jedoch geschlossen zu haben. Ole Meifert nahm seinen Som vom Kontrollbord und setzte ihn sich auf die Schulter. Der Som breitete seine handgroßen blau, rot und grün gemusterten Flügel weit aus. Die Flügelspitzen zitterten leicht. Ole Meifert fühlte, wie das Tier Einfluß auf ihn nahm. Das ständige Spannungsgefühl in seinem Kopf wich allmählich. * Kim Corda hielt es nicht länger aus. Er öffnete das Schott zum Bassin um einen winzigen Spalt und drückte seine Taucherbrille fest dagegen. Er biß die Zähne fest zusammen, als er die Gestalt des „Veränderten" auf der Brücke entdeckte. Der Mann machte keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen. Dabei wurde es Zeit. Die Atemluft würde auch für Wabash bald knapp werden. Kim Corda faßte einen Entschluß. Er krümmte sich ganz fest zusammen, zog die Beine ganz hoch an den Leib heran und versuchte, sich auf der Stelle umzudrehen. Und plötzlich saß er fest! Er konnte sich nicht vor und nicht zurück drehen. Die metallene Sauerstoffflasche preßte sich fest gegen die starke Wand des Rohres, das als Fluchtweg für
den Delphin eingerichtet war. Kim Corda kämpfte die aufwallende Panik nieder. Er wußte genau, daß alles vorbei war, wenn er nicht die Nerven behielt. Er schlang die Arme noch fester um seine angezogenen Beine und zwang sie noch dichter an seine Brust. Der ihm ausbrechende Schweiß schlug sich auf der Sichtscheibe seiner Taucherbrille nieder. Kirn gab sich einen wilden Ruck. Das Metall der Sauerstoffflasche ratschte über die Panzerplastwand des Rohres. Er hatte es geschafft! Kim streckte sich weit und spannte die Muskeln hart an. Die heftigen Schmerzen verschwanden fast augenblicklich aus seinen Knien und Füßen. Kim erreichte den ersten Schalter. Er drückte ihn herunter. Mattes Licht flammte an der Oberseite der Röhre auf. Es beruhigte ihn, da es jetzt nicht mehr völlig dunkel um ihn war und er sehen konnte, wohin er schwamm. Als er fünf Meter weiter in die Röhre eingedrungen war, erlosch das Licht hinter ihm, und vor ihm erhellte sich das nächste Element. Wenig später glitt Kim Corda in den kleinen Spezialhangar. durch den die Röhre bis direkt in die Schleuse des Diskusraumers führte. Es handelte sich um ein kleineres Vier-Mann-Landungsboot des Pon-Typs, das nur zwanzig Meter Durchmesser hatte. Es war von den laktonischen Wissenschaftlern speziell für Wabash und Kim umgebaut worden. Bei der Konstruktion dieser Spezialeinheit hatte niemand damit gerechnet, daß sie sie so bald benötigen würden. Kim rutschte in die kleine Schleuse und verschottete das Rohr hinter sich. Er drückte auf einen der zahlreichen Knöpfe. Die Pumpen sprangen fast lautlos an. In Sekundenschnelle saugten sie das Wasser ab. Sie drückten es durch Seitenventile in die Röhre zurück. Im
Bassin des Delphins würde das Wasser jetzt um einige Millimeter ansteigen. Das würde niemand bemerken. Kim Corda riß sich die Tauchermaske vom Gesicht, als das Wasser gefallen war. Wenig später drückte er das Innenschott auf, schlüpfte hindurch und schloß es hinter sich. Er schaltete den Rücklauf ein, der das Schott der Verbindungsröhre öffnete und die Schleuse wieder mit Wasser füllte. Gleichzeitig ließ er das Schott auffahren, das Wabash erlaubte, von der Schleuse in das Bassin im Diskus zu gleiten. Kim Corda warf Taucherbrille und Sauerstoffgerät auf den Boden und eilte zu dem Instrumentenpult hinüber. Auf dem Holografen vor ihm erschien ein greller roter Punkt, der in der unteren rechten Ecke stand. Kim drehte an einem kleinen Stellrad. Der Punkt wanderte rasch zur Bildmitte, Jetzt hatte er das rechte Bein des „Veränderten" erreicht. Kim ließ ihn daran hochsteigen. Der Punkt erreichte den Kopf des Mannes. Der Junge drückte einen roten Knopf herunter. Unter der Laser-Kamera des Holografen in der Kabine des Delphins öffnete sich eine winzige Luke. Ein unsichtbarer Schockstrahl schoß heraus und bohrte sich in den Hinterkopf des „Veränderten". Kim Corda sah, wie der Mann zusammenzuckte. Seine Beine knickten ein. Hastig nahm Kim den Finger vom Knopf. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Der „Veränderte" drehte sich langsam herum. Aus weiten Augen sah er auf den Holografen in der Kabine. Das beunruhigte Kim nicht. Dieser Holograf war nicht eingeschaltet. Der "Veränderte" konnte ihn nicht sehen. Er konnte auch nicht wissen, woher der Schockstrahl gekommen war. Der Mann schüttelte benommen den Kopf. Dann richtete er sich ruckartig
auf. Seine Lippen bewegten sich. Seine hellen Augen flackerten. Er riß seinen Strahler aus dem Gürtel. Kim schrie entsetzt auf. Der "Veränderte" richtete den tödlichen Strahler auf das Bassin, in dem Wabash war. Ein einziger Schuß mußte das Wasser so stark erhitzen, daß es den Delphin töten mußte! „Nein!" schrie Kim. Er preßte die Hände an die Stirn. „Nein - nicht schießen!" Der „Veränderte" lachte wie ein Wahnsinniger. Das Bild war um so schrecklicher für Kim, da er keinen Ton hören konnte. Ein strahlend weißer Glutschwall schoß aus der Waffe des „Veränderten". Er feuerte in das Bassin zu seinen Füßen. Sekunden später kochte das Wasser. Kim sah voller Entsetzen, daß brodelnde Gischt aufstieg und die Kabine sich mit weißem Wasserdampf füllte. * „Wo bleibst du so lange, verdammt?" brüllte Kuttner, als Fisher bei ihm erschien. Der „Veränderte" klappte seinen Raumhelm zurück. „Die haben hier noch einen Delphin an Bord", berichtete er. „Wabash!" flüsterte Kuttner überrascht. Seine linke Hand tastete nach dem Som, der auf seiner Schulter hockte und an einem winzigen grünen Blatt knabberte. „Ich wußte nicht, daß sie den Delphin dabei hatten! Wo ist er?" Der „Veränderte" lachte häßlich. „Ich habe ihn erledigt. Chef!" grinste er. Kuttner stöhnte auf. Seine linke Hand schoß blitzartig vor. Sie knallte Fisher gegen das Kinn und riß ihn von den Füßen. Fisher sprang sofort wieder auf die Beine. Er ballte die Fäuste. Als
Kuttner sich jedoch gleichgültig wegdrehte, stieß er den Atem heiß durch die Nase aus und stampfte an dem „Veränderten" vorbei in die Schleuse des Diskusraumers. „Es war nicht nötig, den Delphin zu töten, Fisher!" sagte Kuttner leise, aber bestimmt. „Wir sind keine Mörder verstanden?" „Ist schon gut. Chef!" murmelte Fisher. „Wir haben Nukleon, den Hund von Professor Rimson, an Bord gefunden, Fisher. Wir haben ihn nicht umgebracht. Er bleibt hier zurück!" „Ist schon gut. Chef", sagte Fisher unwillig. Hastig zog er sich zurück. Er holte seinen Som und setzte ihn sich auf die Schulter. Wenig später entspannte sich seine verkrampfte Muskulatur. Die bohrenden Schmerzen in seinem Kopf versickerten. Irgendwo jaulte eine Sirene auf. Die Schotten knallten zu. Fisher fühlte den leichten Ruck, mit dem der Diskus sich vom Boden löste. Seine Blicke glitten zu dem Holografen. Der Diskus verließ die „Walter Bekkett". Unter ihnen lag Kalta, ein blauer Planet. * Er war klein und unscheinbar. Ein rötlich braunes dünnes Fellkleid umrahmte das blaugefrorene asketische Gesicht. Er sah aus, als ob er unter bohrendem Hunger leide. Große furchtsame Augen lagen unter der niedrigen Stirn. Seine kleinen Hände spannten sich um einen elegant geformten Kunststoffschaft mit einem plumpen häßlichen Lauf. Die Waffe machte ganz den Eindruck, als werde sie beim ersten Schuß auseinanderfliegen. Rex Corda lächelte. Seine Hände spannten sich um die Gitter des kleinen Fensters.
„Keine Angst, mein Freund, ich bringe dich nicht um", sagte Corda. Der Kaltaner auf der anderen Seite des Gitters lächelte zögernd. Er zeigte gleichmäßige weiße Zähne. Ga-Venga, der zwergenhafte Kynother, zupfte Rex Corda am Ärmel. Corda sah zu ihm hinab. Der Kynother reichte ihm nur knapp bis über den Gürtel. „Heben Sie den Zwerg doch mal an!" rief Bekoval. Der bullige Laktone kam grinsend zur Tür. "Er kann doch nicht hinaussehen!" Er packte Ga-Venga bei den Hüften und hob ihn so hoch, daß er durch das Gitterfenster hinaussehen konnte. Der kleine Kaltaner wich erschrocken zurück. Bekoval gluckste tief in der Kehle. „Ga-Venga als Schreckensbild! Das dürfte einmalig sein!" sagte er. Er sprach englisch. Corda war überrascht, wie gut Bekoval diese Sprache bereits beherrschte. Er hatte sich ein umfangreiches Vokabular angeeignet, seit die Laktonen ihn und Percip ausgestoßen hatten. Bekoval war geborener Laktone, aber er besaß die terranische Staatsangehörigkeit ebenso wie der auf Lithalon geborene Laktone Percip. „Lassen Sie mich los!" zischte GaVenga wütend. Bekoval ließ ihn fallen. Verblüfft starrte der Kynother auf die Tür. Jetzt konnte er wieder nicht nach draußen sehen. „Ist es recht so, Kleiner?" grinste Bekoval. Ga-Venga trat ärgerlich mit dem Fuß gegen die plumpe Holztür. „So einen Kopf hat der Mann", knirschte er und deutete mit den Händen die Größe von Bekovals Kopf an. „Aber nichts als Luft darin!" Bekoval packte Ga-Venga beim Gürtel und hob ihn wieder hoch. „Halt dich schön fest, du Giftzwerg!"
lachte er. „Sonst lasse ich dich fallen!" Ga-Venga murrte ärgerlich. Er richtete seine Blicke auf den kleinen Kaltaner, der vor ihrem Gefängnis Wache hielt. Ein kühler Wind pfiff über die grauen Dächer der Stadt. Irgendwo in der Nähe bewegte sich krachend ein von einem Explosionsmotor getriebenes Fahrzeug vorbei. Tiefschwarze Rauchwolken wälzten sich aus den zahlreichen Schornsteinen. Der Wächter sagte etwas zu Corda, doch niemand verstand es. John Haick kam zur Tür. Der Freund Cordas trug einen elektronischen Dolmetscher in den Händen. Doch auch das Gerät sprach nicht an, da sie noch keine Sprachelemente in die Elektronik gegeben hatten. „Was ist nun, du Sprachgenie?" fragte Bekoval. „Kannst du mit ihm reden oder nicht?" „Ich kenne seine Sprache nicht", gab der Kynother leise zu. „Laß mich herunter!" „Ich habe es doch gewußt!" grinste der bullige Laktone. „Du hast deinen Kopf auch nur auf den Schultern, damit es nicht 'reinregnet!" Ga-Venga starrte den Laktonen mit offenem Munde an. In seinen Augen spiegelte sich die Verblüffung. „Bekoval, ich habe Sie noch nie so ausgelassen erlebt", sagte Ga-Venga. „Wie kommt das? Ich glaube nicht, daß unsere Lage rosig ist!" Bekoval lachte abfällig. „Jetzt werde ich mal mit dem Kleinen da draußen reden!" sagte er. Bevor ihn jemand daran hindern konnte, trat er an die Tür heran und versetzte ihr einen deftigen Tritt. Krachend flog sie aus den Angeln. Grinsend stand Bekoval dem zierlichen Kaltaner gegenüber, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Stehenbleiben, Bekoval!" rief Rex Corda.
Doch Bekoval trat auf den Wächter zu. Das Gesicht, das wie blaugefroren aussah, färbte sich tiefrot. Der Lauf des primitiven Gewehrs zuckte hoch. Bekoval blieb stehen. Er hob beide Arme, als der Schuß krachte. Wie vom Blitz getroffen brach der bullige Laktone zusammen. Der Kaltaner sah Rex Corda mit schreckgeweiteten Augen an. * Kuttner, der „Veränderte", der über das Volk von Planka herrschte, sah auf, als ihm der unterwürfige Offizier meldete, daß die Laktonen eingetroffen waren. John Kuttner ging die Treppe hinunter in den Park, in dessen Mitte der elegante Gleiter des Laktonen stand. Der stellvertretende Kommandant der laktonischen Station auf diesem Planeten kam ihm entgegen. Kuttner stutzte ein wenig. Plötzlich fiel ihm auf, daß dieser Mann eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem der Laktonen hatte, die er von der „Walter Beckett" geholt hatte. „Weshalb haben Sie mich rufen laslen, Kuttner?" fragte der Laktone. Es war ein kleiner Mann mit einer hohen eckigen Stirn und unruhigen dunklen Augen. Seine Worte wurden von einem unscheinbaren elektronischen Gerät auf seiner Brust übersetzt. Der „Veränderte" wies auf eine Bank aus geschnitzten roten Korallen. Er setzte sich und wartete, bis der Laktone neben ihm Platz genommen hatte. „Wir haben ein besonderes Problem, Mok Osgo", sagte er. „Wir haben ein terranisches Raumschiff gekapert!" „Das wissen wir bereits!" antwortete der Laktone kühl. „Ihr habt es geortet, wie?" grinste Kuttner. Er sah kurz zu seinem Som, jenem schmetterlingsähnlichen Wesen, das in der Lage war, die gefährliche
elektromagnetische Instabilität im Gehirn des „Veränderten" auf ein Mindestmaß zu reduzieren. „Das habe ich mir bereits gedacht. Nun - egal. Das Schiff gehört uns!" „Wir haben nichts dagegen!" „Aber wir können es nicht steuern. Wir wissen zu wenig, um mit dem Raumschiff verschwinden zu können", gab Kuttner zu. „Deshalb benötigen wir Ihre Hilfe. Bilden Sie uns aus! Wir benötigen zwei oder drei Piloten, die das Raumschiff wirklich bedienen können!" „Sie sind wirklich naiv. Kuttner", antwortete Mok Osgo abfällig. „Glauben Sie wirklich, daß Sie mit zehn Männern ein Raumschiff wie die ,Walter Beckett' fliegen können? Es gehört ein bißchen mehr dazu, als Knöpfe drücken zu können!" John Kuttner sprang auf. Seine Augen blitzten wild. „Sie werden uns unterrichten, Mok Osgo — oder . . ." Er ballte die Fäuste und ließ offen, was geschehen würde, wenn die Laktonen sich weigerten. Osgo erbleichte. Er erhob sich. „Also, schön, Kuttner. Ich schicke Ihnen einige Männer, die Ihre Leute ausbilden werden. Aber glauben Sie bitte nicht, daß wir mit weniger als acht Wochen auskommen. Das ist die geringste Zeit. Und auch dann werden Sie nicht mehr können als einige Knöpfe drükken!" „Wir werden sehen!" sagte Kuttner grimmig. „Verschwinden Sie jetzt, Laktone, und bringen Sie mir Ihre Männer!" * Wabash heftete sich mit seinen telepathischen Sinnen an den taumelnden Geist des Mannes auf der Brücke. Er wußte, in welcher Gefahr er schwebte. Der „Veränderte" war nicht mehr Herr seines Geistes. Er blieb nur deshalb so lange in der Spezialkabine,
weil er nicht in der Lage war, einen Entschluß zu fassen. Ab und zu klärten sich seine Gedanken. Dann erwachte die Neugierde in ihm, und er beobachtete den Delphin zu seinen Füßen. Wabash merkte, daß die Luft knapp wurde. Er trennte sich von den Gedanken des Geisteskranken und suchte Kontakt mit Kim Corda. Er fand ihn augenblicklich. Im gleichen Augenblick schwang er sich herum. Spielerisch leicht glitt er an dem Schott vorbei, durch das Kim verschwunden war. Seine Schnauze berührte den kaum sichtbaren Knopf. Das Schott glitt auf. Wabash zog weiter. Er schwamm unter dem „Veränderten" hindurch. Als er jetzt Kontakt zu dem kranken Gehirn suchte, erschrak er. Er versuchte, sich von den Gedanken Fishers zu lösen. Es gelang ihm nicht sogleich. Der irrsinnige Taumel riß ihn in einen bodenlosen Abgrund. Wabash verlor alle Gewalt über sich selbst. Er wußte plötzlich nicht mehr, wo oben und unten war. Das Licht kreiste um ihn. Alles in ihm verkrampfte sich vor Schmerz. Eine fürchterliche Glut zog über seinen Rücken. Da plötzlich stockten die Gedanken des „Veränderten". Wabash löste sich von einem Augenblick zum anderen aus dem tödlichen Strudel. Er schaltete blitzschnell um zu Kim, seinem Freund. Der Schuß war gefallen! Der „Veränderte" stand unter einem Schock. Wabash kettete sich an die Sinne Fishers. Er spürte, mit welch erschreckender Geschwindigkeit der „Veränderte" sich aus dem Schock löste. Ein Glutstrahl jagte brüllend in das Wasser, wenige Meter neben Wabash. Der Delphin peitschte seinen Schwanz durchs Wasser. Wie ein weißer Blitz zuckte er quer durch das Bassin. Er verschwand wie ein Schemen in dem kreisrunden Schacht.
Hinter ihm schob sich das Schott zu und schloß ihn von der mörderischen Hitze ab, die jetzt in dem Bassin herrschte. Die Geräusche des kochenden Wassers pflanzten sich in den Metallplastwänden fort. Wabash fühlte, daß sich das Wasser sogar in der Fluchtröhre etwas erwärmte. Vorsichtig schwamm er durch den stockdunklen Schlund. Dennoch war er mindestens zehnmal schneller als Kim. Er stoppte seine Fahrt erst in der schwach erleuchteten Schleuse des kleinen Diskusraumers ab. Vor ihm öffnete sich das runde Schott. Wabash glitt wohlbehalten in das Bassin, das die Hälfte der Kommandobrücke einnahm. Durch die transparente Trennwand sah er Kim Corda. der schreckensbleich an dem Steuerpult lehnte. Die Sommersprossen hoben sich dunkel wie Tintenflecke von seiner weißen Haut ab. Doch jetzt grinste Kim vergnügt. Rasch trat er an das Bassin heran. Er klopfte erleichtert gegen das transparente Material. Wabash schickte einen freundlichen Gedankenimpuls, um Kim zu beruhigen. Gelassen drehte, der Delphin seine Runden in dem engen Bassin. Dann jedoch verharrte er an der Transparentscheibe. Das Wasser beruhigte sich. Wabash konnte das holografische Raumbild auf dem großen Beobachtungsschirm deutlich sehen. Er konnte beobachten, wie die Diskusraumer sich von der „Walter Bekkett" entfernten. Kim Corda hatte den Eindruck, daß sich eine tiefe Sorgenfalte auf der massigen „Stirn" des Delphins bildete. Kim trat an den Holografen heran und schaltete um. Wabash konnte auf die Kommandobrücke der „Walter Bekkett" sehen. Vor dem mannshohen Holografen stand ein untersetzter, lachender Mann. Mit spielerischer Leichtigkeit wehrte er den Schäferhund Nukleon ab, der sich
immer wieder knurrend auf ihn stürzte. „Nukleon!" riefen die Gedanken des Delphins. Der Schäferhund Will Rimsons verharrte mitten in der Bewegung. Wabash fing einen Impuls auf, der von Nukleon kam. Der Hund war ebenso Telepath wie der Delphin. „Es ist sinnlos, Nukleon!" dachte Wabash — und seine Gedanken klangen so klar im Gehirn des Hundes auf, als habe jemand zu ihm gesprochen. „Dieser Mann ist so stark, daß niemand ihn besiegen kann!" „Rex Corda kann ihn besiegen!" behaupteten die Gedanken Nukleons. Von Wabash kam ein Impuls wie Lachen. „Wenn wir ihm helfen — dann ja!" „Wir werden ihm helfen!" „Dann darfst du dich nicht auf einen sinnlosen Kampf mit diesem Mann einlassen. Du kannst Corda nicht helfen, wenn du tot bist!" antwortete der weiße Delphin. Kim Corda, dessen parapsychische Begabung von Wabash allmählich geweckt wurde, verstand das meiste von diesem lautlosen Zwiegespräch. Nukleon sprang den „Veränderten" abermals an. Und wieder schleuderte der Untersetzte ihn mit lächelnder Miene bis in die äußerste Ecke der Kommandobrücke. Nukleon blieb gequält jaulend liegen. Der „Veränderte" reizte ihn. Aber Nukleon griff nicht mehr an. Er schlich sich durch ein offenes Schott davon. Der „Veränderte" fluchte gelangweilt. * Mok Osgo gähnte. Mit müden Augen sah er auf die neun „Veränderten", die sich herausfordernd auf den harten Stühlen räkelten. Der Laktone ließ sich nicht durch das über-
trieben betonte Selbstbewußtsein der Terraner provozieren. „Also - fangen Sie schon an", forderte er den Kommandanten des laktonischen Handelsbüros auf. „Los doch. Malon!" * Mok Osgo landete seinen Gleiter in unmittelbarer Nähe des Diskusraumschiffes. Diese Raumscheibe bildete die einzige Verbindung zur „Walter Bekkett". Auch die Laktonen besaßen keine Raumschiffe. Sie waren auf die großen Frachter angewiesen, die in regelmäßigen Abständen kamen, um die Perke abzuholen. Osgo sprang aus seinem Gleiter. Die Kaltaner rissen die Gewehre an die Schultern. Mit haßerfüllten Augen musterten sie den Laktonen. Doch als sie Mok Osgo in ihm erkannten, milderten sich die Blicke. Der Laktone ging in lässiger Haltung auf den Diskus zu. Genau vor der Schleuse standen sechs Kaltaner. Sie trugen graues grobes Zeug über dem dünnen Pelz, um sich zu wärmen. Es war kühl hier auf den Hügeln. Auch die Sonnenspiegel brachten nicht sehr viel Wärme. Ein scharfer Wind pfiff über das Land. Er biß in die Augen und ließ sie tränen. Er brachte einen eigentümlichen, würzigen Geruch mit, der nicht unangenehm war. Mok Osgo liebte diesen Wind, obwohl er kalt war. Dieser Wind zeigte ihm immer wieder mit besonderer Deutlichkeit, daß er auf einem fremden Planeten voller verborgener Schönheiten war. Die blauen Gesichter richteten sich auf ihn, als er vor dem Schott stehenblieb. Die kleinen Hände umspannten die Schäfte der von Lakton gelieferten primitiven Schußwaffen. Mok Osgo lächelte. „Ich muß hinein, Kaltaner", sagte er
in dem Dialekt der Soldaten. Sie lächelten freundlich. Sie mochten diesen Laktonen, weil er der einzige war, der für sie eintrat. „Es ist verboten!" „Nicht für mich!" Die Augen der Soldaten füllten sich mit Trauer. Sie richteten die Waffen auf ihn. „Wir müssen dich töten! Die Neuen Herren haben es verboten, daß jemand dieses Schiff betritt!" „Hm", machte Mok Osgo nachdenklich. Er sah sich um. Er war entschlossen, den Diskus flugunfähig zu machen. Die „Veränderten" durften diese Welt auf keinen Fall verlassen, bevor laktonische Kriegsschiffe hier auftauchten. „Ihr kennt mich, Kaltaner. Ihr wißt, daß ich euer Freund bin!" Der Wind zerrte in dem dünnen Fell der Kaltaner, ließ es um ihre kleinen Köpfe flattern. „Du bist ein Freund", nickte der Soldat vor ihm. „Aber deshalb müssen wir trotzdem den Neuen Herren gehorchen. Sie haben die Kraft der Unendlichkeit in sich!" „Warum macht ihr euch diese Kraft nicht zunutze? Könnt ihr mit diesen Herren nicht auch Rima besiegen?" Die Kaltaner richteten sich überrascht auf. Die Läufe der Schußwaffen senkten sich. Daran hatte offensichtlich noch niemand von ihnen gedacht. Rima - das war der Name des dritten Kontinents auf Kalta. Die Rimaner waren die Todfeinde der Plankaner. Beide arbeiteten wie die Teufel, um den Laktonen Perke zu liefern. Mok Osgo fühlte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Er war Offizier der laktonischen Raumstreitkräfte. Er konnte das Schicksal der Kaltaner nicht ändern - nur lindern. Wenn er jetzt versuchte, die Plankaner gegen die Rimaner auszuspielen, dann wußte er, daß es nicht zum Kampf kommen würde.
Lakton würde vorher eingreifen. Wichtig war nur, daß der Diskus zerstört wurde, damit die „Veränderten" Kalta nicht verlassen konnten. Sie mußten auf diesem Planeten bleiben. „Die Neuen Herren, wie ihr sie nennt, haben die Absicht, Planka zu verlassen!" sagte er. „Sie wollen nach Rima?" riefen die Soldaten. „Nein, sie wollen nicht nach Rima. Sie wollen eure Welt Kalta ganz verlassen, um zu den Sternen zu fliegen. Ich will das verhindern. Ich will, daß die Neuen Herren bleiben", sagte Mok Osgo. Einer der Kaltaner trat lauernd an ihn heran. In dem asketischen Gesicht zuckte es. Die kleine Hand krallte sich in den Arm des Laktonen. „Sie werden uns töten!" „So flieht doch! Ihr habt genügend Zeit!" Die Kaltaner wandten sich von ihm ab. Sie diskutierten heftig miteinander. Mok Osgo nutzte die Gelegenheit. Er schlüpfte in den Diskus. Er setzte alles auf eine Karte. Er wußte, wenn sein Spiel nicht aufging, dann würden die Kaltaner ihn erschießen, wenn er den Diskus verließ. Er eilte zum Schaltpult des Raumschiffes und betätigte einige Hebel. Der Boden neben seinen Füßen öffnete sich. Mok Osgo glitt den schmalen Schacht hinunter und schob sich zwischen die schlafenden Antriebsaggregate. Blitzschnell nahm er einige Schaltungen vor. Ein stilles Lächeln glitt über sein Gesicht. Er schwang sich in den Kommandoraum zurück und ging zum Schott. Überrascht blieb er stehen. Nur noch ein einziger Kaltaner war in der Nähe des Raumschiffes zu sehen. Er hob die Hand, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. „Ich habe noch eine Nachricht für
dich, Laktone!" Mok Osgo ließ sich langsam auf den Boden herab. Seine Blicke versenkten sich in die ernsten Augen des Kaltaners. „Die Männer, die von den Sternen kamen und schliefen, sind bei uns", sagte der Soldat. Mok Osgo überlegte blitzschnell. Er war nicht über alles informiert. Jetzt wußte er, daß die „Veränderten" die Besatzung der „Walter Beckett" auf den Planeten heruntergeholt hatten. „Sie sind gefangen?" Der Kaltaner bestätigte. „Es sind auch Laktonen dabei", berichtete er. Mok Osgo packte ihn erregt bei den Schultern. „Sprich schon! Schnell!" rief er. „Es ist ein Laktone dabei, der dir so ähnlich sieht, daß er dein Bruder sein könnte!" sagte der Kaltaner. Mok Osgo taumelte wie unter einem fürchterlichen Schlag. Er merkte nicht einmal, daß sich der Kaltaner entfernte. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Wie dein Bruder . . . Mok Osgo wußte sehr genau, daß er eine ungewöhnliche Erscheinung unter den Laktonen war. Er war auffällig klein. Seine Kopfform war anders als die der meisten Laktonen. Wenn ihm jemand so ähnlich sah, als wäre es sein Bruder, dann war es sein Bruder! Eine fürchterliche Ahnung stieg in ihm auf. Mok Osgo wußte, daß es mehr als dreißig Wissenschaftlern gelungen war, von Teckan zu fliehen. Lakton hatte alles versucht, diese Flucht geheimzuhalten, aber es war nicht gelungen. Wenn jetzt jemand auf Kalta erschien, der ihm so ähnlich war, dann bedeutete das, daß sein Bruder - Bir Osgo - von Teckan geflohen war! Mok Osgo stürzte sich förmlich auf seinen Gleiter. Er schaltete so überha-
stet, daß die Gravitationsregulatoren Überlappungsfelder bildeten und sich wieder ausschalteten. * „Ist er tot?" rief Bir Osgo. Der kleine Organisationstechniker eilte zu der offenen Tür, in der die reglose Gestalt Fatlo Bekovals lag. Er kniete neben dem Laktonen nieder und legte ihm die Hand auf den Nacken. Er fühlte die Halsschlagader Bekovals pulsieren. Er atmete erleichtert auf. Rex Corda half ihm, den schwergewichtigen Laktonen auf den Rücken zu drehen. Bekoval stöhnte. Eine tiefe Schramme zog sich über seine Schläfe. Die Kugel hatte eine gefährliche Wunde gerissen. Die anderen Männer der Besatzung kamen heran. Hilflos starrten sie auf den Kaltaner, der vor dem Eingang stand. Keiner der Männer hatte noch eine Waffe. Die schweren Strahlwaffen, Magnet-Smashs und Reeling-Guns lagerten in einem Keller, der ihrem Gefängnis gegenüberlag. Rex Corda sah hinüber. Der Platz, der den Innenhof des Gefängnisses bildete, hatte einen Durchmesser von etwa zweihundert Metern. In der Mitte öffnete sich ein kreisrunder See. Der Schiffsarzt der „Walter Beckett" legte Bekoval einen provisorischen Verband an. Der Laktone konnte unter den gegebenen Umständen nur sehr unzureichend behandelt werden. Jetzt strömten Hunderte von Kaltanern auf den weiten Hof. Sie alle trugen Schußwaffen bei sich. Sie umstellten das Gefängnis, während ein Bautrupp die Tür wieder verschloß. Die Männer der „Walter Beckett" verhielten sich ruhig. Es hätte keinen Sinn gehabt, jetzt etwas zu unternehmen. Bir Osgo trat an Rex Corda heran. Der kleinwüchsige Laktone blinzelte et-
was. Er trug kleine Kraftfeldprojektoren in den Gehörgängen. Sie erzeugten ein luftverdichtetes Feld vor seinen Augen, das wie eine Linse wirkte. Es glich die Kurzsichtigkeit des laktonischen Wissenschaftlers aus, wenn es richtig eingestellt war. Im Augenblick schien das Gerät sich jedoch verschoben zu haben. „Sir", murmelte Osgo. „Haben Sie schon daran gedacht, was passieren wird, wenn hier Laktonen auftauchen?" Der Präsident der Erde verengte die Augen. Er sah den kleinen Laktonen nachdenklich an. Corda war Emphat. Er konnte die Gefühle des Wissenschaftlers erfassen. Er merkte, wie besorgt Bir Osgo war. „Es gibt doch keinen Zweifel, daß hier Laktonen sind", fuhr Bir Osgo fort. „Wenn sie hier auftauchen, werden sie uns sofort entdecken. Sie werden sofort merken, daß wir die geflohenen Wissenschaftler von Teckan sind! Wenn das passiert, dann ist es für uns alle zu spät!" Fan Kar Kont, der Chefwissenschaftler von Teckan, hatte die Worte gehört. Er kam zu Corda. In seinem gestreiften Gesicht bewegte sich kein Muskel. „Osgo hat recht", sagte er. „Wir haben nicht daran gedacht. Aber wir müssen damit rechnen, daß die Blauen den Laktonen einen Bericht über uns geben. Glauben Sie nicht, daß ich ihnen auffallen werde?" Rex Corda biß sich auf die Lippen. Er lächelte unmerklich. Selbstverständlich mußte Fan Kar Kont den Bewohnern dieser Welt besonders auffallen. Das Streifenmuster auf seiner Haut war absolut ungewöhnlich. „Es bleibt uns keine Wahl, Mr. Corda", drängte Fan Kar Kont. „Wir müssen einen Ausbruchsversuch unternehmen! Wir dürfen den Laktonen auf gar keinen Fall in die Hände fallen!"
* Kim Corda ließ sich vor dem Instrumentenpult des kleinen Spezialraumschiffes nieder. Sorgfältig überprüfte er alle Instrumente. Über ihm leuchtete noch immer der Holograf, der ihm ein Bild von der Kommandobrücke der „Walter Beckett" übermittelte. Der „Veränderte" lag in einem der bequemen Sessel und schlief. Darauf hatte Kim gewartet. Er schaltete die Motoren des Diskusraumers hoch. Die Bodenplatten unter seinen Füßen erzitterten leicht. Die Schotten des Hangars schoben sich langsam auf. Auf einem zweiten Holografen konnte Kim den Vorgang genau beobachten. Er sah in den Raum hinaus. Unter ihnen drehte sich Kalta, der Planet, der von den „Veränderten" beherrscht wurde, wie Kim glaubte. Wabash, der weiße Delphin, schickte einen beruhigenden Gedankenimpuls, der die aufwallende Erregung in dem Jungen abfing. Dies war der erste Raumflug, den Kim ohne Überwachung durch einen geschulten Spezialisten unternahm. „Alles klar, Wabash?" rief er. Der Delphin konnte ihn nicht hören, aber da er Telepath war, verstand er die Frage trotzdem. Er schickte einen Impuls, der Kims Frage beantwortete. Kims telepathischen Eigenschaften waren jetzt schon ausreichend ausgebildet. Er nahm den Impuls auf. Jetzt zögerte er nicht mehr. Energisch schalteten seine Hände, so wie die Laktonen es Kim gezeigt hatten. Der Diskus beschleunigte mit einem unmerklichen Ruck. Wie vom Katapult geschnellt, raste er in das Nichts hinaus. Wabash und Kim merkten kaum etwas davon. Die Antigravitationsneutralisatoren fingen alle Beschleunigungseffekte ab. Der Junge drückte den Diskus tiefer und tiefer, bis er nur noch knapp zwei-
hundert Meter über die schroffen Hügel hinwegraste. Der Blitz aus dem All blieb aus! Die Laktonen hatten die landende Raumscheibe nicht erfaßt. Kim grinste vergnügt. Er sah zu dem weißen Delphin in dem Bassin hinüber. Wabash drehte jetzt ab und zog gelassen seine Kreise. Er strahlte eine beruhigende Zufriedenheit aus. * Als sie sich dem ausgemachten Landepunkt der anderen Diskusraumer bis auf fünfhundert Kilometer genähert hatten, zog Kim Corda seinen Diskus auf das offene Meer hinaus. Er schaltete die Funkortungsgeräte ein und horchte. Aus dem Lautsprecher kam nur ein eintöniges Rauschen. Er schaltete die Frequenzen durch. Jetzt kamen fremde Stimmen. Auf einem Bereich ertönte schrille, erschreckend fremdartige Musik. Der zwischengeschaltete elektronische Dolmetscher sprach jedoch nicht an. Das bedeutete, daß keine laktonische Stimme dabei war. Kim peilte das Zentrum der Sendungen an und stellte fest, daß die meisten Sendungen aus einer Richtung kamen. Er legte den Kurs auf diese Richtung an und näherte sich der Küste wieder. Er flog immer langsamer. Der Tag näherte sich seinem Ende. Die schwache rote Sonne berührte schon fast den Horizont, doch die Sonnenspiegel strahlten noch immer in heller Glut vom Himmel herab. Als Kim das Land am Horizont auftauchen sah, drückte er den Diskus so tief herab, daß das Wasser unter den Abstrahldüsen zu brodeln begann. Er schaltete die Holografen um, so daß er besser aufs Wasser sehen konnte. Das Meer war überraschend flach. An einigen Stellen konnte Kim den hellen
Grund sehen! Wabash schaltete sich mit einem Gedankenbefehl ein, als die Küste nur noch wenige Kilometer entfernt war. Kim stoppte den Flug. Wieder nahm er einige Schaltungen vor. Der Diskus senkte sich so tief, daß das Wasser in die offene Schleuse schoß. Kim schloß die Schotten und wartete. Er schwang sich auf seinem Sitz herum und sah zu dem weißen Delphin hinüber. „Jetzt will ich nur hoffen, daß du dich in diesem Wasser aufhalten kannst, Wabash", seufzte er. Über dem Instrumentenpult leuchtete ein grünes Licht auf. Gleichzeitig schaltete sich ein akustisches Warnsignal ein. Kim fuhr herum. Seine Hand fiel auf den kleinen Hebel herunter und warf ihn herum. Die Instrumente zeigten ihm eine laktonische Funkmeldung an. Hatten die Laktonen ihn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen geortet? * Mok Osgo landete seinen Gleiter im Vorhof der Gefängnisbehörde. Mächtige Mauern erhoben sich vor ihm. Hinter ihnen lagen die Verliese, in denen die Besatzung der „Walter Beckett" gefangen war. Jetzt machte Mok Osgo sich Vorwürfe, weil er die Gefangenen noch nicht eher inspiziert hatte. Mok Osgo betrat den Verwaltungstrakt. Mehr als vierzig Kaltaner hockten hinter den einfachen Holzschemeln und arbeiteten an Bergen von Akten. Der Chef der Abteilung, ein ehemaliger Offizier der Bergländer, trat lächelnd auf den Laktonen zu. Der Kaltaner war sehr klein, aber er hielt sich sehr gerade, so daß er größer wirkte. Er hatte sich das dünne Kopffell dick mit Fett eingerieben, so daß es eng an seinem
runden Kopf lag. „Ich muß den obersten Chef, den Direktor, sprechen", sagte Mok Osgo. „Du hast Glück", antwortete der Chef der Verwaltungsabteilung. Er sprach fließend Laktonisch. Sein Akzent war kaum hörbar. „Ich kann dich zu ihm lassen. Du kennst den Weg?" Mok Osgo atmete erleichtert auf. Er konnte es kaum glauben. In dieser Abteilung hatte er schon einmal einen halben Tag verbracht und über Formularen geschwitzt, die sich auf einen komplizierten Tausch zwischen Perke und Arbeitskräften für Ral bezogen. Eilig ging er zu der breiten Tür im Hintergrund. Er stieß sie auf und betrat den kleinen Raum, der vor dem Vorzimmer des Direktors lag. Wie vom Schlag getroffen blieb er stehen, als er John Kuttner, den Wortführer der „Veränderten", hier sah. Der Terraner, der sich zum Herrscher über den Kontinent Planka aufgeschwungen hatte, musterte den Laktonen mit einem breiten Grinsen. „Nett, daß du kommst, Laktone", sagte er. Er streichelte seinen Som, der mit bebenden Flügeln auf seiner Schulter hockte. „Gerade eben habe ich gehört, daß unser Diskus in die Luft geflogen ist!" Mok Osgo erbleichte. Unwillkürlich tastete sich seine Hand nach dem Strahler. Als er die schwere Energiewaffe berührte, beruhigte er sich ein wenig. Doch John Kuttner schien die Drohung nicht einmal gemerkt zu haben. „Ich weiß auch, wer zuletzt bei dem Diskus war, Laktone!" fuhr er lächelnd fort. Es war ein tödliches Lächeln, gnadenlos und kalt. John Kuttner erhob sich. Langsam kam er auf den Laktonen zu. Knapp zwei Meter vor ihm blieb er stehen. Aus eiskalten Augen sah er auf Mok Osgo hinab. Der Laktone krampfte seine Hand um den Strahler.
„Es war dein letzter Scherz, Laktone!" versetzte Kuttner. „Ich werde dafür sorgen, daß du meine Pläne nicht noch einmal stören kannst!" Er drehte sich um und stampfte zu der Ausgangstür hinüber. Dort blieb er stehen und sah zurück. „Und jetzt verschwinde!" „Sie . . . Sie wollen nichts gegen mich unternehmen?" „Wozu?" grinste Kuttner. Er drehte sich um und kam zu dem Laktonen zurück. „Es wäre sinnlos. Der Diskus ist hin. Noch können wir die ,Walter Bekkett' nicht fliegen. Wenn ich Sie umbringe, dann ist damit der Diskus nicht wieder flugfähig! Mit Ihnen habe ich andere Pläne, mein Freund! Sie werden noch Ihre Freude haben!" Mok Osgo erschauerte unter dem verächtlichen, kalten Blick des Terraners. Er versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben, um in das Zimmer des Direktors des Gefängnisses zu kommen. Doch Kuttner hielt ihn fest. Osgo stöhnte unter dem eisernen Griff auf. „Verschwinden, habe ich gesagt!" „Ich muß die Gefangenen sehen!" Kuttner schüttelte den Kopf. „Es sind meine Gefangenen! Sie werden sie nicht sehen!" Er schob den Laktonen ab. Mok Osgo stolperte aus der Tür an dem Chef des Verwaltungstraktes vorbei. Der ehemalige Offizier der Bergländer sah ihm mit einem verstohlenen Lächeln nach. * Das Wasser des kaltanischen Meeres war einwandfrei. Wabash konnte sich darin aufhalten! Kim Corda fuhr die Schotten auf. Der weiße Delphin glitt in die Schleuse. Das Schott schloß sich. Und wenig später sah Kim seinen telepathischen Freund durch das Wasser gleiten. Wabash
schoß pfeilschnell auf die Küste von Planka zu. Kim lehnte sich zurück. Er wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Er bewunderte Wabash. Sie konnten nicht wissen, was unter der Wasseroberfläche dieses Meeres auf sie lauerte. Sie kannten die Bewohner des kaltanischen Meeres nicht. Wabash befand sich in einer feindlichen Umwelt, die ihn in jeder Sekunde zerfetzen konnte. Kim Corda lauschte seinem Freund nach. Er vernahm die beruhigenden Impulse, die von Wabash ausgingen. Mach's gut, Wabash! dachte er konzentriert. Schon im nächsten Augenblick kam die beruhigende Antwort des Delphins. Doch dann folgte ein Impuls voller Schrecken! * Der kaltanische Wächter kehrte zurück. Er hob die Hände bis an den Kopf. Es war eine Geste, die seine Hilflosigkeit ausdrücken sollte. Aufmerksam lauschte Ga-Venga den Worten des Mannes. Es war wirklich erstaunlich, mit welch phantastischer Geschwindigkeit sich der Kynother die Sprache der Kaltaner aneignete, wobei er den elektronischen Dolmetscher als sprechendes Wörterbuch benutzte. „Ich habe einen Antrag gestellt", übersetzte Ga-Venga die zögernden Worte. Der Kynother ließ sich von Percip, dem Lithalonier, hochheben, so daß er durch das Gitterfenster zu dem Wächter hinaussehen konnte. „Die Neuen Herren lehnten ihn ab. Sie weigern sich, mit euch zu sprechen. Es tut mir leid!" Die dunklen Augen des zierlichen Mannes hingen voller Mitgefühl an den Augen des Kynothers. Rasch trat der Kaltaner bis dicht an die Tür heran. Die
Offiziere, die vor dem Portal des Hauptgebäudes standen, brüllten ihn mit scharfen Befehlen zurück. Doch der Wächter hatte noch Zeit genug, GaVenga eine Botschaft zuzuraunen. „Die Neuen Herren wollen euch an die Laktonen ausliefern!" flüsterte er, bevor er hastig zurücktrat. John Haick drehte sich um und ging zu Rex Corda hinüber. Corda lehnte an der schroffen Wand und rauchte eine Zigarette. Er strahlte gelassene Ruhe aus. „Rex — die ,Veränderten' wollen uns an die Laktonen ausliefern!" „Das habe ich befürchtet", nickte Corda. „Komm!" Zusammen mit John Haick ging er zu Fan Kar Kont, dem laktonischen Chefwissenschaftler, hinüber. Der Mann mit dem Streifengesicht hantierte an einem Raumanzug, den einer der Besatzungsmitglieder abgelegt hatte. „Schaffen Sie es, Fan Kar Kont?" fragte Corda. „Es wird gehen!" „Moment!" warf John Haick ein. „Ich habe keine Ahnung, was hier vorgeht! Warum habt ihr mir nichts gesagt?" Rex Corda lächelte. Er legte dem Freund die Hand beruhigend auf die Schulter. „Der Gedanke kam uns gerade eben erst, als der Kaltaner mit der Nachricht kam. Fan Kar Kont wird versuchen, aus den verschiedenen Spezialausrüstungen der Raumanzüge einen Cracker zu konstruieren!" „Einen Cracker? Was willst du damit?" fragte Haick überrascht. „Willst du mit diesem Ultraschallgerät etwa durch die Wände gehen?" Corda grinste. „Du hast es erraten!" sagte er. * Mok Osgo hetzte zu seinem Gleiter. Er sprang hinein und startete sofort. Die
Gravitationsmechanismen heulten laut auf. Steil schoß das Fahrzeug in den Himmel hinauf. Da erst merkte Mok Osgo, daß jemand während seiner Abwesenheit an dem Holografen hantiert hatte. Erschreckt hämmerte er auf die Tasten, mit denen das Gerät eingeschaltet wurde. Umsonst. Der Holograf sprach nicht an. Mok Osgo löste die Verschalung des Gerätes hastig. Jetzt erkannte er, daß jemand versucht hatte, das Gerät zu stehlen, während er mit den Kaltanern verhandelte. Wichtige Verbindungen waren zerrissen. Er versuchte, den Schaden in aller Eile zu beheben. Er preßte die Verschlüsse wieder zusammen. Das Bild flackerte zögernd auf. Doch dann erlosch es sofort wieder. Mok Osgo jagte seinen Gleiter steil in die Höhe. Er mußte die Nachricht auf jeden Fall weitergeben! Sie mußte nach Lakton übermittelt werden! Wieder und wieder versuchte er, den Holografen zu reparieren, doch jedesmal vergeblich. Mit einem herzhaften Fluch beendete er seine Bemühungen. Es hatte keinen Zweck. Mok Osgo konnte die Nachricht nicht durchgeben. Er mußte mit dem Gleiter nach Ral fliegen. Er riß das Fahrzeug herum und jagte es aufs Meer hinaus. Der Kurs auf die Station lag genau an. Mok Osgo schaltete auf Autopiloten um, rastete seinen Sitz als Liege ein und lehnte sich zurück, um zu entspannen. Und jetzt dachte er zum erstenmal daran, was die laktonischen Militärbehörden wohl mit seinem Bruder machen würden, wenn sie ihn hier verhafteten. Ruckartig richtete Mok Osgo sich auf. Durfte er seinen Bruder verraten, bevor er erfahren hatte, weshalb er von Teckan entflohen war? Konnte Bir Osgo nicht überzeugende Gründe gehabt haben?
* Rex Corda staunte, mit welcher Geschwindigkeit die laktonischen Wissenschaftler einen primitiven, aber durchaus wirksamen Cracker zusammenbastelten. Die Einzelteile dazu hatten sie aus drei Raumanzügen ausgebaut. Am schwierigsten erwies es sich, einen ausreichenden Magnetostriktionseffekt zu erzielen, um aus dem Ultraschallgerät eine wirksame Waffe zu machen. Draußen war es dämmerig geworden. Auf dem Innenhof wimmelte es noch von Soldaten. Aber jetzt lichtete sich die Schar mehr und mehr. Nur noch wenige Wächter blieben im Innenhof. Wie ein Fels stand der laktonische Kampfroboter vor dem Raum, in dem die Waffen der Terraner aufbewahrt wurden. Percip, der laktonische Spitzenagent, nahm das von Fan Kar Kont konstruierte Gerät auf. Zusammen mit Rex Corda und John Haick ging er bis in den hintersten Winkel des großen Gewölbes, in dem die 243 Mann starke Besatzung der „Walter Beckett" gefangengehalten wurde. Hier hinten herrschte tiefste Dunkelheit. Das Wasser tropfte von den Wänden. Percip lehnte sich gegen die Wand und horchte. Weiter vorn in dem Gewölbe unterhielten sich die Männer der „Walter Beckett", damit die Wachen nicht aufmerksam wurden. Percip nickte Corda zu. Er drückte das primitive Gerät an die Wand und schaltete es ein. Der Cracker jaulte kurz auf, dann verloren sich die Töne im Ultraschallbereich. Die Wand vor Percip wurde grau. Nasser Mörtel bröckelte heraus. Rasend schnell bildete sich ein tiefes Loch in der Wand. Percip ließ den Cracker kreisen, bis das Loch so groß war, daß ein erwachsener Mann hindurchkriechen konnte. Dann erst beseitigte er die
letzte, dünne Schicht, die sie von dem Nebenraum trennte. Corda sah vorsichtig hindurch. Der Raum war leer. Verschmutztes Gerumpel lag auf dem Boden. Corda schob sich durch die Öffnung und half John Haick und Percip mit hinaus. Durch ein winziges Fenster fiel spärliches Licht herein. Corda stieg eine feuchte Treppe hinauf, bis zu einer Holztür. Er horchte. Alles war still. Percip und John Haick kamen zu ihm herauf. „Alles klar?" wisperte eine Stimme. Corda sah zurück. Bekoval streckte seinen massigen Kopf durch die Öffnung in der Wand. Er schien sich recht gut erholt zu haben. „Alles klar!" rief Corda leise. Bekoval ächzte und schob sich durch das Loch. Lautlos eilte er zu ihnen hinauf. Corda drückte gegen die Tür. Sie war unverschlossen. Sie gab seinem Druck nach. Bekoval griff mit zu. Er hob sie etwas an, damit sie nicht zu laut in den Angeln quietschte. Dahinter lag eine steile Treppe. Corda stieg sie hinauf. Sie führte in einen großen Raum, der offensichtlich als Waffenkammer diente. An den Wänden lehnten Hunderte primitiver Schußwaffen in Holzregalen. Mehrere Kaltaner standen bei den Waffen und reinigten sie. Wie Schatten huschten die Männer durch den Raum. Die Kaltaner hatten keine Chance. Sie konnten nicht einmal einen Schrei ausstoßen. Blitzschnell wurden sie überwältigt. Corda merkte überrascht, daß sie nicht besonders kräftig waren. Die ausgemergelten Gestalten setzten ihm kaum Gegenwehr entgegen. Sie taten ihm leid, und er betäubte sie so vorsichtig, wie es die Situation gerade zuließ. Percip und John Haick fesselten die Männer mit Plastikriemen, die sie in großen Mengen vorfanden. Das Material war erstaunlich fest bei großer Ela-
stizität. Plötzlich richtete Rex Corda sich auf. Seine Augen wurden blicklos. Er schien in sich hineinzuhorchen. Rex Corda hörte die panischen Gedanken von Wabash, dem telepathischen Delphin! * Wabash sah den großen kirschroten Raubfisch erst in allerletzter Sekunde. Mit einem wilden Schwung schnellte er sich nach vorn. Die messerscharfen Zähne des roten Riesen zuckten dicht unter seinem Kopf vorbei. Tiefblaue Flossen streiften ihn. Unwillkürlich suchte er nach einem Spalt in den wildwuchernden Korallen, in den er flüchten konnte. Doch da merkte er, daß er gar nicht das Angriffsziel des roten Raubfisches war, der so aussah wie ein terranischer Hai! Ein abgezehrter, zierlicher Mann klammerte sich in panischer Angst an die Korallen. Der Körper des Mannes war mit einem dünnen Fell bedeckt. Das Gesicht, das wie blaugefroren aussah, war jedoch haarlos. Die großen gepeinigten Augen hoben sich scharf von dem asketischen Gesicht ab. Blitzschnell schwang sich der Taucher in eine Korallenlücke. Doch der rote Räuber verharrte direkt vor der Lücke. Ein schäumender Strahl brandete aus seinem riesigen Maul. Der Mann taumelte aus seinem Versteck. Ein Messer blitzte in seiner Hand auf. Es stieß nach dem roten Raubfisch, doch dieser brachte sich mit einem einzigen Flossenschlag in Sicherheit. Der Taucher hielt seine linke Schulter mit der rechten Hand. Sein verzerrtes Gesicht zeigte an, daß er große Schmerzen litt. Mit raschen Schwimmbewegungen suchte er die Oberfläche des Meeres zu gewinnen. Wabash entdeckte dort jetzt den Kiel eines kleinen Bootes.
Da jagte der Raubfisch wieder heran. Er war fast so groß wie Wabash, größer als der hagere Taucher, der sich zu retten suchte. Wabash warf sich herum. Wie ein weißer Blitz flog er durchs Wasser. Das riesige Maul mit den scharfen Zähnen öffnete sich vor dem Leib des Tauchers. Doch in diesem Augenblick knallte dem Roten die Schnauze des Delphins in die Kiemen. Der telepathische Delphin vernahm den wilden Schrei des Schmerzes, der durch den roten Leib tobte. Der Räuber verschwand blitzschnell in der Tiefe. Wabash sah, daß sich der mutige Taucher in das Boot schwang. Der Delphin glitt in weicher Bewegung herum und verschwand zwischen den Korallen. Er hatte Zeit verloren. Er versuchte, sie jetzt wieder aufzuholen, indem er so schnell schwamm, wie er nur konnte. Kein einheimischer Räuber hätte ihn jetzt noch verfolgen können. Dann hatte Wabash die Küste erreicht. Jetzt begann er intensiver nach Rex Corda zu suchen. Er konzentrierte sich und schickte einen rufenden Impuls hinaus. Er mußte den Ruf mehrmals wiederholen, bis er Antwort bekam. Rex Corda erteilte ihm einen überraschenden Rat, dem der Delphin zögernd folgte. Er tauchte jetzt mehrmals in kurzen Abständen auf, um seine Lungen voll Luft zu pumpen. Dann wagte er sich in den tintenschwarzen Schlund, der sich vor ihm öffnete. Mit schrillen Schreien orientierte er sich. Das zurückkehrende Echo zeigte ihm die Hindernisse an. Wabash erhielt ein deutliches Bild des Kanals, der sich unterirdisch tief in das Land hineinzog. Dennoch fühlte er sich nicht wohl. Überall ragten messerscharfe Korallen in seinen Weg hinein. Dann plötzlich öffnete sich der Schlund über ihm. Wabash tauchte auf und atmete tief durch. Vorsichtig schob
er den Kopf über die Wasseroberfläche hinaus. Er befand sich mitten in einem ärmlichen Park, in dem zahlreiche Kinder spielten. Die Kinder sahen verhungert und verfroren aus. Und sie spielten ohne großen Lärm. Wabash fing ihre Gedanken ein. Es waren nicht die Gedanken fröhlicher Kinder. * „Wabash kommt!" sagte Rex Corda. John Haick lachte lautlos. „Dann ist dieses Land also tatsächlich restlos ausgewaschen und unterhöhlt?" fragte er. Percip lächelte. „Fan Kar Kont sagte, das Land sieht aus wie ein erstarrter Schwamm", versetzte er. „Wabash kann mit ein bißchen Glück durch die unzähligen Kanäle und Kavernen bis zu uns vordringen!" „Und dann?" erkundigte sich John Haick. Er eilte bis zu der schweren Kunststofftür, die den Raum abschloß. Das Material war hart und schwer wie Stahl. „Vielleicht kann Wabash uns durch die Kanäle aus der Stadt schleppen. Wir müssen versuchen, den anderen Kontinent zu erreichen", erklärte Corda. „Nur so haben wir noch eine Chance!" John Haick nickte. Er drückte die Tür auf. Er sah auf einen schmalen Gang hinaus, der direkt neben den Fenstern um den Innenhof führte. Einen Teil der Biegung hatten sie schon geschafft. Das Ende des Ganges befand sich schräg über dem laktonischen Roboter. Kein Kaltaner war zu sehen. Aber hinter den zahlreichen Türen, die vom Gang abgingen, ertönten Männerstimmen. „Kommt!" rief Rex Corda. Er eilte den anderen voraus. Sie glitten fast lautlos über den Gang, von Tür zu Tür. Und sie hatten Glück. Sie erreichten das Ende des Ganges unbemerkt. Dann
standen sie vor einer einfachen Holztür. Corda lehnte sich dagegen und horchte. Vorsichtig hielten sie sich von den Fenstern fern. Direkt unter ihnen stand der wuchtige Roboter. Nur zu leicht konnte er sie entdecken. In den Händen trugen sie Schnellfeuerwaffen, die sie aus dem Arsenal entwendet hatten. Rex Corda war nicht gewillt, von diesen Waffen Gebrauch zu machen. Er wollte auf gar keinen Fall gegen die Kaltaner kämpfen. Er wollte die Waffen für den Notfall als Druckmittel haben. Er stieß die Tür auf. * Wabash glitt lautlos in die Tiefe zurück. Die Dunkelheit nahm ihn auf. Wieder stieß er leise Schreie aus, um sich zu orientieren. Er steigerte sein Tempo mehr und mehr. Jetzt wußte er, in welcher Richtung er zu suchen hatte. Immer wieder fing er parapsychische Impulse von Rex Corda auf, die ihm den Weg wiesen. Doch diesmal lockten sie ihn in eine Sackgasse! Wabash merkte, daß die Luft knapp wurde. Er drang dennoch etwas weiter vor. Doch dann verengte sich der korallenbesetzte Schlauch mehr und mehr. Er fand kaum noch Platz. Wabash erfaßte, daß er die Terraner auf diesem Wege nie hinausbringen konnte. Hastig kehrte er um. Schneller und schneller schoß er durch die scharfen Korallen, deren gefährlichen Spitzen er oft nur um Millimeter entging. Dann endlich wurde es hell über ihm. Er glitt nach oben und pumpte seine Lungen voll. Und wieder wagte er sich in das Labyrinth. Er fand einen anderen Tunnel, der ihn zunächst in südlicher Richtung von Corda fortführte. Dann machte er jedoch einen scharfen Knick. Als es hell wurde über Wabash, fühlte
der Delphin, daß Rex Corda ganz in seiner Nähe war. Vorsichtig tauchte er auf. Er schob sich ganz dicht unter dem Ufer entlang. Eine kleine Kante schützte ihn vor dem Roboter. Wabash konnte ihn nicht sehen, aber er wußte, daß er den Hof bewachte. Reglos verharrte der Delphin am Ufer des kleinen Sees. Er lauschte auf die Gedanken Rex Cordas. Die Sonne versank. Die großen Spiegel spendeten jedoch noch so viel Licht, daß es dämmerig blieb. * Corda blieb zögernd stehen, als er die pfeifenden Laute hörte. Im Raum hinter der Tür herrschte nur spärliches Licht. Er schob sich vorsichtig in den Raum und wartete, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Dann lächelte er. „Kommt!" flüsterte er. „Die Kaltaner schlafen!" John Haick glitt hinter ihm in den Raum. Er machte zwölf Männer aus, die auf niedrigen Betten schliefen. „Muß es hier sein?" fragte er. „Es geht nicht anders!" erklärte Rex Corda. Er winkte Percip. Der Laktone brachte den Cracker. Er drückte ihn auf den Boden und schaltete ihn sofort ein. Das leise Singen schien so laut wie das Schrillen der Sirenen an Bord der „Walter Beckett". Doch keiner der Kaltaner erwachte. In wenigen Minuten zerfiel das leichte Baumaterial der Kaltaner zu Staub. Im Boden öffnete sich ein Loch. Percip schob das Gerät zur Seite und steckte den Kopf durch die Öffnung. Er suchte den dämmerigen Raum unter sich mit seinen Blicken ab. Auf einfachen Gestellen lagerten die Waffen, die man ihnen abgenommen hatte. Percip ließ sich durch das Loch gleiten. Lautlos fiel er nach unten. Er landete auf den Beinen, huschte blitzschnell zu
den Waffen und nahm einen MASMagnet-Smash an sich. Diese unscheinbare Waffe mit dem nur bleistiftdicken Lauf war eine Spezialkonstruktion der laktonischen Techniker für den Kampf gegen Roboter. Der Agent schlich zur Ausgangstür und horchte. Kein Geräusch verriet, ob sie die Aufmerksamkeit des Roboters erregt hatten oder nicht. Hinter Percip fielen Rex Corda, John Haick und Beko-val auf den Boden. Sie landeten ebenso geräuschlos wie er. Auch sie versorgten sich mit Waffen. „Auf geht's!" grinste Bekoval. „Jetzt wird sich ein bißchen Krach nicht vermeiden lassen!" * Die Tür flog donnernd auf. Rasend schnell wirbelte der Kampfroboter herum. Seine Strahlwaffen blitzten auf — doch die Schüsse fielen nicht. Der Magnet-Smash in der Hand Percips feuerte ganze Serien winziger Nadeln gegen den Roboter. Sie schlugen prasselnd auf sein Panzerkleid und verursachten donnernde Explosionen im Inneren der Kampfmaschine. Rex Corda, John Haick und Bekoval stürzten durch die Tür nach draußen. Die Schockwaffen in ihren Händen belferten dumpf. Die harten Schockwellen überfluteten die Unterkünfte des Wachpersonals und der kaltanischen Gefangenen. Corda schockte jeden Kaltaner, der sich im Innenhof des Gefängnisses sehen ließ. Bekoval raste quer über den Platz. Er stürzte sich in den Trakt, in dem er die wichtigste Wache der ganzen Anlage wußte. Die Kunststofftür zersplitterte unter seinen Tritten. Der Laktone stürzte in den Raum. Aber er hatte nichts mehr zu tun. Die geschockten Kaltaner lagen reglos auf dem Boden. Die Schockwaf-
fe hatte einen kurzen harmlosen Zusammenbruch ihres Kreislaufsystems verursacht und sie kampfunfähig gemacht, Bekoval grinste. Keiner dieser Männer war jetzt noch in der Lage, einen Alarm auszulösen. Bekoval fuhr herum und eilte auf den Hof zurück. Die Männer der „Walter Beckett" hatten ihr Gefängnis bereits verlassen. Sie versorgten sich aus dem Arsenal mit ihren Waffen. Rex Corda kniete am Ufer des kleinen Sees. Bekoval entdeckte jetzt erst den weißen Delphin, der seinen Kopf aus dem "Wasser streckte. Es sah aus, als ob Wabash vergnügt lachte. John Haick schleppte eine lange Leine herbei. Sie schlangen Knoten im Abstand von jeweils zwei Metern hinein. „Was haben Sie vor, Sir?" fragte Bekoval befremdet. „Wir werden diesen freundlichen Ort durch die Kanäle verlassen. Wabash wird uns den Weg zeigen. Es ist nicht sehr weit bis zum nächsten See. Bis dort kommen wir leicht", antwortete Rex Corda. „Sir — mit unseren Waffen können wir uns leicht einen Weg zur Küste bahnen!" protestierte Bekoval. „Damit wäre nichts gewonnen. Wir müssen in aller Stille verschwinden", erklärte Corda. „Wenn die Laktonen die Verfolgung aufnehmen, muß es bereits zu spät sein." Bekoval krauste die Stirn und überdachte den Plan Cordas. Er fand sehr schnell, daß es keine andere Möglichkeit für sie gab. Wenn sie sich jetzt einen Weg zur Küste erkämpften, dann erfuhren die Laktonen zu früh, wohin sie sich gewandt hatten. Wenn die Laktonen zusammen mit den „Veränderten" angriffen, dann war der Kampf verloren, bevor er wirklich begonnen hatte! Einige der Männer trugen noch
immer Raumanzüge. Jetzt schlossen sie den Helm und glitten ins Wasser. Bekoval sah, daß Wabash ein Ende der langen Plastikschnur zwischen die Zähne nahm. Der Delphin tauchte weg. Die Männer in den Raumanzügen griffen nach dem Seil. Sie versanken im dunklen Wasser. Gebannt verfolgte Bekoval, wie das Seil mehr und mehr im See verschwand. Es dauerte mindestens drei Minuten, bis das Seil endlich still lag. Dann zuckte es dreimal. „Sie haben es geschafft!" sagte Corda. „Jetzt die nächsten! Ziehen Sie sich am Seil entlang! Dann kann überhaupt nichts geschehen!" Jetzt ging alles blitzschnell. Immer wieder tauchte der Delphin im See auf. Er half, wenn es einem der Männer nicht gelang, sich schnell genug am Seil entlangzuziehen. Bekoval und Percip machten ständig Sicherungspatrouillen durch das Gefängnis. Alles war ruhig. Die Kaltaner lagen in tiefer Bewußtlosigkeit. Die beiden Laktonen stiegen bis auf den Turm hinauf, von dem aus sie die Stadt übersehen konnten. Der große Spiegel in der Kreisbahn über Planka leuchtete die Straßen gut aus, aber die Stadt ruhte. Es war Nacht auf Planka! * Als die beiden kampferprobten Laktonen zu dem kleinen See zurückkehrten, standen nur noch zwanzig Männer dort. Rex Corda sprach heftig auf Ga-Venga ein. „Was ist los?" fragte Bekoval. Er schob die Männer zur Seite und stellte sich neben Corda. Ga-Venga, der zwergenhafte Kynother, senkte den Kopf und scharrte verlegen mit den Füßen. Bekoval sah, daß mehrere Terraner ins
Wasser glitten, tief Luft holten und versanken. „Wir haben keinen Raumanzug mehr", erklärte Corda. „Ga-Venga sagt, er könne unmöglich so weit tauchen wie notwendig. Er sei einfach nicht in der Lage, sich für mehrere Minuten ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen." „Das stimmt!" sagte Percip, bevor Bekoval aufbrausen konnte. „Kynother haben eine außerordentlich geringe Vitalkapazität. Sie atmen nur verhältnismäßig wenig Luft ein und aus. Dennoch — Ga-Venga muß es versuchen!" Rex Corda ging zum See und kniete sich nieder. Neben ihm tauchten wieder zwei Männer unter. Wabash schob seinen breiten Kopf aus dem Wasser. Er stieß mehrere schrille Pfiffe aus, mit denen er anzeigen wollte, daß ihm die Aktion Spaß machte. Corda konzentrierte sich auf die Hirnschwingungen des Delphins und stellte sich auf sie ein. Dann gelang es ungemein schnell, Wabash zu informieren. Der Delphin antwortete blitzschnell. „Wabash wird dich besonders schnell durch die Kanäle befördern, Ga-Venga", sagte Corda. „Es dauert kaum mehr als eine Minute! So lange mußt du es aushalten!" „Gut!" seufzte der Kynother. „Wenn das Genie dann sterben muß, dann muß es sein!" Er versteifte seinen Nacken und schritt in stolzer Haltung zum Wasser. Corda, der als Emphat die Emotionalsphäre des Kynothers erfaßte, erfuhr als einziger, daß Ga-Venga glaubte, in den sicheren Tod zu laufen! Er wollte ihn noch zurückhalten, doch da glitt GaVenga schon ins Wasser. Er atmete tief durch. Der weiße Delphin glitt an ihm vorbei. Der Kynother griff nach der Rückenflosse und krallte sich so fest in die empfindliche Haut des Delphins,
daß Wabash einen leisen Klagelaut ausstieß. Wabashs telepathische Sinne hefteten sich an die Gedanken Ga-Vengas. Gleichzeitig merkte er, daß Corda ihn zurückhalten wollte. Blitzschnell tauchte er weg, als Ga-Venga genügend Luft in seine kleinen Lungen gepumpt hatte. Der Kynother klammerte sich an den Delphin. Schon in den ersten Sekunden merkte er, wie ihm der Atem knapp wurde. Kynother atmeten schnell und flach. Sie konnten sich nicht für lange Zeit mit ausreichend Sauerstoff versorgen. Wabash bemerkte die Atemnot des kleinen Dolmetschers sofort. Er beschleunigte immer mehr. Rasend schnell schoß er durch die absolute Dunkelheit in den Kavernen. Die rasiermesserscharfen Korallen rissen Ga-Venga die Beine auf. Der Kynother stieß einen Schwall verbrauchter Luft aus. Im nächsten Augenblick schwanden ihm die Sinne. Er fühlte noch das salzige Wasser über seine Lippen schießen. Kraftlos glitten seine Hände von der Rückenfinne des Delphins ab. * John Haick war einer der ersten gewesen, der sich an dem Seil entlang in die Freiheit zog. Als der Physiker John Haick sah, daß es keine Schwierigkeiten geben würde, wählte er einige Männer aus und führte sie durch den Park in Richtung auf das Meer. Das Rauschen der Wellen verriet ihm, daß die Küste nicht weit entferni sein konnte. Sie ließen die Raumanzüge zurück, damit in Notfällen eine Sauerstoff beatmung durchgeführt werden konnte, wenn einer der Männer den Weg durch das Wasser nicht schaffte. Sie trugen ihre leichten Uniformen, die sie als Angehörige der terranischen Raumstreitkräfte auswiesen. An den
Hüften lagen die schweren Strahl- und Schockwaffen. John Haick führte die Männer bis an die flachen Häuser heran. Ein enger Weg lief zwischen den Häusern hindurch zu einer Gasse. Lautlos bewegte sich der Spähtrupp hindurch. John Haick blieb an der Ecke eines Hauses stehen und sah in die Gasse hinein. Weiter oben, kaum hundert Meter entfernt, standen mehrere Kaltaner und unterhielten sich leise. Ein Fahrzeug, das an die ersten Automobile Terras erinnerte, rollte krachend und donnernd durch eine Querstraße. „Kommt!" rief Haick leise. Sie eilten über die Gasse hinweg, übersprangen einen niedrigen Zaun und durchquerten eine Art Garten, in dem es stark nach den Speisen roch, die man ihnen im Gefängnis angeboten hatte, die sie jedoch nicht berührt hatten. Einer der Offiziere tippte John Haick an. „Dort! Sehen Sie!" flüsterte er. Haicks Blicke folgten dem hinweisenden Arm des Offiziers. Jetzt sah er die dünnen Schornsteine auch, die schwankend über den flachen Schuppen standen. „Dort ist der Hafen!" sagte der Offizier. Sie tasteten sich vorsichtig bis an die Schuppen heran und schoben sich um ihn herum. Vor ihnen lag eine weite Bucht. Eine niedrige Felskette ragte bis weit in das offene Meer hinaus und hielt die schwere Dünung vom Hafen ab. Da wurden hinter ihnen scharfe Rufe laut. Sie starrten direkt in die Mündungen der Gewehre, die die Hafenwache auf sie richtete. Es waren mindestens zehn Kaltaner, die ihnen gegenüberstanden. John Haick preßte die Hände zusammen Er hoffte, daß die Kaltaner keinen Warnschuß abgeben würden. Das mußte die ganze Gegend rebellisch machen.
* „Sie gehen auf gar keinen Fall als letzter, Sir", sagte Percip bestimmt. „Das kann ich nicht zulassen!" Rex Corda zögerte kurz, dann gab er nach. Er glitt ins Wasser, pumpte die Lungen voll Luft und zog sich kraftvoll am Seil entlang. Er kümmerte sich nicht darum, daß seine Beine gegen die scharfen Korallen schlugen. Er hielt die Augen geschlossen, weil es doch zu dunkel war, um etwas erkennen zu können. Blitzschnell zog er sich von Knoten zu Knoten. Dennoch wurde die Luft bald knapp. Corda dachte an den Kynother. Allmählich zweifelte er daran, daß GaVenga es geschafft hatte. Er schluckte mehrmals, um den harten Druck auf seine Ohren zu lindern, und stieß etwas Luft aus. Das erleichterte ungemein. Er öffnete die Augen und sah nach vorn. Der erste helle Schimmer tauchte auf. Es war geschafft. Er schnellte aus dem Wasser und rang heftig nach Luft. - „Wo ist GaVenga?" keuchte er. Bekoval grinste breit. Er deutete auf eine kleine Gestalt, die am Ufer lag. „Wabash nahm den Kleinen zwischen die Zähne und schleppte ihn heraus!" sagte er. „Natürlich hat GaVenga den Mund mal wieder zu voll genommen und eine gehörige Portion Wasser geschluckt!" Corda fühlte den Delphin neben sich, der sanft an ihm vorüberstrich. Er drückte ihm die Hand auf den Kopf und dankte ihm mit einem freundlichen Impuls. Er stieg aus dem Wasser. Ga-Venga lag auf dem Rücken. Ein Offizier kniete neben ihm und drückte ihm das Sauerstoffgerät eines Raumanzuges an den Mund. Der Kynother atmete tief und kräftig durch. Seine sonst so vollen Wangen waren seltsam einge-
fallen. Die auffällig große Nase war weiß geworden. Doch jetzt drückte Ga-Venga das Sauerstoffgerät zur Seite. Er sah Corda an und grinste mühsam. „Sie sehen erschöpft aus, Sir!" sagte er. „Ist Ihnen das Tauchen nicht bekommen?" Er ließ den Kopf fallen und verlor das Bewußtsein. Bekoval nahm ihn grinsend auf die Arme. Corda wandte sich an den Delphin, der im See wartete. Drei Männer standen am Ufer und zogen die Leine durch den Kanal. So war Percip der Mann, der am schnellsten durch das Wasser kam. Dafür wurde niemand von den scharfen Korallen so zerschunden wie er. Rex Corda schickte den Delphin zum offenen Meer zurück. Er wies ihn an, zu Kim zum Diskus zu schwimmen. Dann machte der Trupp sich auf, John Haick zu folgen. * John Haick wußte, daß es um alles ging. Deshalb setzte er auch alles auf eine Karte! Gedankenschnell ließ er sich fallen. Keiner von den anderen konnte verfolgen, wie schnell der Physiker den Schocker zog. Sie sahen die Waffe nur plötzlich in seiner Hand und hörten, wie er schoß. Die Kaltaner reagierten zu spät, In dem dämmerigen Licht mochte ihnen die schnelle Bewegung John Haicks entgangen sein. Als die ersten unter ihnen bewußtlos zusammenbrachen, war es für die anderen zu spät. John Haick winkte dem Trupp, ihm zu folgen. Geduckt hetzte er zu den Schiffen hinüber. Er suchte nicht lange nach einer Wache, er bestrich das Schiff mit einer Serie von Schockwellen. Dann sprang er hinüber und schwang sich
über die niedrige Reling. Die anderen folgten ihm. Ein kleinerer Trupp stürmte das benachbarte Schiff. Jedes dieser Schiffe hatte eine Größe von etwa zweitausend BRT. John Haick eilte zur Brücke. Sehr schnell merkte er, daß der Aufbau des Schiffes weitgehend denen der Erde glich. Es gab nur sehr geringfügige Unterschiede. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis ein Offizier zu John Haick kam und ihm berichtete, daß mehrere bewußtlose Kaltaner von Bord gebracht, worden waren. „Sir — wollen Sie wirklich mit diesem Schiff über das Meer fahren?" fragte er dann unruhig. John Haick lächelte dünn. „Was bleibt uns anderes übrig?" * Mit angeschlagenen Schockwaffen standen die Offiziere der „Walter Bekkett" an der Reling der beiden Schiffe und beobachteten den Hafen. Langsam tuckerten die Schiffe aus der Bucht heraus. Ga-Venga hockte hinter den Funkgeräten und ging die Frequenzen durch. Jeden Augenblick konnte der Anruf der Hafenbehörden kommen. Ga-Venga stieß einen tiefen Seufzer aus, als das Gerät vor ihm plötzlich aufbrüllte. Eine wütende Stimme schrie aus dem Lautsprecher. Der Kynother hatte die Sprache der Kaltaner bereits so weit erfaßt, daß er den Sinn der Worte verstand. Die Hafenbehörden empörten sich darüber, daß die beiden Schiffe ohne jede Genehmigung ausliefen. Die Bürokratie forderte ihr Recht! Der Hafenkapitän zählte mehr als zwei Dutzend Anträge und Genehmigungen auf, die sie nicht eingeholt hatten. Gelassen peilte Ga-Venga den Sender an. Mit trockenen Worten wies er die Offiziere ein. Als er sicher war, daß er den Sender ausgemacht hatte, stimmte
er einen fast fröhlichen Gesang an. Rex Corda horchte auf. Den für den Kynother so typischen Singsang hatte er lange nicht mehr gehört. Daß Ga-Venga jetzt wieder etwas von sich hören ließ, war ein gutes Zeichen. Die Offiziere feuerten ihre Schockwaffen ab. Percip hatte behauptet, daß die Schockwaffen trotz ihrer geringen Reichweite die Hafenbehörden außer Gefecht setzen konnten, wenn mehrere gleichzeitig auf das Ziel abgeschossen wurden. Jeder einzelne Schocker erzielte auf diese Entfernung nur eine geringe Wirkung. Der Effekt mehrerer Waffen kumulierte sich jedoch, so daß der einzige Gegner, der ihnen jetzt noch Schwierigkeiten machen konnte, mit ein bißchen Glück ausgeschaltet werden konnte. Ga-Venga grinste vergnügt, als das Geschrei im Lautsprecher zu einem unzusammenhängenden Lallen wurde, das nach wenigen Augenblicken ganz verstummte. Ungehindert tuckerten die beiden Schiffe auf das offene Meer hinaus. * Mok Osgo krampfte seine Hände hart um die Steuerung der Satellitenoptik. Auf dem mannshohen Holografen vor ihm waren die beiden Schiffe deutlich zu erkennen, die mit unerhörter Geschwindigkeit über das Meer zogen. Mok Osgo erkannte einen winzigen Punkt vor den beiden Schiffen. Er verstellte die Steuerung um eine kleine Nuance. Die Schiffe sprangen scharf auf ihn zu. Jetzt konnte er den Diskus deutlich erkennen, der die beiden Schiffe zog. Ihm wurde übel. Er preßte die Hände auf den Leib. Klebriger Schweiß bedeckte seine eckige Stirn. Wenn Perla Betan, der militärische Kommandant und unmittelbare Vorge-
setzte Mok Osgos, jetzt noch einen seiner gefürchteten Rundgänge machte, dann war es um Osgo geschehen. Die Drohung des Kommandanten klang Mok Osgo noch deutlich genug in den Ohren. Osgo hatte lediglich gemeldet, daß die „Veränderten" das terranische Raumschiff „Walter Beckett" gekapert hatten und daß sie die Besatzung auf Planka gefangengesetzt hatten. „Es müssen Laktonen an Bord sein, Osgo!" hatte Perla Betan auffahrend gesagt. Mok Osgo lächelte verzerrt, als er daran dachte, mit welch fadenscheinigen Ausreden er sich aus der Affäre gezogen hatte. Er hatte behauptet, die Plankaner hätten ihm jede Auskunft über die Gefangenen verweigert, so daß er nicht erfahren konnte, ob Laktonen unter den Gefangenen waren oder nicht. Perla Betan hatte nur höhnisch gelacht und ihm Unfähigkeit vorgeworfen. „Sie haben diese verdammten Kaltaner nicht im Griff, Osgo!" Mok Osgo lächelte bitter. Ein militärischer Befehl zwang ihn an diesen Ort und zu seinem Verhalten. Er hatte alles getan, um die üblen Ausbeutungsmethoden seines Kommandanten zu mildern. Wenn das bedeutete, die Kaltaner nicht im Griff zu haben, dann hatte Perla Betan recht. Mok Osgo konnte und wollte seinen Bruder nicht ausliefern. Jetzt aber hatten die Ereignisse eine Wendung genommen, die er nicht mehr decken konnte. Die Gefangenen waren geflohen. Vor wenigen Augenblicken hatte sich John Kuttner, der neue Herrscher über Planka, in einer von Störungen überlagerten Sendung gemeldet. Seine Stimme schrillte Mok Osgo noch immer in den Ohren. Kuttner hatte verlangt, daß sie die Flüchtenden aufspüren und mit den Sonnenspiegeln vernichten sollten.
Mok Osgo hatte abermals schwerwiegend gegen die Bestimmungen der Raumstreitkräfte verstoßen. Er hatte die auf Magnetdraht gespeicherte Sendung John Kuttners gelöscht! Mok Osgo wollte seinen Bruder nicht ans Messer liefern! Er mußte vorher mit ihm sprechen. Er schaltete auf Satellitenoptik zurück, so daß die Schiffe kaum noch zu erkennen waren. Er atmete auf, als sich dünne Wolkenstreifen am Himmel zeigten. Die Wolken behinderten zwar nicht entscheidend, aber sie erforderten eine Umschaltung auf eine andere Spezialoptik. Mok Osgo schaltete das Gerät aus. Mochte sein Nachfolger auf die Spezialoptik umschalten, wenn er glaubte, einen Grund dazu zu haben. Osgo verließ den Raum. Er trat in die kühle Morgenluft hinaus und atmete tief durch. Er wollte den schmalen Weg gehen, der zu der Quelle hinaufführte, als er die beiden Handelskapitäne sah. Sie kamen vom Gleiterplatz herüber. Mok Osgo lehnte sich an die kühle Wand. Die beiden Laktonen gingen nur wenige Meter an ihm vorbei. Dichte Blumenbüsche trennten sie jedoch von ihm. Sie sahen ihn nicht, sonst hätten sie wohl nicht so offen gesprochen. Malon, der Kommandant des Handelsbüros, lachte dröhnend. „Ich erwischte sie zwischen den roten Klippenbänken", sagte er mit dem Ton satter Zufriedenheit in der Stimme. „Sie waren verdammt überrascht, als sie mich entdeckten! Sie dachten wohl, ich wollte ihnen doch noch Waffen übergeben." Der andere lachte glucksend. „Ich habe den lächerlichen Kahn mit einem einzigen Schuß versenkt!" fuhr Malon fort. „Ein Bombengeschäft, Malon! Eine ganze Ladung Perke!" lachte der andere. „Aber paß auf, daß Osgo nichts da-
von erfährt! Der Narr könnte vielleicht doch mal Schwierigkeiten machen!" „Ich pfeife auf ihn!" Die Stimmen wurden leiser. Mok Osgo konnte nichts mehr verstehen. Kreidebleich lehnte er an der Wand. Er brauchte nichts mehr zu hören, er wußte auch so Bescheid. Während er Malon bei den „Veränderten" wähnte, war er zurückgekehrt. Die Rimaner waren mit einer Schiffsladung Perke gekommen. Malon hatte sie ihnen abgenommen und sie weggeschickt, ohne die Perke zu bezahlen. Dann war er ihnen nachgeflogen und hatte ihr Schiff versenkt. Das genügte. Die Meere Kaltas waren mit gefährlichen Raubfischen verseucht. Gerade deshalb war es so außerordentlich schwierig, Perke zu beschaffen. Der Perk war der gefährlichste Raubfisch auf Kalta. Nach den von ihm angelegten Nestern zu tauchen, war ein lebensgefährliches Unternehmen. Die Rimaner und die Plankaner setzten ihr Leben nur deshalb ein, weil die laktonische Station ihnen die Perke für Waffen abkaufte. Das Handelsbüro der Laktonen hetzte die Rimaner gegen die Plankaner geschickt auf. Die beiden Völker standen sich mit tödlichem Haß gegenüber. Ihr Hunger nach Waffen war enorm. Blindlings ließen sie sich ausbeuten. Mok Osgo spuckte auf den Boden, aber er wurde den bitteren Geschmack nicht los. In Augenblicken wie diesen haßte er die laktonischen Kolonialbehörden, die es fertigbrachten, eine Welt wie Kalta bis zur Erschöpfung auszubeuten, nur um einige maßlos verwöhnte Laktonen mit einer Leckerei wie Perke zu versorgen. Es würde nicht lange dauern, bis der Protest der Regierung von Rima kam. Das war dann wieder eine Gelegenheit für Malon, Planka die Schuld am Untergang des Schiffes in die Schuhe zu
schieben! * Das dumpfe Röhren der Hörner schreckte sie auf. Rex Corda stürzte auf die Brücke und sah nach vorn. Am Horizont zeigte sich ein hauchdünner Dunststreifen, der die Nähe des Kontinents ahnen ließ. Aber das war es nicht, was den Alarm ausgelöst hatte. Percip hatte die rasende Fahrt heruntergesetzt. Er zog den Diskus jetzt in einer weiten Kurve nach Norden. Rex Corda ließ sich das Fernglas geben, das die kaltanischen Seeleute benutzten. Sie hatten es auf der Brücke gefunden. Er entdeckte einen dunklen Punkt, der auf den Wellen tanzte. Percip beschleunigte wieder. Der Punkt vergrößerte sich rasch. Schon nach wenigen Minuten erkannte Rex Corda, daß ein winziges Boot vor ihnen auf den Wellen schwamm. Er konnte durch das Glas zwei Männer ausmachen, die in dem kleinen Boot kauerten. Es dauerte nicht mehr lange, bis sie heran waren. Jetzt erst sah Rex Corda die roten Riesenfische, die das Boot umkreisten. Sie sahen aus wie Haie, doch sie waren rot und hatten tiefblaue Flossen. Sie warfen den beiden Kaltanern Taue zu, die die Männer sich um den Leib schlangen. Jetzt konnten sie sie an Bord ziehen, ohne sie zu gefährden. Die beiden Kaltaner brachen restlos erschöpft zusammen. Sie starrten mit ängstlichen Augen auf die Männer, die aussahen wie Laktonen. „Ihr braucht keine Angst zu haben", sagte Ga-Venga und lächelte den Männern aufmunternd zu. „Wir bringen euch sicher nach Hause!" „Was ist das — zu Hause? Ist das die Station auf Ral?" fragte der Kaltaner, dessen Fell auf dem Kopf mehrere wei-
ße Kreise aufwies. In seiner Stimme klang tiefe Verachtung mit. Ga-Venga lächelte beruhigend. „Wir sind keine Laktonen", erklärte er. „Wir sind Terraner! Wir sind vor den Laktonen auf der Flucht!" Die Kaltaner entspannten sich sichtlich. Sie sahen sich an, und der Weißhaarige lachte leise. Doch dann gefror das Lachen plötzlich. Der Kaltaner richtete sich auf. In seinen Augen loderte verzehrender Haß. Rex Corda fing einen erschreckten Warnimpuls von Wabash auf. Der Delphin, der in dem Diskus mitflog, hatte auf Grund seiner telepathischen Begabung als einziger die Reaktion des Kaltaners verstanden. Doch seine Warnung kam zu spät. Rex Corda konnte nicht mehr eingreifen. Der Kaltaner schnellte mit einer unglaublich schnellen Bewegung auf die Füße. Geschmeidig sprang er durch die Reihen der Terraner. Ein langes gekrümmtes Messer blitzte in seiner Hand auf. Bir Osgo stieß einen gellenden Schrei aus, als der Dolch auf ihn herabzuckte! * „Wir sitzen in der Patsche. Ole!" knurrte John Kuttner ärgerlich. „Rex Corda hat uns 'reingelegt!" „Das verstehe ich nicht! Wieso? Weil er geflohen ist?" „Natürlich!" schnaubte Kuttner zornig. „Verstehst du denn nicht? Wir können die ,Walter Becketf nicht steuern. Jetzt können wir sie nicht einmal erreichen. Wir haben keinen Diskus mehr. Die Laktonen denken gar nicht daran, uns zu helfen." „Warum nicht?" staunte Ole Meifert. „Kommandant Malon hat sich doch große Mühe mit uns gegeben!" John Kuttner lachte wütend. „Große Mühe! Er hält uns hin!"
„Und — warum sollte er das tun?" Kuttner kam zu Ole Meifert hin. Er ballte die Fäuste und starrte Meifert eindringlich in die Augen, um ihn zu zwingen, seinen Worten genau zu folgen. „Ole, wir sind praktisch unbesiegbar! Verstehst du? Niemand kann uns besiegen!" keuchte er. „Was glaubst du, wie verrückt die Laktonen nach Kämpfern unserer Klasse sind? Sie wollen uns gegen die Orathonen hetzen!" „Dazu habe ich keine Lust!" fluchte Ole Meifert. Er sprang so heftig auf, daß der Som erschreckt von seinen Schultern flatterte. Der Schmetterling zog einen schwankenden Kreis im Raum und kehrte zögernd auf die Schulter des „Veränderten" zurück. ,,Wir müssen hier weg! Der Einfluß der Laktonen ist zu groß! Wir müssen eine Welt für uns haben — ohne Laktonen!" „Und wie willst du das schaffen?" „Wir müssen Rex Corda und seine Männer zurückholen! Wir müssen sie zwingen, ein raumfähiges Transportmittel für uns zu bauen, damit wir an die ,Walter Beckett' herankönnen!" „Silver ist doch noch auf der ,Walter Beckett!' Er kann uns holen!" erinnerte Meifert sich. Kuttner lachte abfällig. „Silver kann keinen Diskus steuern. Wir können die ,Walter Beckett' nicht lenken. Die Laktonen wollen uns nicht weglassen! Nur Rex Corda will das gleiche wie wir — weg von hier! Also müssen wir das ausnutzen!" Ole Meifert kniff die Augen zusammen. „Und wie willst du Rex Corda schnappen?" fragte er. „Ganz einfach, mein Freund!" zischte er. „Wirklich einfach! Wir werden Rima den Krieg erklären und angreifen!" Ole Meifert ließ sich langsam auf die Liege zurücksinken. Sprachlos sah er
John Kuttner an. „Seit Jahren hetzen die Laktonen die Plankaner gegen die Rimaner auf", versetzte Kuttner hastig. „Seit Jahren rüsten beide Völker für einen möglichen Krieg. Darüber vergessen sie alles. Lakton hat die Kaltaner voll Haß gepumpt. Die Kontinente werden vom Meer ausgewaschen. Sie brechen den Kaltanern unter den Füßen zusammen — aber sie kümmern sich nicht darum. Sie rüsten nur für den Krieg, weil Lakton dafür gesorgt hat, daß jeder vom anderen glaubt, er wolle ihn vernichten. Die Kaltaner warten nur darauf, daß es endlich losgeht! Ich werde den Befehl geben! Wir werden Krieg gegen Rima führen." Ole Meifert grinste kindisch. „Wir werden Rima zerschlagen!" lachte er. „Sie haben keine Chance!" „Komm!" rief Kuttner. „Die sogenannte Regierung ist versammelt! Ich werde sie über unser Vorhaben informieren." Eine halbe Stunde später erzitterte Planka unter den kriegslüsternen Jubelschreien der Plankaner. Laktons Saat ging zu einem Zeitpunkt auf, an dem die Laktonen alles gebrauchen konnten — nur keinen Krieg! * John Haick warf sich blindlings auf den Kaltaner. Seine hochzuckende Faust traf das Handgelenk des kleinen Mannes. Der Schlag lenkte das gefährliche Messer ab. Es fuhr Bir Osgo lediglich in die Armmuskeln. Der kleine Laktone brach aufstöhnend zusammen, während der Kaltaner John Haick mit unglaublicher Kraft zur Seite stieß und zu einem erneuten Dolchstoß gegen Bir Osgo ausholte. Doch jetzt packte Rex Corda das Handgelenk des Rimaners und riß es zur Seite. Der Dolch fiel klappernd auf
die Decksplanken. „Ihr elenden Betrüger!" keuchte der Kaltaner mit den weißen Flecken im Kopfhaar. Sein weißes Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse ohnmächtiger Wut. Ga-Venga übersetzte seine Worte fließend. John Haick half Bir Osgo auf die Beine. Der Organisationstechniker preßte seine Hand auf die heftig blutende Wunde. Seine Lippen zuckten und flatterten, doch sie gaben die Worte nicht preis, die Bir Osgo herausbringen wollte. „Weshalb hast du das getan?" fragte Rex Corda. Seine emphatischen Sinne beobachteten das Gefühlschaos in dem kleinen Kaltaner, der zierlich wie ein Knabe vor ihm stand. John Haick hielt ihm noch immer die Arme fest. Jetzt gab er den Kaltaner auf einen Wink Cordas frei. „Das weißt du genau!" zischte der Kaltaner. „Nichts weiß ich! Erkläre es mir!" Jetzt wurde der Weißhaarige unsicher. Verwirrt sah er auf Bir Osgo, und sogleich verzerrte sich sein Gesicht wieder. Der andere Rimaner stand ruhig und abwartend an der Reling. Corda bemerkte, daß Bekoval ihn bewachte. „Dieser Mann gehört zu jenen Teufeln auf Ral, die uns vernichten wollten!" rief der Weißhaarige. „Sie nahmen uns die Perke ab und jagten uns fort, ohne uns Waffen zu geben. Dann folgten sie uns mit ihren fliegenden Festungen und schossen unser Schiff in Brand. Sie wollten nicht, daß wir nach Rima zurückkehren, damit Hag Rithon nicht erfährt, was getrieben wird! Alle Männer, die mit uns waren, versanken im Wasser. Die Perks haben sie gefressen!" Er zeigte aufs Wasser hinaus. Erst jetzt fiel Rex Corda auf, daß zahlreiche große Fische um die Schiffe kreisten. Es waren die roten Riesen, die wie Haie aussahen. Ihre blauen Rückenflossen
ragten über die Wellen hinaus. Erschüttert vernahm Rex Corda den Bericht des Kaltaners. Der Mann wirkte erschöpft und zerschlagen. Er entspannte sich jetzt, nachdem er sich von der Seele geredet hatte, was er sagen mußte. Corda brauchte keine Fragen mehr zu stellen. Er hatte jetzt schon sehr viel über diese Welt und die Politik der Laktonen erfahren. Er konnte sich die Zusammenhänge zusammenreimen. Bir Osgo trat dicht vor den Rimaner hin. Seine Augen richteten sich starr auf den Mann. „Hast du mich schon einmal gesehen?" fragte er scharf. Wieder übersetzte Ga-Venga, der sich verblüffend schnell in die Sprache einfand. Hier erwies sich das wirkliche Genie des Kynothers. Der Weißhaarige musterte Bir Osgo haßerfüllt. „Du warst oft bei uns!" behauptete er. Die Lippen Bir Osgos zuckten unkontrolliert. „Du irrst!" sagte er. „Ich bin das erstemal hier auf dieser Welt!" Der Kaltaner sah Rex Corda verwirrt an. „Ich war ganz sicher", murmelte er. „Nur — da ist etwas anders! Vor seinen Augen . . ." Corda folgte dem Blick des Kaltaners aus Rima. Er wußte, daß Bir Osgo den lichtbrechenden Effekt verdichteter Luft benutzte, um seine Kurzsichtigkeit auszugleichen. Jetzt sah er, daß das Feld verdichteter Luft die Konturen seiner Augen leicht verzerrt erscheinen ließ. Bir Osgo ballte die Fäuste. Sie zuckten hoch. Die Hände krampften sich in seine Bluse. Der Laktone riß die Augen auf. Er taumelte. Seine bleichen Wangen zuckten. Rex Corda stützte ihn unwillkürlich, da er fürchtete, Bir Osgo werde unter dem Blutverlust zusammenbrechen. Doch der Organisationstechniker schob ihn zur Seite.
„Es ist mein Bruder!" keuchte er. „Mein Bruder Mok Osgo ist bei der Kolonialverwaltung! Es ist möglich, daß er hier ist!" Er tastete seine Taschen in fieberhafter Eile ab, fand endlich in einer Innentasche eine kleine braune Hülle, klappte sie auf und hielt dem Kaltaner eine holografische Aufnahme hin. Der Weißhaarige griff zögernd danach. Er verglich das Bild mit Bir Osgo. Langsam entspannten sich seine Züge. „Das bist du nicht", sagte er endlich. Er tippte auf das Bild. „Dies ist der Laktone von Ral, der zu den Mördern gehört!" Bir Osgo würgte. Er preßte die unverletzte Hand gegen die Kehle, riß sich los und eilte taumelnd davon. Er verschwand mit einem Laut in einer Luke, der die Männer der „Walter Beckett" erschauern ließ. Rex Corda erbleichte. Seine emphatischen Sinne hatten für einen Augenblick Kontakt mit Bir Osgo. Corda wußte, daß der Laktone dem totalen psychischen Zusammenbrüch nahe war. Ein unvorstellbarer Haß gegen seinen Bruder loderte in ihm. * Der Weißhaarige lächelte. Ga-Venga hatte ihm erzählt, mit wem er zusammengetroffen war. Der Kaltaner wußte jetzt, daß die Männer der „Walter Bekkett" ihm helfen wollten, und er glaubte es. Percip schleppte die beiden Schiffe jetzt mit mäßigem Tempo auf die Küste zu. Corda konnte das Land bereits erkennen. Der Kaltaner entwickelte eine fieberhafte Geschäftigkeit. Er eilte mit Corda auf die Brücke und öffnete hier einen kleinen Verschlag, den die Terraner bisher nicht entdeckt hatten. Darin stand ein kleiner einfacher Kurzwellensender. Der Weißhaarige, der sich Ri nannte,
ging außerordentlich geschickt mit dem Gerät um. „Die Laktonen haben die Antennen zuerst zerschossen", erzählte er dabei. „Sie wußten offensichtlich genau, was sie tun mußten, damit wir Rima nicht verständigen konnten." Ri wartete einen Augenblick. Das Gerät begann zu fiepen. Der Weißhaarige beugte sich tief darüber und lauschte mit ernstem Gesicht. Ab und zu sprach er einige Sätze. Dann richtete er sich zufrieden auf. „Man wird uns empfangen", sagte er. „Wer ist das — man?" fragte Ga-Venga. Ri lächelte stolz. „Das ist Hag Rithon, der Herr über Rima!" * Hag Rithon wohnte in einem Park von betäubender Schönheit. Er lag am Rande der großen, modern angelegten Stadt an der Küste, die die Männer der „Walter Beckett" mit schnellen Fahrzeugen in kurzer Zeit durchquert hatten. Als die beiden Schiffe die Küste erreichten, warteten die Automobile bereits auf sie. Es waren Vehikel, die auch aus den dreißiger Jahren der Terra-Zivilisation hätten kommen können. Sie wurden von einem erstaunlich rund laufenden Explosionsmotor getrieben, der mit Holzgas gespeist wurde, und liefen auf sechs Rädern. Die Räder trugen einen Mantel aus einem sehr elastischen Kunststoff material. Mehrere Fahrzeuge, die von uniformierten Rimanern gelenkt wurden, jagten dem Kordon mit heulenden Sirenen voran. Die Rimaner unterschieden sich kaum von den Plankanern. Ihre Felle waren vielleicht etwas dunkler, vielleicht auch etwas dichter, aber ihre Gesichter sahen genauso asketisch aus wie die der Bewohner von Planka, die Ge-
stalten waren genauso schmal und zierlich. Nur ihre Kleider waren farbenfroher und weniger streng. Hag Rithon empfing nur Rex Corda, John Haick und als Dolmetscher GaVenga. Neben ihm stand Ri, der Mann mit den weißen Flecken im Kopfhaar. „Es fällt mir schwer zu glauben, daß die Laktonen falsches Spiel mit uns treiben", sagte Hag Rithon. „Die wirklichen Teufel sind die Plankaner! Sie lassen nichts unversucht, um die gefährliche Spannung zu erhöhen. Sie wollen uns vernichten. Sie hetzen Lakton gegen uns auf!" Rex Corda hob die Augenbrauen auf die Stirn hinauf. „Das ist nicht Ihr Ernst, Hag Rithon!" versetzte er ruhig. „Sie wissen, daß Lakton an der Situation Ihrer Völker schuld ist!" Rithon beugte sich vor. Er stützte seine kleinen Hände auf die Knie. Lautlos traten Diener an die Terraner heran und reichten ihnen Getränke. Corda trank zögernd. Er war überrascht, wie sehr das Getränk erfrischte. „Wir haben Ihnen die Lage geschildert, Rithon. Meine Welt, Terra, schwebt in einer ähnlichen Gefahr wie Kalta! Auch auf Terra versuchen die Laktonen, Fuß zu fassen. Noch ist es ihnen nicht gelungen, aber ich weiß nicht, wie lange Terra noch unabhängig bleiben kann. Wir müssen zurück. Wir können nicht länger warten!" „Kehren Sie zurück! Wir halten Sie nicht!" erklärte Rithon kühl. „Ich kann nicht zulassen, daß Rima und Planka sich gegenseitig zerfleischen, damit die Laktonen ein Geschäft machen!" sagte Corda entschlossen. Er sprang auf, weil er das Gefühl hatte, daß jedes weitere Wort verloren war. „Dann versuchen Sie, Ihr Raumschiff zu erreichen, und helfen Sie uns im Kampf gegen Planka!" forderte Rithon. „Wenn Ihre Waffen so gut sind wie die
der laktonischen Raumschiffe, dann haben wir gewonnen!" „Ich werde nicht gegen Ihr Brudervolk kämpfen, Rithon! Begreifen Sie doch, daß Ihr wirklicher Feind nicht Planka ist, sondern Lakton!" „Weshalb hat Planka mir dann den Krieg erklärt?" fragte Rithon kalt. Corda erschrak. „Was haben Sie gesagt?" fragte er erregt. „Planka hat den Krieg erklärt?" „Es gibt eine Kabelverbindung mit Planka", sagte Rithon. „Sie stammt noch aus Zeiten, in denen es friedlich auf Kalta war. Als Sie mein Land erreichten, erhielt ich die Kriegserklärung! Wenn es so wäre, wie Sie behaupten, dann würde Planka uns nicht angreifen! Dieser Krieg widerspricht den Interessen Laktons! Die Laktonen wollen Perke, mehr nicht. Wenn es Krieg gibt, können wir nicht nach Perke tauchen. Also kann der Krieg nicht im Interesse Laktons sein!" Rex Corda biß sich auf die Lippen. Ri, der Rimaner, der dem Mordanschlag der Laktonen nur knapp entkommen war, schloß verbittert die Augen. GaVenga stieß einen leisen Pfiff aus. Ratlos sah er Rex Corda an. Aber auch der Präsident Terras wußte nicht mehr weiter. Wie hätte er Hag Rithon auch die Rolle der „Veränderten" auf Planka erklären sollen? * Malon, der Kapitän der Handelsstation auf Ral, bahnte sich energisch seinen Weg durch die Plankaner zu John Kuttner. „Kuttner, ich erteile Ihnen den Befehl Laktons, die ausgelaufene Flotte sofort wieder zurückzurufen!" brüllte der Offizier der laktonischen Handelsflotte. „Wollen Sie Kalta in einen Abgrund stürzen?" Kuttner lächelte kalt.
„Ich verstehe nicht, Malon! Was haben Sie gegen einen Krieg? Lakton hat die beiden Völker lange genug gegeneinander aufgehetzt. Wenn es jetzt Krieg gibt, muß das doch im Sinne Laktons sein!" Malon wurde kreidebleich. Er preßte die Lippen hart zusammen. Zornerfüllt starrte er den Mann an, der gelassen vor ihm stand und den Som auf seiner Schulter streichelte. „Na schön, Kuttner", sagte Malon mühsam beherrscht. „Dann haben wir keine andere Wahl!" Er drehte sich um und wollte gehen, doch Kuttner gab den Offizieren einen Wink. Sie packten den Kapitän und schleppten ihn zu Kuttner zurück. „Was haben Sie vor?" „Wenn ich nicht in zwei Stunden zurück bin. Kuttner, dann werden wir Ihre lächerliche Flotte mit unseren Sonnenkanonen verbrennen!" erklärte Malon. John Kuttner nickte gelassen. „Damit habe ich gerechnet! Führt ihn ab. Malon, Sie werden Ihr Leben in unseren Kerkern beschließen!" * Der kleine Diskus stand am Rande des Sees. Eine einfache Rutsche führte aus der Schleuse ins Wasser. Rex Corda fuhr das Schott auf. Der weiße Delphin schoß auf einem Wasserschwall aus der Schleuse und glitt in den See. Rex Corda ließ das Bassin im Diskus ganz auslauten, um mehr Platz zu gewinnen. Die sieben Männer, die sich gemeldet hatten, verloren keine Minute. Sie stiegen in den Diskus und fuhren die Schotten zu. Rex Corda ging am Ufer des Sees entlang zu den langgestreckten Gebäuden hin, in denen Hag Rithon die Männer der „Walter Beckett" unterge-
bracht hatte. Percip und Bekoval, die beiden Laktonen, die zu treuen Freunden Terras geworden waren, warteten auf ihn. „Sir — sollte es nicht besser sein, wenn Sie Wabash zur Küste schicken?" fragte Percip. „Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Laktonen den Diskus angreifen. Vielleicht kann der Delphin noch helfen, wenn . . .?" Rex Corda lächelte. Er fing den Impuls auf, der von dem intelligenten Delphin kam. Wabash war längst auf dem Wege zur Küste. Er glitt pfeilschnell durch die unterirdischen Kavernen und Kanäle, die bis zur nahen Küste führten. Corda wartete noch einige Minuten, bis Wabash sich abermals meldete. Er hatte die Küste erreicht. Vor ihm lag das von Perks verseuchte offene Meer. Rex Corda winkte zum Diskus hinüber. Aufbrüllend erwachten die starken Triebwerke. Glutende Flammenbündel schossen aus den Abstrahlschächten. Das Röhren erlosch langsam und wurde zu einem Singen. Der Diskus hob langsam ab. Er stieg bis auf Baumhöhe sanft an, dann beschleunigte er blitzartig und jagte pfeifend in den Himmel hinauf. Rex Corda beschattete die Augen. Die Sonne Kaltas stand hoch am Zenit. Dicht neben ihr leuchtete ein strahlender Sonnenspiegel. Er überschüttete das Land mit zusätzlichem Licht. „Er schwenkt ab!" schrie jemand aus der Mannschaft. Jetzt sah Corda es auch. Das Licht der „Sonnenkanone" wurde schwächer, ein Zeichen dafür, daß der gewaltige Spiegel geschwenkt wurde. Und dann plötzlich brach schmerzhaft helles Licht herab. Rex Corda entdeckte den Diskus, der schon zu einem kleinen Punkt geworden war, wieder. Das Raumfahrzeug taumelte inmitten der Glut, die aus dem All herabbrach. „Sie haben ihn abgeschossen!" rief
Percip. „Er stürzt ab!" Seine Stimme bebte vor Zorn. * Der Offizier vor dem Schaltpult arbeitete fieberhaft. Er warf einige kleine Hebel herum — und plötzlich glühte der Diskus auf. „Was tun Sie?" schrie Mok Osgo. Er stürzte in den Raum. Der Offizier ließ sich nicht stören. Er vernichtete den Diskus, noch bevor Mok Osgo ihn erreicht hatte. „Was fällt Ihnen ein, Osgo?" knallte eine scharfe Stimme durch den Raum. Mok Osgo blieb wie angenagelt stehen. Er sah den Diskus abstürzen. Dann drehte er sich um. In der anderen Tür stand der militärische Kommandant der Lakton-Station, Perla Betan. Mok Osgo richtete sich auf. Er preßte die Hände fest gegen seine Oberschenkel. „Gegen diese Maßnahme muß ich Protest einlegen!" sagte er fest. „Tun Sie das, Osgo", winkte der Kommandant abfällig ab. „Aber stören Sie mich jetzt nicht mit Ihren sentimentalen Einwänden!" „Dies war ein Diskus des terranischen Raumschiffes "Walter Beckett'", erklärte Osgo unerschrocken. „Wir befinden uns mit Terra nicht im Krieg. Sie haben kein Recht, ein terranisches Raumschiff zu vernichten!" Perla Betan trat dicht an den Offizier heran, den er um fast einen halben Meter überragte. „Niemand kann jetzt noch beweisen, daß es ein terranischer Diskus war. Es war eine orathonische Einheit, kapiert?" sagte er maliziös lächelnd. „Außerdem haben die Terraner unsere gesamte Kolonialpolitik umgeworfen. Wenn sie jetzt noch den Hantelraumer in die Hand bekommen, dann können wir unseren Laden gleich dichtmachen!"
„Das können Sie sowieso!" sagte der Mann, der den Raum in diesem Augenblick betrat, voller Genugtuung. Mok Osgo fuhr auf den Hacken herum, als er die Stimme hörte. Fassungslos riß er die Augen auf. * Wabash erfaßte die Situation sofort. Er sah den Diskus aufglühen und dann auf das Meer herabstürzen. Der Delphin lag dicht vor der Küste im seichten Wasser. Er konnte gut beobachten. Der Diskus stürzte auf die Küste zu. Wabash errechnete, daß er in einer Entfernung von knapp einem Kilometer von ihm ins Meer schlagen würde. Wabash jagte mit größter Geschwindigkeit durch das Wasser. Die messerscharfen Klippen strichen dicht unter ihm weg. Mit seinen telepathischen Sinnen erfaßte er den Ansturm der Perks auf den abgestürzten Diskus. Schon beim Aufprall der Raumscheibe erloschen vier Gehirne. Jetzt waren nur noch zwei denkende Hirne vor ihm. Die brodelnde Glut öffnete sich vor ihm. Der Diskus bestand nur noch aus unzähligen Trümmern. Dutzende Perks rasten durch das Wasser. Wabash entdeckte einen Mann, der sich mit verzweifelter Kraft aus dem brodelnden Kessel zu retten suchte. Der Delphin schnellte sich aus dem Wasser, um dem Mann seine Anwesenheit zu zeigen. Dabei bemerkte Wabash, daß das Wasser an der Absturzstelle der Raumscheibe förmlich kochte. Er vernahm die fremden Impulse der Perks. Die gefährlichen Raubfische kämpften um die Opfer. In jeder Sekunde schossen weitere rote Leiber heran. Es war ein Wunder, daß der Terraner inmitten dieser Hölle noch lebte. Wieder schnellte der Delphin sich über die Wellen hinaus. Er war jetzt
unmittelbar neben dem Mann. Da erst sah er das kleine Schiff, das mit rauschender Bugwelle auf die Absturzstelle zufuhr. Er glitt unter den Schwimmenden. Der Mann packte seine Rükkenfinne. Wabash peitschte den Schwanz durch das Wasser. Mit einem Ruck schossen sie voran. Da schabte der rauhe Leib eines roten Perk unter Wabash hindurch. Der Delphin tauchte mit dem Terraner unter, um dem Perk zu entkommen. Das gefährliche Maul mit den zahllosen Zähnen fuhr auf ihn zu. Ein gischtender Säurestrahl jagte über den Rücken des Mannes. Wabash vernahm die Wellen des Schmerzes, die den Mann überrollten. Er schoß nach oben, um dem Terraner Gelegenheit zum Atmen zu geben. Er schrie auf. Sie hatten das Schiff erreicht. Dicke Stricke klatschten ins Wasser. Er packte sie. Wabash wirbelte herum. Er schoß den beiden roten Raubfischen entschlossen entgegen. Mit dem Mut der Verzweiflung rammte er den nächsten, schleuderte ihn gegen den anderen und drängte dadurch alle beide von dem Terraner ab, der sich in diesem Augenblick aus dem Wasser ziehen ließ. Gierig stürzten sich die Perks auf den Delphin, dessen fremder Geruch sie anlockte. Wabash glitt wie ein huschender Schatten zwischen die scharfen Korallen. Mit mächtigen Schlägen seiner Schwanzflosse jagte er über die Klippen dahin. Die roten Räuber hetzten ihn. Doch sie waren nicht schnell genug. Der Delphin entwickelte eine Geschwindigkeit, der sie nicht gewachsen waren. * „Kuttner! Wie kommen Sie hierher?" rief Mok Osgo. Der Wortführer der „Veränderten"
lachte selbstsicher. Er ging mit wiegenden Schritten auf die beiden Laktonen zu und streckte ihnen die Hände entgegen. „Geben Sie mir Ihre Waffen!" forderte er. Der militärische Kommandant der laktonischen Station riß seinen Strahler blitzschnell aus der Halfter und schlug ihn auf den „Veränderten" an. Er schoß nicht. „Bleiben Sie stehen!" befahl er. Kuttner lachte. „Sie Witzbold! Es sollte sich doch allmählich herumgesprochen haben, daß man mich nicht mit einem Strahler erledigen kann!" grinste er. „Geben Sie das Spielzeug schon her!" Jetzt schoß der Kommandant. Der glutende Strahl brüllte auf den „Veränderten" zu — und verschwand dicht vor seinem Herzen im Nichts! „Lassen Sie das! Es ist sinnlos!" keuchte Mok Osgo. Perla Betan ließ erbleichend die Waffe sinken. Jetzt glaubte er auch, was er oft genug gehört hatte, aber begreifen konnte er es nicht. Er stand vor einem Phänomen, für das es bisher keine wissenschaftliche Erklärung gab. John Kuttner nahm dem Laktonen diabolisch grinsend die Waffe ab. Mok Osgo gab sie ihm freiwillig. Auch der Offizier am Holografen zögerte nicht, ihm den Strahler zu geben. Kuttner sah auf den Holografen. Deutlich war die Flotte der Plankaner zu erkennen, die nach Westen — in Richtung Rima — zog. Die Einstellung des Holografen sagte Kuttner alles. „Wie ich sehe, bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen", sagte er ruhig. „Osgo — ich habe damit gerechnet, daß ihr das versuchen würdet. Aber ich lasse es nicht zu, daß Sie in meinen Krieg eingreifen!" „Sie sind ein Ungeheuer, Kuttner!" stammelte Osgo.
John Kuttner lächelte verächtlich. Er streichelte seinen Som mit milder Bewegung. „Wir haben uns wohl nichts vorzumachen, Laktone, oder?" fragte er herablassend. „Ich will nur die ,Walter Beckett' — mehr nicht!" „Deshalb müssen Sie nicht zwei ganze Völker ins Verderben stürzen!" fauchte Perla Betan. John Kuttner sah den Laktonen verblüfft an. Dann brach er in ein schallendes Gelächter aus. „Das ist unübertrefflich, Laktone!" gluckste er. „Dreister ging es nun wirklich nicht mehr!" Er ging zum Holografen und schaltete alles aus, was eingeschaltet war. Er war der Überzeugung, daß er damit auch die großen Sonnenspiegel als Waffen unwirksam machte. Hinter seinem Rücken schob sich Mok Osgo aus dem Raum. Der kleine Laktone eilte aus der Station. Bei den anderen Gebäuden, in denen die Offiziere der Handelsorganisation untergebracht waren, wurde gekämpft. Mok Osgo hörte das heiße Fauchen von Strahlwaffen. Ganz in der Nähe stand der Gravogleiter, mit dem Malon nach Planka geflogen war, um die verhängnisvolle Entwicklung zwischen den beiden Völkern aufzuhalten. Mit diesem Gleiter war Kuttner hierhergekommen. Mok Osgo rannte quer über die offene Rasenfläche. Er warf sich in den Gleiter und schaltete die Gravitationsfelder blitzschnell hoch. Der Gleiter schoß so scharf nach oben, daß es den Laktonen tief in die Polster warf. Durch das offene Fenster sah Osgo, daß John Kuttner aus der Station stürzte. Der Strahler in der Hand des „Veränderten" blitzte auf. Unwillkürlich warf Mok Osgo die Arme vor das Gesicht. Im nächsten Augenblick bäumte sich der Gleiter unter
der glutenden Schockwelle hoch auf. Osgo schrie auf. Er klammerte sich an die Polster und versuchte, das Fahrzeug in eine andere Richtung zu zwingen. Ein sonnenheller Glutstrahl fauchte unmittelbar am Fenster vorbei. Der Gleiter stürzte schräg in die Tiefe, aber noch heulten die Motoren. Verbissen beugte sich der Laktone über das Steuerpult. Im letzten Augenblick gelang es ihm, den Gleiter abzufangen. Er strich dicht über die Wipfel der grünen Bäume hinweg. Mok Osgo atmete auf. Jetzt war die Station zwischen ihm und John Kuttner. Der „Veränderte" konnte ihn nicht mehr unter direkten Beschüß nehmen. Es gelang ihm, den Gleiter in einen einigermaßen stabilen Flug zu zwingen. Er trieb ihn aufs offene Meer hinaus — in Richtung Rima! Dann erst kümmerte er sich um den Schaden, den Kuttner mit seinem Beschüß angerichtet hatte. Große Teile des Hecks waren in der Glut vergangen. Die Instrumente zeigten an, daß die Gravitationsmotoren nur noch zwanzig Prozent Leistung abgaben. Das mußte ausreichen, um Rima zu erreichen! * Der Terraner Lewis sah dem weißen Delphin schwer atmend nach. Er wußte, daß er es allein ihm zu verdanken hatte, daß er noch lebte. Die Fischer von Rima wären auf jeden Fall zu spät gekommen, wenn Wabash nicht gewesen wäre. Lewis dankte den hageren Männern in dem kleinen Boot für ihre Hilfe. Sie grinsten ihn freundlich an und machten wütende Grimassen zu dem Sonnenspiegel hinauf, um ihm zu zeigen, daß sie ihn haßten. Sie steuerten auf die Absturzstelle der Raumscheibe zu. Zwei Stunden suchten sie, obwohl sie alle wußten, daß es
vergeblich war. Erschauernd sah Lewis, daß es von den roten Raubfischen geradezu wimmelte. Die Fischer schossen mit Harpunen nach den roten Riesen. Sie schlangen die Plastikstricke, an denen die Harpunen befestigt waren, um feste Verwindungen an der Reling und sahen mit steinernen Gesichtern zu, wie die roten Perks kämpften. Lewis wußte schon, daß diese Fische die Todfeinde der Kaltaner waren, daß sie ihnen aber gleichzeitig die Nester lieferten, für die die Laktonen alte Waffen lieferten. Er versuchte, die Fischer dazu zu bewegen, zur Küste zurückzukehren, aber sie lehnten seinen Wunsch ab und harpunierten einen Perk nach dem anderen. Es dauerte vier Stunden, bis sie genügend Fische gefangen hatten, dann erst richteten sie den Bug ihres Schiffes auf die Küste. Nur weil sie so lange gewartet hatten, entdeckten sie den Gleiter, der sonst in den Fluten versunken wäre. Lewis sah ihn zuerst. Er kam von Osten her. Zuerst war er kaum zu erkennen. Er flog hoch, schoß dann in steiler Kurve auf das Wasser herunter, schlug gischtend auf, löste sich dann jedoch wieder von den Wellen. Der Gleiter hielt sich mehrere hundert Meter weit über Wasser, um dann erneut abzustürzen. Es dauerte diesmal länger, bis sich der Gleiter wieder erhob. Je näher er kam, desto lauter waren die stotternden Motoren zu hören. „Helft ihm! Er macht es nicht mehr lange!" rief Lewis. Die Fischer zögerten. Er redete mit beschwörenden Gesten auf sie ein. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie eine Reaktion zeigten. Wieder schlug der Gleiter aufs Wasser auf. Er war jetzt kaum zweihundert Meter entfernt. Lewis sah, daß der Gleiter bis fast an die Fenster im Wasser versank. Das Heck
lag ganz unter Wasser. Die Motoren schwiegen. Das Frontfenster zerplatzte, und eine kleine hilflose Gestalt kroch heraus. Sie kauerte auf dem Vorderteil des Gleiters und winkte hilfesuchend. „Helft ihm doch!" brüllte Lewis. „Ihr könnt doch nicht zusehen, wie die Perks ihn holen!" „Die Perks haben viele von uns geholt!" sagte einer der Fischer in schwer verständlicher laktonischer Sprache, die Lewis auch beherrschte. „Sollen die Perks auch mal einen Laktonen holen!" „Nein — das dürft ihr nicht tun!" rief Lewis. Er sprach jetzt auch laktonisch. Er eilte zum Ruderhaus und packte den Rimaner am Arm, der das Steuer bediente. „Bitte!" drängte er. Die Kaltaner sahen sich überlegend an. Ihre Blicke wanderten zu dem Gleiter hinüber. Nur noch das Vorderteil des Fahrzeugs ragte aus dem Wasser. Der Laktone klammerte sich darauf fest. Lewis sah mehrere Perks, die den versinkenden Gleiter gierig umkreisten. Entschlossen drängte er den Rimaner zur Seite und warf das Schiff herum. Er schob den Hebel nach vorn, mit dem sich der Motor beschleunigen ließ. Das Fischerboot stampfte dröhnend gegen die Wellen. Eine halbe Minute später erreichten sie den Laktonen. Lewis stürzte aus dem Ruderhaus. Er beugte sich über die Reling. Die Füße des Laktonen standen schon im Wasser. Der Gleiter versank. Der Laktone packte die Hände des Terraners. Lewis zog ihn über die Reling. Erschöpft sackte der Laktone zu Boden. „Bir Osgo! Was zum Teufel machen Sie hier?" stieß Lewis verblüfft aus. Der Laktone schüttelte den Kopf. „Sie irren", antwortete er auf laktonisch. „Ich bin nicht Bir Osgo. Mein Name ist Mok Osgo. Ich bin sein Bruder!"
* „Bir Osgo! Kommen Sie!" rief Rex Corda. Der kleine Organisationstechniker erhob sich zögernd. „Sir, wir sind mitten in einer wichtigen Konferenz!" erklärte er. Er wies auf die Rimaner, die den großen Saal bis auf den letzten Platz füllten. Fast alle laktonischen Wissenschaftler, die von Teckan geflohen waren, nahmen an der Konferenz teil. Rima war ein demokratischer Staat, der auf wirtschaftlich wesentlich höherem Niveau stand als Planka. Während die Wirtschaft in Planka fast ausschließlich der staatlichen Regie unterlag und in ihr fast erstickte, galten auf Rima allein privatwirtschaftliche Gesetze. Rima hatte sich zu einer Oligarchie extremen Ausmaßes entwickelt. Drei Männer beherrschten den Kontinent auf Grund ihres Reichtums. Der reichste von ihnen war das Regierungsoberhaupt Hag Rithon. Dieser Kaltaner war gleichzeitig Herr über mehr als siebzig Prozent der Wirtschaft von Rima. Die Konferenz, an der die laktonischen Wissenschaftler teilnahmen, galt den Bemühungen, freundschaftlichen Kontakt mit den Rimanern zu bekommen. Die Laktonen bemühten sich, den wirtschaftlich interessierten Kaltanern wirtschaftspolitische Praktiken zu erläutern, mit denen sich die Rentabilität der produzierenden Wirtschaftseinheiten beträchtlich erhöhen ließ. Rex Corda war der Ansicht, daß sie mit diesen Hilfeleistungen am ehesten das Vertrauen der Rimaner gewinnen konnten. Zögernd kam Bir Osgo auf den Terraner zu. „Sir, es ist wirklich wichtig!" sagte er. Corda lächelte. „Ihr Bruder Mok Osgo ist vor der
Küste aufgefischt worden! Halten Sie das nicht für wichtig? Ich möchte mit Ihnen zu ihm gehen, um dann erneut mit dem Präsidenten zu sprechen!" erklärte Corda. Doch Bir Osgo zeigte sich nicht erfreut. Sein Gesicht verzerrte sich vor Haß. Er ballte die Fäuste. „Das ist allerdings wichtig!" sagte er. „Kommen Sie!" Corda fühlte den tobenden Haß in dem kleinen Laktonen. Er war beunruhigt, äußerte sich jedoch nicht darüber. Sorgfältig beobachtete er Bir Osgo. Das von Corda angeforderte Auto wartete bereits auf sie, um sie zu der Residenz von Hag Rithon zu bringen. Diesmal fuhren sie nicht wie sonst um die Hügel herum, die zwischen den einfachen Unterkünften der Terraner außerhalb der Stadt lagen. Der Fahrer — es war der Rimaner Ri — benutzte eine schmale, mit Kunststoff gepflasterte Straße, die direkt über die Hügel hinwegführte. Auf dem Hügel wuchsen mehrere hohe Bäume. Als der Wagen zwischen ihnen hindurchrollte, konnte Corda von oben her auf die Stadt am Meer sehen. Ri zeigte auf die Residenz des reichsten Mannes von Rima. Jetzt sah Corda, daß hinter dem Gebäude, das er schon kannte, ein ausgedehnter Komplex lag, der schon fast eine Stadt für sich bildete. Eine flache Mauer umspannte die Anlagen und fügte sie zu einer Einheit zusammen. Hag Rithon ließ die beiden Männer sofort zu sich kommen. Er empfing sie in einem schmalen, sehr langen Raum. Durch kleine Fenster fiel spärliches Licht herein. An den Wänden standen kalte Bänke. Der Eingangstür gegenüber — ganz am Ende des langen Raumes — stand Mok Osgo. Er trug nur noch eine enge Hose. Seine Arme waren über dem Kopf an die Mauer gefesselt. Sein
Körper zeigte Spuren von schweren Mißhandlungen. Hag Rithon ging Rex Corda entgegen. Sein Gesicht blieb unbewegt, als er den Kopf neigte, um Corda zu grüßen. In diesem Augenblick glitt Ga-Venga, der Kynother, hinter Corda durch die Tür. Er war in den letzten Stunden schon hier gewesen. Wie Corda später erfuhr, hatte Hag Rithon mit seiner Hilfe versucht, mit Mok Osgo zu sprechen. Jetzt übersetzte Ga-Venga die Worte des Rimaners. „Er ist verstockt!" sagte Hag Rithon. „Er spricht kein Wort!" Rex Corda nickte. Er ging an dem Rimaner vorbei auf Mok Osgo zu. Er war überrascht, wie groß die Ähnlichkeit zwischen den beiden Brüdern war. Der wichtigste Unterschied lag darin, daß sich im Gesicht Mok Osgos Selbstbewußtsein und Stolz abzeichneten, während die quälenden Komplexe aus dem zuckenden Gesicht Bir Osgos sprachen. Zwei Meter vor dem Laktonen blieb Rex Corda stehen. Er verbarg seinen Abscheu, als er sah, wie grausam die Rimaner den Laktonen mißhandelt hatten. Mok Osgos Gesicht hellte sich ein wenig auf, als Bir Osgo neben Rex Corda trat. Ein unmerkliches Lächeln glitt über seine straffen Lippen. Bir Osgo trat rasch an Corda vorbei. Bevor der Terraner ihn daran hindern konnte, schlug Bir Osgo seinem Bruder die flache Hand zweimal klatschend ins Gesicht. „Gewissenloser Teufel!" zischte er verächtlich. Corda packte seine Schultern und zog ihn entschlossen zurück. „Lassen Sie das, Osgo!" sagte er hart. „Sie sollten Ihren Bruder anders behandeln. Woher wissen Sie, ob er wirklich an den Teufeleien der Laktonen beteiligt war?" Bir Osgo lachte bitter auf. Er kreuzte
die Arme vor der Brust und starrte seinen Bruder voller Verachtung an. Mok Osgos Augen blitzten auf. „Sie sind Rex Corda!" sagte er. Seine Stimme war voll und männlich. Rex Corda nickte. „Sie werden es nicht zulassen, daß die Rimaner mich hinrichten!" sagte Mok Osgo. Corda sah sich überrascht nach Hag Rithon, dem Präsidenten von Rima, um. „Weshalb wollen Sie ihn hinrichten lassen?" fragte er scharf. Ga-Venga übersetzte hastig. Der Rimaner lächelte herablassend. „Nach Ihren Worten sind die Laktonen für die Zustände auf unserem Planeten verantwortlich", antwortete er mit der Hilfe Ga-Vengas. „Wenn die Laktonen wirklich Tausende unserer jungen Männer in die Rachen der Fische getrieben haben, nur um eine eigentlich überflüssige Leckerei für ein paar Schlemmer zu bekommen, wenn das wirklich so ist, dann hat dieser junge Mann den Tod tausendfach verdient!" „Zweifeln Sie noch immer daran, daß es so ist?" fragte Corda. Hag Rithon lächelte geheimnisvoll. „Lassen Sie doch den Laktonen antworten!" versetzte er mit einem boshaften Leuchten in den Augen. „Soll er selbst über sein Schicksal entscheiden. Wenn die Laktonen die Teufel sind, die sie nach Ihrer Meinung sein sollen, dann hat Mok Osgo den Tod verdient! Ist aber Planka an den Zuständen auf dieser Welt schuld, dann soll er leben!" Rex Corda drehte sich zu Mok Osgo um. Überrascht sah er, daß der Laktone lächelte. „Haben Sie verstanden, was Hag Rithon will?" fragte er den Laktonen. Corda sprach englisch. Er ließ Ga-Venga übersetzen. „Ja, ich habe verstanden", antwortete Mok Osgo. Er warf seinem Bruder
einen kurzen Blick zu, dann sprach er direkt zu Hag Rithon. „Planka haßt Rima tödlich! Wir Laktonen haben dafür gesorgt, daß es immer wieder Zwischenfälle gab, die den Haß schürten, schließlich mußten wir euch Waffen verkaufen, damit wir von euch Perke bekamen, nicht wahr?" Hag Rithon trat hastig an den Laktonen heran. Sein jetzt leichenblasses Gesicht war plötzlich eingefallen. Der Kaltaner bebte vor Zorn. „Willst du wirklich behaupten, Lakton hätte alles nur getan, um Perke zu bekommen? Willst du damit sagen, daß Tausende von Rimanern und Plankanern einen fürchterlichen Tod sterben mußten, nur weil ihr eine Näscherei haben wolltet?" „Es ist so", antwortete Mok Osgo gelassen. Rex Corda bewunderte diesen Laktonen. Er kannte die Gefühle dieses Mannes. Er wußte, wie es in Mok Osgo aussah. Er wollte etwas sagen, um Hag Rithon zu helfen, den ungeheuerlichen Schock zu überwinden, als sich eine wispernde Stimme in ihm meldete. Wabash! Der Delphin war durch die Kavernen in das Lager der Terraner zurückgekehrt. Er hatte den Präsidenten Terras auf Schritt und Tritt verfolgt. „Mok Osgo ist unschuldig!" wisperte es in Corda. „Er ist der einzige Laktone, der immer versucht hat, die grausamen Methoden Laktons zu mildern! Hilf ihm und achte auf Bir Osgo!" „Und weshalb ist uns der Krieg erklärt worden?" stöhnte Hag Rithon. Der weißhaarige Rimaner war völlig fassungslos. „Weil eine Gruppe von Männern an die Macht gekommen ist, die sich nicht von Perla Betan, meinem Kommandanten, beeinflussen läßt. Mein Kommandant hat versucht, den Krieg zu verhindern, weil er gegen die Interessen Lak-
tons ist, aber es ist zu spät! Die Neuen Herren haben die Station Perla Betans erreicht und übernommen. Sie werden bald angreifen!" Jetzt taumelte Hag Rithon vor Entsetzen. Rex Corda mußte ihn stützen. Er führte ihn zu einer der Bänke. Er wollte etwas zu ihm sagen, als er klatschende Schläge hörte. Hastig fuhr er herum. Bir Osgo stand vor seinem Bruder und deckte ihn mit Serien wütender Schläge ein. Ga-Venga, der neben Corda stand, eilte zu den beiden Laktonen hinüber, aber Corda war noch schneller. Er riß Bir Osgo zurück. Erschüttert sah er, daß Bir Osgo weinte. Tränen maßlosen Hasses und tiefster Verzweiflung rannen über das Gesicht des Organisationstechnikers. Mok Osgo lehnte mit stoischer Miene an der Wand. Er zeigte nicht, welche Schmerzen in ihm tobten. „Haben Sie schon mal überlegt, Osgo, daß Ihr Bruder auch unschuldig sein könnte?" fragte Corda. Bir Osgo schüttelte die Hand des Terraners ab. „Ich will hoffen, daß Hag Rithon diese Bestie hinrichtet!" stammelte er. „Ich schäme mich, ein Laktone zu sein!" „Gehen Sie jetzt!" befahl Corda. Der kleine Laktone taumelte hinaus. „Es tut mir leid", sagte Corda zu Mok Osgo. Der Laktone antwortete nicht. Hag Rithon kam zu Corda. „Sie wollen zu Ihrem Schiff?" fragte er. „Das wissen Sie doch!" antwortete Corda zögernd. „Wir haben eine Möglichkeit, Sie dorthin zu bringen", erklärte der Präsident Rimas. „Sie müssen es schaffen! Wenn Planka Herr über die ,Kanonen des Himmels' ist, dann sind wir verloren!"
Plötzlich erfaßte Rex Corda die Situation in ihrer ganzen Tragweite. Er wußte, daß Mok Osgo die „Veränderten" gemeint hatte, als er von den Neuen Herren sprach. Er wußte auch, daß sie den Krieg gegen Rima führten, um die entflohene Besatzung der „Walter Beckett" in die Hände zu bekommen. Wenn die „Veränderten" jetzt in der laktonischen Station saßen, dann konnten sie auch die riesigen Sonnenspiegel lenken, die sich in einer Umlaufbahn um Kalta befanden. Das bedeutete, daß die plankanische Flotte gar nicht erst bis Rima kommen mußte, um das Land zu vernichten. Die „Veränderten" brauchten die Sonnenspiegel nur auf Rima zu richten. Mit diesem gigantischen Brennspiegel konnten sie alles vernichten, was sie aufs Ziel nahmen! * „Sie haben wirklich eine Möglichkeit, uns in eine Kreisbahn um diesen Planeten zu bringen?" fragte Rex Corda. Hag Rithon, der Herr über Rima, bestätigte lächelnd. „Kommen Sie", sagte er. „Dieser Laktone muß nicht unbedingt hören, was ich Ihnen mitteile!" Sie hatten den Raum kaum verlassen, als sich eine hochgewachsene Gestalt durch die Tür schob. Sie eilte auf Mok Osgo zu. Der Laktone sah dem Mann mit unbewegtem Gesicht entgegen. „He, Mok Osgo — man hat Ihnen übel mitgespielt!" sagte der Mann. Ein Messer blitzte in seiner Hand auf. „Wer sind Sie?" fragte Osgo. „Ich bin Rima Nord 3, einer der für den Norden Rimas eingesetzten Militärberater!" antwortete der Laktone. „Sie sind also einer jener Agenten, die dafür zu sorgen haben, daß der Haß zwischen Rima und Planka nicht erlischt! Sie sind also Mitglied dieser
Spezialgruppen, die diese Welt ständig am Abgrund des Krieges halten, damit Lakton gut verdient!" „He — was ist das für ein Ton, Osgo? Ich bin gekommen, um Sie hier herauszuholen!" „Verschwinden Sie, R.N.3! Mir wird schlecht, wenn ich Sie sehe!" zischte Mok Osgo zornig. Er drehte den Kopf zur Seite und sah zu den schmalen Fenstern hinüber. Die Waffe in der Faust des Laktonen blitzte auf. Er drückte Mok Osgo die Messerspitze auf die Brust. „Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen, Osgo! Ich scherze nicht! Jetzt steht zu viel auf dem Spiel! Wir können es uns jetzt nicht mehr leisten, einen Mann leben zu lassen, der uns Schwierigkeiten macht!" drohte der laktonische Agent. „Entweder arbeiten Sie an meiner Seite mit, oder ich muß Sie töten! Helfen Sie mir, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden — oder sterben Sie!" Mok Osgo sah den Laktonen gequält an. Seine Lippen zuckten. Seine Blicke glitten zu dem Messer hinüber, das sich in seine Haut drückte. „Sie wollen den Krieg beenden?" fragte er. „Natürlich! Uns ist nicht mit einem Krieg gedient!" „Wenn es uns gelänge, den Krieg zu beenden, dann ginge nachher alles wieder seinen alten Gang. Rimaner und Plankaner tauchen nach Perke. Wir hetzen beide Völker gegeneinander auf, damit wir unsere alten Waffen verkaufen können. Und ab und zu werden ein paar Rimaner oder Plankaner ermordet, damit . . ." „Halten Sie den Mund! Entscheiden Sie sich!" Mok Osgo schloß die Augen. Er lächelte. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, mein Freund", sagte er kaum hörbar. „Ich habe immer versucht,
Lakton davon zu überzeugen, daß diese Politik falsch ist. Ich werde jetzt nicht auf diese Politik umschwenken!" Agent „Rima Nord 3" zögerte ungläubig. * „Fan Kar Kont!" rief Corda. Er winkte dem laktonischen Chefwissenschaftler. Der Mann mit dem getigerten Gesicht kam sofort zu ihm. Corda führte ihn in das niedrige Haus, in dem er untergebracht worden war. „Wir verlassen die Hauptstadt!" verkündete er. „Wohin wollen Sie uns führen?" fragte der Laktone. Er zeigte nicht, wie niedergeschlagen er war. Mit der Vernichtung der Raumscheibe war ihre letzte Chance verspielt. Die Laktonen hatten die Hoffnung aufgegeben, zur Erde zu kommen. Corda lächelte unmerklich. „Es ist phantastisch, Fan Kar Kont!" John Haick kam zur Tür herein. Hinter ihm traten Percip und Bekoval ein. „Die Sonnenspiegel der Laktonen hängen wie Damoklesschwerter über dieser Welt", begann Corda. „Es ist nur natürlich, daß die Rimaner mit aller Energie nach einem Weg gesucht haben, diese Spiegel zu beseitigen!" „Augenblick!" rief John Haick, der Freund Cordas, erregt. „Willst du damit sagen, daß die Rimaner Raumschiffe haben?" „Das nicht", schwächte Corda ab. „Soweit sind sie leider noch nicht. Aber sie haben Raketen gebaut, mit denen sie hoffen, die Sonnenspiegel zerstören zu können!" Fan Kar Kont lachte schallend. In seinen Augen blitzte es voller jugendlichem Eifer auf. „Dann könnten wir uns theoretisch von diesen Raketen in eine Umlaufbahn schießen lassen!" warf er ein. Er sprang
von seinem Platz auf und eilte zu Corda. „Sind die Rimaner soweit? Schaffen die Raketen den Sprung?" Corda grinste. „Das konnte mir Hag Rithon noch nicht sagen! Die Rimaner stehen am allerersten Anfang! Sie haben noch nie eine Rakete abgeschossen, weil die Laktonen die Anlagen dann sofort zerstört hätten! Rima hat nur eine Chance — schießen und treffen!" „Wo ist die Anlage?" schrie Bekoval. „Wir müssen sofort hin! Wir haben keine Minute zu verlieren!" Corda nickte. „Sie haben recht! Es kommt jetzt tatsächlich auf jede Minute an. Die "Geänderten" haben die Station der Laktonen an sich gerissen. Sie werden versuchen, die Spiegel unter ihre Kontrolle zu bringen. Das kann ihnen jeden Augenblick gelingen. Wir müssen ihnen zuvorkommen!" * Der Schuß peitschte krachend durch den Raum. Der Agent „R.N.3" brach ächzend vor Mok Osgo zusammen. Das Messer entfiel seinen erschlaffenden Händen. Mok Osgo atmete auf. Er sah auf Hag Rithon, den Präsidenten des Landes, und Ga-Venga. Der kleine Kynother kam mit gewichtigen Schritten auf ihn zu. Die primitive Pistole in seinen Händen rauchte noch. „Damit haben Sie gewonnen, Mok Osgo!" grinste er. „Sie sind ein ziemliches Risiko eingegangen!" Hag Rithon winkte einigen Wachen, die erregt hereinstürztest. Er befahl ihnen, Mok Osgo loszubinden. „Ich habe alles gehört", ließ er durch Ga-Venga sagen. „Ich habe mich geirrt." Mok Osgo bückte sich zu dem Agenten.
„Ist er tot?" fragte er. „Ich habe auf seine Schulter geschossen", beruhigte ihn Ga-Venga. „Er ist nur verletzt!" Osgo erhob sich. Ga-Venga ergriff seinen Arm. „Wollen Sie uns helfen, Osgo?" fragte er. „Wie kann ich das?" „Wenn Sie uns helfen, wird Lakton nicht mehr länger Herr auf dieser Welt sein!" kündigte der Kynother an. Mok Osgo lächelte ungläubig. „So leicht läßt sich Lakton nicht ausschalten!" „Vergessen Sie nicht, daß Sie es mit Rex Corda zu tun haben. Ich habe bisher immer wieder erlebt, daß es ihm gelang, die Pläne Laktons zu durchkreuzen. Er wird es auch diesmal schaffen — wenn Sie uns helfen!" Hag Rithon, der weißhaarige Kaltaner, hörte voller Spannung zu. Er verstand jedes Wort, obwohl die beiden Männer in laktonischer Sprache verhandelten. „Was kann ich für Sie tun?" „Corda will die Sonnenspiegel angreifen. Dazu muß er wissen, wie sie gesteuert werden!" erklärte Ga-Venga. Mok Osgo lachte leise. „Niemand hat jetzt noch eine Chance, die Spiegel zu zerstören. Die Veränderten haben die Station auf Ral erobert. Sie werden jedes Raumfahrzeug, das sich den Spiegeln nähert, verbrennen!" „Wenn Sie es lernen, die Anlage so schnell zu steuern!" * Der Aufbruch erfolgte in fieberhafter Eile. Die Würfel waren gefallen. Hag Rithon, der Präsident von Rima, hatte sich entschieden — für die Terraner. Jetzt verlor er keine Zeit mehr. Er schickte eine Kolonne schwerer Lastwagen, mit denen die Besatzung
der „Walter Beckett" nach Süden befördert wurde. Als nur noch der gewaltige Metallspiegel über ihnen stand und das Land mit dämmerigem Licht überschüttete, brachen die Lastwagen auf. Rex Corda saß zusammen mit Ga-Venga und Mok Osgo bei dem Präsidenten Rithon, der in einem gepanzerten Wagen an der Spitze der Kolonne fuhr. Mok Osgo behauptete, unter den gegebenen Bedingungen sei es ausgeschlossen, daß die „Veränderten" sie mit den Ortungsgeräten erfaßten. Kurz bevor sie das bergige Dschungelland an der Südostküste erreichten, traf eine Meldung ein, die sie zu noch größerer Eile anspornte: Die Flotte der Plankaner hatte sich Rima bereits bis auf 500 km genähert. Die Rimaner hatten ein anderes Längenmaß, aber GaVenga rechnete es für Rex Corda um. Mok Osgo schwieg auf der ganzen Fahrt. Er sagte kein einziges Wort. Gegen Morgen erreichte die Kolonne das getarnte Gebiet. Die Lastwagen holperten jetzt in mäßigem Tempo über unwegsame Dschungelstraßen. Über ihnen schlossen sich die Kronen der verfilzten Urwaldbäume. Die Sonne stand bereits über dem Horizont, als sie in den Tunnel einfuhren, durch den sie in den weiten Talkessel kamen. Hag Rithon rechnete ihnen vor, daß sie sich jetzt über viertausend Meter über dem Meeresspiegel befanden. Als sie hoch am Hang hielten und Hag Rithon stolz in das Tal hinabwies, sah Rex Corda zunächst überhaupt nichts. Er stieg aus, als der Präsident den Wagen verließ und ihn bis an die steile Felskante heranführte. Durch eine Lücke im dichten Buschwerk des Dschungels sah Corda in ein Tal hinab, in dem ein unvorstellbares Dickicht wucherte. Verwirrt sah er den Präsidenten an. Dieser lächelte. Er hob
seine kleine Hand und wies in die Tiefe hinab. Der Wind spielte in den weißen Haaren seines Fells. Und jetzt entdeckte Rex Corda, was Rithon ihm zeigen wollte. Hoch oben am Hang begann es, zog sich, unter dem Blätterdach zum größten Teil verborgen, bis zur anderen Talseite hinüber und sprang zu einem V-förmigen Durchbruch im Fels hinüber, der genau nach Osten zeigte. „Siehst du es, Ga-Venga?" Der Kynother schüttelte den Kopf. Corda zeigte es ihm. „Und was soll das sein, Sir?" fragte der Kynother. „Das ist eine Raketenstartanlage, Kleiner! Hast du mal etwas von den Skisprungschanzen auf der Erde gehört?" „Ja, das habe ich! Ach — Sie meinen, diese Anlage ist so ähnlich? Die Rimaner wollen ihre Rakete erst einmal diese Schanze hinabjagen, bevor sie sie zünden?" grinste Ga-Venga. Er wirbelte einen kleinen Metallstift mit seinen Fingern herum und bewegte seine Lippen in lautlosem Gesang. Hag Rithon, der Präsident, mischte sich ein. „Wir beschleunigen die Rakete mit elektromagnetischen Kräften", erklärte er. „Dadurch sparen wir Treibstoff!" „Kommen Sie! Das muß ich mir aus der Nähe ansehen!" sagte Corda. * Die Rakete war über sechzig Meter lang. Die kleinen kaltanischen Wissenschaftler zeigten sie den Fremden von den Sternen mit glühendem Eifer, nachdem Präsident Rithon ihnen den Plan erklärt hatte. Fan Kar Kont untersuchte die Raketenanlage genau und sehr skeptisch. Die Rakete lag auf den Startschienen in einer ausgedehnten Höhle, die sich dicht
unter dem Gipfel des Berges befand. Von hier aus führten breite Schienen schräg in die Tiefe des Tals. Dicke Metallbänder schlangen sich in Abständen von etwa dreißig Metern ringförmig um den Schienenstrang. Sie bildeten den Gittertunnel, in dem die Rakete magnetisch beschleunigt werden sollte. Die kaltanischen Wissenschaftler belagerten Fan Kar Kont. Sie rechneten ihm vor, daß die Rakete noch auf der Startanlage vierzig Prozent ihrer Endgeschwindigkeit erhalten sollte. Die Männer der „Walter Beckett" schwärmten in dem Gebiet aus und untersuchten die gesamte Anlage Stück für Stück. Sie waren alle hochqualifizierte Fachkräfte, die in langer und scharfer Ausbildung auf die besonderen Aufgaben, die sie in der „Walter Beckett" erwarteten, vorbereitet worden waren. Die fünfunddreißig Wissenschaftler, die mit Rex Cordas Hilfe von Teckan, dem laktonischen Zentrum der Wissenschaft und Forschung, entfliehen konnten, gehörten der geistigen Elite Laktons an. Für die laktonischen Wissenschaftler glich die Arbeit an der Anlage einem Planspiel. Es dauerte nicht lange, bis es sie alle gepackt hatte. Sie alle stürzten sich mit einem wahren Feuereifer in die Arbeit. „Sir — grundsätzlich ist es möglich!" erklärte Fan Kar Kont nach einer Stunde. Er fand Rex Corda in einem der großen Laboratoriumsräume, die die Kallaner aus dem Fels herausgeschlagen hatten. Die Höhlen waren sauber mit hellen Kunststoff platten ausgelegt. „Ich habe mir jetzt einen Gesamtüberblick verschaffen können." „Erklären Sie es mir bitte!" Er bat die kaltanischen Wissenschaftler, mit denen er sich unterhalten hatte, Kont zuzuhören. „Die Idee der Rimaner stimmt!" sagte Fan Kar Kont, und ein vergnügtes Lächeln glitt über sein gestreiftes Gesicht.
„Wir können die Rakete in eine Umlaufbahn um Kalta bringen. Wir können die Spitze auch so aussteuern, daß sie als Synchronsatellit in die Nähe des Sonnenspiegels gebracht werden kann. Aber wir müssen noch sehr viel ändern!" „Wie lange brauchen Sie dafür?" Fan Kar Kont lächelte unsicher. „Ich weiß es nicht. Jedenfalls können wir es nicht in ein paar Stunden schaffen!" „Woran krankt das Unternehmen hauptsächlich?" fragte Corda. „Am Treibstoff! Mit diesem Treibstoff schaffen wir es nicht. Wir müssen ihn aus der Rakete entfernen und durch einen anderen ersetzen. Wir müssen die Elektromagneten stärker machen, damit die Beschleunigung besser ist. Wir müssen die Schaltungen erneuern und durch elektronische Regelung ersetzen. Unsere Freunde haben hier zu einfache Bauelemente benutzt. Sie hätten die Rakete damit niemals beschleunigen können. Die Rakete hätte die Beschleunigungsanlage noch nicht einmal verlassen!" Rex Corda rieb sich das Kinn. Er brauchte die Kaltaner nicht anzusehen, um ihre Enttäuschung zu bemerken. Sie alle sprachen genügend Laktonisch, um Fan Kar Kont zu verstehen. Rex Corda, der noch nicht so lange wie sie mit Laktonen zu tun hatte, war immer noch auf den elektronischen Dolmetscher angewiesen. Er benutzte ihn immer, um möglichen Mißverständnissen aus dem Wege zu gehen. „Dann muß die Kapsel umgeändert werden. Das Material hält die auftretenden Temperaturen nicht aus. Die Steuerungsanlage ist unzureichend." Fan Kar Kont lächelte. Er sah die kaltanischen Wissenschaftler der Reihe nach an. „Sie dürfen nicht vergessen, Sir, daß diese Wissenschaftler nicht ein einziges
Experiment machen durften, wenn sie sich nicht verraten wollten. Sie können mit den im Raum auftretenden Problemen nicht vertraut sein. Sie kennen die Bedingungen nur aus theoretischen Überlegungen." Corda lächelte ebenfalls. „Dann haben diese Männer geniale Arbeit geleistet!" sagte er. Erleichtert merkte er, daß die Rimaner sich entspannten. „Ich habe eine Idee, Fan Kar Kont, mit der wir die Bedingungen für den Start verbessern können. Wir haben noch einige Raumanzüge, die wir jetzt nicht benötigen. In jedem von ihnen ist ein kleines Antigravitationsgerät. Können Sie diese Geräte nicht ausbauen und in die Rakete installieren? Auf diese Weise läßt sich vielleicht das Beschleunigungsvermögen der Rakete erhöhen!" Fan Kar Kont stülpte die Lippen verblüfft vor, bevor er ein erleichtertes Lachen ausstieß. „Tatsächlich, Mr. Corda! Ein genialer Einfall!" rief er. Er stürmte mit jugendlichem Überschwang aus dem Raum, um sich an die Arbeit zu machen. Rex Corda folgte ihm. Er sah, daß die Laktonen sich bereits über die Raumanzüge hermachten. John Haick sah den Präsidenten kommen. Er ließ seine Arbeit sinken und ging zu ihm hinüber. „Rex — Bir Osgo macht mir Sorgen!" sagte er. „Warum?" „Ich verstehe es einfach nicht. Er meidet seinen Bruder, wo er nur kann. Moment — da kommt er!" Er ergriff den Arm Cordas und lenkte seinen Freund zur Seite, so daß sie zu den Wissenschaftlern hinübergingen. „Übrigens hat einer der Laktonen eine gute Idee gehabt", berichtete er. Er lachte vergnügt dabei auf. „Die Rimaner hatten geglaubt, sie könnten die Elektromagneten von Hand steuern und dabei die Rakete wirksam beschleuni-
gen. Wir haben keine Zeit mehr, wirksame elektronische Steuerungsanlagen einzubauen.'' „Und wie wollt ihr die Magneten jetzt schalten?" „Wir werden hauchdünne Drähte spannen", erklärte John Haick. Corda blieb verblüfft stehen. „Das habe ich nicht ganz verstanden!" sagte er. „Wenn mir der Sinn der Anlage eingegangen ist, darin müssen doch die Magneten von Stufe zu Stufe stärker werden, damit sie die Rakete beschleunigen. Gleichzeitig muß jeder Magnet, den die Rakete passiert hat, umgepolt werden, damit sie nunmehr abstößt." „Genau!" nickte John Haick schmunzelnd. „Und das wollten die Rimaner von Hand schalten?" „Allerdings. Es wäre eigentlich eine elektronische Anlage notwendig gewesen, um diesen Prozeß genau zu kontrollieren. Wir haben keine Zeit mehr, eine zu bauen. Deshalb spannen wir Kontaktdrähte. Sobald die Rakete einen bestimmten Punkt erreicht hat, zerreißt sie den Draht, ein Stromkreis wird unterbrochen, und der jeweilige Magnet wird umgepolt. Der Effekt ist also der gleiche!" „Und das funktioniert?" John Haick nickte grinsend. „Und wenn's schiefgeht?" fragte Corda. John Haick hielt sich die flache Hand vor den Mund und blies einmal heftig darüber hinweg. Corda räusperte sich. „Was regst du dich auf, Rex?" staunte Haick schmunzelnd. „Das Ganze ist sowieso ein Himmelfahrtsunternehmen. Ein bißchen Glück müßt ihr schon haben, damit alles klappt!" „Du bist ein Gemütsmensch, John!" stöhnte Corda. „War ich immer", nickte John Haick,
„schon als Kind, Rex!" „Das ist kein Kunststück, John! Soweit ich mich entsinne, sagtest du, wir sollten allein fliegen!" versetzte Rex Corda. John Haick sah ihn verblüfft an. „Das kann nicht dein Ernst sein, Rex! Ohne mich schaffst du es nie!" Die Worte Bir Osgos rissen Rex Corda das Lachen von den Lippen. Der kleine Organisationstechniker hatte die Gruppe der Laktonen erreicht, die an den Raumanzügen arbeitete. „Was macht er hier?" fragte Bir Osgo schrill. Er deutete verächtlich auf seinen Bruder. „Er hilft uns!" erklärte Fan Kar Kont ruhig. „Verschwinde!" zischte Bir Osgo seinem Bruder zu. Mok Osgo erhob sich bleich. In seinem steinernen Gesicht zuckte kein Muskel. „Ich kann es nicht zulassen, daß ein Verräter an einem so wichtigen Projekt mitarbeitet!" rief Bir Osgo zornig. „Wir können uns keine Sabotageakte leisten! Wenn dieses Projekt scheitert, sind wir alle verloren! Und wer hätte wohl ein größeres Interesse daran, es scheitern zu lassen, als dieser Verräter?" Rex Corda trat eilig an die Gruppe heran. „Osgo! Ich kann auf gar keinen Fall zulassen, daß Sie die Arbeit in dieser Weise stören!" sagte er schneidend scharf. Bir Osgo erstarrte. In seinen Mundwinkeln zuckte ein bitteres, enttäuschtes. Lächeln. Die Blicke aus seinen Augen irrten unsicher über die Gruppe. Bir Osgo sah keinen der Männer wirklich an. „Dieser Mann wird uns alle vernichten, wenn er kann!'' keuchte er. Er zeigte auf seinen Bruder. „Er hat seine Haut vor den Rimanern gerettet, indem er die Laktonen verriet. Er wird seine Haut
vor den Laktonen retten, indem er uns verrät!" „Sie reden Unsinn, Osgo. Ihr Bruder hat sich eindeutig gegen Lakton und seine Methoden gestellt. Das sollten sie akzeptieren!" „Es tut mir leid, Sir!" fuhr Bir Osgo wütend auf. In seinen plötzlich feuchten Augen stand flammender Haß gegen seinen Bruder. Er drehte sich hastig um und eilte aus der Höhle. Mok Osgo kam zu Rex Corda. Er verneigte sich ein wenig vor ihm, dann sah er ihm in die Augen. Sein Blick war klar und ernst. „Würden Sie mir bitte erlauben, an dem Unternehmen teilzunehmen?" Corda lächelte unmerklich. Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. „Sie wollen wirklich mit hinauffliegen?" „Sehr gern!" * Neue Berechnungen lagen vor. Fan Kar Kont teilte Rex Corda mit, daß das Unternehmen praktisch vor seinem Abschluß stand. Es waren nur noch geringfügige Arbeiten an der Kapsel durchzuführen, in der sich die Männer aufhalten mußten. Jetzt stand auch fest, daß neben Rex Corda, John Haick und Mok Osgo auch noch Percip, der laktonische Spezialagent, teilnehmen würde. Ein voller Tag war vergangen. In dieser unvorstellbar kurzen Zeit hatten die Laktonen die Rakete bis zur Startbereitschaft entwickelt. Unter normalen Umständen wäre ein einziger Tag für ein solches Projekt völlig bedeutungslos gewesen. Jetzt aber war ein Tag zu einer nahezu endlosen Zeitspanne geworden. In jeder Sekunde konnten die „Veränderten" erfassen, wie die Sonnenspiegel gesteuert wurden. In jedem Augenblick konnten die Würfel fallen und al-
les entscheiden. Aus der Hauptstadt lagen neue Nachrichten vor. Die Flotte der Plankaner stand unmittelbar vor der Küste. In wenigen Stunden würde sie auf die Verteidiger prallen. Der Krieg würde beginnen. Der laktonische Einfluß war ausgeschaltet. Jetzt bestimmten die „Veränderten", was geschah. Die eigentümlichen Bewegungen der großen Sonnenspiegel waren deutlich zu beobachten. Sie bewiesen eindeutig, daß die „Veränderten" versuchten, sie unter ihre Gewalt zu bekommen. Mok Osgos Bericht war nur ein sehr geringer Trost für Rex Corda. Der Laktone hatte Corda mitgeteilt, die Steuerungsanlage sei von den laktonischen Technikern mit voller Absicht äußerst kompliziert und schwer verständlich gebaut worden, so daß sie nur von ausgebildeten Spezialisten bedient werden konnte. Lakton hatte für einen Fall wie diesen vorgesorgt. Nur war die Anlage auf die Kaltaner und deren Auffassungsgabe ausgerichtet. An den Geräten aber saßen Terraner! Der Zeitpunkt für den Start war festgelegt. Eine Stunde noch bis zum Abschuß der Rakete. Vier Männer lagen in diesen Augenblicken in tiefem Schlaf — Rex Corda, John Haick, Percip und Mok Osgo! * Lautlos ruckte die Rakete an. Der glänzende Leib schwebte schwerelos in dem Gitterwerk, teils von den Magneten getragen, teils von den Antigravitationsmechanismen aus den laktonischen Raumanzügen. Bekoval schaltete die Magneten ein. Und jetzt schoß der blanke Körper blitzschnell nach vorn. Seine Spitze zerfetzte das hauchdünne Drahtwerk. Die Magneten schalteten um. Die Rakete
stürzte in die Tiefe. Der Luftdruck fetzte das tarnende Laubwerk von der Schanze. Wie ein Geschoß tobte der dreistufige Raumkörper über die Schienen. Die Beschleunigung hielt die errechneten Werte genau. Bekoval stürzte zu der Öffnung der Höhle. Von hier aus konnte er jetzt die ganze Anlage übersehen. Gerade in diesem Augenblick brüllten die Triebwerke der Rakete auf. Das magnetische Gitterwerk verglühte. Wie ein tobendes Ungeheuer erhob sich die Rakete aus dem Dschungel. Sie raste mit sehr hoher Geschwindigkeit in den Himmel hinauf. Der untersetzte Laktone ächzte. Er stampfte zu dem Funkgerät, das aus einem der Raumanzüge ausgebaut worden war, hinüber und drückte es sich ans Ohr. Die Stimme Cordas kam leise und verzerrt durch. Corda sprach sehr langsam und stockend, aber seine Stimme war voller Zuversicht. Endlos langsam verstrichen die Sekunden. Bekovals Blicke glitten über die Gesichter der Männer in der Höhle. Sie waren von allen Seiten herangekommen. Die Männer der „Walter Bekkett" waren ernst. Die laktonischen Wissenschaftler versuchten, ihre Nervosität nicht zu zeigen. Die Rimaner standen keinen Augenblick ruhig. In ihren bläulichen Gesichtern arbeitete es heftig. Ihre Augen glänzten. Die kleinen zierlichen Gestalten tänzelten aufgeregt auf der Stelle. Sie verfolgten den Flug der Rakete mit freudiger Spannung. Für sie war es der erste Start einer Rakete auf der von ihnen gebauten Anlage. Sie dachten weniger an die Männer, die in der winzigen Kapsel hockten und gegen die gewaltigen Kräfte kämpften, die sie in die Polster preßten. Die Rimaner bangten um ihre Rakete. „Die letzte Stufe ist gezündet!" sagte Bekoval. Fan Kar Kont kaute nervös auf seinen Lippen. In seinem getigerten Gesicht
zuckte es. Die Nervosität zwang ein Netz von Falten um seine Augen. Bir Osgo stand wie zu einem Stein erstarrt am Rande der Höhle und sah in das Tal hinab. Seine Augen bewegten sich nicht. Er kämpfte mit den nagenden Zweifeln. Er war überzeugt davon, daß Rex Corda dieses Verzweiflungsunternehmen nicht überleben würde. Bir Osgo kämpfte alle Stimmen nieder, die in ihm die Hoffnung wecken wollten, er habe sich in seinem Bruder geirrt. Bir Osgo glaubte mit fanatischem Haß an einen Verrat Mok Osgos. Jetzt wartete er darauf, daß sich der Spiegel auf diese Bergstation richten würde, um sie zu vernichten! * Sie nickten sich zu. John Haicks Zähne blitzten auf. Der junge Physiker grinste zu Rex Corda hinüber. „Geschafft!" tönte seine Stimme aus dem kleinen Helmlautsprecher. „Wir haben es wirklich geschafft!" Mok Osgo hatte die kleine Luke weggesprengt. Durch das offene Schott konnten sie in den Raum hinaussehen. Percip hatte die Kapsel so geschickt ausgesteuert, daß sie jetzt langsam auf den gigantischen Metallschirm zutrieb. Tatsächlich raste die Kapsel mit hoher Geschwindigkeit in einer Kreisbahn um den Planeten, aber das war für die Männer kaum spürbar. Im Vergleich zu dem auf gleicher Bahn kreisenden Spiegel flogen sie nur sehr langsam. Sie drehten sich in der gleichen Richtung wie Kalta, so daß auch der Planet ihnen kein Gefühl der hohen Geschwindigkeit vermittelte. Der Spiegel hatte einen Durchmesser von annähernd einhundert Kilometern. Er bestand aus hauchdünnen Metallplastfolien mit hohem Reflexionsvermögen. Mok Osgo erklärte Rex Corda
den Spiegel. „Die Steuerung ist im Prinzip einfach", sagte er. „Der Spiegel ist auf der Rückseite mit einer großen Zahl von Gravitationsmechanismen bestückt. Wenn sie synchron geschaltet werden, läßt sich damit der Spiegel sehr leicht und sehr schnell bewegen!" „Sie sagten das schon!" lächelte Corda. Er freute sich über den Eifer des Laktonen, der offensichtlich bemüht war zu helfen. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann befindet sich auf der Rückseite des Spiegels ein Steuergerät, von dem aus er ebenfalls gelenkt werden kann!" Mok Osgo grinste erfreut. Percip glich den Flug der Weltraumkapsel mit sanften Raketenschüben aus den kleinen Treibsätzen an der Vorderseite der Bewegung des Spiegels an. Rex Corda, John Haick und Mok Osgo glitten nacheinander durch die kleine Öffnung hinaus. Schwerelos trieben sie zu dem Spiegel hinüber. Jetzt konnte Corda das feine Gitterwerk erkennen, das die Rückseite des Spiegels wie ein Außenskelett bedeckte. John Haick stieß einen leisen Ruf aus. Er hob seinen Arm und wies auf etwas hinter Corda. Er bewegte sich etwas zu heftig. Er überschlug sich langsam, fing diese Bewegung jedoch geschickt wieder ab. Rex Corda drehte sich langsam um sich selbst. Jetzt entdeckte er die „Walter Beckett" auch. Das verlassene Flaggschiff der Erde befand sich in nur wenigen Kilometern Entfernung von ihnen. Er atmete auf. Jetzt sollte es keine großen Schwierigkeiten mehr bereiten, den Hantelraumer zu erreichen. John Haick klammerte sich an die dünnen Metallplaststreben auf der Rückseite des Spiegels. Wie eine gigantische Ebene dehnte sich das Gitterwerk vor ihnen. Von ihrem Standpunkt aus konnten sie den Spiegel nicht mehr
überblicken. Rex Corda und Mok Osgo landeten an dem Spiegel. Mok Osgo glitt spielerisch leicht über das Gitterwerk. Er regulierte die Gravitationseinheiten seines Raumanzuges mit größter Geschicklichkeit. Plötzlich blitzte es bei der „Walter Beckett" auf. Percip stieß einen Schrei aus. Deutlich hörten sie seine Stimme in den Helmlautsprechern. Corda fuhr herum, doch es war schon alles vorbei. „Percip! Was ist passiert?" rief er. „Die ,Walter Beckett' schießt auf uns!" brüllte Percip. Wieder blitzte es auf. Und diesmal sah Rex Corda den gleißenden Strahl, der über die samtene Schwärze schoß. Der unbekannte Schütze in der „Walter Beckett" verfehlte sie um einige Kilometer. Weit vor ihnen schlug es im Spiegel ein. Corda fühlte die heftige Erschütterung in dem Gitterwerk. „Wir müssen uns beeilen!" rief Mok Osgo. Er bewegte sich jetzt noch schneller über das Gitter. „Es ist nicht mehr weit bis zum Zentrum!" Wieder blitzte es bei dem Hantelraumer auf. Doch diesmal stieß der helle Todesfinger nutzlos in die Tiefe des Raumes hinein. Der Schütze feuerte weit am Spiegel vorbei. „Da sitzt ein Wahnsinniger im Feuerleitstand!" rief Percip. „Beeilen Sie sich, Sir! Er könnte sich einschießen!" Corda biß sich auf die Zähne. In fieberhafter Eile glitten sie am Spiegel entlang. Sie durften keine Zeit verlieren. Er wäre viel lieber gleich zur „Walter Beckett" geflogen, aber das durften sie nicht. Während sie um die Herrschaft über das Schiff kämpften, konnten die „Veränderten" das Steuersystem der Spiegel begreifen und den Planeten Kalta verwüsten! Erst mußte diese Waffe ausgeschaltet werden. „Der Spiegel bewegt sich!" rief Mok Osgo. „Sehen Sie — die Sterne!" Rex Corda sah es deutlich. Er hatte
nicht auf die Sterne geachtet und deshalb auch ihre scheinbare Bewegung nicht bemerkt. Ihm war jedoch aufgefallen, daß die „Walter Beckett" die Position geändert hatte. Vor ihnen erhob sich ein gepanzerter Maschinenblock. Mok Osgo hastete auf ihn zu. Corda erreichte ihn kurz nach dem Laktonen. Osgo zeigte ihm, wie er die Verschalung abnehmen konnte. Sie arbeiteten schweigend und verbissen. Immer wieder blitzten die Energiekanonen bei der „Walter Beckett" auf. Immer häufiger schlug es in dem Sonnenspiegel ein. Die Treffer kamen näher und näher. Da lag das Schaltbrett vor ihnen. Osgo stieß einen kleinen Schrei aus. Er zog seinen Strahler und richtete ihn auf den Schirm. Er feuerte auf ihn und schoß ein großes Loch hinein. Corda stieß die Folien zur Seite. Unter ihnen lag Kalta. Deutlich konnten sie Ral, den Kontinent, auf dem die Laktonen ihre Station hatten, erkennen. „Sehen Sie nur!" rief Mok Osgo. Er zeigte auf den Süden Plankas. Diesen Bezirk konnte Rex Corda dicht unter der Krümmung des Planeten erkennen. Riesige Rauchwolken standen über dem Kontinent. „Was hat das zu bedeuten?" fragte er. „Das haben die Terraner in der Station gemacht!" antwortete Mok Osgo. „Sie haben den Spiegel im Süden bewegt. Er ist jetzt wie ein Brennglas. Er ist auf ein kleines Gebiet konzentriert. Dort unten im Süden steht alles in Glut!" „Können wir den Spiegel von hier aus verstellen?" „Nein — völlig ausgeschlossen!" „Was können wir tun?" „Wir müssen ihn abschießen! Wenn wir in der »Walter Beckett' sind, müssen wir den Spiegel vernichten!" „Beeilen Sie sich! Wir haben keine Zeit!" drängte Corda.
Mok Osgo schaltete jetzt. Rex Corda konnte zunächst keine Veränderung feststellen. Er fühlte auch nicht durch Erschütterungen des Gitterwerks, daß der Spiegel sich bewegte. Doch dann sah er, daß der Kontinent Ral unter ihnen heller wurde. Es sah aus, als ob ein riesiger Scheinwerfer auf das Land gerichtet war, der näher und näher heranfuhr, so daß sein Lichtkreis kleiner und kleiner wurde. Jetzt konnte Rex Corda auch die Anlagen der Laktonen erkennen. Sie waren so großzügig angelegt, daß sie aus dieser Höhe auszumachen waren. Sie lagen im Zentrum des sich verengenden Lichtkreises. Atemlos beobachteten sie den Angriff. Das Land unter ihnen verfärbte sich. Wo zunächst alles grün gewesen war, wurde es jetzt gelb und dann braun. Wolken entstanden. Sie verdeckten rasch große Bezirke, doch die Station blieb gut sichtbar. Immer schneller zog sich der Lichtfleck zusammen, immer dunkler wurde das Land unter ihnen. Keiner der vier Männer sprach. Percip ahnte nur, was geschah. Er behielt die „Walter Beckett" im Auge, von der immer wieder Energiestrahlen in den Spiegel schlugen. Plötzlich sah Corda helle Glut unter ihnen. Die Station hüllte sich in rotes Feuer. „Wir wollen nur die funktechnischen Einrichtungen lahmlegen!" erinnerte Corda den Laktonen an ihren Plan. „Ich habe schon zurückgeschaltet, Sir!" meldete Mok Osgo. „Die Station ist ausgeschaltet — aber wenn die Besatzung sich in die Sicherungsräume zurückgezogen hat, dann ist keiner umgekommen!" „Weiter — zur ,Walter Beckett'!" befahl Corda. *
Erschöpft beugte der Mann sich über das elektronische Steuerpult des Feuerleitstandes. Der „Veränderte" verfluchte die Tatsache, daß er auf der „Walter Beckett" zurückgeblieben war. Für ihn war das Raumschiff zur Hölle geworden! Vor ihm leuchtete ein großer Holograf im steten Licht. Zahlreiche dünne Striche zogen sich über das Bild. Sie teilten die Schußfelder in meruore Zonen auf. Ein grünlicher Schimmer lag auf dem Bild. Silver wußte jetzt schon, daß die Farben den Schußbereich angaben. Durch das Grün zeigte der Feuerleitstand die Adjustierung der Energiegeschütze auf eine mittlere Entfernung an. Der „Veränderte" versuchte abermals, sich zu konzentrieren. Er überlegte noch einmal alle Arbeitsgänge, die er durchgeführt hatte. Jetzt war alles richtig eingestellt! Er brauchte nur noch auf einen Knopf zu drücken, um die Männer zu vernichten, die sich dem Raumschiff schnell näherten. Die Energiekanonen waren genau auf diese vier Männer ausgerichtet. Silver wischte sich unsicher grinsend über das bärtige Kinn. Dann senkte sich sein Finger vorsichtig auf den Knopf herab. Unmittelbar bevor sich das Schiff unter der Wucht der abgefeuerten Energieschüsse schüttelte, verschob sich die rote Marke auf dem Holografen. Die armdicken Energiestrahlen schossen wirkungslos an den vier Männern vorbei! Silver sprang mit einem Wutschrei auf. Er wirbelte herum und raste aus dem Raum. Er wußte genau, was geschehen war! Immer wieder geschah das gleiche! Er wußte nicht, wer dafür verantwortlich war. Jedesmal wenn er die Geschütze bediente, verstellte irgend jemand im letzten Augenblick die
Elektronik. „Man könnte wahnsinnig werden!" stöhnte Silver. Er preßte die Hände zornig an den Kopf. Er schwankte durch die leeren, stillen Gänge und glitt durch die verlassenen Gravoschächte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er zu der Stelle kam, an der das Unheimliche immer wieder geschah. An dieser Stelle hatte er mit dem Hund gekämpft. Das Tier hatte ihn so maßlos gereizt, daß er mit Füßen nach ihm getreten hatte. Er hatte ihn nicht getroffen. Seine Stiefelspitze war gegen die Wand geknallt. Dabei zersplitterte die Verschalung der Wand. Darunter lag das Schaltmuster einer elektronischen Einrichtung. Silver kniete sich vor der Öffnung nieder. Ärgerlich sah er auf die umgekippten Platten. Es war immer wieder das gleiche! Wenn er im Feuerleitstand die Geschütze ausrichtete und feuern wollte, dann fiel im letzten Augenblick ein starker Magnet auf die elektronischen Verbindungen. An irgendeiner Stelle sprang immer ein Funke über. Es gab einen Kurzschluß. Irgendeine Sicherung knallte immer durch. Silver hatte schon mehr als zwanzig Sicherungen ausgewechselt. Plötzlich grinste er. Ihm war ein Gedanke gekommen, der ihm im ersten Augenblick wie absolut neu erschien. Erst als er sich an die Ausführung machte, dämmerte seinem gestörten Geist, daß er diesen Versuch auch schon einige Male ohne Erfolg unternommen hatte. Er konnte die Energiekanonen auch von hier aus abfeuern! Er war durch einen Zufall darauf gekommen. Er mußte die Geschütze im Feuerleitstand ausrichten und konnte sie dann hier abfeuern, indem er zwei Drähte zusammenführte. Doch wenn er dann auf den Feuerleitstand zurückkam, mußte er feststel-
len, daß irgend jemand die Einstellungen verschoben hatte. Silver zuckte zusammen, als hinter ihm etwas scharrte. Blitzschnell fuhr er herum. Drei Meter vor ihm lag ein Hund auf dem Gang! Er sah ihn mit gelben Augen an. Die rote Zunge hing ihm aus dem Mund. Silver schien es, als ob Nukleon ihn spöttisch anlache. Er schüttelte den Kopf und rieb sich über die Augen. Der Hund blieb, wo er war. Vorsichtig tastete Silver nach einer der Platten, um sie auf Nukleon zu schleudern. Doch jetzt sprang der Hund auf und zog sich knurrend bis zu einer Gangbiegung zurück. Silver folgte ihm hastig. Nukleon drehte sich um und trabte über den Gang davon. Er lief gerade so schnell, daß der „Veränderte" ihm folgen konnte. Silver schleuderte die Platte nach ihm. Das Becon in seinem Kopf verlieh ihm gigantische Kräfte. Wie ein Geschoß zischte die schwere Platte über den Gang. Doch Nukleon war verschwunden. Silver blieb keuchend stehen. Er rang heftig nacfr Luft. Er schüttelte den Kopf und rieb sich wieder die Augen. Auf dem Gang tanzten rote flimmernde Punkte, und zuckende Lichter irrten über die glatten Flächen der Wände. Nukleon bellte. Es klang wie Hohn in den Ohren des „Veränderten". Silver taumelte voran. Er erkannte den Hund jetzt wieder in den flatternden Lichtern. Er lief schneller und schneller. Pfeifend raste der Atem über seine trockenen Lippen. Es war ein Sturmlauf der Qual! Silver war noch klar genug, um die Warnung zu verstehen. Er lief langsamer und blieb schließlich stehen. Nukleon kehrte zurück. Er knurrte und lockte.
Silver sank auf den Boden. Der Atem flog ihm wild über die Lippen. Der „Veränderte" verstand es nicht mehr. Früher hatte er nie Atemschwierigkeiten gehabt. Doch nach der Operation in der Forschungsstation von Professor Will Rimson war alles anders geworden. Schon kleine Anstrengungen wie diese Verfolgung des Hundes brachten ihn in schwere Atemnot. Der Hund raste wie ein Schatten auf ihn zu. Die scharfen Zähne schnappten nach ihm — doch Nukleon biß nicht zu. Er wußte, daß der „Veränderte" nicht zu verletzen war. Er hatte es oft genug versucht. Silver sprang keuchend auf. Er stürzte sich auf den Hund, konnte ihn jedoch abermals nicht packen. Die quälende, kraftraubende Verfolgung ging weiter. Silver hatte völlig vergessen, daß sich vier Männer der „Walter Beckett" näherten. Er kam gar nicht auf den Gedanken, daß die Angriffe Nukleons mit diesen Männern in Verbindung stehen konnten. Er ließ sich hetzen. * Klickend schlugen die Stiefel seines Raumanzuges gegen die mit Becon überzogene Außenwand der „Walter Beckett". Neben ihm landeten Percip, John Haick und Mok Osgo. Rex Corda nickte den Männern zu. In dem von dem Planeten Kalta reflektierten Licht konnte er sie deutlich sehen. Sie standen direkt neben einer der kleineren Schleusen des Raumschiffes, die sich in dem Verbindungsarm zwischen den Kugeln der Hantel befanden. Rex Corda bediente das winzige Steuergerät an seinem Gürtel, mit dem sich die Schleuse öffnen ließ. Lautlos wichen die Schotts zurück. Rex Corda glitt als erster in das
weiße Licht, das die Luftschleuse füllte. Als die drei anderen neben ihm standen, schlössen sich die Schotts. Percip wartete einige Augenblicke, dann schlug er seinen Raumhelm zurück. Er strich sich mit der Fingerspitze über die rote Kerbe auf seiner Oberlippe. Ernst sah er Rex Corda an. „Hoffentlich steht der ,Veränderte' nicht hinter diesem Schott und wartet auf uns!" sagte er. „Hoffentlich hat Kim sich nicht geirrt!" gab Rex Corda lächelnd zurück. „Mit einem Gegner werden wir unter Umständen fertig — mit mehreren nicht!" „Und Sie lachen?" fragte Mok Osgo überrascht. „Weshalb?" „Ich bin froh, daß ich wieder an Bord dieses Raumschiffes bin! Mehr nicht!" antwortete Rex Corda. Seine blauen Augen lächelten. „Unser Gegner steht nicht hinter diesem Schott. Öffnen Sie, Osgo!" „Woher wissen Sie das?" Corda antwortete nicht. Er wartete, bis der Laktone das Schott geöffnet hatte. Dann trat er auf den breiten Gang hinaus, der zu den großen Hangars führte. Hier lagen mehrere diskusförmige Raumschiffe. „John — du kehrst jetzt zurück und holst Verstärkung! Je mehr Männer wir sind, desto besser ist es!" John Haick nickte. Er ging zu der nächsten Raumscheibe hinüber. Als er in das Schott kletterte, sah er Rex Corda und den beiden Laktonen nach. Sie eilten in Richtung auf die Kommandobrücke davon. * Rex Corda blieb stehen, als er den Holografen am Kugelrandabschnitt erreichte. Das Gerät befand sich neben dem Gravoschacht, der die Fahrzeughangars mit den Mannschaftsräumen
verband. Corda schaltete den Holografen ein. Verblüfft bemerkte Mok Osgo, daß der Terraner nur zweimal schalten mußte, bis der „Veränderte" auf dem Holografen erschien. Silver stand taumelnd in einem langgestreckten Hangar, der Bodengleiter und schwere Gleiterpanzer enthielt. Der Hangar befand sich in einem der Randbezirke, von denen aus eine Luftschleuse direkt hinausführte. „Nukleon!" rief Percip überrascht. Der Hund lag fünf Meter vor dem „Veränderten" auf dem Boden und sah ihn an. Deutlich hörten sie Nukleon knurren. „Der Mann ist vollkommen erschöpft!" sagte Corda. „Das verstehe ich nicht!" murmelte Percip nachdenklich. „Er ist ein ,Veränderter'! Er sollte eine Kampfmaschine mit praktisch unbegrenzten Reserven sein!" „Der Mann leidet unter Atemnot! Sehen Sie das denn nicht?" rief Mok Osgo. Der Bruder des von Teckan entflohenen Wissenschaftlers deutete erregt auf das holografische Raumbild. Jetzt sprang Nukleon auf. Wie ein brauner Blitz raste er auf den „Veränderten" los und sprang ihn knurrend an. Silver schlug nach ihm, verfehlte ihn jedoch. Der Hund prallte wuchtig gegen seine Brust und riß ihn von den Füßen. Der „Veränderte" sprang sofort wieder hoch. Keuchend rannte er hinter Nukleon her. „Nukleon hat es erfaßt!" versetzte Rex Corda. Er drehte sich heftig herum und packte Percip am Arm. „Verstehen Sie, Percip? Die ,Veränderten' sind doch deshalb bisher nie besiegt worden, weil wir sie immer angegriffen haben. Nun wird Becon immer widerstandsfähiger, wenn sie diesem Stoff Energien zuführen! Die ,Veränderten' werden um so überlegener, je energischer man sie angreift!" „Sicher!" nickte Percip. Sein Gesicht
hellte sich auf. „Nukleon macht es genau umgekehrt! Er reizt den ,Veränderten' und flieht dann vor ihm. Er zwingt ihm immer mehr Energie ab, ohne ihm welche zuzuführen!" Corda lächelte unmerklich. Die Erleichterung zeigte sich deutlich in seinem Gesicht. „So können wir ihn besiegen! Nur so, wie es Nukleon macht!" sagte er. „Kommen Sie!" Er lief den beiden Laktonen voraus. Seine emphatischen Sinne verfolgten Nukleon und den „Veränderten", deren Gefühle für ihn deutlich faßbar waren. So wußte er immer, in welchem Bezirk des riesigen Raumschiffes sie sich aufhielten. Er erreichte das Roboterdepot, das von den „Veränderten" nicht angetastet worden war. Zusammen mit den Laktonen aktivierte er fünf Roboter der Ba-3Klasse. Diese Roboter hatten eine voll humanoide Form. Ihr Kopf zeigte jedoch nur die Andeutung eines menschlichen Gesichtes. Diese Roboter waren für die Bedienung konstruiert. Sie waren nicht bewaffnet. Corda befahl ihnen mit knappen Worten, die Jagd auf den „Veränderten" aufzunehmen. Er verbot ihnen, ihn anzugreifen. Er wollte zur Kommandobrücke aufbrechen, als ihn ein leiser Schrei Mok Osgos herumfahren ließ. Osgo hatte einen der kleinen Informationsholografen eingeschaltet, die sich in jedem Raum des Hantelraumers befanden. „Sir — der ,Veränderte' hat sich einen Strahler aus der Kommandobrücke besorgt!" meldete er. „Nukleon hat sich zurückgezogen!" Corda blieb wie erstarrt auf der Stelle stehen. Damit waren ihre Chancen ungemein gefallen! Der „Veränderte" würde jetzt schießen. Er würde sie nicht verfolgen. Die Waffe konnten sie ihm nicht ab-
nehmen, weil er auch jetzt noch unbesiegbar war. Jeder Angriff würde ihm kostbare Energie zuführen, die ihn stärker machen würde. * John Kuttner setzte das Fernglas ab und sah mürrisch auf, als er zur Kommandobrücke des Kreuzers gerufen wurde. „Was gibt's denn, Mann?" fauchte er. „Ein Funkspruch!" stammelte der plankanische Offizier. „Wir können ihn nicht verstehen!" John Kuttner, der die Herrschaft über Planka und Ral an sich gerissen hatte und jetzt mit seiner Flotte vor dem Kontinent Rima stand, um Herrscher über den ganzen Planeten zu werden, stieg die enge Treppe hinab und stampfte zur Kommandobrücke hinüber. Die plankanischen Offiziere sahen ihn verängstigt an, als er zum Lautsprecher ging und ihn voll aufdrehte. Die kaum verständliche Stimme Ole Meiferts kam aus dem Gerät. John Kuttner schaltete um und meldete sich. „Was ist los, Ole?" brüllte er. Die Stimme Ole Meiferts stockte. Es dauerte fast zwei Minuten, bis er sich wieder meldete. „Die Station ist vernichtet!" verstand John Kuttner. „Die Sonnenkanone hat uns erledigt. Kann und van Busk sind tot. Sie haben die Station zu früh verlassen. Die Hitze konnte ihnen nichts anhaben, aber der Boden kochte. Sie sind versunken." Der Knopf des Lautstärkereglers zitterte in den Fingern John Kuttners. „Diese Narren!" fluchte er. „Warum haben sie nicht auf dich gehört, Ole?" Die Antwort blieb aus. Wieder rauschte und knackte es zwei Minuten in dem Gerät. „Wir haben Schwierigkeiten mit den
Laktonen!" meldete sich der Holländer dann wieder. „Bin mit einem Gleiter geflohen. Die Laktonen haben sich befreit. Sie folgen mir." „Wir hätten sie alle töten sollen!" murmelte Kuttner. Sekunden später krachte es in dem Lautsprecher. Die stockende Stimme Ole Meiferts kam noch einmal durch, dann wurde es still. Vergeblich versuchte Kuttner, erneut Kontakt mit Ole Meifert zu bekommen. Er wußte, was geschehen war. Ole Meifert hatte einen schweren Fehler begangen. Er hatte den Kontinent Ral verlassen. Jetzt hatten die Laktonen ihn und seinen Gleiter abgeschossen. Niemand und nichts konnte Ole Meifert besiegen! Die Raubfische des Meeres konnten ihm nichts anhaben. Ole Meifert würde Ral wieder erreichen — vorausgesetzt er konnte so lange schwimmen! Langsam verließ Kuttner die Kommandobrücke. Der Som auf seiner Schulter flatterte mit den bunten Flügeln. Er fühlte die heftigen Schwankungen im elektromagnetischen Strukturfeld des menschlichen Gehirns. Er glich sie aus. Als John Kuttner auf die hohen Wellen sah, die schäumend unter dem Schiff hinwegrollten, fiel ihm ein, daß Ole Meifert ihm mal gesagt hatte, daß er überhaupt nicht schwimmen konnte! Kuttner kehrte auf seinen Beobachtungsposten zurück. Die grauen Kriegsschiffe der Rimaner stampften in geschlossener Formation heran. Die Geschütze auf den Schiffen des Gegners brüllten auf. Jaulend schossen die schweren Granaten an den Kriegsschiffen Plankas vorbei. Kuttner beendete die kurze Feuerpause, in der er das Verhalten der Rimaner prüfen wollte. Die Plankaner feuerten aus allen Rohren zurück. Plötzlich fiel Kuttner auf, wie ver-
letzbar seine kleine Truppe von „Unbesiegbaren" war. Die Gefahr, daß sie während des Kampfes in den Fluten versanken, war viel zu groß! Er sprang mit einem Satz von seinem Beobachtungsstand und stürzte auf die Kommandobrücke. Er brüllte seine Befehle in das Mikrofon. Sechs „Veränderte" rückten auf Rima vor. Kuttner war allein auf dem Kriegsschiff. Die anderen fünf verteilten sich auf zwei Kreuzer! Er befahl ihnen, sich unverzüglich auf mehrere Schiffe zu verteilen. Auf keinem Schiff durfte mehr als ein „Veränderter" sein! Hastig kehrte er auf seinen Beobachtungsposten zurück. Mehrere plankanische Kriegsschiffe brannten. Einige versanken in den Wellen. Kuttner stieß einen wilden Schrei aus, als er sah, daß auch die „Xoolon" darunter war. Auf diesem Schiff fuhren zwei „Veränderte" mit! John Kuttner befahl eine sofortige Rettungsaktion, doch die angreifenden Rimaner zerstörten seine Pläne. Zwei weitere „Veränderte" fielen aus, bevor Kuttner mit seiner Streitmacht zum eigentlichen Kampf angetreten war. Nur noch vier „Veränderte" rückten jetzt auf Rima vor. * „Rex Corda!" schrie Silver. Er riß seine tödliche Energiewaffe hoch, zielte auf den Präsidenten der Erde und schoß. Der sonnenheiße Energiestrahl fauchte quer durch den Raum und bohrte sich lodernd in den Kopf Rex Cordas! Silver stieß einen Triumphschrei aus. Er wollte sich auf seinen Gegner stürzen, als der große Holograf donnernd zerplatzte. Enttäuscht ließ der „Veränderte" die Waffe fallen. Das holografische Raumbild war so überzeugend gewesen, daß er überhaupt keinen Zweifel gehabt hatte.
Mit erhobener Waffe zog Silver sich bis in den hintersten Winkel der Kommandobrücke zurück. Er zielte auf das Hauptschott. Er war entschlossen, sofort zu schießen, wenn Rex Corda auftauchte. Einer der kleineren Holografen flammte auf. Das Gesicht Rex Cordas formte sich. Die blauen Augen des Präsidenten sahen den „Veränderten" bezwingend an. „Hören Sie mir gut zu", befahl Corda. „Sie wissen, daß Sie das Schiff auf die Dauer allein nicht gegen uns halten können." „Verschwinden Sie!" keuchte Silver. „Bitte — verschwinden Sie!" Rex Corda schüttelte den Kopf. „Gehen Sie zum Hangar V! Dort finden Sie einen Diskus. Er trägt die Bezeichnung WB VIII 3. Er ist für eine Landung auf Kalta programmiert. Wenn Sie wollen, können Sie mit dieser Raumscheibe zu Ihren Freunden fliegen!" „Ich will nicht!" stieß der „Veränderte" heftig hervor. „Ich bleibe hier! Die ,Walter Beckett' gehört mir! Niemand wird sie mir abnehmen!" Corda schwieg einen Augenblick. Fieberhaft überlegte er, wie er den „Veränderten" überwältigen konnte. „Wir werden Sie zur Erde zurückbringen, wenn Sie wollen", versprach Rex Corda. „Wir werden Sie operieren lassen, damit Sie wieder gesund werden!" Die Augen des „Veränderten" leuchteten für einen Augenblick hoffnungsfroh auf, doch dann fraß die Enttäuschung tiefe Falten in sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht operiert werden!" sagte er. „Kein Messer ist scharf genug für meine Haut. Ich kann nicht verletzt werden! Nicht einmal ein Energiestrahler kann mir etwas schaden!" Er richtete die Waffe auf seine Brust.
Sein Finger legte sich auf den Knopf, mit dem er die Waffe auslösen konnte. „Nein! Tun Sie das nicht!" rief Rex Corda hastig. „Es schadet mir aber wirklich nicht!" lächelte Silver. Corda biß sich auf die Lippen. Er mußte verhindern, daß der „Veränderte" sich neue Energien zuführte. „Ich weiß es! Sie sind unbesiegbar!" versetzte er. „Auch mit einer Strahlwaffe können Sie nicht besiegt werden!" Der geistesgestörte Gigant setzte die Waffe ab. Er lächelte verzerrt. „Ja — ich bin unbesiegbar, Sir! Auch Sie können mich nicht besiegen! Ich bin der Herr dieses Raumschiffes! Und das bleibe ich auch!" Er sprang auf den Holografen zu und starrte Rex Corda mit zornigen Augen an. Er schüttelte drohend die Faust. „Mir gehört die ,Walter Beckett!' Mir!" Er schaltete das Gerät aus. * „Ich habe eine Idee!" rief Mok Osgo. „Wir schalten die Gravitationseinheiten für die Kommandobrücke aus! Wenn der ,Veränderte' schwerelos wird, braucht er sehr viel Energie, um sich zu bewegen. Er kann keine Kraft mehr aus der herrschenden Schwerkraft gewinnen!" „Ausgezeichnet!" nickte Rex Corda. „Weshalb pumpen wir nicht auch wie die ,Veränderten' ein Nervengas in die Kommandobrücke?" fragte Percip. „Damit wäre uns nicht geholfen!" lehnte Corda ab. „Der 'Veränderte' wäre zwar für den Augenblick ausgeschaltet, aber später wieder ein vollwertiger Gegner. Professor Rimson teilte mir mit, daß die Laktonen versucht haben, unseren ,Veränderten' Ralf Griffith zu vergiften. Griffith überwand die Vergiftung sehr schnell. Auch dieser 'Ver-
änderte' würde bald aus der Bewußtlosigkeit erwachen und erneut gegen uns kämpfen." „Dann müssen wir ihn töten, wenn er bewußtlos ist!" sagte Percip zögernd. Rex Corda schüttelte den Kopf. „Das ist keine Lösung, Percip!" Mok Osgo stieß einen leisen Schrei aus. Er griff nach seiner Waffe, doch als er Rex Corda lachen sah, ließ er sie im Gürtel. Nukleon trottete auf die drei Männer zu. Er lief bis zu Rex Corda und drückte ihm die Schnauze in die offene Hand. Corda erfaßte die klaren Gedanken des intelligenten Hundes. Nukleon war telepathisch begabt. Deshalb hatte er dem „Veränderten" so lange widerstehen können. Er konnte die Gedanken Silvers kontrollieren und jedem seiner Angriffe zuvorkommen. „Können Sie die Gravitationseinheiten lahmlegen?" fragte Corda den kleinen Laktonen. Mok Osgo nickte. Er ging wortlos voran. Corda konzentrierte sich auf den „Veränderten". Er hatte eine gewisse Hoffnung, sagte Percip und Mok Osgo jedoch noch nichts. * Silver schluckte hart. Sein Hals schmerzte. Er fühlte sich erschöpft. Er hatte Hunger und Durst. Doch jetzt wollte er die Kommandobrücke nicht verlassen. Hier fühlte er sich sicher und unangreifbar. Er legte seinen Strahler neben sich auf den Computer. In diesem Augenblick verlor er alles Gewicht. Eine unwillkürliche Bewegung schleuderte ihn aus der Ecke hoch. Silver trieb schwerelos gegen die Decke des Kommandoraumes. Wild schlug er mit den Armen um sich. Diese Bewegungen kosteten ungeheuer viel Energie. Das Gefühl ständigen Fallens verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. Verzweifelt
kämpfte Silver um ein Gefühl der Stabilität. Jetzt schöpfte er nur noch aus dem Licht, das auf ihn fiel, etwas Energie. Aber das genügte jetzt nicht mehr. Mit jeder Bewegung gab er das Hundertfache der Energiemenge ab, die er in sich aufnehmen konnte. Er fühlte, wie die Kräfte von ihm abfielen. Sein Atem ging heftig und hart. Die Lunge schmerzte. Silver stieß sich vorsichtig von der Decke ab, um das Steuerpult des Raumschiffes erreichen zu können. Doch er stieß sich viel zu vorsichtig ab. Der Schwung reichte nicht aus. Hilflos blieb Silver über dem Steuerpult hängen. Aus weiten Augen starrte er auf den hochgewachsenen Mann mit den zwingenden blauen Augen, der in diesem Augenblick die Kommandobrücke betrat. Rex Corda trug einen Raumanzug, aber er hatte den Helm zurückgeschlagen. Die dem Raumanzug inkorporierten Gravitationseinheiten drückten den Terraner fest auf den Boden der Kommandobrücke. Corda konnte mit dem überzeugenden Gefühl normaler Schwere durch den Raum gehen. Er schritt zu der Ecke hinüber, in der Silver gesessen hatte. Fünf Zentimeter über dem Computer schwebte der Strahler. Rex Corda nahm die Waffe an sich. „Schießen Sie doch auf mich!" keuchte Silver atemlos. Rex Corda schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist genau das, was ich auf gar keinen Fall tun werde!" sagte er. Er beobachtete den „Veränderten", der mit Ruderbewegungen seine Lage zu verändern suchte — und es nicht schaffte. Er kontrollierte die Gefühle Silvers. Das bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Corda tastete sich behutsam an den gestörten Geist des Gegners heran und dämpfte die Erregung Silvers. Der „Veränderte"
wurde von Augenblick zu Augenblick ruhiger. Seine Gesichtszüge entspannten sich. Er schloß die Augen. Corda merkte, daß er das Bewußtsein verloren hatte. Die Erschöpfung hatte ihn übermannt. Corda verließ die Kommandobrücke. Percip und Mok Osgo hielten sich im Vorraum auf. Hier herrschte normale Bordgravitation. Deshalb konnte auch Nukleon, der Schäferhund Will Rimsons, sich hier aufhalten. „Bitte, nehmen Sie jeder einen Diskus und fliegen Sie nach Rima, um die Besatzung hierherzubringen!" sagte Corda. Die beiden Laktonen nickten wortlos und verließen den Raum. * Die beiden Raumscheiben rasten mit hoher Geschwindigkeit in die aufglühende Atmosphäre des Planeten hinein. Sie standen miteinander in Funkverbindung. „Achtung, Osgo! Ich habe gerade eine Verbindung mit John Haick bekommen!" meldete sich Percip. „Die ,Veränderten' greifen Rima jetzt mit einer Flotte an. Die Kämpfe haben begonnen. Deshalb ist John Haick noch nicht zur Startanlage unserer Rakete geflogen. Er versucht, den Kampf zu verhindern!" Mok Osgo schaltete einen der anderen Holografen ein. Jetzt erschien auch bei ihm das Raumbild John Haicks. Der junge Physiker schwitzte. Er sah zornig aus. „John Kuttner ist nicht zur Vernunft zu bringen!" berichtete er. „Percip — können Sie mir helfen?" „Natürlich, John!" antwortete der Laktone. Er wandte sich an Mok Osgo. „Bitte, fliegen Sie allein zu dem Startplatz und bringen Sie einige Männer zur ,Walter Beckett'!"
Mok Osgo wollte Einwände machen, doch Percip hatte schon abgeschaltet. Auf dem Außenholografen sah Mok Osgo, daß der Diskus des Laktonen abdrehte und dann auf die nordrimanische Küste zuflog. Mit einem dumpfen Gefühl des Unbehagens steuerte Mok Osgo seinen Diskus auf das Tal zu, in dem sie gestartet waren. Er sah, daß der Diskus Percips in der Nähe der Hauptstadt in die Wolken tauchte. Von den kämpfenden Flotten konnte Mok Osgo nichts sehen. Die Wolken verbargen sie. Langsam senkte er den Diskus herab. Mit mäßiger Fahrt flog er in das Tal ein. Die Startschienen lagen jetzt von allem tarnenden Buschwerk entblößt unter ihm. Mok Osgo erkannte zahlreiche Männer, die die Anlage inspizierten. Sie sahen zu ihm hinauf und winkten. Mok Osgo lächelte. Er ließ den Diskus etwas wackeln, um den Männern zu zeigen, daß er sie gesehen hatte. Dicht unter dem Berg landete er. Er stieß das Schott auf und sprang auf den felsigen Boden hinab. Die Männer der „Walter Beckett" stürzten aus den Felsen hervor. Sie winkten ihm aufgeregt. Er winkte zurück. Lachend wehrte er ihre Fragen ab. „Es hat alles geklappt!" schrie er, um ihren Lärm zu übertönen. Er sah, daß sich Fan Kar Kont durch die dichte Gruppe schob. Die Terraner machten ihm respektvoll Platz. „Rex Corda ist auf der ,Walter Beckett'. Ein ,Veränderter' ist noch da. Corda hat ihn ausgeschaltet. Ich soll jetzt einige Männer holen, die das Schiff bedienen können, damit wir es aus der Kreisbahn holen können, um alle wieder an Bord zu bringen." „Moment!" schrie eine wütende Stimme. Sie übertönte die aufgeregt durcheinanderredenden Männer. Bir Osgo drängte sich heftig nach vorn. Ihm machten die Terraner nur zögernd Platz.
„Moment! Mok Osgo — warum schickt Rex Corda ausgerechnet dich? Warum nicht Percip oder John Haick?" Mok Osgo biß sich auf die Lippen. Er übersah die haßerfüllten Augen seines Bruders. Er rührte sich nicht, als sich die Hände Bir Osgos in seinen Raumanzug krallten. „Rima und Planka stehen im Kampf miteinander", sagte er ruhig. „Die Flotte Plankas hat die rimanische Küste erreicht. John Haick und Percip sind mit ihren Raumscheiben zum Kampfplatz geflogen, um die Schlacht zu verhindern!" „Dazu wärest du doch viel geeigneter gewesen — oder etwa nicht?" brüllte Bir Osgo. Er war blind vor Zorn. „Du hast schließlich jahrelang den Haß der beiden kaltanischen Völker gegeneinander geschürt! Du hast sie gegeneinander aufgewiegelt! Dieser Krieg geht auf dein Konto! Bist du jetzt zu feige, dich den Kaltanern zu stellen?" Fan Kar Kont blieb vor Mok Osgo stehen. Seine gestreifte Stirn krauste sich. Die respekteinflößende Persönlichkeit des Chefwissenschaftlers zwang die Männer der „Walter Beckett" zur Ruhe. Jeder hatte die Worte Bir Osgos gehört. Jeder wartete jetzt auf die Antwort seines Bruders. Doch die kam nicht. Mok Osgo sah Fan Kar Kont kühl in die Augen. „Ihr Bruder hat nicht ganz unrecht," sagte Fan Kar Kont ruhig. „Sie wären tatsächlich eine wichtige Schlüsselfigur. Sie könnten die Flotten zurückhalten!" „Vergessen Sie nicht, daß die Plankaner von den ,Veränderten' geführt werden!" erinnerte Mok Osgo. „Du willst nur ablenken!" schrie Bir Osgo. Der kleine Organisationstechniker stand mit zuckenden Wangen vor seinem Bruder. Seine schmalen Schultern bebten. Der von heftigen Minderwertigkeitskomplexen geplagte Laktone schien keine Vernunft mehr zu
kennen. Er drehte sich jetzt zu der Besatzung der „Walter Beckett" um. „Er hat einen ganz anderen Plan! Er will die ,Walter Beckett' für die Laktonen! Aber allein schafft er es nicht. Er braucht einige Männer, die ihm helfen, das Raumschiff zu fliegen!" „Das ist nicht ganz logisch, Osgo", versetzte Fan Kar Kont ruhig. „Aber es ist so!" schrie der Organisationstechniker. „Wo sind denn Haick und Percip? Ich behaupte, er hat sie ermordet!" „Das ist Unsinn!" sagte Mok Osgo. „Fan Kar Kont — bitte gehen Sie an den Holografen und rufen Sie John Haick oder Percip. Es wird sich alles aufklären!" „Das werde ich auch tun!" nickte der Chefwissenschaftler. „Und was passiert, wenn er uns verraten hat?" fragte Bir Osgo. Er stellte sich vor das Schott, so daß der Chefwissenschaftler nicht ins Schiff konnte. „Dann wird er das Schicksal erleiden, das einem Verräter zukommt!" versprach Fan Kar Kont grimmig. Er stieg in den Diskus. Mit ruhigen Schritten ging er zum Holografen und schaltete ihn ein. Er rief John Haick und Percip. Als sie sich nicht meldeten, schaltete er um auf die „Walter Bekkett". Mok Osgo wußte nicht, daß der große Holograf auf der Kommandobrücke der „Walter Beckett" zerstört war. Er konnte es Fan Kar Kont nicht sagen. Mit wachsendem Entsetzen verfolgte er die Bemühungen Fan Kar Konts. Keiner der drei Gesuchten meldete sich! Mit steinernem Gesicht kehrte Fan Kar Kont aus dem Diskus zurück. Keiner der Männer sprach ein Wort. Aller Augen richteten sich auf Mok Osgo. Bir Osgo senkte den Kopf. Schweigend ging er zu den Höhlen im Felsen hinüber. Die Terraner machten ihm
bereitwillig Platz. „So glauben Sie mir doch, daß ich die Wahrheit gesagt habe!" rief Mok Osgo beschwörend. Fan Kar Kont zog schweigend seinen Strahler aus dem Gürtel. Er justierte ihn auf Nadelschuß. „Das dürfen Sie nicht tun!" stammelte Mok Osgo. „Bitte, glauben Sie mir doch!" * Rex Corda schaltete den kleinen Holografen um zur Bordklinik. Er befahl einem Medo-Robot, auf die Kommandobrücke zu kommen. Silver, der „Veränderte", schwebte bewußtlos über ihm. Corda setzte die Leistung der Gravitationseinheiten in seinem Raumanzug herab. Das Gewicht wich von ihm. Es gelang ihm mühelos, den „Veränderten" mit einem leichten Sprung zu erreichen. Er ergriff ihn, regulierte die Gravitation an seinem Raumanzug und zog den „Veränderten" auf den Boden herab. Er nahm einen kleinen Metallstift aus einer der zahlreichen Taschen seines Raumanzuges. Er drückte ihn gegen die Haut Süvers. Die Haut war weich und nachgiebig. Corda zog den Stift mit der Spitze scharf über die Fingerkuppe des „Veränderten". Ein dicker Tropfen Blut schoß aus der kleinen Wunde. Corda lächelte erleichtert. Der Medo-Robot kam auf die Kommandobrücke. Es war ein Roboter der Ba-3-Klasse. „Dieser Mann muß operiert werden" erklärte Corda. „Die Operation ist unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit durchzuführen. Der Mann hat eine kleine Schale aus einem Kunststoffmaterial im Hinterkopf. Sie ist direkt mit den wichtigsten Nervenzentren verbunden. Die Schale ist zu entfernen. Anschließend ist das Hirn des Operier-
ten genau zu überprüfen." Rex Corda verließ die Kommandobrücke. Er wußte, daß der „Veränderte" bei dem Medo-Robot gut aufgehoben war. Es konnte jetzt nichts mehr passieren. Die Becon-Schale würde entfernt werden. Damit war Silver wieder ein normaler Mensch mit ganz normalen Eigenschaften. Corda ging in die Funkzentrale hinüber. Der große Holograf war eingeschaltet. Er zeigte das Bild Kaltas. Rex Corda sah den großen Sonnenspiegel, mit dem sie die laktonische Station auf Ral ausgeschaltet hatten. Siedend heiß fiel ihm ein, daß der Sonnenschirm im Süden Plankas noch immer seine sengenden Strahlen herabschickte. Hastig eilte er in den Feuerleitstand hinüber. Nur mit den schweren Bordgeschützen war der Schirm zu vernichten. In aller Eile, aber mit kühler Überlegung bereitete Corda die Abschußaktion vor. Er wunderte sich ein wenig, daß noch keine der drei Raumscheiben zurückgekehrt war. * John Haick raste mit seinem Diskus dicht über die kämpfenden Flotten hinweg. Der Luftdruck preßte die Schiffe tief in die tobenden Wellen hinab. Die Plankaner feuerten jetzt mit ihren schweren Kanonen auf den Diskus, aber die Granaten platzten harmlos in den sicheren Schutzschirmen. Der Holograf lief. John Haick forderte die Parteien mit energischer Stimme auf, den Kampf einzustellen. Auf einem zweiten Holografen sah er jetzt den Diskus Percips, der ihm in einigen hundert Metern Entfernung folgte. „Sie antworten einfach nicht!" rief Percip. Sein Gesicht tauchte auf dem Holografen auf. „Sie haben doch Funkgeräte. Sie müssen uns empfangen kön-
nen!" Percip schaltete sich mit dem Frontgeschütz seiner Raumscheibe ein. Er schoß einen fingerdicken Energiestrahl zwischen die Front der beiden Flotten. Das Wasser brodelte auf. Gischt und Dampfwolken zeichneten den Verlauf der Front. Und jetzt schwiegen plötzlich die Geschütze. Der Holograf im Diskus John Haicks sprach an. John erkannte die heisere Stimme von John Kuttner. „Halten Sie sich heraus, John Haick!" brüllte der „Veränderte". „Das ist jetzt allein unsere Sache!" „Sie irren sich, Kuttner! Jetzt entscheiden wir! Wer jetzt noch einen einzigen Schuß abfeuert, verliert den Krieg! Wir werden uns auf die Seite der anderen stellen!" kündigte John Haick an. „Sie können den Krieg nicht so einfach beenden, wie Sie sich das vorstellen, Haick!" lachte Kuttner. „Hier müssen neue Fronten gesteckt werden. Laktons Einfluß ist beendet. Wir denken nicht daran, Rima über uns bestimmen zu lassen!" „Wir müssen verhandeln!" meldete sich eine andere Stimme. Sie wurde durch Störungen verzerrt. „Ich bin mit Verhandlungen einverstanden", rief Kuttner. „Kommen Sie auf mein Schiff und verhandeln Sie!" „Wir fliegen zur Küste und erwarten Sie dort!" antwortete Percip. „Kommen Sie mit Ihrem Oberkommando. Wir werden uns mit einer Delegation der Rimaner treffen. Ich habe beiden Völkern interessante Nachrichten zu überbringen!" Die Bestätigungen der beiden Parteien kamen fast sofort. Die Rimaner waren jetzt schon ziemlich sicher, daß nur die Laktonen an dem gefährlichen Streit mit dem Brudervolk schuld waren. Die Plankaner hatten keine
Wahl. Für sie entschied John Kuttner — und der handelte nicht in ihrem Interesse! Kuttner hatte nur einen Wunsch! Er wollte Kalta so schnell wie möglich verlasseh! Die beiden Diskusraumschiffe standen auf einem felsigen Küstenstreifen. John Haick und Percip hatten ihre Raumschiffe verlassen. Sie erklärten den Rimanern, was vorgefallen war. Die Verständigung erwies sich als sehr schwierig, obwohl die Rimaner die laktonische Sprache im wesentlichen verstanden. Ein großes Kriegsschiff stampfte auf die Küste zu. Es trug ein großes weißes Tuch am Mast. Es war das Schiff John Kuttners. Es ankerte kurz vor der Küste. Ein kleineres Boot wurde herabgelassen. „Ich werde in den Diskus zurückgehen!" sagte Percip. „Okay", nickte John Haick. „Falls es Schwierigkeiten gibt, nehmen Sie keine Rücksicht! John Kuttner wird vielleicht versuchen, einen Diskus an sich zu bringen! Das darf auf gar keinen Fall geschehen!" Percip hörte das Rufzeichen, als er sich seinem Diskus näherte. Er ging ein wenig schneller. Vor dem Schott drehte er sich um und sah zurück. Das Rufzeichen schwieg. John Kuttners Boot legte in diesem Augenblick an. Percip sah, daß der „Veränderte" noch einen anderen Terraner mitgebracht hatte. Zusammen mit vier Plankanern, hohe Offiziere in weißen Uniformen, kamen die „Veränderten" heran. Sie blieben wenige Meter vor John Haick und den Rimanern stehen. Wieder ertönte das Rufzeichen. „Moment, Kinder", murmelte Percip. „Im Augenblick habe ich wirklich keine Zeit — und so wichtig wird's wohl jetzt nicht mehr sein!" Der auf der laktonischen Kolonie Lithalon geborene Agent konnte nicht
wissen, daß das Schicksal Mok Osgos auf dem Spiel stand. Er kümmerte sich nicht um den Holografen und setzte sich an den Feuerleitstand des Raumschiffes. Er schaltete den Außenholografen ein. Deutlich zeichnete sich die Szene vor ihm ab. Percip sah das lachende Gesicht John Kuttners. Der „Veränderte" sah zu ihm herüber. In diesem Augenblick fiel Percip auf, daß er das Schott nicht verschlossen hatte! Kuttner konnte den Diskus John Haicks auf gar keinen Fall an sich bringen, weil das Schott verschlossen war! Aber er konnte . . . In diesem Augenblick begannen die beiden „Veränderten" bereits mit ihrem Sturmlauf. Percip zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. Da sah er, wie unwahrscheinlich schnell die beiden Männer liefen. Er erfaßte sofort, daß sie das Schott vor ihm erreichen würden. Er hieb die Feuertaste herunter. Die Bordgeschütze brüllten auf. Percip konnte jedoch nur mit beschränkten Mitteln kämpfen. Er durfte die Rimaner und John Haick nicht gefährden. John Haick drängte die Rimaner zum anderen Diskus. Der Glutstrahl schoß den beiden „Veränderten" fauchend entgegen. John Kuttner lachte wild. Die gleißenden Energiestrahlen bohrten sich ihm direkt in die Brust — aber er lachte. Er nahm die Energie mit spielerischer Leichtigkeit auf. Percip richtete die Strahler blitzschnell auf den Boden vor den beiden „Veränderten". Die Erde brodelte sofort unter der Titanenglut auf, doch Kuttner wich geschickt aus. Seine Füße versanken nicht in der Glut. Da gab Percip den nutzlosen Versuch auf und tat, was er längst hätte tun müssen. Er sprang zum Kommandostand hinüber und versuchte zu starten. Die Motoren des Raumschiffs heulten
auf. Blitzschnell warf er die Hebel für das Schott herum. Der Diskus löste sich vom Boden. Vom noch offenen Schott her tönte das wilde Lachen Kuttners. Der bunte Schmetterling auf seiner Schulter flatterte verzweifelt. Percip sah über die Schulter zurück. Kuttner schwang sich in die Schleuse. Der andere „Veränderte" folgte ihm sofort. Percip sprang auf. Der Diskus schoß mit rasender Fahrt in die Höhe, kippte dann jedoch ab und jagte schräg in die Tiefe. Die schäumenden Wellen des Meeres sprangen auf sie zu. Kuttner schleuderte Percip mit einer lächelnden Geste aus dem Weg. Percip flog gegen die Computerwand. Er wollte sich auf Kuttner stürzen, doch der andere „Veränderte" stellte sich ihm in den Weg. Er schlug mit der Hand von oben auf den Kopf des Laktonen. Bewußtlos brach Percip zusammen. Kuttner fing den Diskus dicht über den Wellen ab. Er warf den kleinen Hebel herum, der das Schott öffnete. „Wirf ihn hinaus!" befahl er. Der „Veränderte" nahm Percip auf, zog ihn zur offenen Schleuse und warf ihn hinaus. Percip fiel fünf Meter tief. Dann klatschte er in die dunklen Wellen des von Raubfischen verseuchten Meeres. * Der gleißende Blitz verließ die Energieprojektoren und zerblies den großen Sonnenspiegel, der zum Todesstrahler geworden war, zu Staub. Der Süden des Kontinents Planka lag unter gewaltigen Wolken verborgen. Rex Corda konnte an den Bewegungen der Wolken erkennen, daß die Naturgewalten in rasende Bewegung geraten waren. Für den Süden Plankas war die Katastrophe noch nicht beendet!
Corda wußte, daß er jetzt nichts für die Plankaner tun konnte. Er wollte die Geräte abschalten, als er die blitzenden Ortungsreflexe bemerkte. Er zählte dreißig Punkte. Er schaltete den Computer ein und ließ die Ortungsdaten auswerten. Sekunden später schon hatte er die Antwort. Eine Flotte von dreißig Raumschiffen der Trakon-Klasse flog das System an! Trakon-Klasse — das bedeutete, daß Lakton eingriff! Die Raumkreuzer der Trakon-Klasse gehörten zu den stärksten Waffensystemen der Laktonen. Diese Raumschiffe waren über zweitausend Meter lang. Die „Walter Beckett" war ein harmloser Zwerg gegen diese Kolosse! Der Medo-Robot erschien auf dem Waffenleitstand und meldete dem Präsidenten, daß die Operation an dem „Veränderten" ohne Komplikationen abgeschlossen worden war. Rex Corda hörte ihn nicht. Er konzentrierte sich ganz auf die Ortungsschirme. Er suchte den Raum ab, aus dem die Diskusraumer mit der Besatzung der „Walter Beckett" kommen mußten. Er atmete auf, als er einen Diskus entdeckte, der sich dem Hantelraumer mit hoher Geschwindigkeit näherte. Er schaltete den Holografen ein. „WB-Diskus bitte melden!" sagte er. Der Holograf blieb tot! „Diskus — sofort melden!" rief Corda mit scharfer Stimme. „Hier spricht Präsident Corda in der ,Walter Beckett'! Wenn keine Meldung erfolgt, wird der Diskus abgeschossen!" Der Holograf flammte nicht auf! Rex Corda zögerte keine Sekunde. Er richtete die Waffen aus. Der Diskus vergrößerte sich rasend schnell. Er lag genau im Kampffeld der Energiegeschütze. „Letzte Warnung!" sagte Corda mit unbeteiligter Stimme. „Ich werde den
Diskus zerstören, wenn keine Meldung erfolgt!" Jetzt flammte der Holograf auf. Rex Corda starrte in das schweißüberströmte, zuckende Gesicht John Kuttners. „Das werden Sie schön bleibenlassen, Corda! Lassen Sie uns in die ,Walter Beckett'!" schrie der „Veränderte." Rex Corda preßte die Lippen zusammen. „Sie lassen mir keine Wahl, Kuttner!" sagte er. „Legen Sie sofort einen anderen Kurs an! Ich werde in genau drei Sekunden schießen!" „Dann sind wir schon da!" brüllte der „Veränderte". Gleichzeitig lösten sich mehrere Raketen aus dem Diskus. Sie stoben auf flammenden Schweifen auf die „Walter Beckett" zu. Rex Corda hatte jetzt wirklich keine Wahl mehr. Wenn er die „Walter Bekkett" retten wollte, dann mußte er die Besatzung so schnell wie möglich auf das Schiff haben. Kuttner beachtete die Warnung nicht. Rex Corda schoß. Sekunden später meldete sich John Haick. Sein Gesicht war bleich und verzerrt. Es entspannte sich erst, als Rex Corda ihm beruhigend zunickte. „Kuttner war verdammt schnell, Rex! Er hat uns alle überrumpelt!" „Wo ist Percip?" „Die Rimaner haben ihn gerade eben aus dem Meer gefischt. Er ist okay!" „Wo ist Mok Osgo? Ich höre nichts von ihm!" John Haick zuckte zusammen. „Geht denn heute alles schief?" fragte er erregt. „Mok Osgo verschwunden? Die Plankaner greifen jetzt auch wieder an! Die 'Veränderten' machen die Plankaner verrückt!" „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren! Du kannst den Kampf nicht mehr aufhalten! Ich brauche die Besatzung
sofort! Eine Lakton-Flotte fliegt das System an! Sie werden uns erledigen, wenn ich die Besatzung nicht habe!" rief Corda. „Ich starte jetzt!" antwortete John Haick. „Ich melde mich sofort wieder. Ich werde versuchen, Mok Osgo zu erreichen!" * „Sehen Sie — dort!" schrie Bir Osgo. Er zeigte in den Himmel hinauf. Sie alle sahen den Diskus, der mit phantastischer Geschwindigkeit auf den Raumabschnitt zujagte, in dem die „Walter Beckett" stand. Fan Kar Kont hastete in den Diskus, mit dem Mok Osgo gekommen war. Er schaltete hastig am Holografen, aber der Diskus gab keine Antwort. In diesen Augenblicken dachte der Chefwissenschaftler nicht daran, den zweiten Diskus zu rufen. Er stand mit steinernem Gesicht auf und verließ den Diskus abermals. „Was haben Sie zu sagen, Osgo?" fragte Fan Kar Kont den kleinen Laktonen. „Die Männer, die den Diskus fliegen, antworten nicht. Wenn John Haick darin wäre oder Percip, dann würden sie antworten. Also sind unsere laktonischen Brüder in dem Raumfahrzeug. Sie haben uns verraten, Mok Osgo. Jetzt glaube ich auch daran!" Der kleine Laktone antwortete nicht. Er sah mit starrem Blick an dem Chefwissenschaftler vorbei. Auch seinen Bruder sah er jetzt nicht mehr. „Antworten Sie, Mok Osgo!" Der laktonische Offizier lächelte bitter. „Warum, Fan Kar Kont? Sie würden mir doch nicht glauben!" sagte er. „Ich möchte Sie nur noch warnen. Sie haben den Diskus. Fliegen Sie damit sofort zur ,Walter Beckett' und verlassen Sie dieses System. Der Kommandant der
Station auf Ral hat Lakton selbstverständlich über das Auftauchen der ,Veränderten' informiert. Ich rechne damit, daß bald eine laktonische Flotte hi' auftaucht, um die ,Veränderten' aufzunehmen. Wenn Sie und Ihre Freunde dann noch hier sind, war Ihre Flucht von Teckan umsonst. Also — beeilen Sie sich!" Fan Kar Kont preßte die Lippen zusammen. Seine Augen beobachteten den Offizier wachsam. Bir Osgo kam langsam heran. Seine Lippen zuckten unsicher. „Er kann die Wahrheit gesagt haben, Kont", sagte Bir Osgo. „Natürlich! Wir hätten selbst auf diesen Gedanken kommen müssen. Die ,Veränderten' haben das Gleichgewicht, das dieser Mann hier zusammen mit dem Kommandanten geschaffen hat, gestört. Lakton konnte diese Welt plötzlich nicht mehr so ausplündern wie vorher. Deshalb wurde Lakton benachrichtigt. Auf Kalta sind keine Raumschiffe stationiert. Deshalb kann die Station allein mit einer Situation wie dieser nicht fertig werden. Wir müssen uns wirklich beeilen!" Professor Will Rimson schob sich langsam durch die Männer der „Walter Beckett", die Mok Osgo einschlossen. „Genug jetzt!" sagte er energisch. „Wir haben keine Zeit für diese Privatstreitereien. Lassen Sie Mok Osgo laufen!" Der Professor wirkte ungemein überzeugend. „Ich kann das nicht zulassen!" stieß Bir Osgo heftig aus. „Professor — dies ist eine rein laktonische Angelegenheit!" Fan Kar Kont legte Will Rimson die Hand auf den Arm. „Wir haben andere Gesetze, Professor. Wir haben auch ganz andere Ansichten über das Verhalten Mok Osgos. Bitte, lassen Sie uns entscheiden —
auch dann, wenn Sie mit unserem Urteil nicht einverstanden sind!" Rimson biß sich auf die Lippen. Er wich langsam zurück. Er spürte die ungeheure Erregung, die die Laktonen erfaßt hatte. Er merkte, daß er jetzt nichts mehr für Mok Osgo tun konnte, wenn es nicht zu einem Zerwürfnis mit den Wissenschaftlern kommen sollte. Einer der laktonischen Wissenschaftler nahm den Arm Mok Osgos. Er führte den kleinen Laktonen bis zu der steil aufragenden Felswand. Die Terraner wichen zur Seite. Sie bildeten eine Gasse. Fan Kar Kont hob seinen Strahler. Er stand Mok Osgo allein gegenüber. Bir Osgo preßte die Hände vor das zuckende Gesicht. * John Haick schaltete den Holografen mit bebenden Händen um. Scharf sprang das schreckliche Bild auf ihn zu. Er sah Mok Osgo ganz deutlich. Ihm gegenüber stand Fan Kar Kont. Das von Tigerstreifen überzogene Gesicht glänzte unheimlich in der matten Sonne. John hatte keine Wahl. Er warf den kleinen Hebel herum, als Fan Kar Konts Kopf genau im Fadenkreuz war. Blaffend schossen die Schockwellen aus dem Abstrahltrichter. Fan Kar Kont brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Seine zuckenden Finger lösten die Strahlwaffe aus. Ein nadeldünner Glutstrahl fauchte dicht am Kopf Mok Osgos vorbei und bohrte sich in den Fels. Mit einem tollkühnen Manöver landete John Haick den Diskus. Das Schott knallte auf. John sprang hinaus. Er starrte auf zahllose Strahler, die sich auf ihn richteten. „Was geht hier vor?" rief der Physiker erregt. Er sah, daß Mok Osgo erschöpft gegen den Fels taumelte. Ein
unendlich erleichtertes Lächeln entspannte sein Gesicht. „Wollt ihr den einzigen Laktonen umbringen, der sich auf Kalta eindeutig auf unsere Seite geschlagen hat?" „Das ist nicht wahr!" schrie Bir Osgo. Der kleine Organisationstechniker taumelte auf seinen Bruder zu. Er packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. Ein trockenes Würgen erstickte die Worte in seinem Hals. „Ich kann mich doch nicht so geirrt haben!" Mok Osgo lächelte. „Rex Corda wartet!" versetzte er ruhig. „Er ist allein in der ,Walter Bekkett'! Er braucht seine Mannschaft!" Die Männer stürzten auf die Raumscheiben zu. Sie drängten sich hinein. Wenige Minuten später starteten die beiden Raumfahrzeuge. Bir Osgo stand noch immer bei seinem Bruder. Sie sahen aus wie Zwillinge. Es gab nur ganz geringe Unterschiede. * Hag Rithon, der Präsident von Rima, sah mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung in den Himmel hinauf, als das riesige Raumschiff sich auf die Ebene herabsenkte. Das Raumschiff sah aus wie eine gigantische Hantel. Als die großen Landeteller auf das Land patschten, brachen sie tief ein. Gischtende Wasserfontänen schossen hoch. Hag Rithon sah zu den mächtigen Rohren hinauf, die sich auf die Flotte der Plankaner gerichtet hatten und sie beherrschten. Rithon schlug sich die Kapuze seines leichten Umhanges über den Kopf. Das seidige Fell, das seinen Körper bedeckte, schützte nicht ausreichend gegen den eisigen Wind, der vom Meer her kam. Ein breites Tor öffnete sich. Es war so groß, daß eines der Kriegsschiffe
hätte hineinfahren können. In der Öffnung erschienen mehrere Männer. Hag Rithon erkannte den Mann wieder, dessen kühle, beherrschende Augen ihn so fasziniert hatten. Der Mann war viel größer als Rithon. Er war selbstbewußt wie ein Laktone, und er schien immer zu wissen, was richtig war. Der Präsident Rimas wurde sich plötzlich bewußt, daß dieser Mann mit seinem Raumschiff über mehr Macht verfügte als er, der die Hälfte des Planeten Kalta beherrschte. Von Norden her kamen zwei schnelle Fahrzeuge. Hag Rithon lächelte. Er ging langsam auf Rex Corda zu, um ihn zu begrüßen. Die beiden Männer in den weißen Fahrzeugen kamen, um sich an den kommenden Verhandlungen zu beteiligen. Sie waren neben Rithon die reichsten Männer von Rima. Mit ihm zusammen beherrschten sie den ganzen Staat durch ihre wirtschaftliche Macht. Hag Rithon sah zu Rex Corda auf. Er lächelte. Rex Corda blieb ernst. „Die Laktonen kommen", erklärte er. „Sie werden versuchen, diese Welt abermals zu unterwerfen." Hag Rithon erbleichte. Er taumelte unter der Wirkung der Mitteilung. Mit einem Schlage begriff er wirklich, wie unsinnig der Krieg gegen Planka war. Er drehte sich um und rief seinen Offizieren einige Befehle zu. Wenig später schon führten sie hohe plankanische Offiziere herbei, die zu Verhandlungen eingetroffen waren. Rex Corda erklärte auch ihnen mit Ga-Vengas Hilfe die Situation. „Es wäre absolut sinnlos, jetzt noch weiterzukämpfen", sagte er abschließend. „Niemand von euch weiß, worum ihr wirklich gekämpft habt. Es gibt keinen wirklichen Grund für euren Haß gegeneinander. Wenn es bisher Streit gegeben hat, dann war weder Rima noch Planka schuld daran, sondern
allein Lakton. Lakton wollte Perke haben. Dafür zahlte die Handelsstation Waffen. Ihr konntet Waffen nur dann gebrauchen, wenn ihr im Streit miteinander lagt. Deshalb schürten die Laktonen den Streit, um euch möglichst viel Waffen verkaufen zu können." Rex Corda lächelte. Er fühlte, wie sich die Kaltaner entspannten. Der Haß verschwand aus ihren Seelen. Dem Empha-ten Corda blieb diese Entwicklung nicht verborgen. Er versuchte, sie zu verstärken, indem er mit parapsychischen Mitteln auf die Kaltaner einwirkte, um ihren Haß ganz zu beseitigen. „Wichtige und große Aufgaben sind zu erfüllen", fuhr er nach einer Pause fort. „Das Land bricht euch unter den Füßen weg. Ihr müßt es absichern. Ihr müßt es dem Meer wieder abnehmen, sonst werdet ihr bald alle sterben." Percip, der dicht hinter Rex Corda stand, beugte sich leicht vor. „Sir — die 'Walter Beckett' fängt bereits Funksprüche der Laktonen auf! Es wird Zeit, daß wir starten!" Corda nickte. „Wo sind die letzten ,Veränderten'?" fragte er leise. „Sie sind während der Schlacht mit ihrem Schiff untergegangen. Es gibt keine ,Veränderten' mehr auf Kalta!" antwortete der Laktone. Ein Junge kam über den Platz gelaufen. Er hatte langes schwarzes Haar. Unzählige Sommersprossen rahmten seine Augen ein. „Rex!" rief er. „Rex — wir müssen Wabash noch holen!" Rex Corda lächelte. Er legte dem Jungen die Hand auf den Kopf. Er sah die verblüfften Augen Hag Rithons. „Das ist mein Bruder, Präsident!" sagte er. * Donnernd jagte die „Walter Beckett"
in den Himmel Kaltas hinauf. Rex Corda saß in einem der breiten Andrucksessel in der Zentrale des Raumschiffes. Sein Gesicht war ernst. Voller Sorge sah er auf den Holografen vor sich. Auf ihm zeichneten sich in aller Deutlichkeit die dreißig Schlachtschiffe der laktonischen Flotte ab. „Glaubst du wirklich, daß Mok Osgo uns nicht verraten wird?" fragte John Haick leise. „Ich weiß es nicht!" antwortete Corda. „Willst du ihn wirklich gehenlassen?" „Ich werde seinen Wunsch respektieren!" Rex Corda beugte sich vor. Der Funkleitoffizier erschien auf dem holografischen Raumbild vor ihm. „Nehmen Sie Kontakt mit der laktonischen Flotte auf und schalten Sie dann zu mir herüber!" befahl er. Endlos langsam verstrichen die Sekunden. Die Flotte des Gegners kam rasend schnell näher. Die „Walter Bekkett" stand nur hunderttausend Kilometer über Kalta. Auf den Holografen konnten die Männer auf der Kommandobrücke den blauen Planeten sehen, der sich unter ihnen wegdrehte. Der Holograf flammte auf. Das kantige arrogante Gesicht eines hohen laktonischen Offiziers schälte sich aus den flatternden Farbreflexen. Ga-Venga trat leise hinter den Sessel Rex Cordas. Der Mann mit der knabenhaften Gestalt konnte gerade über den sitzenden Terraner hinwegsehen. „Was wollen Sie von uns, ,Walter Beckett'?" fragte der Laktone unwirsch. „Mein Name ist Rex Corda", sagte der Präsident. Seine kühlen blauen Augen richteten sich auf den Offizier. „Ich hatte Berührung mit den Bewohnern von Kalta. Es hat sich einiges geändert auf dieser Welt!" Der Laktone verengte die Augen. Die Falten um seinen scharfgeschnittenen
Mund strafften sich. Lauerndes Mißtrauen spiegelte sich in dem markanten Gesicht. „Was Sie nicht sagen!" versetzte er gedehnt, als Ga-Venga die Worte Rex Cordas übersetzt hatte. Corda erhielt ein unauffälliges Zeichen von John Haick. Damit sagte ihm der Freund, daß die Flotte des Gegners scharf verzögerte. Einige Schlachtschiffe schwangen in eine Kreisbahn um Kalta ein. „Ihr Name ist Rex Corda? Sie sind also Terraner?" fragte der Laktone. „Der Name ist mir bekannt. Es interessiert mich nicht weiter, was Sie zu sagen haben!" „Vielleicht doch!" erklärte Rex Corda ruhig. „Ich möchte Ihnen mitteilen, daß die laktonische Station auf Kalta nicht mehr existiert. Die Kämpfer, um deretwillen Sie hierhergekommen sind, leben nicht mehr. Kalta hat die Herrschaft Laktons abgeschüttelt. Sie kommen zu spät. Sie kommen vergeblich!" Das Gesicht des Laktonen verzerrte sich leicht. Er hob die rechte Hand und schnippte mit den Fingern. Corda bewegte den Kopf nicht, er konnte den kleinen Holografen auch so sehen, auf dem sich die laktonischen Schlachtschiffe abzeichneten. Mehrere Schiffe schwenkten auf die „Walter Beckett" ein. Rex Corda sah, daß die Laktonen die Waffensysteme, die von den Terranern den Namen „Silent Mary" erhalten hatten, in Aktion setzten Diese mächtigen Raumschiffsgeschütze verschossen Raumtorpedos von höchster Vernichtungskraft. Die Geschütze kauerten auf Magnetschienen, die über die ganze Länge der Raumschiffe liefen. Als die tödlichen Geschosse aus den Rohren spritzten, rasten die Geschütztürme über die Schienen und wurden allmählich magnetisch abgebremst. Rex Corda konnte die Bewegungen
des Waffensystems deutlich erkennen. Er beobachtete die Vorgänge äußerst ruhig und gelassen. Er wußte, daß die laktonischen Raumschiffe jetzt unter dem infernalischen Geheul der über die Schienen rasenden Geschütztürme erzitterten. Er lächelte unmerklich. „Silent Mary" — das war ein Name, wie ihn wohl nur ein Terraner erteilen konnte. Auf den Ortungsschirmen zeichneten sich die Streifen ab, die die heranrasenden Geschosse symbolisierten. Bruchteile von Sekunden später ging ein leichtes Zittern durch die „Walter Beckett". Die Außenholografen flammten in weißer Glut auf. Das Gesicht des laktonischen Offiziers blieb unverändert. Mit maßloser Spannung beobachtete er Rex Corda. Der Terraner lächelte zu dem Bild hinauf. John Haick meldete mit leiser Stimme die Schäden. Der Becon-Überzug hatte das Schiff geschützt. Die Geschosse der „Silent Mary" hatten lediglich vier Antennen zerfetzt. „Sie kommen wirklich vergeblich", wiederholte Rex Corda. „Sie können ebensogut wieder umkehren. Sie werden nichts auf Kalta erreichen!" Jetzt flammte das Gesicht des Offiziers rot auf. Seine Augen funkelten zornig, und seine Lippen verzerrten sich. „Landebefehl für ,Sona IV und ,Toerp II' brüllte er, ohne den Kopf zu wenden. Rex Corda sah zur Seite. „Feuerleitstand!" sagte er, ohne die Stimme wesentlich zu erhöhen. „Nehmen Sie die laktonischen Raumschiffe unter Beschuß, wenn sie einen Landeversuch machen. Die Raumschiffe sind mit allen Mitteln an einer Landung zu hindern. Falls nach dem ersten Warnschuß keine Reaktion in unserem Sinne erfolgt, sind die Schiffe zu vernichten!" Der laktonische Offizier erbleichte.
„Das wagen Sie nicht, Corda!" keuchte er. „Es ist kein Wagnis für mich", erklärte der Präsident Terras mit einem amüsierten Lächeln. „Wir haben einen Panzer für die ,Walter Beckett', der so unüberwindbar ist, daß ich — aus Demonstrationszwecken — sogar auf die Schutzschirme verzichten konnte!" „Was ist das für ein Material?" forschte der Laktone zornig. „Ich erwarte, daß Sie mir sämtliche Unterlagen darüber geben. Andernfalls werde ich Kalta vernichten lassen!" „Sie überraschen mich keineswegs", erklärte Corda. „Ihre Methoden sind mir bekannt. Sie erschrecken mich nicht und können mich auch nicht zwingen nachzugeben. Ich werde die Pläne und Formeln für das Material an Lakton übergeben, wenn Lakton sich völlig von Kalta zurückzieht. Im Einvernehmen mit den Kaltanern wird eine terranische Handelsstation auf diesem Planeten errichtet!" Der Laktone schwieg. Er biß sich unentschlossen auf die Lippen. Keines der Raumschiffe versuchte eine Landung. Die Demonstration Rex Cordas war überzeugend gewesen. „Ich muß mit Lakton konferieren!" sagte der Offizier endlich. „Tun Sie das!" nickte Corda und erhob sich. „Schicken Sie bitte einen Boten zur "Walter Beckett" herüber. Wir haben einen Laktonen an Bord, der zu seiner Einheit zurückkehren möchte. Mok Osgo gehörte zur Besatzung der Station auf Kalta!" Der Holograf erlosch, als Rex Corda auf einen Knopf drückte. Mok Osgo löste sich aus einem Winkel, in dem er von dem Aufnahmesystem des Holografen nicht erfaßt worden war. Er kam zu Rex Corda. „Ich möchte Ihnen danken, Sir!" sagte er. Er formulierte diese Worte in englischer Sprache. Als er es geschafft
hatte, grinste er Ga-Venga dankbar zu. „Ich hoffe, daß Sie in wenigen Minuten auch noch mein Freund sein werden, Mok Osgo!" antwortete Rex Corda. Er schüttelte dem Laktonen die Hand. „Und teilen Sie dem Kommandanten der Flotte mit, daß wir die Unterlagen über Becon auf Terra übergeben werden!" Mok Osgo grüßte militärisch. An dem Schott wartete sein Bruder. Bir Osgo machte einen entspannten, fast glücklichen Eindruck. Er begleitete seinen Bruder bis zu der großen Schleuse. Eine halbe Stunde später meldete Mok Osgo sich von Bord des Flaggschiffes der laktonischen Flotte. „Sir — ich kann Ihnen mitteilen, daß Lakton einverstanden ist", sagte er. „Lakton wird eine Delegation zur Erde schicken, die die Unterlagen über Becon in Empfang nehmen wird. Lakton erklärt weiter, daß weitere wirtschaftliche Transaktionen mit Kalta nur über die geplante terranische Station abgewickelt werden." Er lächelte. „Ich wünsche Ihnen einen guten Flug nach Terra, Sir!"
Als die laktonische Flotte wenig später abschwenkte und auf Kurs Lakton ging, atmeten die von Teckan geflohenen Wissenschaftler auf der „Walter Beckett" auf. „Sie sind ein hohes Risiko eingegangen", bemerkte Fan Kar Kont. Rex Corda schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht", antwortete er. „Mok Osgo ist ein ehrlicher, aufrichtiger Mann. Ich bin überzeugt davon, daß er niemals ein Wort darüber verlieren wird, daß er die Wissenschaftler von Teckan bei uns gesehen hat." Bir Osgo nickte ernst. „Mok ist ein ehrlicher Mann", sagte er voller Überzeugung. „Ich habe mich noch nie so sehr in einem Menschen geirrt wie bei ihm. Er wird uns nicht verraten!" „Was wird aus den anderen Laktonen, die noch auf Kalta sind?" fragte John Haick. „Auf Ral lagern noch große Mengen Perke, die die Handelsstation eingetauscht hat", sagte Bir Osgo. „Das Handelsschiff ist bald fällig. Es wird die Perke abholen und die letzten Laktonen mitnehmen."
ENDE
Revolution der Genies
Band 19
Teckan ist erreicht! Latak Decimo konnte sich trotz größter Schwierigkeiten bis in die sicherste Festung der Laktonen vorkämpfen. Noch weiß niemand, daß Decimo auf dem Planeten der Wissenschaft gelandet ist. Aber jetzt kann sein Aufenthalt nicht länger geheim bleiben. Decimo muß Rex Corda benachrichtigen, damit der Präsident der Erde „Die Flucht von Teckan" in Angriff nehmen kann. Wenn Latak Decimo Corda nach Teckan holt, wird die Abwehr auf Teckan sofort zuschlagen. Doch Rex Corda darf nicht zögern. Die Erde hat nur dann eine Chance im gewaltigen Spiel der gigantischen Mächte Lakton und Orathon, wenn es den Terranern gelingt, auch die Technik der Giganten zu beherrschen. Die Erde muß die Wissenschaftler zu ihrer Unterstützung gewinnen - oder sie wird im Strudel des galaktischen Krieges versinken. Es gibt nur einen einzigen Weg, das Luxusgefängnis der Laktonen zu verlassen. Rex Corda muß einen Spezialtransmitter einsetzen. Dieser Schritt ist mit ungeheurem Risiko verbunden, da die gesamte Aktion vor den Augen der kampfgewohnten teckanischen Abwehr verlaufen muß. „Die Flucht von Teckan" kann nur gelingen, wenn die Abwehr überrumpelt und abgelenkt wird.
Das Schicksal der „Veränderten"
Band 20
Das Bollwerk Teckan ist geschlagen. Das tollkühne Unternehmen der Männer der Erde war von Erfolg gekrönt. Rex Corda ist es gelungen, 36 geniale Wissenschaftler von Teckan zu befreien. Die Erde darf wieder Hoffnung schöpfen. Jetzt hat sie die Chance, um die sie verbissen gekämpft hat. Doch Rex Corda weiß, daß Lakton zurückschlagen wird. Noch weiß Lakton nicht, wohin die Wissenschaftler fliehen. Aber das kann kein Geheimnis bleiben. Es gibt zu viele Spuren, die zur Erde führen. Rex Corda flieht! Er will auf der Erde sein, bevor die Laktonen zurückschlagen. Doch es gibt einen Riegel aus mächtigen Raumschiffen in der Galaxis. Die Orathonen liegen auf der Lauer. Und plötzlich sieht sich Rex Corda wieder zwischen den Fronten im Kampf der beiden Giganten Lakton und Orathon. Plötzlich zerbröckelt die Hoffnung. Zerschmettert der Konterschlag der Laktonen das kleine Wachboot die „Corocon III"? Die Katastrophe scheint unabwendbar. Auch die Genies von Teckan können nichts mehr tun. Doch da geschieht etwas, mit dem niemand mehr gerechnet hat Auch die schöne Laktonin nicht, die den Auftrag hat, das Todesurteil über Rex Corda zu sprechen. Während Rex Corda plötzlich einem unerklärlichen Geschehen gegenübersteht, muß sich lerra Kretan, die Laktonin, entscheiden. Ein Knopfdruck genügt, um Rex Corda zum Tode zu verurteilen . . .