Das Leben unserer Generation Otto Zierer, der Verfasser der 40 bändigen Weltgeschichte „Bild der Jahrhunderte", hat sei...
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Das Leben unserer Generation Otto Zierer, der Verfasser der 40 bändigen Weltgeschichte „Bild der Jahrhunderte", hat seinen Ruf als großer Gestalter geschichtlicher Ereignisse mit dem jüngst erschienenen Werk
DAS BILD UNSERER ZEIT
1917 bis 1954 von neuem gefestigt. Auch in diesem großangelegten Werk verbindet Zierer das, was man im allgemeinen unter Geschichte versteht — Kriege und Schlachten, Konferenzen und Verträge, Staatsmänner und Politiker. Monarchen und Feldherren — mit dem Alltag des Bürgers und Arbeiters und mit dem Geschehen in den Ateliers der Maler und Bildhauer, den Arbeitszimmern der Dichter, den Wohnungen der Musiker und Komponisten, den Laboratorien der Wissenschaftler, den Studierzimmern der Philosophen und den Konferenzräumen der Finanzmänner und Unternehmer.
„EIN B U C H , V O N DEM M A N SPRICHT" schreibt die Allgemeine Zeitung, Mainz, in ihrem Urteil über „Das Bild unserer Zeit". „Es ist eines der fesselndsten Dokumentarwerke geworden, weil es in die brennenden, selbsterlebten Ereignisse der Gegenwart eingreift, mit denen wir selbst Geschichte erlebten . . . Man wünscht, wir hätten heute viele dieser Bücher" (Der Fortschritt, Düsseldorf). — Im Rheinischen Merkur urteilt der Kritiker: „Dieser 702 Seiten umfassende Band ist eine großartige Leistung, ein anschauliches Bild des politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, künstlerischen und wirtschaftlichen Lebens . . . Die Szenen lassen uns in oft herzbeklemmender Anschaulichkeit die jüngstvergangenen Jahre wieder erleben . . . DerVerfasserstelltdenLeser mittenincharakteristischeSzenen nicht nur aus demöffentlichenGeschehen, sondern auch aus der privaten Sphäre geschichtlicher Persönlichkeiten oder auch gutgezeichneter Menschen aus allen Bevölkerungsschichten". 736 Seiten mit historischen Karten, Zeitdokumenten und Begriffserklärungen — Ganzleinen mit Goldprägung DM 16.90 Durch alle Buchhandlungen zu beziehen VERLAG
SEBASTIAN
LUX
M U R N A U - M Ö N C H E N - I N N S B R U C K - ÖLTEN
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
HANS
WILHELM
HEFTE
SMOLIK
Merkwürdige Bauund Brutgewohnheiten der Gefiederten
VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAU-MONCHEN-INNSBRUCK-OLTEN
Nestrand —
Grenze
der
Brutfürsorge
/ \ l s ich noch ein Junge war, entdeckte ich im Garten meines Vaters ein Grasmückennest, an dessen Rand, mit den Füßen verhakeit und kopfüber herunterhängend, ein nacktes Vogelkücken kläglich piepste. Im Nest hockte, gesichert und rosafarbig, ein zweites Kücken, das seinen orangefarbenen Rachen weit aufriß und ein heiseres Zischen vernehmen ließ Als ich das verunglückte Vogelkind sorgsam vom Nestrand loste und in die Hand nahm, zeigte mir der Vater am Fuße der Hecke ein zweites, erstarrtes Vogel junges und daneben die Schalen herausgeworfener Eier. Und ich hörte dann, daß das Kücken im Nest keine Grasmücke, sondern ein junger Kuckuck war, der als blindwütender Platzbauer Eier und Kücken aus dem Nest seiner Pflegeeltern befördert hatte; das geschah bereits zehn Stunden nach seiner Geburt, also zu einem Zeitpunkt, da der Jungkuckuck noch kein Bewußtsein von seinem unerfreulichen Tun haben konnte. Vielleicht begriff ich damals, daß der junge Kuckuck so und nicht anders handeln mußte. Unverständlich aber blieb mir das Verhalten der Vogeleltern, die, wie mir der Vater versicherte, dieser Tragödie am Nestrand keine Beachtung geschenkt und sich weder um das hinausgeworfene Gelege, noch um das am Nestrand hängende und jammernde eigene Kind gekümmert hatten; ich konnte aber beobachten, daß sie den aufgesperrten Rachen des Stiefkindes eifrig stopften. Nur langsam und schwer ging mir ein, daß der Fürsorge trieb eines Vogels sich in der Zeit, da seine Jungen noch nackt und hilflos im Nest hocken, nur auf diese kleine Nestmulde beschränkt, daß der Nestrand eine magisch bestimmende Grenze bildet und alles, was sich außerhalb des Nesthereichs bewegt, nicht mehr das Herz des Elternvogels erreicht. 2
Viel später erst erkannte ich, daß auch diese Beschränkung ihren Sinn haben muß. Selbst wenn die Vogeleltern sich bemühten, die Eier wieder ins Nest zu heben oder das hinausbeförderte oder hinausgefallene Junge weiter zu füttern, wäre doch wahrscheinlich alle Fürsorge vergebens. Die aus der warmen Nestmulde gestürzten Eier und Kücken haben meist so schweren Schaden genommen, daß sie fast immer verloren sind. Dieses Jugenderlebnis erzähle ich, weil wir Menschen allzusehr dazu neigen, das Idyll des fürsorglichen und fütternden Vogels, das Idyll der Vogelfamilie überhaupt, zu vermenschlichen. Schon vom Nest seihst haben wir meist eine falsche Vorstellung. Wir vermuten in diesen mit großer Kunst und unerhörtem Fleiß geflochtenen, gewebten, gefilzten, zusammengesteckten, geschneiderten, zementierten, gemauerten, geklebten, getöpferten, gegrabenen und gepappten Brutstätten das Heim des Vogels und der Vogelfamilie, eine Zufluchtsstätte, einen Raum, der unseren eigenen vier Wänden gleicht. Für den Vogel ist das Nest jedoch mit wenigen Ausnahmen nichts mehr und nichts weniger als eben eine Kinderwiege, die ihren Zweck erfüllt hat, sobald die Jungen flügge sind; denn der Nestbautrieb steht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Fortpflanzungs- und Bruttrieb; die damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten erwachen deshalb vornehmlich bei den zur Brut bereiten weiblichen Vögeln. Den Vogelmüttern obliegt es zumeist, die Baustelle auszuwählen und als geschickte Handwerker zu wirken. Die Männchen spielen gern nur den Zuträger und Handlanger. Da das Vogelnest nur eine Kinderwiege und ganz selten ein Heim für die Dauer ist, kann das Nistmaterial oft auch so leicht und vergänglich sein, daß es gerade die einmalige Beanspruchung aushält. Am Ende der Brutzeit befindet sich die Mehrzahl der Vogelnester in einem solch zerfallenen Zustand, daß sich eine weitere Benutzung von selbst ausschließt. Und das ist gut so! Zwar halten die Vogeleltern auf peinliche Sauberkeit im Nest und können doch kaum verhindern, daß dio Nestmulde nach einiger Zeit zu einer wahren Brutstätte von Milben, Zecken und ähnlichem Schmarotzervolk wird. Das Nest ist schon wegen dieses Ungeziefers nach der Brutzeit alles andere als ein gemütliches Heim und vermag dem Vogel weder Schutz noch Geborgenheit zu bieten. Ist einmal ein Vogel, wie der Mauersegler, aus Zeitmangel dazu gezwungen, alte Nestrr zu benutzen, so erleidet er durch die kleinen tierischen Quälgeister 3
sehr hohe Verluste. Manchmal sieht man Mauersegler in unseren • Straßen, die über und über mit perlengroßen, blutgeschwellten I Milben bedeckt sind und trotz größter Pflege elend zugrunde gehen. ] Das verschmutzte Nest ist nicht der einzige Grund, der den Vogel unmittelbar nach der Brut zu einem in seinem Revier oder weit im 1 Land umherschweifenden Zigeuner werden läßt; denn auch ein I Btabiler Nistkasten und die natürliche Nisthöhle können den Gefiederten nicht verlocken, sich an den Nistplatz zu binden. Nist- ; kästen und die Nisthöhlen besichtigt der Vogel nach der Brutzeit nur deshalb von Zeit zu Zeit, weil ihm dieser Schlupfwinkel vertraut ist wie andere Plätze auch. Wer seinen Starenkasten im Garten nur einen Sommer lang unter Beobachtung hält, wird schnell erkennen, daß er für den Vogel keine bleibende Heimstätte ist. Die jungen Stare sind schon gleich nach dem Flüggewerden verschwunden, treiben sich wochenlang auf den Feldern und Wiesen umher, turnen auf dem Rücken des Weideviehs, plündern die Kirschbäume im Land, fliegen weit in die Weinberge und nächtigen am liebsten in den Schilf Wäldern; erst kurz vor der großen Reise lassen sie sich noch einmal am Nistkasten sehen. Neugierig schlüpfen sie ein und aus, führen ihre erlernten Gesangskünste vor, aber zur Übernachtung reicht die alte Liebe und Bindung in den allermeisten Fällen schon nicht mehr aus. Nein, der Vogel verlangt nicht nach dem Heim! Nur eine Zeitlang braucht er den umhegten Schutzraum, in dem er sein Gelege versammeln und seine Jungen bergen kann. Das Nest ist ihm die I Kinderstube, oft auch nur die Eierwiege; denn viele Vogelkinder verlassen den Nestraum schon unmittelbar nach dem Schlüpfen und kehren niemals wieder zu ihm zurück.
Wie der Vogel baut Da» Vogelnest ist also ein recht vergänglich Ding. Um so" bewundernswerter erscheinen uns die großen Mühen, die hohen Künste und die erstaunlich zielsicheren Instinkte der Vogelmütter, die bei der Anlage des Nestes zutage treten. Mit gleichsam technischem Verständnis und statischer Einsicht verwendet der Teichrohrsänger die Schilfhalme als tragende Säulen für das zwischen den Naturstützen aufgehängte Nest, Geschickt verflicht er die vier, fünf oder sechs Halme in die aus Gräsern und Rispen gewobene Nestwand. Wohlweislich baut er das Nest an die unzugänglichere, 4
Die Speichelnester der Salangane sind ein beliebter Leckerbissen dem Wasser zugekehrte Seite des Röhrichts und versäumt nicht, ea zusätzlich mit allerlei zur Farbe der Umgebung passenden Stoffen zu verkleiden und zu tarnen. Und fast immer hängt das Nest so hoch im Schilfwald, daß es selbst bei ungewöhnlichem Hochwasser nicht von der Flut erreicht wird. Rätsel auf Rätsel geben uns diese mit dem Nestbau verknüpften Instinkthandlungen auf. Allein die verblüffende Geschicklichkeit, mit der die Vögel, die kein anderes Werkzeug als ihren Schnabel, kein anderes Hilfsmittel als ihre Füße haben, den meist recht spröden Stoff zusammenwirken, miteinander verschlingen, geradezu verweben und verfilzen, ist fast unbegreiflich; nicht weniger überrascht es, wie planvoll und zweckmäßig die Örtlichkeit, die Unterlage für das Nest und der Niststoff selbst gewählt und ausgesucht werden, wie der Vogel dann die geschaffene Mulde mit dem Leib drückt und baucht, schließlich aufs feinste auspolstert oder mit Lehm und Erde verschmiert. 5
Wollten wir versuchen, zum Beispiel die halbkugelige Mulde de» Rotriiekigen Würgers, ein verhältnismäßig einfaches Nest, nachzubilden, wir würden schnell an der Aufgabe verzweifeln; denn es gälte nicht nur, den geeigneten Niststoff zu sammeln, zusammenzulegen, zu verflechten und zu verweben; wir müßten das Nest auch so in eine Astgabel stellen, daß es kein Sturm herunterwehen könnte, daß es auf der den Wettern abgekehrten Seite des Baumes stände, daß es der Sonne zugänglich wäre und trotzdem ein natürliches Dach aus darüberliegenden Asten und dichter Belaubung hätte. Es dürfte sich auch nicht von der Farbe der Umgebung abheben und müßte so verborgen sein, daß nur ein Zufall zu seiner Entdeckung führen könnte. Der Vogel beachtet alle diese Bedingungen, beherrscht alle dies« Künste ohne Anleitung. Das junge Pirolweibchen weiß, wie es die Ranken, die Halme und Grasblätter um die Astgabel zu winden hat und wie es das aus Moos, Spinnengewebe, Raupengespiast Werg, Wolle und Rindenblättchen gewirkte Nest an diese Trage n d e r hängen muß Es speichelt die Halme ein, pappt sie auf die Aste, wickelt sie sachkundig mehreremal herum, während das Männchen ihm nicht weniger fachkundig zur Hand geht, so als hätten beide, die noch nie gebaut haben und auch niemals zusehen konnten, wie andere Pirole bauten, seit Jahr und Tag nichts anderes erlernt und geübt. Es ist, als laufe ein Mechanismus in den bauenden Vögeln ab und eine Handlung schließe sich zwangsläufig an die andere. Aus dieser Unbewußtheit erklärt sich auch die fast sklavische Bindung an den überkommenen und artgemäßen Bauplan, ja an die ausgewählte Örtlichkeit und die kleinste typische Eigenart. Niemals wäre die Dorngrasmücke in der Lage, das Moosnest eines Zaunkönigs oder das Hängenest eines Pirols zu bauen, nie würde sie ihr Nest hoch in die Baumwipfel setzen. Für die Dorngrasmücke sind niedrige Büsche, grasdurchwachsenes Dickicht und Ried der zusagende und ihrer Art angepaßte Bauplatz für das Nest. Zur Polsterung verwendet sie auch nur feine Grasspitzen und nicht Baumblätter wie der Zaunkönig, keine Wolle und Federn wie der Pirol und der Fitislaubsänger — der sein Kugelnest, unter Gras und Gebüsch versteckt, auf den Erdboden setzt —, und keine Kiefernsdiiippen wie der Kleiber und keine Fischgräten wie der Eisvogel, od?r Papierfetzen und Lumpen wie der Rote Milan. Diese Bindung an den Bauplan ist so stark, daß man die Vögel räch dem Standort des Nestes in sogenannte Bodenbrüter, Baum6
hrüter, Nischenbriiter und Höhlenbrüter, und auf Grund ihrer Balitechnik in schlichte Zweigeschichter, geschickte Flechter und Mooswirker, in Maurer, Erdarbeiter, Höhlenwühler und Zimmerleute gliedern kann. Die Abhängigkeit ist andererseits nicht so beherrschend, daß eine Vogelart nicht imstande wäre, sich grundlegend veränderten Umweltsverhältnissen nach und nach anzupassen. So haben sich die Höhlenbrüter unter den Meisen. Eulen, Wildtauben, Spechten, Kleibern und auch der Wiedehopf, die Blauracke, die Hohltaube, der Baumläufer und der Star sehr schnell an die hölzernen Nistkästen gewohnt. Durch eine Veränderung ihrer Nistweise sind auch die Nischenbrüter Hausrotschwanz, Hauss^erling, Fliegenschnäpper und Bachstelze zu fast regelmäßigen Bewohnern unserer künstlichen Nistkästen, also zu Höhlenbewohnern, geworden. Heute nehmen selbst Zaunkönige, Wasseramseln. Mauersegler und Rotkehlchen die von uns dargebotenen Bruthöhlen an. Sehr wahrscheinlich deuten auch die außerordentlich liederlich und kunstlos ausgeführten Nester der Ringeltaube und der Turteltaube darauf hin, daß sie früher einmal Höhlenbrüter waren und das Nestbauen erst erlernen mußten. Diese Vermutung wird dadurch bestärkt, daß diese Tauben sehr gern in verlassen« Eichhörnchen- und Elsternester legen und dann ganz aufs Bauen verzichten; ihre Eier sind zudem glänzendweiß wie die aller Höhlenbrüter, während die Eier der Boden- und Baumbrüter geschickte Tarnfarben tragen, auch lassen sie ihr Gelege hei der geringsten Störung leichthin im Stich. Im allgemeinen aber kann der Vogelkundige sagen: Zeig mir dein Nest, und ich sage dir, wer du bist. Im Durchschnitt hält sich d^r bauende Vogel strikt an die in ihm und in seiner Art wirkenden „Bauvorschriften". VOJI
den
Vögeln
ohne
Nester
Wenn die Vögel ihre Nester bauen, weil sie einen umhegten Raum brauchen, um ihr Gelege zu betten und zu schützen, könnten Vögel, die nur ein Ei legen, eigentlich auf Nester verzichten. — Diese Schlußfolgerung liegt nahe. Sehen wir uns in der Vogelwelt um! Es gibt viele Gefiederte mit Einzelkindern: bekannt sind der seltsame australische Kiwi, die watschelnden Pinguine der Antarktis, die schneeweiße Feenseescliwalbe der Korallen7
inseln, der stürmische Albatros, die rußschwarze Sturmschwalbe, der spuckende Riesensturmvogel, der Weiße Seerabe oder Tölpel, die nordische Trottellumme, der dickköpfige Papageitaucher, der miauende Tordalk und der die Schiffe begleitende, blendendweiße Tropikvogel der tropischen Meere. Alle diese Vögel sind unter natürlichen Verhältnissen wenig bedroht, und ihre Nistgewohnheiten und für uns deshalb besonders lehrreich. Der Kiwi, dieser durch Menschensehuld aussterbende Sonderling, legt »ein ungewöhnlich großes und schweres Ei, das ein Viertel des Körpergewichts des MuttervogeU wiegt, unter Baumwurzeln oder in sehr flüchtig gescharrte Erdmulden. Auch die Pinguine brüten vielfach auf dem blanken Boden, deuten aber das Nest durch einige „symbolisch" in Kreisform geordnete Steinchen an; sie legen auf diese Brutraummarkierung soviel Wert, daß oft ein heftiger Streit um die Steinchen entbrennt und Grenzsteindiebstähle nicht selten sind. Auf die Steine verzichten notgedrungen die Pinguine der Antarktis, die großen und farbenprächtigen Königs- und Kaiserpinguine, von denen die Kaiservögel im trostlosen, nachtdunklen, antarktischen Winter brüten. Wenn die Eiswüste von furchtbaren Stürmen überheult ist, schleudern sich die Kaiserpinguine mit hohen Schwüngen auf das weit in die Meeresbuchten vorspringende Schelfeis und trippeln landeinwärts. Wie kleine Menschen, einen reichlichen Meter hoch, ziehen sie dahin, aufrecht gehend, und ordnen sich zu schier endlosen Zügen von zwanzig- bis dreißigtausend Vögeln. Während die ersten Wanderer bereits die hohen Eissperren der Küstengebirge ersteigen, speit das Meer noch immer neue Scharen aus. Hoch erhoben sind die tiefschwarzen Köpfe der eisengrau befrackten, stummen Watschler. Gleich goldenen Ohrgehängen tropfen dottergelbe Male bis zum Vorderhals und verbreitern «ich hier zu schmucken Vorhemdchen. Lackrot leuchten die Unterkiefer der Schnäbel. Prall spannen sich die weißen Westen über kugeldicken Bäuchen. Wie das Getrappel einer großen Huftierherde ist ihr Marschtritt weithin zu vernehmen. Mit unglaublicher Behendigkeit überwinden die so tollpatschig aussehenden Vögel die riesigen Eisströme, die klaffenden Spalten der Gletscher, die «teil ansteigenden Höhenzüge. Wo es die Füße allein nicht schaffen, helfen die Flossenflügel und der Schnabel nach, saugen sie sich gleichsam mit dem Bauch an den Eiswänden fest. Die Kaiserpinguine paaren sich in kleinen windgeschützten Tälern und engen Schluchten mitten im antarktischen Gebirge. Ist die Stunde 8
1. Hängendes Nest aus Pflanzenfasern und Spinnweben (Blut-Nektarvogel)i 2. Beutelmeisennest aus Baumwolle und Wolle; 3. Geschneidertes Nest (Schneidervogel)! 4. Hängendes Nest des Blütenpidsers
nahe, da das Weibchen sein Ei legt, treten die Partner dicht zusammen, schmiegen Leih an Leib und Brust an Brust- Das Männchen übernimmt das Ei und birgt es in einer Hautfalte am Unterleib, über den die Federhaut wie eine Schürze herabfällt. In diesem „körpereigenen Nest" schlüpft das feinbedunte Junge nach zweiiindfünfzig Tagen. Das Nest der Kaiserpinguine ist also der Vogelvater selbst, der zu einer in Eis und Schnee erstarrenden Schildwache des keimenden Lebens wird. Bei -den Königspinguinen wechseln sich die Ehepartner im Brüten ah nnd überreichen sich das Ei bei der Ablösung mit großer Sorgfalt, damit es ja keine Abkühlung erleidet. Beim Brutgeschäft und später beim Füttern und Behüten helfen sogar die unbeweibt gebliebenen Männchen und die nicht zum Legen gekommenen Weibclien mit kaum zu überbietender Hingabe. Drei Wochen bleibt das Pinguinkücken noch in der elterlichen Bruttasche, die seine Kinderstube ist. Merkwürdig ist auch das Benehmen der mär dien schönen und schnittigen Feenseeschwalbe, die ihr Ei einfach auf den sandigen Strand der Korallenriffe, auf die Salzkrusten der Lagunenränder oder zwischen die brandungüberschäumten Felsenklippen legt. Sie bringt es aber auch fertig, das sehr große und schwere Ei noch während des Legeaktes in eine Astmulde oder in eine günstige Astgabel hinaufzuheben. Das Ei ruht dann, mit der Spitze leicht in die Gabel gesteckt und ohne die geringste Andeutung eines Nestes, so sicher und fest, daß weder die Schwankungen des Baumwipfels, noch die Stürme es gefährden können. In dieser Lage wird es von den Eltern gemeinsam ausgebrütet In paradiesischer Sorglosigkeit sehen sie der kritischen Stunde entgegen, da das Junge aus dem hochgelegenen Ei hervorkommen wird; wir wissen noch nicht, wie sie es fertigbringen, daß das Ei nicht herunterfällt. Vielleicht decken sie es mit ihrem Leibe. Auf jeden Fall geht das Schlüpfen ohne Gefährdung des Jungen vor sich: Das Ei fällt nicht zur Erde, die junge Schwalbe stürzt nicht ab. Als Akrobat von Natur beginnt sie mit dem ersten Schritt ins Leben zu balancieren, rutscht ein wenig von der Gabel weg und klammert sich an den Ast, der nun wochenlang ihr Heim, ihr Bett und ihre Kinderwiege ist. Hier ruht sie, hängt sie bäuchlings, wird sie gefüttert, schläft sie und harrt geduldig der Stunde, da ihre Schwingen stark genug sind, den weiten Luftraum zu erobern. Vor eine nicht geringere Aufgabe stellen die Trottellummen ihre Kinder, die sie ohne Nestschutz auf den schmalen Simsen und in 10
den eng^n Spalten hoher und steiler Felsenklippen hrüten und füttern. Die jungen Lummen schmiegen sich in den ersten vier Wochen ihres Lebens ängstlich an die wenigen Zentimeter Lehensraum, der ihnen zur Verfügung steht. Wollen sie nicht verhungern, so müssen sie eines Tages den Sprung in die schwindelnde Tiefe, in das schäumende Meer zu ihren Füßen wagen. Und tatsächlich meistern sie diese Aufgabe, die auch den jungen Tordalken und Papageientauchern schon bald nach ihrer Geburt gestellt wird. Die Papageientaucher gehen bereits dazu über, dort, wo natürliche Felsenspalten und Gesteinsriizen fehlen, mit Hilfe des Schnabels und der Füße eine Bruthöhle in die Torfschicht der Felswände zu wühlen. Sie deuten damit den Weg an, den die Vögel entwicklungsgeschichtlich beim Nestbau wohl gegangen sein mögen. Der Zwang, die gegebenen Verhältnisse in ihrer Unzulänglichkeit ein wenig zu verbessern, trieb sie dazu, vor der Brutzeit sichere Plätze zu suchen. Indem sie die vorhandenen Gesteinshöhlen und Erdmulden mit Gräsern und Gespinsten zu Nestmulden auspolsterten, kamen sie .vielleicht dazu, sich Gras- und Gezweignester auch ohne die Bodenunterlage im Freien zu schaffen und ständige Nestbauer zu werden.
Eier im Brutofen An die Brutgewohnheiten der Echsen, der Vorfahren unserer Vögel, erinnert der Brauch des schmucken schwarzweißen Krokodilwächters, der seine Eier tief in den Sand der Flußbänke vergräbt und von der Sonne ausbrüten läßt. Früher glaubte man, der Freund und Warner der Krokodile, der ihnen zugleich als Kammerjäger und lebendiger Zahnstocher dient, verscharre seine Eier, um sie den Blicken der Eierräuber zu entziehen, nur dann, wenn er sein Brutgeschäft unterbricht. Gegen dies-e Annahme sprach aber die Tatsache, daß die sandfarbenen Eier des Krokodilwächters in geradezu vollkommener Weise getarnt und der Gefahr der Entdeckung nur wenig ausgesetzt sind. Deshalb vermuteten andere, der Vogel berge seine Eier nur deshalb im lockeren Sand, weil sie unter der Glut der Sonnenstrahlen und der Rückstrahlung des Bodens verbrennen müßten. Heute ist man geneigt, im Gebaren des Krokodilwächters eine urtümliche Art des Brütens zu erblicken, die sehr wahrscheinlich auch noch von einigen anderen Regenpfeifervögeln geübt wird. Der Krokodilwächter wird ganz einfach „erfaßt" haben, daß der 11
heiße Sand ein natürlicher Brutofen ist, der ihm das mühselige Brutgeschäft weitgehend abnimmt; so mag er sich aus einem Eibebrüter in einen Eierwächter verwandelt haben. Ahnliche Schlaumeier wie der kleine wendige Afrikaner sind die großen behelmten schwarzbraunen Hammerhühner aus dem Geschlecht der Wallnister. Auf Celebes kommen sie im August und September paarweise zum sandigen Strand der nördlichen Küstenstriche und graben und scharren über der Hochwassermarke Höhlen von einem halben Meter Tiefe. Die Weibchen legen die braunroten, zwölf Zentimeter langen und sechs Zentimeter breiten Eier einzeln und in Abständen von etwa vierzehn Tagen und stecken sie senkrecht in die Erde. Nach der Eiablage ebnen sie den Platz sorgfältig ein, und auch sie überlassen dann das Brutgeschäft der Sonne. Nach sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Tagen schlüpfen die Jungen, arbeiten sich ohne jegliche Hilfe ans Tageslicht und laufen sofort als selbständige Junghühner dem Walde zu. Oft erleichtern sich die Hammerhühner die geringe Mühe noch dadurch, daß sie alle Eier zusammen in gemeinsam gescharrte Höhlen betten, die sich dem Kundigen dann aber durch einen Sandhügel verraten. Statt natürlicher Sandbrutöfen haben die australischen Wallnister künstlich hergerichtete Laubbrutöfen gewählt. Diese Großfußhühner, ferne Verwandte der Fasanen, erweisen dabei besonderes Geschick. Schon lange vor der Brutzeit beginnt solch ein erdfarbenes Wallnisterpaar mit großem Fleiß und erstaunlicher Kraft einen tiefen und großen Kessel in den Sand der nur dürftig bebuschten Steppe oder der lichten Eukalyptushaine zu scharren. Hat sich ringsum die Erde zu einem hohen Wall aufgetürmt, so gehen die Vogel daran, mit den Flügeln welke Blatter, Gräser und Zweigstückchen zusammenzufegen und die gescharrte Höhle bis über den Hingwall hinaus damit anzufüllen. Wochenlang dauert das Aufwühlen des Riesenkessels , das Fegen und Zusammentragen der Pflanzenstoffe. Plötzlich aber kehren sie dieser Stätte den Rücken und scheinen ganz zu vergessen, was sie mit dem Bauen beabsichtigt haben. Und doch hat die Ruhepause, diese scheinbare Gleichgültigkeit, einen tiefen Sinn; denn inzwischen sammelt sich in der Grube das Regenwasser, die Blätter und Gräser zersetzen sich, faulen, und die ganze Anlage verwandelt sich in einen gärenden, hitzehaltenden Komposthaufen. Und jetzt erscheinen die Vögel wieder, das Weibchen kratzt einen Teil der zersetzten Stoffe heraus, wühlt eine tiefe Höhle in den Mulm, glättet deren Wände sehr säuberlich, schichtet und ßicht 12
aas Ästen ein Dach darüber und überwölbt die also geschaffene Brutkammer mit dem Rest des Kompostes. Zuletzt hilft das Männehen Sand über den Bau schichten, bis er eine Höhe von einem Meter und einen Durchmesser von etwa sechs Metern erreicht hat. Da« Legegeschäft kann beginnen. Alle drei Tage erscheint Jas Weibchen am Bau, öffnet ihn behutsam, legt ein Ei in die vorbereitete Kammer und verschließt den Brutofen wieder mit peinlichster Sorgfalt. Es achtet darauf, daß die Eier aufrecht stehen, damit das lufthaltige stumpfe Ende, an dem sich später der Kopf de« Kückens befinden wird, nach oben weist. Ungefähr vierzehn Eier bringt es auf diese umständliche Weise in mehreren Sehichten und streng getrennt voneinander unter; man möchte glauben, daß die Brutfürsorge nun ausreichte. Das Wallnisterpaar aber gibt sich noch nicht zufrieden und überbietet sich jetzt in der Bedienung des Brutofens. Die Elternvögel überwachen die sich entwickelnde Gärungstemperatur, verstärken die Sandschichten bei trübem Wetter, tragen sie ab bei zu starker Sonnenbestrahlung, sorgen für regelmäßige Durchlüftung des Komposthaufens und breiten bei starken Regenfällen ein schirmendes Reisigdach darüber. Jedes einzelne Ei wird laufend kontrolliert, und jedes schlüpfende Junge findet rechtzeitig die elterliche Befreiungshilfe. Die Entwicklungszeit währt rund fünfundvierzig Tage. Die Jungen schlüpfen etwa in den gleichen Abständen, in denen Eier abgelegt wurden. Nach jedem Schlüpfakt werden die noch nicht gereiften Eier neu geschichtet und der Brutofen wieder sorgfältig verschlossen und überwacht. Nur eine einzige Erleichterung erlauben sich die unermüdlich schaffenden Elternvögel: sie benutzen die einmal angelegten Brutöfen mehrere Jahre hintereinander. Die Nesthügel nehmen von Jahr zu Jahr an Umfang zu; bei einer Höhe von oftmals fünf Meter und einem Umfang von zwanzig bir dreißig Meter sind diese Gelege die gewaltigsteh Vogelnester der Welt. Die verwandten Buschtruthühner Ostaustraliens verzichten auf da* mühselige Ausscharren des tiefen Sandkessels; sie türmen einfach einen gewaltigen Laubhaufen auf. Dabei fällt ausnahmsweise die ganze Arbeitslast auf das Männchen; es übernimmt vornehmlich die Bedienung des Brutofens, gräbt die geschlüpften Kücken frei und widmet sich auch der Pflege der Jungen. Allabendlich werden die jungen Buschhühner vom Vater wieder in den warmen Brutofen zurückgesetzt. 13
Das
einfachste
Nest:
die Erdmulde
P e r einfachste Bau zur Bergung des Geleges ist die flüchtig gescharrte Bodenmulde; Erde, Sand und Geröll werden ein wenig zur Seite geschoben, der freigewordene Raum wird saubergefegt, vielleicht noch etwas vertieft und zuweilen auch mit einigen wenigen Halmen und Blättern ausgepolstert. Eine solche Nestform bevorzugen vor allem die Hühnervögel, das Auerhuhn, das Birkhuhn, das Haselhuhn, das Rebhuhn, der Fasan, der Pfau, die Trappe und der scheue Triel, die flinke Wachtel, die Wiesenralle, der Kampfläufer, der Austernfischer, der Kiebitz, die Feld- und die Haubenlerche. Diesen Vögeln genügt die einfache Erdmulde, weil ihre Jungen schon bald nach dem Schlüpfen, oft noch mit den Schalen hinter den Ohren, das Nest verlassen, fest auf den hohen Stelzbeinchen stehen und auf eine weitere Umhegung nicht mehr angewiesen sind. Mit wenigen Ausnahmen sind die in offenen Erdmulden ausgebrüteten Vogelkinder solche „Nestflüchter", sie schlüpfen fix und fertig mit dem Dunenkleid aus den durch Tarnanstriche geschützten Eiern. Die Natur gibt ihnen in weiser Voraussicht nicht nur das warme Wollkleid der zarten Dunen, sondern oft auch einen Nahrungsvorrat in Gestalt eines kleinen Dottersäckchens mit, von dem sie in den ersten Tagen zehren. Die Elternvögel brauchen solche Nestflüchter kaum noch zu hudern, d. h. unter die Flügel zu nehmen, und noch weniger zu füttern. Ihre Fürsorge beschränkt sich auf das Führen und Anlernen, das Warnen vor Gefahren und die oft opfervolle Verteidigung. Bekannt ist der Heldenmut der führenden Glucke, die sich bedenkenlos selbst starken Greifen und größeren Raubtieren entgegenwirft. Auch die alten Kiebitze greifen, um das geschlüpfte Jungvolk zu schützen, jeden Feind mit Todesverachtung an. Alle beherrschen sie das oft verwegene, ja tollkühne Theaterkunststückchen, den Feind durch Sich-Lahm-Stellen vom Nest und den Jungen wegzulocken. Die Kücken der erdbrütenden Haubenlerchen erfahren noch eine besondere Betreuung; rührend ist es zu beobachten, wie das Männchen der Haubenlerchen allabendlich umhereilt und seine in den Furchen und Rillen des Feldes liegenden Kinder mit Blättern, Gräsern und anderen Pflanzenstoffen regelrecht zudeckt. Bei den Erdbrütern sind die gegensätzlichsten Brutgewohnheiten gleichsam an der Tagesordnung. Während sich zum Beispiel die 11
meisten Männchen der Hühnervogel fast g a r m , ^ u m d a s B r u { geschäft und die Äufzudit der Jungen kummern, s^ a | g o ^ r e A ( e Rabenväter gebärden, sind die Mannchen, d *r altertümlidien amerikanischen Steißhühner, der Laufhuhnchen u n ( , d e r n o r d ; . sehen Odinshühnchen waschechte Pantottelhelden, Bei den Steißhühnern spielt das Weibchen Ha},n ; m K o r b e „ u n Q Herr im Hause und verteilt sein Gelege auf m ^ h r e r e Männchen, die ihm treu anhängen. Jedes Männchen bekom^, e i n e i n z i Ei anvertraut, darf es ausbrüten, das Junge aufziehe^ u n ( j w i r d g l e i c h darauf wiederum mit einem Ei begluckt. A„f dies«, W e i s e ^ d i e s e überbraven Tierväter vom März bis in den 0\tohel. h i n e i n „„. unterbrochen beschäftigt. Bei den Laufhühnchen, die in Indien S p a n i ^ Südfrankreich und in Nordwestafrika vorkommen, sind die Verhältnisse noch stärker auf den Kopf gestellt. Be, diesen H u h n ^ s i n d d i e W p i b . dien das starke, das prächtig geschmückte und k a m p f h i s t i g e G e . schlecht und liefern sich die hitzigsten und bl»ti? 8ten Gefechte um die viel kleineren und sehr schlicht gefärbten Ma n ( l c b e n D i e s t o ) z ( , n Weibchen legen mehrmals im Jahre je vi e r L.er ; B e i n e E r d m u y e und überlassen den Männchen das B r u t « und i | e Aufzucht der Jungen. Ganz ähnliche Sitten herrschen auch bei den 0 l l i n s h ü l l n c h e n . h e j den Straußen, die ebenfalls zu den Erdhmtern J e h ö r e n u n d d e n Regenpfeifervögeln, die aber meist auf die And ( u t u n g e i n e r E r ( , . mulde verzichten. An der Spitze der gutmutige,, Vogelväter marschiert hier der ebenso prachtvolle wie seltene M w U r e g e n p f e i f e r . der allein brütet und aud, die Jungen fuhrt; e , l i a t s o t r e u | j n ( 1 brav auf seinen Eiern, daß er sich selbst bei gr5ftter Gefahr n^clit zu retten versucht und wir ihn streicheln durf,n u n ( j a l l f h e | ) e u können. Bengt Berg hat diesen Regenpteifervat% j n s e i n e m ß l l c b „Mein Freund, der Regenpfeifer ein schönes D , n k m a l gesetzt. Wieder anders, aber ebenso unterwurhg, geht ( s a u A b e ; v i e ] e n Straußen und Kasuaren zu. Beim amerikanis^ N a n d u . b e i r a australischen Emu und beim Heimkasuar lebea d i e M ä n n c n e n , n Vielweiberei, versammeln also ein kleines Gef,,^ v Q n W e i n ( . n e l l um sich, und doch kümmern sie sich fast au S s i i ] i e ß l ; d l um d a , Brutgeschäft. Sie drehen die Nestmulde, veranlag d i ( , W e i b c l i e a ihre Eier hineinzulegen, brüten dann ho<nstselbs,una betreuen die Jungen. Die eifersüchtigen Weibchen drängen i j c h i n ( J e s o f t S Q kampflustig zum Nest des umworbenen M a n , , ^ d a ß s ; e d i e Eier der Nebenbuhlerinnen zertrampeln. 15
Der afrikanische Strauß hat dagegen schon wieder an männlicher Würde gewonnen. Das Mannchen wühlt zwar die Nestmulde, teilt s-ich dann aber mit dem Weibchen ins Brüten. Die Straußin sitzt vom Morgen bis zum Nachmittag, der Strauß vom Abend bis zum nächsten Morgen auf den Eiern. Alle Strauße und Kasuare üben die Vorsicht, die Eier beim Verlassen des Nestes mit Sand zu bedecken.
Die
natürliche
Nisthöhle
Verglichen mit den Schöpfern und Benutzern der einfachen und ungeschützten, der flachen und offenen Bodenmulde sind die Vögel, die die natürliche Nisthöhle entdeckten und zu ihrer Brutstätte erkoren, schon als pfiffig und findig zu bezeichnen. Sie beziehen in den vorgefundenen, von Wind und Wetter oder von anderen Tieren geschaffenen und dann verlassenen Hohlen einen gleichsam schlüsselfertigen Brutraum, der sie mit einem Schlage aller Sorgen enthebt. Ihre Eier sind den Blicken der Eierdiebe entzogen, liegen sicher, geborgen und warm, die geschlüpften Kücken haben ein schützendes Dach über dem Kopfe, lassen sich leichter zusammenhalten, bequemer füttern und verteidigen. Kein Wunder also, daß die Gilde der Höhlenbrüter sehr groß ist. Vor allem unter den Waldvögeln und den Felsenbewohnern gibt es viele Freunde für diese ebenso einfache wie bequeme und ideale Nestlösung. Jeder hohle Baum findet seinen Mieter, jedes a b gefaulte Astloch wird bezogen, jede Felsenspalte und Gesteinsritze findet Gefallen, und die Nachfrage nach verlassenen Kaninchen-, Fuchs- und Dachsbauten ist immer stark. Unter den Eulen gehören die kleine Zwergohreule und der Sperlingskauz, der Steinkauz und der Waldkauz, der Rauhfußkauz und die Schleiereule zu den Höhlenbrütern. Sie sind zugleich die anspruchlosesten Mieter, nehmen mit der Höhle vorlieb, wie die Natur sie geschaffen hat, tragen keinen Niststoff ein, bauen den Raum nicht aus und legen ihre weißen Eier unmittelbar auf den nackten Höhlenboden, sofern nicht von einem Vormieter noch ein wenig Niststoff vorhanden ist. Ähnlich hält es der Wendehals. Diese Vogel sind die Höhlenbewohner mit der geringsten Wohnkultur. Zu ihnen gesellen sich nur noch die Schellente und die Stockente, die als die kurzfristigsten Höhlenmieter gelten. Etwas mehr Sinn für eine warme Eierwiege und eine gemütliche 16
Uj.ier einem gemeinsamen Strohdach nisten die Kolonien des Sieüeiweuer»
Kinderstube zeigen die Brand- und die Rostgans — Interessenten für Kaninchen- und Fuchsbauten —, die Felsentaube und die Hohltaube, die Dohle und der Mauersegler, die Blauracke und der Wiedehopf. Sie tragen schon einige Reiser ein, legen sie kunstlos übereinander und schaffen ein Polster aus Halmen, Moos und Tierhaaren. Von einer regelrechten Nestmulde, einem festgefügten Eiernapf, einer umrandeten Kinderstube aber kann man auch bei ihnen noch nicht sprechen. Der Mauersegler pappt allerdings bereits die ziemlich wahllos zusammengelegten Niststoffe mit seinem klebrigen Speichel zusammen, tut also schon einiges, um dem flüchtigen Bau einen gewissen Halt, eine bestimmte Form zu geben. Höhere Ansprüche an die Ausgestaltung des Brutraumes stellen der Star und der Sperling. Besonders der Feldsperling sieht in der gefundenen und bezogenen Höhle bereits ein Heim — ist also eine große Ausnahme unter den Vögeln — und versäumt nie, den Raum zu einem wirklich „warmen Nest" auszubauen. Er trägt sehr viel Niststoff ein, Moos und Grashalme, Laub und Federn, und belegt nicht nur den Boden der Höhle, sondern auch die Wände. Selbst auf Außenschmuck ist er bedacht; gern hängt er bunte Fäden ans Schlupfloch. Der Stadtspatz und der Starmatz stehen eine Stufe tiefer, versuchen aber ebenfalls, den Niststoff an den Wänden hochzuziehen und den Brutraum recht mollig zu gestalten. Spezialisiert als Tapezierer und Wirker, als Flechter und Filzer, als ziemlich einfallsreiche Innenarchitekten erweisen sich erst die kleinen Waldmeisen. In unübertrefflicher Weise verstehen sie es, die einfachste und kleinste Höhle in eine zierliche und sehr gediegene Kinderstube zu verwandeln. Mit großem Geschick verarbeiten sie das feinste Material. Erd- und Baummoose, Bastfasern und Würzelchen, Spinnen- und Raupenseide, Tierhaare und Tierwölle, und zeigen dabei sehr ausgeprägte Eigenheiten: Die Kohlmeise verwendet nur Erdmoose, andere Meisen schwärmen mehr für Baummoose, die Tannenmeise zieht die feine Maus- und Maulwurfswolle jedem anderen Polsterstoff vor, die Blaumeise ist wieder mehr für Haeenwolle zu haben. Allen Waldmeisen gemeinsam ist der überraschende Zug, das Nest mit Vogelfedern ein wenig auszuschmükken, also gleichsam Bilder an die Wand und um den Rand der Nestmulde zu hängen. Hier treten schon alle die Fähigkeiten und Künste zutage, die wir bei den eigentlich nestbauenden Vögeln immer wieder bewundern müssen, hier sind schon vollendete kleine Baumeister am Werke, für die es sicher auch keine unüberwindliche Aufgabe wäre, 18
ihr Nest frei in Baum und Busch zu setzen. Die kleinen Waidmeisen beweisen es; durch den großen Mangel an natürlichen Nisthöhlen, den unsere allzusehr gesäuberten Nutzwälder aufweisen, sind sie sehr oft gezwungen, die unmöglichsten Notquartiere zu beziehen, zu improvisieren, sich weitgehend umzustellen, und sie zeigen sich dabei als außerordentlich anpassungsfähig und einfallsreich. Baukiinstler sind auch die Fliegenschnäpper, die sehr gern altes Laub und welkes Gras, Birkenrinde und Pappelkätzehen eintragen, sowie die kleinen und behenden Baumläufer, die vorwiegend mit Fichtenreisig und Zweigstückchen arbeiten und Moos wie Wolle nur als Polsterstoff ausnutzen. Alle diese gefiederten Höhlenbewohner nehmen keine baulichen Veränderungen an ihren Behausungen vor. Sie sind zufrieden mit dem gebotenen Raum und strecken sich nach der Decke, die sie finden. In unseren Wäldern sind es nur die Kleiber, die auch an der Höhle selbst oder wenigstens an der Haustüre bauen und den Eingang so vermauern und verengen, daß sie gerade noch ein- und ausschlüpfen können. Durchgespeichelte Lehmklümpchcn werden unermüdlich angepappt und zu einer oft fünf bis sechs Zentimeter starken Mauer aufgeführt. Sie mauern auch dann, wenn die Höhle von Natur aus schon die idealen Maße besitzt. Als Niststoff dienen ihnen lediglich wirbelig aufgeschichtete Kiefernspiegelrinde od<»r feine Fichtenborkenschuppen. Ihr tropisches Gegenstück als Maurer haben die Kleiber in den großen indischen Nashornvögeln, bei denen das Weibchen während der Brutzeit vom Männchen eingemauert und durch einen kleinen Schlitz hindurch mit Früchten ernährt wird.
Zimmerleute,
Erdarbeiter,
Maurer
und
Töpfer
Die wichtigsten Höhlenarchitekten, Baumeister und Hauswirte für die meisten Höhlenbewohner des Waldes sind die einsiedlerisch lebenden Spechte, diese geborenen, bunten Zimmerleute. Ihre Baulust ist so stark und beherrscht sie so sehr, daß sie sich nicht nur Eierwiegen und Kinderstuben, sondern auch noch viele Schlafhöhlen schaffen. Jeder leicht angefaulte Aststumpf, jeder den Tod in sich tragende Baum reizt sie zum Hämmern und Meißeln. Der kräftig konstruierte Spechtschnabel ist in der Tat ein Werkzeug, das zu gebrauchen zweifellos Freude bereitet. Man muß nur einmal einem hämmernden Specht zusehen, muß schauen, wie die 19
Schlammnester der Flamingos im warmen Wattenmeer
Brütender Flamingo auf dem Nest aus Schlamm Späne fliegen, wie dieser Schnabel zugleich zerschmetternder Hammer, lossplitternder Meißel und scharfes Hackbeil ist, um zu begreifen, warum die großen Spechte sich nicht mit einer Hohle begnügen, warum es ihnen Spaß macht, sich immer neue Nisthöhlen selbst anzufertigen. Was ein rechtes Spechtmännchen ist, bietet dem erkorenen Weibchen eine ganze Kollektion von Nisthöhlen an, die Glückliche braucht nur zu wählen. Und da sich die Spechte bei der Wohnungseinrichtung keine Sorge machen und keinen Niststoff eintragen, geschieht es wohl niemals, daß ein Spechtweibchen in Legenot gerät. Die birnenförmige Spechtshöhle ist im Durchschnitt vierzig Zentimeter tief und hat einen Durchmesser von fünfzehn Zentimeter. Zu ihrer Anfertigung braucht der Vogel zehn bis vierzehn Tage, das Weibchen hilft meist nur in den Vormittagsstunden. Die Spechtfrauen haben überhaupt wenig Familiensinn. Den Hauptanteil des Brutgeschäftes trägt das Männchen, es darf auch noch 21
die sich ständig streitenden und in den Federn liegenden Jungen atzen und führen, während das Weibchen unbeschwert umherstreift. Freilich sind die Spechte, ganz gleich, ob sie ein schwarzweißrotes, grünes, graues oder schwarzes Federkleid tragen, keine freundlichen Hauswirte, sondern recht rücksichtslose Platzbau.ern. Obwohl sie in ihrem Revier über mehrere Nisthöhlen und bis zu zehn Schlafhöhlen verfügen, werfen sie jedesmal die kleinen Untermieter unweigerlich samt Eiern, Kücken und Genist hinaus, wenn es sie gerade ankommt, in eben dieser Höhle zu übernachten. Sie betrachten auch jeden im Walde aufgehängten Nistkasten sofort als ihr Eigentum, erweitern allsogleich das Schlupfloch, feuern unerbittlich hinaus, was diese künstliche Nisthöhle bezogen hat, und verfüttern gar die vorgefundenen Fremdjungen an ihre Kinder. Vor allem der große Buntspecht hat da allerhand üble Gewohnheiten angenommen. In den Genuß der vom Specht geschaffenen Höhlen kommen also die anderen Vögel entweder unter Lebensgefahr oder aber erst dann, wenn der Specht sein auch gegen Artgenossen heftig verteidigtes Revier verlassen hat. Weniger grobe Sitten als bei diesen eigenbrödlerischen Zimmerleuten herrschen bei den Erdarbeitern unter den gefiederten Höhlenbauern. Und doch sind auch sie überaus tüchtige Schaffer, die den Spechten nichts nachgeben. Wenn wir uns den kleinen schwachen Schnabel und die zierlichen Krallenfüßchen der Uferschwalbe ansehen, werden wir es kaum für möglich halten, daß dieser zierliche Vogel mit seinen mangelhaften Werkzeugen in kürzester Frist eine so gewaltige Bauleistung vollbringen kann, wie sie das tiefe Brutloch in der Lehm- oder Sandwand der Hochufer erfordert. Unmittelbar nach seiner Ankunft in den ersten Maitagen beginnt das Uferschwalbenpaar sich in die steilen Wände hoher Fluß- und Stromhänge, verlassener Steinbrüche und Sandgruben, freier Lehmwände, Torfstiche und Hohlwege hineinzuarbeiten. Eifrig kratzen die Krallen, der Schnabel pickt drauflos, und fast im Handumdrehen sind die Tiere in der Wand verschwunden. Mit den Füßen wird der Bauschutt aus der Röhre gescharrt. Die Eheleute arbeiten sich zügig in die Hand. Sechzig bis hundert, ja bis zweihundert Zentimeter tief ist der vier bis sechs Zentimeter weite Gang, der waagerecht oder leicht ansteigend in die Wand getrieben wird. An seinem Ende erweitert er sich zu einer geräumigen Höhle, die einen dünnen Teppich von Halmen und Gräsern und ein dickes 22
Polster von Federn, Haaren und feiner Wolle erhält. Mit den Federn werden die Jungen sorglich zugedeckt, wenn die Alten auf die Insektenjagd fliegen. In zwei bis drei '1 ageu bringt das pausenlos schaffende Uferschwalbenpaar d°as ganze Werk zustande, nicht selten muß es wegen starker Wurzelstränge und großer Steine zwei- und dreimal neu anfangen. Die Uferschwalben bauen und brüten oft so dicht an dicht, daß die Wände wie zersiebt aussehen. Über dem emsigen Bauen geschieht es nicht selten, daß sie sich mit der letzten Brut verspäten und der Zugtrieb sie von den noch unflüggen und elend umkommenden Jungen wegreißt. Noch tiefer dringen die Bienenfresser, diese tropisch bunten Immenjäger, mit ihren Bruthöhlen in die Wände ein. In ihrem kräftigen, langen, harthornigen und gebogenen Schnabel besitzen sie ein bedeutend besseres Grabwerkzeug als die Uferschwalben. Sie verzichten auf jegliche Wohnkultur und legen ihre fast kugelrunden weißen Eier auf den nackten Boden der gewühlten Höhle. Gegenüber den gesellig lebenden Uferschwalben und Immenjägern ist der regenfarbenbunte Königsfischer, der Eisvogel, ein betonter Einsiedler; aber auch er ist ein tüchtiger und gelernter Minierer, ein Erd- und Tunnelwühler von Rang. Er arbeitet seine Bruthöhle metertief in Lehm- und Lößwände, eine Arbeit, zu der der schneidige sperlingsgroße Fischjäger in seinem bajonettstarken Schnabel ein wundervolles Werkzeug mitbekam. In der fertigen Höhle sitzen die jungen Eisvögel schön im Kreis geordnet auf dem nackten Boden, der sich nach und nach mit dem Gewöll von ausgewürgten Schuppen und Gräten zupolstert. Das dem Gangende zunächst hockende Kücken erhält den Schnabel vollgestopft und rutscht dann weiter, so daß der Kinderkreis sich ständig dreht und jedes Junge zu seiner Atzung kommt. Da die Eisvögel im Gegensatz zu den meisten Vögeln sofort nach der Ablage des ersten Eies zu brüten beginnen, sind die Jungen, bei denen die Federkiele sich spät eröffnen und die deshalb wie kleine gespickte Wesen aussehen, von sehr unterschiedlicher Größe. Nach vier Wochen aber sind sie alle flügge und streben nun schleunigst nach Selbständigkeit. Denn bei Familie Eisvogel gibt es kein trauliches Familienleben. Da geht es bei der dritten Gruppe der Höhlennister, bei den mauernden Rauch- und Mehlschwalben doch gemütlicher, man kann schon sagen, inniger zu. In den Viertel- und Halbkugeln, die diese Schwalben aus eingespeicheltem Lehm und dazwischengelegten 23
Strohhalmen wahrhaft kunstvoll aufmauern und an die Wände kleben, herrscht trotz der beängstigenden Kinderfülle immer Eintracht und Frieden. Nicht nur die Jungen der verschiedenen und ichnell aufeinander folgenden Brüten, sondern auch die Alten halten fest zusammen und vertragen sich glänzend mit den vielen Nachbarn. Der Familienverband erweitert sich zu einem geschlossenen Sippenverband, und deswegen gibt es kein verlasseneres Geschöpf in der Welt als eine vereinsamte Schwalbe, die den Anschluß an den Verband verloren hat. Ein Maurer noch geschickterer Art ist der rotgelbe brasilianische Töpfervogel oder Lehmhans, der auf starke Äste einen kleinen Backofen aufmörtelt, einen kunstgerechten Kuppelbau von etwa zehn Pfund Schwere, 15—18 cm Höhe und 20 cm Länge. Er ver* sieht den originellen Brutraum mit einer inneren Scheidewand, einer Nistsohle, und legt ihn fein mit Hühnerfedern und Baumwollbüscheln aus. In wenigen Tagen ist das Bauwerk aufgerichtet, beide Gatten bauen, brüten, füttern und führen in ehrlicher Arbeitsteilung. Was die Rauchschwalben aus Lehm an die Stallwand mauern, diese oben offene Viertelkugel, das stellen die im indischen und polynesischen Raum beheimateten sdiwalbengroßen Segler, die Salangane, aus gummiartigem Speichel her. Der Speichel, ein Mittelding zwischen Gallerte und Eiweiß, wird von den Unterzungendrü&en nur während der Brutzeit abgesondert und ist so zäh, daß man ihn in langen Fäden aus dem Schnabel ziehen kann. An der Luft trocknet er sehr schnell. Die Salangane drücken den körpereigenen Baustoff mit der Zunge an die Wände der dunklen Felsenhöhlen, in denen sie gern nisten, und ziehen ihn zu feinen Lamellen aus. ' Die ihnen nahe verwandten Kusappis auf Java dagegen verwenden ihren Speichel ganz ähnlich wie unser Mauersegler nur als Bindestoff, mit dem sie feine Pflanzenstengel, Grashalme und Tierhaare zusammenkleben. Sie nisten vorwiegend an überhängenden Felsenwänden. Die Eingeborenen und auch die Chinesen sind daraufgekommen, diese Speichelnester als Leckerbissen anzusehen und sie drei- und viermal im Jahre zu ernten. Auf Karang-Bolong umfaßt die Ernte jährlich 500 000 Nester, die für hohe Preise an die Chinesen verkauft werden. Die in den Nestern befindlichen Jungen werden gegessen oder ins Meer geworfen. 24
Ähnlich wie der Kusappi, baut der im gleichen Lebensraura lebende Baumsegler Klecho sein viel kleineres Nest: Er pappt es an waagerechte, etwa 2 cm dicke Äste. Das aus Baumflechten und Rindenschuppen bestehende und mit dem Speichel überzogene Nest ist gerade so groß, daß in ihm das einzige Ei des Vogels Platz hat; dabei ist es so dünn wie Pergament. Und da es so klein und zerbrechlich ist, kann sich der brütende Vogel auch nicht auf sein Nest setzen. Er bedeckt es mit dem Bauche, während er dicht daneben auf dem Ast hockt. Schlüpft dann aus dem meerblauen Ei das Junge, so verläßt es sofort das wenig sichere Nest, klettert neben die Mutter auf den Astsitz und nimmt dort bei Gefahr Tarnhaltung ein, die an das Tarnmanöver unserer Rohrdommel erinnert. Noch winziger ist das Speichelnest, das der indische Zwergsegler oder Windvogei Micropus parvus an die Blätter heftet. Er gebraucht die Vorsicht, gleich auch die Eier und spater die Kücken einfach in dieses Nestchen hineinzukleben. Die 17 mm langen Eier leimt er mit der Spitze auf, so daß auch während des Schlüpfaktes kein Unglück geschehen kann.
Töpfervogel vor seinem Nest aus Lehm 25
Wirker und Filzer,
Weber und Schneider
Durch die Zweige der Trauerweide am Weiher schlüpft ein kleiner rostbrauner Vogel mit zimtroten Schultern und weißem Köpfchen, im Schnabel trägt er ein dickes Knäuel feinster Hopfenfasern. Vor einem Zweig, der knapp über dem Wasser hängt, "verhält er und beginnt die Fasern um die Rinde zu schlingen. Wie ein lebendiges Weberschifflein, wie ein akrobatischer Turner bei der Riesenwelle am Reck kreist er um die Achse des Zweiges, und im Nu sind die Fasern aufgewickelt. Ein Viertelstündchen später erhält auch das benachbarte Zweiglein solch einen Isolierungsverhand. Jetzt aber sind es zwei Vögel, die da unermüdlich viele Tage wikkeln und wickeln und zuletzt die beiden Zweigenden zu einer regelrechten Luftschaukel, einer Faserbrücke verknüpfen und verflechten. Schon sitzt das Männchen in der Schaukel und prüft sie auf ihre Festigkeit. Das Weibchen aber traut dem Bauwerk noch immer nicht, wickelt weiter Hopfenfasern um die Zweige und verknüpft die Schaukelseile durch Flechtwerk mit dem Hauptzweig. Das Männchen aber stopft bereits dicke Knäuel der feinen Pappelflocken und der Weidenwolle in die luftige Schaukelbrücke und weitet sie zu einer breiten Hängematte. Es stopft, sticht und rüttelt, verwebt und verfilzt die Fasern, speichelt und zupft die Pflanzenwolle. Aus der Hängematte wird allmählich ein tiefes Henkelkörbchen. Die Seitenwände wachsen in die Höhe. Das Bauwerk ähnelt nun schon einer großen, schweren Birne, in der der kleine Stopfer ganz verschwindet. Nach einer Woche sind die Wände bis auf ein kleines Schlupfloch dicht geschlossen. Nur am unermüdlichen Zutragen von Fäden und den Schaukelbewegungen merkt man, daß da drinnen immer noch gewirkt, gebaucht, gerüttelt wird. Bald aber sieht man Männchen und Weibchen draußen damit beschäftigt, vor das Schlupfloch ein längeres Schlupfrohr zu setzen, das «ie zurechtkneten. Dann ist es geschafft! Zwölf Zentimeter breit und zwanzig Zentimeter lang hängt das Beutelnest wie eine Baumfrucht am Gezweig, und Frau Beutelmeise kommt nun endlich zum Eierlegen. Schnell tragen sie noch lockere Polsterwolle ein. Dann geben sich die größten Nestbaukünstler unserer europäischen Heimat, die kleinen Beutelmeisen, still dem Brüten hin. Was sie vollbringen, was sie da wickelnd, webend, flechtend, stopfend, wirkend, filzend, speichelnd, zupfend, stochernd an die 26
dünnen Zweige übers Wasser hängen, wird in der ganzen Vogelwelt nicht überboten — das ist die Gipfelleistung aller Nestbaukunst. Selbst die geschickten Webervögel Afrikas und Indiens, die ähnliche Birnen- und Beutelnester an die Palmenfieder hängen, übertreffen die Beutelmeisen nicht. Doch haben die indischen Weber noch einige Patente dazu erfunden. Sie teilen den Nestraum durch eine hohe innere Scheidewand, um zu verhindern, daß hei Stürmen die Eier und die Kücken aus den heftig schaukelnden Wiegen fallen. Die Männchen bauen aus lauter Baulust zusätzliche Schlafhenkelkörbchen und leisten sich den Luxus, in diese Nester bequeme Quersitze einzumontieren Sie sind die Erfinder des einzigen Vogelnestmobiliars. Auch die wunderschönen Nester der Baumweber unterscheiden sich durch eine Raffinesse von den Nestern der Beutelmeisen. Der Flaschenhals des Schlupfloches ist bei ihren Nestbeuteln zu einer an der ganzen Birnenwand herablaufenden Eingangsröhre verlängert, so daß Neugierigen, Beutelustigen und dem Regen der Zugang sehr schwer gemacht ist. Eine ganz neue Note und neue Künste bringt im fernen Asien, auf Ceylon und auf Java, der Schneidervogel in das derartig hochentwickelte Bauhandwerk. Der Schneidervogel seilert, spinnt und näht! Mit selbstgesponnenen, selbstgedrehten und gut eingespeichelten Pflanzenfäden näht er große Blätter zu einer geräumigen Blatt-Tüte zusammen. Als Nadel dient ihm der Schnabel. Da die Fäden klebrig sind und der Klebstoff schnell erhärtet, spart er sich die Knoten. Bei der Näharbeit beginnt er an den Blattspitzen und heftet die Blattränder bis über die Mitte zusammen. Dann füllt er den Raum zwischen den Blättern mit feinster Tier- und Pflanzenwolle und verwirkt und verfilzt die Stoffe noch mit seidenem Spinnen und Raupengespinst. Der Schneidervogel hat nicht seinesgleichen in der Vogelwelt. Doch auch die Kolibris und unsere Schwanzmeisen, Goldhähnchen, Zaunkönige, Buchfinken, Distelfinken und die goldenen Pirole sind Weber, Flechter und Wirker ersten Ranges und verfügen über geradezu märchenhafte Sinnesempfindungen für Raum und Gewicht. Wir brauchen nur einmal die tiefen Nestnäpfe aus Moos und Seidenfäden der Schwanzmeisen, die dicken Mooskugeln der Zaunkönige, die Hängewiegen der Pirole aus der Nähe zu betrachten und zu versuchen, sie zu zerlegen und aufzulösen — und wir wer27
den der hohen Kunstfertigkeit ihrer Baumeister das verdiente Loh zollen müssen. Es gibt fast keine Schwierigkeit, die die bauenden Vögel nicht meistern könnten, es gibt kaum ein Handwerk, das sie nicht beherrschten. Sie verwenden und verarbeiten "jeden Stoff mit der gleichen Fertigkeit. Ihr Schnabel erweist sich als ein geradezu phantastisch vielseitig verwendbares Werkzeug, und ihr Fleiß kennt keine Grenzen.
Spiel-,
Riesen-
und
Gemeinschaftsnester
Die Bauleistungen der Vögel sind auch in ihrer Größe oft so erstaunlich, daß es fast unbegreiflich ist, wie ein einziges Vogelpaar die im Verhältnis zu seiner Kraft gewaltigen Mengen von Nistmaterial herbeitragen und bearbeiten kann. Der Vogelkundige kennt zahlreiche Beispiele überraschend ausgedehnter Nestanlagen. In Brasilien türmen die kleinen bräunlich-olivengrauen Bündelnister, die nicht viel größer als unsere behenden Baumläufer sind, auf Büschen und Bäumen einen Kolossalbau von fast einem Meter Länge und dreißig Zentimeter Breite auf. Die verarbeiteten Reiser haben die Stärke von Federkielen und Bleistiften, sind bis zu einem halben Meter lang und werden zu einem großen Stacheligel zusammengesteckt. Ein Einschlupf führt wie ein aufragender Schornstein in das Kastell. Hoch im großen Hohlraum steht das kleine Brutnest, das sehr kunstvoll aus Moos und Wolle, Bast und dürrem Gras geflochten und gewoben wird. Alljährlich wächst die Riesenburg, denn die kleinen Kerle setzen auf den alten Reisighaufen regelmäßig ein neues Stockwerk, in dem sich die gleiche Anlage von Reiserigel und Brutnest wiederholt. Noch gewaltiger sind die in großen Bäumen aufgestellten wirren Haufen der schokoladebraunen Viehweber im Innern Afrikas. Aus den dornigen Zweigen der Garatmimose zusammengesteckt, bilden sie Stachelverhaue von zwei bis drei Meter Länge und anderthalb Meter Höhe. Der faustgroße Einschlupf verengert sich wie eine Reuse zu einem schmalen Gang, ganz im Herzen der Burg befindet sich dann die kleine Wiege. Nicht selten birgt die Anlage mehrere Brutnester, und die Viehweher schaffen hin und wieder sogar in Gemeinschaftsarbeit an diesem Schutzkastell, das ihnen allen bequemen Unterschlupf gewährt. 23
Daß es sich für solch schwache Geschöpfe wohl verlohnt, ein unangreifbares Riesennest zu schaffen, beweisen auch die in Inncrund Südafrika beheimateten Siedelsperlinge, echte kleine Spatzen. Sie hängen ihre Nester zu Hunderten in dichten Klumpen an die starken Äste der Mimosen und bedecken sie mit einem hausgroßen, hochgewölbten Gemeinschaftsdach. Als Nistmaterial wird Gras bevorzugt; die mit Gassen versehene Neststadt gleicht einem strohgedeckten Hause oder einer Riesenwabe, die nicht selten achthundert bis tausend Einzelnester vereinigt. Den Bienen gleich sind die kleinen Bewohner unaufhörlich damit beschäftigt, das Schirmdach auszubessern. Im folgenden Jahr werden neue Nester unter die alten gehängt; dann wächst das Dach zu noch größerer Dicke an, bis sich die Bäume biegen und die Aste unter der Last zu brechen drohen. Um diese Nestbauten herrscht ständig ein lebhafter Betrieb, wie vor einem großen Geschäftshaus zur Zeit des Büroschlusses. Ein mächtiger Einzelbau, der im Laufe der Jahre zu einem Sippennest wird, ist auch der Reisighaufen, den die grünen Mönchssittiche Südamerikas zusammentragen. Er bildet eine Stachelkugel von über einem Meter Durchmesser. Alle Reiser werden mit der Spitze voran in den Bau geordnet. Das Dach ist wie ein Kuppel. Das oft zusätzlich überwölbte Schlupfloch führt als Röhre in den Vorraum und von dort erst in den Brutraum. Die Jungen und die Kindeskinder bauen ihre Nester an den großen Elternbau, der unaufhörlich wächst. Zuletzt ist er ein Ungetüm, das einen Wagen füllen würde und gut vier Zentner wiegt. Bis zu zwölf Pärchen nisten gemeinsam darin und bieten außerdem noch kleinen Enten als Untermietern eine Zufluchtsstätte. Die Partner leben friedlich beieinander und vertragen sich gut. Ein Riesennest, einen auf der Spitze stehenden Kegelstutz von zwei Meter Umfang mit drei getrennten Räumen, baut auch der afrikanische Schattenvogel, es wird aus Reisern, Gras und Rohr geschichtet und dann mit Lehm verschmiert und vermauert. Am liebsten stellt der Schattenvogel den Kegel in die Astgabeln starker Bäume, die sich übers Wasser neigen. Das Schlupfloch führt in ein Vorzimmer, in dem sich regelmäßig einer der Gatten als Wachhabender aufhält. Von diesem Vorraum geht es in die Speise-, Vorrats- und Gesellschaftskammer, wo geschwätzt und auch getafelt wird, wie es die Nahrungsreste deutlich verraten. Vom Speiseraum erst Öffnet sich der höhergelegene Nistraum und das Schlafgemach dieser luxuriösen Reihervögel. Die sauber gemauerten Wände wer29
den mit gebleichten Knochenstückchen ausgeschmückt, die irgendwo aufgesammelt worden sind. Solch ein Nest geht schon weit über den Aufgabenkreis als Eierwiege und Kinderstube hinaus und ist eine Vorstufe zu den Spielund Balznestern, wie sie die australischen Laubenvögel anlegen. Unter dichten Büschen oder im hohen Gras treiben die Männchen dieser sehr schlicht gefärbten und krähengroßen Vögel kleine Zweige so in die Erde, daß sich ihre Spitzen und Gabeln überkreuzen und einen langen Laubtunnel bilden. Der Boden wird mit einem Teppich aus dicht verflochtenen Reisern und frischen Blättern belegt, die Wände erhalten reichen Schmuck aus schönen Papageienfedern, glänzenden Beeren, schillernden Käferflügeln, bunten Schneckenhäusern, glitzernden Glasstückchen und weißen od?r roten Blüten. Die Ein- und Ausgänge des zu beiden Seiten offenen Laubenganges zieren Häufchen von Muschelschalen, bunten Steinchen und gebleichten Knochen, die von den Vögeln in den Ansiedlungen aufgelesen, zusammengestohlen oder von weither zusammengetragen werden. Selbst die Steine, mit denen die Vögel die Heiser stützen und beschweren, zeigen kunstvolle Anordnung und säumen den Ein- und Auslauf. Die Vögel sind äußerst erfinderisch in der Ausschmückung ihres Tunnelnestes. Sobald der Bau vollendet ist, lockt das Männchen durch ein recht auffälliges Flügelschlagen und werbendes Pfeifen das Weihchen herein, und es beginnt ein abwechslungsreiches Hasche- und Balzspiel, dem nach Wochen fröhlichen Unitriebs der eigentliche Nestbau folgt. Täglich schmückt das Männchen das Nestheim mit buntfarbigen Blüten. Bei den Atlas- oder Seidenlaubenvögeln sind diese Spielnester oft über einen Meter lang, beim Kragenvogel werden sie gemeinschaftlich von mehreren Paaren erbaut und benutzt. Der sägezähnige Laubenvogel legt darüber hinaus noch einen Tanzplatz vor der Haustür an. Der Platz wird säuberlich blaukgefegt, mit einem Teppich von Blättern belegt, deren silberglänzende Unterseite nach oben gewendet wird. Der Teppich wird jeden Morgen erneuert, die ungeordneten Blätter werden sorgsam wieder nebeneinander gelegt und der Bodenbelag frisch ausgebreitet. Unübersehbar, unzähligen Lebensformen, örtlichen und klimatischen Gegebenheiten angepaßt, sind die Methoden und Architekturen der Nester in der Vagelwelt. Von flachen Nistplätzen auf dem unbearbeiteten Boden, von der geschürften Mulde bis zu vollendetsten Kunstbauten und spielerisch ausgestatteten Tummel30
nestern reicht die Serie der Brutstätten des gefiederten Volkes. Alle Formen, die nüchternen wie die technisch durchgestalteten, werden im Dienste der Arterhaltung geschaffen. Denn nichts ist wichtiger für das Fortbestehen der Gefiederten, als daß sie Jahr um Jahr ihre Nachzucht hochbringen — die großen, wehrhaften Vögel oft nur ein Junges, die kleinen von vielen Feinden verfolgten oder auf weiten Zugreisen gefährdeten eine Vielzahl an Vogelkindern. Für all dieses Vogeljungvolk ist das Nest die Wiege, in der vor allem die hilflosen Kleinen der Nesthocker in den Wochen des Heranwachsens von den Eltern voll rührender Hingabe aufgepäppelt werden. Wenn sich irgendwo in der Natur die Allmacht der schöpferischen Kräfte in ihrer ganzen Großartigkeit kund gibt, dann in der Vielgestaltigkeit der Vogelnestanlagen, die alle zu beschreiben die Seiten zahlreicher Bücher füllen würde.
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