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Wer wäre da nicht neugierig? Am ersten Morgen nach dem Einzug in die neue Wohnung ent deckt die zehnjährige Kat eine geheimnisvolle Öffnung in der Trennwand zum Nachbarbalkon, durch die man bequem hindurch steigen kann ... Diese viereckigen Offnungen verbinden die Be wohner des fünften Stocks im soeben bezugsfertig gewordenen Neubaublock sieben, ob gewollt oder nicht, auf seltsame Weise. Da kommt es zu turbulenten Szenen, wenn Oma ihre zwei Enkel aus einem fremden Badezimmer zurückholen muß; da entsteht eine Freundschaft zwischen einem alten Brunnenbauer und einem Hörspielregisseur; erste scheue Liebesbeziehungen entwickeln sich; Menschen mit ganz verschiedenen Erfahrungen, Anschau ungen und Erwartungen treffen aufeinander, entdecken Lebens zusammenhänge neu und finden damit auch ein neues Verhältnis zu sich selbst... Der von HANS WEBER gewählte Buchtitel EINZUG INS PARADIES (4. Auflage • 432 Seiten • Ganzleinen 10,80 M) ist sowohl Sinnbild für die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches als auch für das, was man damit anfängt, wie man sein Paradies auf Erden selbst mitgestalten kann. Neues Deutschland, Berlin
VERLAG NEUES LEBEN BERLIN
ODR 0,25 M
32706
Kir Bulytschow
Besuch aus dem Kosmos
Verlag Neues Leben Berlin
Titel des russischen Originals: TyciuipcKHe HCTOPHH: KOCMHHeCKHH fleeaHT O JIIOÖBH K ÖeCCJIOBeCHblM TBapHM
napoB03 HJIH uapa Ins Deutsche übertragen von Aljonna Möckel Illustrationen von Günther Lück
Der Abdruck der Erzählung „Eine Dampflok für den Zaren" erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Kinderbuchverlages © Verlag Neues Leben, Berlin 1982 Lizenz Nr. 303 (305/82/82) LSV 7703 Umschlag: Günther Lück Typografie: Walter Leipold Schrift: 9p Excelsior Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin Bestell-Nr. 643 406 6 DDR 0,25 M
Besuch aus dem Kosmos Es war an einem Sonnabend im August, einem heißen und windi gen Tag. Der Rentner Nikolai Loshkin hatte seine Nachbarn Lew Christoforowitsch Minz und Korneli Udalow überredet, mit ihm zum Kopenhagensee hinauszufahren, um sich von städtischer Hast, von Familie und Arbeit zu erholen. Der Kopenhagensee liegt etwa zwanzig Kilometer von GroßGuslar entfernt, man benutzt den Autobus und wandert dann noch ein Stück einen Pfad entlang durch Mischwald. Der Name des Sees erklärt sich einfach. Einst befand sich an seinen Ufern das Gut des Grundbesitzers Gulkin, eines ausgespro chenen Anglomanen, der glaubte, Kopenhagen sei ein englischer Admiral. Dieser Name hatte sich dann wegen des seltsamen Klan ges, den er für die Anwohner besaß, eingebürgert. Korneli Udalow hatte mehrere Angeln mitgeschleppt, um ein bißchen zu fischen, Professor Minz sein Köfferchen mit einem Minilabor, denn er wollte eine Wasserprobe entnehmen; er trug sich mit der Absicht, in dem See Miesmuscheln für die Volkswirtschaft zu züchten. Nikolai Loshkin schließlich verspürte den Wunsch, sich auf Yoga-Art zu sonnen. Fürs erste suchten sie sich ein schattiges Plätzchen unter einer knorrigen Kiefer und richteten ihr Lager her: Sie breiteten eine Decke aus und darauf ihre Vorräte und plauderten bei einem Imbiß über Gott und die Welt. Am See hatten sich auch noch andere Leute eingefunden. Wegen der großen Hitze angelte niemand, alle faulenzten. „Eigentlich ist schon lange nichts mehr passiert", sagte Udalow. Er hatte sich ausgezogen, trug lediglich eine blaue, an der Seite geblümte Badehose sowie einen Dreispitz aus Zeitungspapier, um seine Glatze vor Sonnenbrand zu schützen. „Kommt noch, unter Garantie", erwiderte der alte Loshkin. „Das Wetter ist prächtig, so was hatten wir hier seit 1878 nicht mehr." Der Anschaulichkeit halber malte er dieses Datum in den Sand, setzte daneben ein anderes — 1978 — und verband beide mit einem Pfeil. Hundert Jahre! In diesem Augenblick tauchte ein Raumschiff über ihnen auf. Es hing lautlos über dem See, so als hätte es auf der Suche nach einem so hübschen Gewässer die ganze Galaxis durchflogen und könnte sich jetzt nicht satt schauen. 3
„Seht doch mal", rief Udalow, „Besuch aus dem Kosmos." „Na, was hab ich gesagt", entgegnete Loshkin. „Solche waren noch nicht hier", stellte Udalow fest, nachdem er sich erhoben und seinen Zeitungsdreispitz in den Nacken gescho ben hatte. Er wirkte sehr ernst Professor Minz, nach wie vor angezogen, einzig den Schlips hatte er ein wenig gelockert, sprang gleichfalls auf die Beine und legte die Hand als Schirm über die Augen, um die Maße des Raumschiffs bestimmen zu können. „Stimmt", bestätigte Loshkin, „die Art da oben haben wir noch nicht gesehn. Sie stellt ein Novum dar." Die drei hatten schon eine Menge fremder Raumschiffe zu Ge sicht bekommen, denn Gäste aus dem All machten gern in Guslar Station. „Der kommt von weit her", stellte Professor Minz fest, als er mit seiner Messung fertig war. „Die Pi-Mesonen-Beschleuniger sind völlig hinüber." Udalow und Loshkin schauten nun ebenfalls genauer hin und gaben dem Professor recht: Die Pi-Mesonen-Beschleuniger be durften in der Tat einer Reparatur. Das Raumschiff ging langsam tiefer und verharrte schließlich unmittelbar in Ufernähe. „Gleich werden sie aussteigen", sagte Udalow. Er hat recht, dachte Loshkin. Jeden Moment kann die Luke auf gehen, und dann wird eine unbekannte Zivilsation den Strand be treten. Gewiß ist sie uns freundschaftlich gesinnt, wenn man auch nicht ausschließen darf, daß mal eine feindliche Kosmosmacht mit der bösen Absicht in Guslar landet, die Erde zu unterjochen. Wir drei könnten übrigens nichts dagegen tun - bis zur Stadt sind es zwanzig Kilometer, und obendrein fährt der Bus nur selten. Aus dem Schiffskörper kamen zahlreiche Fühler und Analysato ren zum Vorschein. „Sie untersuchen die Bedingungen", sagte Udalow. Minz nickte nur. Das war auch ohne Worte klar. Kurz darauf wurden die Fühler wieder zurückgezogen. Dann jedoch geschah das Unerwartete. Die Luke öffnete sich unten. Aber keine Kosmonauten entstiegen dem Raumschiff, sondern eine grüne Masse, gleich konserviertem Spinat, ergoß sich wie aus einem Silo auf den Sand. Solche Spinat konserven hatte es kürzlich im Guslarer Kaufhaus gegeben; man verwendete ihn gern für die Zubereitung von Suppen. Sekunden später schloß sich die Luke. Die grüne Masse breitete sich als zäher Brei auf dem Sand aus und steuerte auf das Wasser zu. Das Raumschiff aber schraubte sich in die Höhe und ver schwand. „Scheint sich um eine Wasserzivilisation zu handeln", sagte Minz. Loshkin, der in Gedanken bereits ein paar Begrüßungsworte formuliert hatte, denn schließlich war er ein erfahrener und lebens 4
gewandter Mann, schwieg konsterniert. Diese grüne Masse ver fügte über keinerlei Organe, an die er sich mit seiner Rede hätte wenden können. Dann jedoch sagte er, vorsichtshalber flüsternd, damit der breiige Gast ihn nicht belauschen konnte: „Eine Unver schämtheit ist das. Die Leute wollen baden, die aber versauen den ganzen See." „Mit Baden wird's vorerst nichts", entschied Korneli Udalow. „Womöglich haben die Gäste irgendwelche empfindsamen Teile, und wir verletzen sie." „Von wegen Gäste! Lausiger Schimmel ist das!" Loshkins Mei nung stand fest. „Und wenn er nun radioaktiv ist?" fragte Udalow. „Das werden wir gleich sehn." Professor Minz öffnete sein Köffer chen, das ein zusammenklappbares Mikroskop, einen Spektrogra phen, einen Geigerzähler, diverse Reagenzgläser, Chemikalien und verschiedene andere Gerätschaften enthielt. Der alte Loshkin, von Mißtrauen gegenüber dem grünen Gast durchdrungen, der bereits teilweise im Wasser schwamm und sich als grüner Film auf der Oberfläche ausbreitete, holte einen Tin tenstift aus der Tasche und schrieb mit Druckbuchstaben auf ein Stück Sperrholzplatte: Baden,
Angeln,
Wäschewaschen
Verboten! —
Achtung! Gefahrenstelle!
Das Stück Sperrholz befestigte er an einem Kiefernstamm. Die Leute, die sich mittlerweile am Ort des Geschehens versammelt hatten, blieben vor dem Schild stehen und studierten die Mitteilung. Der Professor war inzwischen zum Wasser hinuntergegangen und beugte sich über den grünen Brei. Der Geigerzähler schwieg, und das war tröstlich. „Übrigens ist nicht auszuschließen", wandte sich der Professor an Udalow, der ihn von der Rückseite her abschirmte, „daß es sich hier um Landetruppen aus dem Kosmos handelt." „Das wäre schade", erwiderte Udalow. „Ich bin für die Freund schaft zwischen den kosmischen Zivilisationen." „Sollte sich dieses grüne Zeug schnell vermehren, wird es binnen kurzer Zeit unseren ganzen Planeten überfluten, und für die Ein dringlinge aus dem All wäre es so ein Kinderspiel, uns mit bloßen Händen zu kriegen." „Da gäb's aber einfachere Methoden", sagte Udalow. „Was wissen wir schon von ihrer Psychologie", erwiderte Minz. „Und wenn sie sich nun fremder Planeten immer auf diese Weise bemächtigen?" 5
Einer der Umstehenden sagte: „Ich fahr jetzt nach Hause, ich muß meine Tomaten ernten. Eh diese Fremden alles vergiften." Einige der Badelustigen und Angler folgten ihm. Die meisten freilich blieben, gab es doch für den durchschnittlichen Guslaraner kein größeres Vergnügen als die Begegnung mit dem UNGEWIS SEN, mit den Geheimnissen des Kosmos. „Und jetzt", verkündete Professor Minz, ,.müssen wir das Ver halten dieses Schimmels untersuchen." Er entnahm dem Wasser einige Proben und betrachtete sie durchs Mikroskop. Udalow verlor gleichfalls keine Zeit. Fürs erste malte er einen Kreis und ein Dreieck in die Luft, sich damit der allen vernunft begabten Wesen zugänglichen Sprache der Geometrie bedienend. Danach schnappte er seine Hose, um den Gästen anhand dieser den Lehrsatz des Pythagoras zu verdeutlichen. Die grünen Gäste schenkten Udalows Bemühungen keinerlei Aufmerksamkeit, und schon im nächsten Moment gab Professor Minz seine Entdeckun gen kund. „Es handelt sich um eine absolut ungefährliche Substanz", er klärte er. „Um mikroskopisch kleine Wasserpflanzen, primitive Organismen, wie es sie auch auf der Erde gibt. Nicht vernunft begabt." „Das ist noch nicht erwiesen", widersprach Udalow, hörte aber auf, mit der Hose herumzuwedeln, zog sie vielmehr an. „Vielleicht v ergibt sich, wenn man sie zusammenfügt, ein kollektiver Verstand." „Selbst wenn man ein ganzes Kohlfeld aberntet, gibt das wenn auch einen großen Haufen Kohl, so doch noch lange keinen Ver stand", widersprach Minz. „Und wenn sich dieses Zeug nun vermehrt und die Erde be herrscht?" fragte Loshkin. „Sie selbst haben doch diese Befürch tung geäußert, Lew Christoforowitsch." „Dazu hätten sie in der Vergangenheit Zeit genug gehabt", sagte der Professor. „Diese Wasserpflanzen leben schon Milliarden Jahre auf der Erde." „Sie werden unsre Fische zuschanden machen", äußerte vorsich tig ein junger Mann in Matrosennicki. „Ach was. Sehn Sie nur: Die Fische verspeisen bereits selber das Gemüse", sagte Minz. So erwies sich also die Vermutung, Besuch aus dem Kosmos sei da, als völlig falsch, die von Loshkin vorbereitete Ansprache löste sich in ein Nichts auf, die Bemühungen Udalows, den Pythagoras satz zu demonstrieren, waren für die Katz. Minz kannte sein Metier. Wenn er sagte, daß dieses Raumschiff einen einfachen Haufen kleinster Wasserpflanzen am Ufer des Kopenhagensees abgeladen hatte, dann stimmte das. Die Schaulustigen gingen enttäuscht auseinander, die drei Freunde jedoch setzten sich unter die Kiefer mit dem Verbotsschild und begannen zu überlegen, was das Ganze zu bedeuten hatte. Es war geradezu unmöglich, daß ein Raumschiff aus dem Kosmos 6
eigens zu dem Zweck gelandet war, einen Haufen Mikroorganis men abzuladen. Die Wasserpflanzen, die am Ufer zurückgeblieben waren, trock neten unter den Sonnenstrahlen rasch aus, wurden schwarz und saugten sich in den Sand. „Sie haben uns vor eine logische Aufgabe gestellt", sagte Udalow, „sie wollen prüfen, ob wir Angst haben oder nicht." „Und beobachten uns dabei?" fragte Loshkin. „Genau. Sie beobachten uns." Der Professor erhob sich und schritt das Ufer ab, um zu erkun den, wie weit sich die Wasserpflanzen ausbreiteten. Der See lebte sein stilles, friedliches Samstagsleben, und nichts erinnerte mehr an den gerade erst erfolgten Besuch des Raumschiffs. Minz stol perte über einen harten Gegenstand. In der Annahme, es handele sich um einen Stein, schlug er mit der Fußspitze dagegen. Doch das Hindernis wich nicht, vielmehr stieß sich der Professor, der nur leichte Sandalen trug, den großen Zeh. „Oje!" rief er aus. Udalow eilte ihm zu Hilfe. „Was ist los?" „Ein Stein", sagte der Professor, „er ist ganz mit diesem Grünzeug bedeckt." Ein sechster Sinn flüsterte Udalow ein, daß es kein Stein war. Er ging schnell in die Hocke und schob die noch feuchten, klebrigen Wasserpflanzen auseinander. Seine Mühe wurde belohnt. Ein kleiner goldfarbener Zylinder, dessen oberer Teil aus dem Sand ragte, war dabei, sich mit langsamen Schraubenwindungen in die Tiefe des Bodens zu bohren. „Da haben wir ja doch noch unsern Gast", sagte Udalow und be gann wie ein Hund im Sand zu scharren, um den Zylinder frei v zulegen. Der Zylinder war nicht groß, aber schwer. Der Professor holte voller Eifer den UKW-Empfänger aus seinem Köfferchen, den er für alle Fälle immer bei sich trug, nahm ihn in Betrieb und sagte gleich darauf: „Hab ich mir's doch gedacht. Der Zylinder sendet Signale in gleichbleibender Frequenz." „Auf seiner Oberfläche steht was geschrieben", sagte Udalow. Tatsächlich waren Schriftzeichen auf dem Zylinder zu erkennen. „Ach herrje!" rief Udalow aus, „der schraubt sich auseinander!" Aus dem Innern des Zylinders kam ein röhrenförmig zusammen gerolltes Stück Metallfolie zum Vorschein, das die gleichen Schrift zeichen trug wie der Zylinder. „Sieht aus wie Esperanto", sagte Minz, als er den Text eingehend betrachtet hatte. „Ist es aber nicht. Es handelt sich um eine andere Sprache. Na, macht nichts, jedenfalls sind Suffixe, Präfixe und Satzzeichen erkennbar - die Struktur insgesamt ist recht einfach. Gebt mir zehn Minuten Zeit, dann entschlüssele ich euch den vor liegenden Text, wie das übrigens jedes Linguistikgenie an meiner Stelle könnte." 8
„Na fein", sagte Udalow, „ich schneid inzwischen die Wurst und mach die Bierflaschen auf." Als Udalow den Imbiß zubereitet und auch der Professor sein belegtes Brot bekommen hatte, waren zehn Minuten vergangen. Minz, der sich in seiner Arbeit auf die Erfahrungen so hervorra gender Kenner der Hieroglyphenschrift wie Champollion, Knoro sow und andere stützte, hatte die Dechiffrierung abgeschlossen. „Achtung", sagte der Professor, „wenn ihr wollt, verlese ich jetzt den Wortlaut der kosmischen Botschaft. Er ist tatsächlich von ei nigem Interesse." Er lachte leise auf. „Zunächst die Aufschrift auf dem Zylinder selbst: ,Zu öffnen in vier Milliarden Jahren'." „Wie bitte, was?" fragte Loshkin. „Für die Exaktheit der Übersetzung garantiere ich." „Dann haben wir das alles umsonst eingerührt", sagte Udalow. „Sie haben uns vertraut, wir aber haben alles zerstört." „So lange leb ich doch gar nicht", sagte Loshkin, „also brauchen wir uns auch nichts vorzuwerfen. Außerdem haben wir das Verbot erst gelesen, nachdem der Zylinder bereits geöffnet war." „Und nun zum Text", fuhr Minz fort. „,Liebe Einwohner dieses Planeten, für den es bis jetzt noch keinen Namen gibt...'" „Wie denn das?" fragte Loshkin. „Und ob wir einen Namen für unseren Planeten haben!" „Der übrigens auch im Kosmos schon vielen bekannt sein dürfte", unterstützte ihn Udalow. Der Professor wartete einen Augenblick und las dann weiter: „ ,Genau heute sind vier Milliarden Jahre seit jenem Tag vergangen, da das automatische Raum-Säschiff, von unserem Heimatplaneten Prekrupizan startend, den unscheinbaren, doch prinzipiellen Schritt für eure Evolution getan hat. Erfahren in Theorie und Praxis eines Panspermas, schicken wir unsere Schiffe, beladen mit der niedrigsten Lebensform — den Algen -, in sämtliche Winkel der Galaxis. Gelangen diese auf einen unbevölkerten Planeten, begin nen sie sich zu entwickeln, stellen sie doch eine überaus simple und anspruchslose Art dar. Viele Millionen Jahre später werden sie den Grundstock für höherentwickelte Wesen bilden, danach werden Dinosaurier und Mastodonten entstehen, bis schließlich jener im Dasein jeglicher Planeten glückliche Tag anbricht, da der Men schenaffe einen Stock in die Hände nimmt und einzelne Worte auszusprechen beginnt. Wieder einige Zeit später wird er sich ein Haus bauen und das Radio erfinden. Und so wißt denn, daß ihr, unsere räumlich und zeitlich so weit entfernten Verwandten in der Evolution, das Radio erfinden und das Signal unserer vor vier Milliarden Jahren am Ufer eines unbewohnten, leblosen Sees ver borgenen Kapsel auffangen konntet, weil wir sein Wasser mit pri mitiven Pflanzen bevölkert haben. Wir hinterlassen keine Adresse - die Zeitspanne ist zu groß. Wir haben eurem Planeten das Leben geschenkt und euch völlig uneigennützig erschaffen. Wenn ihr un sere Kapsel gefunden und die Botschaft gelesen habt, so bedeutet 9
das: Unser Ziel ist erreicht. Sagt uns ein Dankeschön. Auf weitere gute Entwicklung, Freunde!' Das war's", fügte Minz mit einem Anflug von Wehmut hinzu. „Sie sind ein bißchen spät gekommen." „War doch meine Rede, daß sie vernunftbegabt sind", sagte Uda low. „Und ohne jede Feindseligkeit." Er glaubte an die kosmosum fassende Freundschaft, und die Botschaft im Zylinder hatte ihn in seiher Überzeugung bestärkt. Die mikroskopisch kleinen Algen schwammen im See und wur den von den Karauschen vertilgt. Plötzlich aber machte Loshkin ein bedenkliches Gesicht. „Was hast du denn", fragte Udalow, „womit bist du nicht zufrie den? Daß wir ihre Adresse nicht haben? Die kriegen wir schon raus. Eines Tages fliegen wir hin und lachen gemeinsam mit ihnen über diese Geschichte." ,Ach, um die Adresse geht's doch gar nicht", sagte Loshkin. „Ich überlege gerade, ob wir nicht eine zweite Kapsel suchen sollten." „Was denn noch für eine?" „Na ebenjene, die die Außerirdischen vor vier Milliarden Jahren auf der Erde hinterlegt haben..." Von der Liebe zur stummen Kreatur An einem Morgen im Juni erwachte Korneli Udalow ohne ersicht lichen Grund schon sehr zeitig. Er war guter Stimmung und fühlte sich frisch. Ein letztes Mal noch reckte er sich, dann sprang er aus dem Bett und lief ans Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Das Wetter, sonnig und wolkenlos, machte tatendurstig. Nach einem prüfenden Blick zum Himmel schaute Udalow hinunter in den Hof. Dort stand an einem blühenden Fliederstrauch ein nicht allzu großes Flußpferd. Es ließ, während es den Busch ab schnurpste, mit schöner Regelmäßigkeit seinen rosa Rachen sehen. „He", sagte Udalow leise, um seine Familie nicht aufzuwecken, „so geht das aber nicht." Der Flieder blühte üppig, doch dem Flußpferd reichte ein Zweig gerade für den hohlen Zahn. Ein Jammer. Der Dickhäuter reagierte nicht auf Udalows Worte, deshalb stürzte Korneli Iwanowitsch, nur mit dem Pyjama bekleidet, aus der Wohnung und rannte die Treppe hinunter. Er hielt erst an der Haustür inne, wo er zur Besinnung kam: Was mach ich bloß für Geschichten! Lauf im Schlafanzug raus, als hätten wir wirklich und wahrhaftig ein Flußpferd im Hof. Wenn ich das jemandem erzähle, bringen sie mich sonstwohin. Bei uns im Hof gab's schließlich noch nie Flußpferde! Udalow stand an der Haustür und konnte sich nicht entscheiden, was weiter zu tun sei. Öffnete er nun die Tür, um sich zu vergewis sern, daß seine Augen ihn nicht getrogen hatten, oder machte er 10
kehrt, um sich zu waschen und die Zähne zu putzen. In dieser unschlüssigen Haltung wurde er von seinem Nachbarn aus dem ersten Stock, Alexander Grubin, überrascht. Grubin hatte das Gepolter im Flur gehört und wollte wissen, wer der Urheber war. „Was machst du denn hier?" fragte Grubin. „Ich steh einfach da." „Ist was passiert?" „Was sollte passiert sein!" „Warum bist du dann gerannt?" „Ich? Gerannt?" „Na ja, du wolltest doch raus. Gibt's da was?" Udalow hätte um ein Haar gesagt: Ja, ein Flußpferd, hielt sich jedoch zurück. „Ach wo", antwortete er, „nichts gibt's da. Schau ruhig selber nach, wenn du's nicht glaubst." „Genau das tu ich", sagte Grubin und schob Udalow vom Eingang weg. Er öffnete die Tür. Udalow trat einen Schritt zur Seite und tat, als interessiere ihn das alles nicht. Die kräftige, zottige Mähne Grubins, von der Morgensonne angestrahlt, schaukelte in der Türöffnung hin und her. Udalow aber dachte: Jetzt wird er sich gleich umdrehn und bestätigen, daß es tatsächlich nichts gibt. Dann steh ich wenig stens nicht als der Dumme da. „Ein Flußpferd", sagte Grubin ungerührt, „es frißt ünsern ganzen Flieder ab. Und ausgerechnet jetzt ist kein Knüppel in der Nähe." „Schubs es mit der Hand weg", riet Udalow, „es ist ganz friedlich." Ihm war ein Stein vom Herzen gefallen - lieber ein Flußpferd im Hof als nicht richtig im Kopf. Grubin trat in die Sonne hinaus, Udalow folgte ihm. Grubin ging mit großen Schritten durch den Hof zu dem Tier, Udalow blieb an der Hauswand stehen. „Hör mal", sagte Grubin zu dem Flußpferd, „dir reicht wohl das Gras im Zoo nicht!" Das Flußpferd wandte ihm gemächlich den Kopf zu und schloß das Maul, aus dem noch eine lila Dolde ragte. Grubin blieb drei Schritt vor dem Tier stehen. „Nun geh schon", sagte er, „troll dich." Das Flußpferd machte keine Anstalten. Ein Fenster im zweiten Stock wurde geöffnet - der alte Loshkin schaute heraus. „Wem gehört denn das Vieh dort?" fragte er. „Es ist von allein hergekommen", antwortete Udalow, „wir sind gerade dabei, es zu verjagen." „Als ob man auf diese Weise Flußpferde vertreiben könnte", brummte Loshkin. „Wie denn sonst?" „Moment, ich schau schnell mal im Brehm nach." Der Alte ver schwand. „Mama!" rief in diesem Augenblick Udalows Sohn Maximka, der 11
gleichfalls zum Fenster hinaushing. „Sieh doch mal, Mama, dort unten ist ein Flußpferd!" „Geh dich waschen!" hörte m a n drinnen die Stimme von Udalows Frau Xenia. „Möcht bloß wissen, wo sich dieser Korneli in aller Herrgottsfrühe rumtreibt. Nicht mal angezogen ist er." „Mama", beharrte der Junge, „wir haben ein Flußpferd im Hof!" „Na warte, ich werd dir zeigen, was ein Flußpferd ist!" Xenias Stimme näherte sich dem Fenster. Udalow drückte sich dicht gegen die Wand, er fühlte sich unbehaglich im Pyjama. „Ach du liebe Güte!" rief schrill Xenia Udalowa aus. Das Flußpferd erschrak, öffnete das Maul und ließ den Flieder fallen. „Hat es unsern Papa gefressen?" fragte Maximka. „Korneli!" rief Xenia und reckte sich bis zur Taille aus dem Fen ster. Sie versuchte, dem Tier in den Rachen zu schauen, als könnte sie dort die Füße ihres verschluckten Mannes entdecken. „Xenia, wie du weißt, sind Flußpferde Pflanzenfresser", sagte schließlich Udalow und löste sich von der Wand. „Taugenichts!" schimpfte Xenia. „Ich seh dich schon im Bauch des Flußpferds, du aber drückst dich nackt auf der Straße rum! Steht's ihm etwa auf der Stirn geschrieben, d a ß es ein Pflanzenfresser ist? Womöglich hält es dich für ein Büschel Gras. Bei der Mähne, die du dir zugelegt hast. - Grubin, jag es vom Hof, die Kinder müssen bald zur Schule!" „Moment", schaltete sich der alte Loshkin ein, der mit einem braun eingebundenen Brehm-Band wieder am Fenster erschienen war, „hier steht, Flußpferde sind völlig harmlos, wenn sie nicht gereizt werden. Außerdem haben wir es mit einem noch jungen Tier zu tun, gewissermaßen mit einem Halbwüchsigen. Miß es doch mal aus, Grubin." „Ausmessen? Womit denn?" „Mit den Händen", sagte Loshkin. „Ich rühr das Vieh nicht an. Ist immerhin was Wildes." „Überlegst du überhaupt, was du sagst?" fragte Loshkin. „Wie soll ein wildes Tier zu uns in den Hof kommen! Doch wohl nicht gerade wegs aus Afrika." „Was weiß denn ich." „Na eben. Das ist eins aus dem Zirkus. Ich hab schon mal welche im Fernsehn gesehen." „Stimmt", fügte die alte Loshkina hinzu. „Sie sind so was wie Elefanten, nur kleiner und damit ökonomischer. Du aber solltest dir endlich 'ne Hose anziehn, Grubin. Läufst mit nichts als 'ner Turnhose am Leib in der Öffentlichkeit rum. Und für dich, Korneli, gilt das gleiche." „War doch bloß wegen dem Flußpferd", sagte Udalow kleinlaut und ging, gefolgt von Grubin, gehorsam zur Tür. Das Flußpferd aber begriff, daß es für den Augenblick vergessen war, und machte sich erneut über den Flieder her. 12
Als Udalow zehn Minuten später auf den Hof zurückkehrte, stan den Loshkin, Wassil Wassiljitsch und die Gawrilowa um das Tier herum. Sie überlegten, was zu tun sei. Wassil Wassiljitsch hielt einen langen Stock in der Hand, mit dem er dem Flußpferd von Zeit zu Zeit aufs Maul klopfte, damit es von dem Flieder abließ. „Es steht also noch da", sagte Udalow. „Wo soll's denn hin sein?" Loshkin schlich sich von hinten an da,s Flußpferd heran und verglich es mit der Abbildung im Brehm. „Du meinst, es tritt im Zirkus auf?" fragte Wassil Wassiljitsch den alten Loshkin. „Da müßte man ihm ja was befehlen können." „Versuch's doch mal." „Sitz!" wandte sich Wassil Wassiljitsch an das Tier. Das Flußpferd reckte sich nach dem Flieder, was ihm erneut einen leichten Stockschlag auf das Maul einbrachte. „Wo sein Zirkus wohl stecken mag?" sagte Udalow. „Überall, bloß nicht bei uns in Guslar", erwiderte Grubin, der gleichfalls zurückgekommen war. „Das weiß ich genau, unser Zirkus ist seit einem Monat geschlossen." „Eine Eisenbahn haben wir auch nicht", ergänzte Udalow, „aus dem Zug kann es also nicht gesprungen sein." „He, ihr Männer, wollt ihr das Vieh nicht endlich vom Hof jagen!" rief Xenia Udalowa von oben. „Oder m u ß ich erst die Miliz holen!" „Es ist aus dem Zoo entlaufen", sagte die Gawrilowa, „da bin ich sicher." „Der nächste Zoo ist dreihundert Kilometer weg", widersprach Grubin, „und bis dorthin gibt's fast nur Wald." Udalow nahm Wassil Wassiljitsch den Stock aus der Hand und stukte das Flußpferd damit in die Seite. Er tat das freilich wenig energisch und mit einiger Vorsicht. Er war noch nie in der Situation gewesen, Flüßpferde vom Hof jagen zu müssen, fürchtete jedoch Xenias Zorn, der nicht minder schrecklich sein konnte. Das Tier verspürte offenbar keine Lust, sich zu trollen, es wich dem Stock aus. Bei den andern aber fand Udalow nicht die ge ringste Unterstützung - die Sache widerstrebte ihnen. „Meine Geduld ist zu Ende!" drohte Xenia von oben. Das Flußpferd schaute Udalow an; aus seinen Augen rannen große Tränen. „Hör mal, Korneli", sagte Wassil Wassiljitsch, „du traktierst es mit dem Stock, als hättst du einen störrischen Esel vor dir. Das ist nicht anständig." „So weit von zu Hause, von der Familie fort", sagte die alte Loshkina. „Der einsame kleine Kerl, was soll er denn anfangen im Wald!" „Laßt mich mal durch", sagte da eine Kinderstimme. Udalows Sohn Maximka drängte sich durch die Gruppe der Hausbewohner, ein Weißbrot gegen die Brust gepreßt. Bei seinem Vater machte er halt, sah ihn bittend an. Udalow nickte stumm. 13
Maximka hielt dem Flußpferd mit beiden Händen das Brot hin, und das Tier öffnete nach kurzem Zögern, als glaubte es nicht so fort an die menschliche Güte, das Maul gerade so weit, daß das Brot Platz darin fand. Dann fischte der Junge ein sauberes Taschentuch aus seiner Schülerjacke und wischte dem Dickhäuter die Tränen ab. Udalow räusperte sich laut und verkündete, an die Nachbarn gewandt: „Mein Sohn!" Diese Atmosphäre allgemeiner Gerührtheit wurde durch Xenias Gezeter gestört, die mit einem Besen in der Haustür stand. „Nun reicht's aber! Mein armes Kind sitzt zu Hause und wagt aus Angst, diese afrikanischen Ungeheuer könnten es zerfleischen, nicht die Nase herauszustecken, ihr aber habt bloß euren Spaß im Kopf. Auseinander!" Die Männer traten zur Seite, das Flußpferd machte sich merklich kleiner. Vor den Augen der Mutter jedoch erstand Maximka, der das „afrikanische Ungeheuer" streichelte, statt sich folgsam zu Hause zu verstecken. Niemand lachte. Es war eine stumme Szene. Xenia machte eine Bewegung mit dem Besen, als wollte sie den Hof fegen, dann fing sie sich und sagte mit belegter Stimme: „Geh sofort nach oben und wasch dir die Hände, Maximka, wer weiß, wo sich dieses Schwein rumgesielt hat, eh's bei uns gelandet ist." Gegen Abend hatten die Männer einen Schuppen in der Ecke des Hofes von allerlei Gerumpel befreit. Früher hatte dort das Motor rad vom Nachbarn Petrosjan gestanden, doch seit er aus Guslar fortgezogen war, diente dieser Ort als Ablage für alles, was nicht mehr gebraucht wurde und zum Wegwerfen zu schade war. Sie gössen Wasser in einen alten Trog und füllten eine Kin derbadewanne mit Nahrung - der eine brachte einen Rest Suppe, ein anderer Gemüse. Sie ließen die Schuppentür offen, damit sich das Flußpferd nicht ausgesperrt vorkam, und Grubin schleppte sogar eine alte Decke an. Am Abend schon wußte die halbe Stadt, daß in der Pusch kinstraße sechzehn ein Flußpferd lebte, dessen Besitzer keiner kannte, das nicht biß und sich von Gemüseabfällen ernährte. Die Leute aus den benachbarten Straßen brachten Essenreste, sie wollten das Tier mit eigenen Augen sehen. Die Führung bei diesen Exkursionen übernahm der alte Loshkin, der als Rentner die mei ste freie Zeit hatte. Er erlaubte niemandem, das Flußpferd zu be rühren. Am nächsten Morgen erschien in der Stadtpresse folgende Mit teilung: Junges Flußpferd zugelaufen!
Farbe grau, reagiert auf keinerlei Namen.
Der Eigentümer wird gebeten, sich an folgende Adresse zu wenden:
Groß-Guslar, Puschkinstraße 16, Eingang vom Hof.
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Als sich auf die Annonce hin niemand meldete, schickten die Be troffenen sicherheitshalber ein Telegramm an den Zoo der Bezirks stadt und fragten an, ob dort ein Flußpferd abhanden gekommen sei. Wenn ja, könne man es heil und unversehrt abholen. Die Tage vergingen. Das Flußpferd fraß viel, schlief, spazierte im Hof umher, ließ sich von Maximka mit Wasser übergießen und mit einer Bürste abschrubben. Nach einer Woche etwa nahmen Grubin und Wassil Wassiljitsch das Tier an den Strand mit. Das wurde zur Sensation. Dem Flußpferd gefiel es im Wasser ausnehmend gut, es tauchte bis zu den Nüstern in den Fluß Gus ein, die Kinder aber kraxelten auf seinen breiten Rücken, um von dort aus in die Wellen zu springen. Der Rettungsschwimmer Saweli ließ seine Muskeln spielen und fragte Grubin: „Könntet ihr es uns nicht als eine Art Delphin abtreten, um Ertrinkende rauszuholen?" „Nein", sagte Grubin, „besten Dank für das Angebot." „Aber wieso denn nicht?" fragte Saweli entrüstet. „Wir zahlen ihm ein Gehalt, das ihr für Belange eures Hofes verwenden könnt, und die Nahrung stellen wir auch." „Erstens gehört das Flußpferd nicht uns", erwiderte Grubin, „zweitens ist es im Vergleich zu einem Delphin ausgesprochen dumm. Eher ertränkt es noch wen. Oder hast du schon irgendwo mal gelesen, daß Flußpferde Menschen retten?" „Nein", sagte Saweli, „ich h a b nichts gelesen. Keine Zeit vor lauter Arbeit." Nur mit Mühe gelang es Grubin, das Flußpferd zur Heimkehr zu bewegen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Tier mit ein paar Kuchenbrezeln aus dem Wasser zu locken. Die folgenden Tage brachten neue Aufregungen: Eines Nachts war das Flußpferd entwischt. Man suchte mit Taschenlampen nach ihm und fing es schließlich unmittelbar am Fluß wieder ein. Am Tag darauf trat es auf eine Katze, die sofort zum Tierarzt gebracht werden mußte. Am Donnerstag pirschte es sich von hinten an die Gawrilowa heran, schnappte ihre prallgefüllte Einkaufstasche und verschlang sie in einem Stück. Da ein Päckchen Waschpulver in der Tasche war, spie das Flußpferd den ganzen Tag über Schaum aus. Am Freitag fand es sich in Wassil Wassiljitschs Küche ein und schlang einen Topf heißer Suppe hinunter, so daß ihm die Zunge mit Butter behandelt werden mußte. Am Sonnabend endlich setz ten sich die Mieter des Hauses Nummer sechzehn in gedrückter Stimmung auf dem Hof zu einer Beratung zusammen. „Eins ist klar", sagte Loshkin, „wir führen hier ein für die Wis senschaft interessantes Experiment durch und tun zugleich etwas Gutes..." „Aber so riech doch nur", unterbrach ihn Udalow. Im Hof roch es penetrant nach Stall. Wie jedes andere Tier be gnügte sich das Flußpferd nicht mit Fressen. „Und seine Ernährung ist auch nicht so einfach", ließ sich Loshkins F r a u vernehmen. „Wir schränken uns schon selber ein." 16
„Wo sollen wir bloß hin mit ihm", sagte Udalow, „wohin bloß? Ihr wißt ja, was der Zoo auf unsere Anfrage erwidert hat." Alle schwiegen. Sie hatten das Antworttelegramm gelesen und sich darüber geärgert. Andererseits verstanden sie die Mitarbeiter des Zoos bis zu einem gewissen Grad. Sie selbst hätten wahrschein lich nicht anders reagiert, wären sie von Leuten eines Provinzstädt chens gefragt worden, was mit einem Flußpferd zu tun und wo es unterzubringen sei. Sie konnten sich die eigene Antwort gut vor stellen, und entsprechend war die der Zooverwaltung ausgefallen. „Ich war heute in der Tieraufzucht", sagte Wassil Wassiljitsch, „so wie wir's abgesprochen hatten." Das Flußpferd steckte seine stumpfsinnige Schnauze aus dem Schuppen und begann leise zu grunzen. Es verlangte, zum Bad an die Pumpe geführt zu werden. Udalow winkte ärgerlich ab. „Ja und, was haben sie gesagt?" „Abgelehnt. Kategorisch. Es liefere keine Milch, und die ge schmacklichen Qualitäten seines Fleisches seien recht zweifelhaft." "„Was heißt zweifelhaft?" Grubin zeigte sich schockiert. „Sie woll ten es doch wohl nicht schlachten!" „Ich hätt es ja nicht hingegeben", versicherte Wassil Wassiljitsch. „Aber bei Licht besehen, halten sie die Tiere nun einmal der Milch, des Fleisches oder der Wolle wegen. Eine vierte Möglichkeit gibt es nicht." Das Flußpferd kam aus dem Schuppen zu ihnen heran. „Da haben wir's", sagte Loshkin, „es will fressen. Dabei hat's vorhin erst zwei Eimer voll verdrückt." In diesem Augenblick erschien die Gawrilowa mit einer Schüssel Kohlsuppe im Hof. Das Flußpferd sah sie und strebte, mit seinem dicken Hinterteil wackelnd, zu ihr hin. „Also gut", sagte schließlich Udalow, „ich geh morgen vor der Arbeit bei der Zeitung vorbei und laß mir eine Bescheinigung geben, daß tatsächlich ein Flußpferd bei uns wohnt. Damit fährst du, Loshkin, in die Gebietsstadt und bittest einen Mitarbeiter des Zoos herzukommen. Einem amtlichen Dokument werden sie ja wohl Glauben schenken." Auf diese Variante einigten sie sich, das Flußpferd aber blieb an diesem Abend ohne Bad. Udalow legte sich mit gemischten Ge fühlen schlafen, er wälzte sich lange im Bett und seufzte ein ums andere Mal. Am Morgen stand er zerschlagen und mißgelaunt auf, denn er war mit Ausmisten dran. Er schnappte sich im Flur Müll eimer und Besen und begab sich über den Hof zum Schuppen. „Na, pennst wohl noch", knurrte er und schaute in den warmen, nach Pferdemist riechenden Raum. Er erwartete das bekannte Schnarchen, doch der Schuppen war leer. Sofort schaute er zum Hoftor, ob es nicht offenstand. Das hätte gerade noch gefehlt, daß der Dickhäuter hinausgelaufen war, um baden zu gehen. Womöglich rannte er gegen ein Auto! Doch das Tor war über Nacht verschlossen gewesen. 17
„He, Dickerchen", rief Udalow, „wo hast du dich versteckt?" Keine Antwort. Udalow spürte Besorgnis in sich aufsteigen. Auf dem umgestülp ten Trog zu seinen Füßen lag ein Zettel, er hob ihn auf. Da stand in großen Druckbuchstaben: Liebe Freunde! Entschuldigt, daß ich mich nicht mit Euch verständigen. Euch nicht eher für die Mühe mit mir stummer Kreatur danken konnte, für die mensch liche Wärme, die Ihr mir in meinem bescheidenen Domizil habt zuteil werden lassen, aber ich beherrsche Eure Sprache nicht. Wie schön, zu wissen, daß Ihr ungeachtet der augenfälligen Unterschiede in Größe und Körperbau keine Sekunde gezögert habt, das Dach und die großartigen Speisen mit mir zu teilen. Das ist ein wahrhaft hervorragendes Beispiel für die galaktische Freundschaft! Ich habe zwar kein Wort von dem verstanden, was Ihr in meiner Anwesenheit spracht, doch bewies mir Euer freundschaftlicher Ton, daß es schwerlich bessere und herzlichere Wesen in unserer Galaxis gibt als Euch. Ich bin dem Schicksal dankbar, daß es mein Erkundungsraumschiff ausgerechnet über Euerm Haus havarieren ließ! Jetzt sind meine Freunde gekommen, und sie haben meinen bescheidenen Dank in Eure Sprache übersetzt. Ich gehe mit ihnen, doch nicht für lange. Sowie ich ihnen die Lage erklärt habe, werden wir Euch einen Besuch abstatten, denn wie anders könnte ich ihnen beweisen, daß die besten, mitfühlendsten und freundlichsten Wesen, die es gibt, in der Puschkinstraße Nummer sechzehn wohnen. Aufrichtig Euer Trimbukaunl-Pru Bis bald!
„Das ist'n Ding!" murmelte Udalow, als er die Notiz gelesen hatte. „Ist vielleicht sogar besser, daß der Dickhäuter nichts verstanden hat. Daß wir ihn für einen Dämlack gehalten haben, würde be stimmt keinem kosmischen Gast gefallen." Er mußte schnellstens die Nachbarn wecken, erzählen, was vor gefallen war, um seine Freude mit ihnen zu teilen. Udalow rannte über den Hof, die Sonne schien. In diesem Augenblick erzitterte das Tor und brach nach innen auf. Eine Herde Flußpferde stürmte in den Hof. Unterschiedlich groß, hatten sie nur eins im Sinn: auf Udalow loszuhasten und ihn als einen der gütigsten Menschen im Weltraum zu bestaunen. „So wartet doch!" rief Udalow und hob die Hände. „Ihr zertram pelt mich ja!" Zwei junge Flußpferdchen hatten sich bereits über den Flieder hergemacht und fraßen gierig einen Ast ab, ein riesengroßer Dick häuter mit blauer Brille knickte im Laufen eine Birke um und schnurpste sie weg wie nichts, die übrigen verstopften den ganzen 18
Hof. Sie warteten darauf, daß ihnen ein Frühstück vorgesetzt wurde. "Udalow spürte, daß er gleich die Besinnung verlieren würde, und... erwachte. Die Sonne schien, früher Morgen, draußen war alles still. Es war ein Traum gewesen, nichts als ein Traum. Nein, so was nur! Und doch gab's etwas, was er hatte erledigen wollen. Ach ja, er war heute an der Reihe, bei dem Flußpferd sauberzumachen. Udalow nahm Mülleimer und Besen zur Hand, ging nach unten und über den Hof zum Schuppen. , Das Flußpferd schlief noch. Es lag auf der Seite und schnarchte laut. Udalow begann mit dem Ausmisten. Er sagte sich, daß er heute würde ohne Frühstück auskommen müssen, weil er noch vor der Arbeit bei der Zeitung vorbei wollte. Er mußte sich ja bescheinigen lassen, daß bei ihnen in der Tat ein Flußpferd wohnte und nicht die Ausgeburt einer kollektiven Halluzination. Auch sollte Loshkin so bald wie möglich zum Zoo: Erstens langweilte sich das Tier so ganz allein, zweitens konnte das Haus einen solchen Gast nicht mehr lange verkraften. Das Flußpferd schluchzte im Schlaf auf und drehte sich langsam auf die andere Seite. Udalow, auf seinen Besen gestützt, erstarrte. 19
Ihm war ein trauriger Gedanke gekommen: Was nun, wenn sie das Flußpferd in den Zoo brachten und plötzlich seine Gefährten auftauchten? Was würden die ihnen sagen? Daß sie einen Kos monauten in ein Tiergehege gesteckt, ihn zur Erbauung der Menge in einen Käfig gesperrt hatten? Wie würden die Fremden darauf wohl reagieren? Eine Dampflok für den Zaren Das kleine Raumschiff landete in der Puschkinstraße Nummer 16 mitten auf dem Hof. Schneeregen fiel - der Herbst neigte sich seinem Ende zu. So lautlos glitt das Schiff zur Erde, daß Korneli Udalow, der auf dem Weg zur Arbeit war, gar nicht gleich mit bekam, was sich da von oben seinem Haus näherte. Im Niedergehen beschädigte der Flugkörper den Schuppen, platschte dann in eine Pfütze, so daß ringsum Schmutz aufspritzte, und erstarrte. Udalow, der sich bereits am Tor befand, machte kehrt und drehte, durch einen kleinen bunten, von seiner Frau entliehenen Sonnenschirm vor dem Regen geschützt, eine Runde um das Raum schiff. In Erwartung eines Antwortsignals klopfte er mehrfach gegen die Seitenverkleidung, da sich aber drinnen nichts rührte, ging er schließlich los, um seinen Nachbarn Alexander Grubin zu wecken. „Sascha!" rief Udalow und stieß ohne Schwierigkeiten mit einem Finger die kleine Tür im Parterre auf, „steh auf, Sascha, in unse rem Hof ist ein Raumschiff gelandet." „Ist ja so früh", ertönte die verschlafene Stimme Grubins, „noch nicht mal acht." „Da drin meldet sich niemand", fuhr Udalow fort, „ob ihnen was zugestoßen ist?" „Ist es groß, das Raumschiff?" fragte Grubin. „Nein, höchstens drei Meter lang. Eine Art fliegende Untertasse." „Sind Kennzeichen dran?" „Davon hab ich nichts gesehen." „Geh raus und halt Wache, ich zieh mich nur an. Regnet es?" „Ja, ein Hundewetter. Und grad heute muß es landen! Ich hab um neun eine Besprechung." Udalow ging zum Raumschiff zurück, suchte die Luke und klopfte dagegen. „Stemiwuram sass?" fragte jemand von drinnen. „Ich bin's, Udalow", sagte Korneli Iwanowitsch. „Sind Sie absicht lich bei uns gelandet oder mehr zufällig?" „Posliti, maratakra", sagte die Stimme. „Ja, ja, mach auf, ich wart so lange", antwortete Udalow. Die Luke gab ein Klicken von sich und schnellte hoch. In der Öffnung stand ein zerzauster Kosmonaut im Schlafanzug 20
und rieb sich die Augen. Wenn man von seinem außerordentlich kleinen Wuchs absah - er reichte Udalow gerade bis zur Taille -, von der grünlichen Haut und dem spröden Haar, das in Büscheln auf Stirn und Nasenspitze wuchs, besaß er durchaus Ähnlichkeit mit einem Menschen. „Brekgrani welika!" rief der Kosmonaut aus, dabei zunächst den Himmel, dann Udalow und schließlich die Bauten rings um den Hof musternd. „Nun ja, so ist das Wetter eben. Um diese Jahreszeit ist in unseren Breiten nichts Besseres zu erwarten." Der Fremde fröstelte im Wind und sagte: „Struku, krapataka." „Zieh dich ruhig erst an", erwiderte Udalow, „ich hab Zeit." Er schloß sorgsam die Luke hinter dem Kosmonauten und stellte sich so neben den Flugkörper, daß er vor dem peitschenden Regen geschützt war. Der rosafarbene Anstrich des Raumschiffs blätterte bereits ab - es war ihm anzumerken, daß es die kosmischen Weiten nicht erst seit heute durchpflügte. Dann traf Grubin ein, der sich eine Soldatenzeltplane über geworfen hatte. „Das da?" fragte er und zeigte auf das Raumschiff. „Ja", sagte Udalow. „Ist ja wirklich nicht groß. Hat inzwischen jemand auf dein Klop fen reagiert?" „Er zieht zieht sich nur an, dann kommt er raus." „Was will er eigentlich hier? Uns einfach besuchen?" „Das hab ich noch nicht rausgekriegt. Unser Wetter scheint ihm jedenfalls nicht zu gefallen." „Wem gefällt das schon! Aber wir sind nun einmal nicht in Sotschi." „Weißt du", sagte Udalow, „wenn Gäste aus dem All kommen, erwarte ich immer etwas Interessantes. Auf dem Gebiet der Tech nik zum Beispiel, der Wissenschaft, der Kunst. Von all den Aus sichten bleibt mir fast das Herz stehen." „Erst mal abwarten", erwiderte Grubin. „Vielleicht kommt er in feindlicher Absicht." „Sieht nicht so aus. Er war im Pyjama und hat ganz offensichtlich die Landung verschlafen." „Was für eine Sprache spricht er denn?" „Ist mir auch noch nicht klar. Aber das kriegen wir schon raus." Doch damit brauchten sie sich gar nicht mehr lange abzumühen. Erst öffnete sich knarrend die Luke, dann hüpfte der Raumfahrer zu ihnen herunter, diesmal mit durchsichtigem Regenmantel und ebensolchem Hut bekleidet. „Na, da wollen wir uns mal bekannt machen", sagte Udalow. „Strpechjurka tik", entgegnete der Kosmonaut. „Immer schön langsam, wir haben Zeit", sagte Udalow. „Das heißt so viel nun auch wieder nicht. Ich hab um neun eine Be sprechung." 22
Der Fremde zog ein schwarzes Kästchen mit Löchern aus der Tasche, über die sich ein Netz spannte. Mit einem Knopfdruck schaltete er das Gerät ein. „Das ist wohl dein Dolmetscher?" fragte Grubin. „Wokrotschituk pala-tam-prakawa?" ertönte es aus dem Käst chen. „Wosta", bestätigte der Raumfahrer, und das Kästchen wieder holte: „Stimmt." Von diesem Moment an wurde die Unterhaltung zwischen dem Kosmonauten und den Menschen einfacher. Auch erwies sich Udalows Vermutung als richtig, der Raumfahrer gehöre einer hochentwickelten Zivilisation an. Der Kontakt mit einem solchen Abgesandten versprach sehr interessant zu werden. „Wie heißt Ihr Planet?" erkundigte sich der Kosmonaut. Da ihm kalt war— er trat von einem Fuß auf den andern -, schlug Grubin vor: „Gehn wir doch zu mir und unterhalten uns im War men weiter. Weshalb bei diesem Wetter draußen stehn!" „Natürlich nur, wenn Sie nicht in Eile sind", fügte Udalow hinzu. Der Fremde winkte mit seiner kleinen Hand ab, was hieß: Wes halb sollte ich in Eile sein. Dann gingen sie über den Hof zu Grubin. Der Raumfahrer benahm sich sehr manierlich, er wischte sich zum Beispiel ordentlich die Schuhe ab. Nur eins klappte nicht bei ihm. Da er sehr klein war, mußte er zum Sitzen auf den Stuhl gehoben werden. „Unser Planet heißt Erde", sagte Udalow, als alle Platz genommen hatten. „Möchten Sie frühstücken?" „Nein, danke", antwortete der Kosmonaut. „In welchem Sektor ist das?" „Sie werden gewiß verstehen, daß Sie und wir eine ganz unter schiedliche Sektorenberechnung haben", erklärte Udalow. Inzwischen brachte Grubin eine Flasche Kefir an. Er goß sich und dem Gast ein Glas ein. Udalow lehnte ab, da er bereits gefrüh stückt hatte. Der Fremde schnupperte am Kefir, dann meinte er, das sei ihm zu sauer, er habe einen schwachen Magen. „Und wo kommen Sie her?" erkundigte sich Udalow. „Von der Wapraxila", erwiderte der Raumfahrer. Doch dieser Name sagte Udalow nichts. Übersetzt hätte das genausogut Alpha Ptolemäi wie Beta Centauri heißen können. „Was ist der Grund für Ihren Besuch? Eine Expedition?" „Nein", antwortete der Kosmonaut, der Wußz hieß, „es war mehr Zufall. Mir muß da was kaputtgegangen sein, an den Instrumenten oder am Triebwerk. Eigentlich wollte ich meine Tante auf der Krupissa besuchen, erst als ich hier rauskletterte, merkte ich, daß ich woanders bin." „Ja, Sie sind wirklich woanders", bestätigte Udalow. „Augenblick", fuhr Grubin dazwischen, „ist doch nicht aus geschlossen, daß unsre Erde bei ihnen Krupissa heißt!" „Nein, nein", entgegnete Wußz, „auf der Krupissa war ich schon 23
öfter. Dort ist alles ganz anders, auch die Bevölkerung. Vom Wetter gar nicht zu reden." „Tja, eine unangenehme Geschichte", sagte Udalow. In diesem Moment wurde an die Tür geklopft. „Wer ist da?" fragte Grubin. „Ich bin's, Loshkin", antwortete jemand hinter der Tür. „Komm mal schnell raus, bei uns auf dem Hof steht ein verlassenes Raum schiff. Wer weiß, vielleicht sind die Fremden schon in irgendwelche Wohnungen eingedrungen, um sie auszuräumen!" „Komm rein, Loshkin, kannst ganz beruhigt sein", sagte Grubin. Loshkin trat ein und wurde beim Anblick des Kosmonauten mächtig verlegen. Er war immer so voreilig und hatte, ohne es zu wollen, den Gast beleidigt. „Das kränkt mich sehr", sagte Wußz. „Sind etwa alle Erden bewohner so schnell mit Verdächtigungen bei der Hand? Ich muß schon sagen, das zeugt von einer sehr niedrigen Zivilisationsstufe." „So war's ja nicht gemeint", verteidigte sich Loshkin. „Sie müssen das verstehen. Ich komm raus und seh das leerstehende Raum schiff. Wenn da mal nicht unsere Lausebengel reinklettern, denk ich." Der Kosmonaut seufzte. „Ach, es ist schon ein Elend, in einer so zurückgebliebenen Gesellschaft zu landen, wo man den unmöglich sten Verdächtigungen ausgesetzt ist. Hätt ich mehr Zeit, ich würde euch mancherlei beibringen." „Wenn's was zu lernen gilt, sind wir immer dabei", sagte Udalow. „Und was nun?" fragte Grubin. „Tja, was?" Wußz guckte aus dem Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen, eine fahle Herbstsonne kam zum Vorschein. „Ist jemand unter euch, der sich in Gravitationstriebwerken auskennt?" „Für Technik interessiere ich mich schon", sagte Grubin, „doch mit Gravitationstriebwerken hatte ich noch nichts zu tun." „Schade", sagte Wußz. „Bei uns gibt's an jeder Ecke Werkstätten und Millionen, ach was, Billionen von Mechanikern, die sich her vorragend mit solchen Triebwerken auskennen." „Ist doch klar", sagte Loshkin, der seinen Fehler wiedergutma chen wollte. „Das kann bei eurem Stand der Zivilisation ja gar nicht anders sein!" „Gehn wir trotzdem mal rüber zum Schiff und schaun uns den Schaden an", schlug Wußz vor. Grubin griff nach Schraubenzieher und Flachzange, dann begab er sich mit dem Gast zum Flugkörper. Loshkin und Udalow folgten ihm. „Haben Sie auf Ihrem Planeten eigentlich große Erfolge in der Wissenschaft erzielt?" fragte Udalow. „Riesige", erwiderte der Kosmonaut. „Im Vergleich zu euren sind sie sogar umwerfend." „Sie sollten uns davon erzählen", bat Udalow. „Wir trommeln die Leute zusammen, es kommen bestimmt eine ganze Menge. Dann berichten Sie." 24
„Na schön, vielleicht findet sich eine freie Minute", sagte Wußz. Er forderte Grubin mit einer Handbewegung zum Betreten des Raum schiffs auf. Grubin kroch mit einiger Mühe durch die Luke, doch kaum waren seine Sohlen verschwunden, tauchte auch schon wieder sein Gesicht auf. „Sie müssen entschuldigen", sagte er, „aber allein find ich mich da nicht zurecht. Wo ist denn bloß der Lichtschalter?" Wußz seufzte tief und rang die kleinen Hände, als wollte er den Anwesenden zu verstehen geben, wie zurückgeblieben sie doch waren. Konnte m a n vielleicht Vertrauen zu ihren Mechanikern haben, wenn sie noch nicht mal den Lichtschalter fanden? Die Anwesenden schämten sich, und Udalow sagte vorwurfsvoll zu Grubin: „Na, du stellst dich vielleicht an, Sascha!" „Der Schalter ist in der Kajüte rechts", sagte der Kosmonaut und fügte, als Grubin wieder verschwunden war, hinzu: „Übrigens werden die Reparaturen bei uns ausgeführt, ohne daß der Auftrag geber dabeizusein braucht. Der Mechaniker benutzt die Telepathie. Er schaut einem gewissermaßen in die Seele, erfährt so, was man beanstandet, und macht sich ans Werk. Fünf Minuten — dann ist jeglicher Schaden behoben." „Tja", gab Udalow zu, „bis dahin haben wir's noch weit." „Diese Methode wird neuerdings auch in der Medizin angewandt", fuhr Wußz fort. „Was denn, in Abwesenheit des Patienten?" platzte Loshkin her aus. „Nicht ganz", sagte der Raumfahrer und schüttelte unwillig den Kopf, „die Telepathie wird nur zu Hilfe genommen." Er hat's schon schwer mit uns, dachte Udalow mitfühlend, die Kluft zwischen unseren Zivilisationen ist gar zu groß. In der Luke erschien abermals Grubins Kopf. „Hören Sie", sagte er, „was ist denn eigentlich kaputt an Ihrem Schiff? Vielleicht könnten Sie mir die Stelle zeigen? Ehrlich gesagt, weiß ich nämlich nicht mal, was hier das Triebwerk und was die Küche ist." „Auf mich brauchen Sie nicht zu rechnen!" fuhr ihm der Raum fahrer über den Mund. „Schließlich bin ich kein Mechaniker. Wenn sich bei uns jeder mit Dingen befassen wollte, von denen er nichts versteht, hätten wir nie und nimmer unsere Erfolge erzielt." „Nun, dann will ich auch nicht mehr", sagte Grubin. Er hatte sich bereits zur Hälfte aus der Luke gezwängt, als er von Udalow und Loshkin wieder zurückgestopft wurde - er solle wei termachen. „Aber was kann ich denn ausrichten!" protestierte Grubin. „Sie sind uns mindestens hundert J a h r e voraus, und ich h a b nicht mal 'ne Spezialausbildung. Außerdem hängen an sämtlichen Instru menten Plomben!" „Weshalb haben Sie uns denn nichts von den Plomben erzählt?" wandte sich Udalow an Wußz. 25
Woher soll ich wissen, ob was an den Geräten hangt", erwiderte der Kosmonaut entrüstet. „Ich war einfach auf dem Weg zur Krupissa, als der Defekt auftrat. Ohne daß ich was dazugetan hätte! Wieso muß gerade ich auf einem so wilden, zurückgebliebenen Planeten mit lauter ungehobelten Leuten landen, die kein Ver ständnis für mich haben und mir noch nicht einmal helfen wollen!" „So beruhigen Sie sich doch", beschwichtigte ihn Udalow. „Wir verstehn alle sehr gut, in welcher Lage Sie sind. Ich geh gleich mal rüber in unsre Autowerkstatt zu Meister Mischutin, der hat goldne Hände." „Na, dann los, schaffen Sie ihn her!" forderte der Kosmonaut. „Ich werde bei meiner Tante erwartet!" Udalow, der durchaus begriff, was die Menschheit diesem Zu fallsgast schuldig war, hastete durch zwei Häuserviertel zur Werk statt und traf bald mit Frol Mischutin wieder ein. Zu diesem Zeit punkt waren bereits alle Mieter des Hauses Nummer 16 in den Hof heruntergekommen und hatten Bekanntschaft mit dem Gast aus dem All geschlossen. Ein Schuljunge, Kolja Gawrilow, hatte ihm sogar einen Apfel geschenkt. Frol Mischutin war ein seriöser Mann; er musterte kurz das Raumschiff und fragte dann: „Welches Flugprinzip?" „Ich glaube, leichte Gravitonen", antwortete Wußz. „Aber da bin ich mir nicht sicher. In der Schule haben wir durchgenommen, daß es leichte sind. Wenn's schwere wären, müßte woM die Form des Raumschiffes anders sein." „Soso", sagte Mischutin. „Den Triebwerktyp habt ihr in der Schule nicht durchgenommen?" „Ausgeschlossen", sagte Wußz. „Ich hab mich auf Geographie und Buchhaltung spezialisiert." „Da bist du freilich zu nicht viel nütze", sagte Frol Mischutin. „Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu sprechen!" entrüstete sich der Kosmonaut. „So weit seid ihr noch nicht, daß ihr Kritik an einer über euch stehenden Zivilisation üben könntet." „Gut, sollst recht haben", lenkte Frol Mischutin ein und kletterte durch die Luke. Da er lange auf sich warten ließ, begaben sich alle wieder zu Grubin, um sich den Bericht des Raumfahrers anzuhören. Wußz zierte sich anfangs zwar, gab an, daß seine Zeit sehr knapp be messen sei, war dann aber doch einverstanden. „Erzähl uns doch von deiner aufgeklärten Welt, teurer Gast", wandte sich Udalow an ihn. „Führ uns, wie man so sagt, in die Geheimnisse der Zukunft ein." Der Kosmonaut holte ein Taschentuch hervor, putzte sich die Nase und bemerkte schließlich: „Unsre Welt hat eure in der Ent wicklung weit hinter sich gelassen." Doch das wußten alle schon. Sie warteten, was der Gast weiter zu sagen hätte. „Wir haben Überfluß an allen Dingen und technischen Höchst 26
stand erreicht. Ich zum Beispiel besitze ein Arbeitszimmer ganz für mich allein, wo ich bloß ein paar Knöpfe zu drücken brauche. Von Zeit zu Zeit übermittle ich die Ergebnisse meiner Arbeit gedanklich an eine Spezialmaschine, die ihrerseits das Nötige ordnet und dem Leiter unseres Instituts auf den Tisch legt." „Das find ich aber toll", sagte Udalow, um den Gast anzufeuern. „Ach was, es ist ganz normal", berichtigte Wußz. „Ich.würde mich wundern, wenn es anders wäre. Den Weg zur Arbeit und zurück bewältige ich in Sekundenschnelle. Ich brauche nur eine Kabine neben meinem Haus zu betreten und auf einen Knopf zu drücken, schon befinde ich mich in genau derselben Kabine direkt neben meiner Dienststelle." „Nach welchem Prinzip arbeitet diese Kabine denn?" fragte Grubin. „Dafür hab ich mich nie interessiert", antwortete Wußz. „Übri gens, Häuser errichtet man bei uns in einer Nacht. Am Abend wird der Bauplatz vorbereitet, und am nächsten Morgen steht das Haus bereits komplett da, dreißig Stockwerke hoch." „Wundervoll!" rief Loshkin aus. „Wie macht ihr das bloß?" „Das müssen Sie schon unsere Bauleute fragen", sagte Wußz und fuhr fort: „Meine Mittagspause nutze ich, um mir die neuesten Filme anzusehn, die ich während des Essens nach einer Liste aus wähle. Das Essen aber bestell ich gleich durch einige Knopfschal tungen auf meinem Tisch." „Und wie funktioniert das?" erkundigte sich Udalow, der die langen Schlangen in der Kantine haßte. „Keine Ahnung", erwiderte Wußz, „ist auch unwichtig. Wichtig ist einzig das Ergebnis. Wenn ich zum Nachbarplaneten reisen muß, fordre ich ein Raumschiff an, das mir direkt vors Haus geschickt wird. Ich drücke lediglich die Taste, die den Planeten bezeichnet, die übrige Zeit schau ich mir Filme an." „Ach ja", sagte von der Tür aus Frol Mischutin, der unbemerkt hereingekommen war und sich die Hände an einem Lappen ab wischte. „Wenn du dich dazu noch ein bißchen für das Innere eines Triebwerks interessiert hättest, wärst du unbezahlbar." „Wieso, was ist denn?" Der Gast schreckte hoch. „Ein Leck im Gravitonentank. Kein Treibstoff mehr da. Und die ses Stück hier ist gesprungen. Wozu es dient, hab ich allerdings nicht herausgefunden." Frol griff in die Tasche und holte eine walnußgroße Kugel hervor, die in der Mitte gesprungen war. „Wofür ist die", fragte er, „habt ihr das in der Schule auch nicht durchgenommen?" „Spotten Sie nicht", entrüstete sich Wußz. „Wir haben eine hoch entwickelte Gesellschaft, in der sich jeder mit seinem Fachgebiet befaßt. Ich zum Beispiel bin Beamter. Ein anderer ist Techniker, ein dritter Bauingenieur. Das ist doch ganz natürlich. Was ich her stelle, brauchen die andern, was die andern herstellen, brauche ich." 27
Frol steckte die Kugel zurück in die Tasche und sagte: „Na schön, ich schau mich noch ein bißchen im Schiff um." Die Anwesenden schwiegen. Udalow empfand Mitleid mit dem Fremden, der aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen war. Der alte Loshkin jedoch, der dem Raumfahrer heimlich grollte, brummte nicht ohne Schadenfreude: „Großes Glück haben wir ja nicht mit unserem Gast. Muß sich doch ausgerechnet jemand zu uns verirren, der von nichts eine Ahnung hat." „Das ist nicht wahr!" protestierte Wußz. „Ich weiß sehr wohl, welchen Knopf ich wann zu drücken habe." „Genau das meine ich", sagte Loshkin mit spöttischem Grinsen. „Was legst du dich mit ihm an", wies ihn Udalow zurecht. „Wenn du nun an seiner Stelle wärst..." „Ich werd mich hüten, mir das vorzustellen", erwiderte Loshkin. „Dieser Kontrast. Zum derart unbedarften Vertreter einer so hoch entwickelten Zivilisation würde ich nie und nimmer absinken! Und wir Dummköpfe kommen hier zusammen, weil wir glauben, daß da einer von einem fremden Planeten eingetroffen ist, der uns er leuchten kann." „Daß Gäste aus dem All kommen und unsereinem sofort was bei bringen, findet man nur in phantastischen Erzählungen", sagte Grubin. „Gäste aus dem All gibt's so 'ne und solche!" erwiderte Loshkin. „Die Sache ist doch ganz einfach, Loshkin", sagte Udalow und sah zu Wußz hinüber, der sich mit untergezogenen Beinen betrübt auf seinem Stuhl zusammenkauerte. Er bot den mitleiderregenden Anbück eines Kindes, das seine Mutter im Zentralen Kaufhaus von Moskau verloren hat. „Ich beweis dir im Handumdrehn, daß du unrecht hast. Soll ich?" „Bitte sehr." „Dann stell dir vor, ich war Zar Iwan der Schreckliche." „Das fehlte gerade noch!" „Nun mach schon, zier dich nicht. Und Grubin ist, sagen wir mal, sein Vertrauter Maljuta Skuratow." „Ja und, was weiter?" „Du aber bist nach wie vor Nikolai Loshkin, der sich in seinen Shiguli setzt, durch unglückliche Umstände vom Weg abkommt und statt in Wologda im Schloß Iwan des Schrecklichen landet." „Aber du weißt genau, daß ich gar keinen Shiguli habe!" wehrte sich Loshkin. „Was sollen diese Märchen!" „Das ist nur ein Gedankenexperiment", beharrte Udalow. „Hast du denn kein bißchen Phantasie?" „Also schön, von mir aus", meinte Loshkin ergeben. „Und nun?" „Nun bitte ich dich, mir von den technischen Errungenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts zu erzählen. Also los, fang an." „Womit denn?" „Ist mir egal. Nimm an, ich, Iwan der Schreckliche, wollte mir-eine Kalesche bauen, wie du sie hast. Erklär mir's." 28
„Meinst du den Shiguli?" „Wenn's dir lieber ist, nimm auch was Einfacheres. Ein Motorrad zum Beispiel." „Nichts leichter als das", sagte Loshkin. „Die Maschine steht vor dir, bau sie nach und fahr los." „Wie soll ich sie nachbauen? Ich versteh ja das Prinzip nicht." „Als erstes braucht man Benzin", begann Loshkin. Er wollte sei nen Freunden beweisen, daß ihr Raumfahrer Wußz ein Reinfall war, und bemühte sich, alles besonders anschaulich zu erklären. „Dieses Benzin füllt man in den Tank." „Moment mal", sagte Korneli Iwanowitsch der Schreckliche und strich sich über den nicht vorhandenen Bart. „Was ist das überhaupt - Benzin?" „Benzin...? Nun, Erdöl kennst du..." „Erdöl ja." „Du mußt es reinigen..." „Reinigen - wovon?" „Was heißt - wovon? Von den Rückständen natürlich." „Das versteh ich nicht. Wie soll ich das machen? Mit der Bürste?" „Ach was..., dafür gibt's einen speziellen Industriezweig..." Bei diesen Worten stutzte Loshkin. „Fahr nur fort", der Zar lächelte, „erzähl mir mehr von diesem Industriezweig. Und bei der Gelegenheit gleich noch was über die Reifenherstellung." „Also gut", sagte Loshkin, der sich nicht gern einem Zaren auf Gedeih und Verderb auslieferte, „ich erklär dir eine Lokomotive." „Was meinst du", wandte sich Udalow an Maljuta Skuratow, „wollen wir uns was über die Lokomotive anhören?" „Einverstanden", erwiderte der Favorit des Zaren, „aber wenn er's nicht richtig erklärt, werden wir ihn hinrichten." „Die Lokomotive bewegt sich durch komprimierten Dampf vor wärts", begann Loshkin. „Da geht ein Kolben hin und her, der die Räder antreibt." „Wie interessant", sagte der Zar. „Und wo geht dieser Kolben nun hin und her?" „Na wo schon, im Kessel natürlich." „Hör mal, Zar", sagte Maljuta Skuratow, „sollten wir ihn nicht sofort hinrichten. Wir verplempern nur unsere Zeit." Loshkin schwieg. Mischutin kam herein. „Das wird nichts", sagte er. „Kannst es mir hundertprozentig glauben, deine Maschine liegt fest. Ruf den Abschleppdienst an." „Aber wieso denn?" rief der Gast aus dem All. „Machen Sie mich nicht unglücklich! Könnten Sie nicht ein paar Spezialisten aus Ihrer Hauptstadt anfordern?" „Nein", erklärte Mischutin kategorisch. „Gravitonen werden bei uns nicht hergestellt, das ist Fakt." „In der Lokomotive gibt es zwei Kolben", redete Loshkin da zwischen, „auf die abwechselnd der Dampf drückt." 29
„Du sei ruhig, du bist bereits tot", sagte Grubin. „Iwan der Schreckliche wird so nie zu seiner Lokomotive kommen." Der Raumfahrer brach in Tränen aus - er konnte sich nicht damit abfinden, ein Robinson Crusoe geworden zu sein, der von lauter Freitagen umgeben war. Nasser Schnee fiel und bedeckte das rosafarbene Raumschiff bald mit einer dicken Schicht. Seither sind vier Monate vergangen. Der Raumfahrer Wußz arbeitet fürs erste als Buchhalter in Udalows Kontor, er hat Russisch gelernt und erfüllt seine Pflichten leidlich, Sterne holt er freilich nicht vom Himmel. Auf Anraten Grubins wollte er sogar nach Wologda gehen, um im Zirkus als Liliputaner aufzutreten, doch er überlegte sich's anders: Er hat Angst, sich von seinem Raumschiff zu trennen. Vielleicht finden sie's eines Tages und holen ihn zurück. Das Raumschiff selbst ähnelt inzwischen einer riesigen Schnee wehe. Einer mit Rodelbahn; die Kinder sausen auf ihren Schlitten hinunter. Im Frühjahr wird, wenn nichts dazwischenkommt, Kamarinski aus Archangelsk anreisen. Er ist ein guter Freund von Frol Mischu tin und ein berühmter Mechaniker. Wenn der nicht helfen kann, wer dann? 30
MANFRED REICHSTEIN
Die Erde Planet unter Planeten Kosmische Vergleiche 2. Auflage • Mit Fotos • Mit farbigen Zeichnungen von Peter Hesse 280 Seiten • Pappband 17,80 M
Die Erde als Planet unter Planeten sehen heißt die all gemeingültigen Gesetze und die großen Zusammenhänge der Entwicklung erfassen. Der kosmische Vergleich mit den Nachbarplaneten und mit außerirdischen Substanzen reiht die Erde ein in die Gruppe ihrer Planetenge schwister, in die sie „von Geburt" gehört, und offenbart zugleich die Voraussetzungen für ihre Sonderstellung innerhalb des Sonnensystems als Träger hochentwickelten Lebens. Manfred Reichstein nimmt die Erfolge der Raum fahrt zum Ausgangspunkt, dem Leser die neue kosmische Sicht der Erde, ihrer Entwicklung und ihrer Herkunft zu vermitteln. Sein interessantes Buch behandelt folgende Themen: Planet Erde und die Raumfahrt
Rätsel der Eiszeit
Die ruhelose Erde
Planetenatmosphären und Vulkane
Kosmische Einflüsse auf die Erde
Erdgeschichte aus kosmischer Sicht
VERLAG NEUES LEBEN BERLIN
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Joachim Specht
Das Camp am
Burdekinfluß
James Porter, der Boß des Holzfällercamps am Burdekinfluß, jagt durch den australischen Regenwald. Jemand hat aus dem Versor gungswagen auf ihn geschossen. Seitdem Lucy, das Mischlings mädchen, hier Köchin ist, herrscht Unruhe. Da brennt die Küche des Bettenhotels ab, wird die Presse wegen versuchten Mordes auf den Plan gerufen, mokieren sich die Bürger des Provinznestes Mingela, daß ein Mädchen, noch dazu eine Farbige, im Männer camp arbeitet. Lucy wird bald feststellen müssen, daß hier im Busch, weitab von der Zivilisation, andere Gesetze herrschen.