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Ingrid Pirker-Binder Biofeedback in der Praxis Band 1: Kinder
SpringerWienNewYork
MMag. Ingrid Pirker-Binder Institut für Biofeedback, Stresstherapie und Coaching Wien, Österreich Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2006 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria Springer-Verlag Wien/New York ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Insbesondere Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung der Herausgeber, der Autoren oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Typografische Gestaltung: wolf, www.typic.at Druck und Bindearbeiten: Grasl Druck & Neue Medien, Bad Vöslau, Österreich Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF SPIN: 11495819 Mit 34 Abbildungen Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN-10 3-211-29190-3 SpringerWienNewYork ISBN-13 978-3-211-29190-0 SpringerWienNewYork
Gewidmet meinen Söhnen Benedict, Philipp, Constantin und Laurenz Durch nichts als die Seele sind die Sinne zu heilen, und durch nichts als die Sinne ist die Seele zu heilen. Oscar Wilde
Danksagung Mein größter Dank gilt meinen Söhnen und meiner Schwester, die mir durch ihren unerschütterlichen Glauben an meine Fähigkeiten geholfen haben, dieses Projekt zu verwirklichen. Besonders erwähnen möchte ich meine Freundin Christine Lang, die mir vor Jahren den Einstieg in die Biofeedbackszene so leicht gemacht und auch einige interessante Projekte mit mir gemeinsam verwirklicht hat. Ein besonderes Dankeschön geht an meine Freundin Elisabeth Kaas und Prof. Dr. Frank Andrasik für die Unterstützung und an meine KollegInnen und Mitautoren, die mit ihren Beiträgen wertvolle Informationen zur Verfügung gestellt haben. Ein großes Dankeschön auch an Frau Mag. Eichhorn vom Springer Verlag, die mich motiviert hat, mein praktisches Wissen und meine Erfahrung hier in Buchform niederzuschreiben. Einen Dank auch an die Firmen Insight Instruments/Jürgen Baumer/Dr. Kropfreiter, Thought Technology®/Knut Berndorfer, Mind Media® Erwin Hartsuiker, Schuhfried/Mag. Mader, an Dr. Miro Urlicic, Internist und Philipp Pirker für die Bereitstellung der Bilder.
Vorwort Medizin darf niemals gesplittet werden. Es gibt keine alte, neue und neueste Medizin, eine fernöstliche oder alternative Medizin, sondern nur eine einzige. Medizin war durch Jahrhunderte als Kunst beschrieben. Verharren wir bei diesem Begriff, so ist Kunst selbstverständlich Wandlungen unterworfen, aber es handelt sich um Wissenschaft, Forschung, Lehre und Anwendung, in immerfort ergänzender Erkenntnis. Jede Kultur hat unterschiedliche Zugänge zur Erkennung von Krankheiten und deren, dem Wissensstand entsprechenden, bestmöglichen Behandlungen. Es gebietet die Toleranz und die Achtung vor dem Kulturverständnis, in welcher Form sich Menschen wem zur Diagnostik und Therapie anvertrauen. Es ist ganz natürlich, dass die evidence based medicine den Ton angibt und sich den wissenschaftlichen Regeln der These, Antithese, Hypothese, Synthese unter der Repetierbarkeit von neuen Erkenntnissen unterwirft. Somit sei in diesem Vorwort eine klare Absage an sektiererische Phantasmen abgegeben, die Wunderheilern anhaften und die verzweifelten Menschen falsche Hoffnung geben. Biofeedback hat Eingang in die Forschungswelt gefunden und zeigt mit wiederholbaren Ergebnissen, Erfolg. Noch lange sind nicht die einzelnen Anwendungsbereiche ausgelotet, wenngleich in manchen Bereichen das Experimentierstadium längst verlassen worden ist und das Augenmerk mehr der Anwendbarkeit gewidmet wird. Ein seriöser medizinischer Zugang umfaßt die Bereiche der Prävention, der Diagnostik, der Indikation, der Therapie und der Rehabilitation. Vielleicht sollte man das Wort der Indikation gerade im Bereich der Biofeedbackanwendung besonders herausstreichen. Indikation bedeutet in einem umfassenden Therapieangebot die individuell bestmögliche Therapieform herauszufiltern, die Heilung oder Linderung von Krankheitssymptomen, vielleicht aber auch nur Unterstützung anderer Methoden bedeutet. In der ganzheitlichen Sicht von somatischen, intellektuellen, emotionalen und sozialen Bereichen, eingeschlossen selbstverständlich die Genderfrage gilt es, die wechselseitigen Wirkungen in diesen genannten Feldern besondern zu beachten. Im gesunden Körper soll ein gesunder Geist wohnen. Was kränkt, macht krank. Intellektuelle Schwäche wirkt sich auf die Sozialisation aus und Armut wirkt auf körperliche Befindlichkeit, intellektuelle Leistungsfähigkeit und auf das Gemüt. Im modernen Lebensraum der Computerwelt und der bioelektrischen Möglichkeiten Körperreaktionen bildhaft darzustellen, war es zu erwarten, dass Körperfunktionen für den betroffenen Menschen sichtbar gemacht werden. Das EKG mit seiner Reizableitung und das EEG mit der Darstellung der bioelektrischen Tätigkeit unseres Gehirns, waren in aufgezeichneten Kurven seit Jahrzehnten Hilfsmit-
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Vorwort
tel der Medizin. Im Laufe der Zeit sind andere Parameter dazugekommen, man mißt den Hautwiderstand, die Muskelkontraktionen, die Nervenleitgeschwindigkeit, es wird die Atmung und die Pulsfrequenz gemessen und es kommen immer neue Bereiche hinzu, die man imstande ist, von der aufgezeichneten Schwingung in Bilder umzusetzen. Das scheinbare Wunder ist die bildliche Darstellung von Befindlichkeit, aber nicht nur von Befindlichkeit, sondern von der Beeinflussung dieser Befindlichkeit. Das vorliegende Buch hat sich zur Aufgabe gestellt, Biofeedbackmethoden für Kinder nachvollziehbar zu beschreiben und das breite Feld der Einsetzbarkeit transparent zu machen. Die Diagnosebereiche von Biofeedbackeinsatz bei Kopfschmerzen, bei Kindern, die einnässen und einkoten, die Impulskontrollstörungen aufweisen, die Asthma bzw. Neurodermitis haben, bis hin zu Biofeedbackeinsatz bei kleinen Kindern und Sportlern, spannt sich der Bogen, den die Autorin gut lesbar, wissenschaftlich untermauert, aber fundiert und qualifiziert darstellt. Der Eintritt in diese Welt, einer relativ neuen Methodik, wird nicht nur kindadäquat dargestellt, sondern verdient ein besonderes Lob im Suchen nach Methoden, die angetan sind, das Behandlungsrepertoire an Kindern zu erweitern, in vielen Bereichen die Pharmakotherapie zu mindern, bisweilen sogar zu ersetzen. So sei diesem Buch dieses Geleitvorwort zum Nutzen für die leidenden Kinder und zur Aufforderung auf dem beschrittenen Wege forschungsmäßig weiterzugehen, gewidmet. o. Univ.-Prof. Dr. Max H. Friedrich e.h.
Inhaltsverzeichnis Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII
Biofeedback (F. Andrasik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Therapeutische Relevanz der gemessenen Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Messbare Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Persönlichkeitsmuster und Hautleitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Biofeedback und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Biofeedback im Schmerzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Entspannungsmethoden und Biofeedback bei kindlichem Kopfschmerz (L. Grazzi, F. Andrasik, S. Usai) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Biofeedback und Geschichten zur Operationsvorbereitung und im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Vasokonstriktionstraining im Akutfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm zur Prävention und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Modul 1 – Anamnese und Biofeedbacktest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Modul 2 – Einführung in das Atemtraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Modul 3 – Atemtraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Modul 4 – EMG – Muskelspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Modul 5 – Handerwärmungstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Modul 6 – Trainingsfortschritte und Pulsamplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Modul 7 – Hautleitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Modul 8 – Respiratorische Sinusarrythmie (RSA) und Herzratenvariabilität (HRV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Modul 9, 10 und 11 – Übungsmodule zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Modul 12 – Follow-up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 EEG Biofeedback oder Neurofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Neurofeedback – Aufmerksamkeit und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Langsame kortikale Hirnpotentiale (low cortical potentials – SLP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Neurofeedback bei ADHS – Treffer mit Köpfchen (U. Strehl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Inhaltsverzeichnis
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Weitere Biofeedback-Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Enkopresis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Enuresis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Verhaltensstereotypien, mangelnde Impulskontrolle, Tics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Schlafstörungen, Asthma und Neurodermitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Biofeedback für kleine Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Biofeedback und Selbstregulation im Sport. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Stress und Trauma (D. Hamiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Stressmanagement und Biofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Vulnerabilität und Resilienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Biofeedback als Teil kognitiver Bewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Biofeedback, Stress, Lernen – neue Wege bei Schulproblemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Volksschulkinder und Stressempfinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 ASTI® – biofeedbackunterstütztes Stressmanagement – ein Schulprojekt. . . . . . . 129 Der Kiddie Quieting Reflex - Stressmanagement in Kindergarten und Schule (E. L. Stroebel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Dysponesis – chronische, unnatürliche Muskelspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Falsche Anspannung – Dysponesis und Kinder (E. L. Stroebel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Welchen Nutzen hat biofeedbackunterstütztes Stressmanagement im schulischen Bereich? Zukunftsperspektiven und Schlüsselqualifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Ausblick
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Einleitung Biofeedback ist eine wunderbare Errungenschaft der neuesten Technologie und ein Medium der Zeit. Es spiegelt innerpsychische Prozesse auf dem Bildschirm wieder und unterstützt das Erlernen von Selbstregulierungsmechanismen. Es ist ein hervorragendes Werkzeug sich selbst und das Wunderwerk Organismus wahrnehmen und verstehen zu lernen. Daraus entstehen das Erkennen, was ist, das Verstehen der Reaktionen, was geschieht mit meinem Körper, mit mir. Das ist die Basis für jede Veränderung. Wer sich selbst kennt, kennt auch seinen Nächsten, ist teamfähig, verständnisvoll, kann soziale und emotionale Kompetenz auf bauen. Die schnelle Rückmeldung körperlicher Veränderungen gibt einen tiefen Einblick in den eigenen Körper. Es ist immer ein spannendes Abenteuer Prozesse, die uns verborgen sind, zu beobachten, darauf zu reagieren, sie zu kontrollieren. Der Organismus reagiert bei Kindern und Jugendlichen meist noch sehr schnell auf eingesetzte Strategien. Sie kommen durch das Beobachten am Bildschirm zu einem AHA Erlebnis – sehen und finden Erklärungen, warum etwas so ist, wie es ist. Sie können erkennen, welche physiologischen und mentalen Prozesse z. B. für Prüfungsstress und Black-outs zuständig sind, aber auch wie gelernte, eingesetzte Techniken eine positive Veränderung bewirken. Das stärkt den Selbstwert, die Eigenkompetenz und gibt Selbstkontrolle. Wie sehr Selbstkontrolle fehlt und Hilflosigkeit und Aggression
sich in den Kindern und Jugendlichen festsetzt, zeigen uns die vielen Kurzschlusshandlungen (Messerstechereien, Schussverletzungen etc.), Schülerselbstmorde und Mobbing. Es ist immer ein Ausdruck von Hilflosigkeit und mangelndem Selbstwert, der Kinder und Jugendliche zu solchen Taten schreiten lässt. Weitere Auslöser sind eine fehlende Wertestruktur und Sinnmöglichkeiten in ihrem Leben.
Biofeedback bietet eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten sowohl in der Therapie als auch in der Persönlichkeitsbildung. Mit diesem Buch möchte ich einen kleinen Einblick über Anwendungsgebiete und im Besonderen über ein Therapieprogramm bei Kopfschmerzpatienten geben, die sich sehr gut bewährt hat. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, ein Bewusstsein über die einzelnen Ebenen, die
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Einleitung
mit Biofeedback angesprochen werden, zu erzeugen. Biofeedback ist mehr als nur die Rückmeldung der innerpsychischen Prozesse. Es kann viele Schichten des Bewusstseins, Unterbewusstseins und Unbewussten erreichen. Als Therapeutin sind mir diese Zugänge sehr wichtig. Dieses Buch hat eine lange Geschichte und umfasst meine praktischen und therapeutischen Erfahrungen in der Arbeit mit Biofeedback, die mit dem Schuleintritt meiner, mittlerweile erwachsenen, Söhne begonnen hat. Dieser Zeitpunkt war für mich ein Anlass mich mit Lernproblemen, Teilleistungsstörungen, dem Aufnehmen, Verarbeiten und Speichern von Informationen zu beschäftigen. Auch die Vermittlung von adäquaten Stressmanagement- und Selbstregulationstechniken war ein immer wichtigeres Thema bei der Vermittlung von Lernstrategien. Stress blockiert, fördert negative psychosomatische Reaktionen, wenn er zu lange andauert und stört die Informationsverarbeitung und -wiedergabe. Blackouts bei Prüfungen, Lern- und Leistungsblockaden waren ein so großes Thema unter den Schülern, dass ich mich mit Biofeedback vertraut machte. Es faszinierte mich von Anfang an und auch die Kinder und Jugendlichen zeigten sich im Training davon begeistert. Dieses Praxisbuch soll eine Anregung für Ärzte, Therapeuten, Trainer, Lehrer, Erzieher und Eltern bieten, sich auf das Thema Biofeedback und Selbstregulationsmechanismen näher einzulassen. Ich habe versucht, therapeutischen Grundlagen und Schwerpunkte für ein effizientes Training oder eine Therapie, in der Biofeedback angewendet wird, zu beschreiben. Es ist mir sehr wichtig ein Verständnis dafür zu erzeugen, dass der zu behandelnde Mensch mehr ist als nur das Symptom, oder die Krankheit, die er hat. Dazu muss der Therapeut/Trainer ein Grundverständnis für die Ziele und Möglichkeiten dieser Technik im Auge zu behalten, aber er darf den Menschen hinter der Maschine, mit seinen Sorgen und Nöten, nicht vergessen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden sie mir wahrscheinlich bedingungslos zustimmen, aber es ist nicht selbstverständlich, wie ich in zahlreichen Schulungen und Gesprächen mit angehenden Biofeedbacktrainern erfahren konnte. Auch die Herstellerfirmen verkaufen ja eine Idee des „schnellen Trainings“. Auf den folgenden Seiten gebe ich einen Überblick über meine Arbeit mit Biofeedback mit Kindern- und Jugendlichen. Sie erhalten auch einen Leitfaden (ASTI® THKinder) für ein Training bei kindlichen Kopfschmerzen (auch bei anderen psychosomatischen Beschwerden einsetzbar), das sich im Aufbau und der Durchführung sehr bewährt hat und von mir auch bei der Amerikanischen Biofeedbackgesellschaft, AAPB (Association for Applied Biofeedback & Psychophysiology) geschult wird. Das Trainingsprogramm kann mit jedem Biofeedbackgerät, das über multimodale Parameter verfügt, geschult werden. Die einzelnen vorgeschlagenen Bildschirmanimationen können bei allen Geräteherstellern angefordert werden.
Einleitung
Biofeedback ist eine in Amerika anerkannte Methode, die durch zahlreiche Studien belegt ist. Ich habe in diesem Buch Abstand davon genommen, eine Aufzählung aller gängigen Studien anzuführen. Es sei jedem Interessierten überlassen, sich direkt bei den betreffenden Biofeedbackorganisationen oder via Internet über spezielle Sachgebiete zu informieren oder Studien anzufordern. Gerne stehe ich für Fragen, Informationen und Schulungen zur Verfügung: Sie erreichen mich jederzeit per Email an:
[email protected], oder sie besuchen meine Homepage www.pirker-binder.at. In Wien baue ich gerade ein Zentrum für eine praxisorientierte Fort- und Weiterbildung für Biofeedback und Neurofeedback auf. Sie finden uns unter www.biofeedback-neurofeedback.com. Bitte verzeihen Sie, wenn ich im Buch nur die männliche Form zur Vereinfachung des Schreibens verwende. Viel Freude mit diesem Buch!
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Biofeedback — a brief introduction Frank Andrasik
Behavioral medicine, although a relatively young discipline, has had a strong impact on the thinking of the medical community and society in general by pointing out the link between behaviors and health status. Sexton (1979) and subsequent epidemiologists over the succeeding 2 + decades have shown that smoking, improper diet, lack of exercise, and stress are among the chief behaviors associated with leading causes of morbidity and mortality among adults. Today, the following statement of Sexton remains true: “the way of life determines the way of death.” One would think, given this strong linkage between behaviors and health status, that the medical community at large would make concerted efforts to urge their patients to assume responsibility for their own health and care. Alas, such is not the case (Cortis, 1995). Regrettably, children are subject to the same problems as are adults. Indeed, the harmful effects of stress in childhood are becoming increasingly evident, as pediatric practitioners are seeing an increasing prevalence of psychophysiological or stress-related disorders (Brugman, Reijneveld, Verhulst, Verloove-Vanhorick, 2001). One treatment with particular promise for pediatrics is biofeedback, an approach that first educates patients about the mind-body linkage and then provides ways to help acquire the needed self-regulatory skills (Andrasik, Attanasio, 1985; Culbert, Banez, 2003). Biofeedback is relatively new when compared to most medical treatments, but the research base for and scientific interest in biofeedback is growing, as evidenced by the field having its own journal (Applied Psychophysiology and Biofeedback) and the existence of several strong professional societies (Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback and the Biofeedback Foundation of Europe). Biofeedback brings together diverse professionals (physicians, nurses, psychologists, counselors, physical therapists, social workers), for a common goal — treating the whole person — mind and body together. The majority of biofeedback work has been focused on adults to date, but applications with children are seen as especially valuable. Biofeedback offers the promise not only of treating present conditions of children, but, if effectively applied, it offers promise of preventing problems later on during adulthood. Further, there is evidence that children may be especially good candidates for biofeedback treatment. Available studies suggest that children take to biofeedback better than adults do. Among the reasons that make children particularly well suited for biofeedback are their increased enthusiasm, quicker rates of learning, increased enjoyment when practicing, lessened skepticism about self-regulation procedures, and greater confidence in special abilities (Attanasio, Andrasik, Burke, Blake, Kabela, McCarran, 1985). The work described in this book draws from the existing scientific knowledge base. But, Ms. Pirker-Binder extends what is currently known by creatively adding her own unique blend of therapy components to maximize patient improvement and enjoyment.
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Biofeedback: a brief introduction
References Andrasik F, Attanasio V (1985) Biofeedback in pediatrics: current status and appraisal. In: Wolraich M, Routh D (eds) Advances in developmental and behavioral pediatrics. CT: JAI Press, Greenwich Attanasio V, Andrasik F, Burke E, Blake D, Kabela E, McCarran M (1985) Clinical issues in utilizing biofeedback with children. Clinical Biofeedback and Health 8: 134–141 Brugman E, Reijneveld S, Verhulst F, Verloove-Vanhorick P (2001) Identification and management of psychosocial problems by preventative child health care. Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine 155: 462–469 Cortis B (1995) Heart and soul: a psychological and spiritual guide to preventing and healing diseases. Villard Books, NY Culbert TP, Banez GA (2003) Pediatric applications other than headache. In: Schwartz MS, Andrasik F (eds) Biofeedback: a practitioner’s guide, 3rd edn. Guilford, NY, pp 696–724 Sexton MM (1979) Behavioral epidemiology. In: Pomerleau OF, Brady JP (eds) Behavioral medicine: theory and practice. Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 3–21
Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
Biofeedback an sich ist keine eigenständige Therapieform (in der Therapie von Kopfschmerzen und Schlafstörungen und in neuromuskulären Rehabilitation kann es auch als Mittel erster Wahl eingesetzt werden), sondern kann nur als Hilfsmittel für das Wahrnehmen und Erlernen bestimmter Fähigkeiten, Techniken oder Strategien gesehen werden. Diese Technik ist immer in einen übergeordneten Therapie- oder Trainingsplan, der individuell auf den Klienten/Patienten zugeschnitten ist, eingepasst. Dabei hängt der Erfolg des Biofeedbacktrainings maßgeblich davon ab, wie gut der jeweilige Therapeut oder Trainer verschiedene Trainingsmodule aufeinander aufbaut. Jede Therapie- oder Trainingssitzung enthält einen Biofeedbackteil, therapeutische Interventionen und einen speziellen Aufgabenteil, der zuhause erledigt werden soll. Diese individuellen Hausaufgaben und Übungen sollen den Transfer in den beruflichen und privaten Alltag garantieren.
Tabelle 1. Biofeedback und Regulationstechniken Biofeedback und Selbstregulationstechniken Anwendungsbereiche für Kinder und Jugendliche, ergänzt nach Culbert T P, 2003 Schmerzen: – Kopfschmerzen
1. Wahl und adjunkte Therapie
EMG, Temperatur, Hautleitwert
– andere chronische Schmerzen
adjunkte Therapie
Atmung, EMG, Temperatur
– akuter Schmerz und Nadelphobie
adjunkte Therapie
Hautleitwert, Atmung
Angst/stressbezogene Beschwerden
adjunkte Therapie
Atmung, Hautleitwert, HRV
Schlafstörungen
1. Wahl und adjunkte Therapie
EMG, Atmung, Temperatur
Enuresis
1. Wahl und adjunkte Therapie
EMG, Manometrie, Alarm
Enkopresis
1. Wahl und adjunkte Therapie
EMG, Manometrie
– Raynaud
adjunkte Therapie
Temperatur, Hautleitwert
– sympathische Reflexdystrophie
adjunkte Therapie
Temperatur, Hautleitwert
– Bluthochdruck
adjunkte Therapie
Hautleitwert, Atmung, HRV, Blutdruck
– Reizdarmsyndrom
adjunkte Therapie
Hautleitwert, Atmung, Temperatur, HRV
Dysregulation autonomes Nervensystem (ANS):
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
– Hyperhidrose
adjunkte Therapie
Hautleitwert, HRV
neuromuskuläre Rehabilitation
1. Wahl und adjunkte Therapie
EMG
ADD; ADHS
adjunkte Therapie
EEG, EMG, Hautleitwert
Lernschwierigkeiten
adjunkte Therapie
EEG, EMG, Hautleitwert
Anfallsleiden
adjunkte Therapie
EEG
– Tics, Tourette-Syndrom
adjunkte Therapie
EEG, EMG, Hautleitwert
– Verhaltensprobleme
adjunkte Therapie
EMG, Atmung
– Impulskontrolle
adjunkte Therapie
Hautleitwert, HRV, Atmung
– Asthma
adjunkte Therapie
EMG, Atmung, HRV
– Onkologie
adjunkte Therapie
Temperatur, Atmung
Peak-Performance (Hochleistung)
adjunkte Therapie
EMG, EEG, HRV, Hautleitwert
Zwangsverhalten:
Chronische Krankheiten
EMG Muskelspannung, HRV Herzratenvariabilität, EEG Neurofeedback, Manometrie: Druckmessung
Biofeedback ist eine aktive Trainings- und Messmethode. Daraus leitet sich auch die Frage ab, was in welchem Moment gemessen und trainiert werden soll, was Sinn macht und wie die erhaltenen Informationen erklärt und in das jeweilige Trainingskonzept integriert werden können. Die dabei zu beantwortenden Fragen sind: Welche Kombination von therapeutischen und biofeedbackunterstützten Trainingsmaßnahmen helfen dem kleinen Klienten oder Patienten in diesem Augenblick weiter? Biofeedback-Therapie und Biofeedback-Training unterscheiden sich nicht in der Messmethodik, sondern nur durch die spezifische Anwendung. Jede Therapie benötigt vorab eine genaue ärztliche Diagnose und darüber hinaus weiterführende therapeutische (psycho-, physio-, ergotherapeutische, Lernförderung o. Ä.) Interventionen. In der Rehabilitation ist die enge Zusammenarbeit mit Physio- und/ oder Ergotherapeuten zielführend. Im allgemeinen Persönlichkeitstraining hingegen soll eine „High Performance“, eine hohe Leistungsfähigkeit ohne Energieverlust, erreicht und erhalten
Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
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werden. Natürlich sind auch hier eine genaue Diagnose des Ist-Zustands und eine Definition dessen, was trainiert und verbessert werden soll, notwendig. Sowohl in der Therapie als auch im Training ist das Ziel die Kontrolle von Aktivierung und Deaktivierung. Es handelt sich immer um ein Wahrnehmungsund Aufmerksamkeitstraining, das dem Klienten/Patienten hilft, ungesunde und nicht effiziente Verhaltensweisen und Denkmuster durch positive zu ersetzen, um innere Balance erhalten und kontrollieren zu können. Die Schritte des therapeutischen Arbeitens, sowohl im Hinblick auf das jeweilige Gesamtkonzept als auch innerhalb der einzelnen Therapiemaßnahmen, sind: ◉ ◉ ◉ ◉
was ist wahrnehmen, erkennen, was geschieht; mit mir, mit meinem Körper verstehen der Zusammenhänge verändern ◉ Neuorganisation von Reaktions-, Verhaltens- und Denkmustern ◉ Lernen von Selbstregulationsstrategien und Übungen ◉ Veränderungen im Lebensskript, Aufbau einer Werteordnung, Erarbeiten und Festigen von Lebensvisionen, Lebenssinn (ein besonderer Schwerpunkt in der Pubertät zur Stabilisierung des Selbstwertgefühls und für den Aufbau der eigenen Persönlichkeit)
Wahrnehmen
Die moderne Technologie des Biofeedback macht Messungen möglich, die sofort, fast ohne Verzögerung, die psychopysiologischen Veränderungen darstellen. Sie zeigt, was ist, was der Organismus in diesem Moment an Aktivierung oder Deaktivierung leistet. Wer kennt nicht das alte Sprichwort: „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung“. Wahrnehmen heißt, Stellung zu beziehen, den Ist-Zustand anzunehmen, sich dessen bewusst zu werden und aktiv positive Veränderungen anzustreben.
Beispiel Ein Neunjähriger kam durch eine EMG-Biofeedbackmessung zu folgendem Ergebnis: „Mir fällt auf, dass ich auch meine Zehen anspanne, während ich schreibe!“. Dieses AhaErlebnis ist sowohl für ihn als auch den Trainer/Lehrer eine wichtige Erkenntnis. Bedenkt man den Energieaufwand, den es kostet, während der Schreibarbeiten ein so hohes Maß an Körperspannung aufrechtzuerhalten, dann ist es verständlich, dass dieses Kind nach spätestens zwei Schulstunden erschöpft sein muss und deshalb seine Aufmerksamkeit nicht in allen Schulstunden gleichermaßen aufrecht halten bzw. körperliche Beschwerden wie z. B. Kopfschmerzen oder Verspannungen auf-
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
weisen kann. Das Problem ist also in diesem Fall die viel zu hohe Körperspannung, die unnütz Energie abzieht und Konzentration und Leistung gefährdet – und nicht ein Problem der allgemeinen individuellen Aufmerksamkeitssteuerung.
Im schulischen Bereich hat sich auch gezeigt, dass die aufgelockerte, meist schräg zur Tafel hin orientierte Sitzordnung, die den Frontalunterricht ersetzt hat, zu massiven Spannungen in der Hals-/Nacken-/Schultermuskulatur führen kann. Besonders krass ist die muskuläre Beanspruchung bei Arbeiten am Computer. Es fehlen an die Körpergröße angepasste Arbeitsplätze ebenso wie eine intensive Schulung über die richtige Haltung und Pausengestaltung, um Langzeitschäden hintanzuhalten.
Erkennen
Der zweite Schritt ist das Erkennen der Zusammenhänge. Was passiert in den einzelnen Situationen im Körper? So finden z. B. in Prüfungssituationen oder durch das Denken an belastende Ereignisse Veränderungen im Hautleitwert oder in der Pulsfrequenz statt. Das Erkennen eines psychophysiologischen Zustandes von Über- oder Untererregung in einer bestimmten Situation kann ein Versagen, einen Unfall, oder einen Anfall (z. B. Epilepsie, Migräne) verhindern, wenn der Klient/Patient rechtzeitig die innere Balance wiederherstellen kann. Beispiel Ein Mädchen mit Blackout-Erlebnissen während Testsituationen erkennt das Ansteigen beider Hautleitwerte während einer simulierten Prüfungssituation und im Regenerationstest. Es sieht die Veränderungen, die in seinem Körper passieren. Steigen die Werte über sein persönliches Belastungs-Toleranzniveau, dann schaltet der Körper auf Überleben und legt die Denkprozesse still. Das Erkennen dieser Zusammenhänge macht einerseits gezielte Veränderungen durch das Erlernen von Regulationsmechanismen möglich und nimmt andererseits auch die Angst, denn wer den Feind kennt, kann mit ihm umgehen lernen. Im konkreten Fall wird hier die Kontrolle der Hautleitwerte ein Trainingsziel darstellen. Ergänzt wird das reine Biofeedbacktraining durch Visualisierungen (der Prüfungssituationen und möglicher Verhaltensveränderungen), das Erlernen von Entspannungstechniken und das Vermitteln von passenden Lernstrategien.
Verstehen
Eines der schönsten Dinge am Biofeedback ist die Tatsache, dass durch das Wahrnehmen und Erkennen der Klient/Patient selber zum Verstehen seiner Lebenszusammenhänge angehalten wird. Als Trainer/Therapeut ist uns das Beschwerdebild ja meist ganz klar vor Augen, ebenso wie mögliche therapeutische Interventionen.
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Das Schwierigste sind aber die Einsicht des Klienten/Patienten und seine Compliance, denn Veränderungen, ob mit oder ohne Biofeedback, sind immer ein aktiver Prozess. Kinder/Jugendliche können nicht auf Wunsch der Eltern therapiert werden. Sie müssen sich einbringen und mitmachen, damit das Training eine Hilfe und ein Erfolg sein kann. Der kleine Patient muss damit einverstanden sein, sein „Leiden“ freiwillig aufgeben zu wollen. Manchmal ist es ein großer Kampf, den er mit sich selbst ausfechten muss, denn in so manchem Leiden liegt ja auch ein Gewinn. Beispiel: Als kurze Fallgeschichte, die nur einen kleinen, aber wesentlichen Aspekt der Intervention zwischen Patient und Therapeut aufzeigt, möchte ich an dieser Stelle einen elfjährigen Jungen mit seinem Problem beschreiben. Er ist ein sehr begabtes Kind, sportlich und gescheit. Er wurde an mich überwiesen aufgrund immer wiederkehrender Kopfschmerzen und Migräneattacken. Seine Mutter führte eine tägliche Schmerztabelle, worin der Kopfschmerz auf einer zehnteiligen Skala eingetragen wurde. Der kleine Patient gab einen täglichen Wert von mindestens 2 an. Der Biofeedback-Eingangstest ergab aber keinerlei besondere Auffälligkeiten. Das war eine Besonderheit, denn normalerweise zeigen Migränekinder eine Ungleichheit in den beiden Hautleitwerten und eine Verengung der Pulsamplitude. Es stellte sich heraus, dass es ungemein angenehm für ihn war, alle zwei Wochen ein bis zwei Tage zuhause in der mütterlichen Obhut verbringen zu dürfen, wenn die Kopfschmerzen so stark waren. Das Symptom hatte hier für ihn einen besonderen Vorteil, den er nicht so schnell aufgeben wollte. Der Patient lernte einerseits sehr schnell die nötigen Strategien wie z. B. Handerwärmungstraining, doch der Schmerzwert blieb zuerst unverständlicherweise stabil bei 1–2 auf der Skala. Die Eltern wollten ihrem Kind mit dem Training helfen, doch ohne die Bereitschaft, auch die Annehmlichkeiten des Zuhausebleibens fallen zu lassen, ging es nicht. In solchen Fällen ist sowohl die Compliance des Patienten als auch der geschulte Therapeut mit seinem Einfallsreichtum gefordert. Es stellte sich heraus, dass die Kopfschmerzen zwar vorhanden waren, aber nicht so häufig auftraten, wie der Junge seiner Mutter rückmeldete. Weiterführende therapeutische Arbeit war hier notwendig, um ihn zu einer Verhaltensveränderung und zur Aufgabe seines Krankheitsgewinns zu motivieren. Bei einem Follow-up-Gespräch ein halbes Jahr nach dem Training berichtete die Mutter, dass ihr Sohn die empfohlenen Übung regelmäßig durchführe und nunmehr schmerzfrei sei.
Verändern
Der letzte Schritt ist die Integration der gelernten Strategien und Techniken in das Lebenskonzept des Einzelnen. Jede einzelne Übung muss internalisiert und als Fähigkeit ins eigene Handlungsmuster eingebaut werden. Biofeedback ist ein Hilfsmittel zum Lernen. Das Ziel ist, dass der Klient/Patient neue Strategien, Handlungsmuster und gesunde Denkweisen in sein Leben implementiert und als Fähigkeit abspeichert. Durch die Integration ins Lebensskript werden die innere
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Balance unterstützt und Überreaktionen vermieden. Die individuellen Selbstregulationsstrategien stehen dann als Fähigkeit und Fertigkeit jederzeit zur Verfügung. Das anfängliche tägliche Üben ist nicht mehr notwendig, weil die vier Ebenen wahrnehmen – erkennen – verstehen – verändern „automatisch“ ablaufen. Das neue Wissen ist dann im Organismus als Schlüsselfähigkeit gespeichert, und die innere Balance kann jederzeit aufrechterhalten werden. Dieses Wissen ist nicht nur somatisch abgespeichert, sondern auch kognitiv/mental/behavioral. Auf diese Bewältigungsstrategien durch Selbstkontrolle und Selbstregulation kann man jederzeit zugreifen, wenn sie benötigt werden. Einmal internalisiert, stehen sie ein Leben lang zur Verfügung und sichern nicht nur Wohlbefinden und Gesundheit, sondern auch Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeits- und Erregungskontrolle. Beispiel Das Beispiel dieses kleinen Jungen von acht Jahren zeigt die große Kompetenz, die Kinder aufbringen, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Der kleine Patient war ein überdurchschnittlich begabtes Kind mit sehr hohen Ansprüchen an sich selbst. Die Eltern waren völlig verzweifelt, weil jede Veränderung des täglichen Rhythmus, sei es eine Geburtstagsparty oder das vielgeliebte Fussballmatch, ein Verwandtenbesuch oder eine Fahrt in den Urlaub, eine Herausforderung für die ganze Familie geworden war. Jede Aufregung versetzte den kleinen Patienten so unter Druck, dass er sich ständig übergeben musste. Seinen Feind, der ihn dazu veranlasste, nannte er „Speibteufel“. Während des Trainings kamen wir an einen Punkt, an dem ich ihn fragte, wie denn seine Körperhaltung sei, wenn der kleine Teufel da so wütete. Er verkrümmte sich vollkommen, und sein ganzer Körper war eine einzige Verspannung und Anspannung. Ich klebte ihm die EMG-Elektroden auf den verspannten Bauch, und der kleine Patient konnte seine Muskelspannung am Bildschirm sehen. Er übte richtiges Atmen, Anspannung und Loslassen und erkannte, dass sich sein kleiner Teufel in der angespannten Körperhaltung so richtig austoben konnte, als würde er ein Fest feiern. Der kleine Patient verfolgte die EMG-Kurve am Bildschirm sehr aufmerksam und konzentriert. Nach einer Weile erklärte er mir dann sehr selbstsicher: „Wenn das so ist, dann hat der Teufel keine Chance mehr bei mir!“ Seine Mutter rief mich drei Wochen später wieder an, und die Erleichterung war bereits aus ihrer Stimme zu hören. Ihr Sohn hatte nicht nur die Erstkommunion ohne Zwischenfall gemeistert (er war der Ruhigste unter den ganzen Verwandten), sondern auch ein Fußballmatch und einen Kindergeburtstag.
Es ist schon sehr erstaunlich, was Kinder können und wie gerne sie Hilfen annehmen, um sich nicht ausgeliefert zu fühlen. Dieser kleine Junge ist ein Beispiel dafür, wie schnell Kinder das Wahrnehmen, Erkennen, Verstehen und Verändern/ Handeln in ihr Lebenskonzept integrieren und sich neue, gesunde Verhaltensweisen ausformen können. In alle biofeedbackunterstützten Trainings- oder Therapieprogramme integriere ich diese vier Grundschritte, und zwar in jedes der einzelnen Module. Das Messen und Darstellen verschiedener psychologischer und physiologischer Prozesse
Therapeutische Relevanz der gemessenen Parameter
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durch verschiedene Parameter erlaubt mir, das große Potenzial des Biofeedback für die Klienten/Patienten auszuschöpfen.
Therapeutische Relevanz der gemessenen Parameter Die große Errungenschaft des Biofeedback ist das Messen von psychophysiologischen Vorgängen, die wir – ungeschult – nicht wahrnehmen. Nach einem gezielten Training/einer gezielten Therapie ist der Klient/Patient aber durchaus in der Lage, Veränderungen von Über- oder Unteraktivierung zu spüren, die Antwort seines Organismus auf Belastungen zu erkennen, zu verstehen und zu kontrollieren. Das Wahrnehmen und Erspüren aller psychophysiologischen Veränderungsprozesse ist zwar nicht vollständig möglich, aber doch in einem Ausmaß, um adäquat darauf reagieren zu können. Die Trainings- und Therapieziele des Biofeedback sind vielfältig. Einige Einsatzmöglichkeiten möchte ich hier kurz anführen: ◉ Erkennen des eingesetzten Energiepotenzials ◉ Erlernen von Loslassen, Entspannung und Regeneration ◉ Erlernen von Regulationsmechanismen und Selbstkontrolltechniken ◉ Erlernen des für die jeweils gegebene Situation richtigen Maßes an Aktivierung/Erregung, der richtigen Balance zwischen Anspannung und Loslassen ◉ Anwendungen in der Rehabilitation ◉ Verankern von aktiven Regenerationsstrategien tief im Bewusstsein und deren Aufnahme als Schlüsselfähigkeit ins Lebensskript ◉ Steuerung der Aufmerksamkeit und Konzentration ◉ Kräftigung des Selbstwertes, der Selbstkompetenz und der sozialen Kompetenz ◉ Leistungsoptimierung und Erhalten von Gesundheit ◉ Erlernen von Strategien für den Ausstieg aus der Hilflosigkeit und dem Ausgeliefertsein ◉ Burnout-Prävention und Traumatherapie ◉ Unterstützung von psychotherapeutischen Maßnahmen ◉ Verhaltenstherapie ◉ Abbau bzw. Verhinderung von stressbedingten Beschwerden und Belastungsstörungen ◉ Vermeidung/Linderung von Anfällen, die durch Übererregung ausgelöst werden ◉ Psychosomatik ◉ Schmerzmanagement ◉ High-Performance-Training ◉ Persönlichkeitsbildung uvm. Unser Körper ist ein Wunderwerk und besitzt eine Vielzahl von Mechanismen, sich gesund zu erhalten und eine verlorene Balance wiederherzustellen. Um sich dieser Mechanismen zu bedienen, ist es aber nötig, das eigene Körperbewusstsein und die Körperwahrnehmung nicht zu verlieren bzw. wiederzuerlangen. Die
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Technik des Biofeedback meldet uns die einzelnen Vorgänge und Prozesse direkt zurück. Der Klient/Patient lernt die einzelnen Stufen des Loslassens und Aktivierens kennen. Die Steuerzentrale Kopf gibt nur widerwillig die Kontrolle auf, deshalb fällt Loslassen und tiefe Regeneration schwer und muss erlernt werden. Kinder/Jugendliche haben noch einen guten Zugang zum eigenen Körper und lernen viel schneller als Erwachsene. Beginnt das Training in einem sehr frühen Alter, dann können sich Kinder diese Mechanismen, die im Körper ja verankert sind, erhalten und sie pflegen. Die wesentlichen Lernschritte mit Biofeedback sind: ◉ Erregungskontrolle ◉ Aufmerksamkeitssteuerung ◉ Rehabilitation ◉ Deaktivierung Loslassen Entspannen Regenerieren Beim Lernen mit Biofeedback geht es primär um das Wahrnehmen, Erkennen und Kontrollieren von Erregungszuständen. Die zwei Systeme des autonomen Nervensystems, Sympathikus und Parasympathikus, steuern Aktivierung und Deaktivierung des Organismus. Sie sind zuständig für die Bereitstellung von Energie und für die Regeneration. In ihr Aufgabengebiet fallen auch der Emergency Reflex (Notfallreflex) und der Quieting Reflex (Beruhigungsreflex). Der Notfallreflex sichert unser Überleben in Situationen, in denen eine schnelle Reaktion notwendig ist, wie z. B. auf der Straße, wenn plötzlich ein Auto erscheint und wir uns blitzschnell in Sicherheit bringen. In solchen Situationen wird instinktiv gehandelt, das Denken ausgeschaltet; der Körper stellt in Sekundenschnelle die nötige Energie zur Verfügung. Der Beruhigungsreflex sorgt für die Regeneration und Beruhigung des gesamten Systems nach einer Belastung, Anstrengung oder Herausforderung. Verliert der Körper seine innere Balance, kann es zu einer Überreaktion des Emergency Reflexes kommen, d. h. der Körper reagiert hypersensibel auf Reize, und der Quieting Reflex kann die nötige Beruhigung nicht mehr herstellen. Er verkümmert oder wird bei lang andauernder Hypererregung oder Überbeanspruchung des Organismus (chronische Belastung) sogar verlernt (Burnout). Im Training wird daran gearbeitet, den Beruhigungsreflex wieder zu aktivieren und ein gesundes Zusammenspiel zwischen Erregung und Deaktivierung wiederzugewinnen und aktiv einzusetzen. Aktives Energiemanagement für Schüler bedeutet, die nötige Erregung so zu steuern, dass sie den Anforderungen angepasst ist, also Über-/Untererregung in Testsituationen in den Griff zu bekommen. Der zweite wesentliche Lernschritt ist das Steuern der Aufmerksamkeit, angepasst an die jeweilige Aufgabe und Situation. Dazu erlernt der Patient die Kontrolle jedes einzelnen messbaren Parameters, im Besonderen des Hautleitwertes, der ja auch mentale Aktivität und Erregung anzeigt. Aufmerksamkeitssteuerung heißt, sei-
Therapeutische Relevanz der gemessenen Parameter
nen Fokus so verändern zu können, dass er der jeweiligen Situation angepasst ist. Im Konkreten bedeutet das für Schüler, bei der Sache bleiben zu können, sich nicht ablenken zu lassen, aber auch die Intensität der Aufmerksamkeit steuern zu lernen. Denn schwierige Aufgaben benötigen einen weiten, offenen Fokus, um kreative Lösungen erarbeiten zu können, während leichte Aufgaben einen engeren Fokus fordern, um nicht in die Fehlerfalle durch Unkonzentriertheit (Schlampigkeits- und Flüchtigkeitsfehler) zu gelangen. In Krisensituationen ist hier auch die Distanzgewinnung zu einem bestimmten Problem gemeint. Sobald es gelingt, aus der psychischen Belastung ein wenig auszusteigen, eröffnen sich neue Möglichkeiten und Bewältigungsstrategien; die Ereignisse verlieren ihren Schrecken. Distanz lässt sich durch zwei Schritte gewinnen: 1. Selbstregulation der körperlichen Beschwerden (Hyperventilation, Anspannung, Angst) 2. Mentale/emotionale Umstrukturierung Überdurchschnittliche Anspannung verstärkt Angst und Anspannung und erschwert den Denkprozess. Je aggressiver oder ängstlicher ein Kind ist, desto dringender ist eine Schulung von Selbstregulationsmechanismen zur Selbstkontrolle. Das Wiederherstellen von innerer Balance (im Fall eines Burnout, eines Traumas, einer Belastungsstörung) und/oder von Körperfunktionen ist das Thema in der Rehabilitation. Für die Unterstützung des Neu-/Wiedererlernens von Bewegungsabläufen spielt das EMG-Feedback (Muskelspannung) eine immer bedeutendere Rolle. Durch die Plastizität des Gehirns ist es möglich, die Bildung von neuen Nervenverbindungen bei Schlaganfallpatienten oder Spastikern anzuregen. Eine Neuheit sind spezielle Unterwasserelektroden und Sensoren, die ein ganz neuartiges Training möglich machen. Doch nicht nur multimodales Feedback, auch Neurofeedback ermöglicht hier noch ungeahnte Möglichkeiten. Die Wege der Deaktivierung gliedern sich in die Schritte Loslassen, Entspannen und Regeneration. Es sind unterschiedliche Prozesse und auch im Biofeedback unterschiedlich erkennbar. Loslassen bedeutet, die Anspannung aufzugeben, impliziert den so genannten Let-it-go-Effekt. Erlernt wird das Wahrnehmen und Verändern verschiedener Spannungszustände. Entspannung ist ein weiterer Prozess des Loslassens, der den Weg zur Regeneration öffnet. Dabei zeigen bereits einige der messbaren Parameter eine Veränderung: ◉ Die beiden Hautleitwerte sinken und gleichen sich aneinander an. Die beiden Kurven zeigen denselben Verlauf und dasselbe Niveau. ◉ Die Atmung beruhigt sich. ◉ Die Atemzüge werden regelmäßig. ◉ Die Atemfrequenz sinkt. ◉ Die Pulsfrequenz zeigt ein Schwingungsmuster.
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◉ ◉ ◉ ◉
Die Pulsamplitude steigt. Die Fingertemperatur steigt. Die Muskelspannung sinkt. Der Bewusstheitszustand (EEG) verändert sich.
Bei der aktiven Regeneration befindet sich der ganze Körper im „Leerlauf “. In diesem Zustand finden Erholung und das Auffüllen verlorener Energie statt. Der Weg vom Loslassen zur Regeneration kann auch ein Weg durch verschiedene Bewusstseinsstufen sein. Auf alle Fälle jedoch ist es ein Weg, der viele verschiedene Bereiche umfasst, wie z. B.: ◉ das Gefäßsystem (Handerwärmungstraining, Thermal Biofeedback, BVP – Blood-Volume-Pulse – Pulsamplitude), ◉ das Herz-Kreislauf-System (Pulsfrequenz, HRV – Herzratenvariabilitätstraining) ◉ die Atmung (Atemfrequenz, RSA – respiratorische Sinusarrhythmie), ◉ das sympathische Nervensystem (Hautleitwert, Stoppen des inneren Dialoges), ◉ die Muskulatur (EMG).
Messbare Parameter Atemamplitude und -frequenz (Breathing Amplitude, Breathing Frequency)
Die Atmung ist das wichtigste Element im Biofeedbacktraining. Atmen bedeutet nicht nur Leben, sondern auch Balance und Rhythmus. Einatmen ist Aktivierung, animiert den Sympathikus zur Arbeit, während Ausatmen das parasympathische System anregt. Hält man sich dieses Wechselspiel vor Augen, wird die Bedeutung des Erhaltens oder Wiedererlangens dieses für die Gesundheit notwendigen Rhythmus’ sichtbar und verständlich. Im Training zur Selbstwahrnehmung lernt der Klient/Patient zwischen den drei verschiedenen Formen der Atmung zu unterscheiden: 1. Ausgeglichene Atmung: Hier halten sich das Ein- und Ausatmen die Waage wie Yin und Yang, das sympathische und das parasympathische Nervensystem sind im Einklang miteinander. Diese Atmung ist Ausdruck eines stabilen inneren Gleichgewichts. 2. Reinigende Atmung: Das Ausatmen wird betont. Es kann sich auch in einem Stöhnen oder Seufzen ausdrücken. Es ist Ausdruck von Überlastung und innerer Anspannung. Wird das Ausatmen verstärkt, kann sich die Anspannung lösen und können Giftstoffe, im Besonderen Kohlendioxid, besser ausgeatmet werden. 3. Energiespendende Atmung: Bei Müdigkeit oder Langeweile zeigt sich diese Atmung meist spontan durch vermehrtes Gähnen. Die Betonung liegt hierbei auf dem langen und tiefen Einatmen. Dadurch wird mehr Sauerstoff aufgenommen und es kommt zu energetischer Aufladung und neuem Schwung (Lewis D, 1999).
Messbare Parameter
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Bereits in der Volksschule können Kinder die natürliche Zwerchfellatmung verlieren. Ist die gleichförmige, ruhige Atmung gestört, beginnt langsam der Teufelskreis – auch schon bei den Kindern. Sie halten in aufregenden und/oder belastenden Situationen die Luft an oder beginnen zu hyperventilieren. Daneben steigt immer auch die Muskelspannung sichtbar an. Erhöht sich die Atemfrequenz längerfristig, kann der Säure-Basen-Haushalt dauerhaft kippen und das Herz-Kreislauf-System wird zu Höchstleistungen angetrieben. Manche Kinder reagieren darauf mit psychosomatischen Beschwerden. Angst- und Panikpatienten zeigen immer ein auffälliges Atemverhalten. Verändert sich die Atmung, wird sie flach und schnell, beginnt der Kohlendioxidspiegel im Blut zu sinken und die Arterien, auch die zum Gehirn führende Halsschlagader, verengen sich. Damit beginnt eine Minderdurchblutung des gesamten Organismus. Es ist nun ganz gleich, wie viel Sauerstoff der Betreffende aufnimmt, Gehirn und Organismus werden nicht mehr ausreichend versorgt und es tritt die KampfFlucht-Reaktion ein, bedingt durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Die Muskulatur verkrampft sich, das Denkvermögen ist eingeschränkt und gleichzeitig von quälenden Gedanken und fixen Ideen überlagert. Der Klient/ Patient wird reizbar und ängstlich, psychische Konflikte und Probleme verstärken sich. Chronisches Hyperventilieren ist ja auch immer mit Ängsten, Sorgen und Befürchtungen gekoppelt. Kinder mit der Diagnose ADHS (Attention Deficit Hyperactive Syndrom, ICD-10: F90) haben ebenfalls ein auffälliges Atemmuster. Bei Schlafproblemen ist es angezeigt, zuerst die ruhige Atmung, am besten die tiefe Zwerchfellatmung wiederherzustellen und erst dann weitere Trainingsschritte zu unternehmen. Bei Erwachsenen kann sich Überbeanspruchung und chronisches Hyperventilieren auch in Form der essenziellen Hypertonie oder des Bluthochdruckes zeigen. Atemtraining ist bei jedem Training und jeder Therapie unerlässlich. Dabei bewegt sich die Atemfrequenz bei leichter Tätigkeit/Aktivierung um die 12–17/18 Atemzüge pro Minute bei Erwachsenen; sie ist bei Kindern altersentsprechend etwas schneller. Mehr als 25–30 Atemzüge sind aber auch für Schulkinder zuviel. Eine entspannte, ruhige Atmung (ohne körperliche Betätigung) liegt bei Erwachsenen zwischen 8 und 10/11, bei Kindern zwischen 9 und 13 Atemzügen pro Minute. Erstaunlich ist, dass Kinder sehr leicht eine ebenso langsame Atemfrequenz und tiefe Ruhe erreichen können wie Erwachsene, nämlich 4–6 Atemzüge pro Minute.
Pulsfrequenz (Heart-Rate)
Die Pulsfrequenz ist ein Indikator für das Herz-Kreislauf-System. Sie ist nicht stabil, sondern zeigt eine Schwingung, die an den Atemrhythmus angepasst ist. Beim Einatmen wird die Frequenz schneller, beim Ausatmen wieder langsamer. Die Frequenz kann bei Kindern höher sein als bei Erwachsenen. Körperliche Erschöpfung oder Überbeanspruchung kann sich auch durch einen erhöhten Puls
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zeigen, der sich nur langsam wieder beruhigt. In der alltäglichen Praxis erstellt der Therapeut/Trainer einen Ist-Status. Erscheint die Pulsfrequenz im Gesamtbild zu hoch, dann wird eine Untersuchung beim Kinderarzt empfohlen.
Pulsamplitude (BVP – Blood-Volume-Pulse)
Die Pulsamplitude ist ein Indikator für das Gefäßsystem. Sie wird mit der Photopletysmographie gemessen. Dabei wird Infrarotlicht auf das Gewebe projiziert; ein Sensor misst die Ausdehnung des Gefäßes und die Menge des reflektierten Lichtes. Die Steuerung der Vasodilatation (Ausdehnung der Gefäße) ist eine Funktion des parasympathischen Nervensystems. Der Sensor erfasst die stärkere Durchblutung und meldet sie zurück. Steigt die sympathische Aktivität, dann verringert sich die Durchblutung wieder. Eine enge Pulsamplitude (unter 5–10) zeigt Verkrampfungen und Verspannungen des Gefäßsystems an. Patienten mit Migräne oder Raynaud (schmerzliche Weißfärbung der Hände durch Minderdurchblutung) haben fast immer eine sehr kleine Pulsamplitude. Es gibt Patienten/Klienten, die hauptsächlich mit einer starken Verengung der Gefäße auf Stressreize, Belastung und Aktivierung reagieren. Werte zwischen 40 und 70 zeigen ein entspanntes, Werte über 100 ein weit offenes und gut durchblutetes Gefäßsystem an. Diese Werte sind ungefähre Annäherungswerte. Im gegebenen Fall ist für jeden Patienten/Klienten einzeln zuentscheiden, welche Schwellenwerte verwendet werden. Dabei sind die jeweilige individuelle Ausgangslage und die zu erzielende mögliche Veränderung und Beeinflussbarkeit entscheidend.
Fingertemperatur (Thermal Biofeedback, Finger-Temperature)
Die Fingertemperatur zeigt die Temperaturveränderungen am Finger an und ist ein Indikator für Entspannung und Regeneration. Beim Handerwärmungstraining wird der gesamte Oberkörper entkrampft und entspannt. Es hat in jeder Therapie/jedem Training seinen Platz, aber auch in der Persönlichkeitsbildung zum Erlernen des Loslassens. Die Effektivität des Handerwärmungstrainings ist durch zahlreiche Studien belegt; es sei hier auf diese verwiesen. In der Schmerzkontrolle ist diese Art des Trainings nicht mehr wegzudenken.
Hautleitwert (Skin-Conductance, EDR – Electrodermal Response)
Der Hautleitwert ist ein Indikator für die Tätigkeit des sympathischen Systems und eines meiner bevorzugten Themen im Zusammenhang mit Biofeedback. Er misst den Hautwiderstand, die elektrische Aktivität der Schweißdrüsen, und wird an Fingern oder Handballen abgeleitet. Diese Drüsen steuern die thermale Regulation (apocrine glands) und das Aktivierungsniveau (eccrine glands). Sie sind direkt mit der Sympathikusaktivität gekoppelt und geben auch Veränderungen wieder, die
Messbare Parameter
durch Kognitionen oder Emotionen ausgelöst werden. In Stresssituationen sinkt der Widerstand, die Hautleitfähigkeit steigt. Steigt das Erregungsniveau, dann steigt auch die Hautleitfähigkeit (gemessen wird in Mikroohm). In einem ausbalancierten Körper verhalten sich die beiden Hautleitwerte der linken und rechten Hand gleich. Bei spezifischen Denkprozessen (je nachdem, welche Hirnareale dabei aktiviert werden), aber auch bei Angst, können sie ihren Gleichklang verlieren. Dieser Wert ist sehr vielschichtig und kann sehr interessante Aspekte der Klienten/Patienten darstellen, wie z. B.: ◉ die Antwort auf einen äußeren oder inneren Stimulus ◉ mentale Aktivität; nachdenken, grübeln, nicht abschalten können ◉ emotionale Aktivität; Angst ◉ innere Balance ◉ Persönlichkeitsstruktur (extrovertiert oder introvertiert) ◉ aktivierter Lernkanal; visuell-analytische Denker zeigen eine Steigerung des linken Hautleitwertes bei Zugriff auf den visuellen und/oder analytischen Kanal. Kinder mit einer massiven Teilleistungsschwäche und/oder psychischen Problemen zeigen eine große Niveaudifferenz im linken und rechten Hautleitwert. Meist ist der Kurvenverlauf dann auch unterschiedlich. Die Unterschiedlichkeit der Hautleitwerte ist leider noch ein Stiefkind der Forschung, lohnt aber auf alle Fälle die Beobachtung. Die Vielfalt ihrer Aussagekraft ist groß. Ihre Beobachtung kann für therapeutische Maßnahmen sehr hilfreich sein. Es besteht auch eine große Affinität zwischen Hautleitwert und langsamen Hirnpotenzialen (Slow Cortical Potentials). SCL links
SCL rechts
Temperatur
Pulsamplitude
Abb. 1a. Die Abbildung zeigt ganz deutlich die unterschiedlichen Verläufe beider Hautleitwerte eines jungen Migränikers nach den ersten Trainingssitzungen. Der linke Hautleitwert (SCL) startet bei einem Wert von 7,7 und ist sehr sensibel, der rechte Hautleitwert fängt bei 1,6 an. Beide Werte zeigen ein unterschiedliches Muster. Die Temperatur beginnt bei 26 °C, die Pulsamplitude zeigt einen Wert von 27
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training SCL links
SCL rechts
Temperatur
Pulsamplitude
Pulsfrequenz
Atem-1-Frequenz
Abb. 1b. Diese Abbildung zeigt einen jungen Patienten (12 Jahre) mit Kopfschmerzen. Ganz deutlich erkennt man die Unterschiedlichkeit der Hautleitwerte (SCL). Der linke Hautleitwert startet bei einem Wert von um 0,80, während der rechte mit einem Wert um 10 beginnt. Die Atemfrequenz zeigt ein unruhiges Muster, teilweise wird sie sogar unterdrückt
Muskelspannung (EMG – Electromyography)
Die Elektromyographie erlaubt die Messung der Muskelspannung und bietet nicht nur eine Grundlage für Veränderungsprozesse in der Rehabilitation, sondern auch für die individuelle Schulung der Wahrnehmung von Anspannung (gemessen wird in Mikrovolt). Denken wir an die vielen Computerspiele, Internet und verschiedene Anforderungen (stundenlanges Sitzen in einer fixierten Haltung), die an Kinder und Erwachsene gestellt werden, so ist es nicht verwunderlich, dass das Fühlen und Erspüren von minimalen An- und Verspannungen immer mehr verschwindet. Wir bemerken eine Muskelüberbeanspruchung erst, wenn ein Schmerz auftritt. Stundenlanges Sitzen vor dem Computer ohne Unterbrechungen und gezielte Entspannungsübungen führen zu Überanstrengung, Konzentrationsproblemen, Hals-, Nacken-, Kopf- und Augenschmerzen. Sitzen Kinder vor Computerspielen, zeigen sie eine ständige Bereitschaftsspannung, um je nach Anforderung sofort die entsprechenden Knöpfe drücken zu können. Computerbedingte Beschwerden werden in Zukunft bereits im Schulalter durch die speziellen Computerklassen auftreten. Eine Umfrage unter Lehrern und Schülern einer HAK zeigte
Messbare Parameter
deutlich, dass eine grundlegende Aufklärung über Sitzhaltung, Muskelspannung und Arbeitsplatzgestaltung dringend notwendig ist. In weiterer Folge gelten als Präventionsmaßnahmen eine gezielte Wahrnehmungsschulung der auftretenden Mikrospannung, die Vermittlung geeigneter Entkrampfungs- und Entspannungsübungen sowie die Einführung von Mikropausen im Klassenzimmer als notwendig und dringend erforderlich. Abgesehen von den Computerklassen ist das exzessive Spielen mit dem Computer ein sowohl pädagogisches wie auch gesundheitliches Problem. Eine neue Studie über Kinder zwischen 11 und 14 Jahren hat ergeben, dass bereits 9,3 % der Kinder das Kriterium für exzessive Computernutzung erfüllen (Grüsser SM et al., 2005). Ein Ergebnis, das nicht nur für die Suchtforschung interessant ist, sondern eine Zeitbombe im Gesundheitswesen darstellt. Eigentlich wäre ein sofortiges Handeln von Seiten der Schulbehörden nötig, denn mit nur zwei Turnstunden pro Woche (es finden sich in den verschiedenen Lehrplänen für österreichische Schulen nur vereinzelt mehr Turnstunden pro Woche) und ohne eine intensive Wahrnehmungsschulung und Pflichtlockerungsübungen für Lehrer und Schüler ist unschwer vorstellbar, wie sich unsere Kinder in den nächsten Jahren bewegen werden. Die Muskulatur stützt unseren Körper und trägt ihn bis ins hohe Alter – ob sie das unter den gegebenen Umständen in Zukunft noch tun kann, sei hiermit in Frage gestellt. Ein weiteres Thema ist Dysponesis, chronische Anspannung als Abwehr und/ oder Schutzmechanismus (siehe auch Kapitel Dysponesis). Neben gezielten Einsatzbereichen in der Medizin ist ein Wahrnehmungstraining für Kinder/Jugendliche unerlässlich für eine gesunde Körper-Geist-Beziehung. Je früher Kinder damit beginnen, desto besser können sie ihre angeborenen Fähigkeiten ein Leben lang aufrecht erhalten. Spüren, was im Inneren des Organismus vorgeht, ist für Kinder noch sehr leicht, für Pubertierende wird es schon schwieriger. Aber gerade in dieser für Jugendliche sehr spannungsgeladenen Zeit wäre das Erlernen und Anwenden von Selbstregulationsmechanismen eine große Hilfe und Präventionsmaßnahme gegen Angst, Aggression, Hilflosigkeit und Depression. Die Positionierung und Platzierung der Elektroden ist wichtig für die Deutlichkeit des Signals und seine Aussagekraft. Normalerweise werden die zwei aktiven Elektroden entlang des Muskels und eine dritte Elektrode entweder in der Mitte (bei der Verwendung eines dreiteiligen Sensors und Trioden) oder aber auf einer neutralen Stelle, an der es wenig Aktivität gibt, angebracht, wie z. B. auf einem Knochen. Die beliebteste und auch am einfachsten zugängliche Ableitungsstelle ist die Stirnmuskulatur, der Frontalis. Da Mimik eine entscheidende Rolle bei Emotionen spielt, lassen sich in der Stirnmuskulatur sehr oft Anspannung und Aktivität ablesen. In der Arbeit mit Kindern ist allerdings Vorsicht angebracht, es könnte sein, dass es ihnen unangenehm ist, etwas ins Gesicht geklebt zu bekommen. Weitere beliebte Elektrodenplatzierungen sind die Schulter-(Trapezius) und die Kie-
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fermuskulatur (Masseter). Je nach therapeutischem Programm ist im Einzelfall zu entscheiden, wo vorrangig mit der Wahrnehmungsschulung begonnen und Kontrolle über Anspannung und Loslassen geübt werden soll. Trainingsmöglichkeiten sind: ◉ Wahrnehmungsschulung: Entspannung/Anspannung ◉ Entspannungstraining ◉ Muskelauf bau (siehe auch Enkopresis, Enuresis) ◉ Reorganisation von Muskelkontrolle ◉ Bewegungsstörungen (siehe Tics, Tourette-Syndrom) Es gibt Normwerte für EMG-Messungen, die in der Therapie sehr hilfreich sein können. Will man Messwerte vergleichen, dann ist Folgendes zu beachten: ◉ die Vergleichbarkeit je nach verwendetem Biofeedbackgerät ◉ der verwendete Filter ◉ der Abstand der Elektroden (bei größerem Abstand steigt die Amplitudenstärke des Signals) ◉ die exakte Platzierung (Entfernung des Muskels von der Hautoberfläche, exakte Platzierung auf dem Muskel). ◉ der Zustand der Muskulatur: müde, erschöpft, angestrengt oder chronisch überlastet. Erscheint die Anspannung sehr hoch, hat es sich sehr bewährt, zu fragen, ob das Kind gerade ein spezielles Sporttraining oder eine anstrengende Musikstunde hinter sich hat. Für den therapeutischen Erfolg ist es wichtig, dass die Wahrnehmung und Kontrollfähigkeit geschult wird, dass der kleine Patient/Klient lernt, wie sich Spannung anfühlt, wann sie ihm schadet und welche Strategien zur Entspannung helfen (siehe auch Disponesis).
Persönlichkeitsmuster und Hautleitwert Stress als Aktivierungs- und Bereitstellungsreiz löst immer Veränderungen im ◉ autonomen Nervensystem ◉ Hormonsystem ◉ Immunsystem aus. Der gesamte Organismus ist bei der Antwort auf belastende Reize und/oder Situationen involviert. Wie intensiv diese Reaktion ausfällt und/oder welches System oder Organ sie am meisten betrifft, hängt von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen, erblicher Disposition und sozialem Umfeld der Kinder ab. Ein sehr spannendes und noch wenig erforschtes Thema im Bereich Biofeedback ist der Zusammenhang zwischen Hautleitwert und Persönlichkeitsstruktur. Bezugnehmend auf Eysenck (in Fisseni H-J, 1998) möchte ich hier zwei Persönlichkeitseigenschaften beschreiben, die sich mit Biofeedback nachweisen lassen.
Messbare Parameter
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◉ Labilität (Neurotizismus) versus Stabilität ◉ Introversion versus Extraversion Neurotizismus bezeichnet die chronische Emotionalität eines Menschen. Sie äußert sich als Ängstlichkeit oder Zuversicht, als Kontrolle emotionaler Reaktionen oder als Gefühl, den eigenen Emotionen ausgeliefert zu sein. Eine labile Emotionalität prädisponiert Personen in Stress-Situationen zu neurotischen Symptomen wie Launenhaftigkeit, Schlaflosigkeit, Nervosität, Minderwertigkeitsgefühl, Reizbarkeit. Höhere Neurotizismus-Werte (gemessen nach Eysenck) stehen in Zusammenhang mit niedrigen Schwellenwerten im Limbischen System (visceral brain); dies bedeutet, dass relativ schnell Angst-, Abwehr- oder Aggressionsreaktionen ausgelöst werden. Das limbische System beeinflusst emotionales Verhalten und steuert Angriffs-, Abwehr-, Angst- und Sexualverhalten. Allgemeine psychische Unruhe lässt sich in allen messbaren Biofeedback-Parametern nachweisen.
Introversion/Extraversion
Grundlage des Lernens sind zentralnervöse Prozesse, die von Erregungs- und Hemmungsabläufen bestimmt werden. Introvertierte Kinder und Jugendliche sind physiologisch mit einem höheren Erregungsprozess ausgestattet und kortikal chronisch stärker aktiviert. Ihre sensorischen Schwellen liegen niedriger, d. h. sie lernen schneller, vergessen langsamer. Sie tendieren schneller zu Vermeidungsreaktionen in Situationen, die mit Schmerz oder Furcht zusammenhängen. Die Schwelle zur Furcht liegt niedriger als bei extrovertierten Kindern/Jugendlichen. Sie erfahren dadurch auch öfter Furcht, sind ängstlicher, angepasster und laut Eysenck auch leichter konditionierbar. Personen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal zeigen eine sensiblere Fluktuation und höhere Amplituden im linken Hautleitwert (sofern ihre Hirndominanzen nicht genetisch bedingt vertauscht sind; d. h. solange die rationale analytische Hirndominanz in der linken Hirnhälfte lokalisiert ist. Hirndominanzen sind auch für Training/Therapie mit Neurofeedback bei spezifischen Trainingsanwendungen für die genaue Lokalisation der Elektrodenplatzierung zu beachten). Bei extrovertierten Kindern/Jugendlichen überwiegen physiologische Hemmungsprozesse. Sie lassen sich schwerer konditionieren, sind kortikal weniger stark erregt, benötigen einen starken Reiz und brauchen mehr externe sensorische Stimulation, d. h. sie lernen langsamer, vergessen schneller, sind impulsiv, aktiv, sorgloser, lebenslustig, heiter, spontan, ungehemmt und sozial aktiv. Höhere Extraversionswerte stehen in Zusammenhang mit einer niedrigeren kortikalen Erregung (Arousal Level). Die Informationsweiterleitung im ARAS (Ascending Reticular Activating System; aufsteigende Impulse aktivieren die Hirnrinde, während absteigende Impulse eine Orientierungsreaktion auslösen), einem Nervengeflecht zwischen dem verlängerten Mark und dem Zwischenhirn, ist hier herabgesetzt. Personen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal zeigen weniger Fluktuation und niedere Amplituden im linken Hautleitwert. Der meist aktivere Hautleitwert ist
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
der rechte. Innere Spannung und Nervosität lassen sich besser in allen anderen messbaren Parametern finden, z. B. der Pulsfrequenz, Atemfrequenz oder Muskelspannung. Betonen möchte ich, dass ich seit Jahren immer mit zwei Hautleitwertableitungen (rechts–links) arbeite und hier meine Erfahrungswerte berichte. Leider ist dieses Gebiet forschungsmäßig etwas stiefmütterlich behandelt und lässt noch viele Fragen offen. In den USA hat Mangina damit gearbeitet und bestätigt, dass Kinder mit einer Teilleistungssymptomatik hohe Differenzen im Hautleitwertniveau rechts–links aufweisen (Mangina C, 1992). Ich kann das bestätigen, möchte aber darauf hinweisen, dass auch psychische Belastungen, Angst uvm. sich in starker Fluktuation bzw. unterschiedlichen Niveaus ausdrücken.
Abb. 2. Die Abbildung zeigt einen Buben mit einer diagnostizierten Teilleistungsschwäche. Der linke Hautleitwert (SCL) startet bei 7,2 auf der Skala, der rechte bei einem Wert von 2,2. Auffallend ist auch die Pulsamplitude (PA), die in einem Bereich von 20 bis 55 schwankt, und zwar bei steigender Fingertemperatur
Biofeedback und Diagnostik Eine gute Eingangsdiagnostik ist für Training und Therapie unerlässlich. Sie setzt sich aus verschiedenen Säulen zusammen, je nachdem, ob es sich um ein Training oder eine Therapie handelt: ◉ Anamnese ◉ psychologische Tests und/oder ärztliche Diagnose
Biofeedback und Diagnostik
◉ Schul- und Lernprobleme ◉ Familiensituation ◉ Biofeedback-Baseline und Eingangstest Ein Biofeedback-Eingangstest ist in der Diagnostik und zur Auswahl der passenden Trainingselemente nicht wegzudenken. Die Tests sind bekannt als Stressund/oder Regenerationstests, wobei zwei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen: ◉ diagnostische Eingangstests ◉ leistungsabhängige Tests Diagnostische Eingangstests sind Testverfahren, die automatisch ablaufen, die eine Ruhephase, Erwartungshaltung und Regeneration nach einem Schreckereignis messen. Wichtig dabei ist, dass der Patient/Klient sich während des Tests möglichst ruhig verhält und so wenig wie möglich durch zusätzliche Informationen abgelenkt wird, d. h.: keine Zeitangaben über die Dauer des Tests oder einzelne Testabschnitte, keine Bilder, die Erinnerungsprozesse abrufen o. Ä. Im Test selbst sollen möglichst nur die innerpsychischen und physiologischen Prozesse dargestellt werden. Leistungs-/situationsabhängige Tests zeigen psychophysiologische Veränderungen auf, die als Reaktion auf bestimmte Testfragen oder Imaginationen stattfinden. Die individuelle Reaktion auf die gestellte Testaufgabe ist maßgeblich beeinflusst von der Informationsverarbeitung (z. B. ob der Proband gut in Deutsch oder Mathematik ist, ein gutes oder schlechtes Allgemeinwissen besitzt, Intelligenz, Vorlieben, persönlichen Stärken und Schwächen uvm.). Spezifische Fragen können zusätzliche Bewegungsartefakte auslösen (jede Bewegung hat eine Aktivierung zur Folge und verfälscht die Aussagekraft der Messung; bevor Kinder antworten, beginnen sie sich sehr oft zu bewegen). Leistungs-/situationsabhängige Tests beziehe ich in das Training mit ein, wenn spezifische Reaktionsmuster erkannt und verändert werden sollen, nicht aber als Eingangstest. Zur besseren Vergleichbarkeit der Tests und ihrer Aussagekraft hinsichtlich therapeutischer Maßnahmen eignen sich autonom ablaufende Tests, die möglichst einfach innerpsychische Prozesse messen. Leistungs-/situationsabhängige Tests sind dafür nicht geeignet. In der modernen Biofeedback-Software sind Tests vorinstalliert, die sich jederzeit vom Anwender selbst oder vom Hersteller nach den Bedürfnissen der therapeutischen Arbeit verändern lassen. Ein besonderer Schwerpunkt im Testverfahren ist die Frage der Erwartungshaltung: Wie viel Energie/Erregung wird in der Vorerwartung auf einen eintreffenden oder vielleicht eintreffenden Reiz verwendet und wann vor dem zu erwartenden Ereignis beginnt bereits die Erregung?
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
Im Vier-Phasen-Testverfahren werden folgende Situationen überprüft: ◉ Eine Entspannungsphase (2–3 Minuten), in der der Klient/Patient aufgefordert wird, sich zu entspannen und loszulassen. ◉ Eine Ankündigungsphase (1–2 Minuten), in der der Reiz angekündigt wird. Gemessen wir die Erwartungshaltung. ◉ Eine Reizphase (10–20 Sekunden), in der der Reiz plötzlich auftritt und ein paar Sekunden anhält. ◉ Eine Regenerationsphase (1–2 Minuten), in der sich der Klient/Patient wieder erholen, regenerieren soll. Gemessen werden: ◉ zwei Hautleitwerte ◉ Pulsfrequenz ◉ Pulsamplitude ◉ Fingertemperatur ◉ Atemfrequenz ◉ Muskelspannung Vor dem Test ist es angezeigt, eine längere Baseline zu erheben. Sie dient einerseits dazu, den Kindern die Angst zu nehmen und ihnen und den Eltern zu erklären, was auf sie zukommt und wie so ein Test aussieht. Andererseits ist es für den Trainer/Therapeuten wichtig, sich davon zu überzeugen, dass alle Sensoren ordnungsgemäß angelegt und die rückgemeldeten Daten deutlich sind. Manche Kinder bewegen sich viel und die Sensoren können leicht verrutschen, deshalb lieber zweimal vor dem Test den perfekten Sitz der Elektroden mittels einer Baseline kontrollieren. Zeigen die Hautleitwerte ein sehr hohes Niveau, ist es angezeigt, die Kinder die Hände waschen und gut abtrocknen zu lassen und dann erst die Messung fortzusetzen.
Evaluation
Für die Evaluation ist es wesentlich, den Klienten/Patienten während des Tests auch genau zu beobachten. Besonderes Augenmerk sollte auf der Atmung und generellen Anspannung liegen. Auch ein oftmaliger Wechsel zwischen Zwerchfellund Brustatmung kann das Messergebnis verzerren, deshalb nie auf die Beobachtung des Klienten/Patienten verzichten! Bei der Auswertung des Tests wird untersucht, wie sich die einzelnen Parameter in den einzelnen Testphasen verhalten. Besonderes Augenmerk wird auf die Erwartungshaltung in der Testphase 2 gelegt: bleiben die Werte gleich, erholen sie sich oder steigen sie kontinuierlich an? In der Testphase 3 wird ausgewertet, welche Parameter sich nach dem Reiz am schnellsten wieder in die Ausgangslage zurückbewegen und welche nicht. Die beiden Hautleitwerte zeigen innere Balance, Ängste, Grübeln, mentales
Biofeedback und Diagnostik
Abschalten, sympathische Aktivität an, während die anderen Parameter vermehrt die physiologischen Veränderungen aufzeigen. Das individuelle Trainings- und Therapieprogramm richtet sich dann verstärkt danach, in welchem Bereich eine Disbalance auftritt, ob im Gefäßsystem (PA), im Herz-Kreislaufsystem (Pulsfrequenz), in der Muskelspannung (EMG) oder im mentalen Bereich/sympathischen Aktivierungsniveau (Hautleitwert). Im Grund-Trainingsprogramm werden Techniken und Strategien auf allen Ebenen trainiert: ◉ im somatischen Bereich: Loslassen – Entspannung – Regeneration ◉ im mental-emotionalen Bereich: Um- und Neustrukturierung von inadäquaten Denkmustern; Ärger, Angst, Ungeduld, Besorgtheit uvm. ◉ im Verhalten: Transfer in den täglichen Alltag Spezielle Trainingseinheiten intensivieren dann die Übungen und/oder trainieren verstärkt Veränderungen in bestimmten Parametern, z. B. Pulsfrequenz, Muskelspannung, Temperatur, Hautleitwert, Atemfrequenz. Ich möchte im Folgenden einige Fälle vorstellen, um Ihnen einen Einblick in die Verschiedenartigkeit sowohl der einzelnen Persönlichkeiten der Patienten/Klienten als auch in die vielen Möglichkeiten der gemessenen Werte zu geben.
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training
Fallgeschichten SCL links
SCL rechts
Temperatur
Pulsamplitude
Pulsfrequenz
Atemfrequenz
Abb. 3. Der kleine Rennfahrer
Der kleine Rennfahrer Dieser Test zeigt die Messung eines zehnjährigen Buben (Abb. 3). Beide Hautleitwert-Kurven bewegen sich auf einem niederen Niveau und im Gleichklang. Der Klient ist mental sehr ausgeglichen, baut aber die mentale Spannung etwas zu langsam ab. Nach dem Stressreiz erholt sich der Körper relativ schnell wieder (PA, Temperatur, Pulsfrequenz). Auffälligkeiten liegen in der unterdrückten Atmung (Atmung wird zuerst unterdrückt, nach dem Reiz nimmt die Frequenz zu) und in der Pulsfrequenz. Sie zeigt einen leichten Anstieg in der Erwartungsphase und eine schnelle Erholung nach dem Reiz. Die Pulsamplitude steigt genauso wie die Temperatur bis zur Ankündigung an, dann gibt es eine starke Reaktion (einen starken Knick und die Gefäße ziehen sich kurzfristig zusammen). In der Erholungsphase beruhigt sich die Pulsamplitude wieder. Der Klient ist Rennfahrer und möchte seine Konzentration verstärken, da er in brenzligen Situationen zu langsam reagiert. Er verliert durch eine zu hohe Muskelspannung (sie wurde in einer separaten Trainingseinheit gemessen) und das Anhalten des Atems bei Anstrengung und Aufregung
Fallgeschichten
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zuviel Kraft. Das führt in den entscheidenden Situationen zu mangelnder Konzentration. Nach den ersten Trainingsstunden mit Biofeedback sind seine Rennresultate deutlich besser. Er kann seine Muskelspannung, Atmung und Aufregung kontrollieren. Seinen Freund „Nervösi“ hat er in die Schranken gewiesen. SCL links
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Temperatur
Pulsamplitude
Pulsfrequenz
Atemfrequenz
Abb. 4. Der unkonzentrierte Chaot
Der unkonzentrierte Chaot Mein Klient ist ein 13-jähriger Bub (Abb. 4). Er wird von der Mutter gebracht, weil er mit dem Lernen Probleme hat. Er ist ein begabtes Kind, aber sehr chaotisch, zerstreut und unkontrolliert. Es ist hier nicht verwunderlich, dass der rechte Hautleitwert in der Regenerationsphase höher steigt als der linke. Das ist ein typisches Zeichen für eine Extraversion. Die Atemfrequenz pendelt zwischen 15 und 25 Atemzügen pro Minunte hin und her. Die Pulsamplitude liegt zu Beginn des Tests bei 25, erholt sich in der Ruhephase etwas, sinkt in der Erwartungshaltung unter 25 ab und steigt dann auf 100 an. Beobachtet man alle Werte, kann man eine gewisse Grundspannung erkennen, die sich schlagartig nach dem Reiz löst. Die Probleme des Buben sind Unkonzentriertheit, Unruhe, chaotisches Agieren, mangelnde Selbstkontrolle. Eine weitere Diagnostik zur Abklärung einer Aufmerksamkeitsstörung wurde der Mutter empfohlen.
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Arbeiten mit Biofeedback in Therapie und Training SCL links
SCL rechts
Temperatur
Pulsamplitude
Pulsfrequenz
Atemfrequenz
Abb. 5. Der Sportler und Perfektionist
Der Sportler und Perfektionist Dieser Klient ist ein zwölfjähriger Bub mit regelmäßigen Migräneattacken und einem kontinuierlichen täglichen Kopfschmerzniveau (Abb. 5). Beide Hautleitwerte zeigen eine symmetrische Bewegung, jedoch startet der rechte Wert bei 12 und der linke bei 6,5. Die Unterschiedlichkeit zeigt eine Disbalance an, aber ohne Angstfaktor (bei Angst zeigen beide Hautleitwerte einen unterschiedlichen Verlauf). Die Atmung ist ruhig. Die Erregung steigt in der Erwartungshaltung an und bleibt auf einem hohen Niveau. Hier stellt sich auch die Frage, inwieweit der Bub sehr hohe Leistungsansprüche an sich selber stellt. Fordert er zu viel von sich selbst, dann setzt ihn das zusätzlich unter hohe Spannung und andauernde Erregung. Das Training müsste sich dann am Kopfschmerz orientieren, aber zusätzlich auch an den hohen Leistungs- und Perfektionsansprüchen. Weiters zeigt der Test erhöhte Werte im rechten Hautleitwert. Dies deutet auf Extraversion hin (oder auch auf vertausche Hemisphärendominanz; diese spielen nicht nur im multimodalen Training bei der Auswertung und Interpretation der Hautleitwerte eine Rolle, sondern speziell auch im Neurofeedback, wo es auf eine genaue Platzierung der Elektroden ankommt).
Fallgeschichten
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SCL links
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Temperatur
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Pulsfrequenz
Atemfrequenz
Abb. 6. Der hyperaktive Extrovertierte
Der hyperaktive Extrovertierte Dieser Klient ist ein 13-jähriger Bub mit der Diagnose ADHS. Die beiden Hautleitwerte zeigen eine starke Disbalance im Körper (Startwert links ist 5,40 und rechts 1,65: Differenz!). Die Pulsamplitude ist sehr reaktiv und schwankt zwischen 50 und 100. Besonders auffällig ist die Atemfrequenz pro Minute, die bei über 20 Atemzügen liegt. Kinder mit der Diagnose ADHS zeigen immer ein auffälliges Atemverhalten. Ich empfehle in diesen Fällen ein kombiniertes Training aus Neurofeedback und multimodalem Feedback.
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Temperatur
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Pulsfrequenz
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Abb. 7. Der Neurodermitiker
Der Neurodermitiker Der Neurodermitiker, der im Mittelpunkt stehen möchte und Anerkennung sucht. Dieser kleine Bub von zehn Jahren leidet unter Neurodermitis. Im Test zeigt er ein sensibles Gefäßsystem (Pulsamplitude) und ein unruhiges und hohes Atemmuster. Nach dem Reiz bleibt die mentale Erregung bestehen. Er leidet auch unter Spannungskopfschmerzen. Neben der Schule spielt er noch Eishockey und Tennis.
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SCL links
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Temperatur
Pulsamplitude
Pulsfrequenz
Atemfrequenz
Abb. 8. Der stabile Ruhige
Der stabile Ruhige Dieser kleine Bub von acht Jahren ist ein sehr ruhiges, interessiertes und stabiles Kind. Nach dem Reiz erholen sich die Hautleitwerte schnell, in der Erwartungsphase bleibt er sehr gelassen. Eine leicht verzögerte Erholung zeigt die Pulsamplitude. Der Stress- und Regenerationstest ist ein ausgezeichnetes Mittel, um einerseits den aktuellen Ist-Zustand an Erregung zu erheben und andererseits einen Einblick in die psychische Welt des kleinen Klienten zu bekommen.
Biofeedback im Schmerzmanagement
Schmerz zehrt an der Energie der Kinder und Jugendlichen und schwächt ihre Bewältigungsmechanismen. Schmerzerlebnisse haben lang anhaltende Effekte. Selbstregulationsstrategien können helfen, den negativen Aspekt und die funktionale Einschränkung zu mildern. Im Schmerzmanagement wird die Technik des Biofeedback sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen erfolgreich eingesetzt. Durch das Erkennen und Verstehen der individuellen psychophysiologischen Prozesse werden einerseits die Körperwahrnehmung verbessert und andererseits die Kontrolle über ausgewählte physiologische Reaktionen erlernt. Randomisierte Kontrollstudien und Meta-Analysen haben die lang anhaltenden und die Kurzzeitbenefits von Selbstregulationstrainings aufgezeigt und ihnen einen höheren Stellenwert beigemessen als einer Pharmakotherapie. Die Anwendung psychotroper Medikation ist keine grundsätzliche Kontraindiktion von Biofeedback und/oder Entspannungstraining. Verschiedene Medikamente bewirken eine veränderte Reaktion des autonomen Nervensystems. Hier ist während des Trainings besondere Vorsicht des Therapeuten sowohl in Bezug auf die Erstellung von Modulen als auch in Bezug auf die Interpretierbarkeit der gemessenen Parameter geboten. Gedanken und Emotionen beeinflussen psychophysiologische Prozesse wie Blutfluss, Muskelspannung, das Freisetzen von Hormonen, Peptiden und Entzündungsreaktionen. Sie verändern das Immunsystem, das in der Entwicklung von Schmerz eine bedeutende Rolle übernimmt. Die vom Cortex und Thalamus ausgehenden Informationen verändern die Schmerzwahrnehmung. Abgesehen von dem realen physischen Erleben, dem Schmerzreiz, hängt das tatsächliche Intensitätsempfinden in großem Ausmaß von Gedanken, Glaubenssätzen und Emotionen ab. Biofeedback bietet ergänzend zur medikamentösen Behandlung des Schmerzes Methoden zum Erlernen von Selbstregulationstechniken an. Melzack (1990) spricht von einem wesentlichen Zusammenspiel des zentralen und peripheren Nervensystems im Hinblick auf das Schmerzempfinden, das teilweise angeboren und teilweise erlernt ist. Dieses neuronale Netzwerk bildet eine so genannte „Neuromatrix“, die für ein individuelles Verständnis von Schmerz und somatischer Wahrnehmung kennzeichnend ist. Selbstregulationstechniken können diese Neuromatrix im Schmerzempfinden verändern – bewusst und unbewusst (Melzack R, 1990). Biofeedback und Selbstregulationstechniken ermöglichen folgende spezifische und unspezifische Veränderungen: Spezifische Veränderungen in der Schmerzkontrolle: ◉ Verringerung der Aktivität im sympathischen Nervensystem (moduliert die Schmerzleitung) (Baron R et al., 1999) ◉ spezifische Veränderungen, wie z. B. Reduktion von Muskelspannung, Verringerung von Entzündungsprozessen
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Biofeedback im Schmerzmanagement
◉ Regulation absteigender Reizweiterleitung ◉ Freisetzen von endogenen Schmerzneuropeptiden ◉ neuroelektrische/neurochemische/neurometabolische/somatische Veränderungen Nichtspezifische Wirkungsweisen von Schmerzkkontrolle: ◉ von äußerer zu internaler Selbstkontrolle, die die Selbstwirksamkeit und Selbstkontrolle von Schmerz verbessert ◉ positive Erwartungshaltung und Hoffnung als Placebo-Effekt ◉ steigende Compliance ◉ kognitive Umstrukturierung (Reframing) des Schmerzes; dies impliziert nicht notwendigerweise eine Veränderung der Schmerzintensität, aber eine Veränderung der Bedeutung, Qualität, Aufmerksamkeit, Bewältigungsstrategien und des funktionalen Beeinträchtigungsgefühls. Biofeedback (und Hypnose bzw. Selbsthypnose) erhöht die Suggestibilität von Kindern und erlaubt ihnen, ihre Schmerzwahrnehmung zu verändern und zu kontrollieren (Olness K et al., 1987). Tiefe Zwerchfellatmung, Entspannungsmethoden, Biofeedback und Hypnose/ Selbsthypnose sind Bestandteile jedes therapeutischen Schmerzmanagement-Programmes. Die Technik des Biofeedback erlaubt es, durch das Erlernen von Selbstregulationsmechanismen einen veränderten Bewusstseinszustand zu erreichen. Spezielle Geschichten und Biofeedbacktraining ebnen den Weg zu diesem besonderen Zustand der verengten, stark fokussierten Aufmerksamkeit, der Entspannung und Wohlbefinden ermöglicht. Kinder sind nicht nur höchst suggestibel, sondern ihnen sind diese veränderten Bewusstseinszustände auch nicht so fremd wie uns Erwachsenen. Sie versinken auch im Spiel, bei Geschichten, Liedern und Tänzen ganz ungezwungen in andere Gefühlswelten. ◉ Visuelles und sensorisches Feedback hilft Kindern und Jugendlichen, ihre somatische Wahrnehmung zu beschleunigen und damit ihren Schmerz zu beeinflussen. Externes Feedback kann von den Patienten in „internales“ Feedback in Zusammenhang mit Visualisierung und Imagination transferiert werden. ◉ Die Resultate ergeben sich nicht allein durch die Veränderung der psychophysiologischen Parameter, sondern durch die Integration in ein therapeutisches Konzept und Generalisierung. ◉ Kinder und Jugendliche akzeptieren gerne Biofeedback. Es unterstützt ihre Interessen, vermittelt Kontrolle und stärkt den Selbstwert. Dadurch reduzieren sich Angst und Hilflosigkeit. Im therapeutischen Schmerzmanagement spielen drei wesentliche Schritte zusammen: ◉ Biofeedbacktraining zur Steigerung der Wahrnehmung, des Verständnisses und der Akzeptanz der Krankheit und zum Erlernen spezifischer Entspan-
Biofeedback im Schmerzmanagement
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nungstechniken. Diese stärken das Gefühl der Selbstkontrolle und ermöglichen den Ausstieg aus der Hilflosigkeit und dem Ausgeliefertsein. ◉ Imagination und Visualisierung in Form von Geschichten und Phantasiereisen, um physiologische Veränderungen herbeizuführen und den Entspannungseffekt zu vertiefen und zu internalisieren. ◉ Reframing, kognititive Umstrukturierung in Bezug auf das tägliche Management des Problems. Die Therapieschritte sind hierarchisch aufgebaut und unterstützen die Patienten in vier Prozessschritten: 1. Wahrnehmen und Erkennen 2. Erlernen von Kontrollmechnismen 3. Internalisierung 4. Integration in den Alltag und Generalisierung
Wahrnehmen und Erkennen
Der erste Schritt ist das Erzeugen von Verständnis für Body-Mind-Verknüpfungen. Das Feedback zeigt die psychophysiologischen Reaktionen auf Emotionen, Gedanken und Gefühle auf.
Erlernen von Kontrollmechanismen
Der zweite Schritt ist das Erlernen von Kontrollmechanismen mit einem starken Fokus auf die jeweils spezifisch benötigte Technik, wie z. B. Reduktion von Spannung bestimmter Muskelgruppen, Herzratenvariabilitätstraining zur Angstreduktion, Handerwärmungstraining, Erregungskontrolle, Visualisierung, Imagination etc.
Internalisierung
Der dritte Schritt ist die Internalisierung der erlernten Technik. Therapeutische Geschichten, Imagination und Visualisierung unterstützen hierbei den Prozess und festigen Selbstregulations- und Selbsthypnosetechniken.
Integration und Generalisierung
Der schwierigste Schritt ist die Integration in den Alltag der Kinder und Jugendlichen. All die gelernten Techniken müssen in den individuellen Fähigkeitskatalog integriert werden, um jederzeit abrufbar und anwendbar zu sein. Erst dann ist der Transfer in den Alltag gewährleistet.
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Biofeedback im Schmerzmanagement
Entspannungsmethoden und Biofeedback bei kindlichem Kopfschmerz Licia Grazzi, Frank Andrasik, Susanna Usai
Kopfschmerzen sind eines der bekanntesten Leiden von Kindern und Jugendlichen in den industrialisierten Ländern. Studien sprechen von einer Verbreitung von ca. 8–60 % (Bille B, 1981). Diese breite Streuung basiert auf den verschiedenartigen epidemiologischen Studien und auf heterogenen Klassifikationen, die bis zur IHS-Klassifikation 1988 durchgeführt wurden. Über 40 % der Migräniker leiden unter ihrem Zustand vor dem 18. Lebensjahr (Bille B, 1981). Aufgrund mangelnder diagnostischer Kriterien und fehlender repräsentativer Studien vor 1988 ist das berichtete Vorkommen jugendlicher Kopfschmerzen so groß. Erst die Publikation der Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft IHS 1988 machte eine genaue Diagnose der verschiedenen Kopfschmerzformen möglich. Dabei wurden die diagnostischen Kriterien der Erwachsenen auch für die Kinder übernommen. Seit dieser Zeit wurden zahlreiche Studien über Kopfschmerz von Kindern und Jugendlichen publiziert. Für den klinischen Bereich ist kindlicher Kopfschmerz von großem Interesse, weil die auslösenden Faktoren leichter zu erheben sind als bei älteren Menschen. Ihre klinische Historie ist erheblich kürzer, es sind weniger Komorbiditäten vorhanden und sie werden weniger von neuronalen Veränderungsprozessen begleitet. Auch die so genannte Schmerzpersönlichkeit ist noch nicht so stark ausgebildet wie beim Erwachsenen. In den letzten Jahrzehnten wurden die diagnostischen Probleme von juvenilen Kopfschmerzen auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Die Anwendung der IHSKlassifikation von 1988 auf die Diagnose von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen ließ eine Lücke offen, die von der überarbeiteten Klassifikation im Absatz 1.1 (Migräne ohne Aura) berücksichtigt wurde. Es wurden spezifische Charakteristika der besonderen Altersgruppe einbezogen. Die Migräne kann weniger als 72 Stunden dauern, der Schmerz muss nicht nur unilateral sein (wie bei Erwachsenen) und Phono- und Photophobia muss nicht immer präsent sein. Im Gegensatz dazu scheinen die Diagnosekriterien für Erwachsene für Migräne mit Aura und Spannungskopfschmerzen für Kinder auch gültig zu sein. Das Gebiet der klinischen Entwicklung der Kopfschmerzen von Kindern ist von großem Interesse. Es ist bekannt, dass Kinder, die unter Kopfschmerzen leiden, Perioden aufweisen, die mehrere Monate oder Jahren dauern können, in denen sie keine Schmerzattacken haben; meistens gilt das für Spannungskopfschmerzen (Larsson B, 2002). Bekannt ist auch, dass Migräne sich in Spannungskopfschmerzen und umgekehrt umwandeln kann; es können diese beiden Formen auch nebeneinander bestehen, wenigstens in der Anfangsphase. Diese Komplikationen machen eine Diagnose schwierig und können auch die Therapie beeinflussen. Die Hauptkategorien für kindlichen Kopfschmerz sind Migräne mit und ohne Aura, Spannungskopfschmerzen und, aber eher selten, Clusterkopfschmerzen. Chronische Kopfschmerzen bei Kindern wurden erst in jüngster Zeit erkannt (Bigal ME et al., 2004). Obwohl aus den IHS-Kriterien ein umfassendes Rationale
Entspannungsmethoden und Biofeedback bei kindlichem Kopfschmerz
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und ein anerkannter Diagnoseführer erstellt wurden, bleibt es doch immer noch sehr wichtig, eine umfassende Krankengeschichte zu erfassen. Einerseits, um die größtmögliche Wahrscheinlichkeit für eine korrekte Diagnose und damit eine effiziente Therapie zu erreichen und andererseits, um alle Triggerfaktoren für das Entstehen der Kopfschmerzen, wie z. B. Schlafwandeln, Diätmuster, Lebensstil und familiäre oder schulische Probleme, zu erfassen (Powers SW et al., 2005). Die Behandlungsmöglichkeiten für die verschiedenen Formen von kindlichen Kopfschmerzen waren Anlass für zahlreiche Diskussionen. Die Kinder erhalten dieselben Medikamente wie die Erwachsenen, allerdings in einer reduzierten Dosis. In den letzten Jahren hat sich als Alternative zu den Medikamenten vor allem die Verhaltenstherapie, und hier vornehmlich Biofeedbacktraining, etabliert. Die Wirksamkeit dieser Methoden wurde durch zahlreiche kontrollierte Studien und Langzeitstudien bewiesen (Andrasik F et al., 2002).
Nichtmedikamentöse Behandlungsansätze Die Verhaltenstherapie, im Besonderen Entspannungstechniken und Biofeedback, haben in Meta-Analysen von Langzeitstudien und kontrollierten Studien ihre Effizienz in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Kopfschmerzen bewiesen. Biofeedback für Kinder mit Kopfschmerzen wurde in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts eingeführt und ist der verhaltenstherapeutische Ansatz mit den meisten Studien (Andrasik F et al., 2002). Im Biofeedbacktraining werden biologische Prozesse, die als außerhalb der willentlichen Kontrolle angesehen werden, wie die Herzrate, Muskelspannung und Körpertemperatur, aufgezeichnet und in Realzeit dem Patienten rückgemeldet. Im Fall der Migräne lernt der Patient seine periphere Temperatur zu kontrollieren (sie wird an den Fingerspitzen gemessen). Während der Migräneattacke sinkt die periphere Temperatur durch die periphere Vasokonstriktion. Der Patient lernt durch Entspannung eine periphere Vasodilatation zu erzeugen und die Temperatur zu erhöhen. Dieser Prozess ist normalerweise von einer Reduktion der Intensität der Kopfschmerzen begleitet. Spannungskopfschmerzen unterscheiden sich von Migräne. Sie sind begleitet von einer ansteigenden Spannung in der Kopf- und Nackenmuskulatur in Zusammenhang mit Angst oder Stress. Lernt der Patient, seine Spannung durch Biofeedback zu senken, verringert sich der Schmerz. Bei Spannungskopfschmerzen wird das Elektromyographie-Biofeedback (EMG) angewendet. Kinder lernen sehr schnell, ihre Kopf- und Nackenmuskulatur zu entspannen. Klinische Langzeit-Follow-up(1–3 Jahre) und kontrollierte Studien haben die Wirksamkeit dieses verhaltenstherapeutischen Ansatzes bestätigt (Larsson B, 2002; Powers SW et al., 2005). Temperaturfeedback und Entspannungstraining brachten eine Verbesserung von 80 %. Gehen wir davon aus, dass diese Therapie frei von Nebenwirkungen ist, können
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Biofeedback im Schmerzmanagement
wir sie für Kinder und Jugendliche nur empfehlen. Seit kurzem haben sich auch Techniken etabliert, bei denen den Patienten Entspannungsübungen auf Tonbandkassetten mit nach Hause gegeben werden. Auch dieses „limited-contact“Programm war sehr erfolgreich in der Therapie von kindlichen Kopfschmerzen (Andrasik F et al., 2003). Wir begannen vor 15 Jahren Biofeedback und Entspannungstraining in unserem Kopfschmerzcenter in Italien für verschiedene Formen des kindlichen Kopfschmerzes zu verwenden, besonders aber für Spannungskopfschmerzen. Das ursprüngliche Protokoll, das wir verwendeten, bestand aus zwölf Sitzungen, zweimal pro Woche, jede mit einer Dauer von 30 Minuten. Die Sitzungen 1–4 waren dem Training der progressiven Muskelentspannung gewidmet, während die Sitzungen 5–12 sich auf das EMG-Feedback konzentrierten. Sie dauerten je 30 Minuten. Rückgemeldet wurde die Spannung der Stirn (Frontalis). Bei jeder Sitzung wurde auch mit dem Patienten das Kopfschmerztagebuch besprochen. Schrittweise wurde dann das Protokoll verändert. Zuerst wurden die Sitzungen auf acht und auf einmal pro Woche reduziert, dann auf vier Entspannungsübungen und vier EMG-Biofeedbacksitzungen. Den Patienten wurden auch Kassetten für die tägliche Praxis mit nach Hause gegeben. Dann wurde das „limited-contact“-Programm eingeführt: nur vier Einheiten Entspannungstraining zu 30 Minuten. Es wurde die progressive Muskelentspannung für acht Muskelgruppen geübt (einmal pro Woche) und Kassetten als Hausübung mitgegeben. Die Patienten wurden in kleine Gruppen eingeteilt, die ungefähr das gleiche Alter und dieselben klinischen Voraussetzungen aufwiesen, um die klinischen Ergebnisse zu festigen. Dieses Programm erzielte signifikante Ergebnisse im Langzeit-Follow-Up (Andrasik F et al., 2003). Die Therapieauswahl für Kinder mit Kopfschmerzen erfordert große Sorgfalt. Es ist sehr wichtig, die Eltern davon zu überzeugen, dass die Therapiebedingungen gut sind (Lewis DW et al., 1996). Die Eltern sollten auch über Lebensstilveränderungen informiert werden, da sie einen erheblichen Einfluss auf den Behandlungserfolg haben (Powers SW et al., 2005). Bei häufig auftretenden und intensiven Kopfschmerzen kann die Gabe einer medikamentösen Prophylaxe sinnvoll sein. Sie schließt aber eine verhaltenstherapeutische Therapie nicht aus. Die Therapie sollte immer maßgeschneidert an die Bedürfnisse und Charakteristika des Patienten angepasst sein sowie periodenweise überprüft und neu angepasst werden, wenn es nötig ist.
Biofeedback und Geschichten zur Operationsvorsorge und im Krankenhaus
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Biofeedback und Geschichten zur Operationsvorsorge und im Krankenhaus Operationen, chronische Krankheiten und Schmerzen belasten jede Kinderseele. Wenn Kinder leiden, schmerzt es auch uns. Sie fühlen sich hilflos ausgeliefert, und auch die Angst der Eltern um ihr Wohlbefinden spüren die kleinen Patienten. Geschichten können Selbstregulationsmechanismen unterstützen, und zwar bei der Vorbereitung von chirurgischen Eingriffen, aber auch bei der Bewältigung von Schmerzen. Schmerzmanagement für Kinder passt in jeden Rahmen. Ärzte, Pflegepersonal und Eltern können dabei helfen. Jeder Schmerz, jedes Leid hat immer zwei Seiten: ◉ die ursächliche Krankheit, das körperliche Problem ◉ die psychische, mentale Belastung Immer mehr rückt die Bewältigung psychischer Belastungen bei Krankheiten in den Vordergrund des Interesses. Wie aus mehreren neueren Studien hervorgeht, haben ausgeglichene Patienten mehr Compliance, weniger Komplikationen, eine bessere Wundheilung. Es stellt sich die Frage, wie Kindern und ihren Eltern geholfen werden kann, mit dieser belastenden Situation besser umzugehen. Geschichten waren und sind immer schon ein besonderes Medium gewesen. Sie bezaubern, helfen, unterstützen, vermitteln Einsicht und sind in therapeutischen Prozessen nicht wegzudenken. Therapeutische Geschichten, verpackt in Visualisierungen, Imaginationen und Fantasiereisen helfen Patienten (Kindern und Erwachsenen), Angst, Stress und Hilflosigkeit zu meistern. Sie geben ihnen die Möglichkeit, selbst etwas beizutragen, aktiv mit Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonen zusammenzuarbeiten. Selbstregulationstechniken wie Entspannungsstrategien, Selbsthypnose und Biofeedback leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung von akutem, wiederkehrendem oder chronischem Schmerz. Kinder verstehen noch nicht den Zusammenhang von psychophysiologischen Prozessen, deshalb ist es notwendig, die Techniken und Strategien altersentsprechend zu lehren. Visualisierungen, Imaginationen, Fantasiereisen, verpackt in passende Geschichten, und Biofeedback (durch computergerechte Animation) sind hilfreiche Werkzeuge dabei. Kinder im Volksschulalter sind besonders aufnahmefähig dafür. Sie besitzen noch einen sehr guten Zugang zu ihrem Körper und können gelernte Techniken schnell umsetzen. Aber auch Jugendliche (und manchmal auch Erwachsene) lassen sich gerne damit helfen, besonders in Ausnahmesituationen (bei der Blutabnahme, beim Impfen, beim Zahnarzt uvm.).
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Biofeedback im Schmerzmanagement
Schwierigkeiten, die zu meistern sind Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, durch kleine Geschichten die Situation zu verbessern, zu entstressen, die Angst zu nehmen und das Gefühl der Hilflosigkeit zu verringern. Welches sind die Probleme, die zu meistern sind? ◉ ◉ ◉ ◉
Stress – Angst Hilflosigkeit – Selbstwert Schmerz Schuld, Scham
Stress und Angst Eine akute Verletzung, eine bevorstehende Operation, ein Spitalsaufenthalt und/ oder Schmerzen sind außergewöhnliche Situationen. Sie verursachen Stress und Angst. Davon sind nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern betroffen. Die Folge davon sind Überreaktionen, Überanspannung (auch als Schutzmechanismus, siehe auch das Kapitel Dysponesis) und Nervosität. Stress hat nicht nur Auswirkungen auf die aktuelle Situation, sondern auf das gesamte Immunsystem, er verzögert die Wundheilung und kann zu Komplikationen im Heilungsprozess führen. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Stress die Wundheilung und Schließung der Wunde bis zu 80 % der Zeit verzögern kann. Dr. Kiecolt-Glaser konnte nachweisen, dass bei einer Hepatitis-B-Impfung eine Wirkungsverzögerung von bis zu 30 Tagen eintrat, hervorgerufen durch Stress. Da jede chirurgische Intervention immer mit einem Stress- und Angstfaktor verbunden ist, macht es durchaus Sinn, schon präoperativ eine therapeutische Intervention im Rahmen eines aktiven Stressmanagements und einer Schulung von Bewältigungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Es könnten damit ein intensiveres integratives Zusammenspiel zwischen Patienten, Ärzten, Therapeuten, Pflegepersonen und Angehörigen im Sinne einer Body-Mind-Medicine sowie eine bessere Compliance erzielt werden. Stress und Angst lösen die Kampf- und Fluchtreaktion aus. Der Körper ist auf Überleben geschaltet und klaren, vernünftigen Überlegungen nicht mehr zugänglich. Ist das individuelle Toleranzniveau für Belastung erreicht, äußert sich das bei Kindern in aggressiven Handlungen (schlagen, beißen, Abwehrhaltung, Widerstand gegen Behandlungen, Überanspannung), lautem Schreien oder Apathie. Eine Flut von Stresshormonen überschwemmt den Körper. Immun-, Hormon- und Nervensystem laufen auf Hochtouren. Angst blockiert, verspannt, verringert die Schmerztoleranz und löst eine Bereitstellungsreaktion aus. Wer in Panik ist, hat nur eine negative Sichtweise vor sich, keine Lösungsmöglichkeiten,
Biofeedback und Geschichten zur Operationsvorsorge und im Krankenhaus
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keinen Blick in die Zukunft. Es ist, als ob man in einer Art Angststarre verharren würde. Die Angst vor einer Operation ist oft so groß, dass an ein Danach gar nicht gedacht werden kann. Um die Selbstheilungsmechanismen des Körpers anzuschalten, bedarf es aber eines dynamischen Prozesses, der auch die Wundheilung mit einschließt. Könnte man bereits präoperativ therapeutisch mit den Patienten arbeiten, würde man sie darauf vorbereiten, sich von dem kranken Organ zu verabschieden, den Körper bereit zur Operation zu machen, so dass sie ohne Komplikationen verlaufen kann; vor allem aber könnte der Therapeut Techniken lehren, wie die Patienten nach dem Eingriff ihren Körper unterstützen können, damit die Wundheilung schneller in Gang gesetzt wird. Ein entspannter Organismus kann sich dem Gesundwerden besser widmen. Biofeedback, Imaginationen und Visualisierungen eignen sich hier hervorragend. Das Ziel dieser Vorbereitung ist das Reduzieren von Angst, das aktive Heraustreten aus Panik und Blockierung und das Aktivieren eines dynamischen Prozesses, der zu einem Großteil in der psychischen Verarbeitung und Verantwortung des Patienten (und seiner Eltern) liegt. Die Kraft der inneren Einstellung kann Heilungsprozesse unterstützen oder blockieren. Einmal erlernte Techniken und Strategien sind Fertigkeiten, die sich als individuelle Fähigkeiten etablieren. Sie bleiben ein Leben lang erhalten und können den Menschen in vielerlei Hinsicht von Nutzen sein. Kinder erlernen Selbstregulationstechniken nicht nur viel schneller als Erwachsene, sie nehmen sie auch schneller in ihr Repertoire der Fähigkeiten auf und setzen sie bei Bedarf ein. In einer Langzeitstudie wurden Kinder zehn Jahre nach ihren Krebsleiden befragt, was ihnen während ihres Spitalsaufenthaltes am meisten geholfen habe, mit den Schmerzen und der Angst fertig zu werden. Übereinstimmend wurden dabei Selbstregulationstechniken, die tiefe Zwerchfellatmung und spezielle Entspannungstechniken genannt. Leora Kuttler, Professorin an der Universität von Vancouver, bezeichnet diese Techniken auch als entscheidende Hilfe für Kinder und Jugendliche, die am Ende ihres Lebens ankommen. Sie war es auch, die mich vor Jahren durch ihren hinreißenden Vortrag über ihre Arbeit mit krebskranken Kindern überzeugt hat, dass hier noch viel getan werden kann, um das Leid der Kinder zu lindern. Und es sind nicht immer die großen Dinge im Leben, die helfen können – eine kleine Geschichte tut’s auch!
Hilflosigkeit, Schuld, Schmerz Selbstregulationstechniken geben den Kindern eine aktive Rolle, unterstützen Selbstvertrauen und Selbstwert. Sie können damit dem Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins etwas entgegensetzen, sind eingebunden in ihre Therapie und Heilung. Viele Kinder entwickeln durch eine frühe Schmerzerfahrung oder durch eine chronische Krankheit eine antizipatorische Angst vor ärztlichen Untersuchungen
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Biofeedback im Schmerzmanagement
und Interventionen. Im Schmerzmanagement-Training lernen sie, wie sie mit dieser speziellen Angst fertig werden können (z. B. Nadelphobie). Geübt werden kann auch zuhause mit den Eltern im Trockentraining mit der Lieblingspuppe. Nicht selten tragen die kleinen Patienten auch ein Schuld- oder Schamgefühl mit sich herum. Es beunruhigt sie, dass sie den Eltern Sorgen machen, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist. Ein Hauptaugenmerk in der Arbeit mit Kindern liegt darauf, die Krankheit als etwas Separates darzustellen; als etwas, das gemanagt werden kann, an dem sie nicht schuld sind. Das Kind hat eine Krankheit, aber das Kind ist nicht die Krankheit!
Die Geschichten
Kinder lernen gerne durch Geschichten. Ihr Organismus besitzt einen erheblichen Vorrat an Ressourcen und Selbstheilungsmechanismen, die durch Visualisierungen, Imaginationen, Entspannungs- und Fantasiegeschichten gestärkt werden. Besondere Themen sind: ◉ ◉ ◉ ◉
Schmerzgeschichten Entspannungsgeschichten Fantasiereisen mit dem inneren guten Freund Visualisierung und Handlungsstrategien bei bevorstehenden chirurgischen Interventionen und Nachbehandlungen
Was macht die Geschichten so besonders?
◉ In den Geschichten bekommt die Krankheit, das Leid, der Schmerz einen Namen, einen Körper, ein Gesicht und wird je nachdem als Freund oder Feind dargestellt. Dieser repräsentiert eine Figur, mit der man es aufnehmen kann, die man bekämpfen oder lieben kann. Wesentlich ist, dass sich die Kinder mit diesem Teil ihres Körpers auseinander setzen, eine Beziehung aufbauen können. „Mach deinen Feind zum Freund“ ist das Motto. Bei Kindern mit Migräne ist es das Kopfschmerzmonster „Bad Fred“, nervöse Kinder haben meistens einen „Nervösi“ usw. Es gibt auch den kleinen Schreiteufel, den Neinsager uvm. Kinder wissen gerne, mit wem sie es zu tun haben. Das Kind sieht sich selbst auf diese Weise als gesund. Die Krankheit wird dann zu einem Lebensteil, mit dem sie umgehen lernen, für den sie Hilfestrategien entwickeln können. Begleitet werden die Kinder immer von ihren inneren Freunden oder Helfern. ◉ Jede Geschichte enthält eine therapeutische Vorgabe, den Rest darf das Kind mitgestalten, seine eigene Geschichte erzählen. Die Inhalte werden so besser verinnerlicht. Sie können auch kreativ dargestellt werden, gezeichnet, model-
Biofeedback und Geschichten zur Operationsvorsorge und im Krankenhaus
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liert etc. Die Kinder steigen aktiv in einen Prozess ein, lernen, sich von der Krankheit, vom Schmerz zu distanzieren und Hilfen zur Bewältigung anzunehmen. ◉ Alle Geschichten bauen auf einer Atemübung auf. Die Atembalance ist Hauptträger der Entspannung, sie reguliert das sympathische und parasympathische Nervensystem.
Visualisierung – Imagination – Fantasie
Der Unterschied zwischen einer Visualisierung und einer Imagination liegt darin, dass die Visualisierung einen bestimmten Prozess beinhaltet, der in großen Zügen vorgegeben ist (z. B. Sonnenschiffchenübung). Bei einer Imagination dürfen die eigene Fantasie, die eigenen inneren Bilder sprechen. Eine Fantasiereise kann mithelfen, aus der aktuellen Situation für eine Weile auszusteigen, z. B. durch das Wegbeamen auf einen anderen Planeten. Visualisierung und Imagination können auch gemeinsam in den Geschichten ihren Platz finden. Wichtig ist es, möglichst viel der Fantasie des Kindes zu überlassen und keine zu rigiden Vorgaben zu machen.
Die Helden der Geschichten: Happy Smilo, Bad Fred & Co
In den Geschichten gibt es Kernfiguren, die die Kinder immer wieder begleiten. Die wichtigste Figur ist die positive Gestalt des „Happy Smilo“. Er gilt als guter Freund oder Freundin, die das Kind begleitet und beschützt. Manche Kinder sehen in ihm auch einen Schutzengel. Es gibt noch viele kleine Helfer, wie z. B. Heinzelmännchen, die dem Körper helfen, gesund zu werden. (Es werden dadurch innere Ressourcen geweckt, die in uns schlummern. In der wertorientierten Imagination nach Böschemeyer, die sowohl für die Persönlichkeitsbildung als auch in der Psychotherapie ihren Platz gefunden hat, wird sehr erfolgreich mit der Personifizierung der inneren Ressourcen gearbeitet). Die Helden: „Ali, der Paradiesvogel“ hat sich sehr bewährt. Seine langen, kräftigen Flügelschläge symbolisieren eine tiefe Zwerchfellatmung. Er geht gerne auf Reisen und entführt die Kinder in wunderschöne Traumländer. Die „Schmerzblume“ findet bei vielen Kindern besonderen Anklang. Sie nimmt den Schmerz und man kann sich herrlich in ihrem Blütenkelch ausruhen. „Colori, die Relaxfarbe“ bringt eine dynamische Entspannung im ganzen Körper, wenn sie sich von den Zehen beginnend den Körper hinauftastet. Sie breitet eine Wolke der Entspannung und Wärme im Organismus aus.
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Biofeedback im Schmerzmanagement
Der magische Handschuh und der Luftballon: Hilfe in der Krise Als besonders bewährt gilt der magische Handschuh, der vor einer Blutabnahme imaginativ übergestreift, bis zum Oberarm hochgezogen und dann vom Patienten dort festgehalten wird, bis die Prozedur vorbei ist. Diese Technik wird in Vancouver mit Kindern und Eltern eingeübt, die chronische Krankheiten haben und sehr oft gestochen werden müssen. Impfen, wenn das Kind in einen Luftballon oder Seifenblasen bläst, ein Mobile mit seinem Atem bewegt, löst die verspannte Muskulatur und lenkt ab. Am besten ist es, wenn alle Beteiligten mitatmen. Ausatmen entspannt die Muskulatur, löst die Angstspannung. Die kleinen Geschichten haben nicht nur eine große Wirkung, sie lassen sich an jede Situation anpassen und bieten dem Kind Hilfe zur Selbsthilfe. Das Gefühl, selbst aktiv etwas für sein Wohlbefinden und gegen Schmerzen tun zu können, stärkt den Selbstwert, vermindert die Angst und das Hilflosigkeitsgefühl und dadurch auch die Anspannung als Schutz- oder Abwehrmechanismus (Dysponesis). Unser Geist, unsere Energie folgt unserer Aufmerksamkeit – wenn die Angst und der Schmerz auf Reisen gehen, kann Ruhe eintreten, für eine bestimmte Zeit, in einem bestimmten Ausmaß. In Kombination mit einem individuellen Biofeedbacktraining bieten die Geschichten den Kindern eine kraftvolle Ressourcenquelle, aus der sie ein Leben lang schöpfen können.
Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Spannungskopfschmerzen und Migräne stehen in engem Zusammenhang mit Verspannung und Anspannung, Angst, einem höheren Aktivierungsniveau, mangelnder oder fehlender Erregungskontrolle und erhöhter Sensibilität des autonomen Nervensystems (im Speziellen des Sympathikus). Die Schmerzen sind Ausdruck einer Überbeanspruchung, sei es des Nervensystems durch Überreizung und steigende Sensibilität, sei es der Verspannung der Muskulatur und/oder Verkrampfung des Gefäßsystems. In der Biofeedback-Therapie gibt es zwei Möglichkeiten der therapeutischen Interventionen, nämlich ein Training für den Akutfall und ein Trainingsprogramm zur Prävention und allgemeinen Spannungsreduktion: ◉ Akutfall: Vasokonstriktionstraining für Migräniker ◉ Präventives Training ◉ zur Senkung des allgemeinen Erregungsniveaus und zur Kontrolle der psychischen und physischen Auslösefaktoren mit dem Ziel der allgemeinen Reduktion der Anfallshäufigkeit und -intensität ◉ EMG – Muskelentspannungstraining, Wahrnehmungsschulung von Spannung und Entspannung Betrachtet man ganzheitlich die Auslösefaktoren des Schmerzes, nämlich das Erreichen der individuellen maximalen Erregungsbelastbarkeit durch Belastung, Stress, Anstrengung und die darauf folgende Reaktion des Körpers mit Schmerz, eignen sich beide Therapiemöglichkeiten zur Intervention. Beim Symptom Spannungskopfschmerz tritt eine Verkrampfung der Muskulatur mit oder ohne Verengung des Gefäßsystems ein. Beim Symptom Migräne überdehnt im Akutanfall die Schläfenarterie und erzeugt dadurch die Beschwerden. Im Vorfeld der Attacke zeigt sich bei den Kindern eine messbare Steigung der Erregung (Hautleitwert), die auch noch bis nach der Attacke anhalten kann.
Vasokonstriktionstraining im Akutfall Im Vasokonstriktionstraining erlernt der Klient/Patient die Konstriktion der überdehnten Schläfenarterie. Dies wird über die Pulsamplitude rückgemeldet, deren Sensor über die Arterie geklebt wird. Im Verlauf des Trainings wird sowohl die Verengung als auch die Vasodilatation (Erweiterung) geübt. Das Ziel ist, eine Überdehnung der Arterie im Vorfeld einer Attacke zu verhindern und/oder im Akutfall der bereits erfolgten Überdehnung entgegenzuwirken. Meine praktischen Erfahrungen mit dieser Methode sind, dass das Erlernen der Kontrolle für manche Patienten/Klienten nicht sehr einfach ist, da die Verengung durch Imagination oder Visualisierung erfolgt, diese Techniken allein aber oft nicht zum gewünschten Erfolg führen. Während zur Erreichung einer allgemeinen Entspannung genaue Anregungen und Techniken zur Verfügung stehen,
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 9. Vasokonstriktionstraining. Diese Abbildung zeigt einen Trainingsbildschirm und den Sensor der Firma Insight Instruments
gilt es beim Vasokonstriktionstraining selbst eine Strategie zu erfinden. Das macht es für bestimmte Patienten/Klienten schwierig und kann zu einer Ablehnung der Therapie durch Frustration führen. Ich empfehle, diese Methode anzubieten, aber nicht ausschließlich als therapeutisches Mittel einzusetzen.
Abb. 10. Vasokonstriktionstraining. Diese Abbildung zeigt einen Trainingsbildschirm der Firma Mind Media. Rückgemeldet wird die Pulsamplitude. Das Ziel ist es, die Arterie zu verengen und die beiden Balken zusammenzuschieben
ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie
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ASTI ® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie Das Ziel dieses Trainingsprogramms ist es, die Anfallshäufigkeit und die Schmerzintensität dauerhaft zu verringern. Es ist ein aktives Training, das zwar Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt stellt, aber auch ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten betrifft und mit einschließt. Die Erwachsenen fungieren als Coach, die den Übungsplan organisieren und für den Transfer in den Alltag die Verantwortung übernehmen müssen. Aus meiner Erfahrung heraus sind die kleinen Patienten erst ab einem Alter von ca. 12–14 Jahren in der Lage, ihr Training eigenständig zu bewältigen. Die Anzahl der Sitzungen ist mit 10–12 und einem Follow-up-Termin begrenzt. Zum einen, weil Biofeedback als Hilfsmittel zum Erlernen von Techniken gesehen werden soll und nicht als Langzeittherapie und zum anderen, weil durch die teilweise Nichtübernahme der Kosten durch die Krankenkassen eine monetäre Einschränkung durch die finanzielle Leistbarkeit der Eltern vorliegt. In Österreich sind mir folgende Versicherungen bekannt, die einen Zuschuss im Rahmen der privaten Krankenvorsorge/Arztkosten leisten: Die Merkur, die Uniqa und die Wr. Städtische. Weiters können Eltern durch Inanspruchnahme eines für den jeweiligen speziellen Symptomenkreis passenden Therapeuten (Psycho-, Physio-, Ergotherapeut, Logopäde) mit einer dementsprechenden Verordnung und Bewilligung durch die Krankenkasse eine prozentuelle Rückvergütung beantragen. Inhalt des Programms Die in den Anfangskapiteln des Buches beschriebenen vier Prozesse Wahrnehmen – Erkennen – Verstehen – Verändern werden in speziellen Übungen auf drei Ebenen geschult: ◉ somatische Ebene ◉ psychisch-emotionale Ebene und ◉ Verhaltensebene Die Rolle des Biofeedbacks dabei ist: ◉ Atemtraining und Regeneration ◉ differenziertes Wahrnehmungstraining (EMG, SCL …) ◉ Modifizierung des individuellen Aktivierungsniveaus: Kontrolle und Reduktion der Erregung und der Körperspannung, Angstreduktion ◉ Schulung der Selbst- und Schmerzkontrolle, Stärkung des Selbstkonzeptes ◉ Schulung konzentrierter Aufmerksamkeit, Flow ◉ innere Ruhe Alle Übungen bauen aufeinander auf und sind auf ein ganzheitliches Erleben gerichtet. Biofeedbacktraining für Kinder ist anders als für Erwachsene. Kinder sind einerseits suggestibler, was eine besondere Verantwortung für den Therapeuten
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
darstellt, und andererseits ursprünglicher und phantasiebegabter. Für das Training bedeutet das, dass Inhalte und Feedback kindgerecht gestaltet sein müssen, um die gewünschten therapeutischen Fortschritte erzielen zu können. Im ASTI® THKinder-Konzept verwende ich als Ergänzung des Biofeedbacktrainings hilfreiche Begleiter und Geschichten, auf die ich bei den einzelnen Trainingsmodulen näher eingehen werde.
Modul 1 – Anamnese und Biofeedbacktest Im Modul 1 finden das Erstgespräch und die Anamnese statt. Unbedingt erforderlich ist eine ärztliche Abklärung der Kopfschmerzen. Sollte diese noch nicht vorliegen, überweisen Sie das Kind zum Kinderarzt oder Neurologen und zum Augenarzt (Prismenfehlsichtigkeit: das ist eine Spezialuntersuchung, die nur von dafür spezialisierten Augenärzten vorgenommen werden kann) zur Abklärung. Allgemeine Anamnese ◉ psychologischer/ärztlicher Befund ◉ Familiengeschichte ◉ Krankheits-/Beschwerdeverlauf ◉ Persönlichkeitsmerkmale Patient (Beobachtung, Befragung, Tests): introvertiert – extrovertiert Lernstil Verhalten Elterliches Umfeld ◉ Interaktion: Eltern – Kind Pubertätskonflikte Leistungsdruck Überforderung schulisch/privat (durch zu viele Aktivitäten am Nachmittag) Schulisches Umfeld ◉ Teilleistungsprobleme ◉ Lernprobleme ◉ Lehrerkonflikte Biofeedback ◉ Baseline: 3–10 Minuten ◉ Stress- und Regenerationstest
ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie
Während der Baseline-Messung werden die einzelnen Parameter erklärt. Die Kinder sind immer sehr begeistert vom Feedback und probieren gerne aus, wie sie verschiedene Graphen beeinflussen können, z. B. wie sich die Atemkurve durch schnelles Atmen oder Luftanhalten verändert. Während sich die kleinen Patienten mit dem Biofeedback vertraut machen, werden den mitkommenden Erwachsenen die Grundzüge des Trainings erklärt. Als Therapeut sollten Sie auf die Anfangswerte in der Baseline besonders achten, denn es kann sein, dass sich diese zu Beginn des nachfolgenden Tests ändern. Hier könnte eine wichtige Information über die Erwartungserregung liegen (ob bereits die Ankündigung, dass jetzt der Test beginnen wird, einen Anstieg der Werte nach sich zieht), aber auch, wie sich einzelne Werte über die Messzeit verändern. In der Baseline und im Test werden folgende Parameter gemessen und evaluiert: ◉ Zwei Hautleitwerte Differenz in den Skalen, unterschiedlicher Verlauf, Sensibilität ◉ Atemfrequenz Frequenz, Luftanhalten, flache Atmung ◉ Pulsfrequenz starke Schwankungen während des Tests, Reaktivität des Herz-KreislaufSystems ◉ Pulsamplitude (PA) Reaktion des Gefäßsystems ◉ Fingertemperatur Höhe und Verlauf ◉ Zusammenhang zwischen Pulsamplitude (PA) und Temperatur: Verlauf gleich, d. h. enge PA und geringe Temperatur, oder hohe Temperatur und enge PA Die Muskelspannung messe ich erst zu einem späteren Zeitpunkt in einem der folgenden Module, wenn die Vertrauensbasis mit dem Patienten bereits hergestellt ist. Das zusätzliche Kleben der EMG-Elektroden kann die Kinder in der ersten Sitzung überfordern. Je nachdem, welches Biofeedbackgerät (Multisensor) Sie verwenden, sind mehr oder weniger Sensoren anzulegen. Jüngere Patienten sind oft sehr unruhig und stellen daher hohe Anforderungen an den Therapeuten, um die Sensoren und Elektroden gut und haltbar zu platzieren. Je weniger Sensoren und Elektroden für die Erstmessung angelegt werden müssen, desto besser. Für die EMG-Messung ist auch mehr Intimität notwendig als für das Messen der anderen Parameter. Viele Kinder scheuen sich davor, in der ersten Stunde angefasst zu werden. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass die Muskelspannungsmessung auch in der zweiten oder dritten Stunde noch ausreichend gemessen werden kann, wenn das Kind sich an das Training gewöhnt hat.
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Die Bedeutung des Lernstiles für das Training
Die Art der Informationsverarbeitung ist für die Auswahl der Feedbackmodi immer dann sehr wichtig, wenn aus einem nicht erkennbaren Grund der Übungserfolg ausbleibt oder stagniert. Extrovertierte Patienten benötigen meist eine stärkere Abwechslung in den Feedbackmodi und sehr kurze Trainingssequenzen. Sie können die Aufmerksamkeit sonst nicht halten und verlieren die Lust am Training. Introvertierte, analytische Kinder haben es lieber beständig, nicht zuviel Abwechslung, nicht zu viele Rückmeldungen, sie mögen auch weniger oft ein akustisches Feedback. (Exkurs: Ich möchte hier auch auf Grinder [1995] verweisen, der eine sehr gute Einführung in die Lerntechnik, Informationsverarbeitung und Selbstkontrolle in Bezug auf Hirndominanzen gibt.) Die Bedeutung der Sprache und Wortwahl ist für die therapeutische Nutzung der Übungsgeschichten ebenso wesentlich wie in der Hypnose. Jüngere Kinder erleben ihre Welt noch ganzheitlich, vornehmlich kinästhetisch, während ältere Kinder und Jugendliche schon über entsprechend ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale (introvertiert, extrovertiert, visuell-analytisch, ganzheitlich usw.) verfügen, die in den Übungen durch eine besondere Gewichtung der Sprache berücksichtigt werden sollten.
Hausaufgabe für die Eltern und das Kind
In jedem Modul gibt es einen Hausaufgabenteil, der nicht nur ein kontinuierliches Training der Übungen enthält, sondern auch Beobachtungen, auszuarbeitende Geschichten oder Zeichnungen. Der tiefere Sinn liegt im Internalisieren und Generalisieren. Das gesamte Trainingsprogramm soll eine Veränderung im Lebensskript bewirken, hin zu mehr Ruhe, Achtsamkeit, Gelassenheit und Selbstkontrolle. Dazu ist es nötig, dass sich die Kinder (und ihre Eltern) so oft wie möglich mit der Problemlösung auseinandersetzen und die gelernten Techniken anwenden.
Schmerzmonster
Die erste Aufgabe ist die Personifizierung des Schmerzes. Das Erkennen des Feindes ist für die positive Entwicklung der Therapie unerlässlich. Kinder fühlen sich schutzlos, hilflos, aber auch schuldig, wenn sie Schmerzen haben. Wird dieser Schmerz als etwas identifiziert, das man auch loswerden kann, dann ist das für die kleinen Patienten eine große Erleichterung. Dazu wird der Schmerz dargestellt, mit einem Körper und einem Namen versehen. Aus dem Gefühl „ich bin eine Krankheit, ein einziger Schmerz“ wird ein Verursacher skizziert, lokalisiert und distanziert. Nicht alles ist Schmerz, sondern nur ein Teil, und diesen Teil können die Kinder betrachten und in Distanz dazu gehen. Diese Strategie gibt ihnen die Möglichkeit, aus der Hilflosigkeit hinauszutreten und aktiv eine Kontrollfunktion zu erlernen.
ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie
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1 Hausaufgabe 1 ◉ Personifizierung des Schmerzmonsters und Einstieg in die Therapie ◉ das Schmerz- und Trainingslogbuch ◉ Eltern als Coach
Personifizierung des Schmerzmonsters und Einstieg in die Therapie
Hilfreiche Fragen zum Schmerzmonster: ◉ Wie sieht denn dein Schmerzmonster aus? ◉ Wie fühlt es sich an? ◉ Kannst du genau beschreiben, welche Farbe es hat? ◉ Welchen Namen könnte es denn haben? ◉ Was würdest du sagen, wenn wir es schrumpfen lassen? Wenn du möchtest, dann erkläre ich dir, wenn du das nächste Mal kommst, wie man das macht – einverstanden? ◉ Würdest du mir dein Monster das nächste Mal mitbringen? ◉ Ich wünsche mir, dass du dein Bild ganz alleine malst. Lass dich dabei von niemandem stören – versprochen? Das Einverständnis der Patienten ist unerlässlich. Multimodales Biofeedback ist ein aktives Training, und ein guter Rapport zwischen Therapeut und Patient ist unbedingt notwendig. Besprechen Sie mit den Eltern, dass dieses Monster der Einstieg in die Therapiearbeit ist und keine Präsentation eines schönen Bildes. Es kommt immer wieder vor, dass die begleitenden Erwachsenen schon genau wissen, wie es denn aussehen soll. Erklären Sie, dass das Kind hier ganz seiner Vorstellung folgen muss und auch sein Ausdrucksmittel dazu wählen darf.
Das Schmerz- und Trainingslogbuch
Zu Beginn wird ein Trainings- und Schmerztagebuch eingeführt. Vermerkt werden neben Datum und Uhrzeit die Schmerzattacken, Medikamente und eventuelle Auslöser, später auch die Trainingsdauer des Handerwärmungstrainings und die dadurch ausgelösten Gefühle, Empfindungen und bemerkten physiologischen Veränderungen. Die Eltern werden gebeten, dieses Logbuch genau zu führen und auch eventuelle besondere Tagesabläufe zu vermerken, wie z. B. Feiern, sportliche Wettkämpfe, Schularbeiten, Prüfungen etc. Sie werden besonders darauf aufmerksam gemacht, dass es vor einer Migräneattacke zumeist zu Verhaltensänderungen kommen kann, wie z. B. Hypersensibilität, Lichtempfindlichkeit etc. Sie werden gebeten, darauf verstärkt zu achten und ihre Beobachtungen ebenfalls im Logbuch
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
zu vermerken. Besonderes Augenmerk wird auf die Einschränkungen im Tagesablauf durch die Kopfschmerzen gelegt, wie z. B. kein Schulbesuch (wobei vermerkt werden soll, ob es an diesem Tag Prüfungen oder Tests gibt) oder keine Teilnahme an Veranstaltungen etc.
Schmerzskala
Es kann auch eine tägliche Schmerzskala geführt werden. Auf einer Tabelle von 1 bis 10 wird das tägliche Schmerzempfinden eingetragen. Es obliegt dem jeweiligen Therapeuten, ob er dieses Ranking benützen will. Ich verwende es ungern, weil es die Fokussierung der Patienten auf den Schmerz verstärkt. Sinnvoller erscheint mir, die Aufmerksamkeit auf die schmerzfreien Stunden und das gute Gefühl nach den Übungen zu lenken.
Eltern als Coach
Die Verantwortung für die Durchführung des Programms, die täglichen Übungszeiten und Aufzeichnungen können die Eltern als Coaches übernehmen. Die kleinen Patienten mögen die Idee, dass sie einen Coach bekommen, sehr gerne. Die Schulung des Coaches übernimmt der Therapeut. Er achtet auch darauf, welcher Elternteil diese Rolle übernehmen kann und soll und ob es Spannungen zwischen den Familienmitgliedern gibt, die zu berücksichtigen sind.
Modul 2 – Einführung in das Atemtraining Schwerpunkt dieses Moduls ist die Atmung. Ziel ist es, die tiefe Bauchatmung wieder einzustellen. Patienten mit Ängsten und/oder Schlafproblemen zeigen bereits in jungen Jahren ein verändertes Atemmuster. Sie halten sehr oft die Luft an oder hyperventilieren in belastenden Momenten und zeigen in Ruhe eine sehr flache, schnelle Atmung. Behutsam wird die tiefe Zwerchfellatmung auch den begleitenden Erwachsenen erklärt, denn sie sollen ja als Coach die Durchführung des Programms leiten. Es macht auch durchaus Sinn, die Eltern am Biofeedbackgerät kurz üben zu lassen. Es ist besonders wichtig, dass den Coaches die Erfahrung vermittelt wird, dass es bei diesem Trainingsprogramm äußerst behutsam zugehen muss. Es soll nicht zu einem Leistungsdenken kommen, wie schnell und perfekt das Kind etwas lernt, sondern zu der Einsicht, dass dieses Training auch äußerst anstrengend sein kann und seine Zeit braucht. Dies ist mir besonders wichtig, denn ich erlebe es in meiner täglichen Praxis sehr oft, dass die Kinder einerseits schon komplett ausgebucht sind und fast keine freie Zeit mehr besitzen und andererseits auch schon zu einem Leistungs- und Wettkampfdenken erzogen werden, das auch die Trainingsfortschritte betrifft.
Uhrzeit
Dauer in Minuten
Temperatur vorher nachher
Wie geht es mir vor nach dem Training
MEIN LOGBUCH
Schmerzen/ Medikamente
Besondere Ereignisse Tests, Feste, Sport
Abb. 11. Das Logbuch dient zur Aufzeichnung des täglichen Trainings. Darin werden genau eingetragen: die Trainingszeiten, -dauer und -tage, die Veränderung der Fingertemperatur während des Trainings, besondere Einschränkungen durch Kopfschmerzen, wie z. B. kein Schulbesuch, oder besondere Tage (waren Schularbeiten oder Prüfungen an diesem Tag etc.), Absagen von Festen etc. Zu Beginn der Therapie werden nur die Kopfschmerztage und eventuelle Medikamente vermerkt, dann kommen die genauen Trainingszeiten für das Atem- und Temperaturtraining hinzu
Datum
NAME:
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Fallgeschichte Ein kleiner Patient wird an mich überwiesen, weil er an Asthma leidet und seine Beschwerden eine stark ausgeprägte psychosomatische Komponente zeigen. Die Mutter erkundigt sich nach den Trainingsinhalten. Als sie erfährt, dass dazu zwölf Sitzungen notwendig sind, ist sie zutiefst erschrocken. Dies wäre ein sehr großes Problem, da ihr Sohn jeden Tag voll ausgebucht sei mit fixen Trainingsstunden in Fußball – er spielt in einer Mannschaft und hat auch am Wochenende Wettkämpfe –, und andererseits hätte er noch zweimal pro Woche Klavierstunden und dafür Übungszeiten zu absolvieren. Am liebsten wäre ihr, wenn ich ihr das Anleitungsprogramm schicken würde, damit sie ein „Trockentraining“ zuhause durchführen kann. Dieser Fall ist leider kein Einzelfall, und es ist überhaupt kein Wunder, wenn den Kindern dann manchmal die „Luft“ wegbleibt.
Happy Smilo
Vor der Biofeedbacksitzung werden das mitgebrachte Bild und die Größe des Schmerzmonsters besprochen. Für die Compliance ist es wesentlich, dass der Patient einwilligt, sein Monster schrumpfen zu lassen und dass er bereit ist, die Tricks dafür erlernen zu wollen. Dabei stellt der Therapeut einen Helfer, den Happy Smilo, vor. Diese Gestalt stellt den positiven inneren Dialog (im Gegensatz zum Schmerzmonster als Gegenspieler) und die helfende Kraft dar. Über die Imagination kann dabei auf die inneren Ressourcen zugegriffen werden. Jeder Patient soll seinen eigenen Helfer darstellen und beschreiben. Manche Kinder benennen auch einen Schutzengel als ihren guten Geist.
Der Smilo wird mit einem Trick geholt
Setz dich bitte ganz bequem zurecht. Schließ jetzt deine Augen. Versuch ganz locker zu sein und lass dabei die Schultern hängen. Schau dich mit deinem inneren Auge um, kannst du ihn schon sehen? Er lächelt dir zu! Lächle doch bitte zurück. Jetzt steht er auf deiner rechten Seite und lächelt dir zu. Lass deinen Kopf ganz gerade und schau nur mit deinen inneren Augen auf die Seite. Wenn du ihn siehst, dann lächle ihm zu. Jetzt steht er auf deiner anderen Seite. Lächle ihm wieder zu, wenn du ihn sehen kannst. Jetzt schlüpft er ganz zu dir hinein und bleibt bei dir. Er fühlt sich da sehr wohl. Wenn du ihn brauchst, kannst du ihn immer herbeiholen.
ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie
Abb. 12. Das Schmerzmonster, dargestellt von einem kleinen Mädchen
Die Zeichnungen können sehr aufschlussreich sein, wie diese Computerzeichnung (Abb. 14, Migräne und Angst) eines zwölfjährigen Buben zeigt. Dieser Patient wurde wegen seiner Migräneattacken zum Biofeedback geschickt. Betrachtet man aber die Zeichnung, erkennt man sehr deutlich, dass die Angst eine noch bedeutendere Rolle innehat als die Migräne. In diesem Fall ist eine Psychotherapie inklusive Biofeedbacktraining zur Angstreduktion angezeigt.
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Abb. 13. Das Schmerzmonster eines achtjährigen Mädchens
Abb. 14. Migräne und Angst
Biofeedbacktraining
1. Baseline-Messung über 3–5 Minuten, Prozessverlauf der Werte ist zu beobachten Gemessen werden dabei: ◉ zwei Hautleitwerte ◉ Atmung ◉ Pulsamplitude ◉ Pulsfrequenz ◉ Fingertemperatur 2. Besprechen, erklären und üben der tiefen Zwerchfell(Bauch-)atmung
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Erklären der Bauchatmung
Stell dir vor, dein Bauch ist wie ein Luftballon. Wenn du die Luft einatmest, dann wird er ganz groß, er bläht sich so richtig auf. Wenn du wieder ausatmest, dann wird er wieder ganz flach. Versuch es langsam und ohne Anstrengung ein paar Mal hintereinander. Zuhause kannst du auch dein Lieblingstier oder eine Puppe auf deinen Bauch setzen und mit ihm/ihr atmen. Du musst dabei nur aufpassen, dass du dabei nicht zu wild bist, denn sonst fallen sie herunter. Es soll alles ganz langsam und angenehm sein. „Schau mal auf den Computerschirm, wie schön deine Atemkurve jetzt schon ist. Langsam ein- und langsam ausatmen. Wie sieht denn die Kurve aus? Kennst du etwas, das so ähnlich ausschaut?“ WICHTIG! Durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen lassen. Dadurch wird die Atmung ruhiger, die Ausatemphasen länger, und die Anspannung weicht leichter aus dem Körper. Die Kiefermuskulatur soll dabei locker sein. Das Atemtraining ist zu Beginn immer mit hoher Konzentration und Anstrengung verbunden. Deshalb mehrmals in kurzen Abständen üben und Pausen einplanen. Zu Beginn des Atemtrainings erscheinen die Kurven manchmal sehr spitz und unregelmäßig. Die Atemkurven sollen zuerst eine regelmäßige Form annehmen und ein gleichmäßiges Muster zeigen. In einem zweiten Schritt wird dann der Patient angeleitet, die Ausatemphase ein bisschen zu verlängern. Dabei soll auf den natürlichen Stopp nach dem Einatmen und nach dem Ausatmen geachtet werden. Es handelt sich dabei um eine ganz kurze Pause, in der das Körpersystem zwischen den einzelnen Ein- und Ausatemphasen umschaltet.
Trainerskript
◉ Aufzeichnen der Anfangswerte der gemessenen Parameter ◉ Beobachten des Verlaufes der Veränderung der gemessenen Parameter während der Sitzung ◉ Erscheint der Hautleitwert zu Beginn der Sitzung sehr hoch, dann ist es angezeigt, die Hände gut waschen und abtrocknen zu lassen und die Messung zu wiederholen. ◉ Beobachten des Kindes: Stimmung, Eltern-Kind-Interaktion (mischt sich der begleitende Erwachsene ein oder verhält er sich ruhig, verändern sich die Werte, steigt z. B. der Hautleitwert, wenn der Vater oder die Mutter näher kommen oder etwas sagen? Es kann sein, dass sich das Kind unter Druck fühlt; dann ist es besser, wenn es allein mit dem Therapeuten ist). Der begleitende Erwachsene muss eine gewisse Ruhe ausstrahlen und sich mit dem Platz in der zweiten Reihe begnügen können. Der Coach ist nur in der ersten Sitzung dabei, um die richtige Atemtechnik zu erlernen. In den weiteren Sitzungen ist er nur anwesend, wenn es das Kind ausdrücklich verlangt! ◉ Schmerzlogbuch/Trainingstabelle mit den Eltern besprechen, Besonderheiten notieren
ASTI® THKinder – ein Biofeedback-Trainingsprogramm für Prävention und Therapie
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Das erste Atemtraining ist meist sehr anstrengend und benötigt viel Konzentration. Es ist also nicht verwunderlich, wenn sich während dieser Sitzung keine Beruhigung in den gemessenen Parametern zeigt. Aus diesem Grund ist vorsichtiges, behutsames Üben in kurzen Sequenzen vorteilhaft. Wesentlich ist auch, dass die begleitenden Erwachsenen die richtige Atemtechnik verstehen. Lassen Sie sie mitüben! 1 Hausaufgabe 2 ◉ Atemübungen mehrmals täglich 1–3 Minuten durchführen ◉ Logbuch über die Schmerzintensität und Medikamente weiterführen ◉ Atemgeschichte zusammenstellen Für das Erlernen der richtigen Atmung hat es sich sehr bewährt, Eltern und Kind zu beauftragen, eine Atemgeschichte aus dem täglichen Alltag zusammenzustellen. Im Sommer können es die Wellen am Strand sein oder auch die Hängematte, die ruhig hin- und herschaukelt, und im Winter kann ein Rodelhügel die gleichmäßige, ruhige Atmung symbolisieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist dabei, dass die Geschichte aktiv aus dem Alltag des Kindes gegriffen ist. Fallbeispiel: Die Rutsche als Atembild A) Ein siebenjähriger, hyperaktiver Junge hat sehr schnell die richtige Technik mit folgender Geschichte erlernt. Es war gerade Sommer und er liebte das Herumtoben auf seinem Spielplatz. Die Rutsche war dann das Zentrum der Atemgeschichte, die er auch aufzeichnete. Er erklärte mir, wie das funktioniert: Bei der Rutsche muss ich die Stiegen hinaufsteigen. Das ist wie das Einatmen. Oben angekommen, setze ich mich nieder. Beim Atmen habe ich da eine kurze Pause (er bezieht sich dabei auf den natürlichen Stopp, während der Organismus auf Ausatmen umschaltet). Dann rutsche ich sehr lange hinunter, so wie das langsame Ausatmen. B) Ein kleines Mädchen mit einer großen Liebe zu Delphinen stellt sich vor, dass es wie ein Delphin atmen kann.
Modul 3 – Atemtraining Die richtige Atmung ist das Hauptstandbein des präventiven Trainings. Über die Atmung wird das autonome Nervensystem beruhigt. In diesem Modul wird richtiges, entspanntes Atmen geübt und überprüft, ob die Übungen zuhause konsequent durchgeführt wurden. Ist tiefes Atmen ohne Anstrengung möglich, ist die
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 15. Dieser Trainingsbildschirm der Firma Mind Media (Nexus) ermöglicht das Erlernen der langsamen Bauchatmung. Beim Einatmen wird der Ballon ganz groß, beim Ausatmen wieder klein. Ebenfalls auf dem Bildschirm zu sehen ist die Atemkurve, die gleichmäßig werden soll
Beruhigung des Organismus aus den gemessenen Werten bereits erkennbar (z. B. Anstieg der Fingertemperatur und Pulsamplitude).
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen und die Atemgeschichte besprochen. Danach folgt der dritte Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2 2. Atemübung am Biofeedbackgerät; im Hintergrund werden Pulsamplitude und Temperatur aufgezeichnet. (Der Hautleitwert wird nur bei Verwendung eines Multisensors mitgemessen, da sonst zu viele Kabel das Kind beim Training behindern könnten.) 3. Eine Baseline am Ende des Trainings ist zur Überprüfung des Trainings sinnvoll. Geübt wird richtiges Atmen in mehreren kurzen Sequenzen zu 3–4 Minuten, wobei auf die Regelmäßigkeit der Atemkurven und der Atemfrequenz geachtet wird. Der Patient wird angeleitet, mit seiner Atemgeschichte zu arbeiten. Das Ziel ist eine Regenerationsfrequenz von 5–8 Atemzügen in den nächsten Sitzungen, wobei eine allgemeine Beruhigung eingeleitet werden soll, d. h., das Atmen soll ohne Anstrengung erfolgen, ruhig und gleichmäßig. Gelingt es dem Patienten, erhält er als Feedback eine Belohnung; das können Gutpunkte sein oder ein eingeblendetes Video, das Betreiben einer Autorennbahn oder das Hören von Geschichten, je nachdem, welcher Feedbackmodus im jeweiligen Biofeedbackgerät vorhanden ist.
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Gleichzeitig wird mit dem Patienten genau besprochen, dass sein Kopfschmerzmonster sich bei dieser ruhigen, gleichmäßigen Atmung nicht wohl fühlt. Die Begleitperson ist ab diesem Modul nicht immer dabei, sondern nur, wenn es vom Kind verlangt wird. Es hat sich gezeigt, dass die Patienten, je sicherer sie mit den Techniken werden, je mehr Kontrolle sie erlernen, immer seltener ihre Eltern oder Begleitpersonen um sich haben wollen.
Trainerskript
Die Evaluation der mitgemessenen Parameter oder einer abschließenden Baseline zeigt, ob eine Deaktivierung, ein Loslassen, schon eingetreten ist. Von besonderer Bedeutung sind die Fingertemperatur und die Pulsamplitude. Beide sollen zumindest phasenweise eine Erhöhung, eine Entspannung zeigen. Mit dem Coach/den Eltern werden die Eintragungen im Logbuch besprochen. 1 Hausaufgabe 3 Das Atemtraining mit der Geschichte soll jetzt regelmäßig mindestens zweimal pro Tag durchgeführt und auf eine Zeitdauer von 10 Minuten pro Trainingssequenz gesteigert werden. Die Trainingszeiten sind im Logbuch einzutragen.
Abb. 16. Am Computerbildschirm wird das ruhige Atmen rückgemeldet. Dieser Trainingsbildschirm der Firma Insight Instruments (Soft©med) zeigt die Atemkurve mit einer kleinen Schneemann-Animation. Rechts oben auf dem Bildschirm erscheint ein Zähler, der die Zeitdauer des Verweilens in einer vorgegebenen Atemfrequenz anzeigt. Die Atemfrequenz wird durch den Balken rechts unten auf dem Bildschirm dargestellt. Auf diesem Bildschirm ist eine Atemfrequenz von 6 Atemzügen pro Minute eingestellt
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Modul 4 – EMG – Muskelspannung Schwerpunkt dieses Modules ist ein Wahrnehmungstraining von Spannung und Entspannung. Es wird vom Trapezius und/oder Frontalis abgeleitet. Ziel ist das Erfühlen von Mikrospannung und Lernen von bewusstem Loslassen.
Abb. 17. Mögliche Ableitungsorte der Muskelspannung
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen. Dann werden die Elektroden geklebt und die Vorgangsweise erklärt. Danach folgt der vierte Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2 2. Wahrnehmungstraining Muskelspannung Je nachdem, wie viele EMG-Sensoren Sie besitzen, kann sowohl mit einem als auch mit mehreren Sensoren abgeleitet werden; z. B. können links/rechts getrennt (linker Trapezius und rechter Trapezius) oder Trapezius und Fontalis trainiert werden. Geübt wird: ◉ das Wahrnehmen/Erspüren von unterschiedlicher Spannungsintensität in den verschiedenen Schwellenbereichen (Bereiche mit vorgegebener Spannungsintensität) ◉ das Halten der angegebenen Spannung in den spezifischen Schwellenbereichen, wobei aber gleichzeitig auf ein ruhiges Weiteratmen geachtet werden soll
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◉ Trainingsziel sind die Trennung von Atmung und Muskelanspannung und das Erspüren verschiedener Anspannungsgrade. Der Reflex Anspannen und Atemstoppen soll bearbeitet, erkannt und gestoppt werden. Trainiert werden zuerst das Erspüren von verschiedenen Anspannungsintensitäten und das Loslassen. Das einfache Loslassen, das Fallenlassen des Muskels, ist beim Training mit Erwachsenen immer ein großes Problem, bei Kindern nur manchmal, und zwar nur dann, wenn es sich um sehr kontrollierte Kinder oder Jugendliche handelt. Loslassen bedeutet, die Spannung beim Ausatmen aus dem Muskel herauszunehmen, so als ob man einen Stromschalter umlegen würde und die Stromspannung auf einmal aufhörte.
Übungsanleitung
„Versuch bitte den Muskel/die Muskeln so anzuspannen wie Spannfix (siehe Übungsanleitung Spannfix und Lola). Achte darauf, dass deine grüne Linie in den Bereich geht, sodass ein Smilo (Belohnung, wenn der Schwellenbereich erreicht ist) auf dem Bild erscheint. Lass den Muskel angespannt und atme langsam weiter … Achtung … wenn du jetzt ausatmest, dann lass die Muskelspannung einfach wieder los …“ Verfügen Sie über mehrere Sensoren, dann können Sie als nächsten Schritt ein Vergleichswerttraining durchführen. Die Elektroden werden auf zwei verschiedene Muskel geklebt und dann sowohl unterschiedliche Spannungsgrade als auch Loslassen, bei gleichzeitiger ruhiger Bauchatmung, geübt. Das differenzierte Wahrnehmen der Atmung bei den verschiedenen Übungen ist besonders wichtig, da Kinder (und Erwachsene) bei Anspannung immer die Luft anhalten. Geübt wird das Anspannen bestimmter Muskelgruppen und das „Entspannthalten“ der nicht benötigten Muskeln. Der Patient lernt eine Abwandlung des Jacobson’schen Entspannungstrainings mit den Figuren Spannfix und Lola und übt mit dem Biofeedbackgerät. Es kann mit verschiedenen Muskelgruppen geübt werden. Entscheidend dabei ist, dass nur die vereinbarten Muskeln angespannt werden und locker weitergeatmet wird. Der Patient soll lernen, nur benötigte Muskeln im geforderten Maß anzuspannen und andere, nicht benötigte, locker zu lassen. Ich möchte an dieser Stelle an das Kind erinnern, das beim Schreiben bemerkte, wie sehr es auch die Zehen dabei anspannt. Abb. 18. Spannfix und Lola
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Spannfix und Lola
◉ Setz dich ganz bequem zurecht. ◉ Jetzt atmest du zweimal ganz langsam ein und aus, wie du es beim Atemtraining gelernt hast. ◉ Auf „Los“ spielst du Spannfix. Du machst eine Faust und ziehst die Schultern hoch, so fest du kannst. ◉ Fertig? Dann los! Spannfix! ◉ 1 – 2 – 3! Achte auf deine Atmung. Locker weiteratmen! ◉ Ausatmen und loslassen! Und Lola spielen. Jetzt atmest du wieder zweimal ganz langsam ein und aus, dann probier einmal, nur mit halber Kraft anzuspannen. ◉ Auf „Los“ spielst du wieder Spannfix. ◉ Fertig? Dann los! Spannfix! ◉ 1 – 2 – 3! Achte auf deine Atmung. Locker weiteratmen! ◉ Ausatmen und loslassen! Und Lola spielen. Diese Übung wird im Heimtraining zweimal wiederholt.
Trainerskript
Bei Spannungskopfschmerzen sollte das EMG-Wahrnehmungstraining als Ergänzung einzelner Module immer wieder in das Trainingsprogramm eingebaut werden. Trainiert wird sowohl am Trapezius als auch am Frontalis. Das Muskelwahrnehmungstraining kann auch auf andere Muskelgruppen ausgedehnt werden, je nach Trainingsziel und Diagnose. Die Logbucheintragungen und Übungsfortschritte werden mit den Eltern besprochen, die neue Übung erklärt und auch mit ihnen geübt. 1 Hausaufgabe 4 ◉ Atemtraining und Logbuch wie in Modul 3 weiterführen ◉ Das Bauchatemtraining auf 15 Minuten zweimal täglich ausdehnen ◉ Mehrmals täglich Spannfix und Lola für all jene Kinder, die stark verspannt oder unruhig sind. Vor dem Atemtraining hilft die Übung, den Körper zu beruhigen und vor der Hausaufgabe, die Aufmerksamkeit zu steigern.
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Abb. 19. Auf dem Trainingsbildschirm (Insight Instruments) wird die Muskelspannung (grüne Linie) rückgemeldet. Die roten, waagrechten Linien zeigen die einzelnen Schwellenbereiche an. Erreicht die Muskelspannung den Schwellenbereich 1, gibt es ein Feedback. Es erscheint ein Smilobild; bei Schwellenbereich 2 erscheinen zwei, bei Schwellenbereich 3 drei Bilder
Abb. 20. Dieser Computerbildschirm der Firma Schuhfried zeigt zwei Graphen in unterschiedlichem Grün für zwei verschiedene Muskelspannungsableitungen. Die Intensität der Spannung ist sowohl auf den Balken auf dem linken Rand abgebildet als auch nummerisch, in Mikrovolt, in der oberen Bildmitte angegeben
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 21. Dieser Computerbildschirm (Insight Instruments) zeigt zwei EMG-Ableitungen und die Atmung an. Trainiert wird die gleichmäßige Atmung bei Anspannung eines oder zweier Muskel. Der Zähler gibt die Verweildauer innerhalb eines bestimmten Schwellenbereiches an
Abb. 22. Der Patient verarbeitet sein Training und stellt seine Muskelspannung und Atemkurven dar
Modul 5 – Handerwärmungstraining Das Handerwärmungstraining (Thermal Biofeedback, willentliche Erhöhung der Fingertemperatur) ist ein allgemeines Entspannungstraining. Sobald die Kinder das ruhige Atmen gut beherrschen, lässt sich ein Anstieg der Fingertemperatur bereits messen. Darauf aufbauend wird durch das spezielle Handerwärmungstraining der Effekt verstärkt. Für diese Übung gibt es wieder eine helfende Geschichte mit den Sonnenschiffchen. Für das Heimtraining steht ein kleines Fingerthermometer zur Verfügung.
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Abb. 23. Fingerthermometer
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen. Danach folgt der fünfte Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2 2. Fingertemperatur und Atmung; im Hintergrund wird die Pulsamplitude aufgezeichnet Die Kinder lernen das Handerwärmungstraining, die willentliche Erhöhung der Fingertemperatur, sehr schnell. Es fällt ihnen sehr viel leichter als den Erwachsenen, und der Effekt bleibt auch nicht aus. Bei regelmäßigem Training sinkt das allgemeine Aktivierungsniveau ab, die Kinder werden entkrampfter, allgemein ruhiger und konzentrierter. Trainiert wird mit einer Visualisierungsgeschichte, der Sonnenschiffchengeschichte.
Abb. 24. Das Sonnenschiffchen mit dem Happy Smilo
Die Sonnenschiffchengeschichte Die Schiffchenzentrale befindet sich im Bauch, unter dem Rippenbogen. Es sind viele kleine Segelschiffe dort verankert. Stell dir vor, dass du beim Ein-
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
atmen die warmen Sonnenstrahlen bis zu den kleinen Schiffchen beförderst. Dein Happy Smilo wartet schon in ihnen. Beim Ausatmen segeln die Boote langsam den Brustkorb hinauf und in deinen Armen hinunter bis in die Hände. Sie bringen die warmen Strahlen bis in deine Fingerspitzen. Jedes Mal beim Ausatmen segeln die Schiffe mit den Sonnenstrahlen langsam den Arm hinunter bis in deine Fingerspitzen. Kannst du sie schon spüren? Die Adern werden ganz weit und warm, die Muskeln entspannen sich … alles wird locker und leicht … Vielleicht kannst du noch ein paar Mal deine Segelflotte losschicken?
Diese Geschichte lässt sich jederzeit weiter ausbauen. Zum Beispiel können die Segelschiffe die Wärme auch in den Nacken, den Magen-Darm-Bereich und die Zehen bringen. Die damit erzielte generelle Entspannung macht den Einsatz dieser Übung für verschiedene therapeutische Bereiche sehr hilfreich, z. B. Angststörungen, Schlafprobleme uvm.
Trainerskript
Beobachten der Hautleitwerte während der Baseline-Messung, ob sich eine Veränderung zeigt. In der Ruhephase, bei einer ruhigen Atmung ohne Anstrengung, sollten sich die Hautleitwerte im Verlauf und im Niveau annähern, die Pulsamplitude öffnen (bei Migränikern ist das Gefäßsystem sehr sensibel, die Pulsamplitude sehr eng). Die Logbucheintragungen und Übungsfortschritte werden mit den Eltern besprochen. 1 Hausaufgabe 5 ◉ Atemtraining mit den Sonnenschiffchen ◉ Zeichnen der Sonnenschiffchen ◉ Fingerthermometer: Heimtrainingsgerät Ich verwende die gezeigten kleinen Fingerthermometer als Übungsgerät. Sie sind klein und handlich und zeigen sehr schnell Veränderungen an. Bei Entspannung erfolgt ein Temperaturanstieg, bei Anstrengung, Anspannung oder zu großer mentaler Aktivität bleibt die Temperatur gleich oder sinkt. ◉ Ergänzen des Logbuchs um die genaue Angabe der Trainingsdauer, der Temperatur vor und nach dem Training und des Gefühls.
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Fallgeschichte Ein zwölfjähriges Mädchen entwickelt für sich einen Feuerball, den sie durch den Körper schickt. Sie leidet unter Spannungskopfschmerzen und hat zu Beginn so starke Schmerzen im Schulterbereich, dass niemand sie berühren darf. Es folgt als Therapieeinstieg eine physikalische Therapie zur allgemeinen Lockerung und zur Lösung der verkrampften Muskulatur und dann das Biofeedbacktraining. Danach war und ist sie komplett schmerzfrei. Sie implementierte ihr Training in die tägliche Routine und konnte sogar einen sehr tiefen Zustand der Entspannung erreichen.
Abb. 25. Der Feuerball
Fallgeschichte Ein siebenjähriges Mädchen mit so starken Albträumen, dass sie sich fürchtet, allein im Zimmer zu schlafen, erlernt das Handerwärmungstraining und die Ängste weichen. Sie schläft zur Freude ihrer Eltern wieder im eigenen Bett. Sie war ein erstaunliches Kind. Nach der dritten Sitzung fragte sie mich, während sie vor dem Computer saß und übte: „Macht es dir etwas aus, wenn ich die Temperaturkurve schneller nach oben steigen lasse?“ Ich sagte natürlich nein und war sehr erstaunt über diese Frage, denn die Kurve zeigte bereits einen kontinuierlichen Anstieg. Wie auf Kommando ließ sie ihre Schiffchen fahren, und die Temperatur stieg sofort bemerkenswert an.
Abb. 26. Die Sonnenschiffchen gleiten durch den Körper und vertreiben die Angst
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 27. Diese Computeranimation (Insight Instruments) meldet den Temperaturanstieg mit der roten Linie zurück. Bei Überschreiten des Schwellenwertes erscheinen die Sonnenschiffchen. Am oberen Rand zeigt die violette Linie die Veränderung der Pulsamplitude an. Sie signalisiert die Veränderungen im Gefäßsystem
Abb. 28. Der Feedback-Bildschirm der Firma Schuhfried meldet den Temperaturanstieg als Puzzle zurück. Bei Erreichen des Schwellenwertes füllt sich das Bild
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Modul 6 – Trainingsfortschritte und Pulsamplitude Trainingsschwerpunkt in diesem Modul ist das Überprüfen der Lernfortschritte. Die Aktivität des Schmerzmonsters wird mit dem Kind besprochen und die Zusammenhänge der einzelnen gemessenen Parameter (Atmung, Muskelspannung, Fingertemperatur und Aktivität des Monsters) werden erklärt. Sehr interessant ist für alle Patienten immer die notwendige Dauer des Heimtrainings. Die Frage „Wie lange soll/muss ich üben?“ wird immer gestellt. Eine einfache Demonstration mit dem Biofeedback macht es ganz deutlich: Sobald alle Werte sich beruhigt haben (gleichmäßige Atemkurven, niedrige stabile Atemfrequenz, Temperaturanstieg, Anstieg der Pulsamplitude), soll noch mindestens zehn Minuten weiter trainiert werden, damit der Körper sich auf die Ruhephase einstellen und das Aktivierungsniveau senken kann. Wie lange das Training nun dauern soll, kann der kleine Patient selber in der Trainingseinheit ausprobieren. Er kann die Veränderungen am Bildschirm verfolgen und die Zeitdauer am Biofeedbackgerät ablesen.
Integration in den Alltag
Da die Grundtechniken in den Modulen 1–5 geschult werden, wird ab dieser Sitzungseinheit auch vermehrt die Integration in den Alltag mit dem Kind besprochen. Wann, wo, wie intensiv kann welche Technik den Tag über geübt werden? Rituale und feste Übungszeiten können eingeführt werden, wie z. B. nach dem Nachhausekommen, vor der Hausaufgabe, vor Schularbeiten und Tests, vor dem Schlafengehen, auf längeren Autofahrten, vor sportlichen Wettkämpfe usw.
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen. Danach folgt der sechste Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2. 2. Üben mit mehreren Werten, im Besonderen mit der Atemkurve, der Atemfrequenz, der Pulsfrequenz, der Pulsamplitude und der Temperatur; im Hintergrund werden die Hautleitwerte gemessen. Bei gleichmäßiger, ruhiger Atmung erzeugen die Pulsfrequenz, die Atemkurve und die Pulsamplitude ein sehr schönes, rhythmisches Muster auf dem Bildschirm. Die Erhöhung der Fingertemperatur und des Blutflusses in der Pulsamplitude werden als Animation rückgemeldet. Die Biofeedback-Trainingszeit wird ab diesem Modul langsam gesteigert. Das Ziel sind 20 Minuten. Mit dem Patienten werden die Veränderungen sowohl der Werte als auch des Gefühls im Körper besprochen. Sehr wichtig ist das Verständ-
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
nis des Kindes über die eigene Kontrollmöglichkeit des Schmerzmonsters: Je öfter diese Ruhephasen zuhause trainiert werden, desto schneller schrumpft auch das Schmerzmonster. Bei kontinuierlichem Training beruhigt sich das Aktivierungsniveau. Die Patienten werden ruhiger und die Schmerzintensität und Anfallshäufigkeit beginnen nachzulassen. Ein angenehmer Nebeneffekt zeigt sich durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit und Konzentration durch Kurzübungen während des Tages oder in der Schule.
Trainerskript
Besonderes Augenmerk wird ab diesem Modul auf die Internalisierung und Bekräftigung der Kontrollmöglichkeit gelegt. Trainingsmöglichkeiten und -rituale werden mit den Eltern besprochen. Die Ruhephasen sollen ein integrativer Bestandteil des Alltags werden. Einsatzmöglichkeiten von Kurzübungen (Spannfix und Lola, Atemtechnik) zur Spannungsreduktion werden gemeinsam erarbeitet. Das Logbuch gibt einen guten Aufschluss darüber, wann sich die Kopfschmerzen einstellen. Meist lässt sich ein Zusammenhang feststellen mit belastenden Ereignissen, Vollmond, Wetterumschwüngen etc. Der Therapeut/Trainer erarbeitet mit den Eltern und den Kindern mögliche Interventionen, wie z. B. Ruhephasen vor bestimmten Ereignissen, verstärktes Atemtraining, mehr Freiraum im täglichen Stundenplan, Spiele und Sport ohne Leistungsanspruch uÄm. 1 Hausaufgabe Weiterführen des Atem- und Handerwärmungstrainings und der Eintragungen im Logbuch.
Modul 7 – Hautleitwert Die Hautleitwerte sind die am schwierigsten zu beeinflussenden Werte. Sie sind Ausdruck der Persönlichkeitsstruktur, der mentalen Aktivität, der Sensibilität des Nervensystems, der generellen Aktivierung. Im Training mit Kindern ist es angezeigt, sie erst dann zu trainieren, wenn die kleinen Patienten gelernt haben, Ruhephasen im Körper einzuleiten und diese auch über einen Zeitraum zu halten. Beginnt man zu früh, die Hautleitwerte zu trainieren, kann das zu Frustration und Blockaden führen, denn jede Anstrengung und Bewegung spiegelt sich im Anstieg der Werte wieder. Nicht alle Kinder sind Hautleitwertresponder. Manche reagieren vermehrt mit der Herzfrequenz oder Muskelaktivität auf Spannung. Ist dies der Fall, dann ist es angebracht, mit den Patienten vermehrt die Wahrnehmung der Muskelspannung (Modul 4) und die Herzratenvariabilität (Modul 8) zu trainieren.
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Trainingsziel ist ◉ die Senkung des überhöhten Aktivierungsniveaus ◉ der Gleichklang der beiden Graphen der Hautleitwerte (symbolisiert Harmonie und innere Balance) ◉ im Verlauf und ◉ im Niveau Die Richtwerte des Hautleitwertes können je nach Herstellerfirma unterschiedlich sein. Wesentlich ist das Erkennen des jeweils individuellen Niveaus. Deshalb ist es unerlässlich, den Hauleitwert über die einzelnen Trainingsmodule zu beobachten und sich die einzelnen Anfangswerte im Akt zu vermerken.
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen. Danach folgt der siebte Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2 2. Hautleitwert; trainiert wird mit dem höheren Wert (links oder rechts) mit Feedbackmodus. Der zweite Hautleitwert und die Pulsamplitude laufen im Hintergrund mit. Gleichzeitig können die Atemkurve und -frequenz am Bildschirm eingeblendet sein.
Trainerskript
Die Arbeit mit dem Hautleitwert ist schwierig, weil er höchst sensibel auf mentale Prozesse und auch auf Bewegung reagiert. Jede Anstrengung bewirkt eine Energiebereitstellung und damit einen Anstieg des rückgemeldeten Graphen. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, den Patienten darin zu schulen, die Veränderungen bewusst wahrzunehmen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es sich „anfühlt“, wenn der Hautleitwert sinkt. Die Logbucheintragungen werden mit den Patienten und den Eltern besprochen. Sie werden mit den neuen Geschichten vertraut gemacht und bekommen die Übungsanleitung mit. Wesentlich bei den Geschichten ist die Kombination mit der Ruheatmung. 1 ◉ ◉ ◉ ◉
Hausaufgabe
Atemübungen Logbucheintragungen Vertrautmachen mit den Geschichten Inhalte der Geschichten zeichnen lassen oder eine eigene Schmerzgeschichte erfinden.
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 29. Der kleine Elefant (Insight Instruments) meldet den Hautleitwert zurück. Sinkt er, erscheint unser Happy Smilo auf dem Bildschirm
Abb. 30. Die Blume öffnet sich bei sinkendem Hautleitwert (Mind Media). Der Balken zeigt die Höhe des Aktivierungsniveaus (SCL Skin-Conductance Level) an
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Helfende Geschichten
Die Inhalte der Geschichten sollen helfen, besser mit Schmerzen oder Belastung umzugehen. Migräne ist eine Krankheit; wir können sie nicht gänzlich wegtherapieren. Die therapeutischen Möglichkeiten liegen im veränderten Umgang mit der Krankheit, im Vermeiden von auslösenden Reizen, im Reduzieren von Anfallshäufigkeit und Schmerzintensität. Zu den geeigneten Mitteln gehören auch mentale Ablenkungsstrategien und Imagination. Die Sonnenschiffchengeschichte als Visualisierungsübung war auf die Beruhigung der Atmung, Entkrampfung des Gefäßsystems und Erhöhung des Blutflusses gerichtet. Die Geschichte mit dem Paradiesvogel Ali, der alten, weisen Fee, dem Sorgenbaum und der Schmerzblume sind Möglichkeiten zur Selbsthypnose. Sie lassen ein Aussteigen aus dem akuten Schmerz, aus einer Belastung, eine mentale Ablenkung und Erleichterung zu.
Geschichte 1 Die Reise mit Ali zur weisen alten Fee und dem Sorgenbaum Teil 1 der Geschichte: Einleitung Mach es dir ganz bequem auf deinem Lieblingssessel oder in deinem Bett. Vielleicht willst du auch dein Lieblingstier oder deine Lieblingspuppe dabei haben … Schließe nun deine Augen und atme zweimal ganz ruhig ein und aus, wie du es im Atemtraining gelernt hast … Vielleicht kannst du auch schon deinen Freund Smilo sehen? Er wartet auf dich, um die Reise mit dir gemeinsam zu unternehmen … Ganz vorsichtig steckt er seine Hand in deine. Seine Hand ist ganz warm und angenehm … kannst du sie vielleicht schon spüren? Gemeinsam macht ihr euch nun auf den Weg. Smilo öffnet für dich ein wunderschönes Gartentor. Ein heller Ton erklingt, als sich das Tor bewegt … vielleicht hörst du ihn auch? Der Garten ist wunderschön. Hier gibt es blühende Blumen, die einen zauberhaften Duft versprühen, und prächtige Tiere, die euch freundlich begrüßen. Du kannst jederzeit wieder hierher kommen und mit ihnen spielen, wenn du möchtest. Heute aber geht die Reise weiter. Wieder öffnet Smilo ein Gartentor und vor euch liegt ein langer Sandstrand … Die Sonne lacht vom Himmel, und nahe beim Wasser wartet schon Ali, der prächtige Paradiesvogel auf euch … Er hat sehr breite Schwingen und lange, bunte Federn. Sie sind ganz flauschig und bewegen sich ganz leicht im Wind …
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Teil 2 der Geschichte: Die Reise Er lädt dich und Smilo zu der Reise zur weisen alten Fee und dem Sorgenbaum ein … Hops! steigt ihr beide auf seinen Rücken, und Ali erhebt sich in die Lüfte … Ganz sachte fliegt er mit euch los … Er bewegt ganz ruhig seine großen Flügel … auf und ab … auf und ab … Ganz in deinem Atemrhythmus … es fällt dir ganz leicht, mitzuatmen … ein und aus … ein und aus … Er fliegt mit euch über viele schöne Länder und immer weiter zu einer Insel, wo die gute, weise, alte Fee wohnt. Dort landet er ganz sachte. Die gute Fee freut sich schon, dass ihr kommt und wartet auf euch. Sie nimmt dich ganz lieb und sanft in die Arme und drückt dich an ihr Herz … Sie kennt deine Geschichte. Ihr kannst du alles erzählen, auch was dich bedrückt oder wenn du ein Problem hast. Du kannst aber auch nur mit ihr am Feuer sitzen und die orangeroten Flammen beobachten und die Wärme genießen. Ganz nah beim Feuer steht ein großer, alter Baum mit ganz dicken Wurzeln, der Sorgenbaum. Seine Äste hängen tief auf den Boden hinunter. Er nimmt dir gerne alle deine Sorgen und Probleme ab. Auf ihn kannst du alles hängen, was dich stört, was dich ärgert, was dir Angst macht, was du nicht magst … Vielleicht möchtest du auch etwas auf seinen Ast hängen? Wenn du fertig bist, wird es Zeit zur Rückreise. Ali kommt euch schon holen … Du verabschiedest dich von der weisen alten Fee und dem Sorgenbaum und kletterst wieder auf Alis Rücken … Langsam kommt ihr alle wieder hierher zurück … Du öffnest deine Augen und schüttelst dich ein bisschen wach. Schön war diese Reise …! Wenn du möchtest, kannst du jederzeit mit Ali und Smilo wieder zur Fee fliegen.
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Geschichte 2 Die Reise mit Ali zur Schmerzblume Einleitung wie Geschichte 1 Teil 2: Die Reise zur Schmerzblume Hops! steigt ihr beide auf seinen Rücken, und Ali erhebt sich in die Lüfte … Ganz sachte fliegt er mit euch los … Er bewegt ganz ruhig seine großen Flügel … auf und ab … auf und ab … Ganz in deinem Atemrhythmus … es fällt dir ganz leicht, mitzuatmen … ein und aus … ein und aus … mit jedem Flügelschlag werden deine Schmerzen leichter … Der Weg zur Schmerzblume führt euch über das blaue Meer … kannst du die vielen Fische im Wasser sehen? … Die Sonne lacht, und ihre Strahlen weisen Ali den Weg … In der Ferne taucht eine kleine Insel auf … kannst du sie schon sehen? … Sie ist wirklich winzig und ganz rund. Auf ihr wachsen viele bunte Blumen. Eine davon ist besonders schön. Sie hat einen langen, kräftigen Stängel und viele bunte Blütenblätter. Einladend breitet sie diese aus und wartet, bis ihr gelandet seid … Sie begrüßt euch mit einem sehr angenehmen Duft und leiser Musik … Hörst du, es ist deine Lieblingsmusik … Sobald du gelandet bist, fühlst du dich gleich ganz leicht und ruhig … mit jedem Atemzug fühlst du dich wohler, und dein Körper wird ruhiger … ein – aus … die Schmerzblume breitet ihre wunderschönen Blütenblätter ganz sachte über dich und wischt all deine Beschwerden einfach weg … mit jedem Atemzug wird dein Körper leichter, und die Schmerzen wandern weit weg … ein – aus … ein – aus … Hier darfst du dich ausruhen … Wenn du möchtest, dann spielt sie dir deine Wunschmusik vor … Die Blütenblätter wiegen sich in deinem Atemrhythmus über dir … hin und her … sie schaukeln dich … hin und her … Ruhe breitet sich aus … du darfst dich ihnen ganz anvertrauen … hin und her … ein und aus … Wenn du ausgeruht bist, dann holen dich Smilo und Ali wieder ab und fliegen mit dir über das Meer zurück … Wenn du gut gelandet bist, kannst du deine Augen wieder öffnen und dich ein bisschen wach schütteln …
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Modul 8 – Respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) und Herzratenvariabilität (HRV) Die respiratorische Sinusarrhythmie bezeichnet Schwankungen im Herzrhythmus, die durch das autonome Nervensystem hervorgerufen werden. Beim Einatmen schlägt das Herz schneller, beim Ausatmen langsamer. Gesteuert wird dieser Rhythmus durch den Sympathikus, der auch für die Erregung und Energiebereitstellung sorgt. Bei Stress und Belastung werden die Schwankungen geringer. Je größer die atembezogenen Schwankungen, desto flexibler und anpassungsfähiger ist der Organismus. Die Herzratenvariabilität (HRV)1 ist ein Indikator der Schwingungs- und Adaptionsfähigkeit des Organismus an Anforderungen. Je besser sich der Körper an die täglichen Herausforderungen anpassen kann, desto größer ist der Gleichklang der im Körper erzeugten Schwingungen. Diese Harmonie wird auch Kohärenz genannt. Die verschiedenen Schwingungen werden in Frequenzen dargestellt und rückgemeldet. Die größten Schwingungsamplituden lassen sich bei einer Frequenz von 0,1 Hz erzeugen. Das bedeutet, dass Atmung und Herzrate im gleichen Rhythmus schwingen (RSA). Die Anpassungsfähigkeit des Organismus an interne und externe Stimuli bestimmen die Schwingungshöhe und das Schwingungsmuster. Während des Biofeedbacktrainings erfolgt eine Feinabstimmung, welche bei einer bestimmten Atemfrequenz pro Minute (5; 5,5; 6 oder 6,5) für den Patienten die größten Amplituden zulässt. Dabei entsteht eine Resonanz zwischen der Atmung (den respiratorisch indizierten Schwingungen – RSA) und den natürlichen Schwingungen, die bei dieser Frequenz durch den Baroreflex (Druckrezeptoren im Herzen) hervorgerufen werden. Das Herzratenvariabilitätstraining ist ein Spezialtraining zur Reduzierung von stresskorrelierten Beschwerden. Im Herz-Kreislauf-Training ist es ein notwendiges Basistraining zur Regulierung von Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, essenzieller Hypertonie. Nicht alle Biofeedbackgeräte sind in der Lage, die Herzratenvariabilität zu messen bzw. in einem Powerspektrum darzustellen.
Biofeedbacktraining
Die Sitzung wird mit der Begrüßung des Happy Smilo begonnen. Danach folgt der achte Trainingsteil: 1. Baseline-Messung ca. 3–5 Minuten; Vorgangsweise wie in Modul 2 2. RSA-Training und/oder HRV-Training (hängt von den Voraussetzungen des Biofeedbackgerätes ab). Weitere Parameter, wie Pulsamplitude, Hautleitwerte, Muskelspannung, können miteinbezogen werden. 1
HRV-Training: In Band II wird ausführlich auf die Herzratenvariabilität und Herz-Kreislauf-Probleme eingegangen.
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Der Übungsteil sollte bereits auf 20 Minuten ausgedehnt werden können, der Patient/Klient in der Lage sein, seine bisher gelernten Strategien anzuwenden. Vor der Übungseinheit werden die einzelnen Trainingsschritte und das Ziel (Schrumpfen des Schmerzmonsters) noch einmal mit dem Kind analysiert und auch schon bereits erzielte Erfolge besprochen. Das Bewusstsein der eigenen Kontrollfähigkeit, Selbstkompetenz und Übungsmotivation wird dabei gestärkt.
Trainerskript
Gemeinsam mit dem Klienten/Patienten/den Eltern werden die Eintragungen in das Logbuch, die Hausaufgaben und die Integration in den Alltag besprochen. 1 Hausaufgabe ◉ Weiterführen der Übungen und Eintragungen im Logbuch ◉ Arbeit mit den Geschichten ◉ Ruhezeiten mit Eltern und Kindern besprechen
Modul 9, 10 und 11 – Übungsmodule zur Vertiefung Es werden ausgewählte Module wiederholt, je nachdem, welcher Bereich noch verstärkt trainiert wird. Als Ziel soll der Patient in einer Zeitspanne von 20 Minuten alle Parameter zu einer Tiefenregeneration regulieren können. Ein Hauptschwerpunkt der Trainingseinheiten ist es, den kleinen Patienten/Klienten zu vermitteln, wie wichtig Ruhephasen für den Körper sind. Kinder mögen es nicht gerne, wenn sie ruhig sein sollen, Aktionen jeglicher Art sind ihnen lieber. Deshalb eignen sich auch Biofeedback-Spiele sehr gut für eine Intensivierung des Trainingserfolges. Eines davon bietet das Programm des Freeze Framers® (www.heartmath.com). Trainiert wird die Herzratenvariabilität über einen Pulssensor. Die Schwierigkeit ist, dass hier Leistungsdenken und Anstrengung das Spiel stoppt. Es erfordert eine genaue Regulation der Erregung, um zum gewünschten Ziel zugelangen. Es hat drei Spiele zur Auswahl: Ballonfliegen, Geldtopf füllen oder ein Bild innerhalb einer bestimmten Zeitvorgabe anmalen. Allerdings funktioniert die Animation nur, wenn man einen vom Computer errechneten, verbesserten Wert erreicht. Ein einziger Nachteil des Programms: es ist nur in Englisch erhältlich (nähere Auskünfte im Institut). Eine phantastische Reise (ungefähr 10–12 Stunden Spielzeit mit unterschiedlichen Animationen) als Trainingspiel gibt das Programm „The Journey of Wild Divine®“ (www.wilddivine.com) vor. Gemessen werden Pulsfrequenz und Hautleitwert. Die Sprache ist ebenfalls Englisch (nähere Auskünfte im Institut).
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Abb. 31. Freeze Framer®
Trainerskript
Ziel ist die Selbstkontrolle über alle messbaren Parameter. In den Modulen 9–11 können aus den verschiedensten Bereichen Übungen zusammengestellt, wiederholt und geübt werden. Das weitere Hauptaugenmerk liegt auf der Integration in den familiären und schulischen Alltag. Hilfreich für Patienten und Eltern ist das Ausarbeiten von Ritualen, die einen geplanten Tages- und Übungsablauf garantieren.
Zwei weitere Geschichten Der zitronengelbe Planet mit seinen bunten Bewohnern – eine Phantasiereise Mach es dir ganz bequem auf deinem Lieblingssessel oder in deinem Bett. Vielleicht willst du auch dein Lieblingstier oder deine Lieblingspuppe dabei haben … Schließ nun deine Augen und atme zweimal ganz ruhig ein und aus, wie du es im Atemtraining gelernt hast … ein – aus … ein – aus … Lass die Spannung aus dem Körper fließen … ein und aus … ein und aus … mit jedem Atemzug wirst du ein bisschen leichter … immer leichter … wie eine Feder … Du fühlst dich ganz leicht und beschwingt an … mit jedem Atemzug schwingst du wie eine Feder hin und her …
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Und ganz langsam beginnst du zu steigen … hoch hinauf in die Wolken … Und über die Wolken hinweg … wenn du hinunter auf die Erde schaust, kannst du die Felder und Berge sehen, auch Flüsse, die sich durch die Landschaft winden … Du schwebst am Mond und vielen Planeten vorbei … Und in der Ferne erkennst du schon den zitronengelben Planeten … Langsam kommt er näher und näher und wird größer und größer … Du kennst ihn sicherlich schon … Du kannst wunderbare Erlebnisse mit seinen Bewohnern dort haben … sie sind freundlich und hilfsbereit und freuen sich auf dich … Und da landest du auch schon auf ihm und bewunderst den zitronengelben Himmel … die zitronengelben Häuser … die zitronengelben Felder … Seine bunten Bewohner erwarten dich schon freudig … sie freuen sich sehr, dich wiederzusehen … Ihr werdet viel Spaß zusammen haben und eine schöne Zeit verbringen … Sie vertrauen dir auch immer etwas ganz Wichtiges an, denn sie sind sehr weise … Nimm dir Zeit, diese Botschaft aufzunehmen … was es wohl dieses Mal sein wird? Lass dich mitreißen von ihrem Lachen und ihrer Freude … (Lange Pause …) Wann immer du soweit bist, verabschiede dich von ihnen … bedank dich für die Botschaft, die sie dir gegeben haben … Und dann schweb wieder langsam deinen Weg zurück, vorbei an den anderen Planeten, am Mond … Zurück zur Erde und in dein Zimmer … Wenn du soweit bist, dann streck dich und öffne deine Augen … Wenn du möchtest, kannst du mir gerne die Botschaft erzählen, die du von den Bewohnern mitgenommen hast.
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Biofeedbacktraining bei kindlichem Kopfschmerz
Colori, die Farbblase Kennst du schon Colori, die Farbblase? Sie führt dich in eine wunderbare Entspannung. Wenn du möchtest, dann kannst du ihre wohl tuende Wirkung gleich ausprobieren … Mach es dir auf deinem Sessel oder in deinem Bett ganz bequem. Atme langsam und ruhig ein und aus … Vielleicht kannst du auch schon durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen … und beim Ausatmen die warme Luft bis zu deinen Zehen fließen lassen … Dort wartet schon Colori auf ihren Einsatz … Sie startet bei deinem linken Zeh und wandert beim Ausatmen deinen Fuß hinauf … Sie breitet Wärme und eine angenehme Müdigkeit aus … Beim nächste Ausatmen wandert sie bis zu deinem Knie … Sie hat deine Lieblingsfarbe mit und lässt sie von deinem linken Zeh bis zum Knie … und weiter bis zur Hüfte und zum Bauch fließen … Während du ganz langsam weiter ein- und ausatmest … breitet sie sich weiter aus und bringt Ruhe und Wärme mit … Ein – aus … ein – aus … Jetzt beginnt sie bei deinem rechten Zeh und lässt deine Lieblingsfarbe beim Ausatmen bis zum Knie fließen … Vielleicht prickelt es auch ein bisschen, wenn sich die Wärme ausbreitet … Das ist schon in Ordnung … ein – und aus … Jetzt füllt sie deinen Bauch aus und entspannt jeden Muskel … Nur die angenehmen Gefühle bleiben zurück, du fühlst dich müde und ganz ruhig und geborgen … Langsam und angenehm fließt sie über deine Schultern und hüllt dich bald ganz ein … Sie beginnt dich wie eine Schutzblase ganz zu umgeben … Alles, was stört, bleibt draußen … Hier drinnen bist du ganz ungestört … Vielleicht beginnt sie auch schon, dich sanft hin- und herzuschaukeln, wie eine Hängematte im Wind … hin und her … ein und aus … In der Ferne ertönt ein leises Glockenspiel … kannst du es hören? Hier darfst du dich ausruhen, so lange du willst … spürst du diese wunderbare Ruhe? Mit jedem Ein- und Ausatmen wirst du ganz sanft hin- und hergeschaukelt … hin – und her … ein – und aus … Auch diese schöne, angenehme Zeit geht vorbei … Wenn du dich genug entspannt hast, dann verabschiede dich von Colori …
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Richte deine Aufmerksamkeit wieder auf das Zimmer, deinen Sessel oder dein Bett … und öffne die Augen … Jetzt streck dich und schüttel dich so richtig durch …
Modul 12 – Follow-up Nach einem halben Jahr bitte ich die Patienten zu einem Follow-up-Termin. Das Logbuch wird bis zu diesem Zeitpunkt weitergeführt und die Ergebnisse und persönlichen Eindrücke, Empfindungen und Veränderungen besprochen. Am Biofeedback wird neben einer Baseline auch eine Trainingseinheit von 20 Minuten durchgeführt und die Effizienz des selbstständigen Trainings überprüft. Der Patient übt in dieser Zeit allein, der Therapeut beobachtet die Veränderung der Parameter und bespricht mit dem Klienten danach weitere Maßnahmen für die Zukunft, um das erreichte Ziel zu halten bzw. noch zu verbessern. Dieses Programm hat sich in der täglichen Praxis sehr bewährt. Es ist als Anleitung/Leitfaden für all jene Personen gedacht, die mit Kindern arbeiten und ist für alle komplexen Biofeedback-Geräte geeignet. Kindgerechte und an das Programm angepasste Bildschirmanimationen für den therapeutischen Einsatz werden als Therapiebibliothek auf CD bei den verschiedenen Herstellern oder im Institut BiCo erhältlich sein. Schulungen zum Programm und/oder zum ASTI®-Trainer finden Sie in der Workshopliste des Instituts BiCo unter www.pirker-binder.at oder im Zentrum für praxisorientierte Fort- und Weiterbildung für Biofeedback und Neurofeedback unter www.biofeedback-neurofeedback.com.
EEG-Biofeedback oder Neurofeedback
Die rasante Entwicklung sowohl der Neurowissenschaften als auch der Biofeedbacktechnologie macht eine unmittelbare und differenzierte Rückmeldung der Gehirnaktivität möglich. Sie wird mithilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) gemessen. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Vorgehensweisen: ◉ Rückmeldung von Frequnezen des Spontan-EEGs ◉ Rückmeldung langsamer Hirnpotenziale Das Spontan-EEG misst die oszillatorische Aktivität, unabhängig von externen und internen Ereignissen. Langsame Hirnpotenziale (häufig auch in ihrer englischen Bezeichnung genannt: SCP = Slow Cortical Potentials) regeln die Erregbarkeitsschwellen ausgedehnter kortikaler Zell-Ensembles. Ein Neurofeedbacktraining soll dazu beitragen, ein gewisses Maß an Selbstkontrolle über die eigene Gehirnaktivität zu erlangen. Die Gehirnwellen erscheinen in verschiedenen langsamen und schnellen Frequenzen und werden in Hertz (Hz) pro Sekunde gemessen. Am bekanntesten sind die Frequenzbänder Delta, Theta, Alpha und Beta. Jeder Mensch hat sein eigenes Hirnwellenmuster, das sich auch dann nicht ändert, wenn sich sein Bewusstheitszustand verändert. Beta-Wellen, über 13 Hz, sind kleine, schnelle Wellen und signalisieren einen offenen, aktiven Fokus und Konzentration. Angst und Angespanntheit drücken sich in sehr hohen Bereichen der Beta-Wellen aus. Alpha-Wellen, 8–12 Hz, sind langsame und große Wellen und zeigen einen Zustand des Entspanntseins, des Zurückschaltens, des Abwartens an, jederzeit bereit zu handeln, wenn es notwendig ist. Theta-Wellen, 4–8 Hz, repräsentieren einen Zustand des Tagträumens. Personen mit ADS, ADHS, Kopfverletzungen oder Schlaganfall, Epilepsie, Chronic Fatigue Syndrom und Fibromyalgie zeigen sehr oft exzessive langsame Wellen, vorwiegend Theta, manchmal auch Alpha. Treten exzessive langsame Wellen in den frontalen Bereichen des Gehirns (Handlungs- und Verhaltenssteuerung) auf, dann zeigt sich dieser Zustand in Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeits-, Verhaltens- und/oder Emotionskontrolle und beeinträchtigt die Konzentration, das Speichern und das Kontrollieren von Impulsen und Stimmung. Delta-Wellen, 0,5–3,5 Hz, sind die langsamsten Wellen mit der höchsten Amplitude. Sie sind vornehmlich aktiv, wenn wir schlafen. Zahlreiche Studien bekräftigen ein weit gestreutes Einsatzgebiet. Als Therapie bei Aufmerksamkeitsstörungen im Bereich ADHS und ADS, aber auch vermehrt zur Reduktion von epileptischen Anfällen hat sich Neurofeedback bereits einen Namen gemacht. Es ist wie das multimodale Feedback meist eine adjunkte Therapie und muss in ein spezielles Trainingskonzept eingebaut werden. In Österreich wird Neurofeedback nicht von der Krankenkassa bezahlt, ist aber im Rahmen einer Psychotherapie verrechenbar. Zurzeit besitzt Neurofeedback im Bereich der ärztlichen, psychologischen und psychotherapeutischen Versorgung die größte Bedeutung, während der Einsatz in der Persönlichkeitsbildung zur allgemeinen Steigerung von Aufmerksamkeit und
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EEG-Biofeedback oder Neurofeedback
zum Training von Schnellerholungsmechanismen, um ein hohes Leistungsniveau zu erhalten (z. B. Kampfpiloten), noch relativ unbekannt ist. Neurofeedback wird in der Kindertherapie bei Aufmerksamkeitsstörungen und Epilepsie eingesetzt.
Neurofeedback – Aufmerksamkeit und Lernen Aufmerksamkeit und Lernen sind voneinander abhängig. Konzentrationsprobleme können vielfältige Wurzeln haben, wie z. B. in der individuellen Persönlichkeitsstruktur, im sozialen Umfeld, in einer Aufmerksamkeitsstörung als Teilleistungsstörung oder aufgrund der Diagnose ADS (Aufmerksamkheitsdefizitstörung) oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Voraussetzung für ein gezieltes Training ist daher eine genaue medizinische Abklärung und Diagnose, um ein gezieltes Therapiekonzept zu erstellen, innerhalb dessen ein Neurofeedback-Training stattfinden kann. Ein ganzheitlicher Ansatz, der auch eine Unterstützung der Eltern und eine Kooperation mit der Schule mit einschließt, kann für einen gelingenden Transfer der gelernten Strategien in den Alltag wichtig sein. Die „Low-Arousal-Hypothesis“ besagt, dass Kinder mit der Diagnose ADHS eine zu geringe Aktivierung des Gehirns aufweisen. Im EEG zeigt sich dieses Phänomen durch einen vermehrten Anteil von langsamen Frequenzen (z. B. Theta) und einen verringerten Anteil an schnellen Frequenzen (wie z. B. Beta). In der Neurofeedback-Therapie wird häufig mit Theta/SMR- und Beta/SMRRatios, aber auch Theta-/Beta-Ratios und neuerdings mit den langsamen Potenzialen gearbeitet. Wesentlich bei jedem Biofeedback-Training ist die Interaktion und Beziehung zwischen Therapeut und Klient. In der täglichen Praxis hat sich gezeigt, dass Neurofeedback mit ADHD-Kindern die ständige Aufmerksamkeit des Therapeuten verlangt. Einerseits müssen die Schwellenwerte ständig angepasst und andererseits die Kinder motiviert werden. Es gibt im Neurofeedback keine klar definierten Strategien und Techniken, die zum Erfolg führen. Sie müssen mit jedem Patienten erarbeitet werden. Das ist im multimodalen Biofeedback anders. Hier können exakte Vorgaben sehr schnell zum gewünschten Erfolg führen, wie z. B. durch ein gezieltes Atemtraining uvm. Das Training beinhaltet vier Teilbereiche: ◉ das Vertrautmachen des Patienten mit den Elektroden ◉ das Erarbeiten einer Strategie und der Techniken ◉ der passende Feedbackmodus ◉ der Transfer in den Alltag Weitere Teilbereiche sind: ◉ Unterstützung, Beratung und Verhaltensregeln für die Eltern ◉ Kommunikation mit der Schule ◉ Kontakt mit dem behandelndem Arzt und/oder weiteren Therapeuten
Neurofeedback – Aufmerksamkeit und Lernen
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Das Training ist sehr zeitaufwändig, meist werden erste Erfolge erst um die 20. Sitzung sichtbar. Je öfter pro Woche das Training durchgeführt werden kann, desto schneller stellen sich auch die ersten Verbesserungen ein, da das Gehirn im Lernprozess ständig angeregt wird. Die Gesamtdauer wird mit 30–50 Sitzungen angegeben. Als grundlegende Trainingsempfehlung bei Aufmerksamkeitsstörungen gilt: ◉ C3-Training von Beta (mit Inhibierung von Theta) ◉ C4-Training SMR (bei Vorliegen einer hyperaktiven Komponente) mit Unterdrückung von Theta Neurofeedback ist eine sehr komplexe Angelegenheit und erfordert vom Therapeuten grundlegende Kenntnisse in Neurophysiologie und Hirnstruktur. Im einfachsten Fall wird mit einem Sensor gearbeitet, der am Skalp befestigt wird, und mit einer aktiven und einer Referenzelektrode am oder hinter dem Ohr. Eine besondere Herausforderung ist das QEEG, das sogenannte quantitative EEG. Dabei werden 19 und mehr Elektroden auf der Kopfhaut befestigt und das Gehirnwellenmuster evaluiert. Es erfordert eine Auswertung über eine dementsprechende Datenbank und gibt dem Therapeuten eine Hilfestellung für eine konkrete Therapie, die Lokalisierung des Problems und die Platzierung der Elektroden. Im Zentrum für praxisorientierte Aus- und Fortbildung Biofeedback/ Neurofeedback wird es eine Möglichkeit für Therapeuten geben, sich ein QEEG ihrer Patienten und Klienten erstellen zu lassen.
Abb. 32. Auf diesem Trainingsbildschirm (Mind Media) stehen die kleinen Raupen für Theta, SMR und Beta
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EEG-Biofeedback oder Neurofeedback
Langsame kortikale Hirnpotenziale (Slow Cortical Potentials, SCP) Bei Aktivität und kognitiven Leistungen entstehen negative Potenzialverschiebungen. Eine Selbstregulation dieser langsamen Hirnpotenziale erlaubt eine Steuerung des Erregbarkeitsniveaus. Abhängig ist sie von der Funktionstüchtigkeit präfrontaler Hirnstrukturen. Diese sind vor allem für antizipatorische Leistungen im Bereich Aufmerksamkeit und Verhalten zuständig. Langsame Hirnpotenziale haben eine Affinität zum Hautleitwert, der ja die Sympathikusaktivität rückmeldet. Bei mentaler Übererregung und hoher Erwartungshaltung erhöht sich das Aktivierungsniveau sichtbar. Eine Selbstregulation der kortikalen Erregungsschwellen unterstützt innere Ruhe und hilft die Anfallshäufigkeit bei Epilepsien zu senken. In einer Studie des Institutes für Medizinische Psychologie der Universität Tübingen wurde die Effizienz von Feedback der EEG-Frequenzen bei ADHS mit dem Einsatz von Feedback der langsamen kortikalen Potenziale verglichen. Beide Gruppen erzielten signifikante Erfolge im Verhalten, in der Aufmerksamkeit und in der Ausprägung des Intelligenzquotienten. Allerdings konnte die Gruppe, die die langsamen Potenziale trainierte, eine stetige Verbesserung zeigen, während die Gruppe der Kinder, die Theta-/Beta-Regulation trainierte, zwar schon eine deutliche Verbesserung in der ersten von drei Trainingsphasen erzielten, die sich allerdings danach nicht mehr steigerte. In den Trainingseinheiten lernen die Kinder, Aktivierungs- und Deaktivierungsphasen zu steuern.
Neurofeedback bei ADHS – Treffer mit Köpfchen Vorbemerkung – eine (bewährte) Vorgehensweise Ute Strehl
Der Auftrag für dieses Kapitel lautete, eine praktische Anleitung zu schreiben. Dabei sollte es nicht um die Praxis der Technik gehen, sondern – in Anlehnung an den Titel eines Buchs von Eric Berne um die Frage „Was mache ich, nachdem ich dem Kind ‚Guten Tag‘ gesagt habe?“ – um Hinweise, wie dem Kind das Neurofeedback nahe gebracht werden kann. Bei der Abfassung dieses Kapitels habe ich mich an meinen Erfahrungen im Rahmen unserer Forschungsarbeit orientiert. Nun gibt es zur Durchführung des Neurofeedbacks nicht nur unterschiedliche Geräte, sondern auch unterschiedliche Ziele, die nicht alle mit ein und derselben Instruktion erreicht werden können. Die im Folgenden geschilderten Vorgehensweisen sind nicht immer auf jedwede Technik generalisierbar. Sie haben sich bei unserer Arbeit bewährt. Hätten wir das alles schon vorher gewusst, wären uns einige Enttäuschungen erspart geblieben. Sie stellen wichtige Leitlinien dar, die im Bedarfsfall auf die konkrete Technik, das Trainingsprogramm und vor allem aber auf das jeweilige Kind angepasst werden können.
Neurofeedback bei ADHS – Treffer mit Köpfchen
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Warum bin ich hier? Motivation zur Therapie
Einige Kinder mögen bereits in ärztlicher, psychotherapeutischer oder anderer Behandlung aufgrund ihrer ADHS (gewesen) sein. Spätestens jetzt sollte man mit ihnen darüber sprechen, dass ihre Hyperaktivität oder Unaufmerksamkeit immer wieder Anlass für Ärger und Streit im Elternhaus, in der Schule oder im Umgang mit anderen Kindern gibt. An dieser Stelle ist es wichtig, dass die Kinder verstehen, dass hieran weder sie noch andere „schuld“ sind, sondern es daran liegt, dass ihr Gehirn etwas anders arbeitet als bei Kindern, die diese Probleme nicht haben. Eine mögliche Metapher wäre, dass das wie mit den PS bei Autos ist, die u. a. bestimmen, wie schnell ein Auto fahren kann. Manche Kinder bekommen dann zusätzliche PS durch die Einnahme von Medikamenten. Man kann aber auch lernen, sein Gehirn selbst zu beeinflussen, damit es schneller oder wacher ist. Ein wacheres Gehirn ist dann konzentrierter und bekommt mehr von dem mit, was passiert. Wenn das Kind bereit ist, sein Gehirn wie ein Auto zu „tunen“, dann ist die nächste Frage, wie das geht. Bei hyperaktiven Kindern kann man noch darauf hinweisen, dass das Herumgezappele ja schon ein Versuch war, mehr PS zu bekommen, nur leider ohne Erfolg. Wie aber dann?
Am Computer spielen ohne die Hände – wie soll das gehen? Instruktionen
Computerspiele sind den meisten Kindern bekannt. Sie kommen voller Zuversicht in die Praxis und erwarten, dass sie hier viel Spaß haben werden. Wenn sie feststellen, dass sie keine Maus oder Tastatur zur Verfügung haben, sind sie meist sehr überrascht. Eine mögliche, erste Instruktion könnte wie folgt lauten: Dieses Training soll Kindern, die Probleme haben, helfen, aufmerksam zu sein, abwarten zu können, bis sie an der Reihe sind, und konzentriert zu arbeiten. Du kennst das wahrscheinlich auch. Das kann daran liegen, dass dein Gehirn nicht richtig „mitspielt“. Deshalb kannst du in unserem Training mit Hilfe eines Computerspiels lernen, deine Gehirnaktivität zu verändern. Zu Beginn des Trainings werden dir Elektroden auf den Kopf geklebt. Diese Elektroden melden die Aktivität des Gehirns an den Computer, und der steuert dann damit das Objekt auf dem Bildschirm. Die Veränderung des Objekts auf dem Bildschirm steuerst du also allein durch das, was du denkst oder dir vorstellst. Da es keinen bestimmten Gedanken gibt, darfst du ausprobieren, womit du das am besten hinbekommst. Wichtig ist, dass du das allein mit deinem Gehirn machst, also nicht mit den Händen, durch Bewegungen oder die Atmung.
An dieser Stelle hängt die Instruktion von der jeweiligen Software ab. Häufig dürfen die Kinder sich auch aussuchen, welches Objekt sie steuern oder welches Spiel sie spielen möchten. Bei den Programmen zum kontinuierlichen Feedback
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der oszillatorischen Aktivität (bei ADHS meistens Theta und Beta) besteht die Aufgabe meistens darin, Objekte größer (mehr Aktivität) oder kleiner (weniger Aktivität) werden zu lassen. Ein Training zur Kontrolle der langsamen Potenziale ist diskontinuierlich. Hier sind kurze, phasische Veränderungen gefordert, die meist in der Bewegung eines Objekts über Abb. 33. Selbstbild von Pia während den Bildschirm zurückgemeldet werden. des Neurofeedbacktrainings Eine weitere Besonderheit beim Training der langsamen Potenziale besteht darin, dass nicht nur der förderliche Zustand (bei ADHS die Verringerung der Erregbarkeitsschwellen durch eine kortikale Negativierung), sondern auch der entgegengesetzte Zustand hergestellt werden soll, nämlich die Hemmung von Erregung. Entsprechend wird folgende Instruktion gegeben: Du wirst auf dem Bildschirm sehen, dass du das Objekt (den Vogel, das Flugzeug) mal nach oben fliegen lassen sollst und mal nach unten. Dies funktioniert dadurch, dass du dein Gehirn in zwei verschiedene Zustände bringst. Um den Vogel (o. Ä.) nach oben fliegen zu lassen, muss dein Gehirn etwas anderes tun, als wenn der Vogel nach unten fliegen soll. Manche Kinder stellen sich für „nach oben“ etwas Aufregendes vor. Nach unten lenken sie den Vogel (o. Ä.) eher mit einem ruhigen, langweiligen Bild.
Für alle Programme gilt dann weiter: Du darfst jeweils etwa 15 Minuten lang versuchen, deine Gehirnaktivität zu beeinflussen. Während des Trainings ist es sehr wichtig, dass du ganz ruhig sitzt und so gut wie möglich dem Computerspiel folgst. Wenn du dein Gehirn in die richtige Richtung lenkst, dann bekommst du Punkte, die du gegen eine kleine Belohnung eintauschen kannst. Manchmal lernen Kinder sehr schnell, ihr Gehirn zu beeinflussen. Manchmal dauert es aber auch viele Trainingssitzungen, bis man den richtigen Weg gefunden hat. Deshalb kann das Training ab und zu auch sehr enttäuschend und anstrengend sein. Wenn du dann aber die ersten Erfolge siehst, wird dir das Training wieder Spaß bereiten.
Die erste Sitzung wird auch dazu benutzt, die Kinder mit der Technik vertraut zu machen. Sie dürfen bei den Vorbereitungen helfen. Wenn die Elektroden an den Verstärker angeschlossen sind, kann man sie in das Gel stecken und auf diese Weise Signale produzieren. Man kann auch das Anlegen der Elektroden und die Vorbereitungen der Haut demonstrieren und auf diese Weise mögliche Ängste nehmen. Wenn die Kinder dann verkabelt sind, findet die erste Sitzung als Probelauf statt. Jetzt sollte man auch ausprobieren, womit sich Artefakte produzieren lassen und erklären, dass man sich auf diese Weise selbst behindert und die Aus-
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sichten auf Punkte verschlechtert. Bei manchen Kindern braucht es unter Umständen einige Sitzungen, in denen es zunächst nur darum geht, Artefakte zu vermeiden. Für die ersten Sitzungen ist es ratsam, die Schwelle für den Erfolg so niedrig zu halten, dass sie möglichst oft überschritten werden kann. Diese Schwelle ist über die Software einzustellen und sollte flexibel selbst im Verlauf einer Sitzung verändert werden können.
Die Durststrecke – Frustrationen und Motivation So spannend die ersten Sitzungen sein mögen, mit der Zeit stellen sich Langeweile und Frustration ein, insbesondere wenn die Erfolge auf sich warten lassen. In der Literatur findet man eine Spannbreite von 8 bis nahezu 150 Sitzungen (vgl. Strehl U, et al., 2006). Hier werden vor allem Erfahrungswerte gehandelt, die in verschiedenen Studien gewonnen wurden. Wünschenswert wäre eine Orientierung an einem Kriterium, das erreicht werden muss, um das Training zu beenden. So haben sich Monastra et al. (2002) u. a. an der Normalisierung der Leistung in einem Aufmerksamkeitstest orientiert. Vermutlich sind weniger als 30 Sitzungen nicht ausreichend, sehr viel mehr Sitzungen lassen sich häufig weder mit dem Geldbeutel noch mit dem Zeitbudget der Familien vereinbaren. Während sich bei einem Frequenztraining Erfolge nach unserer Beobachtung früher einstellen, braucht es bei einem Training der langsamen Potenziale mehr Sitzungen; dafür hält die Fähigkeit zur Selbstkontrolle möglicherweise länger an (Leins U, 2005). Vor allem pragmatisch und unter Berücksichtigung allgemeiner Lerngesetze wird daher ein Trainingsschema empfohlen, in dem die ersten 10–20 Sitzungen eher im Block und die folgenden zunächst im wöchentlichen Rhythmus durchgeführt werden. Später könnte man Auffrischungssitzungen in größeren Abständen anbieten. Für die erste Trainingsphase eignen sich auch Feriencamps. Bei der Förderung der Motivation ist je nach Trainingsabschnitt unterschiedlich vorzugehen. Während die Kinder anfangs ermutigt werden müssen, über Versuch und Irrtum die passenden Strategien zu finden und sich von Misserfolgen nicht beeindrucken zu lassen, braucht es nach den ersten 10 Sitzungen Aufmunterung, damit die Kinder überhaupt weiter kommen. Hier bietet sich ein gestuftes Belohnungssystem an, in dem die Kinder nicht nur für „Treffer“ belohnt werden, sondern auch dafür, dass sie jetzt schon an so vielen Sitzungen teilgenommen haben. Wenn man das Training z. B. in drei Phasen teilt, dann kann man je nach Phase einen, zwei oder drei Bonuspunkte zusätzlich geben. Die wichtigere intrinsische Motivation lässt sich dadurch stärken, dass die Kinder erste (positive) Erfahrungen mit der gezielten Steuerung ihrer Hirnaktivität z. B. in der Schule machen. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit gilt allgemein als wichtiges Ergebnis eines Biofeedback-Trainings.
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EEG-Biofeedback oder Neurofeedback
Der Spickzettel – Transfer in den Alltag Reicht der Erfolg am Computer aus, um die Selbstkontrolle im Alltag wirksam werden zu lassen? Diese Frage ließe sich erst empirisch beantworten, wenn man das EEG in den entsprechenden Situationen ableiten könnte. Unabhängig davon, dass ein solcher Nachweis derzeit nicht geführt werden kann, erscheint es plausibel, möglichst viel dafür zu tun, dass ein Transfer in den Alltag unterstützt wird. Hierzu bieten sich verschiedene, einander ergänzende Vorgehensweisen an: ◉ Transfer-Übungen im Labor: Bereits während des Feedback-Trainings kann man Durchgänge anbieten, in denen nur die Aufgabe und das Ergebnis („gut gemacht“) gezeigt werden und das unmittelbare Feedback (Darstellung der Hirnaktivität im gewählten Parameter) ausgeblendet wird. Es wird angenommen, dass hierdurch die Selbstwahrnehmung gefördert wird und die Kinder frühzeitig darauf eingestellt werden, die Selbstkontrolle auch ohne technische Unterstützung durchzuführen. ◉ Wenn sich im Labor erste Erfolge zeigen, wird mit dem Kind überlegt, in welchen Situationen des Alltags diese Fertigkeit nützlich sein könnte. Für einige dieser Situationen wird vereinbart, dass das Kind hier die im Labor erfolgreichen Strategien einsetzt. Ein „Spickzettel“, der den Bildschirm bei der erfolgreichen Bewältigung der Aufgabe zeigt, soll in diesen Situationen als eine Art Hinweisreiz benutzt werden. Dieser Spickzettel darf nach Rücksprache mit der Schule z. B. auch bei Klassenarbeiten auf dem Tisch liegen. ◉ Gegen Ende des Trainings kann das Kind unter Anleitung des Therapeuten ein Stück seiner Hausaufgaben erledigen. Die Anleitung besteht dabei lediglich darin, das Kind immer wieder dazu anzuhalten, mit oder ohne Spickzettel das Gehirn zu aktivieren.
Und sonst? – Anforderungen an den Therapeuten Die Studien zum Neurofeedback unterscheiden sich hinsichtlich der Bereitstellung zusätzlicher therapeutischer Angebote. Während Monastra et al. (2002) auch eine eingehende Beratung der Eltern und eine zusätzliche schulische Betreuung vorsahen, beschränkte sich die Tübinger Studie (Leins U, 2004) weitgehend auf das Training der Kinder. Im Einzelfall gab es bei dringendem Bedarf seitens der Eltern auch Beratungsgespräche, der Schwerpunkt lag aber ausschließlich auf dem Neurofeedback. Die positiven Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass ein multimodales Angebot nicht erforderlich ist. Für Eltern, die eine Beratung im Umgang mit ihren Kindern wünschen oder deren Erziehungsstil eher ungünstig ist, könnte die Teilnahme an einem Elterntraining (z. B. Triple-P nach Sanders MR, 1999) hilfreich sein. Ein Neurofeedback-Training beinhaltet einen Lernprozess nicht nur zur Kontrolle bestimmter Parameter der Hirntätigkeit. Zusätzlich machen die Kinder eine Menge anderer Erfahrungen: sie lernen, sich besser wahrzunehmen, sich zu kontrollieren, Misserfolge zu überstehen, um am Ende sich selbst am Schopf aus
Neurofeedback bei ADHS – Treffer mit Köpfchen
vielfältigen Schwierigkeiten ziehen zu können. Damit unterscheidet sich dieses Training von jeder anderen körperlichen Anwendung, bei der ein Patient für eine Zeit an eine Maschine angeschlossen wird, damit diese Maschine sein Problem löst. Hier lernt das Kind mit Unterstützung einer Maschine, aber jede Veränderung kommt von ihm selbst. Das bedeutet, dass das Kind bei diesem Lernprozess genauso viel oder sogar mehr Unterstützung als bei jedem anderen Lernvorgang braucht. Die richtige Technik und die richtige Software sind daher nur eine notwendige, keinesfalls aber hinreichende Voraussetzung für die Durchführung eines Neurofeedback-Trainings. Hinzukommen muss ein kompetenter Trainer, der in der Lage ist, nicht nur die Technik zu bedienen, sondern der dem Kind vor allem bei allen Schwierigkeiten des Lernprozesses auf dem Weg zur Selbstkontrolle zur Seite stehen kann.
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Weitere Biofeedbackanwendungen
Rehabilitation Das neuromotorische System, das wie ein Regelkreis funktioniert, kann durch verschiedene Schädigungen gestört werden. Dadurch kann es zu komplexen Störungen von Muskelfunktionen kommen, die sich in drei Bereiche einteilen lassen: 1. Lähmungen (Verlust der Willkürkontrolle) 2. anomale Muskelaktivitäten (Krämpfe, Spastiken, Tremor usw.) 3. Störungen von komplexen Bewegungsabläufen Die häufigsten Erkrankungen stellen dabei der Schlaganfall und/oder traumatische Hirnverletzungen dar, die die Funktion des zentralen sensorisch-motorischen Kontrollsystems unterbrechen und zu einer Vielzahl von motorischen Problemen führen, wie z. B. Plegie, Spastik, Tremor und Ataxie. In einigen Fällen sind die Beeinträchtigungen relativ mild und können durch eine Kombination von rehabilitatorischen Maßnahmen, gepaart mit einer spontanen Gesamtverbesserung, zur Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit beitragen. Sobald aber die Defizite in der Funktionsfähigkeit länger bestehen, bietet sich Biofeedback-Training an. In der Rekonvaleszenz versucht das Gehirn die Kontrolle über die motorischen Funktionen wiederzuerlangen. Biofeedback macht diese Versuche sichtbar und hilft den Betroffenen, die Kontrolle über die Muskelaktivität zu verbessern und/ oder wiederzuerlangen. In der neuromuskulären Rehabilitation ist Biofeedback in dreierlei Hinsicht für den Patienten hilfreich: 1. Biofeedback unterstützt die Wahrnehmung sensorischer Informationen. 2. Biofeedback fördert den Gebrauch anderer neuronaler Strukturen. 3. Biofeedback macht unangemessene motorische Reaktionen bewusst (Bach-YRita, 1983). In der Rehabilitation wird eine multikanal-computerunterstützte OberflächenElektromyographie (sEMG – Surface Electromyography) verwendet. Aufgezeichnet werden kann die motorische Aktivität mit zwei, vier oder mehr Sensoren. Der Vorteil der Arbeit mit Biofeedback liegt darin, dass minimale Veränderungen in der motorischen Aktivität am Computerbildschirm sichtbar gemacht werden, auch dann, wenn sie nicht gefühlt werden können. Man vermutet, dass bei zentralen und peripheren Lähmungen, durch Biofeedback die Bahnung physiologischer Reorganisationsprozesse gefördert werden kann. Geschult wird die Wahrnehmung kleinster Prozesse, die unbewusst ablaufen und unter motorische Kontrolle gebracht werden sollen (Müller F et al., 2000). Bei motorischen Störungen sind dabei zwei Anwendungsbereiche zu beachten: 1. Das Wahrnehmen und Identifizieren von Muskelaktivität: z. B. wird bei einer Halbseitenlähmung immer auch die gesunde Seite mit dem EMG verkabelt und so die Aktivität dieser Seite rückgemeldet. Der Patient lernt dadurch, wie die Bewegung ablaufen soll, wie sich das Muskelfeedback am Bildschirm anhören (bei akustischem Feedback) oder wie es aussehen (bei visuellem Feedback) soll.
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Weitere Biofeedbackanwendungen
2. Das Erlernen von Bewegungsabläufen: Natürlich muss beim Wiedererlernen von motorischen Funktionen darauf geachtet werden, dass die motorische Aktivität in einen sinnvollen Handlungsablauf integriert wird (z. B. beim Umgang mit einer Prothese oder beim Wiedererlernen der Trinkbewegung aus einem Glas etc.). Die unendliche Plastizität des Gehirns erlaubt mittels Biofeedback auch dort noch Lernfortschritte, wo man es nicht für möglich halten würde. Notwendig für eine gezielte Anwendung ist jedoch das gute Zusammenarbeiten der behandelnden Ärzten, Physio- und Biofeedbacktherapeuten. Die Anwendung des EMG-Biofeedbacks ist bei motorischen Störungen sehr komplex und individuell ausgerichtet. Neue Unterwasserelektroden ermöglichen die Erweiterung der therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten.
Abb. 34. Unterwasserelektroden (Thought Technology)
Enkopresis Enkopresis (Einkoten, Entleerung von Stuhl unter unangemessenen Umständen, oft verbunden mit chronischer Verstopfung und sehr hartem Stuhl) ist eine häufig tabuisierte und vernachlässigte Störung des Kindesalters. Das Einkoten geschieht meist bei Tag, weniger in der Nacht. Die Kinder verhalten sich danach in der Regel sehr ruhig und werden nur durch ihren unangenehmen Geruch auffällig. Den Stuhldrang bemerken die Kinder nicht. Die schmutzige Wäsche wird meist aus Scham versteckt. Feststellen lässt sich auch eine Aggressionshemmung bei überangepasstem Verhalten und altersuntypischer Abhängigkeit von den Eltern. Der Leidensdruck der Kinder und Eltern ist groß. Fast 1–2 % aller Schulkinder ist davon betroffen. Betrachtet man ungefähr achtjährige Kinder, so liegt die Häufigkeit der Störung bei ungefähr 1,5 %, wobei das Problem häufiger bei Knaben auftritt als bei Mädchen. Wie beim Einnässen unterscheidet man auch hier zwischen primären (nach
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dem dritten Lebensjahr) und sekundären Formen, nachdem die Kinder bereits sauber waren. Als Ursache wird oft eine nervöse Anspannung genannt, die einen deutlichen Zusammenhang mit einer Störung im Leistungsverhalten aufweist. Das wird meist sehr deutlich, wenn es während der Ferienzeit zu keinem Einkoten kommt. Je nachdem, ob die Störung als monosymptomatische Erkrankung auftritt oder Teil einer umfassenden Störung ist, wie z. B. einer emotionalen Störung oder einer Störung des Sozialverhaltens, wird Biofeedback in der Behandlung von Enkopresis als Mittel erster Wahl oder auch als adjunkte Therapieform verwendet. Trainiert wird das Wahrnehmen verschiedener Empfindungen von zuwenig rektaler Spannung, das Training der betroffenen Muskeln, die Synchronisation von interner und externer analer Sphinkteraktivität und die Erhöhung der Sensibilität der Stuhlfüllung im Rektum. Biofeedback wird hier dazu verwendet, die physiologischen Ursachen verständlich darzustellen, wie z. B. einen schwachen externen analen Sphinktermuskel. Aufgrund der Komplexität der Störung kann Biofeedback auch im Rahmen der weiterführenden therapeutischen Maßnahmen eingesetzt werden, wie z. B. Angststörung, Stressmanagement uvm. (Culbert TP, 2003).
Enuresis Enuresis bedeutet häufiges nächtliches Einnässen nach dem vollendeten fünften Lebensjahr ohne sonstige Symptome. Davon betroffen sind 15–20 % der Fünfjährigen, 5 % der zehnjährigen und 1 % der Erwachsenen. Es handelt sich um eine Krankheit, und Studien zeigen eine Korrelation zwischen Bettnässen und Belastungen auf. Ein kompliziertes Zusammenspiel wichtiger organischer, reifungsbedingter, psychischer und sozialer Fertigkeiten regelt und kontrolliert die Blasenentleerung. Enuresis kann (muss aber nicht) mit einer Verhaltensauffälligkeit (Störungen im Sozialverhalten, hyperkinetisches Syndrom) und emotionalen Störungen (Angst, Depression) einhergehen. Es gibt verschiedenste Formen der Störung, wobei hier nur die wichtigsten, die bei Tag bzw. bei Nacht einnässenden Kindern vorkommen, genannt werden: ◉ die idiopathische Dranginkontinenz: Sie wird durch unwillkürliche Kontraktionen des Blasenmuskels ausgelöst. Die Kinder leiden unter einem häufigen Wasserlassen und überstarkem Harndrang und versuchen durch verschiedene Techniken, den Harndrang zu stoppen. ◉ die Harninkontinenz bei Miktionsaufschub: Die Kinder verweigern das Wasserlassen und zögern es durch verschiedene Haltetechniken hinaus. Es handelt sich dabei um eine psychische Verweigerungshaltung ohne weitere Verhaltensauffälligkeiten. ◉ die Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination: Während des Wasserlassens wird der Schließmuskel der Blase nicht entspannt, sondern angespannt. Die Blase kann
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nur mit hohem Druck entleert werden. Es handelt sich um ein angelerntes Verhalten. Der Detrusor ist ein Muskel, der entspannt ist, damit sich die Blase füllen kann, der Sphinkter ist ein Schließmuskel. Die Steuerung der Muskulatur übernimmt das autonome Nervensystem. Der Sympathikus hält den Detrusor während der Urin-Sammelphase entspannt, damit sich die Blase füllen kann, und hält den Schließmuskel gespannt, damit die Blase dicht hält. Bei einer Urinmenge von 200 bis 400 Milliliter wird der Harndrang an das Gehirn gemeldet, und der Parasympathikus spannt den Detrusor und entspannt den Schließmuskel; die Blase kann sich entleeren. Biofeedback wird in der Therapie verschiedentlich eingesetzt. Bei der Behandlung der Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination ist die Biofeedbacktherapie am effektivsten. Dem betroffenen Kind wird der Harnfluss und die Anspannung im Beckenboden (während des Wasserlassens) über spezielle Apparaturen optisch oder über Geräusche rückgemeldet. Das Ziel ist dabei eine bewusste Wahrnehmung und Kontrolle von körperlichen Abläufen, die sonst nicht wahrgenommen werden. Ein weiterer Einsatz von Biofeedback ist die Klingelmatratze oder Klingelhose. Es ist hier das Mittel der ersten Wahl, und 70 % der Kinder erlernen eine Kontrollfunktion über ihre Blase. Es ist ein Trainingsprogramm aus der Verhaltenstherapie. Über einen Fühler wird bei Feuchtigkeit ein Signal ausgelöst, welches das Kind weckt und zum Toilettengang auffordert. Trainiert wird das Wahrnehmen des Fülldrucks der Blase. Es handelt sich hierbei um ein Trainingsprogramm; das Kind darf auf keinen Fall bestraft werden, wenn es einnässt. Zu Beginn ist ein großer Aufwand nötig, da das Bett nach jedem Einnässen komplett trocken gemacht und das Klingelsignal wieder eingeschaltet werden muss.
Verhaltensstereotypien, mangelnde Impulskontrolle, Tics Verhaltenstherapeutische Maßnahmen und Selbstregulationstechniken, die Biofeedback inkludieren, können für Patienten mit mangelnder Impulskontrolle, Rumination (Wiederheraufwürgen von Nahrung im Gegensatz zu gedanklichem Wiederkäuen – im EEG messbar), Tics, Tourette-Syndrom, Nägelbeißen, Daumenlutschen u. Ä. eine große Hilfe darstellen. Diese Verhaltensmuster scheinen automatisch abzulaufen, unfreiwillig, und sind für viele Kinder stress- oder angstbezogen. Einige Störungen, wie z. B. Ticstörungen, laufen unfreiwillig ab, können aber über eine geraume Zeit willentlich unterdrückt werden. Andere wieder, wie z. B. Nägelbeißen, passieren unter willentlicher Kontrolle. Sobald der Patient sein Verhalten bewusst wahrnimmt, kann er es auch meist unterlassen. Biofeedback ist in den verschiedensten Therapien als Mittel zur Wahrnehmungsund Verhaltensschulung vielfach einsetzbar, und zwar in allen der angeführten Behandlungsansätze:
Verhaltensstereotypien, mangelnde Impulskontrolle, Tics
◉ ◉ ◉ ◉
Stereotypes Verhalten: Training zu Verhaltensstopp und -änderung Angst/Stress: Entspannungstherapie mangelnde Selbstkontrolle: Ichstärke, Kontrollverhalten schwache somatische Wahrnehmung: Therapie zur Steigerung der Selbstwahrnehmung
Nehmen wir Daumenlutschen als Beispiel. Der erste Schritt des Trainings liegt in der Steigerung der Wahrnehmung, wann denn dieses Verhalten tagsüber am häufigsten auftritt. In diesen Zeiten soll besonders auf das eigene Verhalten geachtet und dann in einer Skala die Zeithäufigkeit des Lutschens eingetragen werden. Zuerst müssen die Wahrnehmung geschult und ein Bewusstsein dafür erzeugt werden, wie oft dieses Verhalten auftritt. Erst dann kann es gestoppt und verändert werden, wobei vorerst auf eine Ersatzhandlung umgestiegen wird, wie z. B. einen kleinen weichen Ball kneten, wenn der Drang zum Daumenlutschen vorhanden ist. Culbert (2003) berichtet über sehr gute Erfahrungen mit EMG-Biofeedback im Umgang mit Daumenlutschen, und zwar sowohl zur Steigerung der Wahrnehmung als auch zum Unterbrechen des automatisierten Verhaltens. Dazu werden Elektroden auf den Unterarm geklebt. Zur Rückmessung des EMGs wird eine Schwelle eingestellt und ein Feedbacksignal ertönt, wenn der Arm locker und entspannt im Schoß liegt. Sobald der Patient die Hand zum Mund bewegt, stoppt das angenehme Feedbacksignal. Je nach dem verwendeten Biofeedbackgerät können auch noch unterschiedliche Signale dazu auf dem Bildschirm eingeblendet werden, wie z. B. ein rotes Licht, ein Stoppschild o. Ä. Durch das Training erhöht der Patient seine Wahrnehmung für die Muskelanspannung und automatisierte Bewegung. Dadurch ist es möglich, die Bewegung stoppen zu lernen. Visualisierungsübungen und Imaginationsübungen zur Selbsthypnose unterstützen das Training. Die Therapie mit sehr ängstliche Patienten sieht noch weitere Biofeedbackparameter zum Training vor, um das sympathische Nervensystem zu beruhigen. Im Ärgermanagement und zur Impulskontrolle ist Biofeedback sehr hilfreich. Der Patient/Klient lernt verschiedene emotionale Zustände zu diskriminieren, zu stoppen und zu verändern. Diese Vorgangsweise passt sehr gut in jedes therapeutische Konzept, vor allem in die kognitive Verhaltenstherapie als Problemlösungsstrategie. Folgende Schritte werden trainiert: 1. Stopp! (Ausatmen und Loslassen, Hilfe holen mit dem Smilo) 2. Identifizierung des Problems (Smilo entlarvt das Monster) 3. Suchen nach passenden Lösungen (Kontrolle der psychophysischen Prozesse: ausatmen, Muskel entspannen/Beruhigung für ein klares Erfassen der Situation) 4. Auswählen der besten Strategie und Ausführung 5. Überprüfung der Handlungsaktion (Wie ist es mir gegangen, war meine Strategie erfolgreich?)
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Weitere Biofeedbackanwendungen
Die Kinder lernen, ihr impulsives Verhalten nicht auszuagieren, sondern Selbstregulationsmechanismen anzuwenden, sodass sie in der Lage sind, nach adäquaten Problemlösungsstrategien Ausschau zu halten und eine vernünftige Reaktion zu setzen.
Schlafstörungen, Asthma und Neurodermitis Schlafstörungen Einschlaf- und Durchschlafstörungen sind im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet. Laut Mindell (1993) sind 25 % betroffen. Das Thema ist komplex, und oft sind sowohl verhaltenstherapeutische Komponenten als auch eine sekundäre Neurotisierung aufgrund von psychischen Problemen daran beteiligt. Stress, Angst und eine überhöhte psychische Aktivierung stören ebenfalls den normalen Schlafrhythmus. Als Trainingsmethode hat sich Atem- und EMG-Biofeedback (Frontalis) und Handerwärmungstraining (Thermal Biofeedback) als besonders effizient erwiesen. Als ergänzende Maßnahmen haben sich für Kinder mit Schlaflosigkeit, Albträumen, Angst und Panikgefühlen in der Nacht hilfreiche Geschichten und Imaginationen bewährt.
Asthma Biofeedbacktraining passt sehr gut in die komplexe Behandlung von Asthma, und zwar deshalb, weil physische und psychische Faktoren und die Anfallshäufigkeit eng miteinander verbunden sind. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen, wie z. B. Lebensstiländerung und Stressreduktion, sind ein integrativer Bestandteil jeder Therapie. Beispiel Die Mutter eines elfjährigen Buben wird mit ihrem Sohn an mein Institut überwiesen. Die Diagnose des Buben lautet Asthma. Die Mutter ist sehr aufgebracht und lässt sich die Therapie erklären. Sie besteht dann darauf, die Therapie nach einer schriftlichen Anleitung selbst durchzuführen, denn ihr Sohn hätte leider keine Zeitressourcen mehr, da er dreimal in der Woche ein Fußballtraining und zweimal in der Woche noch Klavierunterricht habe und auch Zeit zum Üben benötige. Das war noch nicht der komplette Stundenplan des Jungen. Schon bei der Aufzählung des Tagesplanes war eigentlich schon verständlich, dass ihm einfach „die Luft wegbleiben“ musste. Stress und Leistungsdruck haben den Krankheitsverlauf stark beeinflusst und die Anfallshäufigkeit verstärkt.
Emotionale Faktoren spielen bei vielen Kindern eine entscheidende Rolle und können Asthmaanfälle auslösen. Das Ziel von Biofeedbacktraining ist es, die Wahrnehmung für eine steigende psychische Belastung zu schulen und Selbstregulationstechniken für eine aktive Entspannung im Vorfeld zu entwickeln, um
Biofeedback für kleine Künstler
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einen Anfall abfangen zu können oder den Anfall abzuschwächen. Besonders bewährt haben sich bifrontales EMG-Biofeedback (Frontalis), Atemfeedback (inklusive Pneumographie und Capnographie) und Herzratenvariabilitätstraining.
Neurodermitis Für Neurodermitis gilt das für Asthma Gesagte. Psychische Faktoren können die Beschwerden intensivieren. Die Kinder lernen, die Hauttemperatur der betroffenen Hautstellen zu senken, um den Juckreiz im Akutfall abzuschwächen. Im Vorfeld werden Atmung, Hautleitwert und EMG-Biofeedback trainiert.
Biofeedback für kleine Künstler Wer einmal ein großer Meister werden will, muss schon in jungen Jahren beginnen, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu schulen. Dieses Training sollte sich aber nicht nur auf das jeweilige Musikinstrument beziehen, sondern auch auf den Körper selbst, denn um eine großartige Leistung erbringen zu können, müssen die entsprechenden Muskeln des Körpers und seine Psyche genauso trainiert werden wie das Instrument selbst. Besondere Beachtung sollte man auch der Tatsache schenken, dass Künstler eine hohe Sensibilität für psychische Beschwerden in sich tragen, wie z. B. Stimmungsschwankungen, Angst, Auftrittsangst, Persönlichkeitsprobleme, Abhängigkeiten, Schlafprobleme, Essstörungen und stressbezogene Beschwerden (Nagel JJ, 1998; Ostwald P et al., 1998). Das Ausmaß der Beschwerden erwachsener Künstler ist bekannt. Um so wichtiger ist es, eine entsprechende Prävention bei ganz jungen Künstlern zu betreiben und adäquate Techniken zu schulen. Dabei sind zwei Anwendungsbereiche besonders hervorzuheben: 1. EMG-Biofeedback: Trainiert werden das richtige Entspannen der Muskulatur, bestimmter Muskeln, das Verhindern von Überanspannung und Verkrampfung während eines Auftrittes sowie das richtige Einsetzen von kleinen Mikropausen während eines Musikstückes. 2. Multimodales Biofeedback zur Reduktion von psychischer Überanspannung, Auftrittsangst und stressbezogenen Beschwerden. Handerwärmungstraining (Thermal Biofeedback) ist besonders geeignet. Zinn (2002) konnte nachweisen, dass die Handtemperatur bei Pianisten signifikant unter dem Durchschnitt von Nichtpianisten liegt. Stress wirkt sich besonders auf die künstlerische Darbietung aus. Besonders störend sind Herzklopfen, ein Tremor (Hände, Füße), Kurzatmigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Kinder, die schon in sehr jungen Jahren ein kontinuierliches Training absolvieren, profitieren ein Leben lang von gelernten Stressmanagement- und Selbstregulationstechniken. Was dies für die zukünftige Laufbahn als Künstler oder Künstlerin bedeuten kann, ist evident.
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Weitere Biofeedbackanwendungen
Biofeedback und Selbstregulation im Sport Während Künstler während eines Auftrittes auch eine sehr herausfordernde Leistung kognitiver Art bringen müssen, ist es bei Sportlern etwas anders. Während einer sportlichen Leistung ist es einerseits besonders wichtig, das im Training einstudierte Wissen frei, ohne zuviel inneren Dialog, „einfach laufen“ zu lassen (Flow; Csiksentmihalyi M, 2000) und andererseits mental stark, frei von Ärger, Angst oder Versagensgefühlen zu sein. Die Trainingsmöglichkeiten mit Biofeedback sind hier sehr vielfältig und jederzeit individuell anpassbar. 1. EMG-Biofeedback: eignet sich für das Erlernen von notwendigen Bewegungsabläufen, für Entspannung und Regeneration bestimmter Muskeln oder Muskelgruppen. 2. Hautleitwert-Biofeedback: trainiert das richtige Aktivierungsniveau (zuviel Aufregung ist nicht gut, zuwenig schadet aber ebenfalls), das Stoppen des inneren Dialoges und ist integrativer Bestandteil jedes Mentaltrainings. 3. Handerwärmungs- und Hautleitwerttraining: als Entspannungstraining und zur Einstellung des passenden Aktivierungsniveaus. 4. Herzratenvariabilität: zur Erhaltung der inneren Balance. 5. Selbstregulation aller messbarer Parameter ist die Basis für ein gelingendes Stressmanagement, Erhaltung der Konzentration und Einteilung der Ressourcen. 6. Neurofeedback: wird als Trainingsmethode zur Aufmerksamkeitssteuerung immer bedeutender. Besonders vorteilhaft für den Sportler oder die junge Sportlerin ist es, wenn der Biofeedbacktrainer/-therapeut mit dem Trainer oder Coach eng zusammenarbeitet und wenn Trainingsmaßnahmen und Techniken für die individuellen Bedürfnisse ausgearbeitet und geschult werden können. Ergänzend zum Biofeedback eignen sich altersadäquate Visualisierungsübungen und positive Imaginationen zur Selbstregulierung, als Verhaltenstraining und/oder Wettkampfvorbereitung.
Stress und Trauma Daniel Hamiel
Der Einsatz von Biofeedback, kognitiver Verhaltenstherapie und Achtsamkeit für ein integratives und balanciertes Coping bei Kindern
Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT; Cognitive Behavioral Therapy) ist eine effiziente Therapie für Kinder, die unter einer Angstsymptomatik oder Symptomen leiden, die mit Traumata in Beziehung stehen, aber keine eindeutige Diagnose einer Posttraumatischen Stressreaktion (PTSD; Post Traumatic Stress Disorder) zulassen. Einige neue Ansätze scheinen die Erfolge der CBT noch zu übertreffen. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass die kognitive Verhaltenstherapie in der Behandlung von Angststörungen und PTSD nicht immer ausreicht. Aus diesem Grund wird hier ein integrativer Ansatz vorgestellt. Zusätzlich zu den Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie werden physiologische Komponenten und Achtsamkeit miteinbezogen, um die Therapie effizienter zu gestalten. Obwohl diese Therapie für Kinder entwickelt wurde, die sich in traumatischen Situationen befunden haben, ist dieser integrative Ansatz generell für Kinder und auch für Erwachsene anwendbar. Im Folgenden wird das Rationale für diesen integrativen Ansatz besprochen und anhand eines Fallbeispiels A, eines Mädchens dargestellt, das in einem Umfeld lebt, wo traumatische Situationen an der Tagesordnung stehen.
Kognitionen Dr. David Servan-Schreiber (2005) zitiert in seinem Buch „The Instinct to Heal: Curing Depression, Anxiety, and Stress Without Drugs and Without Talk Therapy“ einen tibetanischen Physiker, der argumentiert, dass die Menschen in der westlichen Kultur physiologische Symptome eines mentalen Problems (wie Müdigkeit, Gewichtszunahme oder -abnahme, Veränderungen der Herzrate, Kopfschmerzen) als den physiologischen Aspekt eines mentalen Problems interpretieren. In der fernöstlichen Kultur ist es meist genau umgekehrt. Hier betrachtet man den Verlust des Selbstvertrauens, Traurigkeit und die Unfähigkeit, das Leben zu genießen, als den mentalen Ausdruck eines physiologischen Problems! Der Physiker sieht es als einzig richtigen Weg, Verständnis dafür zu haben, dass physiologische und mentale Symptome zwei Aspekte einer Person darstellen, die sich nicht in Balance befindet. Die Wissenschaft betrachtet diese Zweigeteiltheit von einem anderen Blickpunkt. Das Konzept des Joseph LeDoux (1996) von zwei Gehirnen und zwei Denkweisen wurde als universell betrachtet. Das eine Gehirn bezeichnet die kognitive, rationale Denkweise des Neokortex oder des präfrontalen Kortex, während der andere Teil das emotionale Gehirn des limbischen Systems interpretiert. Ersteres organisiert die externe Welt, die Wahrnehmung, Sprache, Aufmerksamkeit, Problemlösung und Planung. Letzteres ist verantwortlich für Gefühle und für das Überleben. Tief im Inneren sitzt die Amygdala, die Quelle der Angstgefühle und Angstreaktion. Ihre Aktivität ist unbewusst, instinktiv und reflexhaft. Das emotionale Gehirn ist nicht immer an Gedanken und Sprache gekoppelt, sondern viel mehr an das autonome Nervensystem und kontrolliert Gefühle. Emotionale Unruhe ist oft das Ergebnis von Störungen im Funktionskreis des
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Stress und Trauma
emotionalen Gehirns. Die Quelle dieser Störungen sind oft vergangene schmerzvolle Ereignisse. Sie sind größtenteils nicht auf die Gegenwart bezogen und verursachten in der Vergangenheit eine problematische physiologische Konditionierung und problematische kognitive Strukturen. Diese Erfahrungen kontrollieren Gefühle und Wahrnehmungen durch die kognitiven Strukturen, die sie in der Vergangenheit bildeten. Sie beeinflussen aber auch direkt, ohne die Vermittlung der Kognitionen, das emotionale Gehirn. Das ist möglich, weil die emotionalen Zentren des Gehirns erreicht werden können, ohne den Neokortex und die Kognition zu passieren. Dieses Phänomen kann man bei der PTSD erkennen, bei der die Reaktion des Patienten durch externe Schlüsselreize ausgelöst wird, die mit dem Trauma in Beziehung stehen, ohne dass Kognitionen daran beteiligt sind. Dieselbe Reaktion kann bei spontanen Panikattacken auftreten, die bei Panikstörungen beobachtet werden, bei denen keine Kognitionen oder andere Trigger daran beteiligt sind. Obwohl die kognitive Verhaltenstherapie in der Behandlung dieser Symptome sehr effizient ist, bietet sie dennoch nicht genug (Van Balkom AJ, 1997). Eine Therapie soll dem Patienten helfen, auf die Gegenwart zu reagieren, nicht auf die Vergangenheit. Es wird ganz klar, dass die kognitive Komponente in einigen Fällen hier nicht mehr ausreicht. Einflüsse aus der Vergangenheit auf das emotionale Gehirn müssen gelöscht werden. Dieser Prozess involviert den Körper, denn die Kognitionen sind nicht immer direkt mit dem emotionalen Gehirn verbunden. Dieser Prozess wird begleitet von der zweiten Komponente in der Therapie, der physiologischen Komponente.
Die zweite Komponente in der Therapie: Physiologie Das Ziel in der Therapie liegt darin, die existierende sensible Wachsamkeit, Spannung und Reaktionsbereitschaft aufzugeben, deren Ursache in vergangenen Erlebnissen und Zukunftsängsten liegt. Die Vorgangsweise ist für Patienten mit Angststörungen nicht einfach und wird besonders erschwert, wenn sie in ein Traumageschehen involviert oder direkter Anlass für das Trauma sind. Die Spannung loszulassen und einen Zustand der Entspannung zu erreichen, ist für viele Patienten sehr erschreckend. Ein Gefühl der Unsicherheit und des Ungeschütztseins kann sich ausbreiten. Ein Körper-Geist-Zustand, der von einer Person, die nicht unter Angststörungen leidet, als sehr angenehm empfunden wird, kann von einem ängstlichen Menschen als sehr unangenehm und bedrohlich erfahren werden. Er hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, während andere sich entspannen. Diese negativen Seiteneffekte des „Letting-Go“ (des Loslassens) wird noch deutlicher bei Kindern. Ihr Bedürfnis nach Kontrolle ist ein Hauptbedürfnis, und Entspannung wird aktiver erlebt, wie z. B. durch Spiele. Dieser negative Seiteneffekt trifft vermehrt auf Kinder und Menschen zu, die von traumatischen Ereignissen betroffen sind.
Die zweite Komponente in der Therapie: Physiologie
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Die Rolle des Biofeedback in der kognitiven Verhaltenstherapie Biofeedback ist eine geeignete Methode für das Training des „Letting-Go“, um die negativen Begleiterscheinungen zu vermeiden. Während der Patient am Biofeedback das Loslassen trainiert, erfährt er gleichzeitig Kontrolle über seinen Körper! Kinder lieben besondere Entspannungstechniken, vor allem jene, die aktiv gestaltet sind und ihnen mehr ein Gefühl der Kontrolle vermitteln als der Entspannung. Das ist auch der Grund, weshalb es für sie wesentlich wichtiger ist, ein balanciertes Selbst zu erreichen als einen Zustand der Entspannung (das gilt auch manchmal für Erwachsene). Biofeedback hilft, dieses Ziel zu erreichen; besonders geeignet dafür ist das Herzratenvariabilitätstraining (HRV – Heart Rate Variability; McGraty R, 2002). Bei zu großer Anstrengung oder Gleichgültigkeit können die Kinder im Training keine Kontrolle erlangen. Das Ziel ist, Balance anzustreben und Kontrolle zu gewinnen. Das Herzratenvariabilitätstraining eignet sich deshalb als Trainingsmethode so besonders gut, weil es eine Balance ermöglicht zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem. Das erste Ziel im Biofeedbacktraining ist es, eine bessere Kontrolle zu erhalten. Das ist der Punkt, bei dem der Patient sein Bedürfnis nach totaler Kontrolle während des Loslassens aufgeben kann, aber doch noch das Gefühl der Kontrolle hat.
Balance und Akzeptanz in der kognitiven Verhaltenstherapie Die zweite Rolle des Biofeedbacktrainings ist die Unterstützung im kognitiven Veränderungsprozess. Aber welche Art der kognitiven Veränderung ist erwünscht? Innere Balance ist nicht nur ein physiologischer Prozess. Balance ist das Kernkonzept der CBT. Balance bedeutet nicht nur das Aufgeben von extremen Verhaltensmustern, sondern viel mehr, es ist ein kognitiver Prozess der Akzeptanz. Was bedeutet nun Annehmen in der CBT? Stephen Hayes (2001) hat einen neuen Ansatz in der kognitiven Verhaltenstherapie vorgestellt – bekannt als Acceptance and Commitment Therapy (ACT). Ich stelle hier nicht den gesamten Ansatz der Therapie vor, sondern nur Elemente, die ähnlich sind. Die Akzeptanz ist ein Hauptprozess in der CBT. Sie wird verstanden als ◉ das Annehmen der Realität, wenn diese nicht verändert werden kann. Statt mit aller Gewalt eine Situation beherrschen zu wollen, kann es angebracht sein, die Bedeutung, die man einer Situation gegeben hat, zu verändern. ◉ das Annehmen von Unsicherheit. Eine Person muss den Wunsch nach totaler Kontrolle verlassen und ein realistischeres Ziel anzustreben lernen – es muss vernünftig sicher sein, mit begründeten Zweifeln. ◉ das Annehmen eines notwendigen Leidens, um unnötiges Leiden zu vermeiden. Zum Beispiel kann eine Person eine Panikattacke pro Tag ertragen, die zehn Minuten dauert (= notwendiges Leiden). Sie sollte aber vermeiden, sich die ganze Zeit Sorgen zu machen, ob sie möglicherweise jeden Moment eine Panik-
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Stress und Trauma
attacke bekommen könnte, oder deprimiert zu sein, weil sie von Zeit zu Zeit eine Attacke bekommt (= unnötiges Leiden). ◉ das Annehmen der eigenen Person mit ihren Schwächen und Fehlern. Jeder Mensch sollte unproduktive Kritik meiden und sie durch Verständnis und Verantwortung ersetzen.
Akzeptanz kann Furcht erzeugen Menschen – besonders Kinder – mit einem starken Bedürfnis nach Kontrolle können sich darüber Sorgen machen, dass das Annehmen einer unerwünschten, aber unvermeidbaren Situation bedeuten könnte, dass sie aufgeben und die Bewältigungsstrategien einstellen. Sie würden lieber einen hoffnungslosen Kampf führen, als aufzugeben und sich als Verlierer zu fühlen. Auf jeden Fall würden sie sich für ihren Misserfolg kritisieren. Sie haben Angst, dass sie, sollten sie ihre Kritik aufgeben, niemals ihre Ängste bewältigen und sich ändern könnten. Tatsache ist, dass eine fortwährende Kritik den Selbstwert schädigt und Apathie erzeugt, während Akzeptanz zu Verständnis, Übernahme von Verantwortung und Veränderungsprozessen führt.
Physiologische und kognitive Akzeptanz Um solch einen Zustand des Annehmens erreichen zu können, müssen Kopf und Geist zusammenarbeiten. Die zweite Rolle des Biofeedback ist es, ein Fenster zu öffnen, um einen Zustand des Loslassens zu erreichen, in dem die Person fähig ist, sich das Annehmen zu erlauben und Veränderungsprozesse zu beginnen. Das Biofeedbacktraining unterstützt den Körper, die physiologische Spannung zu lösen, die die negativen Gefühle umklammert; es hilft der Person, ihre Spannung loszulassen und zu einem Zustand des Annehmens zu gelangen. (Biofeedback hat generell und im Besonderen in der CBT ein größeres Aufgabengebiet, auf das aber hier im Speziellen nicht weiter eingegangen wird.)
Physiologische Akzeptanz Physiologisches Annehmen manifestiert sich in drei Körperprozessen: ◉ Muskelaktivität: Entspannen der Muskeln, während man auf einem Sessel sitzt, in einem Bett oder auf dem Boden liegt ◉ Atmen: langsames und gleichmäßiges Atmen mit dem Zwerchfell ◉ Blutfluss: das Fokussieren auf das Blut, während es durch die Finger fließt (normalerweise werden die Hände dabei wärmer)
Die dritte Komponente in der Therapie: Aufmerksamkeit
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Die dritte Komponente in der Therapie: Aufmerksamkeit Zwei der drei Elemente der integrativen Therapie wurden bereits besprochen: (1) die kognitive Komponente und (2) die physiologische Komponente. Der dritte Teil ist die Aufmerksamkeit; er bedeutet das Erzielen einer Akzeptanz durch das Verändern und Kontrollieren des Aufmerksamkeitsfokus.
Fallbeispiel A ist ein zwölf Jahre altes Mädchen. Sie kam zur Therapie, weil sie Angst hatte, mit dem Schulbus in die Schule zu fahren. Diese Art Ängste sind in Israel sehr oft vorhanden. Der Grund dafür sind die Terrorattacken, die im Zuge des Konflikts zwischen den Israelis und den Palästinensern stattfinden. Obwohl Busexplosionen an der Tagesordnung sind, waren doch die Schulbusse davon ausgenommen. A erklärte, sie fürchte, dass der Bus explodieren könnte. Es schien fast so, als würde sie um eine Garantie bitten, dass der Bus sicher ist, bevor sie einsteigen konnte. Der Gedanke, dass der Bus explodieren könne, war eine Realität für sie. Die Bedrohung basierte auf ihrer Erfahrung in der Vergangenheit und ihrem Wissen (über viele Terroranschläge auf die Bevölkerung). Sie befürchtete, dass es in Zukunft passieren würde und vor allem, dass es ihr passieren würde.
Die Ziele der kognitiven Verhaltenstherapie waren: ◉ Auf das Bedürfnis nach Sicherheit zu verzichten (zu akzeptieren, dass sie die Realität nicht kontrollieren kann) und es durch den Wunsch nach Sicherheit zu ersetzen, wie es ihre Freunde tun. ◉ Zu verstehen, dass die Gedanken und Bilder des explodierenden Busses in ihrem Kopf nur Gedanken waren und keine Realität. Daher musste sie sich mit den Gedanken beschäftigen und nicht mit der Realität. ◉ Das Hauptziel bestand aber darin, zu lernen, sich mit den Gedanken zu beschäftigen statt mit der Realität. Die Wirklichkeit schien für ihre Eltern und Klassenkameraden sicher genug zu sein. Abgesehen von kognitiven und physiologischen Techniken war die Technik, die die Aufmerksamkeit betraf und die ich einsetzte, die Ablenkung. A kann die Realität nicht kontrollieren, aber sie kann entscheiden, ob sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre unheimlichen Gedanken lenkt. Sie kann entscheiden, ob sie sich auf diese Gedanken einlässt und ihre Bedrohung spürt oder nicht. Das ist nicht augenfällig. In der kognitiven Verhaltenstherapie sind viele Theoretiker und Therapeuten der Ansicht, dass eine komplette Exposition in vivo notwendig ist, um die Angst zu überwinden, und Ablenkung ist keine volle Exposition.
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Stress und Trauma
Achtsamkeit und Ablenkung Ein sehr attraktiver und effizienter Weg, sich von besonderen Gedanken und Bildern abzulenken, ist Achtsamkeit, „im Augenblick präsent sein“. Obwohl die Bedrohung des Mädchens aus ihrer Erfahrung in der Vergangenheit stammt und aus den Ängsten, was die Zukunft bringen wird, kann das Verbleiben in der Gegenwart diese Ängste hintanhalten. Wie kann das gelebt werden? Bevor ich zum Fallbeispiel zurückkehre, möchte ich das ungeheure Potenzial der Achtsamkeit vorstellen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Achtsamkeit zu betrachten. Ich möchte im Besonderen zwei Schritte vorstellen: ◉ Der erste Schritt ist eine Form einer „checking meditation“. Sie bezieht sich auf das Objekt, das im Bewusstsein neutral ist. Ein Gedanke ist nur ein Gedanke. Wird die Aufmerksamkeit nach innen gelenkt, entdeckt man verschiedene Empfindungen, Gefühle und Gedanken. Sie werden gecheckt (überprüft), ohne mit ihnen zu kooperieren oder sie zu verwerfen. Meditation lehrt uns eine neue Methode der Aufmerksamkeit, in der sich die Person ihrer Gedanken, Gefühle und Empfindungen bewusst, aber nicht direkt in sie involviert ist. Es ist ein Zustand der Beobachtung und des Loslassens. Die Person erfährt die Gegenwart, ohne zu versuchen, die Situation oder die Gedanken zu ändern. Das ist der erste Schritt der Akzeptanz von Achtsamkeit. ◉ Der zweite Schritt ist die komplette Erfahrung (wie in der Vipasana-Meditation). Die Person lässt sich auf das, was in ihrem Bewusstsein ist, ein und lässt es nicht los, während sie es ohne Bewertung betrachtet. Bei dieser Methode der Aufmerksamkeit schaut die Person geradewegs auf ihre Ängste und lässt sie sich Schritt für Schritt auflösen. Bei beiden Formen von Achtsamkeit fällt sofort die Beziehung zur kognitiven Verhaltenstherapie und ihren zwei Formen der Exposition auf: volle Exposition und eine Exposition mit Ablenkung oder einem ähnlichen Verteidigungsmechanismus. Beide spiegeln Arten von Akzeptanz der Gegenwart wider. Sowohl bei der vollen Exposition als auch im Fall der Ablenkung gibt es die Akzeptanz der Gegenwart während des Versuches der Kontrolle der Gedanken. Eine volle Exposition ist für gewöhnlich das beste für die Überwindung von Angst. Als Argument möchte ich anführen, dass die Ablenkung für gewöhnlich die vernünftigere Variante für Kinder darstellt. Ich möchte jetzt wieder zu meiner Fallgeschichte zurückkehren. Es kann von A nicht erwartet werden, dass sie in den Bus steigt, während sie an eine mögliche Explosion denkt, während sie zu sich sagt: „Was immer auch geschieht, soll sein …“ Diese Art einer vollen Exposition ist zu bedrohlich und nicht notwendig. Es ist manchmal für die Therapie vorteilhaft, die Personen zu schulen, sich von dem, was sie fürchten, abzulenken. Exposition scheint nicht für alle Personen ein passender Copingmechanismus zu sein, besonders nicht für Kinder.
Die dritte Komponente in der Therapie: Aufmerksamkeit
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Eine kognitive Veränderung und eine benötigte Veränderung der Aufmerksamkeit
Das Mädchen erklärt die Situation wie folgt: „Meine Freunde, die im Bus fahren, leben in derselben Wirklichkeit wie ich. Sie denken nicht so darüber, wie ich denke. Sag mir, wie ich nicht an die Möglichkeiten einer Explosion denke.“ (Lehre mich, wie ich mich ablenke.) Während sie das sagt, zeigt sie ihre Bereitschaft, den Wunsch, sicher zu sein, in den Wunsch umzuwandeln, sich sicher zu fühlen. In diesem Fall zeigte sich die versteckte Vermutung, dass das Mädchen zu einer Art Akzeptanz gekommen war. Diese Vermutung sollte Anlass zur Diskussion geben. Die Vermutung ist, dass, wenn alle in den Bus steigen, es nicht gefährlich ist. Es ist wahr, dass Busse in diesem Teil der Welt explodieren, aber die Leute steigen trotzdem ein. Das ist genauso, als würde sie sagen: „Ein Autounfall kann passieren, aber die Leute fahren trotzdem mit dem Auto.“ (Es ist egal, wo du dich aufhältst, die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls ist viel größer als die einer Busexplosion.) Eine Person wird sich nicht ablenken, solange sie Gefahr fühlt.
Integrative Arbeit mit dem Mädchen
Kognitiv gesehen befindet sich das Mädchen an einem Punkt, an dem sie um Hilfe bitten kann, um ihre Ängste zu bewältigen, und nicht länger versucht, die Realität zu kontrollieren. Das ist ein großer Schritt, aber nur ein kognitiver Schritt. Was jetzt benötigt wird, um sie von ihren Ängsten zu entfernen, sind zwei Schritte: die physiologische Komponente und der erste Schritt in die Achtsamkeit. Der physiologische Teil wird die enge Verbindung zwischen den vergangenen Erfahrungen und der sympathischen Reaktion lösen helfen. Der Teil der Achtsamkeit wird sie lehren, negative Gedanken loszulassen und keine negativen Gefühle zu aktivieren. Der erste Schritt in die Achtsamkeit wird ihr eine neue Art der Aufmerksamkeit zeigen, in der sie bewusst wahrnehmen kann, ohne emotional in ihre Gedanken involviert zu sein. Der erste Schritt in der Meditation der Achtsamkeit ist, das Mädchen zu lehren, das Bild der Explosion nur als einen Gedanken zu betrachten oder als ein Bild in ihrem Kopf, aber nicht als Realität. Sie soll sich als Beobachterin sehen, sich nicht in das Geschehen der Bilder verwickeln lassen. Auf diese Weise verschwindet das Gefühl der Bedrohung, wenn sie in den Bus steigt. A und einige andere Kinder haben diese Art der achtsamen Meditation als sehr hilfreich empfunden. Das Problem, das A hindern könnte, diesen Zustand der Beobachtung zu erreichen, während sie diese Meditation der Achtsamkeit praktiziert, ist ihr Körper. Er ist eingebettet in die vergangenen Erlebnisse und könnte Widerstand leisten. Unter diesen Umständen eine Entspannung zu erreichen, kann ein Gefühl der
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Stress und Trauma
Schutzlosigkeit und des Kontrollverlusts erzeugen, der aber gerade in diesem Moment so wichtig ist. Mit einem Biofeedbacktraining gelingt es dem Mädchen, eine Balance in ihrem autonomen Nervensystem herzustellen und die vergangenen Erlebnisse von ihren physiologischen Reaktionen zu trennen. Biofeedback macht diese Prozesse möglich, weil es während des Loslassens ein Gefühl der Kontrolle vermittelt. Wichtig ist es, hervorzuheben, dass A in einer Gesellschaft lebt, die durch die Medien einem ständigen Trauma ausgesetzt ist. Sie selbst hat aber kein spezielles Trauma erlitten. Sie hat zwar traumatische Bilder in ihrem Kopf, aber selbst kein persönliches Trauma erlebt. Deshalb bietet sich diese Methode auch für alle Angststörungen an. In Fällen, in denen ein traumatisches Erlebnis erlitten wurde, ist ein längerer Prozess nötig, um das Triggererlebnis (in diesem Fall wäre es eine Busexplosion) vom sympathischen Nervensystem zu trennen.
Der Prozess der Aufmerksamkeitsveränderung Sich abzulenken und/oder zu entspannen in Momenten der Gefahr, ist nicht sinnvoll. Um also den Aufmerksamkeitsfokus zu ändern und Ablenkung zuzulassen, sind folgende zwei Denkmodelle zu beachten: ◉ Sobald es sich um Angst handelt und nicht um ein reales Risiko, kann/darf ich mir erlauben, mich zu entspannen und meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten (kognitive Arbeit). ◉ Es ist keine effiziente Strategie, wenn ich bei den aufkommenden Katastrophengedanken hängen bleibe und einen hohen Grad an Wachsamkeit entwickle. Dies ist schädlich. Um sich abzulenken und zu entspannen, muss man sich zuerst mit den eigenen Gedanken auseinander setzen. Folgende Schritte helfen: ◉ den Benefit der belastenden Gedanken verstehen lernen (z. B.: solange ich glaube, dass diese Gedanken mich beschützen, werde ich weiter daran festhalten) ◉ die Entscheidung, diese Illusion aufzugeben ◉ das Üben von Techniken zur Ablenkung und Entspannung
Die Bedeutung der Akzeptanz in der Aufmerksamkeit Die kognitive und physiologische Akzeptanz wurde bereits besprochen. Sowohl die Exposition als auch die Ablenkung als eine Teilexposition sind ebenfalls Teile von Akzeptanz. Es gibt auch noch andere Wege, einen Zustand des Annehmens zu erreichen, nämlich durch Aufmerksamkeit. Einer dieser Wege ist „the wisdom of listening“ (die Weisheit des Zuhörens).
Die dritte Komponente in der Therapie: Aufmerksamkeit
Eine Person, die ängstlich ist, hat erhebliche Probleme mit dem Zuhören. Sie kann sich nicht wirklich auf die Person einlassen, mit der sie kommuniziert. Sie nimmt nur einen begrenzten Aspekt der gesprochenen Inhalte wahr, nämlich nur den, der in Beziehung mit ihr selbst steht. Das ist eine „self-focused attention“, eine Aufmerksamkeit, die nur auf sich selbst gerichtet ist. Die Aufmerksamkeit, die hier gemeint ist, basiert auf kognitiver und physiologischer Akzeptanz. Ihre Charakteristika sind: ◉ im Hier und Jetzt sein ◉ aktives Zuhören ◉ keine Bewertungen ◉ entspannter Körper (letting the body go) ◉ Empathie (weg von der Fokussierung auf sich selbst) Um diese Aufmerksamkeit zu schulen, ist es hilfreich, folgende Schritte zu lernen und zu üben: ◉ Körpertechniken für das Loslassen (Reduzieren der Muskelspannung, HRVBiofeedbacktraining, Handerwärmungstraining – Blutflusssteigerung) ◉ verschiedene Techniken zur Aufmerksamkeitssteigerung und Meditation ◉ aktives Zuhören (Pickering M, 1986) Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine effiziente Technik für die Bewältigung von Angststörungen. Auf Grund der Besonderheiten des emotionalen Gedächtnisses ist sie allein allerdings manchmal nicht effizient genug. Das Gehirn ist verantwortlich für Emotionen und die Physiologie. Manchmal jedoch sind diese vom Kortex und kognitiven Einflüssen getrennt. Die physiologische Seite bekommt in der Therapie immer mehr Bedeutung, da kognitive Veränderungen besser stattfinden können, wenn der Körper sich von vergangenen Erinnerungen, übersteigerter Wachsamkeit und Spannung befreien kann. Für Veränderungsprozesse ist Akzeptanz wesentlich. Biofeedback erlaubt es, diese zu erreichen, ohne auf Kontrolle verzichten zu müssen. Achtsamkeit und Ablenkung sind wertvolle Hilfen in der therapeutischen Arbeit.
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Stressmanagement und Biofeedback
Vulnerabilität und Resilienz Vulnerabilität und Resilienz haben im Stressmanagement eine bedeutende Stellung. Sie bezeichnen den Grad der positiven Interaktion mit der Umwelt oder, mehr noch, wie gut der Klient/Patient belastende Situationen bewältigt. Unter dem Begriff Vulnerabilität versteht man die Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen. Bei hoher Vulnerabilität genügen wenige Stress- oder Risikofaktoren, die sich negativ auf den Entwicklungsprozess eines Kindes auswirken. Bei geringer Vulnerabilität ist ein hohes Maß an Stress oder eine Vielzahl von Risikofaktoren notwendig, um einen negativen Einfluss auf den Organismus ausüben zu können. Unter dem Begriff der Resilienz versteht man die Fähigkeit des Organismus, sich schnell von früheren negativen Einflüssen zu erholen. Resilienz ist somit das Gegenteil von Vulnerabilität. Die Resilienz entwickelt sich im Zuge der MenschUmwelt-Interaktion und liegt in der Kindheit noch nicht vor. Umso wichtiger ist es, so früh wie möglich Bewältigungsstrategien dafür zu entwickeln. Wie sehr Stress oder negative Einflüsse ein Kind belasten können, hängt von verschiedenen Faktoren ab: ◉ von der unterschiedlichen Wahrnehmung der Umwelt ◉ von der unterschiedlichen Reaktion auf umweltbedingte Reize ◉ von der Reaktion der Umwelt auf das Verhalten von auffälligen Kindern ◉ davon, wie frühe positive Zukunftserwartungen (Neun- bis Elfjähriger) mit der internalen Kontrollüberzeugung zusammenwirken ◉ davon, wie die psychische Entwicklung in der Pubertät voranschreitet ◉ von der unterschiedlichen Verarbeitung von Belastungen Es gibt verschiedene Schutzfaktoren, die gegen eine erhöhte Vulnerabilität helfen, wie z. B.: ◉ Eigenschaften des Kindes: positives Temperament, Autonomie, Selbsteinschätzung, Humor, soziale Fertigkeiten, intellektuelle Fähigkeiten ◉ Eigenschaften der Familie: familiärer Zusammenhalt, emotionale Wärme, Harmonie ◉ Eigenschaften der außerfamiliären sozialen Umwelt: positive Schulerfahrungen, soziale Unterstützung ◉ erlernte Techniken und Fähigkeiten: Stressbewältigungsstrategien, Selbstregulation und -kontrolle, Regenerations- und Entspannungstechniken Resilienz entwickelt sich in der Interaktion mit der Umwelt. Um eine hohe Kompetenz entwickeln zu können, benötigen die Kinder aktive Bewältigungsstrategien, die genauso erlernt werden sollten wie Schreiben, Rechnen und Lesen. Biofeedback, Geschichten und Körperübungen bieten Lernerfahrungen, die als Fähigkeiten im Organismus ein Leben lang als Bewältigungsmechanismen zur Verfügung stehen (Pirker-Binder I, 2005).
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Stressmanagement und Biofeedback
Biofeedback als Teil kognitiver Bewältigungsstrategien Kognitive Reaktionen auf Stress (Albano et al., 1995) äußern sich in ◉ Fluchtgedanken ◉ negativer Bewertung ◉ Versagensängsten ◉ Gefühlen der Demütigung ◉ Verlegenheit ◉ Selbstzweifel Demgegenüber beziehen sich Stressmanagementverfahren mit ihren Techniken und Strategien auf mehrere Ebenen: ◉ auf die Vermittlung von Entspannungstechniken und das Erlernen von aktiver Regeneration ◉ auf kognitive Umstrukturierung; auf die Erkenntnis, dass Gedanken, Emotionen, Aktivität (mental, psychisch, physisch) eine Veränderung der bio-psychophysischen Prozesse nach sich ziehen und auf deren positive Beeinflussung. Die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit und kognitive Einstellungsänderung (weg aus der Hilflosigkeit hin zu Eigenkontrolle) wird gesteigert und sichert den Selbstwert der Kinder und Jugendlichen. ◉ auf das individuelle Emotionenmanagement ◉ auf das individuelle Verhaltens- und Reaktionsmuster Alle drei Ebenen sind wechselwirksam miteinander verknüpft. Biofeedback erhält in einem aktiven Stressmanagementprozess nicht nur die Rolle als Mittel zur Reduzierung von übermäßiger Spannung, sondern, mehr noch, ein gelungenes Biofeedbacktraining vermittelt dem Einzelnen ein Gefühl der subjektiven Kontrolle. Zusammenhänge zwischen Emotionen und Körperreaktionen werden mittels Biofeedback besser wahrgenommen und sind besser kontrollierbar. Die subjektive Gewissheit, Einfluss auf die aktuelle Situation nehmen zu können, ist nicht nur Basis jedes Gesundheitsgedankens, sondern auch Grundlage für die Vermeidung von Gefühlen der Hilflosigkeit. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 11 und 17 Jahren spüren oft vermehrt ein Gefühl von Hilflosigkeit, von Angst oder absoluter Kontrolliertheit, aus dem dann als Ausweg ein Zugriff auf Drogen und Alkohol erfolgt. Das Sichtbarmachen und Erkennen von Veränderungen am Bildschirm erlaubt dem Einzelnen, seine Fortschritte wahrzunehmen. Die Überzeugung der Kontrollierbarkeit von Situationen steigert das Selbstwertgefühl und die Selbstkompetenz. Sie lässt aber auch die Verantwortung sich selbst und dem nächsten gegenüber wachsen. Das subjektive Erkennen der eigenen Kontrollmechanismen wirkt sich auch erheblich auf die schulischen Leistungen von betroffenen Kindern aus, da Konzentration und Aufmerksamkeit ein Ausdruck seelischer und körperlicher Befindlichkeit darstellen. Konzentration und Aufmerksamkeit fordern einen freien
Biofeedback als Teil kognitiver Bewältigungsstrategien
Fluss der Gedanken. Gefühle der Aufregung, Angst, Nervosität, des Ärgers behindern diesen Zustand. Aggression und Gewalt sind Ausdruck von Hilflosigkeit einer bestimmten Situation gegenüber. Biofeedbacktraining bietet hier die Möglichkeit des Erkennens von physiologischer Belastung durch die gemessenen Parameter und des Erlernens eines Kontrollmechanismus, der sich einerseits ◉ im Beherrschen des aktuellen Erregungsniveaus und andererseits ◉ im Erlernen einer adäquaten kognitiven Handlungsstrategie ausdrückt.
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Biofeedback, Stress, Lernen – neue Wege bei Schulproblemen
Lernprobleme bedeuten für viele Kinder/Jugendliche enormen Stress. Die Folge davon sind stressbedingte Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsmängel, Verhaltensauffälligkeiten, Prüfungsangst (Black-outs) Schlafprobleme, Magen-Darm-Störungen uvm. Kinder mit diagnostizierter Teilleistungsschwäche müssen viel mehr Einsatz zeigen, um leistungsmäßig mithalten zu können. Ihr Stressniveau ist in Schularbeitszeiten besonders hoch. Während dieser Zeit haben Schüler so viele Stresshormone im Körper wie ein Athlet bei einem Wettkampf. Eine zielführende Hilfe baut auf verschiedenen Schritten auf, und zwar: ◉ auf der individuellen Persönlichkeit und dem Lernstil (jeder Schüler hat einen eigenen Zugang zum Lernen und Verarbeiten von Informationen) ◉ auf einer genauen Fehleranalyse (Art der Fehler in den Tests, Aufgabenverständnis und -ausführung, Rechtschreibschwäche – welche Fehler genau, wo muss angesetzt werden?) ◉ auf der Persönlichkeit und dem Unterrichtsstil des Lehrers (Der Unterrichtsstil eines Lehrers und der Lernstil des betreffenden Schulkindes sind voneinander abhängig. Gibt es Schulschwierigkeiten, so kann es auch ein Verständigungsund Kommunikationsproblem sein, indem der Arbeits- und Lernstil des Kindes nicht mit dem Unterrichtsstil des Lehrers zusammenpasst.) ◉ auf einem individuellen Biofeedbacktraining ◉ als aktives Stressmanagementtraining ◉ gegen Prüfungsangst und Black-outs ◉ als Training der sozialen und emotionalen Kompetenz ◉ zum Training der Aufmerksamkeit und bei Hyperaktivität Schulprobleme und Lernschwierigkeiten sind sehr komplex und fordern eine ganzheitliche Sichtweise. Biofeedbacktraining kann in der Schule in vielerlei Hinsicht einen Beitrag leisten, sowohl im Rahmen einer psychohygienischen Erziehung als auch zur Lern- und Leistungssteigerung, Verhaltenskontrolle und Selbstkompetenz (Pirker-Binder I, 1998).
Volksschulkinder und Stressempfinden? Während unseres Schulprojektes „ASTI® – biofeedbackunterstütztes und sinnzentriertes Stress- und Konfliktmanagement für Schüler“ an der Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie in Salzburg berichteten vereinzelt Kinder der ersten Klassen bereits über Stress, Stresssymptome und vermehrt auch über Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Dies veranlasste Christine Lang und mich, eine Befragung von 586 Kindern der ersten bis vierten Klassen einer Volksschule in Salzburg, der Steiermark und Wien durchzuführen. Folgende Fragestellung interessierte uns: a) Besitzen Volksschulkinder bereits ein Bewusstsein für Stresssymptome? b) Können sie diese auch in ihrem Körper lokalisieren, und wenn ja,
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c) ist es demnach sinnvoll, Stressmanagementtechniken in den Unterricht zu integrieren? Der Fragebogen wurde sehr einfach gestaltet, sodass die Kinder in der Lage waren, ihn ohne fremde Hilfe auszufüllen. Es waren vier Fragen, die die aktuelle Befindlichkeit, Kopfschmerzen, Schlaf und Stress abfragten. Die Kinder konnten auf einer Zeichnung genau einzeichnen, wo sie Stress oder Angst spüren können. Die angekreuzten Körperteile wurden dann in die Kategorien Kopf, Hals/Nacken, Arme, Beine, Bauch, Herz eingeteilt und ausgewertet.
Evaluierung Das Ergebnis war für uns sehr beeindruckend. Alle befragten Kinder hatten ein konkretes Körperempfinden und konnten auf dem Fragebogen genau einzeichnen, wo sie Aufregung und Angst spürten. Im Detail ergibt die Auswertung nach Klassen folgende Ergebnisse Bei den Items „Befindlichkeit“, „Schlaf gut“ und „Hals“ zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Klassen. Die vierten Klassen fühlten sich weniger wohl, schliefen aber besser als alle anderen Kinder und spürten die Aufregung am wenigsten stark im Hals. Signifikante Unterschiede zeigten sich auch beim Item „Bauch“. Die Kinder der zweiten Klassen spürten die Aufregung im Bauch besonders stark, im Herzen (Herzklopfen) am wenigsten stark. Dieses Ergebnis spiegelt die Erkenntnisse zahlreicher Studien wieder, die ebenfalls auf eine Signifikanz im Auftreten von Bauchschmerzen in dieser Altersgruppe hinweisen. Sicherlich sollte man als Therapeut auch die Tatsache im Hinterkopf behalten, dass sich kindliche Migräne in diesem Alter in Form von Bauchschmerzen zeigen kann. Mehr als 60 % der befragten Kinder gaben an, schon einmal Kopfschmerzen verspürt zu haben. 40 % der Kopfschmerzen wurden als Stresssymptom angegeben. Kinder haben ein sehr feines Empfinden für Veränderungen im Körper. Sie können auch genau Auslöser von Stress definieren, aber sie wissen nicht, wie sie die unangenehmen Gefühle wieder aus dem Körper entfernen können. Es fehlen ihnen die nötigen Strategien dafür. Ich möchte hier an Sie als Leser die Frage richten: Was hält uns davon ab, Kinder im Kindergarten, der Vorschule, der Unter- und Oberstufe von Gymnasien oder berufsbildenden Schule aktives Stressmanagement zu lehren? Wäre hier nicht der Ansatz für eine sinnvolle Prävention gelegt?
ASTI®-Schule Stress- und sinnzentriertes Konfliktmanagement in der Schule aktiv – biofeedbackunterstützt Ein Präventionsprogramm zur psychohygienischen Erziehung
Stress- und Konfliktmanagement im Unterricht Lern- und Entwicklungsprozesse finden immer in Interaktion mit der Umwelt statt, wobei zwei Persönlichkeitsmerkmale für die individuelle Stressbelastbarkeit des Organismus maßgeblich sind, nämlich die individuelle Vulnerabilität und Resilienz. Resilienz ist ein Entwicklungsprozess, liegt in der Kindheit noch nicht vor, ist aber maßgeblich an der Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls von Kindern und Jugendlichen beteiligt. Das Leben stellt hohe Anforderungen nicht nur an uns Erwachsene, sondern viel mehr noch an Kinder. Oft sehen sie sich den wachsenden Anforderungen und Belastungen nicht mehr gewachsen und äußern ihre Hilflosigkeit durch Wutausbrüche, aggressive Handlungen, oder sie ziehen sich in ein Schneckenhaus zurück, verlieren sich in psychosomatischen Beschwerden, wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Prüfungsangst uvm. Mangelnde Bewältigungsstrategien führen zu einem niedrigen Selbstwertgefühl, das Depressivität, Ängstlichkeit und Aggression fördert. Ein hohes Selbstwertgefühl steht in enger Verbindung mit einer ausgeprägten internalen Kontrollüberzeugung, belastende Situationen meistern zu können. Aktive Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress und Belastung stellen Schlüsselqualifikationen dar, die bewusst erlernt werden können (Pirker-Binder I, 2005; 2003a). Im folgenden Projekt werden die Möglichkeit der Integration adäquater Strategien und Techniken in den Unterricht und die Auswirkungen auf die betreffenden Kinder untersucht. Das vorliegende Projekt: biofeedbackunterstütztes Anti-Stress-Training für Kinder und Jugendliche, im Folgenden kurz ASTI genannt, wurde als Pilotprojekt in einer dritten Klasse der Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie in Salzburg im Frühjahr 1999 durchgeführt und in den darauf folgenden Jahren an den ersten Volksschulklassen in einem Sonderprojekt unterrichtet. Biofeedback war integrativer Bestandteil des Projekts mit der Aufgabenstellung, ◉ die Körperwahrnehmung (Muskelspannung, Emotionen und Spannung, Effekt der richtigen Atmung) zu schulen, ◉ die Effizienz der Übungen durch ◉ die Messbarkeit der Hautleitwertveränderungen und ◉ den Anstieg der Fingertemperatur für die Kinder sichtbar und damit kontrollierbar zu machen sowie ◉ die Lernerfolge zu überprüfen.
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Zielsetzung des Projektes Ziel des Projekts war es, zu überprüfen, ob ◉ eine Integration von Stressmanagementtechniken in den regulären Unterricht möglich ist ◉ die Kinder in der vorgesehenen (begrenzten) Zeit durch die vermittelten Techniken Kontrollmechanismen über die Reaktionen ihres Körpers lernen, sodass sie in der Lage sind, in schwierigen emotionalen Situationen ihre Verhaltensreaktion zu kontrollieren ◉ der Einsatz von Biofeedback im regulären Unterricht möglich ist ◉ die Kinder Biofeedback als geeignetes Trainingswerkzeug annehmen
Dauer des Projekts Zwölf Module zu je einer Unterrichtseinheit (empfohlen: sechs Module zu je zwei Stunden; hat sich in den ersten Klassen bewährt) wurden eingesetzt. Die einzelnen Module wurden im Wochenabstand zu je einer Unterrichtseinheit (45 Minuten) in der Klasse oder im Turnsaal zusammen mit der Klassenlehrerin unterrichtet. Schwerpunkte: Stress und Körperwahrnehmung Stress und kognitive Strategien Stress und Verhalten Die einzelnen Module richteten sich in der Reihenfolge nach den oben genannten Schwerpunkten. Die betreffenden Unterrichtseinheiten folgten einem logischen Aufbau, der nicht verändert wurde und den Lernerfolg sicherte.
Modul 1 – Körperwahrnehmung Der Schwerpunkt des Moduls war die Erhöhung der Sensibilität der eigenen Wahrnehmung für Reaktionen des Körpers hinsichtlich Anspannung und Entspannung der Muskulatur, der Aktivierung der Bauchatmung, der Beobachtung, wie der eigene Körper darauf reagiert sowie der Erhöhung der Empfindlichkeit gegenüber eintreffenden Reizen und deren Unterscheidbarkeit (Fühlübungen; was fühlt sich wie an, welchen Eindruck hinterlässt es bei mir?). Auch die Reaktionen des Körpers in bestimmten Situationen wurde besprochen und bearbeitet.
Modul 2 – Emotionalität und kognitive Strategien Der zweite Schritt betraf die Bearbeitung emotionaler Momente und des inneren Dialoges. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die Wahrnehmung der eigenen Körperreaktion durch belastende und freudige Gefühle gelegt. Das Unterrich-
Fragebogen
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ten von kognitiven Strategien ist eine Herausforderung. Der besondere Fokus lag dabei auf der altersgerechten Auf bereitung. Die Strategien motivierten die Kinder, an ihren positiven und negativen Denkmustern zu arbeiten. Spezielle „Freunde“, wie der schon bekannte „Happy Smilo“ und „Bad Fred“, halfen ihnen dabei.
Modul 3 – Verhaltenstraining Der dritte Schritt bearbeitete das Durchbrechen einer Angst-, Wut- oder Aggressionsspirale, das Erlernen von Stoppmustern und die Integration derselben in den schulischen Alltag.
Biofeedback – Messung zur Feststellung des Ist-Zustandes Vor Beginn des Projekts wurde der körperliche Ist-Status der Kinder mit Biofeedback aufgezeichnet. Dazu wurde das System „ProComp Biograph“ der Firma Thought Technology® Ltd. verwendet. Gemessen wurden: ◉ Puls ◉ Temperatur ◉ Hautleitwert ◉ Atmung ◉ Muskelspannung Die Eingangsmessung (22 Kinder) fand zu Beginn des Projekts vor der ersten Stunde statt. Es erfolgte eine Baselinemessung über zehn Minuten im Sitzen. Die Kinder wurden angehalten, sich in dieser Zeit einfach ruhig zu halten und locker zu lassen. Die Abschlussmessung fand nach dem Projekt in der Schule statt.
Fragebogen Vor der ersten Stunde wurde den Kindern ein Fragebogen ausgehändigt. Die Fragen waren in drei Gruppen aufgeteilt, die sich auf die Themenschwerpunkte ◉ Stress und Körperwahrnehmung, ◉ Stress und kognitive Strategien und ◉ Stress und Verhalten bezogen. Der Fragebogen diente als Arbeitsunterlage, um die Verarbeitungsmechanismen der Kinder in die Arbeit mit einzubeziehen bzw. themenspezifische Stundeninhalte zu gestalten. Die Auswertung ergab, dass die Schüler zwar in der Lage waren, ihre Reaktionen auf Stress zu beschreiben, aber über keine Bewältigungsmechanismen oder Selbst-
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ASTI® Schule
regulationsstrategien verfügten. Interessant war für uns, dass die Kinder Wutausbrüche und Unkonzentriertheit mit Stress in Verbindung bringen konnten.
Evaluierung des Projekts Klassenklima und Arbeitshaltung Bereits während der einzelnen Module zeigte sich eine Veränderung des Klassenklimas. Spott und Aggression ließen deutlich nach. Dies wurde von der Turnlehrerin als erstes bemerkt, da der normalerweise übliche Spott, den manche Kinder wegen ihrer Ungeschicklichkeit ertragen mussten, sofort unterlassen wurde. Die nach den Kurzentspannungen durchgeführten schulischen Tests zeigten weniger Fehler und die Kinder wirkten dabei wesentlich ruhiger. In der Klassengemeinschaft wurde in Ruhestunden (malen, basteln) erstmalig über Gefühle, Verhalten und Reaktionsmuster gesprochen. Schwierige Situationen konnten hier aufgearbeitet und entspannt werden. Auch die im Klassenverband befindlichen „Problemkinder“ (Hyperaktivität, Behinderung) zeigten mehr innere Ruhe und erhielten mehr Verständnis von ihren Mitschülern.
Biofeedbackmessungen Erste Biofeedbackmessung vor dem Programm
Herzrate
Temperatur Hautleitwert Atmung
EMG
Evaluierung des Projektes
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Gemessen wurde eine Schülerin, neun Jahre, in der Schule vor Beginn des Projekts. Sie sollte versuchen, ein paar Minuten ruhig zu sitzen und sich zu entspannen. Man kann deutlich erkennen, dass der Puls (Herzrate) unregelmäßig ist, die Temperatur sinkt (zeigt keine Entspannung), der Hautleitwert fluktuiert und die Atmung nicht tief und regelmäßig ist.
Zweite Biofeedbackmessung nach dem Programm
Herzrate Temperatur
Hautleitwert Atmung
EMG
Man kann deutlich erkennen, dass die Schülerin gelernt hat, auf Regeneration umzuschalten. Puls und Atemkurve sind regelmäßig, eine RSA (respiratorische Sinusarrhythmie, Atmung und Puls schwingen gleichmäßig) baut sich auf. Die Temperatur steigt an, der Hautleitwert sinkt gleichmäßig, ein Zeichen von Loslassen, von Regeneration und Entspannung.
Erste Messung eines hyperaktiven Buben
Gemessen wurde ein hyperaktiver Bub, neun Jahre, in der Schule vor Beginn des Projekts. Er sollte versuchen, ein paar Minuten ruhig zu sitzen und sich zu entspannen. Man kann deutlich erkennen, dass der Puls (Herzrate) sehr unregelmäßig ist, die Temperatur sinkt (zeigt keine Entspannung). Der Hautleitwert fluktuiert sehr stark und ist Ausdruck der inneren Unruhe. Die Atmung ist flach und sehr unregelmäßig.
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Herzrate
Temperatur Hautleitwert
Atmung
EMG
Zweite Messung nach dem Programm
Herzrate Temperatur
Hautleitwert Atmung
EMG
Man kann deutlich erkennen, dass der Schüler gelernt hat, auf Regeneration umzuschalten. Der Puls beruhigt sich, und auch die Atemkurve ist regelmäßiger als bei der ersten Messung. Der Hautleitwert ist zwar stark fluktuierend, aber der
Evaluierung des Projektes
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Schüler ist im Stande, seine Erregung zu senken. Es gelingt ihm auch, die Fingertemperatur zu erhöhen. Bemerkenswert ist, dass der Bub kein ergänzendes Training erhielt, sondern allein durch die Übungen im Rahmen des Projekts mehr Kontrolle über seine Reaktionsmechanismen erhalten hatte.
Messung der Kontrollgruppe
In der Kontrollgruppe konnten keine signifikanten Ergebnisse gefunden werden. Da die Klassen sehr eng beieinander lagen, hatten die Kinder der Kontrollgruppe sich natürlich sehr bemüht, sich zu beruhigen, aber es ist ihnen nur teilweise geglückt. Die Übungen waren nicht ganz geheim zu halten, da es sich ja um ein Schulsetting und nicht um Laborbedingungen handelte. Einige Schüler der Kontrollgruppe hatten die Möglichkeit, mit ihren Geschwistern oder Freunden zu Hause das Programm mitzumachen.
Stressmanagement im Unterricht ◉ Die Stressmanagementtechniken lassen sich jederzeit in verschiedene Unterrichtsstunden eingliedern und werden von den Kindern sehr gut aufgenommen und verinnerlicht. ◉ Die Kinder erlernten in der vorgegebenen Zeit nicht nur Kontrollmechanismen, sondern auch ein neues Körper- und Wahrnehmungsbewusstsein den anderen MitschülerInnen gegenüber. ◉ Sie erlernten Verhaltenskontrollmechanismen in schwierigen emotionalen Situationen. Auch das Verständnis für die Probleme des anderen wurde gefördert. Das Klassenklima verbesserte sich; die Kinder bearbeiteten in verschiedenster Weise Situationen mit emotionalem/mentalem Hintergrund. Schwierige Klassensituationen und Verhaltensweisen konnten ausreichend diskutiert werden. ◉ Es ist jederzeit möglich, Biofeedbackkleingeräte in den Unterricht zu integrieren. Da sich in fast jeder österreichischen Schulklasse ein Computer befindet, könnte jederzeit ohne großen Zeitaufwand trainiert werden. Die vorhandenen ansprechenden Softwarelösungen ermöglichen es, dass die Kinder allein trainieren können und nicht immer die ständige Hilfe des Lehrers benötigen. Der Einsatz von Biofeedbackgeräten ist eine Bereicherung für die Kinder, die ihrem Zeitgeist entspricht. Das Training wurde gerne angenommen. Sowohl das Pilotprojekt als auch die nachfolgenden Projekte in den ersten Klassen haben gezeigt, dass sinnvolle Stressmanagementtechniken jederzeit in den Unterricht integrierbar sind, und zwar bereits in der Volksschule. (Nähere Informationen und Schulungen zum Projekt ASTI®-Schule im Institut BiCo.)
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Selbstregulation als Fähigkeit Selbstregulierungstechniken sind Fähigkeiten, die den persönlichen Fähigkeitskanon nicht nur erheblich erweitern, sondern die Basis für Lebensqualität und Gesundheit bilden. Bezogen auf die Schule heißt das, dass diese Techniken und Strategien eine Grundlage bilden für positive gruppendynamische Prozesse, für gegenseitiges Verstehen, für ein Hinwenden vom ICH zum DU und zum WIR. So wie Lesen und Schreiben müssen auch diese Techniken geschult und im Alltag angewendet werden, um als Fähigkeit internalisiert werden zu können.
Aktives Stressmanagement als Baustein im Schulcurriculum Das Projekt soll Anstoß bieten für einen neuen Baustein im allgemeinen Schulcurriculum – einen Baustein zu einer gesunden, psychohygienischen Erziehung, zu sozialer Kompetenz, zum Lernen, um die Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung, Denken, Emotion und Gefühl wahrzunehmen und vom bewussten ICH zum bewussten DU und zu einem gemeinsamen WIR voranzuschreiten. Die praktische Erfahrung in den Klassen zeigte, wie sehr Kinder an den Veränderungen in ihrem Körper interessiert sind und diese auch gleich umsetzen können. Ein hoher Anspannungsfaktor der Muskeln über einen längeren Zeitraum erhöht das Aktivierungsniveau und führt zu Aggressivität, Unruhe und Gereiztheit. Auch das schräge Sitzen, gefördert durch den Wunsch nach einer lockeren Sitzordnung und durch das Vermeiden-Wollen eines Frontalunterrichts, erzeugt eine messbare Erhöhung der Spannung im Hals- und Nackenbereich. Selbstkontrolltechniken erhöhen die Aufmerksamkeit und Konzentration und ermöglichen konstruktives Lernen. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Gedanken und somit auch das eigene Verhalten unter Kontrolle zu haben, trägt zur IchKompetenz-Bildung und Selbstwertfestigung bei. Das Ergebnis wirkt sich auf das Klassenklima, die Lernatmosphäre und Teambildung aus. Aktives Stressmanagement als Baustein im Schulcurriculum soll hinführen zu entspannten Lernsituationen, zu positiven gruppendynamischen Prozessen in der Schule und damit die Grundlage für eine tragbare Teamfähigkeit, lebenslanges Lernen, Leistungsfähigkeit, Dynamik und Flexibilität schaffen.
Trainingsprogramm für die Schule ASTI®-Schule: Stress- und Konfliktmanagement für Schüler und Lehrer aktiv – biofeedbackunterstützt Vier Module: 1. Somatik: Wahrnehmungstraining mit Biofeedback: Schau mal, was dein Körper spricht! 2. Emotion/Denkmuster: Happy Smilo & Bad Fred 3. Verhaltenstraining: Stopp! Wo ist die Bremse? 4. Meditation und Ruhe: Lieber, lieber Sorgenbaum …! Ergänzung für Schüler ab zwölf Jahren: 1. Innere Balance und Selbstsicherheit: I am happy! 2. Persönlichkeit und Lernstrategie: Hurra, ich kann’s! Information und Schulung im Institut BiCo E-Mail:
[email protected] Tel.: 0043/676/704 76 68
Der Kiddie-Quieting-Reflex – Stressmanagement in Kindergarten und Schule Elizabeth L. Stroebel
Er ist sieben Jahre alt, er windet sich auf seinem Sessel. Er wartet, bis er an der Reihe ist. Er muss laut lesen. Er kann sich nicht konzentrieren. Er ist besorgt. Sein Gesicht ist heiß, und sein Herz beginnt zu klopfen. Sein Magen fühlt sich komisch an. Zwanzig Paar Augen werden ihn in einer Minute anschauen und er erstarrt auf seinem Platz. Dann erinnert er sich an seinen imaginären Freund, der ihm hilft, sich zu beruhigen. Tief in seinem Inneren sieht er das Lächeln auf seinem Mund. Er holt tief Luft und lässt die Angst herausfließen. Er atmet noch einmal ein, lässt sein Kiefer locker, sodass die Luft langsam ausströmen kann. Das ist alles. In sechs Sekunden ist die Panik verschwunden. Ruhig und klar beginnt er zu lesen. Selbstregulationstechniken passen genau in die angeborene Fähigkeit von Kindern, physische und emotionale Funktionen zu korrigieren oder regulieren, wenn sie aus der Bahn geraten. Kinder sind intuitiv, erfinderisch, vielseitig, imaginativ und neugierig. Sie besitzen eine bemerkenswerte Fähigkeit, komplexe physiologische Prozesse durch Imitation und Übungen zu begreifen. Sie sind in der Lage, aufsteigende Spannung und ungesunde Stressreaktionen durch geeignete StressmanagementTechniken zu stoppen. Die erzieherische Aufgabe liegt darin, Kindern diese angeborenen Fähigkeiten bewusst zu machen und zu trainieren. Die Technik des Biofeedback eignet sich dazu hervorragend, weil sie einerseits einen Einblick in die „Sprache des Körpers“ vermittelt und andererseits das Medium der Zeit ist. Multimodales Biofeedback und Neurofeedback sind heute anerkannte wissenschaftliche Methoden. 1974 wurde als Erweiterung dieses Wissens das Konzept der Selbstregulation: QR, the Quieting Reflex (Beruhigungsreflex; Stroebel C, 1974) der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses wissenschaftliche Konzept ergänzte die klinischen Feedbackmethoden und verbreitete sehr schnell individuelle Selbstregulationstechniken für ein gezieltes Stressmanagement. 1980, mit Ergänzungen 1990 und 2005, entstand der Kiddie-Quieting-Reflex: A Choice for Children (KQR) für Kinder. Es entstand aus einem physiologischen Konzept für Erwachsene, angepasst an die Bedürfnisse der Kinder.
Der Ursprung des Quieting-Reflex Die Existenz des QR – Quieting Reflex wurde als Gegenspieler zum EmergencyReflex in den frühen 70er-Jahren bestätigt. Studien bekräftigten, dass in Ergänzung zu dem so genannten Sicherheitsmechanismus des Notfallreflexes (Emergency-Reflex), der in den ersten sechs Sekunden als Reaktion auf eine angenommene oder tatsächliche Gefahr auftritt, ein anderer angeborener Reflex, der Beruhigungsreflex (Quieting Reflex) existiert. Dieser Mechanismus kann eine beginnende Stressreaktion abfangen, umdrehen oder vermindern. Der QR-Reflex ist ein signifikanter Aspekt der Homeostase – eine intrinsische Fähigkeit des Körpers, die Body-Mind-Balance und Gesundheit wiederherzustellen. Obwohl die Auswirkungen auf Stress immer wieder kritisch betrachtet werden, bestätigt uns die Forschung, dass dieser QR-Reflex eine angeborene Fähig-
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Der Kiddie-Quieting-Reflex
keit des Organismus ist, die durch verstärkte physische und mentale Aktivität und Distress überwältigt und außer Kraft gesetzt werden kann. Ungeprüfte Stressreaktionen können den Beruhigungsmechanismus aufheben. Unter bestimmten Bedingungen kann aber dieser QR-Mechanismus wieder zurückerlangt werden. Die Balance zwischen dem Emergency Reflex und dem Quieting Reflex sind für die Gesundheit unerlässlich.
Der Kiddie-Quieting-Reflex – KQR: Eine Möglichkeit für Kinder Der KQR unterscheidet sich von den traditionellen Entspannungstechniken durch seinen systematischen und umfassenden Ansatz. Ziel und Zweck ist das Erreichen einer lebenslangen Fähigkeit. Ein Kind kann sich innerlich ruhig und kontrolliert fühlen, auch wenn es unter Stress steht. Es kann lernen, seinen Geist wach und konzentriert und seinen Körper ruhig zu halten, wenn es nötig ist. Gesunde Kinder können mit dem QR nach belastenden Situationen schnell eine physische und mentale Balance wiedererlangen. Quieting (Beruhigung) beeinflusst und stärkt auch Kinder, die unter lang anhaltendem Stress stehen oder unter einer Krankheit leiden. „It is not mystical. It needs no privacy, like yoga or meditation. It is a quick, silent letting-go of tension that reverses the body’s charged-up responses when fear, panic or anger get in the way of a child’s thinking.“ (New York Times, 1983). „The KQR creates healthy mental and body responses to everyday life situations. It is a life-long playful learning technique, which brings comfort and ease from small upsets to major trauma. The program helps to discriminate between positive and negative sensations in the body and to reinforce the children’s ability to adjust physiological responses to stressful situations.“ (Blanchard-Remond A, 2005). Die Kinder können die Augen offen halten, während sie den 6-SekundenQR (Quieting-Response) erlernen. Ihr Coach ist „My Friend QR“ und eine große Anzahl von gesunden Freunden, die als die „16 Body-Friends“ auftreten. Sie begleiten die Kinder auf einem aufregenden und sicheren Lernabenteuer durch die Mind-Body-Landschaft. Der KQR ist eine Präventions- und Interventionstechnik gegen kurzzeitigen oder lang anhaltenden Distress. Es ist eine Stressmanagementtechnik für Kinder von drei bis neun Jahren. Das Programm beinhaltet 16 Geschichten, die von 16 BodyFriends erklärt und mit den Kindern gespielt werden. Jeder Baustein enthält physiologische und mentale Übungen, um ungesunden Stress zu eliminieren. Die Geschichten sind ein einziges Abenteuer für Kinder mit Visualisierungsübungen und geführten Imaginationen. Sie sind 4–8 Minuten lang und in der Sprache der Kinder geschrieben (Stroebel EL, 2005). Die Lerninhalte sind Prävention, Gesundheit und psychohygienische Erziehung. Die Lerngeschichten sind in einer altesadäquaten Sprache gehalten und haben einen lustige Namen, der spezielle physiologische Prinzipien, wie z. B. Homeostase, Eustress, Notfall, Dysponesis, Selbstregulation u. a., beschreibt.
The Kiddie-Quieting-Reflex (KQR): Eine Möglichkeit für Kinder
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Als ersten Schritt lernen die Kinder, ihre Gedanken, Emotionen und andere Gefühle, die mit der Mind-Body-Dynamik zusammenhängen, zu identifizieren. In einem zweiten Schritt macht sich diese spezielle Kiddie-Truppe auf den Weg, um Anhaltspunkte und Schlüsselreize für Stressreaktionen zu erkennen. In einem dritten Schritt lernen die Kinder, Stressoren zu eliminieren und sich wieder zu beruhigen. Dazu verwenden sie folgende Selbstregulationstechniken: Sie lernen, ihre schnelle und flache Atmung zu regulieren. Sie beruhigen ihr Herzklopfen. Sie lösen unnötige Muskelspannung in ihrem Körper auf. Sie lernen, die Verengung der Blutgefäße, die Blockade des Blutflusses wieder aufzulösen, die kalte Hände und Füße zur Folge hat. Sie lassen Wärme in ihren Bauch und in Hände und Füße fließen. Sie lösen die Spannung im Gesicht, Nacken und Schultern auf. Sie unterbrechen die Hypersensibilität des Körpers. Diese Body-Friends verkörpern den gesamten Schutzkomplex der Selbstregulierungstechniken. Sie erfahren und verstärken wichtige Schlüsselfähigkeiten zur Selbstkompetenz und Prävention. Mit den KQR-Übungen lernen die Kinder mit oder ohne Biofeedbackunterstützung emotionale und physische Kontrollmechanismen.
Kinder mit speziellen Bedürfnissen Kinder mit besonderen Bedürfnissen erfahren eine signifikante Verbesserung ihrer Lebensqualität, wenn sie in der Lage sind, ihre emotionalen und physischen Probleme besser in den Griff zu bekommen. Manchmal sind die angewandten Strategien der Kinder nicht für Außenstehende sichtbar. Sie sind aber mit den neuesten Biofeedback-Techniken messbar, melden einerseits dem Kind, andererseits dem Therapeuten/Trainer mentale und/oder physiologische Veränderungen zurück.
Stressmanagement gegen Ängste und kleine Sorgen Alle Kinder erfahren auf eine bestimmte Art und Weise Distress. Viele kleine Kinder ab einem Alter von drei Jahren spüren Anzeichen von Anspannung, Ängstlichkeit und damit verbundene physische Veränderungen, die sie nicht verstehen können. Ausgelöst werden sie entweder durch einen natürlichen Entwicklungsprozess oder durch eine Vielfalt von Erlebnissen bzw. durch Umweltdruck. Ab einem Alter von vier Jahren sprechen Kinder sehr gerne über ihren Körper. Sie suchen nach Erklärungen, wenn sie sich nicht gut fühlen und nach Bestätigung, dass es so in Ordnung ist, wie es ist. Die Stressoren können sehr vielfältige Ursachen haben und von kleinen Sorgen und Ängsten über ihre Familie, Schulerfolge und Peergruppen bis zu unsicheren Lebensbedingungen, Krankheit und Trauma reichen. Diese Stressoren erzeugen
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unterschiedliche Niveaus von Ängstlichkeit, die Kinder in einen Zustand der Hilflosigkeit bringen, Eltern besorgt und Lehrer betroffen machen. Gedanken, Emotionen und Gefühle erzeugen Ängste, die sich in einer großen Bandbreite von Symptomen zeigen, wie z. B. Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, unregelmäßigem Atemmuster, innerer und äußerer Unruhe, generalisierter Angst, Depression, Schlafstörungen, Schulangst und -widerstand, Isolation und Rückzug, Aufmerksamkeitsproblemen, Hyperaktivität, verschiedenen Verhaltens- und Selbstwertproblemen und Aggression. Die beobachteten Stressantworten können verbunden sein mit familiären Schwierigkeiten, Bullying, Schul- und Peergruppendruck, Krankheit, beunruhigenden Nachrichten aus den Medien und Zeitdruck. All diese negativen Gefühle, Ängste und Gedanken können positiv verarbeitet werden durch ausreichende Erklärungen und realistische Strategien. Kinder sind kleine Senkrechtstarter und Genies im Verstehen und Anwenden von Stressmanagement-Techniken. Mit offenen Augen schaffen sie es innerhalb kurzer Zeit, den Sicherheitsmechanismus ihres Körpers einzuschalten, ihr Atemmuster, die rasenden Gefühle in der Brust und im Herzen (Herzklopfen), den aufgebrachten Magen zu beruhigen, aufkeimende Kopfschmerzen zu stoppen, Hände und Füße wieder zu erwärmen und unnötige Anspannung zu lösen. Sie besitzen ein instinktives und intuitives Körperverständnis. Sie besitzen einen angeborenen Sinn für innere Ordnung, auch wenn sie es nicht immer ohne Hilfe und die nötigen Techniken schaffen, diese Selbstkorrektur wiederherzustellen. Der QR basiert auf der Annahme, dass der menschliche Organismus ein adaptives, intelligentes und sich entwickelndes System ist. Kinder besitzen die Fähigkeit, ihre Selbstregulationstechniken voll auszunützen, um ihre homeostatische Balance wiederzuerlangen. Konstante Anspannung und ein unangebrachter Zustand erhöhter Erregung ist unmittelbar mit der Entwicklung der individuellen Sozialität und Verhaltensmustern verbunden. Diese haben wiederum einen Einfluss auf familiäre und schulische Probleme und, weiterführend, auf die Entwicklung von gesundheitsbezogenen Beschwerden, emotionaler Instabilität und Krankheit im Besonderen. Im Klassenzimmer blockiert diese stressbezogene Instabilität die Fähigkeit, zuzuhören, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern, Probleme und Aufgaben zu lösen und sich zu organisieren. Lehrer und Kinder haben jedoch die Möglichkeit und die Fähigkeit, gemeinsam den Zustand des QR zu erlernen und zu erfahren.
Im Klassenzimmer Betrachten wir die oft gut gemeinten Ratschläge, die Kinder im Vorschuljahr erhalten: „Du kannst das doch noch ein bisschen besser, wenn du dich mehr bemühst …“ oder „Ich weiß schon, du hast dich bemüht, aber …“ Es kann vorkommen, dass diese Aussagen zu einer Selbstverteidigungsstrategie der Kinder
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führen, wenn sie sich gezwungen fühlen, gute Leistungen zu erbringen, um den Ansprüchen der Familie und der Schule zu entsprechen. Diese „Streng dich doch mehr an!“-Aufforderungen werden durch den allgemeinen Leistungsdruck der Familie und übervolle Stundenpläne – im Bestreben, den Kindern alles erdenklich Mögliche zu bieten, um ihnen den zukünftigen Erfolg zu sichern – ausgelöst. Die Lehrer sind meist die ersten Personen, die diesen emotionalen Druck der Kinder bemerken: in Verhalten, Tagträumen, Aufmerksamkeitsverlust, Vergesslichkeit, Aggressivität uvm. Hinter all diesen Verhaltensweisen verbirgt sich ein Körper, der in Alarmbereitschaft ist, erkennbar an schnellem Atmen, erhöhter Herzfrequenz, feuchten Hände, angespannten Gesichtsmuskeln und verkrampften Kiefern. Die Kinder beklagen sich über Magenschmerzen, Kopfschmerzen oder fühlen sich einfach schlecht. Sie agieren unter ständigem Zeitdruck, wirken vergesslich und zeigen einen generellen Zustand von Ängstlichkeit. Gemeinsam mit den somatischen Beschwerden treten Trennungsängste auf, Angst vor Zurückweisung, Misserfolg und ein Widerstand gegen Schule und Sozialisation. Eine besondere Herausforderung stellt sich besonders dann, wenn ein Kind, das seine Erfahrungen von Natur aus in langsameren Entwicklungsschritten sammelt, in eine Familie geboren wird, die sehr hohe Ansprüche stellt. Das heißt nicht, dass das Kind weniger produktiv ist, sondern nur, dass es auf eine andere Weise lernt und in einem langsameren Tempo. Das Programm des KQR möchte dazu anregen, zu der erzieherischen Basis zurückzukehren – einer Basis, die unsere Körperfunktionen und Sicherheitsmechanismen kennt und benützt, um Kindern zu helfen, ihren eigenen Weg zu emotionaler Balance und zu einem physisch gesunden Leben zu entwickeln. Geeignete Stressbewältigungstechniken sprechen die körpereigenen Ressourcen zur Gesundung und Heilung an, auch wenn der Körper uns mit emotionalem und physischem Unbehagen und Krankheit quält. Die besondere Bedeutung des Programms liegt darin, uns zu bestärken, dass die Ressourcen in unserem Körper liegen, vorausgesetzt, wir sind in der Lage, Stressoren zu identifizieren und unsere Schutzmechanismen zu aktivieren (My Very Own Good Feeling Self; Appendix, Element 16).
Stressmanagement-Techniken und ihr Beitrag für die Schule
Stressmanagement-Techniken ◉ verringern stressbezogene Ängste ◉ steigern die Motivation, die Lernfähigkeit und die Leistung ◉ entwickeln das Gefühl für Selbstvertrauen und den eigenen Weg ◉ verbessern Aufmerksamkeit, Konzentration und Fokus ◉ bauen Fähigkeiten auf, um mit Peer-Druck und Bullying besser umgehen zu können ◉ dienen zur Beruhigung bei Aufregungen
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Der Kiddie-Quieting-Reflex
◉ vermindern Ängste, die durch Zeitdruck oder Leistungsdruck entstehen ◉ lassen sich zwischen den verschiedenen Aktivitäten einfügen ◉ vermindern die Frustration bei Lernblockaden und helfen, diese zu vermeiden ◉ fördern positives Verhalten ◉ fördern Beherrschung und Kontrolle ◉ fördern Freude, bringen Imagination und Kreativität als Präventionsmaßnahme gegen Stress hervor ◉ unterstützen lebenslange gesunde Bewältigungsstrategien gegen Stress ◉ unterstützen kinästhetisches Lernen der Kinder
Forschungsergebnisse
Verschiedene Studien zeigen eine Steigerung in Testergebnissen, Konzentration und Leistung. Evans (2002) konnte aufzeigen, dass die Stressmanagement-Techniken des QR-Programms den systolischen Blutdruck in der Volksschule verringern und die Atemfrequenz beeinflussen. Weiters konnte festgestellt werden, dass sich dadurch die Fehlerhäufigkeit beim Abrufen aus dem Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis verminderte; weiters wurde eine Reduktion von Angst festgestellt, gemessen mit dem Revised Children’s Manifest Anxiety Scale (RCMAS) und dem State-Trait Anxiety Inventory for Children Scale (STAIC). Die Studie bestätigte, dass die Selbstregulationstechniken des QR die Ängstlichkeit in Bezug auf Schulleistungen senkt und die Leistung des semantischen Gedächtnisses verbessert, und zwar sowohl hinsichtlich der Speicherung als auch der Abrufung von schulbezogenen Informationen.
Homeostase
In der Sprache des QR und der Body-Friends wird Homeostase durch „My Very Own Good Feeling Self “ dargestellt. Dieser Body-Friend bestärkt das Gefühl, dass alle Ressourcen in unserem Körper vorhanden sind und er sich selbst regulieren kann, wenn er aus der Balance gerät. Mit QR und den Body-Friends verstärken die Kinder ihre Strategien, um Distress abzufangen und Homeostase aufrecht zu erhalten.
Der Emergency-(Notfall-)Reflex
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Eustress
Eustress wird als positiver Stress definiert, der für jeden Lernprozess notwendig ist. Er hält den Organismus mental und physisch gesund und ist die Grundlage für das Verstehen und Integrieren von Konzepten, für ein Vorwärtsstreben, für Leistung und Selbstvertrauen im Lernumfeld. Daneben unterstützt er den Selbstwert, die Fähigkeit zur Freude, einen wachen Geist und ruhigen Körper, Resilienz, Enthusiasmus, Lebensenergie und die Fähigkeit zur Problemlösung in aufreibenden Zeiten. ◉ ◉ ◉ ◉
◉ ◉ ◉ ◉ ◉ ◉
Flaches, schnelles Atmen Gefühl von Rasen in der Brust Kurzatmigkeit Der Körper zeigt Andere? Stress ganz deutlich.
Kopfweh Gesicht wird heiß Gesicht wird rot Augen schmerzen Augenzucken Andere? ◉ Blähungen/Aufstoßen ◉ Magengrimmen ◉ Gefühl, als ob die Muskeln sich verkrampfen ◉ Übersäuerter Magen ◉ Häufiger Drang zur Toilette ◉ Andere?
◉ ◉ ◉ ◉ ◉
Ruhelos Zappelig Gefühl eines rasenden Körpers Kann nicht still sitzen Andere?
Irgendetwas oder irgendjemand kann eine physische Reaktion auf Erinnerungen, Gedanken, Emotionen und Gefühle hervorrufen, die die Kinder verwirrt, ihnen Sorgen bereitet oder ein Gefühl von Ärger erzeugt. Sie liefern den Grund zu den gezeigten Körperhaltungen, Gesichtsausdrücken oder anderen körperlichen Reaktionen.
◉ Verspannungen in Nacken und Schultern ◉ Andere?
◉ ◉ ◉ ◉ ◉
Hände zittern Fette Haut Schweißhände Finger immer in Bewegung Andere?
Der Emergency-(Notfall-)Reflex Die Muskulatur des Körpers ist so aufgebaut, dass sie eine gesunde Balance zwischen den Muskelgruppen aufrechterhält. Bewusste und unbewusste mentale Prozesse unserer Gedanken, Emotionen, Gefühle sowie Druck stören diese Balance, verspannen die Muskulatur. Ein Teil dieser Muskulatur ist mit dem Emer-
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gency-Reflex gekoppelt. Seine Aufgabe ist es, uns vor Gefahr zu warnen. Wie auch immer, die Muskulatur bekommt ihren Handlungsauftrag von einem zentralen Signalsystem im Gehirn. Dieses System verfügt aber über kein Screening, das der Muskulatur mitteilt, welches Stress auslösende Ereignis weniger oder gar keine Aktion verlangt als das andere oder welches Stress auslösende Ereignis sofortige Notfallmaßnahmen verlangt. Im Gegenteil, es ist jedes Mal so, als würden alle Lampen auf Rot stehen. Diese roten Lichter signalisieren Gefahr, die eine komplette Notfallreaktion auslöst. Das Körpersignal kann den Ernst von Ereignissen nicht unterscheiden. Das Signal ist immer dasselbe, und der Körper reagiert immer auf die gleiche Weise. Für die Kinder ist es wichtig, unterscheiden zu lernen, welche Situation eine volle Notfallreaktion verlangt und welche nicht. Wenn wir eine reale Gefahr erleiden oder auch wenn wir nur glauben, uns in Gefahr zu befinden, dann reagiert der Körper mit einem Adrenalinausstoß, erhöhter Muskelspannung, beschleunigter Atmung, einer Veränderung in der Herzfrequenz und vielen anderen physiologischen Prozessen. Dieser NotfallSicherheitsmechanismus gibt uns die zusätzliche Kraft, die wir in einem solchen Fall benötigen, um entweder zu kämpfen oder zu fliehen. „Es handelt sich dabei um eine Kombination emotionaler und physischer Antworten, die vom Gehirn zum Körper und zurück, durch chemische, biophysische und neurophysische Wege und Mechanismen getragen wird. Dieser normal schützende Mechanismus des Fight-Flight kann aber pathologisch werden, wenn es sich um eine ständige Überschwemmung von Gefühlen und um heimtückische chemische Effekte handelt, gleich einem ständig tropfenden Wassers auf einen Stein1. Diese Wirkungsweise trifft alle Menschen. Es ist ein Wechselspiel zwischen der Mobilisierung von nützlichem Stress, genannt Eustress, und der Abschwächung von unproduktivem Stress“ (Blanchard-Remond A, 1999).
Der Emergency-Reflex und muskuläre Verkrampfung Es ist ganz gleich, ob die Verkrampfung den verstärkten Ärger, der im Magen, im Herzen oder im Kopf sitzt, ausdrückt. Wenn wir entspannen, können wir auch entkrampfen. In der klinischen Arbeit haben wir die Gelegenheit, Ängste aufzustöbern und Selbstregulationsmechanismen zu schulen, indem wir das Kind ermutigen, Folgendes zu sagen „I feel afraid …, but I can feel better when I do my quiet easy deep breathing; I can talk to my heart; I can Pull in the Glad/And Push Out the Sad“ (Schneider C, 2004). Lehrer können ihren Kindern dieses erzieherische Geschenk machen, indem sie sie lustige und sichere Selbstregulationstechniken gegen unnötige Verkrampfung und Verspannung lehren. Die Kinder werden diese Strategien in dunklen Momenten hervorholen, wenn sie Mut benötigen und ihren Körper beruhigen wollen. „… for letting the wisdom of the body take over the rebalancing of homeostasis to accomplish the physiologic change.“ (Norris P, 1989). 1
Steter Tropfen höhlt den Stein (Anm. d. Übers.).
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Der obere Teil zeigt eine normale Reaktion des Buben, als ihn das Mädchen erschreckt. Die vier springenden Buben zeigen den verbleibenden Emergency Reflex lange nach dem Schreck. Mit dem QR hätte er dieser verbleibenden Ängstlichkeit vorbeugen können.
Wahrnehmen einer Bedrohung
Das Wahrnehmen einer Bedrohung löst folgende Alarmsignale aus: ◉ Aktivierung des sympathischen Nervensystems ◉ Freisetzen von Adrenalin und anderen Hormonen ◉ Erweiterung der Pupillen ◉ Luft anhalten, nach Luft schnappen ◉ Zusammenpressen der Kiefermuskulatur ◉ Abziehen des Blutflusses von den peripheren Muskeln und Hinlenken zu den tief innen liegenden Muskeln, um zu kämpfen, zu erstarren oder zu laufen ◉ Ansteigen der Herzfrequenz und des Blutdrucks ◉ vermehrtes Schwitzen ◉ Blasen- oder Darmdrang ◉ generelle körperliche Anspannung/Steifheit
Alarmstufe rot – Emergency Reflex
Die rote Farbe signalisiert sehr oft Gefahr, Exit oder Stopp. Alarmstufe rot – in der Sprache des QR-Programms – bedeutet eine Mobilisierung der körpereigenen Abwehrmechanismen zur Bewältigung einer Krise. Der Körper befindet sich
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in Alarmstufe rot (Adrenalin fließt ins Blut und beschleunigt die Notfallfunktionen, um die Gefahr oder Bedrohung zu bewältigen). Aber Alarmstufe rot verlangt einen wachen Geist und ruhigen Körper, um intelligent und schnell handeln zu können.
Alarmstufe rosa – Was, wenn … Es könnte sein, dass …
Alarmstufe rosa bedeutet, dass es vielleicht eine Gefahr geben könnte. Diese Alarmstufe ist wie ein Roboter, der zwanghaft nach allen Seiten blickt, um eine mögliche Gefahr zu erspähen. Diese Vielleichts passieren normalerweise nie. Die Alarmstufe rosa ist eine abgeschwächte Notfallreaktion, die eine Gefahr bezeichnet, die vielleicht in Zukunft passieren könnte. Wichtig ist, dass diese Angst oder Gefahr in der Geschichte des Kindes eine Bedeutung gehabt hat und jetzt emotional real erscheint. Die Gefahr dieser Alarmstufe rosa ist, dass der Körper/Geist in einer ständigen Alarmbereitschaft steht, auch wenn keine unmittelbare Bedrohung vorhanden ist. Daraus kann eine ungesunde Hypervigilanz (Überwachsamkeit) entstehen. Jede Vielleicht-Sorge, Gefahr oder Angst kann dieselben physiologischen Antworten produzieren wie die Alarmstufe rot. Für Kinder ist es wichtig, die Unterschiede der beiden Alarmstufen zu erkennen, Situationen für beide zu beschreiben und ihre Body-Friends als Hilfe einzusetzen.
Zuviel oder zuwenig Energie
Zuviel Energie oder ein zu hohes Aktivitätsniveau können sich in der Klasse problematisch auswirken, wo jede Ablenkung das aktive Zuhören und Lernen stört. Ein hohes Aktivierungsniveau geht oft Hand in Hand mit dem Temperament des Kindes, internen physischen Prozessen, Aufmerksamkeit, Ablenkbarkeit und emotionalem Distress. Die Übung mit dem Body-Friend „My Body Bike Cycle“ ist eine praktische Übung, die uns zeigt, wie wir die QR-Strategien benützen können, um emotionale und physische Energieniveaus, die wie ein Motorgetriebe unter unserer Kontrolle stehen, zu verändern. Übung Diese Übung macht Kindern bewusst, wie sich passende und unpassende mentale/physische Energie anfühlt und wie es ist, einen wachen Geist und ruhigen Körper zu haben. Die Kinder sollen ihren Körper mit einem kleinen Spielzeugrennauto vergleichen, das sie beschleunigen oder abbremsen können, je nach der benötigten Geschwindigkeit. Die Stressmechanismen sind vergleichbar mit dem Gaspedal, das niedergedrückt wird, wenn das Auto beschleunigt und auf die Überholspur fährt. Kinder geben mehr Gas, wenn sie Spiele spielen, mit dem Fahrrad fahren,
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springen und laufen. In ernsten Situationen hilft uns dieser Mechanismus, uns schnell aus der Gefahrenzone zu begeben. Die Kinder sollen herausfinden, welche Veränderungen (Atmung, Gesichtsausdruck, Muskelspannung) sie bei den verschiedenen Aktivitäten spüren und dann, im Gegensatz dazu, beschreiben, wie sich der Körper anfühlt, wenn sie ihre QRÜbungen anwenden. Sie lernen, dass Gedanken, Emotionen und Gefühle, wie sich vor etwas fürchten, ängstlich sein oder an etwas Unangenehmes denken, verschiedene Reaktionen im Körper auslöst, wie z. B. Herzklopfen, einen Knödel im Hals spüren, ein komisches Gefühl im Bauch haben, öfter auf die Toilette laufen müssen uam.
Oft hören Kinder auch die Worte „Beruhige dich etwas, mach langsamer“ oder „beeil dich“. Sie sind allerdings nicht in der Lage, in diesen Situationen zu unterscheiden, wie viel Energie sie in diesem Moment einsetzen. Der körpereigene Motor arbeitet wie ein Sicherheitsmechanismus für Notfälle. Wenn die Kinder zu spät für die Schule sind oder aber mit einem Freund oder einer Freundin spielen wollen, dann steigen sie einfach auf das Gaspedal – und weg sind sie. Wie beim Spielzeug-Autorennen ist es aber notwendig, dass die Kinder die Geschwindigkeit kontrollieren, die Fahrbahn nach Hindernissen überprüfen und einen wachen Geist in einem ruhigen Körper haben, damit sie schnell beschleunigen oder bremsen können. Die Kinder lernen spielerisch, wie sich die Aufregung vor einer besonderen Aufgabe wie ein kleiner Energieschub (passing gear, wiggle gear) auswirkt und wie sie einen wachen Geist in einem ruhigen Körper erreichen, damit sie die gewünschte Leistung auch erbringen können. Diese Abbildung zeigt, wie ein Energieschub die Kinder nach außen orientiert, wie sie wachsam sein müssen. Aber welche Gefühle und Veränderungen spüren sie im Körper? Geeignete Übungen helfen, diese Gefühle zu entwirren und den Körper zu beruhigen.
Wie ein Hamster in seinem Laufrad
Der Vergleich mit einem Hamster, der unermüdlich, fast fanatisch in seinem Laufrad läuft, gibt den Kindern ebenfalls ein verständliches Beispiel, wie es aussieht, wenn man zuviel Energie ausschüttet. Beobachtet man den Hamster, kann man sich fragen, weshalb er so fanatisch läuft? Wovor läuft er davon? Was passiert den Kindern, wenn sie so durch die Klassen laufen und ihre Aufgaben erfüllen? Was könnte sich dieser Hamster denken oder fühlen?
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Zusammenfassung
Als Lehrerin weiß ich um die gesundheitliche und erzieherische Bedeutung der Fähigkeit zur Selbstregulation. Ich kann mir keinen besseren Beitrag vorstellen, den man in diesem Beruf seinen Schülern mitgeben kann, als sie zu lehren, die Balance zwischen Distress und Leistung zu halten, sich erfolgreich zu fühlen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu erhalten. Im Unterrichten dieser Fähigkeiten können auch Sie eine gesteigerte innere Ruhe erreichen, weniger Erschöpfung fühlen und das „Ausgebranntsein“ hintanhalten. Ein Lehrerkollege sagte einmal zu mir: „Ich kann unmöglich den 6-Sekunden-QR in den Unterricht einbauen, weil ich mich so gestresst fühle!“ Nun, stellen Sie sich einmal vor, Sie würden sich 120 Sekunden pro Tag Zeit nehmen für den 6-Sekunden-QR und ihn 20-mal während der Unterrichtsstunden durchführen, und zwar während der Unterrichtszeit, zwischen den Schreibaufgaben, während der Pausen, wenn die Kinder erschöpft sind usw. Sie und Ihre Schüler würden ununterbrochen ihre homeostatische Balance regenerieren, viele, viele Male pro Tag. Sobald der QR einmal erlernt und verinnerlicht ist, wird er zu einer automatischen Reaktion. Den QR zusammen anwenden, gemeinsam mit der Klasse für leichteres Lernen, Leistung, Selbstwert und Gesundheit – was kann es Besseres geben?
Anhang I – QR und die 16 eingebauten Body-Friends My Friend – Metapher für die 6-Sekunden-Quieting Reflex-Technik-Übung zur bewussten Erfassung von Stimmungen und Anzeichen von Stress; Regulierung von flacher oder rascher Atmung, Reduzierung von „falschem“ Verkrampfen, Verminderung der verengter Durchblutung, erhöhte Schwere und Wärme an der Körperoberfläche
Fighty Fists, Finger Balloon – Dysponesis oder „falsches Verkrampfen“ ist der Anspannungs- oder Verkrampfungsmechanismus der Emergency-Reaktion. Skelettale Muskeln produzieren unter Spannung kleinste elektrische Impulse und dies verstärkt Körperschmerz
QR and Finger Houses – Die Atmung ist der Grundrhythmus des Lebens; Signale für die Frühphase der Emergency-Reaktion mit Verengung der Blutgefäße in Händen und Füßen — willkürliche quergestreifte oder skelettale Muskeln und unwillkürlicher glatter Muskel
QR and Octopus – Schweregefühl wird bei entspannten skelettalen Muskeln empfunden und Gefühle einströmender Wärme in Zentren mit glatter Muskulatur, die sich in der Deckschicht der Blutgefäße, der Lunge, des Magen-Darm-Trakts usw. befinden
A Finger Trip with QR – Differenziert und untersucht angespannte und ruhige Zustände der Gesichtsmuskeln und Knochen bei willkürlichen oder unwillkürlichen Anzeichen von Gefühlen und Schmerz
Octopus, Magic Breathing Fingers, and Magic Finger Balloons – Kombiniert Atmung mit Gefühlen fließender Schwere und Wärme zur Unterbrechung von Dysponesis – falscher Verkrampfung und verengter Durchblutung
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QR and Little Fish – Kontrast zwischen Gesichtsanspannung und Loslassen des angespannten temporomandibularen Gelenks, Zusammenpressen der Kiefer bei Bruxismus und anhaltende Muskelanspannung und Verkrampfen
QR the Muscle Man – Beziehung skelettaler Muskulatur zu Gedanken und Gefühlen und allgemeiner Muskelspannung bei unbewusster Muskelspannung – Unterscheidung zwischen bewusster Anspannung und Entspannung von Muskelgruppen
QR Wiggles – Arbeit mit den Kaumuskeln, Augenmuskeln usw. und allgemeiner Gesichtsspannung
QR and Rigid Robot – Physische Erfahrung von Körperverkrampfung durch Gegensatz zwischen externer/interner Körperverkampfung/Steifheit bei Dysponesis
Magic Breathing Holes – Verbindet die Atemempfindungen mit dem Gefühl, Schwere und Wärme in den Körper fließen zu lassen, um die durch Klammern verursachte Spannung zu vermindern
QR and Grouchy Face – Mürrische Lebenseinstellung führt zu physischem Unbehagen, das sich in den Gesichtsmuskeln ausdrückt, wenn sie zwischen Angespanntheit, Ärger, Unglücklichsein, sozialer Isolation und Angst wechseln
Magic Jaw String – Fördert das Fallenlassen des Kiefers, das für die in den ersten 5 Sekunden der Emergency-Kampf/FluchtReaktion stattfindende allgemeine Aktivität entscheidend ist
My Body Bike Cycle – Physiologische Konzepte der Emergency-Kampf/FluchtReaktion für echte Notsituation und unangemessene Aktivierung; Hyperaktivität
Magic Jaw String/Breathing Holes – allgemeine 6-Sekunden-QR-Übung. Verbindet Atmung und verstärkt Schwere (quergestreifte Muskeln) und Wärme in der Körperoberfläche (unter Einbeziehung der glatten Muskulatur) Bubble-Pipe – Verbindende Übung mit Magischem Kieferband, Magischen Atemlöchern in den Füßen
My Very Own Good Feeling Self – Homöostase ist ein Zustand physiologischen Gleichgewichts –angemessene Niveaus der Körpererregung, Anpassung des Niveaus der Körperaktivierung zum Ausgleich des Grads echten Anspannung im Gegensatz zu einer vorgestellten Bedrohung. Optimiert die Funktion des gesunden Körpers.
Übungen aus dem KQR-Programm Fingerhäuser und Magische Atemlöcher (siehe Anhang 1 – QR und die 16 eingebauten Body-Friends) Diese Elemente sind – neben anderen im Programm – Beispiele dafür, wie wichtig es ist, die Techniken von Schwere und Wärme und die Atmung als Grundrhythmus des Lebens zu kombinieren, und dass konsequente, regulierte Atemmuster für die Gesundheit wesentlich sind. Unangemessene Atmung, wie anhaltendes flaches, schnelles Atmen, wirkt nachteilig auf die Atemfunktion und den Herzschlag und steht in Zusammenhang mit mentalen Lernprozessen. Bei der Übung, wo die Kinder warme Atemluft einfangen, lassen Sie sie mit den Händen winken und versuchen, Luft einzufangen. Stellen Sie die Frage, wie
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sie warme Luft fangen können? Lassen Sie sie die Hände so halten, damit sie die Luft auffangen können. Machen Sie ein geschlossenes Fingerhaus. Zeigen Sie ihnen, wie sie einige ruhige, lockere, tiefe Atemzüge machen und die Wärme spüren. Bringen Sie ihnen bei, sich auf die Wärme in ihren Händen zu konzentrieren, wenn sie die angespannten Finger und Gesichtsmuskeln lösen und ihren Körper beruhigen. Ziel dieses Body-Friend ist die Selbstregulierung der flachen, raschen Atmung. Dies ist der erste Schritt, um zu lernen, wie Gefühle von Schwere und Wärme in andere Körperregionen transferiert werden. Bei anderen QR-Elementen lernen sie, Magische Atemlöcher in die Füße zu machen, eine Übung, um Wärme in den ganzen Körper zu transferieren. Atmung, Schwere und Wärme Wackle mit den Zehen und denk an deine imaginären Magischen Atemlöcher in den Füßen. Atme warme, fließende Luft durch Atemlöcher von den Zehen bis zum Bauch ein und kehre dann den Atemfluss um. Wenn man die Kinder die Atemübungen lehrt, ist es wichtig, einen ruhigen, lockeren, tiefen Atemzug zu machen, NICHT bloß einen lebhaften, tiefen Atemzug. Letzterer würde sich nachteilig auf die Balance der regulierten Atmung auswirken. Lassen Sie die Kinder eine Hand auf den Bauch und die andere auf das Herz legen. Sagen Sie ihnen, dass sie den Mund schließen, durch die Nase einatmen und die Brust und den Bauch mit Luft füllen sollen. Dann durch einen leicht geöffneten Mund ausatmen und dem ruhigen, regulierten Ausatmen bis zu den Magischen Atemlöchern in den Füßen zuhören. Die 6-Sekunden-Quieting-Reflex-(QR-)Übung: STICHWORT – Bedrohung, Angst, Sorge, erhöhte Aufmerksamkeit (Stroebel CF, 1982) REAKTION (mit offenen Augen) 1. Lächle nach innen – Löse die Anspannung der Augen, der Gesichtsmuskeln, von Kiefer, Mund, Zähnen. Lächle nach rechts! Lächle nach links! Ein strahlendes Lächeln für den ganzen Körper! Strahlender Blick nach rechts! Strahlender Blick nach links! Ein strahlendes Lächeln nach vorne! 2. Selbstsuggestion – Wecke den Geist und beruhige den Körper 3. Einatmen – Ruhiger, lockerer, tiefer Atemzug durch die Nase – den Bauch und den ganzen Brustkorb mit Luft füllen; die Dehnung vom Nacken, der Wirbelsäule, den Schultern bis zum Unterkörper fühlen 4. Ausatmen – lang, langsam, locker ausatmen, Kiefer, Zunge, Schulter schlaff werden lassen mit einem Gefühl von Schwere und Wärme, die durch den ganzen Körper bis zu den Füßen fließt
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QR verlagert mentale und physische Energien, die im Augenblick für einen wachen Geist und einen ruhigen Körper gebraucht werden. Wie ich meinen QR mache Drei Möglichkeiten, deinen QR zu machen 1. Atme durch deine Magischen Atemlöcher ein. 2. Atme durch deine Magischen Atemlöcher aus. 3. Atme durch deine Magischen Atemlöcher ein. 4. Lass dein Kinn und dein Kiefer locker und atme durch deine Magischen Atemlöcher aus. ODER 1. Atme ein 2 – 3 – 4 2. Atme aus 2 – 3 – 4 3. Atme ein 2 – 3 – 4 4. Lass dein Kinn fallen und die Muskeln in deinem Kiefer locker. Atme aus 2 – 3 – 4. Quickie QR – Weißt du, dass QR einen Freund hat, der „Quickie“ heißt? „Quickie“ hat es immer eilig, also hat QR „Quickie“ beigebracht, wie man einen „Quickie QR“ macht. Manchmal brauchen wir alle einen „Quickie QR“ … und so geht’s. Bist du bereit? Du kannst das anwenden, wenn du dich „quickie weh“ oder „quickie traurig“ oder „quickie zittrig“ fühlst. Beginne mit einem strahlenden Lächeln nach innen Atme ein 2 – 3 – 4 Lass das Kiefer locker Atme aus 2 – 3 – 4 Bubble Pipe Bubble Pipe und QR sind sehr gute Freunde und machen die Allgemeine QuietingReflex-Übung gemeinsam. Bei der Bubble-Pipe-Übung sind alle Ziele der physiologischen Prinzipien von QR beteiligt. Kinder identifizieren sich mit der Bubble Pipe auf einzigartige Weise – ihre Freundschaft, Körpergröße, Stimmungen, kleine Ängste und Sorgen und ganz besonders ihre Träume. Bubble Pipe ist ein sehr enger Freund, der dem Herzen, den Gedanken und Gefühlen von Kindern sehr nah ist. Schaffen Sie Zeit für die Klasse, um Bubble Pipe an ihren Sorgen, Ängsten und kleinen Problemen, aber auch mit glücklichen Zeiten und allem Positiven in ihrem Leben zu beteiligen. Ermutigen Sie die Kinder, Zeiten und Orte zu beschreiben, wo sie die Bubble-PipeÜbung machen können, z. B. während der Stillarbeitszeit im Klassenzimmer, beim Schlafengehen, wenn sie allein und vielleicht angespannt sind.
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Mein Freund Bubble Pipe „Beginne diese Übung mit einem strahlenden Lächeln nach rechts! Strahlendes Lächeln nach links! Ein Strahlendes Lächeln nach vorne! Schließe die Augen. (Pause) Denke an eine weiche, wunderschöne Farbe. (Pause) Denke an deinen speziellen sicheren Ort. Hast du deine Farbe? Hast du dir deinen sicheren Ort vorgestellt? Dann geht’s los! Stell dir vor, dein ganzer Körper ist eine wunderschöne Bubble Pipe. (Pause) Lass deine Bubble-Pipe-Arme ruhig neben dir liegen. Strecke deine Bubble-Pipe-Beine ganz aus. (Pause) Lass deine Augen geschlossen. Stell dir vor, dass du warme, fließende Luft durch deine Zehen, deine Füße, deine Knie, deinen Bubble-Pipe-Körper einatmest. (Pause) Nun lockere deinen Mund und atme wunderschöne Seifenblasen aus, die alle Ängste und gruseligen Gefühle wegschweben lassen. (Pause) Und lass das gute Gefühl den ganzen Weg durch deinen Bubble-Pipe-Körper kommen. Nun wollen wir noch einmal warme, fließende Luft durch deinen Bubble-Pipe-Körper einatmen. (Pause) Lockere deinen Mund und deinen Kiefer, damit alle Seifenblasen herausgeblasen werden. (Pause) Atme ein – lass deinen Kiefer locker, um alle Blasen herauszublasen. (Pause) Atme ein – lockere deinen Kiefer, um alle Blasen herauszublasen. (Pause) Nun streck dich Sense of worth und wackle mit deinen Fingern und Zehen und lass QR deinen Geist aufwachen. Und dann ein strahlendes Deep, easy breathing Worry Lächeln nach rechts! Ein strahlendes Lächeln links! Sparkling good smile Strahlendes Lächeln nach vorne!“ Nervous Calm, quiet, safe QR Magic breathing holes Sourpuss TMJ Tight muscles Warm flowing air QR Peer problems Rigid robot Angry Worries Heaviness warmth QR School pressures Nervous Balanced, healthy, happy body
Das Body/Mind-Blockhaus Das Body/Mind-Blockhaus ist eine visuelle Darstellung der Homeostase – die adaptive Balance zwischen Wohlbefinden und Distress. Kinder können sich bildhaft vorstellen, wie sie ihr gesundes Körperhaus mit (ruhiger, lockerer Atmung, Schwere und Wärme, ihren QR- und Bubble-Pipe-Übungen) über die ungesunden Blöcke (wie Dysponesis, Anspannung, Ärger) bauen können. Sie können sich bildhaft vorstellen, wie sie die täglichen Stresssituationen und unerwarteten Traumata mit gesunden Strategien in ihr Leben einbauen können, um ungesunden anhaltenden Stress auszubalancieren, damit sie gesund bleiben und sich groß und stark fühlen wie ihr Haus.
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TIPPS FÜR DAS KLASSENZIMMER ◉ Wann machst Du einen QR? Wann immer du kannst. Jedes Mal, wenn du etwas Neues beginnst, mach einen 6-Sekunden-QR; wenn du in der Reihe stehst; wenn du die Spannung im Klassenzimmer spürst; wenn du ein Gefühl der Frustration über die Stunde hast; wenn ihr es lustig in der Gruppe habt; bevor du die Geduld verlierst. MACHE QR ZU EINEM STÄNDIGEN ARBEITSTEIL DEINES TAGES. ◉ An alle Lehrer: Machen auch Sie selbst QR. Sie sind vor der Ansteckung durch Stress im Klassenzimmer nicht gefeit. Machen Sie mit, für sich selbst und um den Kindern ein Beispiel zu geben, dass Sie sich um Gesundheit und Wohlbefinden kümmern. ◉ Die Kleinen sollen nie gezwungen werden, über emotionale oder physiologische Funktionen zu sprechen, die sie verlegen oder ängstlich machen könnten. Eltern und Gesundheitsexperten brauchen unsere Zusicherung, dass wir gesunde, lustige und angemessene Gespräche in einem Erziehungskontext fördern werden. ◉ Machen Sie die Eltern mit QR vertraut. Schreiben Sie den Eltern einen Brief, in dem Sie das Programm erklären. Sagen Sie ihnen, dass es sich dabei um ein physiologisches Programm handelt, das den Kindern hilft, unangemessene Atmungsmuster zu beruhigen, exzessive Muskelanspannungen zu verringern, kalte Hände zu wärmen – alles Zeichen für Stress, wenn die Kinder ängstlich, traurig, überreizt oder wütend sind. Eltern fühlen sich beruhigt, wenn sie wissen, dass nicht in die psychologische Intimsphäre eingegriffen wird. Ziel der QR ist es, das Wohlbefinden zu fördern, Lernfähigkeit, Leistung und Selbstwertgefühl zu steigern. Eltern sind kooperativ, wenn sie wissen, dass QR eine sichere Technik ist. ◉ Schlagen Sie den Kindern vor, ihren Familien QR beizubringen. Beachten Sie, dass einige Kinder keine bereitwilligen Familienmitglieder haben. ◉ Setzen Sie Spiele ein – Machen Sie den Robotergang. Halten Sie eine Dysponesis-Spionage-Wache. Erfinden Sie gesunde Spiele. ◉ Hängen Sie eine Info-Tafel im Klassenzimmer auf, wo die Kinder interagieren und regelmäßige Beiträge liefern können. ◉ Verwenden Sie QR während der Arbeitspausen, sodass die Kinder die Möglichkeit einer gesunden Erfahrung in schwierigen Zeiten haben. Verwenden Sie QR, wenn ein Kind sich krank fühlt. ◉ Schreiben Sie „Liz“ ihre Erfahrungen und schicken Sie einige Zeichnungen.
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Kleines Gedicht Elizabeth Stroebel Wir alle erleben glückliche Tage, manchmal aber fühlen wir uns auch traurig, verletzt oder wütend. QR hat dafür ein ganz besonderes kleines Gedicht, das helfen kann. QR sagt, es lautet so: Hol das Fröhliche herein. Wirf das Traurige hinaus. Leg dich an einen gemütlichen Ort oder setz dich auf einen schönen Platz. Leg eine Hand auf deinen Bauch. Leg die andere Hand auf deine Brust. Wackle mit den Zehen. Schließ deine Augen. Und hab ein ruhiges, strahlendes Lächeln. Und Beginn durch deine Magischen Atemlöcher zu atmen. Atme ein/atme aus. Atme ein/atme aus. Hol fröhliche Gefühle herein. Wirf traurige Gefühle hinaus. Hol gute Gefühle herein. Wirf finstere Gefühle hinaus. Hol glückliche Gefühle herein. Wirf verletzende Gefühle hinaus. Atme ein – atme aus. Wackle langsam mit deinen Zehen. Öffne mit einem strahlenden Lächeln deine Augen. Wie fühlst du dich? Das ist wunderbar, wenn man das jeden Abend im Bett macht, vor allem wenn du einen schrecklichen Tag gehabt hast. Denk einfach dran: „Hol das Fröhliche herein“ und „Wirf das Traurige hinaus“ („Pull in the glad“, „Pull out the sad“)
Dysponesis – chronische, unnatürliche Muskelspannung
Sowohl in der Gesundheitsliteratur als auch der deutschsprachigen Forschung ist Dysponesis leider nicht vertreten, obwohl dieser Begriff bereits 1974 von Whatmore erforscht und geprägt wurde. Dabei handelt es sich um eine unnatürliche Muskelanspannung als Schutzmechanismus vor Angst, Schmerz uvm. Whatmore definierte den Begriff wie folgt: „Dysponesis ist ein reversibler pathologischer Zustand aufgrund von Fehlern im Energieverbrauch, der sich nachteilig auf das Nervensystem und die Kontrolle der Organfunktionen auswirkt. Als falsche Anspannung bezeichnet, kann die Anstrengung, sich ‚mehr und noch mehr zu bemühen‘ oder ‚die Zähne zusammenzubeißen‘, funktionale Störungen im Organismus auslösen. Ob es sich um ererbte, konstitutionelle Merkmale oder um im Laufe des Lebens erworbene Anstrengungsmuster handelt, die Dysponesis (dys heißt schlecht, fehlerhaft oder falsch, und ponos heißt Anstrengung, Arbeit oder Energie) steht in Zusammenhang mit physischen, emotionalen und mentalen Reaktionen. Falsche Anstrengungen bestehen dann vorwiegend aus verkappten Fehlern bei Nervenimpulsen (Aktionspotenziale) in Nervenbahnen, die von motorischen und prämotorischen Kortexneuronen über pyramidale und extrapyramidale Stränge bis einschließlich zur periphären Muskulatur reichen. Diese Nervenbahnen sind an allen bewussten motorischen Aktivitäten beteiligt.“ (Whatmore G et al., 1974) Whatemore konnte beweisen, dass Dysponesis einerseits einen Sicherheitsmechanismus darstellt, und zwar zu Beginn des sogenannten Fight-Flight-Mechanismus, aber auch andererseits aus sich selbst heraus entsteht, durch erbliche Disposition als Reaktion gegen Stress, durch eine Krankheit und/oder Schmerz, der diese begleitet. Diese muskuläre Dysfunktion hat viele verschiedene Quellen, sei es eine Pathologie des Muskelgewebes, Träume oder Verletzung, begleitet von einer falschen Muskelbeanspruchung oder Fehlhaltung. All das führt zu körperlichen Symptomen, die oft fälschlicherweise als anatomisch oder biochemisch pathologisch bezeichnet werden und sich in Zittern, Schwitzen, Atemproblemen, Herzklopfen, Magenproblemen usw. zeigen. Dysponesis betrifft den gesamten Organismus und beeinflusst die Atemfunktion, die gastrointestinale Aktivität, die kardio-vaskuläre Aktivität und den Bewegungsablauf. Es erzeugt Erschöpfungszustände, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Hyperventilation, Angst, Depression und Magenverstimmung. Dysponesis kann für sich allein bestehen, in eine Krankheit oder einen Krankheitsverlauf eingebettet sein. Die Bedeutung, die Dysponesis in der Gesundheitsprävention und in Erziehungseinrichtungen einnimmt, ist offensichtlich. Chronische muskuläre Verspannung erzeugt Schmerzen, die wiederum eine Fehlhaltung und/oder weitere Anspannung nach sich ziehen. Denken wir nur an einen Zahnarztbesuch: Sobald der Bohrer in Aktion ist, sind ca. 95 % der Patienten muskulär angespannt, um den kommenden Schmerz besser aushalten zu können. Oft führt diese Anspannung auch dazu, dass ein Schmerz verspürt wird, obwohl noch gar keiner vorhanden ist – Anspannung verstärkt den Schmerz.
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Dysponesis – chronische, unnatürliche Muskelspannung
Stress und Überforderung kann bei Kindern eine chronische muskuläre Anspannung auslösen, die sich wiederum in Lern- und Leistungsblockaden ausdrückt. EMG-Biofeedback allein oder in Kombination mit anderen Parametern bei Stressbelastung ist hier die geeignete Therapie/Trainingsmethode, integriert in das kindliche Lebenskonzept.
Falsche Anspannung – Dysponesis und Kinder Elizabeth L. Stroebel
Beobachtet man sehr kleine Kinder, wie sie versuchen, einen Bleistift zu halten und unter ihre Kontrolle zu bringen, dann wird schnell verständlich, dass daran komplexe Hirnprozesse und motorische Integrations- und Koordinationsleistungen beteiligt sind. Sie bearbeiten den Bleistift mit ihren Hände und Fingern, bis sie ihn fest im Griff haben. Dieser erste feste Griff wirkt verkrampft und steif. Viele Kinder lassen diese Form der Verkrampftheit zurück, während andere sie als Muster für den Ausdruck von Stress beibehalten. Sehr ängstliche Kinder drücken emotionale, psychische und physische Schwierigkeiten durch eine erhöhte muskuläre Anspannung aus. Je mehr sie gefordert werden oder sich anstrengen, desto größer die An- und Verspannung. Der Physiker George Whatmore (1979) bezeichnet Dysponesis als Anstrengung, die sich in verschiedene Arten einteilen lässt: ◉ Anstrengung bei körperlicher Leistung: gelerntes motorisches Verhalten, wie z. B. beim Gehen, Sprechen, Heben ◉ Anstrengung bei Darstellung: Signale, die Denken, Erinnern, Antizipieren, Tagträumen, Sich-Sorgen, vergangene Erfahrungen, zukünftige Ereignisse, Probleme, Ziele, Konzepte ausdrücken ◉ Anstrengung bei Aufmerksamkeit: die Reize bestimmter Sinnesorgane haben einen größeren Einfluss auf das Nervensystem als andere. Whatmores Einteilung lässt sich für Kinder wie folgt modifizieren: ◉ Ungesunde Anspannung der Ängstlichen ◉ Ungesunde Anspannung aus Furcht ◉ Ungesunde Anspannung durch Imagination ◉ Ungesunde Anspannung in einer Testsituation Kinder sind sehr gut darin, verschiedene Grade von ungesunder Anspannung (siehe Rigid Robot, der Robotergang) zu gebrauchen, um Spannung und Loslassen darzustellen. Sie verwenden gerne verschiedene Techniken der Visualisierung, der geführten Imagination und Entspannungstechniken, um ihr emotionales und physiologisches Gleichgewicht wiederherzustellen.
Faulty Bracing – Dysponesis und Kinder
Gerunzelte Stirn Grimmiger Blick Zusammengepresste Zähne Angespannte Lachmuskeln Starrer Kiefer Angespannte Schultern Ausgestreckte, angespannte Arme Angespannter Bauch
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Verspannter Kopf Druck auf den Schläfen Steifer Hals Zusammengeballte Finger, Handgelenk Angespannter Brustkorb Beinmuskeln Knie Zehen und Füße
Rigid Robot, der Robotergang (siehe Anhang I, die 16 Body-Friends). Die Anspannung lässt sich sehr gut mit EMG-Biofeedback messen.
Bracing for the Worrisome (ungesunde Anspannung der Ängstlichen) Bracing for the Worrisome drückt die Anspannung aus, die beim Denken, Erinnern, Antizipieren und Sorgenmachen entsteht. Kinder, die sehr ängstlich sind, zeigen entweder ein kontrolliertes (auf der ständigen Suche nach Informationen) oder abgestumpftes (Vermeidung) Verhalten. Evans (2002) erforschte die Effekte von Ängstlichkeit und ihre Auswirkung auf den unmittelbaren und verzögerten Abruf von bekanntem Wissen bei Schulkindern der Grundschule und die Nützlichkeit kognitiver Copingstrategien. Seine Forschung bestätigte die negative Wirkung von Ängstlichkeit auf den Zugang zu Wissen und eine steigende Anspannung. Er konnte aufzeigen, dass allgemeine Stressmanagement-Techniken ein großes Maß an Kontrolle über die Ängstlichkeit ermöglichen. Ein Kind, das ständig gemaßregelt wird, wenn es bei der Türe hereinkommt, oder das sich vor dem Lehrer fürchtet, weil er vielleicht mit ihm schimpfen könnte, wird sich permanent – als Schutzmechanismus – anspannen, auch wenn es nicht nötig ist, weil nichts passiert. Der Körper des Kindes verharrt in einer fixen Position, Hände verkrampft, Schultern, Gesicht und Nacken angespannt. Mit der Zeit wird diese fixe Position zu einer Art emotionaler und muskulärer Abwehrhaltung und stabilisiert sich als habituierte Verhaltensreaktion des Kindes. Ganz unbewusst ist diese Anspannung auch in anderen Situationen, die mit dem ursprünglichen Angstauslöser nichts zu tun haben, vorhanden.
Bracing for the Dreads (ungesunde Anspannung aus Furcht) Bracing for the Dreads zeigt die Anspannung eines Kindes, das sich vor etwas oder vor jemandem fürchtet. Wie auch das Bracing of the Worrisome handelt es sich hier um antizipatorisches Anspannen, das an frühere Erfahrungen geknüpft ist
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Dysponesis – chronische, unnatürliche Muskelspannung
und eine erlernte Reaktion auf Gedanken, Flashbacks, Emotionen und Empfindungen darstellt, die sich auf eine Situation und/oder eine Person beziehen. Manche Kinder sind in der Lage, diese Furcht zu beschreiben, andere können es nicht oder fürchten sich zu sehr davor, es zu erzählen. Manche wissen nicht genau, wovor sie sich fürchten, aber sie beschreiben genau ihre körperlichen Empfindungen dabei. Einige sagen einfach „Ich will nicht in die Schule“ und umschreiben damit Bullying oder andere Situationen. Ein kleines Mädchen, Jenny, acht Jahre alt, fühlte, dass die Welt ein unheimlicher Ort für sie war. Sie war hypervigilant. Um sich zu beschützen, hielt sie eine ständige Muskelspannung aufrecht. Sie entwickelte die Gewohnheit, ihre Hände zu Fäusten zu ballen und beklagte sich über Magenbeschwerden und Kopfschmerzen mit steigender Ängstlichkeit und Panik (Stroebel E, 2005).
Bracing for the Imagery (ungesunde Anspannung durch Imagination) Die imaginären Ängste entwickeln sich in der frühen Kindheit und sind für verschiedene Entwicklungsstufen charakteristisch. Normalerweise sind diese Ängste nur vorübergehend. Nehmen sie aber einen größeren Raum ein und sind länger als vorgesehen vorhanden, zeigt sich der mentale und physische Energieverbrauch in verschiedenen Mustern. Antizipatorische Ängstlichkeit, Erschöpfung und Ablenkung mischen sich in Lernprozesse, Selbstsicherheit, Zuversicht und bedrohen die Gesundheit. Besonders störend ist, dass die normalen Ängste der Kindheit, wie Trennung, Verlust u. a., zur Realität werden und zu einer alarmierenden Größe heranwachsen. Auch die Meldungen der Medien, die uns immer wieder daran erinnern, auf Kinder besonders aufzupassen, die Warnungen der Erwachsenen an die Kinder – „Pass auf!“ – und die zahlreichen Überwachungseinrichtungen erzeugen dann einen bewussten und unbewussten Zustand der ständigen Wachsamkeit. Was einmal nur kleine, imaginäre Kinderängste waren, wächst nun zur unvorhergesehenen Realität an.
Bracing for Performance (ungesunde Anspannung in einer Testsituation) Bracing for Performance ist ein erlerntes Verhalten, das sich in der äußeren Anspannung zeigt, aber mit mentalen Prozessen verbunden ist. „Wenn die ganze Welt eine Bühne wäre …“, sagt Shakespeare, und in der frühen kindlichen Entwicklung dreht sich alles um das Imitieren. Das Spielen ist eine ständige „performance in motion“. Diese motorische Aktivität und Anspannung ist nur vorübergehend und spielabhängig, ein Ausdruck eines erhöhten Aktivierungsniveaus. Aber auch unter diesem beobachtbaren, oberflächlichen Verhalten laufen still und heimlich verschiedene Prozesse ab, symbolisch, physiologisch, emotional und mental. Die muskuläre Anspannung ist unlösbar mit Gefühlen verbunden, sich in einer Situation der Prüfung zu befinden, in Zeitdruck oder erschöpft zu sein. Sie ist
Faulty Bracing – Dysponesis und Kinder
auch gekoppelt mit einer wachsenden Ängstlichkeit und Depression, und manche Kinder leiden so stark darunter, dass sie ihre schulischen Ziele nicht erreichen können. Unbewusst wird dieses Verhalten internalisiert und zeigt sich auch in anderen Situationen. Diese Stressreaktion blockiert jede Leistung und wird von einem schwankenden Selbstvertrauen und der Angst vor Versagen und Blamage begleitet.
Übung aus dem Programm Boxerfaust, Finger-Ball und Tintenfisch Element 9 Bei dieser Übung geht es um den Unterschied zwischen der ständigen Anspannung der Finger und der Faust bei geschlossener Position und dem Nachlassen der Spannung von einer geschlossenen Faust über die Arme, den Nacken und die Schultern.
Abfolge: Boxerfaust und Finger-Ball
Boxerfaust
Finger-Ball
Tintenfisch
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Welchen Nutzen hat biofeedbackunterstütztes Stressmanagement im schulischen Bereich? Zukunftsperspektiven und Schlüsselqualifikationen
Biofeedbackunterstützes, aktives Stressmanagement ermöglicht ein gemeinsames Agieren und Erfahren von Lehrern und Schülern, entspannt belastende Situationen, bietet Lösungsmöglichkeiten und Copingstrategien. Wie sehr Schüler und Lehrer adäquate Techniken und Strategien brauchen, zeigt eine Umfrage unter 5400 Schülern im Alter zwischen 16 und 18 Jahren des Vereins „SOS Körper“ (2002), aus der hervorgeht, dass die Schüler 9,3 Stunden pro Tag sitzend und nur 5,1 Stunden in der Woche mit Sport verbringen. Diese Tatsache ist nicht nur für die Prävention von einschneidender Bedeutung, sondern auch für das Ansteigen von negativem Stress und Depression. Stress wird nicht mehr durch natürliche Bewegung und Verhaltensweisen abgebaut. Gewalt, Mobbing, Aggression, Verhaltensauffälligkeiten, aber auch Lernblockaden, Prüfungsangst und psychosomatische Beschwerden sind Ausdruck von Hilflosigkeit einer bestimmten Situation gegenüber, aber auch Resultat ungenügender sportlicher und spielerisch-kreativer Betätigung. Adäquates Stressmanagement und Selbstregulierungstechniken bieten die Grundlage für flexibles, dynamisches Lernen, für soziale Interaktion und Kommunikation und ein angenehmes Klassenklima. Wie Gemeinschaft gelebt wird, hängt maßgeblich davon ab, welche Erfahrungen Kinder/Jugendliche im Umgang mit dem ICH und DU gemacht haben. Nur wer sich selbst und seine Reaktionen versteht, versteht auch sein Gegenüber. Biofeedback in der Schule für Lehrer, Erzieher und Schüler erweist sich immer mehr als probates Mittel für mehr Lebens- und Lernqualität. Dass Lehrer vermehrt unter Burnout-Prozessen leiden, ist bekannt. Aber auch Schüler leiden unter Depressionen, Ängsten, Stress, Versagensängsten und Überforderung.
Zukunftsperspektiven und Schlüsselqualifikationen Die Zukunft wird Kindern und Jugendlichen viel abverlangen. Flexibilität und Dynamik sind die Schlagworte der heutigen technologisierten Zeit. Niemand kann mehr darauf vertrauen, einen einmal erlernten Beruf ein Leben lang auszuüben. Wichtiger denn je sind Schlüsselqualifikationen wie ◉ Lebenskompetenz, Selbstbewusstsein ◉ Energie- und Stressmanagement ◉ Flexibilität ◉ Teamgeist ◉ Dynamik ◉ Gesundheit Die Auswüchse unserer Zeit, wie steigende Aggression und Gewalt unter Jugendlichen, zeigen, dass sie keine Techniken gelernt haben, mit Stress und steigenden Alltagsanforderungen fertig zu werden.
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Nutzen im schulischen Bereich
Belastungssituationen begleiten uns ein ganzes Leben lang. Nicht ihre Stärke und ihre Anzahl sind von entscheidender Bedeutung, sondern die Art und Weise, wie wir darauf reagieren. Zur Erhaltung eines Leistungsoptimums ohne Überbelastung und Stress, als Hilfe bei Ängsten, Wut und Zorn ist es notwendig, die richtigen Strategien und Techniken erlernt und verinnerlicht zu haben. Selbstregulierungstechniken ◉ helfen bei der Vermeidung von Aggression und Gewalt und fördern Aufmerksamkeit, Leistung und Gesundheit von Körper, Geist und Seele. ◉ unterstützen den eigenen Selbstwert, das Selbstbewusstsein und die Selbstkontrolle als Maßnahme gegen Hilflosigkeit. ◉ sind die gesunde Basis für ein Leben in Gemeinschaft, für Kommunikation und Interaktion und positiven Dialog. ◉ legen den Grundstein für eine gezielte Psychohygiene. ◉ unterstützen auch die Kontrollfähigkeit bei Leid und Krankheit. Selbstregulierungsmaßnahmen wirken chronischem Stress entgegen. Biofeedback ist eine Trainingsmethode, die den Einstieg in die Selbstwahrnehmung erleichtert und die ersten Trainingsschritte zum Erfolg führt – durch unmittelbares Feedback auf die angewendete Technik.
Ausblick
Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Victor Hugo
Biofeedback und Neurofeedback sind aus Therapie- und Trainingsprogrammen nicht mehr wegzudenken. In Amerika schon lange anerkannt, finden sie nun endlich auch vermehrt Einzug in Europa. Ihr Einsatz in der Therapie und Persönlichkeitsschulung von Patienten und Klienten ist evident, und die Anwendungsgebiete sind vielfältig und komplex. Biofeedback und Neurofeedback in der Therapie mit Kindern und Jugendlichen ist allerdings ein neues Feld für Therapeuten, Psychologen, Ärzte, Trainer, Lehrer. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie benötigen einen für sie verständlichen Zugang zu psychophysiologischen Prozessen und Lerninhalten. Geeignete Bildschirmanimationen und Geschichten vermitteln dieses Wissen und Verständnis. Dieses Wissen ist ja intuitiv bereits in uns angelegt. Wie sonst ist es erklärbar, dass Kinder ein angeborenes Gefühl für innere Balance besitzen? Selbstregulationstechniken müssen von gesunden Kindern nicht lange geübt werden, sie stellen sich fast automatisch ein. Meine Vision für die Zukunft ist die Hoffnung, dass sich ein gesteigertes Bewusstsein für die inneren Ressourcen unter den Menschen und ganz besonders unter allen Personen, die mit Kindern arbeiten, herausbildet. Durch Biofeedback und Neurofeedback können diese Ressourcen gepflegt und der Kontakt mit ihnen wiederhergestellt werden, für die individuelle Gesundheitspflege, für Heilungsprozesse, im Schmerzmanagement, in der Rehabilitation, bei psychischen Beschwerden und Störungen, in der Stressprävention, in der Persönlichkeitsbildung u. a. Biofeedback und Neurofeedback haben an sich keine Nebenwirkungen, aber sehr wohl Kontraindikationen, die jeder Therapeut/Trainer kennen sollte. Bei Kindern ist besonders auf traumatische Erlebnisse zu achten. Für eine gelingende Therapie, ein gelingendes Training mit Kindern und Jugendlichen, ist eine profunde Aus- und Fortbildung in Biofeedback/Neurofeedback und angrenzenden und/oder fächerübergreifenden Disziplinen, das Arbeiten im Netzwerk, regelmäßiger Austausch mit Kollegen und die Ausformung eines eigenen Menschenbildes für den Erfolg und die Compliance der Patienten/Klienten Voraussetzung. Je nach Anwendungsgebiet wird eine mehr oder weniger umfangreiche Ausbildung für den jeweiligen Anwender oder die Anwenderin Sinn machen und notwendig sein. Neben den nationalen und internationalen Organisationen und den Softwareherstellern bietet das Zentrum für praxisorientierte Fort- und Weiterbildung (www.biofeedback-neurofeedback.com) Informationen, Supervision und ergänzende und vertiefende Seminare/Ausbildungen für interessierte Anwender mit anerkannten Referenten an. Ein besonders Anliegen ist mir die Ausbildung von Personen, die Biofeedback im Stressmanagement und beim Lernen anwenden möchten, aber keine Therapeuten sind, wie z. B. Lehrer und Lehrerinnen. Für alle Interessierten gibt es die Möglichkeit einer Ausbildung zum ASTI®-Trainer: Biofeedback, Stressmanagement und Lerncoaching. Die Frage nach einem Befähigungsnachweis für verschiedene Berufsgruppen ist evident. Wie jedes technische Hilfsmittel hat auch Biofeedback seine Grenzen, nämlich dort, wo der Therapeut, der Arzt gefragt ist. Diese Grenze ist schwimmend und kann nicht immer leicht erfasst werden. Die Anwendungsgebiete und Möglichkeiten des Einsatzes von Biofeedback sind überaus vielfältig, noch lange
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Ausblick
nicht vollständig erforscht. Neurofeedback eröffnet ebenfalls ungeahnte therapeutische Perspektiven. Doch hinter all der Technik steht der Mensch, der kleine Patient mit seinen Beschwerden, Wünschen, Sorgen, Problemen und Ängsten, der unsere Zuwendung braucht und sich auf unsere fachliche Kompetenz verlässt. Das dürfen wir niemals vergessen.
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Liste der Autoren MMag. Ingrid Pirker-Binder Stress-/Psychotherapeutin, Health-Consultant, FH-Lektorin, Co-Präsidentin der Education Section der AAPB, USA, International Representative Education Section BiCo © 1.STRESS-THERAPIEZENTRUM STZ Austria Institut für Biofeedback & Stresstherapie & Coaching Saileräckergasse 43/26 1190 Wien Tel.: ++43/676/704 76 68 Fax: ++43/1/890 13 58 E-Mail:
[email protected] www.pirker-binder.at ASTI® Constantinus Award 2004 Gesellschaft für Intern. Stressmanagement & Biofeedback & Coaching, ISMA Austria Saileräckergasse 43/26 1190 Wien Tel.: ++43/676/704 76 68, MMag. Ingrid Pirker-Binder E-Mail:
[email protected] www.asti.at Biofeedback & Neurofeedback Zentrum für praxisorientierte Aus- und Fortbildung Saileräckergasse 43/26 1190 Wien Tel.: ++43/664/105 02 40 E-Mail:
[email protected] www.biofeedback-neurofeedback.com BiCo © im Medicus Therapiezentrum für Ganzheitsmedizin In der Klausen 3 1230 Wien Tel.: ++43/1/889 30 20, Dr. Hubmann Tel.: ++43/1/865 78 30, Dr. Wutzl www.medicus-doc.at
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Liste der Autoren
Frank Andrasik, Ph.D. Professor of Psychology, UWF; Senior Research Scientist, FIHMC (Institute for Human and Machine Cognition); Department of Psychology; Editor-in-Chief Applied Psychophysiology & Biofeedback University of West Florida 11000 University Parkway Pensacola, FL 32514-5751 Tel.: (850) 474-3298 Fax: (850) 857-6060 E-Mail:
[email protected] E-Mail:
[email protected] Licia Grazzi, Ph.D., Susanna Usai, Ph.D Centro Cefalee, Istituto Nazionale Neurologico “C.Besta” Via Celoria, 11 20133 Milano, Italy E-Mail:
[email protected] Daniel Hamiel, PH.D Tel-Aviv Mental Health Center, Klalit Health Services Hosen Institute The Academic Institute Tel-Aviv-Jafa Dr. Ute Strehl, Dipl.-Psych. Universität Tübingen Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie Gartenstr. 29 72074 Tübingen Tel.: ++49 (0)7071 2973244 E-Mail:
[email protected] Elizabeth L. Stroebel, PhD, BCIA Co-President of the Education Section of the AAPB, Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback 59 Mason Road Barrington, RI 02806 Temporary telephone contact: (941) 321-8890 KQR Web Site www.kiddieqr.com E-Mail:
[email protected]