Ken Conagher
Blutiger Frühling Ronco Band Nr. 125/06
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 196...
103 downloads
550 Views
600KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Ken Conagher
Blutiger Frühling Ronco Band Nr. 125/06
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet. Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Der weiße Apache, zwölfjährig, kämpft gegen die Blaubäuche und verliert sein Pony Shita. Little Friend – Unterhäuptling bei den Chiricahuas, nimmt sich Roncos an und erkennt dessen kämpferische Eigenschaften. Pfeilkind – Apachenjunge, neidet Ronco die Stellung im Stamm und kämpft gegen ihn. Schnelltöter – Apachenkrieger mit zwei Frauen, die ihm ständig Ärger bereiten. Colonel Grouard – Ist verblüfft, weil Ronco frech zu ihm wird.
Blutiger Frühling 25. Oktober 1878, Texas Wie von einer Axt gefällt, war ich vor der Tür der Fultons aus den Stiefeln gekippt. Aber es waren nicht nur der Blutverlust und die Schmerzen gewesen, die mich umgehauen hatten – auch maßlose Enttäuschung hatte an mir herumgesägt. Enttäuschung über den Verrat der Bosse von der Denver-&-Rio-GrandeEisenbahngesellschaft, die mir versprochen hatten, meine Rehabilitierung durchzusetzen, wenn ich es schaffen würde, zusammen mit Lobo den Boß der Hilton Company, Andrew Hilton, zu kidnappen. Wir hatten es geschafft – und von der Denver & Rio Grande einen Tritt in den Hintern erhalten. Wir konnten noch froh sein, daß uns die Flucht aus Mexiko gelungen war. Wenn auch in meinem Fall keineswegs mit heiler Haut. Die Kugel des mexikanischen Desperados hatte ich mir aus dem linken Arm geschnitten und die Wunde mit einem glühenden Eisen ausgebrannt. Und vor Fultons Tür kippte ich um. Als ich wieder erwachte, lag ich in einem weißen, frisch bezogenen Bett, hatte einen sauberen Verband um den linken Arm und kriegte von der molligen Sally Fulton Fleischbrühe eingetrichtert. Am Fußende standen Gary Fulton, Sallys Mann, sowie Ireen Fulton, die Tochter, und Floyd Fulton, der Sohn. Und sie alle lächelten, grinsten, schmunzelten, und ich hatte das Gefühl, zu Hause zu sein. Ich schluckte die Fleischbrühe und grinste zurück. Wenn ich jemals in meinem Leben glücklich gewesen war, dann in diesem Augenblick. Die Denver & Rio Grande samt ihren verdammten Bossen konnte mir den Buckel herunterrutschen, der Tiefschlag, den sie mir verpaßt hatten, war vergessen – nicht aber Andrew Hilton. Der Kampf würde weitergehen. Am nächsten Tag fühlte ich mich stark genug, das Schulheft aus der Satteltasche zu kramen und mein Tagebuch dort weiterzuführen,
wo ich es abgebrochen hatte. Im Mai des Jahres 1858. Dieser Mai war kein Wonnemonat – es wurde ein blutiger Frühling. Und ich kämpfte mit den Apachen …
1. Ganze zwölf Jahre war ich alt. Wenn ich mein Spiegelbild in dem Wasserloch nahe des Apachencamps betrachtete, starrte mich ein Zwerg mit einem uralten Gesicht an. Dieses Gesicht sehe ich heute noch – zottiges, sandfarbenes Haar, das mir über die Schultern fiel, fast zu große Augen, die für einen Zwölfjährigen schon zuviel Tod und Mord und Gewalt gesehen hatten, eine Nase, die noch nicht wußte, ob sie schmal oder dick werden wollte, und ein Mund, der trotzig zusammengepreßt war. Ich war weder Fleisch noch Fisch, was meine Herkunft betraf. Wer war ich denn? Ein hellhäutiger Junge, blondhaarig und blauäugig, elternlos – und da hockte ich zwischen dunkelhäutigen, dunkelhaarigen, dunkeläugigen Menschen und versuchte zu ihnen zu gehören und meinen Platz in ihrem Stamm zu finden. Bei den Mimbreno-Apachen Coyoteros hatte ich mir meinen Platz erkämpft. Dann war mein Stamm im Tal der Krähen von weißen Indianerhändlern regelrecht abgeschlachtet worden. Aber ich hatte es geschafft, den kümmerlichen Rest des Mimbreno-Stammes nach Mexiko zu führen – in das große Lager der Chiricahua-Apachen unter ihrem Häuptling Black Hawk. »Ein Junge mit dem Mut eines Mannes«, hatte Black Hawk gesagt, nachdem Eskehimzin, der im letzten Teil unseres langen Marsches zu uns gestoßen war, berichtet hatte. Eskehimzin, dessen Stamm ebenfalls bei einem Massaker vernichtet worden war, hatte zu den Worten Black Hawks genickt. »Er ist kein Junge mehr«, hatte er erwidert, »er ist ein Krieger, der mehr Verstand unter seinem Blondhaar hat als die meisten unserer Brüder.« Die Alten hatten genickt, aber viele der jungen Chiricahuas hatten mich aus ihren dunklen Augen mißtrauisch gemustert, und den
Mienen einiger war zu entnehmen gewesen, daß sie mich am liebsten getötet hätten. Pfeilkind zum Beispiel mochte mich nicht. Er war ein Jahr älter als ich und der Sohn von Büffelmann und Honigmond. Der Stammesrat der Chiricahuas hatte entschieden, daß ich in die Familie von Büffelmann und Honigmond aufgenommen werden sollte. Ich erhielt meinen Platz in ihrem Wickiup, und darüber war Pfeilkind sauer, denn er mußte ein Stück von seinem Platz im Wickiup räumen. Viel Platz war in der Buschhütte sowieso nicht. Denn da war auch noch Himmelsauge, ein pausbäckiges, nußbraunes Baby mit Augen so groß wie Silberdollars und einer Stimme, die einen erzittern lassen konnte. Ich hätte sie statt Himmelsauge eher Krähengeschrei oder Nervensäge getauft, aber für ein Mädchen war der Name Himmelsauge wohl hübscher. Ihre Augen waren auch wirklich etwas sehr Schönes – im Gegensatz zu ihrem Gebrüll. Alles, was einem Apachen gehörte, befand sich in seinem Wickiup – Lanzen, Schilde, Bogen und Pfeilköcher, Schußwaffen, Sättel und Satteldecken, Körbe, unbemalte Lehmtöpfe, lederne Vorratsbeutel, Amulette, heilige Stücke aus Holz, Stein oder Tierknochen, Kürbisschalen, aus denen Tiswin getrunken wurde, Geistermasken – was weiß ich. Büffelmanns Attraktion war eine Geige mit nur einer Saite. Dieses Ding war glattweg ein Zauber. Denn wenn er an der einen Saite zupfte, hörte Himmelsauge mit ihrem Gebrüll auf und lauschte verzückt, wobei sie wie ein Ferkel schmatzte und ihren Daumen ablutschte. Nachts zupfte Büffelmann natürlich nicht. Da schnarchte er, während Himmelsauge brüllte. Gegen das Gebrüll schien er völlig immun zu sein. Ich merkte, daß ich in dieser Beziehung noch viel zu lernen hatte. Die Wickiups wurden von den Frauen errichtet. Es waren runde, kuppelförmige Hütten, über zwei Yards hoch und etwa drei Yards im Durchmesser. Sie bestanden aus einem runden Rahmenwerk von dünnen Weidenholzstangen, die tief in den Boden getrieben und deren Spitzen zusammengebunden wurden. Darüber legte man
Grasbüschel oder Buschwerk, und zwar in der Art sich überlappender Schindeln. Teilweise wurden ungegerbte Tierhäute darüber gedeckt und mit Seilen aus Yuccafasern festgebunden. Ein Loch oben im Wickiup diente als Rauchabzug für das Feuer, das in der Mitte der Hütte brannte. Wir schliefen auf Grasmatten, über die Decken von Tierfellen gebreitet waren. Himmelsauge strampelte in einem Korb aus Weidengeflecht. Wie gesagt, mit meiner Aufnahme bei Büffelmann und Honigmond war es tatsächlich in dem Wickiup verdammt eng geworden – und damit nahm der Ärger, was Pfeilkind betraf, seinen Anfang. Offen meuterte er natürlich nicht, zumal Büffelmann und Honigmond mich mit offenen Armen aufgenommen hatten. Immerhin war ich unter den Chiricahuas weiß Gott ein seltenes Exemplar, ein Renommierstück, das herumgezeigt werden konnte. Indianer erhielten ihre Namen aufgrund besonderer Merkmale oder typischer Gewohnheiten oder auch, wenn sie einen bemerkenswerten Coup gelandet hatten, denn dann wurde ihr früherer Namen in einen Kriegsnamen umgewandelt. Die Namen Büffelmann und Honigmond paßten ausgezeichnet zu meinen neuen Pflegeeltern. Büffelmann war untersetzt und hatte eine Brust wie ein Felsen. Sein Schädel war flach und kantig und wirkte tatsächlich fast wie ein Büffelschädel, dem nur die Hörner fehlten. Voller Ehrfurcht betrachtete ich seine stämmigen, muskelbepackten Beine und verglich sie insgeheim mit meinen Bohnenstangen. Ob ich auch einmal auf zwei solchen Säulen stehen würde, erschien mir mehr als zweifelhaft, aber doch sehr erstrebenswert. Auch Honigmond rechtfertigte ihren Namen. Ihr Lächeln war wie Honig, ihr Gesicht ein kugelrunder Vollmond – keine Sichel, wohlgemerkt. Sie trällerte und lachte den ganzen Tag, war freundlich, sanft und von einer Mütterlichkeit, wie sie auch Susqueya, die Mimbrenosquaw, ausgeströmt hatte, die auf unserem langen Marsch hierher von mexikanischen Desperados erschossen worden war. Mit meiner leiblichen Mutter, die ich nicht kannte, und Susqueya, deren Grab in der Wüste lag, war Honigmond nun meine dritte
Mutter im Laufe von zwölf Lebensjahren. Ich fand, daß ich allen Grund hatte, glücklich zu sein. Außerdem versorgte sie mich reichlich mit Mesquite-Kuchen – auch heimlich, weil sonst Pfeilkind gemeckert hätte. Unersättlich stopfte ich den Mesquite-Kuchen in mich hinein, eingedenk meines Ehrgeizes, auch einmal wie Büffelmann auf zwei Säulen stehen zu können. Diese Säulen wollte ich mir anfressen. Warum nicht mit Mesquite-Kuchen? Aber nun zu Pfeilkind. Gemessen an seinem Vater Büffelmann und seiner Mutter Honigmond und seinem Brüllschwesterchen Himmelsauge war er eine glatte Mißgeburt. Weder hatte er die Gestalt seines Vaters, noch war er sanft wie seine Mutter. Er war ein Meckerer, Griesgram und Übelbold, der Hunde am Schwanz zog, Schwächere verprügelte, in den anderen Wickiups klaute, die alten Weiber foppte und insgesamt nur das tat, was man allgemein mit nichtsnutzig bezeichnete. Von Büffelmann kriegte er mindestens einmal am Tag eine geschmiert, und wo Büffelmann hinlangte, da hatte es gescheppert. Auf diese Weise war Pfeilkind hart im Nehmen geworden und verteilte seinerseits die Maulschellen, die ihm sein Vater verpaßte, an die anderen Jungen des Stammes. Ich nehme an, daß er das als gerechten Ausgleich empfand. Warum er Pfeilkind hieß, mochte der Teufel wissen. Zieht-denHund-am-Schwanz hätte besser gepaßt. Er war ein Schläger und kämpfte mit allen schmutzigen Tricks, die er auf Lager hatte – und da verfügte er über einen beachtlichen Vorrat. Klar, daß ich mit ihm zusammenprallen mußte. Gleich am ersten Abend ging das Theater los. Widerwillig hatte er im Wickiup gerade soviel Platz geräumt, wie er vielleicht für eine Laus ausgereicht hätte, aber keineswegs für mich. Büffelmann saß noch draußen am Campfeuer, und Honigmond tratschte mit einer Nachbarin über die Wirkung des Mescals als Liebestrank. Was das bedeutete, kapierte ich nicht, immerhin aber kicherten Honigmond und die Nachbarin, die den hübschen Namen Strahlt-wieein-Stern hatte, um die Wette, und irgendwie stimmte mich dieses Kichern friedlich. »Ich beiß dir ein Ohr ab«, sagte Pfeilkind und fletschte seine
Zähne. Er stand mit geballten Händen im Wickiup und beobachtet jede meiner Bewegungen. »Hast du solchen Hunger?« fragte ich und schob sein Deckenlager so weit zur Seite, daß nicht nur eine Laus, sondern auch ich Platz haben mußte. Schließlich hatte ich keine Lust, bei den Hunden am Lagerrand unter freiem Himmel zu schlafen. Die Nächte waren kalt. Außerdem hatte Büffelmann seinem Sohn befohlen, für mich Platz zu schaffen. »Laß das«, sagte Pfeilkind. Sein Stimme klang wie ein Reibeisen. Ich tat harmlos. »Was soll ich lassen?« »Mein Lager herumschieben«, sagte Pfeilkind. »Nimm deine dreckigen Pfoten weg, oder ich beiß dir ein Ohr ab.« Damit waren wir wieder beim Anfang. »Du wiederholst dich«, sagte ich. »Außerdem schmecken meine Ohren nicht.« »Ja«, zischte Pfeilkind, »weil es gottverdammte Weißohren sind, verdammich noch mal.« Draußen kicherte Honigmond. Ich fixierte Pfeilkind. Er war einen halben Kopf größer als ich und sah hart und gemein und niederträchtig aus. »Hör mal«, sagte ich. »Ein gottverdammtes Weißohr ist genauso viel wert wie ein gottverdammtes Rotohr, verdammich noch mal.« »›Verdammich noch mal‹ darf ich nur sagen«, fauchte Pfeilkind. Jetzt war er so richtig in Fahrt und schien tatsächlich scharf auf meine Ohren zu sein. »Ja, ja«, sagte ich friedlich und bückte mich, um mein Lager herzurichten. Pfeilkind trat mir in den Hintern, und ich kippte gegen den Korb von Himmelsauge. Die plärrte los, und Pfeilkind meckerte höhnisch. Honigmond schaute ins Wickiup. »Er hat Himmelsauge geschubst«, sagte Pfeilkind. Ich richtete mich langsam auf, drehte mich um und bohrte meine Augen in die dunklen Augen Pfeilkinds. »Pfeilkind lügt«, sagte ich scharf und fügte hinzu: »Verdammich noch mal.« Honigmond seufzte. Ihr Blick wanderte zwischen Pfeilkind und mir hin und her. Ihrer Miene war zu entnehmen, daß sie dazu neigte,
mir Glauben zu schenken. Von ihrem Sohn schien sie allerlei – und nichts Gutes – gewohnt zu sein. »Ich habe Himmelsauge nicht geschubst«, sagte ich. »Ich bin gegen ihren Korb gestoßen, weil Pfeilkind mich getreten hat.« »Dir geb ich's noch, Weißohr«, sagte Pfeilkind. »Ein Krieger schweigt und heult sich nicht bei Weibern aus.« »Pfeilkind«, sagte Honigmond streng, »halte deine Zunge im Zaum. Ronco ist unser Kind und dein Bruder, so hat es der Stammesrat beschlossen. Und daß Ronco ein Krieger ist, das hat er bereits bewiesen. Er braucht sich nicht bei mir auszuheulen.« »Ha«, sagte Pfeilkind verächtlich, »ich hätte die paar Leute Coyoteros genausogut durch die Wüste geführt, wenn nicht noch besser. Was ist denn schon dabei? Außerdem paßt mir seine Weißhaut nicht. Er hat nichts bei uns verloren, verdammich noch mal.« Honigmond hatte eine Zornesfalte über der Nasenwurzel. Sie gab den Eingang zum Wickiup frei und wies hinaus. »Wenn du Mut hast, Pfeilkind«, erklärte sie scharf, »dann geh hinaus zu dem Feuer von Black Hawk und sag ihm, daß es dir nicht paßt, was der Stammesrat beschlossen hat.« Pfeilkind schniefte, hockte sich auf seine Matte und pulte an seinen Fußnägeln herum. Er vermied es, seine Mutter anzusehen. Honigmond lächelte mir zu, trat zu Himmelsauge und nahm sie aus dem Korb, um sie zu beruhigen. Sie tat das auf eine sehr einfache Weise – sie gab ihr die Brust. Himmelsauge grunzte und schmatzte voller Behagen. Ich schaute schnell weg, weil ich merkte, daß ich rot wurde. Ich schielte zu Pfeilkind hinüber, aber der schien seine Fußnägel wesentlich interessanter zu finden. Eine Frau, die ihren Säugling an der Brust nährte, war für ihn wohl so alltäglich, daß er schon nicht mehr die Augen aufriß. Ich schluckte und beschäftigte mich mit meinem Lager. Daß es zweierlei Geschlecht gab, wußte ich immerhin, aber wie die bemerkenswerten Unterschiede nun in Natur aussahen, das erfuhr ich erst jetzt. Wenn ich mich recht erinnere, geriet ich damals in ziemliche Verwirrung, in eine Mischung aus Neugier und Scham und
wahrscheinlich auch Prüderie. Kein Wunder für einen Jungen, der bisher nur von den guten Padres aufgezogen worden war. Ich weiß, daß mich das damals ärgerte. Lesen und Schreiben hatten sie mir beigebracht, aber über die körperlichen Merkmale einer Frau hatten sie sich ausgeschwiegen. Ich kroch auf meine Matte und deckte mich zu. Irgendwie klang das Schmatzen von Himmelsauge wohltuend und beruhigend. Ich lauschte und schlief darüber ein, fest und traumlos. * Am nächsten Tag erlebte ich eine Überraschung – ich war nicht der einzige weiße Junge im Apachencamp. Ich war durch das Camp geschlendert, um meine neue Umgebung kennenzulernen, und schließlich am Nordrand auf ein einzeln stehendes Wickiup gestoßen, vor der eine zahnlose Alte hockte und auf einer Steinplatte Maiskörner zu Mehl zerstampfte. Sie sah so freundlich aus, wie ich mir eine Hexe vorstellte. Sie musterte mich aus schwarzen Knopfaugen und kicherte. Ganz zahnlos war sie doch nicht. Ein einzelner Zahn vorn unten hatte alle Stürme überdauert und ragte trotzig aus ihrem Zahnfleisch. Gerade als ich mir überlegte, wie sie wohl mit dem einen Zahn kauen mochte, kroch ein Junge aus dem Wickiup und richtete sich auf. Er hatte krumme Beine unter dem Lendenschurz und lange Arme wie ein Affe. Ich starrte ihn überrascht an. Er hatte einen dunkelblonden Lockenkopf und wässrig-blaue Augen. Die Alte kicherte immer noch, und dann sagte sie mummelnd: »Das ist Heulgesicht.« Ich war zu verblüfft, um darauf etwas zu erwidern. Der Junge starrte mich an, und ich starrte zurück. Er mußte älter als ich sein, sah aber ziemlich mickrig aus. Um seine schmalen Schultern schlotterte ein Lederhemd. Sein Gesicht war weinerlich verzogen – aha, daher der Name, dachte ich. »Hallo, Heulgesicht«, sagte ich in englischer Sprache. Er grinste dämlich und zuckte mit den Schultern.
»Sprichst du kein Englisch mehr?« fragte ich. »Bißchen viel wenig«, sagte er und sah aus, als wolle er gleich losheulen. »Bißchen viel wenig ist ja immerhin was«, sagte ich und hatte nicht den geringsten Schimmer, was ich darunter zu verstehen hatte. Er schien angestrengt nachzudenken und buddelte wohl in seinem kaum noch vorhandenen englischen Wortschatz herum. Er kaute auf seinen Lippen und malte mit dem linken großen Zeh Kringel in den Sand. Schließlich sagte er: »Wo du her?« »Texas, Pease-River«, sagte ich. »Und du?« Er deutete mit dem Daumen nach Norden, betrachtete ihn dann überrascht, führte ihn an den Mund und nuckelte an ihm herum. Mann, war der blöd. »Wie heißen?« fragte er. »Ronco«, sagte ich. »Ronco«, wiederholte er, »Ronco, Ronco, Roncoco.« Die Alte kicherte wieder. Überraschend präzise fragte Heulgesicht: »Wer dein Vater?« Ja, wer war mein Vater? Diesmal zuckte ich mit den Schultern. »Weiß ich nicht. Die Padres waren meine Väter. Ich bin in einer Mission gewesen.« Er bunkerte mit seinen wäßrigen Augen und legte den Kopf schief. »Mission? Wie geht das?« »Das geht überhaupt nicht«, erwiderte ich etwas wütend. »In einer Mission leben Mönche. Sie lehren das Wort Gottes und haben keine Frauen. Sie roden die Wildnis und tun viel Gutes, sie …« Ich brach ab. An seiner Miene sah ich, daß er nichts kapierte. Genausogut hätte ich ihm erzählen können, wie es auf dem Mond aussieht. »Verdammich noch mal«, sagte ich in der Apachensprache. Er zuckte zusammen und blickte sich ängstlich um. »Das darf nur Pfeilkind sagen«, erklärte er dann ebenfalls in der Stammessprache. »Mir doch egal«, sagte ich und kickte einen Stein weg. »Bist du schon lange hier?« »Sieben Sommer«, sagte er etwas weinerlich.
»Wie alt bist du?« Er begann wieder am Daumen zu nuckeln. »Dreizehn Sommer, glaub ich.« »Und wo sind deine Eltern?« Er schluchzte auf, drehte sich um und lief auf seinen krummen Beinen in das Wickiup zurück. Die alte Hexe ließ ihr Kichern hören und fuhr sich mit der Handkante über den faltigen Hals. »Abgemurkst«, sagte sie. Plötzlich reckte sie ihren spindeldürren Arm und schüttelte drohend die Faust. »Tod allen Weißaugen!« giftete sie mich an. »Fall nicht in dein Mehl, Oma«, sagte ich frech. Erstaunlich fix langte sie nach einem Stein und warf ihn nach mir. Ich duckte ab, und er flog über mich hinweg. Dann sah ich zu, aus der Nähe der alten Hexe zu verschwinden. Ich umging das Lager, das versteckt in den Tafelbergen lag und eine von der Natur geformte Bergfeste war, und fand einen Trampelpfad, der zu einem Wasserloch führte. Der Ohrabbeißer war schon da und um ihn herum eine Horde von Jungen. »Ronco kommt!« rief einer, und alle drehten sich zu mir um. Sie hatten teils neugierige, teils hämische, teils mißtrauische Gesichter. Ich erstarrte. Pfeilkind hatte einen Frosch gefangen und war gerade damit beschäftigt, das lebende Tier aufzuschneiden. Ich merkte, daß die Wut in mir hochkochte, als ich langsam näher trat. Die Jungen öffneten den Kreis, den sie um Pfeilkind gebildet hatten, und schienen auf etwas zu warten. Da war sie wieder, die Machtprobe, genau wie bei den Mimbrenos. Wenn ich mich durchsetzen wollte, um mir meinen Platz bei den Chiricahuas zu sichern, dann mußte ich kämpfen. Ich war ein weißer Apache wie Heulgesicht, und mit dem war nicht mehr viel los. Später erfuhr ich, daß ihn Pfeilkind systematisch zusammengedroschen hatte, so sehr, daß er sich kaum noch aus dem Wickiup der alten Hexe wagte. Pfeilkind hatte ihn zerbrochen, dabei
war Heulgesicht immer verstörter geworden. Als er dann zu spinnen anfing, hatte Pfeilkind von ihm abgelassen. Ein Verrückter war gute Medizin. Pfeilkind sagte: »Ah, das weiße Stinktier!« Ich sagte: »Ah, der Held, der Frösche tötet, weil er zu feige ist, mit dem Puma zu kämpfen!« Pfeilkind ließ den Frosch wie eine heiße Kartoffel fallen und sprang auf. Der Frosch kroch mit einem gebrochenen Hinterbein zum Wasser und ließ sich hineinplumpsen. Die Jungen traten zurück. Pfeilkind zitterte am ganzen Körper, so schüttelte ihn die Wut. Na denn, dachte ich und sagte höhnisch: »Verdammich noch mal.« Wenn ich mich darauf vorbereitet hatte, daß Pfeilkind mit den Fäusten angreifen würde, so sah ich mich getäuscht. Er warf sich auf den Rücken, schnellte gleichzeitig seine Füße hoch und erwischte mit dem rechten Fuß meine Kinnspitze. Ich hörte, wie meine Zähne zusammenkrachten, und sah, wie eine Unmenge kleiner Sternchen um mich herum zerplatzten. Wahrscheinlich stand ich da wie ein Ölgötze. Pfeilkind war schon wieder auf den Beinen und griff noch brutaler an. Blitzschnell hatte er meine langen Haare gepackt. Mit einem irren Ruck riß er meinen Kopf zu sich heran, duckte seinen eigenen Kopf, und ich prallte mit meinem Gesicht gegen seine Schädeldecke. Rummms! Ich hatte das Gefühl, mein Gehirn sei mit Dynamit auseinandergesprengt worden. Ich schmeckte Blut und sah rote Schleier. Blindlings feuerte ich einen rechten Schwinger ab. Wenn er nicht getroffen hätte, wäre ich wohl erst mal zum Kreisel geworden, denn in diesem Schlag lagen Schmerz und Wut und Erbitterung. Aber ich traf – es war der berühmte Zufallstreffer. Meine Faust knallte auf Pfeilkinds linkes Ohr, schrammte an seiner Nase vorbei und prellte ihn zwei, drei Schritte zur Seite. Büffelmanns Maulschellen hatten ihn hart werden lassen, aber das wußte ich an diesem Tag noch nicht. Er schüttelte nur den Kopf, brummte »verdammich noch mal« und griff wieder an. Er trampelte mir seine Fersenkante auf die Zehen, und ich knickte unwillkürlich zusammen. Anscheinend kannte er
diese Reaktion, denn er fing mich mit einem Kopfstoß ab. Wieder zerplatzte etwas an meinem Kinn, und es sah böse für mich aus. Bisher hatte er nur einen Schwinger eingesteckt und ihn abgeschüttelt wie eine lästige Mücke. Den größeren Teil der Dresche hatte ich bezogen. Die Jungen feuerten ihn an und brüllten sich die Kehlen heiser. Wenn sie überhaupt so etwas wie Respekt wegen des Berichts von Eskehimzin vor mir gehabt hatten, so schmolz der jetzt wie Schnee in der Frühlingssonne. Ich mußte zur Sache kommen, wenn ich nicht untergehen wollte – wie Heulgesicht. Das war leichter gesagt als getan. Pfeilkind war zurückgewichen und beobachtete mich aus zusammengekniffenen Augen. Ich kapierte, daß er ein zäher Brocken war, über Hunderte gemeine Tricks verfügte und mit seinen dreizehn Jahren stärker und kräftiger als ich war. Wenn überhaupt, dann konnte ich nur mit flatternden Fahnen untergehen, verdammich noch mal. Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht und sprang ihn aus dem Stand an. Er wich zwar zurück, aber ich erwischte mit meinen ausgestreckten Armen noch seine Knöchel und riß ihn von den Füßen. Jetzt bumste es bei ihm. Er schlug mit dem Hinterkopf auf einen Stein und ächzte. Ich wälzte mich über ihn und drosch ihm gnadenlos die Fäuste ins Gesicht. Dennoch brachte er es fertig, seine Beine um meine Hüften zu schlingen und seine Füße zu verhaken. Ich saß in einer regelrechten Quetsche. Wie eine Zange umschlossen seine Schenkel meinen Leib über den Hüften – und dann drückte er meine Nieren zusammen. Ich schrie auf und warf mich zur Seite. Er grinste und preßte weiter. Seine Schenkel waren wie Schraubstöcke. Ich hämmerte ihm meinen rechten Ellbogen zwischen die Augen, und da ließ der Druck nach. Wie ein Aal rutschte ich nach vorn aus der Umklammerung, sprang auf und warf mich herum. Er kam gerade hoch, und ich nahm Maß. Meine geballte Rechte krachte zum zweitenmal auf sein linkes Ohr. Ich spürte, wie die Ohrknorpel brachen.
Aber er stand wie ein Baum und nahm den Schlag hin, fast gelassen. Das brachte mich derart in Wut, daß ich alle Vorsicht vergaß und auch nicht bemerkte, daß seine linke Hand einen Stein verbarg. Er hatte sie zur Faust geschlossen. Sie flog auf mich zu und traf mein Kinn mit der Wucht eines Hammers. Als ich wieder zu mir kam, hing mein Kopf eine Handbreit über dem Wasserloch. Die Kühle des Wassers war angenehm und umfächelte mich. Aber der tote Frosch vor meinen Augen war brutale Wirklichkeit. Er war etwas aufgebläht und dümpelte, alle viere von sich gestreckt, sachte auf und nieder. Das gebrochene Hinterbein wies darauf hin, daß es der Frosch war, den Pfeilkind sezieren wollte. Pfeilkind! Ich wälzte mich herum und hockte mich auf. Ich war allein am Wasserloch. Pfeilkind und die Horde waren abgezogen. In meinem Kopf tanzten Bienenschwärme und bohrten mir ihre Stacheln ins Gehirn. Den Schmerz verspürte ich bis in die Fußzehen. Ich schöpfte den toten Frosch an Land und ließ mich, wie ich war, in das Wasserloch gleiten. Den Kopf behielt ich solange unter Wasser, bis ich nach Luft schnappen mußte. Ah, das tat gut. Mein Spiegelbild im Wasser hatte eine wüste Nase, die Ähnlichkeit mit einer Wurst hatte, und ein Kinn, das mir bislang unbekannt geblieben war. Mein Kinn war es jedenfalls nicht, das hätte ich beschwören können. Ich betastete es und tauchte schnell wieder unter. Das Wasser war kalt und erfrischte mich. Die Bienenschwärme in meinem Kopf beruhigten sich. Später kroch ich wieder aus dem Wasserloch und kühlte nur noch mein Gesicht. Mein Spiegelbild sagte mir, daß die Schwellungen besser wurden. Aber meinen Gedanken konnte ich nicht ausweichen. Fest stand, daß Pfeilkind mich besiegt hatte, und zwar vor den Augen der anderen Jungen. Zwar hatte ich auch Hiebe ausgeteilt und Treffer erzielt, aber den Kampf hatte Pfeilkind diktiert. Ich hatte den unverzeihlichen Fehler begangen, ihn zu unterschätzen.
Widerwillig gestand ich mir ein, daß ich ein Blödmann gewesen war. Ich hatte mich in eine Schlacht gestürzt, ohne den Gegner zu kennen. Dabei hatte Eskehimzin vor dem Stammesrat und Black Hawk doch gerade meinen Verstand rühmend hervorgehoben. Die Niederlage fraß in mir. Außerdem traute ich mich nicht, mich im Lager sehen zu lassen. Die Jungen hatten bestimmt schon herumgetratscht, daß Pfeilkind mich in die Pfanne gehauen hatte. Und mein verschwollenes Gesicht sprach Bände. Ich kühlte es weiter, irgendwie verbissen und darauf erpicht, die Schande auf meinem Gesicht verschwinden zu lassen. Wenn es nicht mehr so schlimm aussah, war meine Niederlage nur halb so groß. Die Sonne stieg jetzt höher und trocknete mich. Als sie mir zu heiß wurde, sprang ich wieder ins Wasser und genoß die Kühle. Ich wusch mich gründlich, ließ mich von der Sonne trocknen, badete wieder und fand allmählich zu mir zurück. Pfeilkind, dieser Mißgeburt, würde ich es schon irgendwann zeigen. Ich dachte an die verschiedenen Tricks, die er angewandt hatte und probte sie mit einem Geistergegner durch. Ich riß ihn an den Haaren zu mir heran und duckte blitzschnell den Kopf. Er krachte mit dem Gesicht gegen meinen Schädel. Wie war das bei mir gewesen? Ja, ich hatte blöde dagestanden, natürlich völlig ungedeckt. Also hämmerte ich meinem Geistergegner noch schnell die Faust auf die Nase, und noch einmal. Genügt das noch nicht, du Hund? Peng! Ich trat ihm mit der Fersenkante auf die Zehenknöchel. Jetzt mußte er zusammenknicken, zack: hoch mit dem Kopf und ihm unters Kinn, jawohl, da saß Dampf dahinter. Plötzlich fiel mir Pfeilkinds letzter Schlag ein, mit dem er mich flachgelegt hatte. Seine Linke war auf mich zugerast. Aber in den Sekundenbruchteilen, bevor ich umkippte, hatte ich etwas gesehen. Er hatte die Hand geöffnet, und etwas war zu Boden gefallen. Was, verdammich noch mal? Ich ging zu der Stelle, wo ich zusammengebrochen war, und suchte den Boden ab. Da lag nur ein Stein. Er hatte nicht eine einzige Kante, sondern die Form eines kleinen Hühnereis. Jahrtausende mußten ihn zu dieser Form geschliffen haben. Vielleicht hatte er in
einem Gebirgsbach gelegen und Schwemmsände hatten ihn poliert. Ich hob ihn auf. Er lag kühl und glatt in meiner Hand – und schwer. Ich schloß die Hand – und da wußte ich, warum hinter Pfeilkinds Schlag die Wucht eines Hammers gesessen hatte. Seine linke Faust, die den Stein verborgen hatte, mußte mich natürlich schwerer treffen als eine gewöhnliche Faust. Ich stach meine Rechte, die den Stein umschloß, vor – hui, da war Musik drin, mehr, als wenn ich ohne Stein zuschlug. Das also war das große Geheimnis. Ich grinste glücklich. Dann hatte mich Pfeilkind besiegt, weil er eine härtere Waffe eingesetzt hatte als nur die nackte Faust. Dieser Hundesohn. Ich warf den Stein hoch und fing ihn wieder auf. Er war hart und fest und vermittelte mir ein Gefühl von Kraft. Dieser Hühnereistein war ganz großer Zauber. Er war bräunlich gefärbt und von glitzernden Äderchen durchzogen. Gold? Vielleicht war er deswegen so schwer. Jetzt war er mein Stein, verdammich noch mal. Ich steckte ihn ein und wußte, daß der nächste Kampf mit Pfeilkind einen anderen Verlauf nehmen würde. Abseits des Wasserlochs begrub ich den toten Frosch, auf dem bereits Fliegen herumwimmelten. Dann ging ich noch einmal zum Wasser, um mein Gesicht zu betrachten. »Schämst du dich deiner Narben, Ronco?« fragte eine tiefe Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und richtete mich auf. Zwei Schritte vor mir stand ein hochgewachsener, breitschultriger Indianer. Er trug hochschäftige Mokassins und einen Lendenschurz. Sein bronzefarbener Oberkörper war nackt. Ein rotes Stirnband bändigte seine langen, schwarzen Haare. Sein Gesicht war scharf und klar geschnitten. Ruhige, dunkle Augen blickten mich an. Ich hatte diesen Krieger gestern im Kreis des Stammesrates gesehen. Er war mir aufgefallen, weil er größer als die anderen war – und sein Gesicht hatte fast edle Züge. Er lächelte. »Man nennt mich Little Friend«, sagte er und schaute zu einem Felsabsatz über dem Wasserloch hoch. »Von dort oben habe ich euren Kampf beobachtet.« Ich erschrak.
Er bemerkte es und hob beruhigend die Hand. »Pfeilkind wurde noch nie von einem Gleichaltrigen, geschweige denn einem Jüngeren besiegt. Aber du hast ihn schwer angeschlagen, so schwer, wie es noch keinem bisher gelungen ist.« Jetzt grinste er etwas boshaft und fügte hinzu: »Sein linkes Ohr ist zerfranst, und sein Gesicht trägt die Spuren deiner Fäuste.« Ich atmete auf. »Du lernst schnell«, sagte er. »Und du gibst nicht auf. Dir sind vorhin seine Tricks eingefallen, und du hast sie sofort geübt. Also bist du schon wieder bereit, um zu kämpfen. Auch das hat noch keiner gewagt, der einmal von Pfeilkind niedergeschlagen wurde.« Plötzlich blickte er mich ernst an. »Du hast schon getötet, nicht wahr?« »Ja«, sagte ich und tastete nach dem Medaillon, das an einem silbernen Kettchen auf meiner Brust hing. »Carizo, ein junger Krieger aus Coyoteros Stamm, hatte es mir gestohlen. Ich verlangte es zurück. Es kam zu einem Messerkampf, und ich tötete ihn.« Er nickte. »Isheeki aus Coyoteros Stamm, die du mit den anderen hierherführtest, erzählte es. Wer ist die Frau auf dem Medaillon?« »Ich weiß es nicht, vielleicht meine Mutter.« Wieder nickte er. Dann stellte er eine überraschende Frage. »Weißt du, warum die roten Krieger die Weißaugen bekämpfen?« Fast ohne zu zögern, ja geradezu spontan, erwiderte ich: »Die Weißaugen rauben unser Land, sie …« Überrascht brach ich ab. Ich hatte »Weißaugen« gesagt und »unser Land«. »Ein Apache spricht«, sagte Little Friend. »Möchtest du nie wieder zurück zu deinen Leuten?« »Ich habe niemanden«, erwiderte ich und blickte in die ruhigen, dunklen Augen. »Wer stark ist, braucht auch niemanden«, sagte Little Friend. Etwas war an dem hochgewachsenen Krieger, das mich faszinierte. Er war selbstsicher und ausgeglichen. Wie alt mochte er sein? Ich schätzte auf Mitte der Zwanzig. Er hatte kein Gramm Fett zuviel an seinem Körper. Unter der Bronzehaut spielten die Muskeln. Sicher war er ein gefährlicher Krieger. Vielleicht würde ich auch einmal wie er werden. Ich wünschte es mir.
Little Friend sagte: »In ein paar Tagen breche ich mit zwanzig Kriegern zu einem Jagdzug auf. Wir brauchen Fleisch und Tierhäute. Du wirst mit uns reiten. Daß du mit Pfeil und Bogen umgehen kannst, habe ich gehört. Hast du genügend Pfeile?« Ich schüttelte den Kopf. »Büffelmann wird dir helfen, welche anzufertigen. Denke immer daran, daß du davon einen guten Vorrat haben mußt. Manchmal entscheidet der letzte Pfeil, wenn es auf Leben und Tod geht.« Ich durfte mitreiten! Fast hätte ich vor Freude losgeheult. Es war eine Auszeichnung, daß ich die Krieger begleiten durfte. Eigentlich wurden erst die älteren Jungen bei den Jagdstreifzügen mitgenommen – und auch erst dann, wenn sie bereits bewiesen hatten, daß sie zäh und ausdauernd waren und zu kämpfen verstanden. Das Überleben in der Wildnis lernten sie von klein auf – mir, dem weißen Apachen, hatten sie viel voraus, und dennoch durfte ich mit. »Wird Pfeilkind mitreiten?« fragte ich. »Nein«, erwiderte Little Friend schroff. Ich wagte nicht zu fragen, warum er Pfeilkind ablehnte, der doch älter und bestimmt erfahrener war als ich. Eins war mir klar. Erfuhr Pfeilkind – und er würde es erfahren – daß ich mitritt, dann gab's den nächsten Krach. * Ich sollte recht behalten. Als ich am übernächsten Nachmittag oben beim Wasserloch saß und – wie es mir Büffelmann gezeigt hatte – aus Dogwood-Ästen Pfeile schnitzte, tauchte Pfeilkind mit seiner Horde auf. Ich saß auf einem abgeplattenen Stein hatte die fertigen Pfeile mit den Eisenspitzen in dem Rohlederköcher neben mir liegen und war gerade dabei, einen Pfeilschaft mit einem scharfkantigen Stein zu glätten und zu polieren. Die Jungen verteilten sich um mich herum. Ich beobachtete sie aus schmalen Augen. Sie alle wußten bereits, daß ich mit Little Friend und den zwanzig Kriegern mitreiten durfte. Ihren finsteren Mienen entnahm ich, daß ihnen das nicht paßte. Sie fühlten sich
zurückgesetzt, weil ein Weißauge ihnen vorgezogen wurde. Am grimmigsten aber sah Pfeilkind aus. Die Wut kochte in ihm. Am Nachmittag des ersten Tages und auch gestern war er mir aus dem Weg gegangen, aber mir war nicht verborgen geblieben, daß er mich auf Schritt und Tritt verfolgt hatte – in gebührendem Abstand, versteht sich. Gestern nachmittag hatte ich einen Truthahn geschossen und Honigmond gebracht. Am Abend hatten wir ihn verspeist – bis auf Pfeilkind, der es für unter seiner Würde fand, das Fleisch eines von mir erlegten Truthahns zu essen. Er hatte sich kasteit und geschmollt. Büffelmann hatte ihn ausgelacht und einen Holzkopf genannt. Daß wir uns geprügelt hatten, wußte das ganze Lager. Pfeilkind hatte sogar höhnische Zurufe einstecken müssen. Anscheinend gönnte man es ihm, daß er – ganz im Gegenteil zu seinen sonstigen Prügeleien – nicht ganz ungeschoren davongekommen war. Er war so etwas wie ein Lagerschreck und wurde eigentlich nur von den Gleichaltrigen und natürlich den Jüngeren akzeptiert. Jetzt tigerte er lauernd auf mich zu und blieb kurz vor mir stehen. Ich blickte zu ihm hoch und wartete auf die Eröffnung. »Du Hund«, sagte er. Ich schwieg. Es war mir zu dämlich, darauf zu antworten. Einer der Jungen fand die Beschimpfung wohl sehr witzig, denn er kicherte. Ich fixierte ihn, und er verstummte verlegen. »Was hast du Little Friend gegeben, damit er dich mitnimmt?« fragte Pfeilkind finster. »Nichts«, erwiderte ich. »Du lügst!« stieß er hervor. Ich legte den Stein und den Pfeilschaft neben mich und stand langsam auf. »Sag das noch einmal.« Meine Arme hingen locker nach unten. Ich war bereit. Er zog sich etwas zurück, den Kopf eingezogen. »Sag das noch einmal«, wiederholte ich. »Oder bist du zu feige?« Das saß! »Du lügst«, preßte er hervor. Meine Rechte glitt in die Tasche, umklammerte den Hühnereistein, und schon war ich dran an ihm. Ich erwischte ihn mit
einem Haken unter dem Kinn, und jetzt sah ich die Wirkung. Sein Kopf wurde zurückgerissen, ein glasiger Ausdruck erschien in seinen Augen. Er war angeschlagen. Erbarmungslos rammte ich ihm die steinbeschwerte Rechte in die Magengrube. Ich hatte das Gefühl, als käme meine Faust auf seinem Rücken wieder heraus, so tief grub sie sich ein. Jawohl, da saß Dampf dahinter. Er stieß pfeifend die Luft aus und knickte zusammen. Na also – und wieder die Rechte unter das Kinn, um ihn aufzurichten. Es klappte vorzüglich. Er stieg hoch, verharrte drei, vier Sekunden und kippte vornüber zu Boden. Ich drehte mich zu den Jungen um. Sie hatten Mäuler und Augen aufgerissen und waren starr vor Überraschung. Mit drei Schlägen hatte ich den Unbesiegbaren zu Boden geschickt – dachte ich. Ich hätte besser auf Pfeilkind aufpassen sollen, statt mich in meinem Ruhm zu sonnen. Seine Arme schossen vor, seine Hände umschlossen wie Stahlklammern meine Fußknöchel – ein Ruck, und ich segelte rücklings zu Boden. Das ging ja noch, aber Bruchteile von Sekunden später krachte mein Hinterkopf gegen den Stein, auf dem ich gesessen hatte. Mit dem Krach stoben Funken hinter meinen Augen hoch, und das Tageslicht nahm rapide ab, graue Nebelschleier wogten vor mir, undeutlich hörte ich mein eigenes Ächzen, dann wälzte sich irgend etwas auf mich. Jemand bearbeitete meinen Kopf und trommelte auf mir herum. Hör doch auf, du Idiot, dachte ich. Laß das, laß meinen Kopf zufrieden. Ein greller Schmerz durchzuckte mich, und ich riß die Augen auf. Pfeilkind ritt auf mir und ließ die Fäuste fliegen. Mit gespreizten, abgewinkelten Beinen hockte er auf meinem Bauch wie auf einem Sattel und ritt Galopp. Die Jungen brüllten begeistert. Ich bäumte mich auf und schmetterte ihm die Rechte mit dem Hühnereistein auf das linke Ohr, das schon bei unserem ersten
Kampf wüst gelitten hatte. Jäh brach sein Hüpfen ab. Schmerz verzerrte sein Gesicht. Seine Fäuste sanken nach unten. Ich knallte ihm noch einmal die Faust auf das Ohr und von hinten die rechte Kniespitze ins Kreuz. Er kippte nach vorn auf mich drauf und schlug mir seinen Kopf ins Gesicht. Seine Hände tasteten nach meinem Hals, um mir die Luft abzudrehen. Dabei stöhnte und keuchte er wie ein waidwund geschossener Büffel. Ich brachte meine Linke unter sein Kinn und drückte es hoch. Er schnappte nach meinen Fingern, die vor seinem Mund lagen. Ich konnte sie gerade noch zurückziehen, bevor er sie mir abbiß. Seine Zähne krachten aufeinander wie die Eisen einer Falle. Er knurrte wild und ich drückte weiter. Zoll um Zoll schob ich ihm den Kopf ins Genick. Seine Halsmuskeln standen wie dicke Taue ab, sein Hals wurde immer länger und gestreckter. Er versuchte standzuhalten, aber ich hatte den besseren Hebel. Seine Augen funkelten mich an, sein Gesicht war zu einer wilden Grimasse verzerrt. Wahrscheinlich sah ich auch nicht viel besser aus. Plötzlich ruckte er den Kopf zur Seite und sprang auf. Auch ich federte hoch und überlegte, ob ich wieder angreifen sollte. Wir umkreisten uns, geduckt, lauernd, sprungbereit. Er wich zur Seite, glitt etwas zurück und wieder vor. Einmal markierte er einen Ausfall, sprang aber sofort wieder zurück. Ich fand das ziemlich verspielt und sinnlos, aber doch steckte Sinn dahinter, wie ich wieder mal zu spät merkte. Er lockte mich von dem Stein weg, und als er ihn selbst erreicht hatte, bückte er sich blitzschnell und zog einen meiner fertigen Pfeile aus dem Köcher. Und dann rückte er auf mich zu, den Pfeil mit der Eisenspitze in der vorgestreckten Rechten. Er fintierte, stieß den Pfeil vor, senkte ihn, zog ihn zurück – wie bei einem Messerkampf. Ich saß ganz schön in der Klemme und konnte weiter nichts tun, als einen Sicherheitsabstand zu halten und ständig auszuweichen. Mir wurde ziemlich warm. Die Eisenspitze war zweischneidig und scharf geschliffen. Dann sah ich den Knüppel vier Schritte rechts von mir am Fuß eines Yucca-Strauches. Er lag da und lachte mich an. Als Pfeilkind
mich wieder ansprang, bewegte ich mich nach rechts, blieb wie erstarrt stehen, riß den Kopf nach links, hob den Arm und rief: »Vorsicht! Klapperschlange!« Pfeilkind fuhr herum und blickte in die Richtung, in die mein Arm wies. Auch die Jungen starrten dorthin. Jetzt hatte ich ihn hereingelegt. Noch bevor er bemerkte, daß da gar keine Klapperschlange war, hatte ich den Knüppel in der Faust. Er lag gut in der Hand und war eisenhart – genau richtig, um dem verdammten Hundesohn den Schädel einzuschlagen. Einer der Jungen bemerkte als erster, daß sich das Blatt gewendet hatte. Er rief Pfeilkind eine Warnung zu. Der zuckte zu mir herum und kriegte handtellergroße Augen. »Laß den Pfeil fallen«, befahl ich, »oder ich zerschlage dir mit dem Knüppel hier sämtliche Knochen!« Er stöhnte vor Wut und Enttäuschung. »Wird's bald, verdammich noch mal«, sagte ich. Er schleuderte den Pfeil wie einen Speer auf mich zu. Ich riß den Knüppel hoch, der Pfeil prallte gegen das Holz und fiel zu Boden. Ich grinste Pfeilkind an und sagte: »Komm her, du Bastard, damit ich dir das stinkende Fell über die Ohren ziehen kann.« Ich warf den Knüppel zwischen die Büsche und griff mit den Fäusten an. Sekunden später standen wir fast Brust an Brust und trommelten wie die Irren aufeinander los, wir verbissen uns ineinander wie Wildkatzen, droschen uns die Fäuste in die Leiber, ins Gesicht, rissen uns an den Haaren, stießen mit den Köpfen, rollten ineinander verkrallt über den Boden, sprangen wieder auf, ließen die Fäuste fliegen – zwei fauchende Teufel, jenseits jeglicher Vernunft, kratzend, beißend und um sich schlagend. Ich schätze, wir erreichten beide zu ziemlich gleicher Zeit die Grenze unserer körperlichen Leistungsfähigkeit. Wir bluteten beide aus zahlreichen Riß- und Platzwunden, der Schweiß lief uns in Strömen über das Gesicht und den Körper und vermischte sich mit dem Dreck und Blut zu einer widerlichen und stinkenden Soße. Wahrscheinlich sahen wir aus, als seien wir durch einen Fleischwolf gedreht worden oder in eine Stampede geraten.
Wir torkelten umeinander, kriegten kaum noch die Fäuste hoch und wackelten bei jedem Schritt wie Greise, die Mühe hatten, ihren Kopf noch auf den Schultern zu halten. Ich beschloß, schon ziemlich benebelt und dumpf im Gehirn, der Schlacht ein Ende zu bereiten. Wahrscheinlich dachte Pfeilkind das gleiche. Jedenfalls tappten wir verbissen und zum letzten entschlossen aufeinander los, schwangen jeder zur selben Zeit die rechte Faust hoch und klopften sie uns gegenseitig auf die Kinnspitze. Wir kippten aufeinander zu wie Marionetten, standen schräg – einer stützte den anderen – mit hängenden Armen und Köpfen noch ein paar Sekunden aufrecht, rutschten dann aneinander vorbei und gingen wie gefällte Bäume zu Boden. Wohltuende Dunkelheit umfing mich. Diesmal war ich nicht allein, als ich wieder zu mir kam. Fünf Chiricahua-Jungen hockten an meiner Seite, und zwei waren damit beschäftigt, mich mit Wasser zu erfrischen. Zwischen ihnen stand mein Köcher mit Wasser gefüllt, in das sie abwechselnd einen schmierigen Stoffetzen tauchten und damit meine Wunden säuberten. Sie grinsten mich an, und zum ersten Male entdeckte ich so etwas wie Respekt und Anerkennung in ihren Mienen. Die Schlacht war vorbei – es gab weder einen Sieger noch einen Besiegten. Wir waren beide zur selben Zeit umgekippt, und das bedeutete ein glattes Unentschieden. Aber jetzt war Pfeilkinds Horde gespalten, daran war nicht zu deuteln. Ich konnte ganz zufrieden sein. Pfeilkind war nicht unschlagbar, und sollte er mich weiter anstänkern, dann war ich bereit, auch einen dritten Gang mit ihm auszufechten. Vorläufig schien er nicht die Absicht zu haben. Er blickte kurz zu mir herüber und schnell wieder weg. Sein Gesicht sah ziemlich verwüstet aus. Immerhin aber war die Bosheit aus seinen Augen verschwunden. Mühsam stemmte er sich hoch und stand auf. Auch ich erhob mich und wartete ab. Aber er sagte nichts. Er drehte sich um und wackelte den Pfad hinunter zum Lager. Ein paar Jungen folgten ihm.
Ich goß das Wasser aus meinem Köcher, die Jungen, die bei mir geblieben waren, sammelten die Pfeile ein, und dann folgten wir ihm und den anderen. Die Sonne stand jetzt tief im Westen, als wir uns über den Trampelpfad dem Lager näherten. Rauch stieg aus den Wickiups auf, die aus der Entfernung wie von Präriehunden aufgeworfene Hügel aussahen. Struppige Hunde und halbnackte Kinder liefen uns entgegen. Da und dort brannten vor den Wickiups kleine Feuer, über denen große schwarze Töpfe hingen. Männer, die wie Mumien aussahen, saßen an den Feuern und blickten uns entgegen. Krieger wurden aufmerksam und registrierten mit unbewegten Gesichtern, daß Pfeilkinds Horde gespalten war. Vor einem Wickiup stand Little Friend. Er hatte ein verstecktes Lächeln in den Augen und nickte mir unmerklich zu. Von weitem sah ich Heulgesicht, der neben der Hexe hockte und in der Nase bohrte. Sie alle sahen die Kampfspuren bei Pfeilkind und mir. Und sie merkten, daß ein Teil der Jungen mit Pfeilkind ging und ein anderer Teil mit mir. Die Schlüsse, die sie daraus zogen, konnte ich damals nur ahnen. An und für sich verachteten sie die Weißaugen. In ihre Verachtung mischte sich natürlich Haß – zumindest bei jenen, die allmählich begriffen hatten, daß ihrem Volk ein Kampf auf Leben und Tod bevorstand und ihr weiteres Leben nie wieder so sein würde, wie es einmal gewesen war, falls sie überhaupt überlebten. Jetzt zeigte ihnen ein weißer Junge, daß er einem Kampf nicht aus dem Weg ging, sondern sich stellte – anders als Heulgesicht, den sie nur noch duldeten, weil er eine Schraube locker hatte. Und das respektierten sie. Allmählich wurde ich einer der ihren, der seinen Platz im Stamm zu behaupten wußte. Ich marschierte durch die Hüttengassen zum Wickiup Büffelmanns und Honigmonds. Mir tat jeder einzelne Knochen weh, meine Muskeln und Sehnen waren überreizt, aber ich versuchte, mich gerade zu halten – im Gegensatz zu Pfeilkind, der dreißig Schritte vor mir inmitten seiner Gruppe mit hängenden Schultern und krummrückig einhertrottete oder besser noch – er latschte.
Nach und nach verzogen sich die Jungen zu den einzelnen Wickiups. Wir beiden feindlichen »Brüder« steuerten unsere Hütte an. Dort wartete bereits Büffelmann mit über der Brust gekreuzten Armen. Von wem er erfahren haben konnte, daß wir beide im Anmarsch waren, blieb mir unerfindlich. Bis vor drei Minuten war er noch im Wickiup gewesen und dann plötzlich im Eingang aufgetaucht. Pfeilkind erreichte das Wickiup natürlich vor mir. Büffelmann fackelte nicht lange. Pfeilkind kriegte eine geschmiert, daß es bis zu mir klatschte. Unwillkürlich verhielt ich meinen Schritt. Logisch erschien mir, daß ich auch nicht um eine Maulschelle herumkam. Pfeilkind wankte ins Wickiup, und Büffelmann wandte sich mir zu. Bei Gott, er grinste über das ganze breite Gesicht, als sei es sein höchstes Glück, seinem eigenen Sohn Maulschellen zu verpassen. Mir war das nicht ganz geheuer. Ganz so gerade ging ich jetzt auch nicht mehr. Aber ich war mißtrauisch wie ein Wolf vor der Falle. Ich glaube, ich schnüffelte sogar. Zwei Schritte vor Büffelmann blieb ich stehen, bewunderte wieder seine strammen Säulen und schaute dann zu ihm hoch. »Na?« sagte er. »Viel Spaß gehabt?« Spaß! Auch das noch. »Ja – nein«, sagte ich verdutzt. War unsere Prügelei Spaß gewesen? Nein, eigentlich nicht. Als wir im letzten Teil wie die Irren aufeinander losgedroschen hatten, hätte man das wohl kaum noch Spaß nennen können. Und vorher? Ich kriegte ein etwas schlechtes Gewissen, als ich an den Hühnereistein dachte. Ich fand alles ziemlich kompliziert. Büffelmann langte seinem Sohn eine, daß es nur so funkte, und mich fragte er grinsend, ob ich Spaß gehabt hätte. Schließlich war ich ja nur Büffelmanns Pflegesohn, und noch dazu ein Weißohr. »Ja – nein ist keine Antwort«, sagte Büffelmann. »Hast du's ihm ordentlich gegeben, dem Klugscheißer?« Ich kapierte gar nichts mehr. Der freute sich auch noch, wenn sein Sohn Dresche bezogen hatte. »Es endete unentschieden«, sagte ich. »Wir kippten beide zugleich
um.« »Eh?« Er schien fast enttäuscht zu sein. »Vorgestern war er aber besser als ich«, sagte ich fast entschuldigend. Er spuckte seitwärts und rümpfte die Nase. Dann seufzte er. »Wenn er nicht bald mit seinen Albernheiten aufhört und sich wie ein Mann zeigt, wird er noch lange warten können, bis er einmal auf einem Streifzug mitreiten darf. Alte Weiber ärgern und kleine Jungen verprügeln, das kann er. Wenn er vierzehn Sommer alt ist, sollte er eigentlich ein Krieger sein. Statt dafür zu üben, treibt er sich herum, schneidet Frösche auf oder köpft Gila-Echsen. Er ist die Schande unseres Stammes.« Darum nahm ihn Little Friend nicht mit. Mir wurde einiges klar. Interessiert fragte ich: »Was muß man üben, um ein Krieger zu werden?« »Viel, Ronco, sehr viel. Du mußt stark werden und kämpfen lernen. Das verlangt besondere Übungen. Zum Beispiel vor der Sonne aufstehen und zum Gipfel eines hohen Berges steigen, aber dabei mußt du schwere Steine tragen. Oder du mußt drei Tage und Nächte ohne Schlaf wandern. Du mußt gegen Bäume kämpfen und versuchen, kleine zu entwurzeln. Könntest du einen glühendheißen Tag lang mit einem Schluck Wasser im Mund laufen, ohne ihn herunterzuschlucken?« »Ich müßte es versuchen«, sagte ich. »Wenn ich es jetzt müßte, würde ich es nicht schaffen.« Er grinste glücklich. »Siehst du, alles das muß geübt werden. Pfeilkind schert sich einen Dreck darum. Er sagt nur: ›Verdammich noch mal‹, das ist alles, was er kann.« »Er kann eine Menge Tricks beim Kämpfen«, sagte ich. »Phhh«, machte Büffelmann verächtlich. »Na und? Beim ersten Mal hat er dich damit reinlegen können, aber schon heute hast du ihm das Fürchten beigebracht, und seine Tricks reichten nicht mehr aus. Dabei bist du jünger als er und noch nicht so stark. Er zerplatzt vor Wut, daß du mit Little Friend mitreiten darfst. Das ist gute Medizin. Vielleicht bringt ihn das zur Besinnung.« Drinnen plärrte Himmelsauge los.
»Sie wird einmal eine gute Squaw«, sagte Büffelmann zärtlich, »sie hat eine starke Stimme.« Er lauschte verzückt. Ich lauschte auch, fand aber nichts Besonderes an dem Gebrüll. Was eine starke Stimme mit einer guten Squaw zu tun haben sollte, kapierte ich auch nicht. Aber wenn es Büffelmann sagte, mußte es wohl stimmen. Vielleicht hatte meine Frau später auch eine starke Stimme – und solche Brüste wie Honigmond. Bei diesem Gedanken wurde es mir etwas heiß.
2. Die mexikanische Wüste lag hinter uns. Wir durchfurteten den Rio Bravo und stießen ostwärts zu den Apache Mountains vor. Am Cayote Creek schlugen wir unser Standlager auf. Es war Frühling geworden. Die Cottonwoods waren bereits grün angehaucht. Die goldbraunen Stengel der Yuccas knickte der Wind an und trieb sie fort. Durch die Täler wehte der Duft von Salbei und mischte sich mit dem Duft der ersten Blumen, die ihre Blüten öffneten. Das Wasser des Creeks war kristallklar und voller Forellen. Little Friend fing sie mit der Hand. Bereits am ersten Tag, noch während wir das Lager errichteten, stand er in dem eiskalten Wasser, etwas gebückt, aber wie zu Stein geworden. Seine Rechte schwebte wie eine Klaue dicht über dem Wasser. Wenn er blitzschnell zupackte, zappelte ein Fisch in seiner Hand. Er griff nicht ein einziges Mal daneben. Später erklärte er mir die Lichtbrechung, wie ich stehen, beobachten und zupacken mußte. Ich glaube, ich griff hundertmal daneben, bis ich den ersten erwischte. Außerdem war das Wasser so eisig, daß ich es darin kaum fünf Minuten aushalten konnte. Ich schnatterte vor Kälte, und meine Füße waren blau. Aber ich gab nicht auf, bis ich meine erste Forelle gefangen hatte. Im Laufe der Tage wurde ich immer besser. Die Fische wurden ausgenommen, auf Hartholzäste gesteckt und über der Glut gegart. Ich fraß sie heißhungrig in mich hinein, bis mein Bauch prall wie eine Trommel war. Die Horde, die Little Friend als Unterhäuptling anführte, bestand
aus zwanzig jungen Kriegern und mir, dem jüngsten. Sie alle respektierten mich. Wie ich es heute sehe, waren sie wie ein Haufen junger Hunde, die sich balgten, neckten und den Kopf voller Flausen hatten. Sie lachten viel und nahmen den Jagdzug in das Land der Weißaugen wie ein herrliches Abenteuer hin. Als Stirbtjung, ein verwegener, muskelbepackter junger Kerl, am zweiten Abend vorschlug, eine Farm jenseits der Apache Mountains zu überfallen, stimmten die anderen begeistert zu. Little Friend lehnte schroff ab. Sein scharfgeschnittenes Gesicht war tiefernst, als er sagte: »Nichts da. Wir jagen Wild, um unserem Stamm Fleisch zu bringen. Dazu seid ihr hier. Um mit den Pferdesoldaten zu kämpfen, denn das wäre die Folge eines Überfalls auf die Farm, seid ihr zu schlecht bewaffnet. Sie haben Gewehre, wir nicht. Ihre Gewehre sind tödlicher und schneller als Pfeil und Bogen. Wir sind hier, um zu jagen. Nicht, um zu sterben. Das Sterben werden wir früh genug erfahren.« Der dies sagte, war nach unseren Maßstäben ein junger Mann, aber seine Worte waren die eines Weisen. Ich mußte später oft daran denken, vor allem an den letzten Satz Little Friends – »Das Sterben werden wir früh genug erfahren.« Da saßen sie und hörten die Worte Little Friends. Ihre breitflächigen, grob gemeißelten Gesichter, über die der Schein des Feuers zuckte, waren plötzlich ernst geworden. Sie schwiegen. Ihre dunklen Augen starrten in das Feuer. Nur Stirbtjung sagte: »Wir werden die Pferdesoldaten hinwegfegen – und mit ihnen die Weißaugen.« Little Friend warf mir einen raschen Blick zu. »Vielleicht«, sagte er kurz und fügte nach einer Weile hinzu: »Aber nicht mit zwanzig Kriegern, die noch keine Ahnung davon haben, wie die Weißaugen kämpfen.« Er schaute wieder zu mir hinüber und sagte: »Geh schlafen, Ronco. Morgen wirst du dein erstes Reh schießen.« Ich schoß mein erstes Reh. Little Friend hatte mich herangeführt an das Rudel und mir zugenickt. Ich hatte abgewartet, bis ein Tier beim Abknappern der jungen Gräser immer näher gerückt war. Auf
zwanzig Schritte Entfernung hatte ich den Pfeil von der Sehne schnellen lassen. Eigentlich konnte ich gar nicht vorbeischießen. Der Pfeil blieb im Blatt stecken. Das Reh knickte mit den Vorderläufen ein, gab einen fiependen Laut von sich und brach zusammen. Das Rudel stand wir erstarrt. Neben mir wuchs Little Friend hoch. Die Tiere wandten sich zur Flucht. Sein Bogen schwenkte nach rechts, und der Pfeil schwirrte davon. Mitten im Lauf brach ein Tier zusammen, überschlug und streckte sich. Das Rudel fegte durch die brechenden Büsche und verschwand. Ich starrte auf mein Reh, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hatte schon getötet – aber nie aus dem Hinterhalt und nur dann, wenn es um mein Leben ging. Ich hatte bereits Kaninchen geschossen und erst vor ein paar Tagen einen Truthahn. Aber dieses tote Reh brachte mich fast um. Seine gebrochenen Lichter klagten mich an. Ich kriegte die Wut und fragte dieses dämliche Reh, warum es ausgerechnet hier äsen und von meinem Pfeil erwischt werden mußte. Es hätte ja, verdammich noch mal, auch dreißig Schritte weiter rechts hinter den Pinien von mir aus das Gras abfressen können. Aber nein … Little Friend klopfte mir auf die Schulter und unterbrach meine Gedanken. »Ein guter Schuß«, sagte er sachlich. »Im Winter abgefeuert, hättest du mit Büffelmann und seiner Familie für zwei, drei Wochen genug Fleisch im Wickiup.« Und nur das zählte. Ich begriff es in diesem Augenblick. Little Friend ging zu seinem Reh, lud es sich auf die Schultern und trug es zurück zum Lagerplatz. Ich brach mir das Kreuz ab, um das gleiche mit meinem Reh zu schaffen. Ich langte eine Stunde später an. Dabei hatte ich das Gefühl, nie wieder in meinem Leben aufrecht gehen zu können. Ich warf das verdammte Reh, dessen Blut über meine Schultern lief, zu Boden, schnappte nach Luft und hatte Mühe, das Kreuz gerade zu kriegen.
Stirbtjung kicherte vergnügt und begann, mein Reh auszunehmen. Ich hätte ihn erwürgen können. Taumelnd lehnte ich an einem Baum und sah zu, wie sie die Rehe abhäuteten. Sie schnitten das Fleisch in lange dünne Streifen, salzten es und hängten es in die Sonne. Nach zwei Tagen war das Fleisch trocken und steinhart. Es sah schwarz und runzelig und zum Kotzen aus und schmeckte dennoch ausgezeichnet. Die Rehhäute wurden an Lederschnüren zwischen den Bäumen aufgespannt. Little Friend hielt uns in den nächsten Tagen ganz schön in Trab. Abwechselnd blieben immer vier Krieger im Lager, die sich um das Abhäuten und Ausnehmen des geschossenen Wilds kümmern mußten, während die anderen in kleinen Trupps von je zwei, drei Mann das Gebiet durchstreiften und jagten. Ich blieb stets bei Little Friend und lernte in diesen Tagen mehr als in den Jahren in der Mission. Vielleicht auch wollte ich lernen, ganz gewiß aber war das Jagdabenteuer in der Wildnis erregender und faszinierender, als in der Stube zu hocken und Rechnen, Schreiben und Lesen zu üben. Ich lernte die Freiheit kennen, das ungebundene Leben in der Wildnis, der man sich nur anzupassen brauchte. Little Friends Schule unterwarf ich mich völlig zwanglos und ohne zu murren. Innerhalb einer Woche fühlte ich mich fast schon als vollwertiger Krieger, dem etwas abverlangt werden konnte. Die Jahre in der Mission verschwanden aus meinen Gedanken, als wären sie nie gewesen. Manchmal wunderte ich mich darüber. Heute weiß ich, daß damals die Eindrücke so neu und so stark waren, das alles andere dagegen verblaßte. Als wir unser Lager abbrachen, herrschte Hochstimmung. Wir hatten immense Fleischvorräte, ganz abgesehen von den Häuten, die später von den Squaws in Black Hawks Lager weiter verarbeitet werden würden. Unsere Packtiere waren voll beladen. An einem herrlichen Sonnentag verließen wir den Cayote Creek und zogen wieder westwärts. *
Noch vor der Grenze erwischten sie uns. Nichts hatte auf sie hingewiesen, keine Spuren, kein Rauch, keine auffliegenden Vögel, keine Staubwolken. Wir befanden uns in einem unübersichtlichen Stück Land bereits jenseits der Apache Mountains. Viele kleine ineinandergeschobene Hügel und Felsen begrenzten die Sicht. Wir ritten durch einen mehrere Yards breiten Arroyo, dessen Ränder unterhöhlt und zum Teil eingebrochen waren. Links und rechts standen Mesquite-, Sageund Kreosotbüsche. Mit den Yuccas und Stachelbeerkakteen stellten sie ein scheinbar undurchdringliches Dickicht dar. Aber es war nicht undurchdringlich, denn ausgetrocknete Bachbetten bildeten einen natürlichen, allerdings zum Teil verborgenen Zugang zu dem Arroyo. Dort mußten sie gut verteilt gelauert haben. Wir saßen in einer regelrechten Falle, die von den Apachen nicht besser hätte aufgebaut werden können. Nur waren es Weißaugen – Pferdesoldaten. Sie schossen uns die Pferde unter dem Hintern weg – es war eine gezielte, mörderische Salve. Das Blei schien von allen Seiten heranzufliegen und schlug klatschend in die Pferdeleiber. Ein unbeschreibliches Durcheinander brach bei uns aus. Pferde stiegen grell wiehernd hoch, drehten sich keilend, krachten zu Boden, begruben einige von uns unter sich oder schleuderten andere aus dem Sattel. Shita, das Pony, das mir gehörte, seit ich Carizo besiegt hatte, und das mich sicher bis zu den Chiricahuas getragen hatte, stöhnte dumpf auf, als das Blei seine Brust zerriß. Es knickte nach vorn ein, langsam, ganz langsam, als wolle es mir Zeit lassen, aus dem Sattel zu springen. Ich schaffte es auch, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Als es sich auf die Seite legte, warf ich mich an seinen blutigen Leib und verkrallte meine Hände in dem noch warmen Fell. Um mich herum war die Hölle los. Schüsse krachten, Männer brüllten, Pferde schrien in höchster Todesangst. Ich preßte meinen Kopf an Shitas Leib und hörte das Röcheln.
Shita hob noch einmal den Kopf, ich starrte in die brechenden Augen, dann fiel der Kopf kraftlos nach unten und ein Zucken durchlief den Pferdeleib. Shita war tot. Eine unheimliche Wut packte mich. Ich sprang auf. Um mich herum tobte der Nahkampf Mann gegen Mann – nur waren die Pferdesoldaten in der Überzahl. An jedem Krieger hingen mindestens drei, vier Blaubäuche. Little Friend tobte wie eine Raubkatze inmitten eines Durcheinanders wogender Soldatenleiber. Ich stürzte mich auf einen breiten Rücken, klammerte mich mit den Beinen fest, fegte dem Mann den Hut vom Kopf und riß an seinen Haaren. Der Mann brüllte auf. Ich stopfte ihm das ausgerissene Haarbüschel ins Maul, und er gurgelte und spuckte. Als er den Rücken krümmte, um mich abzuwerfen, rutschte ich schnell herunter und trat ihm ins Kreuz. Er kippte nach vorn und in einen Faustschlag Little Friends, der ihn von den Füßen holte. Stirbtjung rollte an mir vorbei, verkrallt in drei Pferdesoldaten, die ihm die Griffe ihrer Revolver auf den Kopf hämmerten. Warum erschossen sie uns nicht? Ich erhielt einen Stoß und prallte gegen einen Lieutenant, der mich blöd anstierte. Ich knallte ihm den Fuß gegen das Schienbein und spuckte ihn an. Spucken ist immer gut, das verwirrt den Gegner. Er griff nach mir, aber ich flutschte unter seinen Armen durch, lief um zwei tote Pferde herum, kriegte einen Kessel zu fassen, der sich irgendwo vom Sattelgepäck gelöst hatte, und schmetterte ihn einem Soldaten auf den Kopf, der neben einem unserer Krieger kniete und ihn mit den Fäusten bearbeitete. Warum schossen sie nicht? Dann sah ich es. Vier Krieger waren bereits überwältigt worden und wurden gerade gefesselt. Wollten uns die Pferdesoldaten lebend? Ich blickte mich nach Little Friend um. Er ging gerade kämpfend zu Boden, sechs Blaubäuche zerrten an ihm und zwangen ihn in die Knie. Mit einem Wutschrei fiel ich über einen her und hämmerte ihm
meine Fäuste ins Gesicht. Ich erhielt einen Fußtritt, einen Stoß in die Seite und einen Schlag an die Schläfe – von wem, weiß ich nicht, es war ein wüstes Durcheinander. Ich mußte an Pfeilkind denken, als es Nacht um mich wurde. Aber es wurde rasch wieder Tag. Lange konnte ich nicht besinnungslos gewesen sein. Ich lag auf dem Rücken und starrte in den blauen, wolkenlosen Himmel, an dessen Begrenzung bärtige und bartlose weiße Gesichter zu mir herunterglotzten. Sie standen im Kreis um mich herum und ihren Mienen war zu entnehmen, daß zumindest Weihnachten war, oder Solderhöhung oder sonstwas. Einer sagte: »Er hat mir meine Haare ausgerissen und in den Mund gestopft.« »Und mir hat er einen Kessel über den Schädel geschlagen«, sagte ein anderer. Und der Lieutenant sagte: »Mich hat er angespuckt und gegen das Schienbein getreten, der Lümmel.« Ein bulliger Sergeant bückte sich und riß mich hoch. »Was bist du denn für einer, he?« fuhr er mich an. »Ein Apache«, sagte ich stolz und spuckte ihn an. Er wischte sich den Speichel vom Gesicht, sagte: »Du Mistkröte!« und scheuerte mir eine, daß ich den Kreis durchbrach und quer durchs Gelände flog. Ich landete im weichen Sand und sah mit einem Blick, daß ich noch der letzte, ungefesselte Krieger war. Unweit von mir standen oder hockten sie alle mit auf den Rücken gefesselten Händen. Vier Blaubäuche mit Gewehren im Hüftanschlag bewachten sie. Little Friend stand stolz und trotzig zwischen ihnen. Er überragte sie alle, auch die Blaubäuche. Der Sergeant dampfte wie eine Lokomotive auf mich los und knurrte grimmige Flüche. Der Arroyo war vorn und hinten abgeriegelt. Da konnte ich also nicht ausbüxen. Vielleicht schaffte ich es seitwärts an den Hängen. Ich glaubte nicht, daß sie auf mich schießen würden, rechnete mir meine Chancen aus und fand, daß ich ein bißchen viel Glück brauchte. Aber einen Versuch war es wert.
Ich ließ den Bullen herankommen. Er sah hart und gemein aus, an seinem Waffengurt baumelte ein blauschwarzer Zopf, den er bestimmt einer Indianerfrau abgeschnitten hatte. Ich hockte im Sand, sprungbereit. Als er nach mir greifen wollte, zuckten meine Arme hoch. Zwei Hände voller Sand genügten, um seinen Angriff zu stoppen. Er brüllte auf und war geblendet. Sand in den Augen ist eine üble Sache. Automatisch begann er zu reiben, und ich wetzte los wie ein wildgewordenes Kaninchen. Sie spielten Kriegen mit mir, und ich brachte sie ganz schön ins Schwitzen. Der Lieutenant schrie mit schriller Stimme blödsinnige Befehle, die keiner befolgte, weil sie damit beschäftigt waren, hinter mir her zu toben. Ich schlug Haken, rannte einen um, ließ mich einmal blitzschnell fallen, als ich hörte, daß mir einer dicht auf den Fersen war – er segelte über mich weg –, ich jagte wieder hoch und weiter, angefeuert von den Beifallsrufen der Chiricahua-Krieger, die sich halbtot lachten. Wie gesagt, nach vorn und hinten konnte ich aus dem Arroyo nicht heraus, weil dort Blaubäuche standen, die jetzt sogar langsam vorrückten und meinen Aktionsradius damit einengten. Es war eine Treibjagd, und ich war der Hase. Flüchtig sah ich, daß seitwärts von mir ein Pferdesoldat ein Lasso wirbeln ließ. Ich duckte mich, griff hoch, erwischte die Lassoschlinge und riß sie dem Soldaten aus der Hand. Ich hätte es nicht tun sollen, denn jetzt waren drei, vier andere heran und warfen sich über mich. Ich schlug und stieß und kratzte. Einem Korporal biß ich beinahe einen Daumen ab. Den Gegner wurde ich los, denn er sprang auf und brüllte nach dem Sanitäter. Aber mich hatten sie. Harte Fäuste drückten mich zu Boden, wälzten mich auf den Bauch und verschnürten mir die Hände auf den Rücken. »Steh auf, du Lümmel!« sagte eine Stimme, und jemand stieß mir den Stiefel zwischen die Rippen. »Lümmel«, schien ihr Kosewort für mich zu werden. Mühsam hockte ich mich hoch und stand auf. Sie standen um mich
herum und musterten mich finster. Der Lieutenant stiefelte heran, ein Jüngelchen zwischen zum Teil ergrauten Pferdesoldaten, die bestimmt schon ihre zwanzig Jahre oder noch mehr bei der Armee auf dem Kreuz hatten. Ruppig sahen sie alle aus, ob jung oder alt. In Anbetracht meiner Spucklust blieb der Lieutenant einige Schritte vor mir stehen. Mit seinen blaßblauen Augen hätte er der ältere Bruder von Heulgesicht sein können. Er sah auch so grämlich aus. Vielleicht hatte ich ihm weh getan, als ich ihm gegen das Schienbein trat. Wenn's so war, sollte es mich freuen. Überflüssigerweise fragte er: »Habt ihr das Früchtchen?« Natürlich hatten sie mich, das sah der Dämlack doch. »Jawohl, Sir«, sagte einer. »Wir haben ihn. War ein schweres Stück Arbeit, Sir. Der Lümmel hat wie eine Katze gekratzt und gebissen. Korporal Flynn ist schwer verletzt, Sir!« »Quatsch«, sagte ich, »der soll sich nicht so anstellen mit seinem Daumen.« »Unverschämtheit!« fauchte der Lieutenant. »Aber wir werden dir schon Manieren beibringen, du Lümmel. Was hast du überhaupt bei den roten Bastarden zu suchen, he?« »Sie sind meine Brüder«, sagte ich. »Ich werde mit Sir angeredet, verstanden?« schrie der Lieutenant. »Nein«, sagte ich. Zwei oder drei Pferdesoldaten grinsten verstohlen. Der Lieutenant stand dicht vor einem Koller. Seine Halsadern schwollen an, sein Gesicht färbte sich rot. Als er einen Schritt auf mich zutrat, sammelte ich Spucke im Mund. Leider blieb er aber stehen und war noch zu weit weg. Ich nahm mir vor, Weitspucken zu üben. Der Lieutenant stieß den Kopf vor, als wolle er nach mir hacken. »Wie heißt du?« »Ronco«, sagte ich. »Das ist kein Name.« »So?« sagte ich. »Und warum, bitte ist das kein Name?« »Jeder zivilisierte Mensch hat einen Vor- und einen Zunamen. Außerdem stelle ich hier die Fragen, verstanden?« »Ihre Fragen sind mir zu blöd«, sagte ich. »Ich frage ja auch nicht, wie Sie heißen. Es ist mir auch scheißegal, verstanden?«
Er prallte direkt zurück, dieser Hampelmann. »Eine Frechheit«, keuchte er, »eine unverschämte Frechheit. Ich verbitte mir diese Frechheit. Du sprichst mit einen Offizier der glorreichen Armee der Vereinigten Staaten, du Lümmel, die dafür sorgt, daß das rote Gesindel ausgerottet wird …« Jetzt platzte mir der Kragen. »Und was haben wir Ihnen getan?« schrie ich ihn an. »Wir haben Fleisch für unseren Stamm in den Wäldern geschossen. Dort auf unseren Pferden, die Sie und Ihre glorreiche Armee aus dem Hinterhalt abgeknallt haben, befindet es sich. Sehen Sie doch nach. Gehört das Fleisch vielleicht Ihnen? Gehören die Wälder Ihnen? Und Sie fallen wie Banditen über uns her – glorreiche Armee! Daß ich nicht lache. Sie scheißen sich ja schon in die Hose, wenn Sie einen Tritt vors Schienbein kriegen – Sie – Sie billiger Sir-Offizier oder was Sie sind! Und ich verbitte mir Ihre Frechheit, mich mit ›Lümmel‹ zu titulieren, verdammt noch mal.« Jetzt war mir schon wohler. Ich hatte es ihm ordentlich gegeben, und Shita war gerächt, soweit das überhaupt möglich war. Es kam aber noch besser. Der Lieutenant erlitt einen Tobsuchtsanfall, ehrfürchtig bestaunt von seiner Truppe. Er riß sich den Hut vom Kopf und trampelte darauf herum – und dann ging er zum Angriff über, mit schwingenden Fäusten und wutverzerrtem Gesicht. »Der Offizier der glorreichen Armee der Vereinigten Staaten will einen wehrlosen, gefesselten Jungen verprügeln!« rief ich höhnisch. »Komm her, du Stinktier! Ich kann auch noch mit gefesselten Händen kämpfen.« Ich dachte an Pfeilkinds erste Lektion und war ihm direkt dankbar. Meine Füße waren nicht gefesselt, also konnte ich Pfeilkinds allerersten Trick versuchen, vielleicht klappte er. Der Lieutenant stampfte auf mich zu. Ich maß den Abstand – jetzt! Sein Kopf war herrlich weit vorgereckt. Ich warf mich nach hinten und schleuderte die Beine hoch rummms! Mit beiden Fußspitzen erwischte ich ihn unter dem Kinn. Noch während ich auf den Boden prallte – es tat ziemlich weh, weil ja meine Hände auf den Rücken gefesselt waren –, sah ich, wie sein Kopf zurückruckte. Hart im Nehmen war er nicht. Er taumelte
und griff haltsuchend in die Luft – und dann krachte er zu Boden. »Hurra!« brüllte ich, so laut ich konnte. Und aus Little Friends Horde stieg donnerndes Triumphgeheul in den Himmel. Ein zwölfjähriger gefesselter Junge hatte einen OffiziersPferdesoldaten zu Boden geschickt – das war der Coup schlechthin. Ich glaube, ich schnappte fast über vor Begeisterung, daß ich diesen Affen aufs Kreuz gelegt hatte. Leider versohlten sie mir jetzt den Hintern. Ich konnte mich nicht wehren, aber spucken konnte ich noch. Ich spuckte solange, bis ich keine Spucke mehr hatte. Dann biß ich die Zähne zusammen. Sie merkten sehr schnell, daß sie mich nicht erschüttern konnten. Keine Tränen, kein Schmerzgeheul – nur trotziges, verbissenes Schweigen. Ja, ich war anders als meine gleichaltrigen weißen Brüder. Ich war bereits ein halber Indianer, und ich setzte meinen Stolz ein, noch mehr Indianer zu sein. Sie gaben es auf und stießen mich auf meine gefesselten roten Brüder zu. Links auf einem toten Pferd hockte der Sergeant, der immer noch damit beschäftigt war, sich die Sandkörnchen aus den Augen zu reiben. Seine Augen waren rot, und er fluchte ordinär. Rechts stand der Korporal, dessen Daumen »schwer verletzt« war. Er hatte einen dicken Verband um den Daumen und trug den Arm in der Schlinge. Auch er fluchte, und zwar noch ordinärer. Und hinter mir richteten sie den blöden Lieutenant auf und mußten ihn stützen. Ich fand, daß ich ganz zufrieden sein konnte. Immerhin war ich der letzte Kämpfer gewesen – und das gegen eine Kompanie oder noch mehr Pferdesoldaten. Vier Blaubäuche mit den Waffen im Anschlag begleiteten mich, mich, einen gefesselten Jungen! Bei Shita blieb ich stehen. Auch die vier Blaubäuche blieben stehen. Nur ihre Waffen ruckten hoch. Ich sah es aus den Augenwinkeln. Hatten sie etwa Angst vor dem Jungen, der auf sein totes Pony starrte? Ich zerrte an den Fesseln. Ich wollte Shita streicheln und das Fell noch einmal berühren. Einer stieß mir den Gewehrlauf in die Seite. Ich fuhr herum. Wut und Trauer tobten in mir.
»Ihr Hunde!« stieß ich hervor. »Ihr dreckigen Hunde! Ihr schlachtet Pferde ab!« Ich ging auf den Soldaten los, der mir den Gewehrlauf in die Seite gestoßen hatte. Der wich zurück. Hinter mir sagte einer: »Hau ihm was vor die Schnauze, dem Bastard!« Der Soldat zögerte. Ich duckte mich und rammte ihm den Kopf in den Leib. Wir stürzten zu Boden. Der Soldat schrie gellend um Hilfe. Ich riß mein Knie hoch und stieß es in irgend etwas Weiches. Dann erlosch alles in einem schmetternden Schlag an meinem Kopf.
3. Ich schleppte mich zwischen Stirbtjung und Little Friend über den endlosen Trail. Wir gingen an der Spitze, gefesselt, gebeugt, halb verdurstet und verhungert. Sie schirmten uns gut ab. Vor uns Pferdesoldaten, neben uns, hinter uns. Mit Peitschen wurden wir vorwärtsgetrieben. Am ersten Abend schossen sie zwei Krieger nieder. Der eine war mit einem gebrochenen Knöchel den ganzen Tag auf einem Bein gehüpft. Der andere war mit einem Messerstich im Leib mitmarschiert – zusammengekrümmt, um das Blut zurückzuhalten. Aber sie waren zu langsam gewesen, und dem Lieutenant paßte das nicht. »Legt sie um«, hatte er gesagt. Und mindestend dreißig Schüsse zerhackten sie mit Blei. Sie blieben am nächsten Tag hinter uns zurück, ein Fraß für die Bussarde, die uns am Vortag schon begleitet hatten. »Das Sterben werden wir früh genug erfahren«, hatte Little Friend gesagt. Zwei von uns hatten es erfahren. Wer würde der nächste sein? Was mich aufrechterhielt, weiß ich nicht. Vielleicht war es Stirbtjungs verwegenes Grinsen, das auch die buntverfärbten, geschwollenen Stellen in seinem Gesicht nicht völlig verwischen konnte. Oder Little Friends aufrechtes, stolzes Schreiten, obwohl sein Körper blutverkrustet war und darauf hinwies, wie sie ihn in dem
Arroyo zusammengeschlagen hatten. Keiner von uns war ohne Blessuren. Auf diesem Marsch erfuhr ich, was es hieß, ein Apachenkrieger zu sein. Eine unbarmherzige Härte sich selbst gegenüber beherrschte die Krieger Little Friends. Sie wußten nicht, wohin sie der Marsch führte, aber solange sie lebten, waren sie entschlossen, den Kampf zu bestehen – und sei es den Kampf gegen sich selbst, gegen die Schwächen des verwundeten Körpers. Am dritten Tag tauchten vor uns die Palisaden eines Forts auf. Meldereiter jagten voraus. Trompetensignale ertönten. Der Lieutenant setzte sich an die Spitze des gesamten Trupps und paßte mit seiner aufgeblähten Brust durch keine Tür mehr. Camp Hudson hieß das Fort im versteppten Grenzland von Texas. Hinter den Palisaden tauchten die Köpfe von Soldaten auf. Sie besetzten die strategischen Punkte des Forts, als gelte es, einen Indianerangriff abzuwehren. Das Tor schwang auf. Der Lieutenant führte sein Truppe in den Hof und ließ absitzen. Dann marschierte er zum Stabsgebäude und meldete einem Colonel. Er benahm sich wie eine Marionette – es sah zum Totlachen aus. Jede seiner Bewegungen war abgehackt, steif und nach meiner damaligen Meinung völlig unnatürlich. Heute denke ich übrigens genauso. Diese unnatürlichen Menschen also zackten aufeinander zu, zirkelten ihre Hände an die Hüte, schnarrten etwas, zirkelten die Hände wieder ab und stelzten steifbeinig und mit ruckartigen Bewegungen auf unseren Gefangenentrupp zu. Ja, so sah ich das damals. Der Colonel war ein steifer Ziegenbock und hatte die Stimme eines mexikanischen Kampfhahns. Dieser Ziegenbock stolzierte an uns entlang und ruckte und zuckte mit dem Kopf. Sein Spitzbart stieß dabei vor und zurück. Seinen kalten grauen Augen war zu entnehmen, daß er uns für eine Horde von Läusen hielt. Er stelzte an mir vorbei und blieb mit einem Ruck stehen. »Name?« schnarrte er mich an. »Ronco«, sagte ich.
»Ähmm«, sagte er und musterte mich von Kopf bis Fuß und von Fuß bis Kopf. Er hatte seine Hände auf dem Rücken und war steif wie ein Ladestock. Sein Kopf ruckte zu dem Lieutenant herum. »Wie kommt der hierher?« Der Lieutenant war zu blöd zu einer Antwort. »Zu Fuß und mit meinen Brüdern«, sagte ich frech. Sein Kopf ruckte wieder zu mir. »Wie bitte?« Ich spuckte ihm einen kräftige Ladung auf die gewichsten Stiefel und erschütterte damit seine militärische Welt. Sehr viel Geist, geschweige denn Humor hatte er auch nicht. »Abwischen«, sage er. »Nein«, sagte ich. »Ihr Lieutenant kann das bestimmt besser.« Er sah aus, als sei er allein auf weiter Flur gegen eine feindliche Artilleriestellung geprallt. Die Augen quollen ihm aus dem Kopf, aus seinem Ziegenhals drangen gurgelnde Laute. »Wie bitte?« fragte ich höflich. Er gurgelte weiter und brauchte ziemlich viel Zeit, um sich wieder zu erholen. Ich grinste ihn an und sagte: »Sir, ich muß mich beschweren. Ihr Lieutenant hatte nicht das geringste Recht, uns aus dem Hinterhalt zu überfallen. Wir waren auf der Jagd gewesen und ritten zurück zu unserem Stamm. Indianer haben nämlich auch Hunger, falls Sie das vergessen haben sollten. Im übrigen darf ich feststellen, daß Apacheria uns gehört. Sie haben hier nichts zu suchen. Ich halte es für besser, wenn Sie wieder verschwinden, am besten dahin, wo der Pfeffer wächst. Ist das klar?« »Nein«, sagte der Colonel verdattert und wischte sich über das Gesicht, als sei dort ein Schwarm Mücken. »Was hast du da eben gesagt?« »Daß Sie verschwinden sollen, Sie und Ihre Blaubäuche. Dieses Land gehört Ihnen nicht.« »Du spinnst wohl?« »Das Spinnen ist eine Beschäftigung weißer Weiber«, sagte ich verächtlich. »Apachen spinnen nicht.« Er ächzte und verlor sichtlich an Haltung. Hilfesuchend rückte sein Kopf zu dem Lieutenant, der verlegen von einem Fuß auf den
anderen trampelte. »Ist das ein frecher Lümmel«, sagte der Colonel. »Jawohl, Sir«, bestätigte der Lieutenant, »sehr frecher Lümmel. Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf …« »Bitte sehr«, schnarrte der Colonel. »Er scheint mir noch schlimmer zu sein, als die anderen Rothäute. Er ist völlig verroht und unzivilisiert. Korporal Flynn hat er beinahe den Daumen abgebissen. Sergeant Tyers hat er die Augen – eh – versandet, gewissermaßen geblendet. Und mir hat er die Füße unters Kinn geschlagen.« »Die Füße?« fragte der Colonel entgeistert. »Jawohl, die Füße, Sir«, sagte der Lieutenant und betastete sein Kinn. »Hier, Sie können es noch sehen, Sir.« Der Colonel ruckte den Kopf vor und betrachtete sich das Kinn seines Lieutenants. »Ähhm«, sagte er, »sehr scheußlich.« »Der Lieutenant hat etwas vergessen«, sagte ich. »Wie?« Der Colonel zuckte zu mir herum. »Seine Meldung ist nicht korrekt«, erklärte ich. »Er hat nämlich vergessen zu sagen, daß ich gefesselt war, als er mich verprügeln wollte. Jawohl, gefesselt. Anscheinend ist es bei Ihnen üblich, gefesselte Jungen zu verprügeln. Verteilen Sie dafür auch Orden, Sir?« »N-nein, natürlich nicht.« Der Colonel biß sich auf die Lippen. Offensichtlich wuchs im alles über den Kopf. Er blitzte seinen Lieutenant an. »Stimmt das?« »Jawohl, Sir – eh – ich meine – also – schließlich wurde ich angegriffen.« »Stimmt nicht«, sagte ich. »Sie haben mich angegriffen, nachdem ich es mir verbeten hatte, mich mit ›Lümmel‹ anzusprechen.« Der Lieutenant kriegte einen hochroten Kopf. »Das ist ja heiter«, sagte der Colonel und zerrte an seinem Uniformkragen. Dann besann er sich seiner militärischen Haltung und straffte sich. »Abführen die ganze Bande«, befahl er. »Wohin?« fragte der Lieutenant.
»Ins Magazingebäude, verdammt noch mal!« fauchte der Colonel. »Aber da sind doch unsere ganzen Vorräte, die Waffen, Munition und …« »Leerräumen!« brüllte der Colonel. »Dann einsperren, Posten davor! Wünsche Vollzugsmeldung, wenn alles erledigt! Danke, wegtreten lassen!« Er vollführte eine exakte Kehrtwendung und stelzte zurück zum Stabsgebäude. Der Lieutenant sah aus, als kaue er auf einer Zitrone herum. Dann starrte er mich an und sagte: »Na warte, du Bastard.« »Tut Ihr Kinn noch weh?« fragte ich höflich. Jetzt fluchte er genauso ordinär wie der Sergeant und der Korporal. * Das Magazingebäude war ein lausiger Stall – feucht, dunkel wegen der kleinen Fenster und jetzt, weil es ausgeräumt war, nackt und kahl, vier Wände, Steinfußboden, Schrägdach – aus. Die Fensterchen hatten Eisengitter, die Magazintür war mit Eisen beschlagen und kaum mit Dynamit aufzubrechen. Natürlich hatten wir selbst das Magazin ausräumen müssen. Der ganze Krempel – Säcke, Kisten und Kästen, Werkzeuge, Munition, Waffen – kam in ein Stallgebäude. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir hin und her gingen, schleppend, keuchend, am Ende unserer Kräfte. Aber keiner klagte. Die Posten, die zwischen den beiden Gebäuden eine Gasse bildeten, sparten nicht mit Fußtritten und Kolbenstößen. Sie rissen ihre Witze über uns und fanden es besonders spaßig, denen von uns ein Bein zu stellen, die besonders schwer beladen waren. Ich hatte weiß Gott keinen Grund, auf meine weiße Hautfarbe stolz zu sein. Die verrohten, unzivilisierten Wilden waren sie, nicht wir. Hatte ich damals in der Mission am Pease River die USKavallerie noch bewundert und bestaunt, so änderte sich das jetzt. Der Haß hielt mich aufrecht. Sie hatten Shita erschossen, und dazu hatten sie kein Recht. Sie hatten zwei verwundete Gefangene
erschossen, auch das empfand ich als barbarisch und unmenschlich. Unser Stamm würde vergeblich auf Fleisch und Tierhäute warten und auf unsere Rückkehr, denn noch wußten wir nicht, was sie mit uns vorhatten. Als wir das Magazin ausgeräumt hatten, wurden wir mit Kolbenstößen hineingetrieben. Die schwere Eisentür krachte hinter uns zu. Ich kroch zu Little Friend und zeigte ihm das, was ich geklaut hatte, ohne daß es von den Pferdesoldaten bemerkt worden war – einen Hammer. Eine Remingtonrifle wäre mir zwar lieber gewesen, aber die hätte ich nicht am Körper verstecken können. Little Friend lächelte und nahm den Hammer. Er wog ihn in der Hand und nickte. »Eine gute Waffe«, sagte er. »Nimm du sie«, sagte ich. »Du kämpfst besser als wir alle, also mußt du sie haben.« Er nickte wieder, und der Hammer verschwand schnell unter seinem Lendenschurz. Wir leckten unsere Wunden im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Wasser hatten wir nicht. Ein Krieger war übel dran. Er hieß Wolfsklaue. Sein rechter Ellbogen war beim Sturz vom Pferd zersplittert. Knochen ragten aus der Haut, die um die Bruchstelle herum tiefrot entzündet war. Er lehnte sitzend an der Wand, sein Gesicht war fahlgrau, Schweißtropfen glitzerten auf seiner Stirn, das Wundfieber hatte ihn gepackt. Niemand konnte ihm helfen. Decken hatten wir nicht. In der Nacht lagen wir auf dem nackten Boden und drängten uns zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen. Es war eine Nacht aus dem Bilderbuch der Hölle. Durst, Hunger, Schmerzen zersägten unseren Schlaf, der kein richtiger Schlaf war, sondern nur ein Dahindämmern, ein Wachschlaf voller Alpträume und furchtbarer Visionen. Am nächsten Morgen war Wolfsklaue tot. Er war gestorben, ohne einen Laut von sich zu geben. Aber seine Lippen waren blutig gebissen.
Später durchzog Gestank das Magazingebäude. Wunden eiterten. Unsere Notdurft mußten wir auf dem Boden entleeren. Little Friend lehnte an der Wand. »Wir werden fliehen«, sagte er mit unerschütterlicher Ruhe, die fast schon etwas Unheimliches hatte. »Und wie?« fragte Stirbtjung. »Abwarten«, erwiderte Little Friend. Gegen Mittag wurde die Eisentür aufgeschlossen, ein Kessel mit Kohlsuppe hineingeschoben, dann fiel die Tür wieder zu. Wir schöpften die Suppe mit der Hand aus dem Kessel. Sie schmeckte widerlich, aber es war die erste Flüssigkeit, die wir erhielten, seit wir Gefangene waren. Little Friend verzichtete lächelnd auf seinen Teil. Sich gegenüber war er von einer unbarmherzigen Härte. Ein solcher Mann war nicht zu zerbrechen. Am Nachmittag wurde wieder aufgeschlossen, und der Colonel erschien. Er prallte zurück von dem Gestank. »Wache!« brüllte er. »Sir?« sagte eine Stimme. »Die Kerle sollen auf den Hof geführt werden, ich habe keine Lust, in dem Mief da drinnen zu verhandeln.« »Sehr wohl, Sir.« Sie prügelten uns nach draußen. Einer stieß Wolfsklaue an. »He! Steh auf, du krummer Hund!« schrie er ihn an. Wolfsklaue würde nie mehr aufstehen. Schmerzen empfand er auch nicht mehr. Der Soldat konnte ihm noch so brutal den Stiefel zwischen die Rippen knallen. Ein anderer trat hinzu und blickte auf Wolfsklaue hinunter. »Mann, der ist doch verreckt«, sagte er. »Siehst du das nicht?« »Geschieht ihm recht«, sagte der erste. »Faß mal mit an, wir schleifen ihn nach draußen.« So verließ Wolfsklaue als letzter von uns das Magazingebäude. Sie zogen ihn an den Beinen über den Hof, durch das Tor und ließen ihn in den Hügeln liegen. Der Colonel spazierte inzwischen, die Hände auf dem Rücken, das Kreuz durchgedrückt, vor uns auf und ab. Rechts von uns stand der
Lieutenant, um uns herum eine Kompanie von Blaubäuchen, die Gewehre im Hüftanschlag. Der Ziegenbock blieb vor mir stehen und reckte den Spitzbart vor. »Du sprichst die Apachensprache?« »Ja«, sagte ich. »Dann wirst du dolmetschen, verstanden?« »Sie haben mir nichts zu befehlen«, sagte ich patzig. Er zupfte an seinem Spitzbart und zeigte die ersten Anzeichen von Ärger. »Hör mal, Kleiner«, sagte er. »Es macht mir nichts aus, dir hier vor aller Augen eine Tracht Prügel zu verabfolgen.« »Dann tun Sie's doch, wenn Sie Spaß daran haben. Apachenjungen sind im Gegensatz zu weißen Jungen mit einer Tracht Prügel nicht zu erschüttern. Außerdem heiße ich Ronco und nicht ›Kleiner‹. Ich sag ja auch nicht zu Ihnen ›Ziegenbock‹. So sehen Sie nämlich aus, verdammich noch mal.« Er wahrte mühsam seine Beherrschung. Der Lieutenant räusperte sich. »Man sollte ihn auspeitschen lassen«, sagte er. »Es ist unerhört, wie er sich benimmt. Eine Schande für unsere Rasse.« Ich trat einen Schritt vor. Gewehre ruckten hoch. Es interessierte mich nicht. Ich funkelte den Lieutenant an und sagte: »Die Schande Ihrer Rasse sind Männer wie Sie, Sie aufgeblasener Trottel! Auspeitschen lassen! Das entspricht Ihrer Art von Mut. Haben Sie noch nicht begriffen, daß Sie uns mit solchem Firlefanz nicht kleinkriegen, sondern höchstens unseren Hohn und Trotz herausfordern?« Ich schrie ihn an: »Geben Sie mir ein Messer, und dann treten Sie gegen mich an. Von mir aus kämpfen Sie mit dem jämmerlichen Zahnstocher, der an Ihrer Hüfte baumelt, Sie Jammerlappen!« »Ruhe!« donnerte der Colonel. »So kommen wir nicht weiter, Lieutenant! Ich verbitte mir jegliche Einmischung!« »Jawohl, Sir«, sagte der Lieutenant und knirschte mit den Zähnen. Die Gewehre sanken wieder nach unten. Ich trat zurück. In den Augen des Colonels entdeckte ich zum ersten Mal so etwas wie Nachdenklichkeit, gepaart mit Respekt, als er mich musterte.
Etwas ruhiger sagte er plötzlich: »Darf ich dich bitten, zu dolmetschen, mein Junge?« »Jawohl, Sir«, sagte ich. »Gut. Ist der große Krieger euer Anführer?« »Ja.« »Ihr seid Chiricahuas?« »Ja.« »Vom Stamm Black Hawks?« »Ja«, sagte ich überrascht. Woher wußte er das? Und was wollte er? Ich sollte es gleich erfahren. »Sage eurem Anführer, daß ich euch als Geiseln betrachte«, erklärte er. »Ihr werdet erst dann freigelassen, wenn sich Black Hawk stellt. Euer Anführer möge einen Mann bestimmen, der als Kurier zu eurem Stamm reitet und Black Hawk meine Forderung mitteilt.« Ich glaube, ich war blaß geworden. Mit zusammengepreßten Lippen starrte ich den Colonel an. Du dreckiger Hund, dachte ich, da hast du ja was Schönes ausgeheckt. Erpressung nannte man das im Sprachgebrauch der Weißen. »Und was geschieht mit Black Hawk, wenn er auf Ihre Forderung eingeht?« fragte ich. »Er wird vor ein Armeegericht gestellt«, sagte der Colonel und grinste kalt. »Und an einem Strick aufgehangen, nicht wahr?« »Vielleicht auch erschossen«, sagte der Colonel würdevoll. »Darf ich fragen, was Ihnen Black Hawk getan hat?« »Er ist ein mehrfacher Mörder.« »Ach«, sagte ich, »so ist das. Sie brechen in dieses Land hier ein und nennen einen Mann, der seine Heimat verteidigt, einen Mörder. Ich schätze, diese Bezeichnung trifft eher auf Sie und Ihren Lieutenant und Ihre Soldaten zu. Das Land gehört nicht Ihnen. Es gehört den Stämmen der Apachen, die hier seit Jahrhunderten leben.« »Wilde!« sagte der Colonel verächtlich. »Sie haben das Recht, hier zu leben, verloren. Wir sind die Herren, weil wir stärker sind.« »Und weil Sie stärker sind, bestimmen Sie, wer ein Mörder und wer keiner ist, nicht wahr?« Ich geriet in Wut und stampfte mit dem
Fuß auf. »Mörderbande!« schrie ich. »Gemeine Mörderbande! Und Sie, Mann? Sie sind ein Christ? Ein Verbrecherboß sind Sie! Ein Schlächter!« Ich schrie und tobte und wäre ihm an die Gurgel gesprungen, wenn mich nicht drei Blaubäuche festgehalten hätten. Ich war damals sehr unbeherrscht. Und dennoch war es die Wahrheit, die ich ihm sagte. Eigentlich müßte ich mich heute fragen, warum ich dann später jemals Scout in dieser Armee geworden bin. Spätestens nach dem Halcon-Canyon-Massaker begriff ich endlich, was diese Armee wirklich war … »Zur Sache«, schnarrte der Colonel kühl. »Ich habe keine Lust, mit dir über das rote Gesindel zu diskutieren. Sag deinem Anführer, was ich fordere, alles andere interessiert mich nicht.« Ich riß mich zusammen und gewann meine Fassung zurück. Der Ziegenbock war ein ganz eiskalter Hund, den schaffte ich nicht, indem ich ihn anbrüllte. »Die Antwort weiß ich jetzt schon«, sagte ich. Der Colonel wippte auf den Fußballen und starrte Löcher in die Luft. Ich drehte mich um. Die drei Blaubäuche drehten sich mit mir um. »Loslassen!« fauchte ich sie an. Sie ließen mich los, blieben aber neben und hinter mir stehen. In der Apachensprache sagte ich Little Friend, was der Colonel verlangte. Er hörte unbewegt zu. Nicht ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Als ich geendet hatte, blickte ich ihn gespannt an. Kurz und bündig sagte er: »Nein, unannehmbar!« Ich wandte mich zu dem Colonel um. »Er lehnt ab.« Höhnisch fügte ich hinzu: »Wie zu erwarten war. Apachen lassen sich nicht erpressen.« »Tz, tz!« machte der Colonel. »Sehr bedauerlich, wirklich sehr bedauerlich und obendrein noch sehr unüberlegt. Sage ihm, wenn er keinen Kurier schickt, lasse ich einen nach dem anderen von euch an die Wand stellen. Scharfes Übungsschießen auf lebende Ziele stärkt die Nerven und sorgt für Abwechslung.« »Drecksack«, sagte ich nur, drehte mich wieder um und berichtete Little Friend, was uns blühte. Leise sagte Little Friend: »Das ist vielleicht unsere Chance. Wir
werden einen Kurier schicken. Black Hawk wird natürlich ablehnen. Aber wir haben Zeit gewonnen.« Er wandte sich zu den Kriegern um. »Wer reitet?« »Ich«, sagte Stirbtjung und trat vor. Little Friend nickte. »Richte Black Hawk aus, daß er sich auf keinen Fall stellen darf. Sie werden ihn und auch uns umbringen. Der Colonel spricht mit gespaltener Zunge. Wenn ihr einen Kriegszug unternehmt, stürmt dieses Fort und rächt uns, wenn wir es nicht schaffen, zu fliehen. Aber wir werden fliehen. Sag das Black Hawk. Ich habe noch immer meine Krieger zurückgebracht.« Leise fügte er hinzu: »Bis auf die Toten.« Ich wandte mich zu dem Colonel um und deutete auf Stirbtjung. »Er wird zu Black Hawk reiten. Geben Sie ihm ein Pferd.« »Na bitte«, schnarrte der Colonel. »Warum nicht gleich so?« Er winkte einem Sergeant. »Holen Sie ein Pferd, aber keins von der Armee. Am besten eins von den Indianerpferden, die im Korral stehen.« Der Sergeant verschwand hinter einem Gebäude. Der Colonel stach seinen Finger auf Stirbtjung zu. »Wie heißt der Kerl?« »Stirbtjung«, erwiderte ich. »Sehr beziehungsreicher Name«, sagte der Colonel. »So sollten sie alle heißen.« Und dann meckerte er über seinen eigenen, dämlichen Witz. Der Lieutenant lachte pflichtschuldigst mit, und dann wieherten sie alle los. »Was lachen die?« fragte mich Stirbtjung. »Sie lachen über deinen Namen. Der Ziegenbock von einem Colonel hat gesagt, so sollten wir alle heißen«, erwiderte ich. Stirbtjung grinste von einem Ohr zum anderen. »Gut, daß du mir das gesagt hast.« Er ging dem Sergeant entgegen, der von einem tobenden Appaloosa-Hengst über den Hof geschleift wurde und Mühe hatte, ihn zu halten. Die Soldaten spritzten auseinander. Die Torwache schob das Tor auf. »Hey!« sagte Stirbtjung. »Was für ein Pferdchen!« Er sagte es in der Apachensprache, und der Hengst spitzte die
Ohren. Plötzlich stand er wie ein Denkmal und blickte dem grinsenden Stirbtjung entgegen. Der Sergeant trat rasch zur Seite. Stirbtjung war mit einem Satz auf dem ungesattelten Rücken. Er griff nach dem Zügel, zog den Hengst herum und brachte ihn aus dem Stand zum Galopp. Donnernd fegte er an dem Colonel vorbei, riß ihm den Hut vom Kopf, schwenkte ihn hoch und ahmte echt die Meckerlache des Colonels nach. So raste er aus dem Fort, eine riesige Staubfahne hinter sich herziehend, aus der das Meckern ertönte. Der Colonel stand wie erstarrt. Ich grinste ihn an und sagte: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten, nicht wahr? Ohne Hut und mit Ihrer Glatze sehen Sie nicht sehr beeindrukkend aus. Passen Sie auf, daß Sie keinen Sonnenstich kriegen.« Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, diesen Armeehengst anzustänkern. Er drehte sich wütend um und stampfte zum Stabsgebäude. Der Lieutenant ließ uns zum Magazingebäude treiben. Zwanzig Schritte davor fiel es mir auf. In der unteren Hälfte des Schrägdachs waren drei Schindeln lose. Sie lagen schief übereinander. Ich merkte mir die Stelle und hatte es direkt eilig, wieder ins Magazin zu kommen. Hinter uns wurde die Eisentür verrammelt.
4. Ich trat von der Tür einen Schritt nach rechts und zwei Schritte vor. Von dort starrte ich hoch unter das Dach. Ja, von hier aus war es auch zu sehen. Die Schindeln waren lose. Little Friend war meinem Blick gefolgt und schaute ebenfalls hoch. Dann starrten sie alle auf die Stelle unter dem Dach. Ihren Mienen war zu entnehmen, daß ich das Ei des Kolumbus entdeckt hatte. »Wann hast du denn das erspäht?« fragte Little Friend. So etwas wie leise Bewunderung schwang in seiner Stimme mit.
»Gerade eben, als wir über den Hof wieder zurückgetrieben wurden«, sagte ich und grinste ihn glücklich an. »Die Augen eines Adlers«, sagte Little Friend. »Es ist gut, daß du bei uns bist.« Ich wurde rot vor Stolz. Little Friend stellte vier Krieger zusammen. Sie mußten sich mit den Köpfen zueinander aufbauen und ihre Arme jeweils über die Schulter des linken und rechten Nebenmannes legen. »Spreizt die Beine etwas und stemmt sie fest auf den Boden«, sagte Little Friend. »Ihr müßt Ronco und mich tragen.« Die vier Krieger nickten und grinsten. Das war der richtige Spaß für sie. Außerdem waren sie stämmig und muskulös und diejenigen unter uns, deren Verletzungen nicht so schlimm waren. Little Friend hatte mit sicherem Blick die richtigen ausgesucht. Zwischen den beiden Schultern zweier Krieger stemmte er sich hoch, kniete sich auf, zog das andere Bein nach und stand oben. »Jetzt du«, sagte er zu mir und bückte sich. Er reichte mir eine Hand, hievte mich mühelos wie ein Federgewicht hoch, umklammerte meine Hüften und setzte mich auf seine Schultern. »Jetzt steigst du auf meine Schultern. Halt dich an meinen Haaren fest und hier an der linken Hand.« Er streckte seine Linke hoch. Ich packte sie, stützte mich ab, verlagerte mein Gewicht nach links, zog mein rechtes Bein auf seine Schulter, drückte mich hoch, und dann folgte das linke Bein. Ich wackelte etwas, als ich mich aufrichtete. Little Friend hielt jetzt meine beiden Unterschenkel fest und stützte mich. Er stand wie ein Monument. Die stickige Luft unter dem Dach trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich befand mich genau unter der Stelle mit den losen Schindeln und konnte mich sogar an den Dachsparren festhalten. »Noch nicht lösen«, sagte Little Friend. »Prüfe nur nach, ob du sie heute nacht tatsächlich loskriegst.« Ich drückte gegen eine Schindel und versuchte, sie wegzuschieben. Es ging tatsächlich. Wenn die weg war, mußten die anderen ein Kinderspiel sein. Dachabdecken war genau der richtige
Job für mich. Mir kribbelte die Nase, und ich mußte niesen. Fast wäre ich hinuntergestürzt. »Psst!« flüsterte Little Friend. »Wie ist es? Schaffst du es?« »Klar«, sagte ich. »Sie sitzen ganz locker.« »In Ordnung«, sagte Little Friend. »Komm runter.« Ich ließ die Dachsparren los, bückte mich, Little Friend nahm mich in Empfang und schwenkte mich nach unten. Er selbst landete mit einem geschmeidigen Satz auf dem Boden. Die vier Krieger lösten ihre Pyramide. Alle strahlten oder kicherten. »Wenn es dunkel ist«, sagte Little Friend, »wird Ronco oben genügend Platz schaffen, daß ein paar von uns durchschlüpfen können. Wir werden drei, vier Lendenschurze zusammenknüpfen, deren eines Ende Ronco oben an einem Dachbalken befestigt. Ich werde mit drei Kriegern hochklettern. Wir kriechen über das Dach, lassen uns nach unten und müssen dann die Posten ausschalten, die hier am Magazingebäude sind. Vorhin waren es zwei. Wir werden die Tür öffnen, die anderen herauslassen und hinter dem Magazingebäude über die Palisaden klettern. Wer einen Posten erledigt, muß es lautlos tun. Vergeßt nicht, ihm die Waffen abzunehmen, sie sind wichtig für uns. Ronco, du löst die Lendenschurze, wenn wir das Dach verlassen haben, wirfst sie nach unten und folgst uns dann.« »Sollten wir ihnen nicht die Pferde klauen?« fragte Tretender Vogel. Er war groß und hager und hatte ellenlange Beine. Wenn er ging, stelzte er wie ein Laufvogel. Little Friend schüttelte den Kopf. »Das habe ich mir auch überlegt. Aber es ist zu riskant. Bis auf den Hammer hier sind wir völlig unbewaffnet. Eine Attacke auf das Tor wäre sinnlos. Die Palisaden sind zu hoch, um sie mit den Pferden zu überspringen. Bei Alarm reagieren die Pferdesoldaten sehr schnell. Sie würden uns im Hof zusammenschießen, ohne daß wir uns wehren könnten.« »Aber mit den Pferden wären wir schneller«, sagte Tretender Vogel. »Richtig«, erwiderte Little Friend, »aber nur unter der Voraussetzung, daß wir es schaffen, sie außerhalb des Forts zu
bringen. Und genau das ist mehr als fraglich. Also scheidet es aus. Im übrigen sollten wir uns darauf besinnen, daß wir noch vor dreißig, vierzig Sommern Pferde verachteten und lieber zu Fuß die Wüste durchstreiften. Wir werden einen Tag brauchen, um sie zu erreichen. Hinter dem Rio Bravo beginnt sie. Aber wenn wir sie erreicht haben, wird uns kein Pferdesoldat mehr finden, denn dort werden wir untertauchen und Sandkörner unter Millionen anderen Sandkörnern sein.« Die Krieger nickten. Fußmärsche waren sie gewohnt. Die Aussicht, zu Fuß die Wüste zu durchqueren, um das Lager in den Tafelbergen zu erreichen, erschütterte sie in keiner Weise. Ich mußte an Büffelmanns Worte denken, der gesagt hatte, um Krieger zu werden, müsse man mit einem Mund voller Wasser durch glühende Hitze einen Tag lang marschieren, ohne das Wasser herunterzuschlucken. Bei diesen Gedanken wurde es mir doch etwas mulmig. Durst hatte ich jetzt schon, und ob ich ein guter Marschierer war, erschien mir mehr als zweifelhaft. Little Friend erriet meine Gedanken. »Du schaffst es«, sagte er nur. * Na klar, so wie Little Friend das gesagt hatte, gab es daran nicht den geringsten Zweifel. Er sagte es, und das war eine einfache und klare Feststellung, an der nicht zu rütteln war. Sein Wort hatte Gewicht. Er war beherrscht und von kluger Überlegenheit, und das gab ihm das Recht, zu führen. Seine Führerstellung war unantastbar, weil er sich keine Blößen gab. Er war genauso zerschlagen wie wir alle. Er hatte eine fürchterliche Platzwunde auf dem Kopf, die ich gesehen hatte, als ich auf seinen Schultern stand. Blutverklebtes Haar markierte die Stelle. Ich hatte rotentzündete Wundränder gesehen, aus denen gelber Eiter sickerte. Und dennoch ließ dieser Mann sich nicht das Geringste anmerken. Er war wie immer – ruhig, ausgeglichen, souverän.
Am Abend krachte die Tür auf. »Da, freßt, ihr Hunde!« sagte eine Stimme. Sie hatten ein Pferd geschlachtet und warfen uns die rohen, blutigen Fleischbrocken ins Magazin. Mir stieg der Magen hoch, und ich drehte mich zur Mauer. Aber die Krieger aßen es. Keiner drängte mich, das Fleisch mitzuessen. Sie bewiesen damit mehr Takt, als es Weiße haben. Ich hätte das rohe Fleisch nie essen können. Später begriff ich, daß dies dumm war. Wer Hunger hatte, nagenden, bohrenden Hunger, der aß auch rohes Fleisch. Ich würgte meinen Ekel herunter und wartete auf die Dunkelheit. Als es soweit war, fühlte ich mich frei und leicht. Die vier Krieger bildeten wieder die Pyramide an derselben Stelle. Vier Lendenschurze hingen über meiner Schulter, als mich Little Friend auf seine Schultern setzte. Es war stockfinster. Ich tastete mich hoch und kriegte einen Dachsparren zu fassen. Vorsichtig glitt meine eine Hand weiter und fand die lockersitzende Schindel. Ich ruckte an ihr und löste sie aus dem Verband. Wohin damit? Ich ließ sie einfach fallen. Sie fiel in ausgestreckte Hände. Die Krieger standen nämlich mit ausgebreiteten Armen dicht an dicht unter mir. Ich löste die zweite Schindel, die dritte, tastete weiter, schob die vierte heraus und erweiterte Zug um Zug das Durchstiegsloch. Ich starrte in einen wolkenverhangenen Himmel, der aller Diebe Freund war. Dann steckte ich meinen Kopf durch das Schlupfloch und spähte in den Hof hinunter. Die beiden Posten stiefelten wie Marionetten vor der Magazintür hin und her. Der eine nach links, der andere nach rechts, kehrtum und wieder zurück, zehn Schritte dahin, zehn Schritte dorthin. Nach oben zu blicken, hielten sie wohl für unnötig. Niemand fiel aus heiterem Himmel auf die Erde. Sie sollten sich schwer täuschen. Ich löste die Lendenschürze von meiner Schulter und knüpfte das eine Ende um einen Balken. »Fertig«, flüsterte ich nach unten und kroch auf das Dach. Little Friend hatte es nicht weit. Als er gemerkt hatte, daß ich nicht
mehr auf seinen Schultern stand, griff er nach den herabhängenden Lendenschürzen, hangelte sich hoch und erschien als erster im Dachdurchschlupf. Er lächelte mich an und ließ sich langsam zum Dachrand hinunter. Den Hammer hatte er zwischen den Zähnen. Am Dachrand streckte er sich lang aus und winkte mir zu. Der nächste bitte, bedeutete das. »Weiter!« flüsterte ich ins Magazin hinunter. Sekunden später erschien der zweite Krieger. Bevor er vorsichtig zu Little Friend hinunterrutschte, klopfte er mir auf die Schulter und raunte: »Du Höllenhund!« Dann tauchte der Kopf von Natanah auf. Natanah bedeutet soviel wie Maisblüte. Wie eine Maisblüte sah sein Kopf aber bestimmt nicht aus, eher wie ein Kürbis. Er war ein sehr starker Kämpfer und hatte Fäuste wie Schmiedehämmer. Er schnalzte leise, und das deutete an, daß er begierig darauf war, seine Schmiedehämmer einzusetzen. Leise hangelte er sich nach unten. Der vierte war Schnelltöter, ein Krieger, vor dem ich etwas Angst hatte. Seine linke Wange zierte eine gezackte Narbe. Er sprach nie viel, aber wenn er sprach, erzählte er von seinen zwei Frauen, die ihm den letzten Nerv kosteten, weil sie dauernd an ihm herummäkelten. Ich glaube, es war diese Mäkelei, die ihn so gefährlich machte. Er blinzelte mir zu, als planten wir beide eine geheime Verschwörung, und das fand ich nun wieder recht lustig, und ich blinzelte zurück. Er ließ sich nach unten gleiten, und ich löste schnell die Lendenschurze von dem Balken, weil ich sehen wollte, wie Little Friend und die drei Krieger mit den beiden Posten fertig werden würden. Little Friend hatte die drei Krieger weiter nach rechts dirigiert. Sie hockten geduckt am Dachrand. Er selbst lauerte in der gleichen Haltung und hatte den Hammer in der Faust. Also würde er allein den einen Posten überwältigen müssen, während sich die drei Krieger auf den anderen stürzen würden.
Ich beobachtete die beiden Posten, die aufeinander zumarschierten, sich etwa in der Mitte zwischen Little Friend und den drei Kriegern trafen, eine Kehrtwendung vollzogen und sich wieder voneinander entfernten. Die Spannung erstickte mich fast. Als sich der eine Posten genau unter Little Friend befand, begann die Aktion. Little Friend gab den drei Kriegern ein Zeichen und sprang seinem Posten ins Genick. Wie an einer Schnur weggezogen verschwanden ebenfalls die drei Krieger vom Dachrand, ich hörte dumpfes Aufprallen und ein kurzes, leises Ächzen. Dann stöhnte jemand, das war alles. Im Fort blieb es still, niemand schien etwas bemerkt zu haben. Leise rutschte ich das Schrägdach hinunter und spähte nach unten. Little Friends Posten lag verkrümmt am Boden, sein Schädel war zertrümmert. Little Friend schlang sich gerade den Waffengurt mit dem Dragoon Colt um die Hüften, fischte ein Messer aus dem Stiefelschaft des Toten, hob das Gewehr auf und lief zur Magazintür. Natanah behing sich mit den Waffen des anderen Soldaten. Anscheinend hatten, sie ihn erdrosselt. Ich konnte das nicht so genau erkennen. Die beiden Leichen zerrten sie zwischen einen Stapel Kisten am Magazingebäude. Ich sprang nach unten und federte hart auf. Aus der Tür huschten die Krieger. Little Friend winkte mir zu, und ich lief zu ihm. »Halte dich hinter mir«, flüsterte er mir zu. Wir schlichen um das Magazingebäude, und die Dunkelheit verschluckte uns. Vom Tor her konnten wir jetzt nicht mehr gesehen werden. Die Posten dort auf den beiden flankierenden Wachtürmen mußten geschlafen haben. Aber wahrscheinlich hatten sie nach draußen ins Gelände gestarrt. Uns vermuteten sie ja wohlverwahrt in dem Magazingebäude, das noch dazu von zwei Posten bewacht wurde. Der schwierigste Teil – die Ausschaltung dieser beiden Posten – war gelungen, ohne daß man etwas bemerkt hätte. Wir überquerten hintereinander den Platz hinter dem Magazingebäude und stießen auf die Latrinenhütten.
Pech! Zwei Blaubäuche saßen auf dem Balken und hielten Zwiesprache. Sie mußten ausgeschaltet werden. Denn zurück zu ihrer Unterkunft würden sie am Magazingebäude vorbeigehen und merken, daß die beiden Posten verschwunden waren – und dann war unsere Flucht vorzeitig beendet. Little Friend hatte wohl das gleiche gedacht. Er winkte die drei Krieger heran, mit denen er die beiden Posten am Magazingebäude erledigt hatte und flüsterte ihnen etwas zu. »… mal so richtig die Weiber wieder hernehmen«, sagte gerade der eine der beiden Blaubäuche in der Latrine. »Mann, mach mich nicht schwach«, sagte der andere und entließ eine Blähung. Es war das letzte, was sie in ihrem Leben sagten. Sehr witzig fand ich die beiden Sätze nicht und kapierte sie auch nicht richtig. Na ja, damals verstand ich das noch nicht. Little Friend und die drei Krieger huschten in die Latrine. Die beiden Blaubäuche waren wohl zu überrascht, um überhaupt zu reagieren oder noch zu schreien. Das Geräusch von zwei dumpfen Schlägen drang nach draußen, kurz darauf platschte es zweimal in der Abortgrube. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken an diese Art von Tod. Aber Mitleid empfand ich nicht. Sie hatten uns zu sehr gequält. Ich wünschte sogar, die beiden Toten seien der Colonel und der Lieutenant, aber die Offiziere hatten vornehmere Örtchen und Einzelkabinen. Bis auf zwei Messer waren die beiden Blaubäuche unbewaffnet gewesen. Die Waffen von den beiden Posten verteilte Little Friend rasch. Jetzt hatten wir zwei Gewehre, zwei Dragoon Colts und vier Messer. Little Friend gab mir den Hammer zurück. »Ein guter Knochenbrecher«, sagte er leise. »Es ist deine Waffe.« Ein paar Minuten später überstiegen wir die Palisaden und verschwanden zwischen den Hügeln. Little Friend führte uns nach Südwesten.
5.
Wir liefen die ganze Nacht durch und erreichten im Morgengrauen einen Bach, der in einem Bogen zuerst westwärts und dann an einem langgestreckten, niedrigen Hügel entlang nach Südwesten floß. Sagegestrüpp wucherte auf dem Hügel. In den Mulden und Senken wuchsen Mesquite, Yucca und Kreosot. Wir wateten ein ganzes Stück durch den Bach bis zu einer Mulde, die der durchfließende Bach zu einem kleinen See geformt hatte. Dort rasteten wir, badeten – und tranken, tranken, tranken. Bis die Sonne hinter uns auftauchte, zogen wir in dem Bach weiter nach Südwesten und schafften etwa noch zwei, drei Meilen. An einer Gruppe von Sandsteinfelsen, zwischen denen Cottonwoods standen, beschloß Little Friend, den ganzen Tag zu rasten und erst bei Dunkelheit wieder weiterzumarschieren. In einer von Felsen geschützten Mulde, die auch gut zu verteidigen war, lagerten wir. Einer der Felsen bildete oben eine Plattform. Little Friend ließ sie von einem Späher besetzen, der alle zwei Stunden abgelöst wurde. Die Krieger wuschen ihre Wunden. Little Friend fing ein paar Fische, nahm sie aus und legte sie auf die heißen Steine, auf die jetzt die Frühlingssonne knallte. Gegen Mittag weckte er mich. Ich glaube, ich war einfach im Sitzen eingeschlafen, als ich am Morgen noch auf die Fische geschaut und überlegt hatte, wie sie roh wohl schmecken mochten. Jetzt lag ich auf einer Uniformjacke, die Schnelltöter einem der Posten ausgezogen und mitgenommen hatte. Er mußte sie mir während des Schlafs unter das Kreuz geschoben haben. Ich verstand gar nicht, warum ich vor ihm einmal Angst gehabt hatte. Little Friend sagte: »Wir brauchen deine Adleraugen. Ich bin gespannt, ob du etwas siehst.« Ich kletterte auf die Plattform, auf der Natanah im Schatten eines Sagebuschs hockte und nach Osten spähte. Er grinste mich an. »Ausgeschlafen?« »Fast«, sagte ich. »Mir tun alle Knochen weh.« »Nachher baden«, erklärte er, »das erfrischt und muntert dich auf. So, und jetzt schau dich mal um.« Ich blickte mich um. Das Land lag wie ausgestorben da. Die
Sonne stand im Zenit, ihre Strahlen prallten auf die Erde, über der Hitzeschleier schwebten. Erst entdeckte ich nichts, aber dann sah ich weit im Osten eine kaum sichtbare, hauchdünne Staubfahne. »Eine Staubfahne«, sagte ich und deutete in die Richtung. Natanah grunzte zufrieden. »Dann habe ich also doch recht gehabt«, sagte er. »Little Friend meinte, ich hätte zuviel in die Sonne gestarrt und Schweiß auf den Augen. Was siehst du noch, Ronco?« Ich hatte die Staubfahne im Auge behalten. »Sie wandert nach rechts aus, also nach Süden. Ob sie näher heranrückt, kann ich noch nicht sagen.« »Sehr gut«, sagte Natanah und kratzte seinen Kürbiskopf. »Das gleiche habe ich nämlich auch beobachtet, also habe ich keinen Schweiß auf den Augen. Was meinst du, ob es Pferdesoldaten sind?« »Ich glaub schon. Von einem einzelnen Reiter stammt die Staubfahne bestimmt nicht, dazu ist sie zu langgezogen. Außerdem liegt im Nordosten das verdammte Fort. Vielleicht reiten sie zum Rio Bravo, um uns abzufangen.« »He! Was für ein kluges Kerlchen«, sagte Natanah. »Genau das habe ich mir nämlich auch überlegt.« Little Friend kletterte auf die Plattform. »Na?« sagte er. »Eine Staubfahne«, erklärte ich. »Dort! Siehst du sie?« Little Friend starrte lange in die Richtung, in die ich wies. Dann nickte er. »Tatsächlich, jetzt sehe ich sie auch.« »Von wegen Schweiß auf den Augen«, maulte Natanah. Little Friend lächelte ihn an. »Ich nehm's ja schon zurück.« »Dann laß dir mal von Ronco erklären, was er vermutet«, sagte Natanah. »Und das wäre?« »Pferdesoldaten«, sagte ich. »Sie reiten nach Süden. Vielleicht wollen sie uns am Rio Bravo abfangen. Sie könnten am Ostufer eine langgezogene Späherkette aufbauen, die ungefähr jenes Stück in seiner Breite erfaßt, durch das wir kommen müssen.« »Richtig«, sagte Little Friend. »Wir werden schon am Nachmittag aufbrechen, noch ein Stück nach Südwesten marschieren und dann nach Norden schwenken. Ich löse dich ab, Natanah. Geht nach unten.
Auf der Glut sind noch ein paar Fische. Eßt, soviel ihr könnt. Es wird wieder eine lange Nacht.« Natanah und ich fielen über die Fische her. Ich aß, bis mir die Gräten zu den Ohren herauskamen. Dann schnaufte ich eine Weile, zog mich splitternackt aus und stieg in den Bach, tobte eine Weile drin herum und ließ mich später von der Sonne trocknen. Schnelltöter erschien mit einem Kaninchen, das er mit einem Messerwurf getötet hatte. Er nahm es aus und briet das Fleisch über der Glut. »Danke für die Jacke«, sagte ich und sah zu, wie er das Fleisch auf Stöcke spießte und schräg über die Glut hielt. Er grinste zu mir hoch, ein freundlicher Teufel mit einer gezackten Wangennarbe. »Ich schenk sie einer meiner beiden Frauen. Die Frage ist nur, welcher. Kriegt sie die eine, meckert die andere, ein gottverdammtes Problem.« »Du hättest die Jacke von dem anderen Posten auch mitnehmen sollen«, sagte ich. »Mann«, sagte er fast erschrocken, »daran habe ich gar nicht gedacht. Aber zurück kann ich jetzt auch nicht mehr.« »Nein, das geht nicht«, sagte ich. »Aber vielleicht treffen wir unterwegs noch einmal auf Blaubäuche.« »Hoffen wir's«, sagte Schnelltöter inbrünstig. Da war mir des Teufels Großmutter schon lieber, dachte ich, sagte es aber nicht laut, sonst wäre Schnelltöter vielleicht beleidigt gewesen und hätte gedacht, ich gönnte seiner zweiten Frau die Jacke nicht. Es war schon recht kompliziert mit den Kriegern. Gerade erst waren wir den Blaubäuchen entwischt und damit wahrscheinlich einem hundsgemeinen Tod, und schon sehnte sich Schnelltöter wieder nach ihnen, um auch seine zweite Frau beglücken zu können – wirklich ein gottverdammtes Problem. Damals faßte ich den festen Entschluß, nie mehr als eine Frau zu haben. *
Am Nachmittag zogen wir weiter. Die Staubfahne war nicht näher gerückt, sondern nach Süden hin verschwunden. Die Krieger, auch die schwerer verwundeten, waren erfrischt und ausgeruht. Sie waren unheimlich zäh, diese Chiricahuas, und ich hatte Mühe, mitzuhalten. Little Friend lief in wechselndem Tempo, mal in einem schwingenden Trott, mal im Geschwindschritt, mal im langsamen Schritt. Er hielt die Spitze und bestimmte das Tempo. Ich lief hinter ihm. Den Schluß hatte Tretender Vogel übernommen. Er und Little Friend hatte je ein Gewehr. Natanah und Schnelltöter hatten die Dragoon Colts und marschierten etwa in der Mitte. Wir bildeten eine langgezogene, aufgelockerte Reihe im Gänsemarsch und waren nach allen Seiten hin auf diese Weise verteidigungsbereit. Alle bisher unbewaffneten Krieger hatten jetzt handfeste Knüppel, die sie als Keulen benutzen konnten. Gegen Abend verließen wir den Bach, nach dem wir noch einmal ausgiebig getrunken hatten, und schwenkten nach Norden. Nach etwa zwei Meilen stießen wir auf eine Farm, die geduckt in einer Senke lag. Wir gingen in Deckung. Little Friend beobachtete sie eine Weile. Seitwärts in einem Korral standen acht Pferde. Auf einer kleinen Weide grasten Rinder. Ein älterer Mann hackte vor einem Schuppen Holz. Aus dem Kamin auf dem Dach des Farmhauses kringelte sich eine Rauchfahne – ein Bild des Friedens, und ich spürte plötzlich eine Beklemmung. Little Friend drehte sich zu uns um. »Wir überfallen die Farm«, sagte er, dabei blickte er mich kurz an. »Aber niemand wird getötet.« »Schade«, sagte Schnelltöter. Scharf und hart sagte Little Friend: »Wir sind keine Mörder wie die Blaubäuche, und wir sind nicht auf einem Kriegszug. Ich will nicht die ganze Gegend rebellisch machen und dann mit unseren Verwundeten und fast wehrlos von Rangern und Blaubäuchen gehetzt werden. Was wir brauchen, sind die Pferde, und die holen wir uns. Außerdem Proviant, Wasserflaschen oder Wasserschläuche
und eventuell Schußwaffen sowie Munition. Ronco wird ihnen das sagen. Mit Ronco und mir sind wir noch achtzehn Krieger. Je vier bilden eine Gruppe, Ronco und ich bleiben zusammen. Wir schleichen uns von vier Seiten an. Die Dekkungsmöglichkeiten sind günstig. Ich nehme mir den alten Mann an dem Hauklotz vor. Wenn ich aufspringe, stürmt ihr das Farmhaus und überwältigt die Leute drin. Ist alles klar?« Die Krieger nickten. Sie ordneten sich widerspruchslos unter, obwohl ihnen Little Friends Entscheidung wahrscheinlich unverständlich war. Jeder andere Chiricahua hätte angegriffen und getötet, und zwar kompromißlos. Selbst ich, der weiße Apache, begriff seine Entscheidung nicht ganz, und mir leuchteten seine Begründungen auch nicht ein. Sprach er sie aus, weil ich dabei war? Später fragte ich ihn, und seiner Antwort entnahm ich, daß er um einen Ausgleich rang. Gewalt erzeuge Gewalt, sagte er, und ein gerechter Friede rücke in immer weitere Ferne. Es ginge darum, das Volk der Chiricahuas zu erhalten und nicht bereits vor einem Frieden zu zerstören. Mit jedem toten Krieger blute unser Volk mehr aus, darin sehe er keinen Sinn, erklärte er. Ich gab ihm recht. Die vier Gruppen, von denen nur drei je eine Schußwaffe hatten, tauchten im Gehölz unter und arbeiteten sich an die Farm heran. Little Friend beobachtete sie, winkte mir dann zu und pirschte sich die Senke hinunter an den Schuppen heran. Ich folgte ihm. Ohne daß der alte Mann etwas merkte, erreichten wir die Längsfront des Schuppens. Im Haus trällerte eine Frauenstimme, Geschirr klapperte, ein Baby krähte. Eine Männerstimme sagte etwas, eine Kinderstimme sprach dazwischen. »Ich nehme ihn als Geisel«, flüsterte Little Friend. »Er soll es seinen Leuten sofort zurufen.« Ich nickte, und mir klopfte das Herz bis zum Hals. »Los!« sagte Little Friend. Wir sprangen um die Ecke des Schuppens, Little Friend mit dem Gewehr im Anschlag. Der alte Mann fuhr herum und ließ die Axt entsetzt sinken. »Rufen sie Ihren Leuten zu, sich nicht zu wehren«, sagte ich schnell, »sonst werden Sie erschossen, wir wollen nur die Pferde.«
Er starrte mich verblüfft an, reagierte aber. »Bill! Nicht wehren! Apachen! Sie erschießen mich sonst.« Unheimliche Stille war in dem Haus. Die Krieger glitten heran, drangen in das Haus ein, ein Stuhl polterte, die Frau schrie auf, das Baby krähte vergnügt weiter. »Lassen Sie lieber die Axt fallen«, sagte ich zu dem alten Mann. Die Axt fiel zu Boden. Schnelltöter und Natanah erschienen in der Haustür und winkten uns zu. »Wir haben den Mann gefesselt!« rief Natanah. »Holt die Pferde aus dem Korral«, befahl Little Friend. Zu mir sagte er: »Der alte Mann soll ins Haus gehen.« »Vorwärts, Mister«, sagte ich. »Es passiert Ihnen nichts. Wir sind gewissermaßen nur auf der Durchreise und brauchen noch Proviant, Wasserflaschen, Schußwaffen und Munition. Alles das wurde uns von der Armee widerrechtlich weggenommen. Beschweren Sie sich später bei dem Colonel in Camp Hudson. Er hat eine Glatze und sieht wie ein Ziegenbock aus.« »Colonel Grouard«, sagte er prompt. »Wie er heißt, weiß ich nicht. Bestellen Sie ihm schöne Grüße von mir, und sagen Sie ihm, wer zuletzt lacht, lacht am besten.« »Von – von wem soll ich grüßen?« »Von Ronco«, sagte ich. »Würden Sie jetzt bitte ins Haus gehen?« Er nickte und war ziemlich erschüttert. Ein weißer Junge bei den Apachen war ja auch nicht alltäglich, ich konnte ihn verstehen. Er ging ziemlich wacklig zum Haus und wurde von Schnelltöter freundlich angegrinst. Natanah und drei andere Krieger waren schon bei den Pferden. Schnelltöter schob den alten Mann in die Küche und fesselte ihn auf einen Stuhl. Ein junger Mann, anscheinend der Sohn des Alten, saß bereits gefesselt auf einem Stuhl. An der Wand lehnte eine Frau, kreidebleich und zitternd. Ein Junge, etwa in meinem Alter, hockte verstört auf einer Bank. In einer Wiege lutschte ein Baby an einem Stoffnuckel. »Guten Abend«, sagte ich höflich. Die Frau schrie auf und schlug die Hände vors Gesicht.
Der Junge glotzte mich blöde an. Der junge Mann riß den Mund auf und kriegte Telleraugen. »Es ist alles halb so schlimm«, sagte ich. »Nur keine Aufregung. Ich sagte es dem Mister hier schon. Wir sind nur auf der Durchreise. Ma'am, würden Sie bitte so freundlich sein und uns mit Proviant versorgen, ferner brauchen wir Wasserflaschen oder Wasserschläuche und Schußwaffen. Ich sehe da schon eine Schrotflinte in der Ecke. Haben Sie noch mehr Waffen?« »Die Sharps«, sagte der alte Mann, »sie ist im Wohnzimmer.« Ich wandte mich zu Schnelltöter um. »Im Wohnzimmer ist noch eine Sharps, hol sie. Schau dich nach Munition um.« »Ist in einer Schublade«, sagte der alte Mann. Ich verdolmetschte es Schnelltöter, er nickte und verließ die Küche. Die Frau hatte bereits die Tür zu einer Vorratskammer geöffnet und stopfte in einen Reisesack Mehl- und Kaffeebeutel, Speck, Brot, Zucker, ein Säckchen mit Bohnen, ja sogar eine Hartwurst. Little Friend nahm den Proviantsack in Empfang. Aus einer Truhe holte die Frau Blechflaschen. Ich betrachtete mir inzwischen den Jungen. »Deine Hose könnte mir passen«, sagte ich. Er kriegte fast einen Schlaganfall und rutschte auf die äußerste Ecke der Bank, möglichst weit weg von mir. »Mann«, sagte ich, »hab dich nicht so. Ich brauche eine Hose, siehst du das nicht?« »Er hat noch eine neue Drillichhose im Schrank«, sagte die Frau. Sie war jetzt etwas gefaßter und hatte wieder Farbe im Gesicht. »Hol sie, Sammy, und auch das buntkarierte Hemd, der arme Junge friert ja.« »Sie sind sehr gütig, Ma'am«, sagte ich, »vergelt's Gott.« Sie zuckte etwas zusammen, als ich »vergelt's Gott« sagte und schielte mich mißtrauisch an. »Ich bin in einer Mission aufgewachsen«, erklärte ich hastig. Ich hätte es nicht tun sollen. Jetzt begriff sie überhaupt nichts mehr. Wahrscheinlich nahm sie an, ich sei ein Verrückter, und mit Verrückten mußte man ja vorsichtig sein.
Sammy verholte sich in ein Nebenzimmer und kehrte mit einer nagelneuen Drillichhose und einem grünkarierten Hemd zurück. Einen Gürtel brachte er auch mit. Ich nahm die Sachen in Empfang und bedankte mich artig. »Es sind harte Zeiten«, sagte ich. »Wa-warum bi-bist du bei den Ro-Roten?« stotterte Sammy. »Irgendwo muß man ja sein, nicht wahr?« sagte ich. »Außerdem gefällt's mir bei ihnen. Sie lügen nicht soviel wie die Weißen, und das hier ist ihr Land. Kennst du den Colonel von Fort Hudson?« Er nickte. »Ein Scheißkerl«, sagte ich. »Er wollte uns erpressen. Unser Häuptling sollte sich ihm ausliefern. Wenn er es nicht täte, so erklärte er, würde er uns seinen Soldaten als lebende Schießscheiben zur Verfügung stellen. Wie findest du das?« »Fu-furchtbar«, sagte Sammy und starrte mich entsetzt an. »Find ich auch«, sagte ich. »Und deswegen sind wir ausgekniffen.« »Hätt ich auch getan«, sagte Sammy und kriegte Dampf drauf. »So ein Schwein.« »Jawohl«, sagte ich, »ein Mistkerl.« »Ein dreckiger Hund«, sagte Sammy. »Jawohl«, sagte ich, »ein Straßenköter.« »Ein mistiger …« »Sammy!« unterbrach ihn die Frau. Sammy biß sich auf die Lippen. Dann grinsten wir uns beide an. Sammy sagte: »Die Hose und das Hemd und den Gürtel schenke ich dir.« Jetzt saß ich ganz schön in der Tinte. Was sollte ich ihm schenken? Ich hatte doch nichts. Den Hammer mochte ich ihm nicht geben. Mit dem war der Schädel eines Blaubauchs zertrümmert worden. Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Danke, Sammy«, sagte ich. Er packte meine Rechte und schüttelte sie. »Das geht schon in Ordnung. Vielleicht können wir mal irgendwann zusammen spielen, wenn du nicht gerade bei den Indianern bist.« Mann, der machte mich vielleicht schwach – wenn ich nicht
gerade bei den Indianern bin! »Geht in Ordnung«, sagte ich wie ein Alter. »Ich schau mal vorbei.« »Au fein«, sagte er. Schnelltöter rettete mich. Er kam in die Küche, die Sharps unter dem Arm und einen Kapotthut mit viel Blumen auf dem Schädel. Er grinste von einem Ohr zum anderen. »Für meine zweite Frau«, sagte er seelig. Der Kapotthut saß schief auf seinem wilden Narbengesicht, und er sah so hübsch aus wie Braunbier mit Spucke. »Ohhh«, flüsterte die Frau, und es hatte den Anschein, als fiele sie in Ohnmacht, »mein guter Hut!« Sammy kicherte. Ich sagte schnell: »Er hat zwei Frauen, Ma'am. Er ist ganz schlimm dran. Er braucht dringend Ihren Hut, damit seine andere Frau nicht meckert. Bitte, gönnen Sie ihm Ihren Hut, vergelt's Gott.« Sie sank auf die Bank, auf der Sammy gesessen hatte, verdrehte die Augen, bis man das Weiße sah, und entsagte dieser Welt. Sie war bewußtlos und kippte zur Seite. Sammy fing sie auf und bettete sie auf der Bank. »O Mann«, sagte er. »Hier ist vielleicht was los. Dieser Scheißhut. Pa hat schon immer gesagt, das war das letzte Gemüse. Pa! Hast du das gesagt oder nicht?« »Hab ich gesagt«, erwiderte der Mann, der Bill hieß. »Und ich steh zu meinem Wort. Er soll den Hut mitnehmen, verdammt noch mal. Auf diese Art sind wir diesen dämlichen Hut endlich los. Wenn wir ihn hätten verschwinden lassen, hätte sie uns totgeschlagen, stimmt das, Opa?« »Jawoll«, sagte der Alte und grinste. »Weg mit dem Ding, bevor sie aufwacht. Das ist unsere Chance, Bill!« Na also! Großvater, Vater und Sohn waren sich einig. Ein Glück, daß das Baby in der Wiege noch nicht mitreden konnte. Ich sagte: »Dieser Hut erspart den Totschlag in Ihrem Haus, wenn wir ihn mitnehmen. Also müssen wir ihn mitnehmen.« »Du bist ein Goldjunge«, sagte der Alte. »Jawoll!« sagte Bill, sein Sohn.
»Gott sei Dank«, sagte Sammy, Bills Sohn. Die drei Männer schienen wie erlöst. »Nimm den Hut mit«, sagte ich zu Schnelltöter. »Ich bin nur gespannt, wer von beiden jetzt den Hut und wer die Jacke haben will – ein gottverdammtes Problem.« »Vielleicht will eine beides haben«, sagte Schnelltöter erschüttert. »Durchaus möglich«, sagte ich. »Und dann fängt der Krach erst richtig an.« »Jesus Christ«, sagte Schnelltöter, »ein gottverdammtes Problem.« Es wurde eins. Aber das kam später. Noch standen wir in der Küche des Farmhauses. Little Friend sagte: »Zeit zum Aufbruch.« Ich nickte zu Sammy hinüber. »Sollen wir ihn auch fesseln?« Little Friend lächelte. »Die Entscheidung überlasse ich dir.« Ich fesselte Sammy nicht. Ich sagte zu ihm: »Wir müssen abhauen. Wenn du fair bist, gibst du uns einen Vorsprung. Wir müssen über den Rio Bravo. Wann erreichen wir den?« Sammy wiegte den Kopf. »In acht bis zehn Stunden, wenn ihr alle beritten seid. Sonst natürlich länger. Wie lange soll ich Opa und Pa gefesselt lassen?« »Sind Farmen in der Nachbarschaft?« »Die nächste liegt einen Tagesritt entfernt.« Ich atmete auf. »In drei, vier Stunden sind wir weit genug weg. Dann löse ihre Fesseln.« »Von mir aus auch später«, sagte der Alte. »Ich unternehme nichts.« »Ich auch nicht«, sagte Bill, sein Sohn. »Aber daß ihr alle unsere Pferde klaut, find ich gar nicht hübsch.« »Ich hole sie mir bei Colonel Grouard zurück«, sagte der Alte, »darauf kannst du Gift nehmen.« So wie er es sagte, hatte ich den Eindruck, daß er dem Ziegenbock ganz schön Feuer unter dem Frack machen würde. Little Friend sagte: »Du kannst ihre Fesseln jetzt schon lösen.« Ich fuhr verblüfft zu ihm herum. Verstand er etwa die englische Sprache? Er lächelte nur und verließ die Küche. »Was hat er gesagt?« fragte Sammy. »Ich könne jetzt schon die Fesseln von deinem Pa und deinem Opa
lösen«, erwiderte ich ziemlich verdattert. »Das ist ein Kerl!« sagte Sammy begeistert. Ich hatte keinen Grund, ihm zu widersprechen. Little Friend war ein Kerl, und was für einer. Wir lösten die Fesseln der beiden Männer. Opa ging zum Küchenschrank und holte eine Flasche heraus, eine Flasche Whisky. Er entkorkte sie, hob sie an und sagte: »Ich trinke darauf, daß dieser gottverdammte Hut endlich von dieser Farm verschwindet!« Und er trank. Dann trank Bill, sein Sohn. Und Sammy gaben sie die Buddel auch. Und der reichte sie mir weiter, während er hustete und die Backen aufblies. Ich trank auch und übergab die Flasche an Schnelltöter. »Sie trinken darauf, daß dieser gottverdammte Hut endlich von dieser Farm verschwindet«, sagte ich. »Jetzt bist du dran, darauf zu trinken.« Schnelltöter packte die Flasche, grinste und soff. Als er die Flasche absetzte, war sie leer und sein Hut saß noch schiefer. Er rülpste und sagte: »Schnelltöters Frauen danken der weißen Madam.« »Was hat er gesagt?« fragte Sammy. »Er sagt, seine Frauen danken deiner Ma«, erwiderte ich. »Na, und wir danken ihm«, sagte Sammy. »Hoffentlich freuen sich seine Frauen.« »Davon bin ich überzeugt«, sagte ich. Und dabei schwante mir bereits Unheil, aber das mochte ich Sammy nicht sagen. Die drei männlichen Mitglieder der Familie begleiteten uns auf den Hof. Little Friends Krieger waren bereits formiert. Die Verwundeten saßen auf den acht Pferden. Ich ging zu Little Friend, der an der Spitze unserer Gruppe stand, und drehte mich noch einmal um. Sammy war mir nachgelaufen. »Spielen wir bald zusammen?« fragte er. »Vielleicht«, sagte ich. »Wie heißt du?« »Ronco.«
»Leb wohl, Ronco«, sagte er. »Leb wohl, Sammy«, sagte ich. »Vielen Dank für die Sachen.« Er hob die Hand und blickte mir nach. Wir verschwanden in der Dämmerung. Ich schaute noch einmal zu ihm zurück. Er stand immer noch auf dem Hof, die Hand erhoben. Ich winkte zurück.
6. Schnelltöter behielt den Kapotthut mit den Blumen auch noch auf dem Kopf, als wir vor uns den Rio Bravo sahen und Schüsse uns entgegenpeitschten. Er stieß ihn sich in die Stirn, warf sich, wie wir alle, in die Deckung der Sandmulden und feuerte die Schrotflinte auf die beiden vordersten Reiter ab. Die wurden aus dem Sattel gefegt. Einer der beiden Reiter war der Lieutenant gewesen. Jetzt war er tot, und der andere verkroch sich, ein Bein nachziehend, in das Gebüsch links von uns. Die anderen Reiter rissen ihre Pferde herum und galoppierten nach Süden. Es war der nächste Morgen nach unserem Besuch auf der Farm. Wir waren die ganze Nacht durch nach Westen gezogen, abwechselnd von den acht Pferden getragen, wobei natürlich die verwundeten Krieger den Vorrang hatten. Das Pferd des Lieutenants galoppierte auf uns zu. Little Friend federte hoch, sprang es an, verkrallte sich in der Mähne und brachte das Tier zum Stehen. Tretender Vogel war schon hochgeschnellt und jagte hinter dem anderen Pferd her. Natanah warf sich in das Gestrüpp links und fiel über den verwundeten Soldaten her. Das alles passierte innerhalb von Minuten. Aber jetzt hatten wir zwei Pferde mehr und die Waffen des Lieutenants sowie des Blaubauchs, den Natanah skalpiert hatte. Ich begriff nicht, warum die anderen Reiter geflohen waren, und blickte nach Süden, wohin sie sich gewandt hatten. Etwa zwei
Meilen vor uns glitzerte das Band des Rio Bravo. Und dann erstarrte ich. Weit unten im Süden stieg eine riesige Staubfahne hoch, ihre Spitze wies auf uns zu. »Little Friend!« schrie ich. »Blaubäuche!« Little Friend fuhr herum, blickte zum Rio Bravo, dann zu der Staubfahne, die unaufhaltsam näherrückte, und erkannte, daß wir es nicht mehr bis zum Fluß schaffen würden. Rechts von uns, im Norden, lag ein einzelner Tafelberg in dem hügeligen Gelände. Er ragte wie eine Festung hoch, etwa eine Meile von uns entfernt. »Auf die Pferde!« befahl Little Friend scharf und wies zu dem Tafelberg. »Dorthin, das ist unsere einzige Möglichkeit!« Er schnappte mich, setzte mich auf das Pferd des Lieutenants, knallte ihm die Faust auf die Hinterhand und rief: »Ab, Ronco, reite was du kannst!« Das Pferd preschte los. Ich lag geduckt über seinem Hals. Hinter mir sprangen die Krieger auf die restlichen Pferde. Tretender Vogel saß allein auf dem Pferd des skalpierten Soldaten. Auf den anderen acht Pferden hockten je zwei Krieger. Es wurde ein Wettlauf mit dem Tod. Schüsse krachten, das Donnern unzähliger Pferdehufe rollte hinter uns her. Wir jagten auf den Tafelberg zu. Als ich mich einmal umdrehte, stockte mir fast der Atem. In breiter Front wurden wir von fast zwei Kompanien Pferdesoldaten gejagt. Geschwungene Säbel funkelten in der Morgensonne, Schußwölkchen zauberten weiße Blumen in den Himmel, Trompetensignale schmetterten ihre Stakkatos. Tretender Vogel und ich ritten weit vor den anderen her. Er trieb sein Pferd zu mir herüber und warf mir ein Gewehr zu. »Wenn wir am Berg sind, runter vom Pferd, Deckung suchen und sofort feuern!« schrie er. Ich nickte verkrampft und hatte Mühe, mich im Sattel zu halten. An die Steigbügel kam ich nicht heran. Ich hockte wie ein Affe auf dem Pferd. Wir brachen durch Strauchwerk, durchquerten Geröllhalden und
jagten auf den Berg zu, der wie eine trotzige Festung aussah. Auf der Seite, von der wir uns näherten, führte ein flach ansteigender Hang nach oben. Dorthin trieben wir unsere Pferde. Wir erreichten den Hang, die Pferde klommen keuchend hoch. »Schneller!« schrie Tretender Vogel. Ich knallte meinem Pferd die Hacken in die Flanken. Es schrie auf, streckte sich und schoß den Hang wie eine Rakete hoch. Als wir vierzig, fünfzig Yards hoch waren, sprang Tretender Vogel aus dem Sattel und warf sich hinter einen Felsblock. Er hatte einen Dragoon Colt in der Faust. Sein Pferd raste weiter den Hang hoch. Ich ließ mich einfach aus dem Sattel fallen und umklammerte das Gewehr – ein harter Aufprall, ich überschlug mich, knallte mir den Gewehrlauf an den Schädel, sah Sterne und landete in einem Gebüsch. Mein Pferd raste hinter dem anderen her. Humpelnd suchte ich in einer Mulde Deckung, schmiegte mich hinein, legte den Gewehrlauf auf einen abgeflachten Stein vor mir und spähte unseren Kriegern entgegen. Wie die wilde Jagd preschten sie heran, hinter ihnen, etwa noch zweihundert Yards entfernt, donnerte die glorreiche Armee der Vereinigten Staaten über das Hügelgelände. Ich zog den Kolben an die Schulter, suchte über Kimme und Korn einen dichtgedrängten Reiterpulk an der Spitze und hielt hinein. Rummms! Mir flog fast die Schulter weg. Ein Pferd in dem Pulk brach in die Knie, überschlug sich und katapultierte seinen Reiter vor die Schlachtreihe. Er wurde überritten. Der Pulk brach auseinander, Pferde stolperten und stürzten, Reiter flogen aus dem Sattel. Ich wunderte mich, was ein einzelner Schuß alles anrichten konnte. Jedenfalls war an dieser Stelle der angreifenden Kavallerie bereits ein ziemliches Durcheinander. Die Kanone, die ich umklammerte, war ein Spencer-Karabiner, von dem man sich damals Wunderdinge erzählte. Offiziell war die Waffe um diese Zeit bei der Armee noch nicht eingeführt. Vielleicht war dies ein Versuchsmodell, ich weiß es nicht. Jedenfalls schoß das Ding. Ich fummelte an dem Unterhebelverschluß herum. Irgendwann
hatte ich gehört, daß man damit repetieren mußte, um so eine der Patronen aus dem Magazin im Kolben schußbereit in den Lauf zu kriegen. Es klappte! Hatte ich Angst? Ich glaube nicht, ich war viel zu aufgeregt, um die Angst zu spüren. Außerdem hatte mich eine Art von Kampfbegierde gepackt. Diesmal zog ich den Kolben noch fester an die Schulter, suchte mir wieder einen dichtgedrängten Pulk als Ziel und feuerte. Das gleiche Ergebnis. Eine neue Bresche entstand in der Kette der Pferdesoldaten. Ich schwenkte die Waffe nach rechts – der dritte Schuß. Jetzt hatte ich den Bogen heraus – repetieren, feuern, repetieren … Sieben Patronen befanden sich im Kolben. Siebenmal schlug das Blei in Pferdeleiber, und ich dachte an Shita. Ein grimmiger Stolz erfüllte mich. Links von mir donnerte der Dragoon Colt von Tretender Vogel. Unsere Krieger rasten heran, warfen sich aus den Sättel, suchten Deckung, feuerten zurück. Die schwere Sharps des Farmers brüllte auf, dazwischen erklang die Schrotflinte Schnelltöters und streute ihr Blei zwischen die Blaubäuche, Dragoon Colts hämmerten, noch eine Spencer feuerte. Little Friend hatte sie, und jeder Schuß von ihm holte einen Pferdesoldaten aus dem Sattel. Ihre Front brach auseinander. Vielleicht hatten sie gedacht, es einfacher mit uns zu haben. Ein Offizier brüllte etwas und richtete sich im Sattel auf. Ich starrte zu ihm hin – jawohl, es war der krumme Hund von Colonel, Sir! Er befahl, den Angriff abzubrechen. Sie rissen ihre Pferde herum und jagten zurück. Hinter den Hügeln saßen sie ab. Ich sprang auf und raste den Hang hinunter. »Zurück, Ronco!« schrie Little Friend. Ich dachte nicht daran. Dort vorn, fünfzig Yards vor mir, lag ein toter Soldat und umklammerte eine Spencer. Die wollte ich haben – und Munition. Ich war verrückt nach der Waffe. Wie ein Wiesel huschte ich von Deckung zu Deckung. Hinter mir schrie sich Little Friend die Kehle heiser. Ich hetzte weiter, erreichte
den Soldaten mit pumpenden Lungen, brach ihm die Waffe aus den Händen, riß ihm den Patronengurt samt dem Dragoon Colt ab und jagte wieder zurück den Hang hoch. Feuer flackerte hinter mir auf, Blei zirpte über mich weg. Ich lief im Zickzack und dachte daran, was der verdammte Colonel von den lebenden Schießscheiben gesagt hatte. Jetzt wurde es mir doch etwas mulmig. Ein Querschläger jaulte heran und brachte mir das Fürchten bei. Etwas sengte über meinen Oberarm wie eine Rasierklinge. Ich blickte hin – das schöne Hemd, aufgerissen von dem Blei, aus einer Streifwunde sickerte Blut. Keuchend erreichte ich Little Friend. Der schnappte mich einfach am Hosenbund, klemmte mich unter seine rechte Seite und fegte mit mir den Hang hoch. Eine Querrinne rechts führte weiter nach oben bis hinauf auf das kleine Plateau, wohin sich bereits die Krieger zurückgezogen hatten. Dort ließ mich Little Friend wie einen nassen Sack fallen. Seine Miene war alles andere als freundlich. Aber er sagte nichts, und das rechnete ich ihm hoch an. Die Krieger grinsten, und das war auch etwas wert. Das Plateau war nicht völlig flach, sondern eine sanfte Mulde und von uns achtzehn Mann gut zu verteidigen. Ringsum fielen die Felswände steil ab, bis auf den flachen Hang, der aber bei der Querrinne aufhörte. Nur von dort konnten wir angegriffen werden, und die Querrinne war so schmal, daß höchstens zwei Männer nebeneinander hochsteigen konnten. So gesehen war der Tafelberg uneinnehmbar. Unsere Pferde hatten ihn erklommen und drängten sich an einer Stelle zusammen, wo mannshohe Felsbrocken einen Schutz nach unten boten. Little Friend postierte zwei Krieger am Zugang der Querrinne, kontrollierte die Waffen und verteilte dann aus dem Proviantsack Brot und Speck. Wir hatten Glück gehabt, unwahrscheinliches Glück. Niemand war verwundet worden – abgesehen von meinem Streifschuß, der unheimlich brannte.
Schnelltöter wickelte mir eine Mullbinde um den Arm, die er in der Satteltasche eines der beiden Armeepferde gefunden hatte. Den Kapotthut hatte er immer noch auf dem Schädel und sah immer noch so lieblich wie Braunbier mit Spucke aus. Ein Ausruf Natanahs trieb uns an den Südrand des Plateaus. Das ganze Land lag ausgebreitet vor uns. Wir konnten bis zum Rio Bravo sehen. Die Pferdesoldaten umstellten in einem weiten Ring außerhalb der Schußentfernung den Tafelberg. Sie bildeten kleine Gruppen von je sechs, acht Mann, suchten natürliche Deckungen wie Felsbrocken, Mulden und kleine Hügel und verschanzten sich dort. Die Belagerung begann. Wir saßen hier oben zwar sicher – aber in der Falle. Um den Ring zu durchbrechen, brauchten wir Pferde, zehn hatten wir, aber es mußten achtzehn sein. Lebensmittel und Wasser hatten wir, aber auch das war eines Tages aufgebraucht. Und dann konnten sie uns aushungern. Sie hatten Zeit, wir nicht. Sie konnten Verstärkung heranholen, Proviant, Wasser, Munition – alles Dinge, die für uns unerreichbar waren. * Der Tag verging, ohne daß etwas geschah. Rings um den Tafelberg, dort, wo sich die einzelnen Kampfgruppen der Blaubäuche verschanzt hatten, stiegen Rauchwölkchen in den Himmel. Es sah direkt lustig aus. Aber sie waren Idioten, weil sie uns verrieten, wo genau ihre Verschanzungen waren. Anscheinend konnten sie auf ihren heißen Kaffee und warme Bohnen mit Speck nicht verzichten. Little Friend umschritt das Plateau, beobachtete die Rauchwölkchen samt der Verschanzungen und fand eine, die vom Tafelberg aus gut zu erreichen war – wenn man sich nachts anschlich. Genau das hatte er vor. Er bestimmte Tretender Vogel, Natanah, Schnelltöter und noch drei Krieger für das Unternehmen. Ich wollte auch mit. »Nein«, sagte Little Friend, »wer hinter Spencer-Karabinern
herrennt, hat Verschnaufpause.« Ich schnappte etwas ein und strafte ihn mit Nichtachtung. Voller Neid hörte ich zu, wie Little Friend den sechs Kriegern seinen Plan entwickelte. Sie studierten lange und gründlich das Gelände bis zur Verschanzung und lernten buchstäblich jede Deckungsmöglichkeit und jeden Schritt und Tritt bis dorthin auswendig. Natürlich würde Little Friend sie anführen. Beinahe hätte er es nicht getan. Und das kam so: Er hatte sich am Nachmittag an einen der Felsbrocken gesetzt und die Augen geschlossen. Leise Atemzüge verrieten, daß er schlief. Sein schmales, scharfgeschnittenes Gesicht war noch hagerer geworden. Die Höhlen unter seinen Wangenknochen waren groß und tief. Ich saß vier Schritte von ihm entfernt und zerklopfte zum Zeitvertreib Kaffeebohnen auf einem flachen Stein. Fast alle Krieger, bis auf die beiden Posten, lagen ausgestreckt im Schatten der Felsen und schliefen. Ich konnte nicht schlafen. Außerdem wurmte es mich, daß Little Friend mich von dem nächtlichen Coup ausgeschlossen hatte, obwohl ich ehrlich genug war, zu erkennen, daß ich mich ihm widersetzt hatte. Ein leises Rascheln schreckte mich hoch. Es ertönte aus der Nähe Little Friends. Ich blickte dorthin und war vor Schreck zunächst steif. Rechts von ihm, aus einer Spalte unterhalb des Felsbrockens, an dem er saß, kroch eine Klapperschlange. Little Friend bewegte sich. Vielleicht hatte er auch das Rascheln gehört. Alles ging blitzschnell. Der Kopf der Klapperschlange zuckte vor. Ich handelte, ohne nachzudenken. Fast war der widerliche Kopf schon an seinem Bein, da flog mein Hammer los und prellte den Kopf zur Seite. Ich hatte mit unheimlicher Wucht geworfen, daß ich traf, war reiner Zufall. Der Schlangenleib wand sich, aber der Kopf kam nicht mehr richtig hoch. Little Friend hatte sich zur Seite gerollt, sprang auf, den Karabiner
in der Faust, und schlug mit dem Kolben zu. Er zerschmetterte den Kopf der Schlange. Ich saß da, stocksteif und mit aufgerissenen Augen. Alle Krieger waren hochgefahren und blickten zu uns hinüber. Ich schluckte und wischte mir kalten Schweiß von der Stirn. Little Friend hob den Hammer auf, lächelte und reichte ihn mir. »Wirklich eine gute Waffe«, sagte er. »Du hast mir das Leben gerettet. Von jetzt ab wirst du mein Bruder sein.« Am Abend schlossen wir Blutsbrüderschaft. Natanah brachte uns die Schnitte am Handgelenk bei, preßte die Schnittwunden kreuzweise übereinander und sprach die Formel, als unser Blut sich mischte. Jetzt war ich nicht mehr allein. Ich hatte einen Bruder. In der Nacht zogen sie los. Wir starrten in die Dunkelheit, dorthin, wo jetzt das Campfeuer der Blaubäuche glühte, die überfallen werden sollten. Aber wir hörten und sahen nichts. Es geschah alles lautlos. Nach drei Stunden kehrten sie zurück, brachten acht Pferde mit, Wasserflaschen, Waffen, Munition. Sie hatten noch ein kleines Camp überfallen. Acht Pferdesoldaten waren von ihnen überrumpelt und niedergestochen worden. An ihren Lendenschürzen baumelten die Skalps. Eine halbe Stunde nach ihrer Rückkehr begannen die Blaubäuche planlos in der Gegend herumzuschießen. Wahrscheinlich hatten jetzt erst die Nachbarcamps gemerkt, was passiert war. Aber sie dachten nicht daran, uns anzugreifen. Jawohl, wir zwangen ihnen unsere Art des Kampfes auf, der für sie unheimlich war, weil wir aus der Dunkelheit heraus zuschlugen, plötzlich und unbemerkt, hart und grausam. Der nächste Tag verging. Und in der Nacht überfielen Little Friend und sechs Krieger wiederum ein Camp. Diesmal brachten sie nur die Waffen und die Munition mit. Allmählich waren wir alle bis an die Zähne bewaffnet, besser als wir es jemals gewesen waren.
7.
Drei Tage vergingen, dann zogen sie den Belagerungsring enger. Sie hatten Verstärkung erhalten – und zwar Ranger, und die waren als Kämpfer den Apachen gleichwertig. Schon in der Nacht merkten wir das. Vier Ranger schafften es, sich fast bis zum Plateau hochzuschleichen. Sie hatten die Querrinne genommen. Natanah entdeckte sie im letzten Moment, als sie so unvorsichtig waren, die letzten Yards ohne Deckung hochzustürmen. Nach zwanzig Sekunden war alles vorbei. Aus sicherer Deckung heraus wurden sie abgeschossen und kullerten die Querrinne hinunter. Unten von der Ebene wurde jetzt auch nach oben gefeuert. Über den Tafelberg pfiffen und zirpten die Bleikugeln, Schußblitze zuckten durch die Nacht, Mündungsflammen leuchteten auf. Wir schossen nicht zurück. Es war sinnlos. Später feuerten sie nur noch sporadisch, als wollten sie damit kundtun, daß sie noch da seien. Am Morgen ging das Geplänkel weiter. Eins erreichten sie immerhin. Sie nagelten uns fest. Wir hatten zwar Munition, sparten sie aber. Es hatte keinen Zweck, auf irgendwelche Deckungen zu schießen und unsere kostbare Munition zu verpulvern. Ich blickte sehnsüchtig zum Rio Bravo hinüber, und da sah ich sie. Sie durchfurteten den Fluß auf breiter Front, gewannen das Ostufer, erschienen darüber und jagten donnernd weit auseinandergezogen auf den Tafelberg zu. Mindestens hundert Krieger, wild bemalt, die Waffen schwenkend – Apachen! Ich schrie auf. Die Krieger fuhren hoch, blickten zu mir, sprangen auf, liefen an den Rand des Plateaus und starrten nach Westen. Über die Hügel fegten sie heran und ritten alles nieder, was sich ihnen entgegenstellte. Ich erkannte Black Hawk. Neben ihm ritt Stirbtjung auf dem Appaloosa. Ihr gellendes Kampfgeschrei schallte zu uns hoch. Schüsse peitschten aus den Verschanzungen torkelten Blaubäuche und liefen davon, wurden aufgespießt, niedergeschlagen, umgeritten,
abgeschossen. »Nehmt eure Waffen«, befahl Little Friend. »Jeder ein Pferd – und dann hinunter!« Die Querrinne mußten wir einzeln passieren und die Pferde führen. Am Hang saßen wir auf und preschten ihn hinunter. Black Hawks Krieger ritten uns entgegen, nahmen uns in die Mitte, und dann ging es zurück im rasenden Galopp. Die Blaubäuche des Colonels waren völlig durcheinander. Sie verkrochen sich hinter den Felsen, im Gestrüpp – und wenn einer feuerte, tat er es wohl nur, um sich Mut zu machen. Fast kaum einer von uns wurde verletzt. Anders die Ranger. Sie liefen zu ihren Pferden und nahmen die Verfolgung auf. Wir ritten auf den Rio Bravo zu, jagten die Pferde die Böschung hinunter und trieben sie in den Fluß. Etwa zwanzig Krieger mit Schußwaffen blieben zurück und deckten uns. Sie fingen die Ranger ab und lieferten ihnen ein erbittertes Gefecht. Sie schlugen sie zurück, benutzten die Atempause und durchfurteten ebenfalls den Rio Bravo. Wir waren wieder auf mexikanischem Boden und ritten durch die Wüste westwärts. Aber die Ranger verfolgten uns weiter. Sie kämpften jetzt wie wir, tauchten überraschend auf, schlugen zu und verschwanden wieder. Sie hetzten uns durch die Wüste, bis wir die Tafelberge erreichten und unsere Spuren verwischen konnten. * Die Bergfeste nahm uns wieder auf. Schreiend und jubelnd stürzten die Frauen und Kinder und die zurückgebliebenen Krieger aus den Wickiups und begrüßten uns. Wir glitten von den Pferden, die von den Jungen in den großen Korral geführt wurden. Ein Schnattern, Rufen und Lachen schallte durch das ganze Lager. Ich sah Schnelltöter, der den Kapotthut in der Rechten, den Uniformrock in der Linken, stolz durch die Gassen schritt,
angestaunt wurde, und auf seine beiden Frauen vor dem Wickiup zuging. Die eine war ziemlich dick, die andere groß und dürr mit flachen Brüsten und einem mürrischen Gesicht. Auweih, dachte ich, jetzt geht's los. Im Apachencamp wußte man, das Schnelltöter unter der Fuchtel seiner beiden Weiber stand. Ein Geraune ertönte, da und dort kicherten Frauen und verfolgten mit neugierigen Blicken, was sich anbahnte. Ein Spalier bildete sich, durch das Schnelltöter schritt. Aber seine Schritte wurden immer langsamer, je näher er seinen beiden Frauen kam. Schließlich blieb er stehen. »Ich habe euch etwas mitgebracht, meine Täubchen«, sagte er. Schweigen. Die Dicke musterte den Uniformrock, die Dürre den Kapotthut. Dann starrte die Dürre auf den Uniformrock und die Dicke auf den Kapotthut. Ihre Köpfe ruckten von links nach rechts und von rechts nach links. »Zeig her!« sagte die Dürre und langte nach dem Kapotthut. »Mit Blumen«, sagte Schnelltöter stolz. Die Dürre stülpte sich den Hut auf den Kopf und drehte sich kokett. Sie sah noch schlimmer als Braunbier mit Spucke aus. Die Dicke wurde fuchtig und grapschte nach dem Hut. »Ich will ihn haben!« fauchte sie. »Nein, den Hut krieg ich«, sagte die Dürre. Schnelltöter wurde unruhig und trampelte von einem Fuß auf den anderen. Er schwenkte die Uniformjacke. »Seht doch«, sagte er. »Hier habe ich noch ein gutes Stück, es ist guter, fester Stoff. Ronco hat schon darauf gelegen und nicht gefroren. Er meint auch, ihr würdet euch darüber freuen.« Die Dürre schielte mich giftig an. Die Dicke nutzte die Gelegenheit und riß ihr den Hut vom Kopf. Sie setzte ihn auf und drehte sich hüpfend im Kreis. »Mein Hut! Mein Hut!« rief sie und klatschte in die Hände. Die Dürre fiel über sie her. Für einige Minuten bildeten sie ein wirbelndes Durcheinander kämpfender, fauchender, beißender,
kratzender Leiber. Das Objekt ihres Streites flog Schnelltöter vor die Füße. Er bückte sich und hob den Hut auf. Sehr schön sah der nicht mehr aus. Er war abgeerntet bis auf zwei einsame Blumen, die jetzt eher wie Unkraut aussahen. Schnelltöter starrte auf den Hut und murmelte: »Gottverdammt!« Dann blickte er auf. Seine beiden Frauen wälzten sich inzwischen auf dem Boden herum und rissen sich die Haare büschelweise aus. Dazu quiekten sie schrill und beschimpften sich mit den übelsten Ausdrücken. Schnelltöter tat endlich das, was ich an seiner Stelle schon vor hundert Jahren getan hätte. Er besann sich darauf, daß er ein Mann und ein Krieger war. Er ließ den Uniformrock fallen, feuerten den Hut in eine Ecke und schritt zur Tat. Obenauf lag gerade die Dürre. Er griff in ihre Haare, hievte sie daran hoch, legte sie quer über seinen linken Schenkel und versohlte ihr den Hintern. Dann griff er sich die Dicke, die völlig verdutzt am Boden hockte, und wiederholte die Prozedur. »Gottverdammt – gottverdammt – gottverdammt«, murmelte er dabei ununterbrochen. Er ließ die Dicke los und stieß sie zu der Dürren, die sich ihre Rückseite rieb und ihren Ehegatten bewundernd anstarrte. »Ich will Tiswin«, knurrte er sie an. »Sofort, augenblicklich, gottverdammt!« Die beiden stürzten ins Wickiup und kehrten jede mit einem Krug zurück. »Niederknien!« befahl Schnelltöter. Sie knieten nieder. Er setzte der Dürren den Fuß auf die Schulter und trank aus deren Krug. Dann wechselte er und wiederholte die Prozedur mit der Dicken. »Jetzt will ich essen«, verkündete er, als er den Krug wieder absetzte und sich über den Mund wischte. Die beiden Frauen sprangen auf und hasteten in das Wickiup. Eine hatte es eiliger als die andere, Schnelltöters Befehle auszuführen. Zum ersten Male in seinem Dasein mit zwei Weibern war er der
Herr im Hause. Er grinste mich an und kniff ein Auge zu. Ich blinzelte zurück und marschierte zu meinem Wickiup. Ich war wieder zu Hause.
8. Ich schlief einen Tag durch, die Nacht und den nächsten halben Tag. Was ich nicht wußte, war, daß Little Friend am Abend vor dem großen Feuer dem ganzen Stamm berichtet hatte, wie alles verlaufen war. Zwar wußten sie bereits das, was Stirbtjung erzählt hatte, aber wie wir ausgebrochen waren und alles weitere danach, erfuhren sie nun von Little Friend. Und dabei mußte er sehr viel über mich gesprochen haben, auch daß er mit mir Blutsbrüderschaft geschlossen hätte. Der ganze Stamm vernahm es, auch Pfeilkind, mein »Bruder«. Ich weiß nicht, was er gedacht hat, als er das alles hörte. Aber er war wohl entschlossen, mich ein drittes Mal herauszufordern, um zu beweisen, was für ein müder Krieger ich sei und keineswegs der Kämpfer, wie ihn Little Friend beschrieben hatte. Als ich gegen Mittag zum Wasserloch hochstieg, um mich zu waschen und zu baden, erwartete er mich dort. Mit ihm waren die Jungen, die noch zu ihm hielten. Sie saßen auf den Steinen und warteten auf den großen Auftritt. Er stellte sich mir in den Weg und funkelte mich haßerfüllt an. »Hau ab«, sagte ich. »Ich hab keine Lust mehr, mich mit dir herumzuprügeln.« »Großmaul«, sagte er. »Hau du doch ab, du hast nichts bei uns zu suchen.« »Doch«, sagte ich, »allerlei. Zum Beispiel Little Friend, der für mich ein besserer Bruder ist, als du es bist. Auf was bist du neidisch? Daß du nicht dabei warst? Kleine Jungen verhalten sich so, nicht aber Männer.« »Du bist ein elender Feigling!« »Ach«, erwiderte ich, »das kratzt mich nicht. Ich weiß allein, wer und was ich bin. Und die Krieger, mit denen ich geritten bin, wissen
es auch. Frag Schnelltöter oder Natanah oder Stirbtjung oder Tretender Vogel. Sie alle werden es dir sagen, und ihr Wort hat mehr Gewicht als dein Geschwafel.« »Ich werde dich töten!« fauchte Pfeilkind. »Halt's Maul und verschwinde, du Schwachkopf. Ich sage dir noch einmal, daß ich keine Lust habe, mich mit dir herumzuschlagen. Kleine Jungen prügeln sich.« Pfeilkind zog ein Messer hervor. Es war wie immer. Er hatte mal wieder einen Trumpf im Ärmel und schien anzunehmen, damit die Schlacht gewinnen zu können. »Ist das Messer auch scharf?« fragte ich höhnisch. »Wieso?« fragte er verblüfft. »Ich hab Angst, daß du dich schneidest. Sei ja vorsichtig, so ein Messer ist was sehr Gefährliches.« Ich erreichte, was ich wollte. Er verlor die Beherrschung und stürzte sich auf mich. Ich sprang zur Seite und schlug ihm die Handkante auf die Messerhand. Das Messer fiel zu Boden. Ich stieß es mit dem Fuß weg. »So ist es schon besser«, sagte ich. »Wollen wir nicht lieber aufhören?« »Niemals!« brüllte er und stürmte auf mich los. Wahrscheinlich sah er schon rot vor Wut und deshalb überhaupt nichts mehr. Ich duckte mich nämlich blitzschnell zusammen, und er schoß über mich hinweg, knallte zu Boden, schlitterte ein Stück weiter und kam zuerst mit dem Hintern hoch. Ich trat kräftig zu. Er rutschte ein Stück weiter den Trampelpfad hinunter. Ich setzte nach. Jetzt wollte ich es wissen. Ich wollte ihn zum Lager hinunterprügeln und vor den Augen des Stammes zusammenschlagen, ein für allemal. Ich ließ ihm keine Chance mehr hochzukommen. Ich trat zu, wenn er sich aufrichtete und beförderte ihn immer weiter nach unten. Jetzt brüllt er bereits und hatte Schürfwunden an den Knien und Ellbogen. Und weiter ging die Rutschpartie. Zum Schluß kroch er von ganz allein weiter – auf allen vieren erreichte er das Lager, und
die ersten Krieger wurden aufmerksam. Schnell bildete sich eine Menge von Zuschauern. »Steh auf und kämpfe!« schrie ich Pfeilgesicht an. Torkelnd richtete er sich auf und rückte auf mich los. Er war bereits demoralisiert. Schon mein Schlag auf sein Handgelenk hatte ihm die Chance genommen, den Kampf nach seinen Regeln zu führen. Jetzt zwang ich ihm den Faustkampf auf, den ich besser beherrschte, und ich wollte, daß alle dabei zusahen. Es ging um meinen Platz im Stamm, und den ließ ich mir von Pfeilkind nicht wegnehmen. Seinen rechten Schwinger unterlief ich und hieb ihm zwei Haken in die Magengrube. Er begann zu würgen. »Gib's ihm, Ronco!« schrie eine Stimme. »Hau ihn zusammen, daß die Fetzen fliegen!« Es war Büffelmann. Er stand in der vordersten Reihe und schwenkte begeistert die Arme. Jetzt begannen auch die anderen zu brüllen. Ich merkte, wie meine Kampfwut angefacht wurde. Ich griff an, täuschte links und schlug rechts zu. Mit Absicht hämmerte ich meine Faust wieder auf sein linkes Ohr – mit vollem Erfolg. Er brüllte auf und faßte nach seinem Ohr. Ich rammte ihm die Faust unter das Kinn, einmal, zweimal, dreimal. Er fing an zu wackeln und kriegte glasige Augen. »Drauf!« brüllte Büffelmann. »Gleich kippt er um!« Meine Knöchel schmerzten. Ich setzte die Rechte noch einmal ein und hämmerte sie ihm gegen das Kinn. Seine Arme sackten nach unten. Er starrte in den Himmel, der wohl jetzt um ihn zu kreisen begann, denn er selbst taumelte im Kreis, und dann brach er zusammen. Ich stand gebeugt über Pfeilkind und wartete. Aber er war geschafft. Er blieb liegen und rührte sich nicht mehr. Büffelmann hieb mir auf die Schultern, noch einmal und noch einmal.
»Der hat sein Fett!« schrie er begeistert. »Dem hast du es aber gegeben, dem Stinkstiefel! Bravo, Ronco!« Sie umringten mich, klopften auf meinen Schultern herum und erdrückten mich fast. Am anderen Tag, wieder oben am Wasserloch, trat mir Pfeilkind entgegen und streckte seine Hand aus. »Du bist besser«, sagte er. »Wollen wir uns vertragen?« Ich ergriff seine Hand. »In Ordnung«, sagte ich nur. * Anfang Juni brach der Stamm auf und zog westwärts durch die Wüste, um sich mit Mangas Coloradas zu vereinigen. In wenigen Wochen sollte ein Krieg gegen die weißen Siedler in Texas und Arizona beginnen. Zu dieser Zeit hatte mich Little Friend in seinem Wickiup aufgenommen. Er hatte Sandblume geheiratet, eine sanfte und hübsche Squaw. Und Little Friend wurde mein Lehrmeister.
ENDE
Vorschau Dutch Cassidy packte Ireen Fulton am Arm, riß sie zu sich heran und zog den Colt. Er setzte dem erschreckten Mädchen die Mündung der Waffe an die Schläfe. Gary Fulton, der Vater, sprang auf. »Wo steckt Ronco?« sagte Dutch Cassidy kalt. »Rede, oder deine Tochter stirbt mit einer Kugel im Kopf. Der Hundesohn muß hiergewesen sein. Wo ist er jetzt?« Fulton schloß und öffnete verkrampft die großen Hände. Er wußte von Ronco, wozu dieser Killer fähig war. Cassidy verdrehte Ireens Arm, daß sie vor Schmerzen aufschrie. »Na?« sagte er mit funkelnden Augen. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Gary Fulton … Die Jagd auf Ronco, den Geächteten, geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 126 dieser großen deutschen WesternSerie:
Spur ins Nichts