Bote einer fremden Welt Utopischer Roman von Hans-Heinz Parry 1. Kapitel Colonel Grussel schob General Green eine Zeitu...
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Bote einer fremden Welt Utopischer Roman von Hans-Heinz Parry 1. Kapitel Colonel Grussel schob General Green eine Zeitung hin und deutete auf eine Notiz, die rot angestrichen war. Sie lautete: OSLO. Dem Polizeichef der nordnorwegischen Stadt Mosjoen berichteten am Dienstag zwei Frauen, daß sie beim Beerenpflücken dem Piloten einer gelandeten „fliegenden Untertasse“ begegnet seien. Die Frauen erklärten, ein fremdartig aussehender Mann, der einen seltsamen Anzug getragen hätte, sei auf sie zugekommen und habe sie durch Zeichen aufgefordert, ihm zu folgen. Von diesem Fremden sei eine merkwürdige hypnotische Kraft ausgegangen, der sie nicht haben widerstehen können. Es sei den Frauen unmöglich gewesen, sich der Aufforderung des Fremden zu widersetzen. Daher seien sie ihm gefolgt. In einer Mulde hätten sie dann eine „fliegende Untertasse“ mit einem Durchmesser von etwa zwanzig Metern gesehen, die wie zwei aneinandergelegte Untertassen ausgesehen hätte. Da eine Unterhaltung mit dem Fremden weder in Norwegisch noch in Deutsch oder Englisch möglich gewesen wäre, sei der Supermensch wieder in das Raumschiff gestiegen. Dann sei dieses mit „hummelähnlichem Brummen“ senkrecht hochgestiegen und verschwunden. Der Polizeichef bestätigt, daß zwei andere Frauen in getrennten Vernehmungen ähnliche Aussagen gemacht haben. Wie die Polizei mitteilt, hat die gelandete „fliegende Unter3
tasse“ keinerlei sichtbare Spuren hinterlassen. Mehrere Polizeibeamte haben gleich darauf die „Landungsstelle“ besichtigt. In Norwegen haben die Berichte der Frauen größtes Aufsehen erregt. General Green schob das Blatt von sich und brummte etwas Unverständliches vor sich hin. „Was halten Sie davon, General?“ fragte Colonel Grussel. „Nichts, Oberst – gar nichts! Oder glauben Sie etwa an solche Spukgeschichten?“ „Spukgeschichten? Sie wissen, daß in letzter Zeit in den Staaten ähnliche Beobachtungen gemacht wurden. Wir haben sie gesammelt und geordnet. Immer wieder wird von den ‚Untertassen’ gesprochen. Es muß sie doch geben!“ „Solange ich noch keine mit eigenen Augen gesehen habe, glaube ich nicht daran.“ „Ich bin anderer Meinung, Sir! Entweder handelt es sich bei ihnen um eine unbekannte Geheimwaffe irdischer Herkunft oder um Raumschiffe von anderen Planeten.“ „Oder um Hirngespinste, Oberst!“ ergänzte der General mit sarkastischem Lächeln. „Schon vor vielen Jahren hat man solche Beobachtungen gemacht.“ Green zog eine Mappe aus einem Regal, schlug sie auf und schob sie dem Flugplatzkommandanten zu. „Bitte, lesen Sie!“ Der Oberst tat es. Er las: Am 25. August 1951 beobachteten Dr. W. I. Robinson, Geologieprofessor an der Technischen Hochschule in Texas, Dr. A. G. Oberg, Professor für Chemotechnik, und Professor W. L. Ducker, Chef der Abteilung für Petroleumtechnik in Lubbock, um 21.10 Uhr eine Anzahl Lichter, die geräuschlos in wenigen Sekunden den Himmel von einem Horizont zum anderen überquerten. Die Nacht war klar und dunkel. Die Lichter machten den Eindruck von etwa dreißig leuchtenden Perlen, die in winkeliger Formation angeordnet waren. Wenige Augenbli4
cke später flog eine weitere, gleichartige Formation durch die Nacht, so daß die Gelehrten nunmehr genaue Beobachtungen anstellen konnten. Sie stellten fest, daß sich die Lichter in einer Sekunde über etwa dreißig Grad des Bogens bewegten. Nachfragen bei der Luftwaffe ergaben am nächsten Tag, daß sich zur angegebenen Zeit keine Flugzeuge in der Luft befunden hatten. Professor Ducker beobachtete in den folgenden Monaten – zwischen August und November – zwölf Flüge dieser leuchtenden Objekte. Einige seiner Kollegen beobachteten sie auch. Hunderte von nichtwissenschaftlichen Beobachtern sahen sie ebenfalls. Colonel Grussel blätterte weiter. Dann las er halblaut den folgenden Bericht: Am 2. November 1951 raste eine Scheibe von giftgrünem Feuer, die größer als der Mond war, über den Himmel von Arizona. Sie bewegte sich wie ein Geschoß parallel zum Boden und explodierte dann mit furchtbaren Flammenerscheinungen, jedoch ohne jedes Geräusch. Mindestens zweihundert Menschen sahen die unglaubliche Erscheinung. Weitere Menschengruppen beobachteten ähnliche Feuerscheiben, die seit Dezember 1948 die Berge des Südwestens der Vereinigten Staaten in ihr unwirkliches grünes Licht tauchten. „Ich kenne die Berichte bereits, Sir“, sagte der Oberst, nachdem er die letzte Notiz gelesen hatte. „Sie beweisen und bewiesen schon damals zur Genüge, daß es sich bei den unbekannten Flugobjekten um geheimnisvolle Raumschiffe handelt, die unmöglich von irgendeiner irdischen Station gestartet sein können.“ „Und ich bleibe dabei, daß es sich bei den sogenannten „fliegenden Untertassen“ um Hirngespinste handelt. Diese meine Ansicht wird von vielen Gelehrten der Staaten geteilt.“ „Was glauben Sie denn, General, wie die Erscheinungen Zustandekommen?“ 5
„Bedenken wir zunächst einmal, daß es in allen Ländern Scheinwerfer gibt, so daß sich viele ‚Untertassen’ auf Lichtreflexe zurückführen lassen. Wenn es tatsächlich Raumschiffe wären: Warum ist noch nie eines abgestürzt?“ „Wahrscheinlich sind sie so gebaut, daß sie nicht abstürzen können, Sir.“ „Ein Flugzeugkonstrukteur würde Sie auslachen, Oberst. Sie als Flugzeugkommandant wissen aber ohnehin, daß es bis heute noch nicht gelungen ist, Flugzeuge zu bauen, die nicht abstürzen können, die also auch beim Versagen der Motoren oder des Düsen- bezw. Atomantriebs weiter in der Luft bleiben und nach Belieben landen können. Aber das ist es ja gerade: Mit eignen Augen haben wir noch keine gelandete ‚Untertasse’ gesehen.“ „Man hat die UFO auch in Radarschirmen schon festgehalten, General.“ „Wir dürfen nicht vergessen, daß auch Radar Falschmeldungen gibt, Oberst, die sich mit besonderen Naturphänomenen, Geländeverhältnissen und atmosphärischen Fronten begründen lassen. Die Tatsache, daß Kugelblitze, Perlschnur- und Bandblitze zu jeder Jahreszeit untertassenähnliche Erscheinungen im Luftraum hervorrufen können, ist immer noch vielfach unbekannt. So wurden auch von uns aus im letzten Sommer solche Erscheinungen gesichtet. Sie sind durch das feuchtwarme Wetter hervorgerufen worden.“ In diesem Augenblick betrat Dr. Rengly, ein bekannter Astrophysiker, den Raum. Da er im Verteidigungsministerium eine angesehene Persönlichkeit war, nahm er ohne besondere Aufforderung in einem bequemen Klubsessel Platz. „Sie kommen wie gerufen, Doc“, sagte der General zu ihm, während er ihm die Zigarrenkiste hinhielt. „Wir sind soeben einmal wieder dabei, die UFOs zu deuten.“ Der Gelehrte lächelte. Er nahm seine Hornbrille von den 6
Augen und putzte die Gläser recht umständlich. „Es sind wieder verschiedene sogenannte Untertassen beobachtet worden.“ „Ich erklärte soeben dem Oberst, daß es sich bei den Erscheinungen um atmosphärische Vorgänge, zum Beispiel um Blitzreflexe, handeln kann. Können Sie uns einmal sagen, Doc, was eigentlich Kugelblitze sind? Neulich soll eine Frau in Deutschland von solchem Blitz getroffen worden sein. Von ihr hat man nur noch einige versengte Kleider neben einem Häufchen Asche vorgefunden.“ „Es kann sein, daß diese Frau von solchem Blitz direkt getroffen wurde. Da er hohe Spannungen enthält, wäre die völlige Zerstörung des Körpers mögliche Sie wissen doch, meine Herren, daß die Todesstrahlen analoge Ergebnisse zeitigen. Doch Sie haben mich nach dem Wesen der Kugelblitze gefragt, General. Bei ihnen handelt es sich um eine bemerkenswerte, seltsame Form einer elektrischen Entladung. Wenn ein normaler, also linearer Blitz mit einigen tausend Grad Hitze die wasserdampfgesättigte Luft erhitzt, kann er das Wasser in seine chemischen Bestandteile, in Wasserstoff und Sauerstoff, spalten. Es entstehen dann kleine, hochexplosive Knallgaskugeln, die schnell zu einem Kugelblitz zusammenfließen. Es gibt Kugelblitze von einem bis zu fünfhundert Metern Durchmesser.“ „Was Sie nicht sagen, Doc!“ preßte der General erstaunt hervor. „Fünfhundert Meter, sagen Sie? Das würde bedeuten, daß alle Lebewesen, die in diesem Bereich vorhanden sind, von dem Kugelblitz getroffen und getötet werden können?“ „Nicht alle. Nur solche, die für elektrische Entladungen empfänglich sind.“ „Wir schweifen zu sehr ab, meine Herren“, wandte der Oberst ein. „Ich meine, wir müßten endlich etwas gegen die Untertassen unternehmen, Sir.“ 7
„Haben wir das nicht schon, Oberst? Es ist bisher noch keinem Piloten geglückt, solch ein Flugobjekt zu erhaschen.“ „Einmal muß es doch glücken, Sir! Es wäre gelacht, wenn unsere schnellen Düsenjäger solche Dinger nicht einfangen könnten.“ „Vorausgesetzt, Oberst, daß die Dinger existieren. Einen Lichtreflex am Himmel würde der allerschnellste Düsenjäger nicht einholen können. Selbst unsere Roboter der Luft müßten da versagen.“ Es trat eine kurze Pause ein. Dann fuhr General Green fort: „Sofern es sich also bei den ‚fliegenden Untertassen’ nicht um reine Phantasieprodukte, Täuschungen, Reflexe oder Naturerscheinungen handelt, so können sie nur irdischen Ursprungs sein und ferngelenkte Geschosse oder Fahrzeuge darstellen. Sind Sie nicht derselben Meinung, Doc?“ „Nicht ganz, General. Mit Meinungsäußerungen bin ich vorsichtig. Wenn es nach Ihrer Ansicht Flugobjekte irdischen Ursprungs sein sollen, so muß man es doch merkwürdig finden, daß solch eine Scheibe noch nie abgestürzt ist. Jede neue Flugzeugart hat doch bei Versuchen ihre Opfer gefordert.“ „Es sollen verschiedentlich schon Untertassen niedergegangen sein“, erklärte Oberst Grussel. „Erst in der heutigen Ausgabe der ‚Times’ findet sich wieder ein Bericht aus Norwegen über die Landung eines unbekannten Flugobjektes. Hier, lesen Sie bitte selbst, Doc!“ Oberst Grussel schob dem Astrophysiker die Zeitung hin. Während dieser las, herrschte Ruhe im Raum. „Was sagen Sie dazu, Doc?“ fragte der Oberst den Gelehrten, nachdem dieser die Notiz gelesen hatte. Dr. Rengly zuckte mit den Achseln. „Offen gestanden, glaube ich nicht daran. Ein Flugkörper kann nicht landen, ohne daß dies von sehr vielen Menschen beobachtet wird, besonders 8
wenn es sich um Gelände handelt, das nicht menschenleer ist, wie etwa Urwald- oder Wüstengebiete.“ „Da haben Sie’s, Oberst!“ rief General Green lachend aus. „Die beiden Frauen werden sich gruselige Filme angesehen oder Kriminalschmöker gelesen haben.“ „Übrigens wissen wir doch aber, daß beispielsweise Kanada Untertassen gebaut hat“, führte der Gelehrte weiter aus. „Doch sie sollen nach Angaben der kanadischen Regierung den Erdboden niemals verlassen haben.“ „Also scheiden sie für unsere Forschungen aus“, bemerkte der Oberst. „Ich habe vor Jahren einmal mit einem deutschen Experten über das Problem der ‚fliegenden Untertassen’ gesprochen“, erklärte der General. „Dieser Mann sagte mir, daß man in Deutschland die Pläne für die ‚fliegenden Untertassen’ schon während des zweiten Weltkrieges entwickelt hätte. Man will auch damals bereits eigene Flugversuche unternommen haben. Die ersten Maschinen seien zerschellt. Es hat sich dabei um unbemannte ferngesteuerte Flugkörper gehandelt.“ „Wollen Sie damit sagen, Sir, daß die Untertassen vielleicht von einem irdischen Staat hergestellt und gestartet werden?“ „Das könnte doch möglich sein, Oberst – soweit es sich um keine Phantome handelt.“ „Weiß man über ihre Konstruktion Näheres?“ „Sie ist lange geheimgehalten worden. Hören Sie zu, meine Herren, was Professor Brills von der technischen Versuchsstation dazu sagt! Wir haben eine Bandaufnahme von seinen diesbezüglichen Ausführungen.“ General Green schritt zum Funktisch, auf dem sich ein drahtloser Sender ein Empfänger, Aufnahme- und Wiedergabegeräte und andere technische Einrichtungen befanden. Er schlug dort ein Verzeichnis auf, stellte an einer Scheibe, die wie eine Telefon-Wählscheibe aussah, eine bestimmte Nummer ein und 9
drückte dann auf einige Hebel. Schon nach wenigen Sekunden ertönte aus dem Lautsprecher eine sonore Stimme: „Es gibt zwei Arten sogenannter fliegender Untertassen. Bei der einen beträgt der Scheibendurchmesser sechzehn Meter, bei der anderen zweiundvierzig Meter. Scheiben sind für übergroße Geschwindigkeiten besser geeignet als Kugeln oder Rumpfflugzeuge. Wenn man eine Scheibe durch die Luft wirft, so fliegt diese viel weiter als eine Kugel. – Die Flugscheibe ist in schmale Flügelsegmente unterteilt, die wie eine Drehscheibe, aus mehreren Düsenrohren angetrieben, um die sichtbare Kabinenkuppel kreisen. Will man nach oben steigen, so werden die Flügelsegmente um einige Grad verstellt, und das Ganze hebt sich, ähnlich einem Hubschrauber, in die Luft. Will man dann in einer gewissen Hohe geradeaus fliegen, so werden die Flügel flach gestellt, so daß sie zusammen einen Teller bilden. Der Teller wird dann derart fortbewegt, daß man zwei große Düsenaggregate in Funktion setzt, deren Schubkraft durch Dosieren der Treibstoffmenge reguliert wird. Im Gegensatz zu den normalen Flugzeugen werden diese Flugscheiben nicht mit Steuerflächen, sondern durch Verstellung der Richtung der Düsenaggregate gesenkt. Um in der Luft stehenbleiben zu können, muß man bei den größeren Flugscheiben die Düsenaggregate senkrecht nach unten schwenken und die Schubkraft so regulieren, daß sie gerade noch ausreicht, um das Sinken zu verhindern. Die Scheibe sendet Feuerschweife von unterschiedlicher Farbe aus, wie dies auch beobachtet worden ist. Die Manövrierfähigkeit derartiger Scheiben übertrifft die der normalen Flugzeuge bei weitem.“ Der General schaltete das Gerät aus. „Nun, was halten Sie davon, Gentlemen?“ fragte er, dabei von einem zum anderen blickend. Oberst Grussel machte eine wegwerfende Handbewegung. „Immer sollen es die Deutschen gewesen sein, die angeblich 10
epochale Erfindungen gemacht haben. Mit den V-Geschossen hat es begonnen, und mit den Untertassen ist es weitergegangen. Sei dem, wie es sei: Wenn tatsächlich die jetzt aufkreuzenden Untertassen irdischen Ursprungs sind, dann muß es eine irdische Macht geben, die sie gebaut hat. Deutschland scheidet aus, weil es immer noch nicht die Befugnis hat, derartige geheime Flugmodelle zu konstruieren.“ „Wir wollen uns darüber nicht den Kopf zerbrechen, meine Herren“, erklärte der Gelehrte. „Solange wir kein Objekt vor uns haben, um es besichtigen und prüfen zu können, vermögen wir weder seinen Ursprung noch seinen Zweck zu ermitteln. Versuchen Sie alles, General, solche Scheibe zum Landen zu bringen! Setzen Sie Atomwaffen ein! Es gibt auf der Erde kein Metall, das der Zerstörung durch Atomgeschosse widerstehen könnte.“ „Ich sehe ein, daß uns nichts weiter übrigbleibt“, versetzte der General sinnend. „Jedenfalls würden die Untertassen, soweit sie als Flugkörper überhaupt existieren, weder vom Mars noch von sonst einem Planeten kommen, sondern genauso an die Erde gebunden sein wie jedes andere Flugzeug.“ „Davon bin ich nicht restlos überzeugt, Sir!“ Der General schlug mit der Faust auf den Tisch. „Zum Teufel mit Ihrer Skepsis, Oberst! Sind Sie ein Soldat oder ein Phantast? Vielleicht wird Sie einmal solch Marsmensch besuchen und bei Ihnen zu Tisch sitzen! Ich würde ihn jedenfalls gebührend empfangen. Darauf können Sie sich verlassen.“ „Die Geschichte mit den deutschen fliegenden Untertassen hat einen Haken, Genera!“, warf Dr. Rengly ein. „Niemals können irdische Flugobjekte eine derartige Höhe erreichen, wie man errechnet hat, und niemals könnten sie so schnell fliegen, wie es die meisten gesichteten Flugscheiben getan haben.“ General Green sah nicht gerade freundlich auf den Astrophysiker. „Jetzt kommen Sie auch mit Ihrer Skepsis, Doc! Ich habe 11
schon wiederholt erklärt, daß ich an einen interplanetarischen Ursprung der Flugscheiben nicht glaube.“ „Noch im achtzehnten Jahrhundert hat man nicht daran geglaubt, daß Gestein aus dem Weltraum auf die Erde falle. Man hat die Gelehrten ausgelacht, die es zuerst behaupteten. Heute wundern wir uns darüber, daß man damals die Tatsache der Meteorabstürze überhaupt hat bestreiten können. So ist auch die Antwort auf die Frage, ob die fliegenden Untertassen interplanetarische Flugkörper sind, eine Sache des Glaubens oder Unglaubens. Fest steht, daß man dem Neuen wenig zugänglich ist und daß der moderne Mensch von übersinnlichen Dingen nichts mehr wissen will. Er meint, daß er die Welt regiere und daß es keine anderen Lebewesen gäbe, die über ihm stünden. Wo steht denn geschrieben, daß der Erdenbewohner, der sich anschickt, selbst in den Weltenraum vorzustoßen, das Maß aller Dinge ist?“ Der General brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Dann nahm er die Telefonmuschel in die Hand. „Captain Baker, bitte!“ rief er hinein. Wenig später trat der Angeforderte den Dienstraum seines Vorgesetzten. „Captain“, begann der General. „Sobald wieder sogenannte Untertassen gemeldet werden, stoßen Sie mit Ihrer Staffel nach oben! Sie werden dabei immer mit Oberst Grussel in Funkverbindung stehen und ihn über alles unterrichten. Ist das klar!“ „Jawohl, Sir!“ antwortete Captain Baker in kurzer, militärischer Art. „Halten Sie sich und Ihre Leute zum Start bereit! Versuchen Sie, ein Flugobjekt zur Landung zu zwingen, Captain!“ „Sehr wohl, Sir! Voraussetzung ist natürlich, daß wir es einholen können.“ „Das ist klar. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es uns nicht gelänge, dem Rätsel der geheimnisvollen Flugobjekte auf die Spur zu kommen.“ 12
„Ich werde mich bereit halten, Sir!“ „Es ist gut, Captain!“ Captain Baker verließ wieder den Raum. Er war einer der fähigsten Piloten. Auf ihn konnte man sich verlassen. General Green wußte es. Deshalb hatte er ihn zum Staffelkapitän ernannt. Wenn es ihm, Baker, nicht gelänge, eine fliegende Untertasse zu stellen, würde es niemandem gelingen. General Green und Oberst Grussel ahnten nicht, wie bald es zum Einsatz der Staffel kommen sollte.
2. Kapitel Fünf amerikanische Düsenjäger kurvten über Phoenix City, der Hauptstadt von Arizona. Der Staffelführer, Captain Baker, pfiff den neuesten Schlager vor sich hin. Er war guter Laune. Das herrliche Wetter mit dem strahlendblauen Himmel mußte ja auch gute Laune schaffen. Hinter Baker saß der Heckschütze Marrent, der durch Kopftelefon mit dem Piloten in Verbindung stand. Captain Baker vernahm plötzlich in seinem Ohr ein Knacken. Gleich darauf erklang die Stimme des Flugplatzkommandanten Oberst Grussel: „Hallo, Captain! Hören Sie mich?“ „Ich höre, Oberst! Die Verbindung ist gut.“ „Schon etwas gesichtet?“ „Noch nicht, Oberst! Ich befürchte, daß einmal wieder Gespenster gesehen worden sind. Es ist doch immer wieder dasselbe: irgendein Lichtreflex. Halt, was ist das?“ „Was gibt es, Captain?“ fragte die Stimme des Obersten zurück. „Haben Sie doch etwas entdeckt?“ „Jawohl, Oberst! Ein funkelndes Etwas – eine – ja, es wird eine Scheibe sein.“ „Eine Scheibe?“ 13
„Jawohl, Oberst – eine Scheibe! Ich sehe sie deutlicher, komme ihr näher.“ „Verfolgen Sie den Flugkörper, Captain!“ „Ich tue es schon, Oberst.“ „Es wird eine ‚fliegende Untertasse’ sein, die man zuerst über Casa Grande wahrgenommen hat. Damit stimmen die Meldungen also doch!“ Ja, sie stimmen! ging es dem Staffelkapitän durch den Kopf. Viele Passanten in Casa Grande hatten das merkwürdige Gebilde beobachtet. Man war erst skeptisch gewesen und hatte an Massensuggestion geglaubt. Aber man mußte auch dieser Beobachtung nachgehen, versuchen, solche rätselhafte Untertasse einmal zum Landen zu zwingen, um ihr Geheimnis endlich zu lüften. Ob es ihm: Baker, wohl glücken würde? „Hallo, Captain!“ ertönte es weiter aus der Muschel. „Geben Sie laufend weitere Meldungen!“ „In Ordnung, Oberst!“ Baker schaltete das Kopftelefon ein. Der Heckschütze meldete sich. „Waffen schußbereit halten, Marrent!“ befahl er. „Well, Captain! Werde dem Burschen eins aufs Fell brennen, wenn er nicht pariert.“ „Nur schießen, wenn ich es ausdrücklich befehle, Marrent! Klar?“ „In Ordnung, Captain! Fackeln Sie aber nicht so lange! Man weiß nie, was der Bursche vorhat.“ „Wir wollen nicht zuerst angreifen.“ „Hoffentlich auch nicht zu spät, Captain!“ Captain Baker erhöhte die Geschwindigkeit seiner Maschine. Immer näher kam er dem geheimnisvollen Flugkörper – einer riesigen Scheibe, die sich mit großer Schnelligkeit fortbewegte – aber anscheinend doch nicht schnell genug, um ihrem Verfolger zu entgehen. 14
Baker sah jetzt, wie die fliegende Untertasse nach allen Seiten völlig geräuschlos oder wenigstens nicht laut genug, um das Geräusch wahrzunehmen, blaue und rote Flämmchen ausstieß. Die Scheibe mochte einen Durchmesser von etwa zweihundert Metern haben. In ihrer Mitte befand sich ein kuppelartiger Aufbau. Wieder meldete sich der Flugplatzkommandant: „Bitte melden, Captain!“ „Ja – hier B achthundertzehn! Wir sind dem Objekt schon näher, Colonel. Eine riesige Scheibe mit anscheinend Raketenantrieb.“ „Woraus schließen Sie das, Captain?“ „Aus den Flammen, die das Ding ausstößt.“ „Können Sie das Objekt gut erkennen?“ „Jawohl, Oberst!“ „Können Sie Einzelheiten geben?“ „Durchmesser etwa zweihundert Meter! Zentrum kuppelförmig mit turmartiger Spitze. Ist aus Metall – wechselt häufig die Farbe.“ „Was Sie nicht sagen! Vielleicht hängt der angebliche Farbenwechsel mit den Lichtreflexen zusammen?“ „Es kann sein. Die Scheibe scheint zu rotieren.“ „Versuchen Sie, Captain, das Ding zur Landung zu zwingen. Eröffnen Sie nötigenfalls das Feuer!“ „Soll ich zuerst angreifen, Oberst?“ „Wenn der Gegner nicht landen will, ja!“ „Die Scheibe gewinnt an Höhe. Sie ist fast über mir. Doch wir sind schneller.“ Captain Baker wurde etwas unheimlich zumute. Wenn man nur wüßte, mit wem man es zu tun hatte! Aber diese geheimnisvollen UFOs hielten ihr wahres Gesicht verborgen. Noch wußte niemand, ob sie irdischen Ursprungs waren oder aus dem Weltall kamen. Vielleicht waren es aber keine Menschen oder menschenähnliche Wesen, die in der 15
Scheibe hausten. Vielleicht waren die UFOs ferngesteuert oder mit Robotern versehen, die gegen Kälte und Hitze, gegen das Vakuum und gegen Giftgase gefeit waren? Dann war der Gegner entschieden im Vorteil. Wollte man ihn zum Narren halten? Captain Baker sah voller Wut auf die Scheibe, die erst stillzustehen schien, um sich dann wieder mit großer Geschwindigkeit weiterzubewegen. Jedesmal wenn er glaubte, das Flugobjekt eingeholt zu haben, schnellte es weiter – immer höher. Oberst Grussel meldete sich erneut. „Haben Sie noch keine Fortschritte erzielt, Captain?“ „Leider nicht, Oberst. Ich kann das verdammte Ding nicht erreichen. Einmal ist es in greifbarer Nähe, ein andermal ist es wieder viele Kilometer von uns entfernt.“ Der Oberst schien einen Fluch zu unterdrücken. „Sie glauben, daß es unmöglich sein wird, den Burschen zu packen, Captain?“ „Es scheint so, Oberst! Da – jetzt haben wir mächtig aufgeholt. Die Scheibe bleibt wieder stehen. Wir rasen darauf zu. Ich melde mich wieder, Oberst!“ Wieder war B-810 nahe an das Raumschiff herangekommen. Es schien, als hielte es still. Baker frohlockte. Jetzt konnte er den Gegner zur Landung zwingen. Doch wie sollte er dabei vorgehen? Konnte er das Flugobjekt durch Funkspruch erreichen? Würde er sich verständlich machen können? Wenn die Insassen der fliegenden Untertasse von einem anderen Weltkörper kamen, würden sie eine Sprache der Erde gewiß nicht verstehen. Oder handelte es sich bei ihnen um eine Art Übermenschen, um Wesen, die den Erdenbewohnern an Intelligenz weit überlegen waren? Baker dachte darüber nicht weiter nach. Jetzt mußte er seine ganze Aufmerksamkeit dem UFO widmen und die Geschwindigkeit drosseln, wollte er nicht Gefahr laufen, mit dem Gegner zusammenzustoßen. 16
Er versuchte, eine Kurve um die Scheibe zu schlagen. Da entglitt sie ihm aufs neue. Fast senkrecht stieg sie hoch. Captain Baker schaute auf die Uhr. 13.16 Uhr! Fast zwanzig Minuten schon ging das Katz-und-Maus-Spiel. Immer wieder verschwand der Flugkörper. Der Höhenmesser zeigte fast 6000 Meter an. Die Luft wurde dünner und dünner und ständig sauerstoffärmer. Und doch mußte er noch höher hinauf. Oder sollte er die Verfolgung aufgeben? Nein – noch nicht! Es wäre eine Blamage für ihn, für einen der besten Jagdflieger! Baker stellte wieder die Verbindung mit der Flugplatzkommandantur her. Oberst Grussel meldete sich wieder. „Hier Baker! Ich kann den Burschen einfach nicht erreichen, Oberst. Wir haben fast siebentausend Meter erreicht. Wenn wir in den nächsten Minuten nicht auf ihn stoßen sollten, werden wir die weitere Verfolgung aufgeben müssen; denn die Scheibe steigt immer noch.“ „Teufel!“ fluchte Oberst Grussel. „Soll es denn nie gelingen, solch ein Biest einzufangen, damit man endlich einmal erfährt, wer dahintersteckt? Eröffnen sie doch das Feuer, Captain, wenn Sie nahe genug heran sind. Schießen Sie den Kerl ab! Haben Sie schon versucht, ihn durch Funk oder Kurzwelle zu erreichen?“ „Ich habe es versucht, Oberst. Er reagiert nicht. Wenn es sich um keine menschlichen Wesen handelt, die in der Untertasse vorhanden sind, werden sie auch keine menschliche Sprache verstehen.“ „Dann schießen Sie! Geben Sie erst einige Warnschüsse ab! Wenn er sie ignoriert, bombardieren Sie ihn! Mit Atombomben werden Sie ihn schon kleinkriegen!“ „In Ordnung, Oberst! Ende!“ Gleich darauf fing Oberst Grussel von einem Begleitflugzeug einen Funkspruch auf. Es wurde ihm gemeldet, daß man B-810 und das Ungeheuer aus den Augen verloren hätte. 17
Dann kam wieder eine Meldung von Captain Baker – es war seine letzte. „Hier Baker. Wir haben fast achttausend Meter erreicht. Höher können wir nicht mehr. Das Ding weicht uns beständig aus. Wir haben keinen Sauerstoff mehr.“ Captain Baker wollte nun alles auf eine Karte setzen. Mit größter Geschwindigkeit steuerte er auf den Gegner los. Dieser schien den Angriff erwartet zu haben. Er verminderte seine Schnelligkeit, so daß sich beide Flugkörper beträchtlich näher kamen. „Achtung, Marrent!“ rief der Staffelkapitän durch das Kopftelefon. „Fertig zum Feuern!“ „Zu Befehl, Captain!“ „Los, Feuer!“ Eine Salve sprühender Feuergarben schlug der Scheibe entgegen, als sich ihr der Düsenjäger auf einige hundert Meter genähert hatte. In der nächsten Sekunde trafen erneut konzentrierte Strahlenbündel auf das unbekannte Flugobjekt. Doch zum Erstaunen der beiden Flugzeuginsassen geschah nichts. Baker konnte nicht einmal Beschädigungen der fliegenden Untertasse feststellen. Es hatte den Anschein, als würden die Geschosse von dem Flugkörper durch ein magnetisches Feld vom Ziel abgelenkt. Die Scheibe flog langsam weiter – so langsam, daß B-810 sie bequem überholen konnte. „Die Burschen fühlen sich sehr sicher!“ sagte Captain Baker durch das Telefon. „Verdammt sicher, Captain“, gab der Heckschütze zurück. „Was sollen wir tun? Noch einmal versuchen oder gleich Atomgeschosse nehmen?“ „Gleich Atomgeschosse nehmen, Marrent! Wenn sie nichts nützen, nützt nichts mehr.“ Eine kurze Pause entstand. „Achtung! Feuer!“ kam dann der Befehl. Zwei Atomkanonen spien Tod und Verderben auf den Gegner. 18
Tod und Verderben? Flammengarben schlugen hoch. Sekundenlang war die Scheibe in eine riesige Rauchwolke gehüllt. Doch das Ergebnis war dasselbe: Nach wie vor schien der Flugkörper keinen Schaden erlitten zu haben. „Zum Teufel!“ fluchte der Staffelführer wütend. „Der Bursche scheint tatsächlich unverwundbar zu sein.“ „Ja! Komisch ist nur der Umstand, daß sich der Gegner nicht zur Wehr setzt.“ „Das ist allerdings sehr merkwürdig. Es rührt sich drüben nichts.“ „Vielleicht ist das Ding unbemannt und aus Material gebaut, das kugel- und bombenfest ist.“ „Mag sein. Doch darüber zu reden hat keinen Sinn. Wir müssen handeln, Marrent!“ „Was sollen wir noch tun? Es wird Zeit, daß wir umkehren, Captain. Wir werden nichts mehr erreichen.“ „Sie kehren allein um, Marrent!“ „Wie soll ich das verstehen, Captain?“ fragte der andere erstaunt. „Springen Sie ab! Ich werde versuchen, den Gegner zu rammen.“ „Captain! Das kann Ihr Ernst nicht sein! Sie opfern dabei Ihr Leben!“ „Was tut das, Marrent? Setzen wir nicht täglich unser Leben für eine große Sache ein?“ „Ich bleibe bei Ihnen, Captain! Wenn Sie Ihr Leben einsetzen, möchte ich es auch!“ Baker versuchte vergeblich, die unterbrochene Funkverbindung mit dem Flughafen wiederherzustellen. Er konnte sich das plötzliche Versagen der Funkgeräte nicht erklären. Aber auch auf der Erde versuchte Oberst Grussel vergeblich, den Staffelkapitän zu erreichen. 19
Plötzlich stand eine hohle Stimme mitten in der Flugkabine. Die beiden Männer schraken sichtlich zusammen. „Kehret um! Es ist sonst euer Tod!“ ertönte es aus irgendeinem Winkel des Raumes. Die geheimnisvolle Stimme war so laut, daß sie das Geräusch des Strahltriebwerks übertönte. „Was ist das?“ fragte Baker seinen Schützen verblüfft. „Ist das ein Scherz?“ „Das glaube ich nicht, Captain. Wahrscheinlich ist das eine Warnung des Gegners.“ „Sie glauben doch nicht, daß dieser Funkverbindung mit uns aufgenommen haben kann?“ „Warum denn nicht? Menschen, die solche Flugkörper bauen können, werden auch über Funk- und Radargeräte verfügen – vielleicht über bessere, als wir sie haben.“ „Wir lassen uns trotzdem nicht einschüchtern, Marrent. Wir – verdammt – die Luft!“ „Ja, wir werden bald ersticken, Captain.“ „Legen Sie den Schutzanzug an, Marrent, und dann den Fallschirm bereithalten. Es wird Nerven kosten!“ „Lassen Sie mich Ihr Schicksal teilen, Captain! Bei dieser Höhe und Geschwindigkeit würde ich doch nicht lebend auf die Erde gelangen.“ „Sie müssen es versuchen, Marrent! Einer von uns muß doch rapportieren! Los, steigen Sie aus der Kiste, damit ich zum Endspurt übergehen kann!“ „Ich bleibe, Captain – oder Sie müssen mich hinauswerfen!“ „Idiot! Es kostet das Leben!“ Noch immer fuhr die Scheibe mit geringer Geschwindigkeit. Dann blieb sie plötzlich stehen. Was dann geschah, konnten die beiden Insassen des Düsenjägers nicht mehr erfassen. B-810 brach buchstäblich auseinander. Dann erfolgte eine gewaltige Explosion. Die fliegende Untertasse jedoch flog weiter – höher und höher. 20
Wodurch das Unglück geschah, erfuhr niemand. Am nächsten Tag fand man Trümmer von B-810 im Umkreis von mehreren Hundert Metern. Die Maschine mußte in der Luft förmlich geplatzt sein. Man nahm an, daß Captain Baker und sein Begleiter in einer Höhe von acht- oder neuntausend Metern aus Sauerstoffmangel die Besinnung verloren haben und dann abgestürzt sind. Andere wieder waren der Meinung, daß sich das Flugzeug im Überschallflug befunden hat und dabei unter den Schlägen mächtiger Schallwellen verunglückt ist. Die aufgefundenen Bruchstücke des abgestürzten Düsenjägers wiesen seltsame Rillen und Furchen auf. Man schloß daraus, daß möglicherweise ein Rammen mit dem unbekannten Flugkörper erfolgt sei. Nach dem Bericht der Untersuchungskommission war es durchaus möglich, daß Captain Baker dem Triebwerk der fliegenden Untertasse zu nahe gekommen und in dieser Gefahrenzone zerrissen worden war. Von dem wahren Heldentod zweier wackerer Pioniere der Luftfahrt erfuhr die Welt nie. Der Einsatz des tapferen Staffelkapitäns hatte sich nicht gelohnt. Man war dem Geheimnis der fliegenden Untertassen noch nicht näher gekommen.
3. Kapitel Nach diesem tragischen Zwischenfall waren angesehene Experten der „Sonderkommission zur Untersuchung geheimnisvoller fliegender Objekte“ zusammengekommen, um über die nächsten Schritte zu beraten, Oberst Whiters war der Leiter der Sonderkommission, die im Auftrag der Regierung allen Meldungen über fliegende Untertassen nachging und sie sorgfältig untersuchte. Er hielt vor sich eine Akte, aus der er las. „Hören Sie, meine Herren“, fuhr er fort, „was die US-AirForce schon im Jahre 1949 bekanntgegeben hat. Es heißt in diesem Aufruf: 21
,Die US-Air-Force fordert alle Einwohner der Vereinigten Staaten auf, so rasch wie möglich die nächste Luftwaffenbasis zu verständigen, wenn sie Zeugen vom Auftauchen unbekannter fliegender Objekte sind. Die Beobachtungen werden zum Gegenstand gründlichster Untersuchungen gemacht. Die Identität derer, die darüber Meldungen erstatten, wird geheimgehalten. Der Aufruf wendet sich besonders an alle Wissenschaftler und Piloten der Luftfahrtlinien. Es wird weiter bekanntgegeben, daß Militärflieger eingesetzt sind, die versuchen sollen, die Erscheinungen genau zu erkennen oder sie zu stellen. Es besteht im Augenblick kein Grund zu der Annahme, daß solche Flugkörper, die allgemein unter dem Namen fliegende Untertassen bekannt sind, von einem anderen Staat geschickt würden oder eine unmittelbare Gefahr für die Vereinigten Staaten und ihre Bewohner darstellen. Diese amtliche Erklärung schlug schon damals wie eine Bombe ein. Sofort nach dem Bekanntwerden des Appells forderte Robert Fansworth, der Präsident der Gesellschaft für Raketenforschung in den USA, den damaligen Präsidenten Truman und das amerikanische Verteidigungsministerium auf, die US-Luftstreitkräfte an einer Beschießung der fliegenden Untertassen zu hindern. In Telegrammen an die verschiedenen Heereseinheiten gab Fansworth seiner Befürchtung Ausdruck, daß ein Beschuß der UFOs die Menschheit in die Gefahr bringen könnte, das Ziel feindseliger Aktionen weit überlegener Mächte zu werden.“ Der Leiter der Sonderkommission schwieg. Dann wandte er sich an Professor Bensdorf, einen der bekanntesten Raumforscher. „Was haben Sie zu diesem Problem zu sagen, Professor?“ Der Gefragte, ein schon älterer Herr Mitte der Sechzig, strich über seinen grauen Kinnbart und antwortete, indem sein Blick über die Tafelrunde ging: „Folgendes steht fest, meine Herren: Es befinden sich schon viele Jahre Scheiben, Zylinder und ähnliche Objekte von symmetrischer Form, leuchtender Beschaf22
fenheit und körperlicher Natur in der Erdatmosphäre. Außerdem haben auch grüne Feuerkugeln von großer Helligkeit die Gegenden überflogen. Diese Objekte können von der Wissenschaft nicht als natürliche Erscheinungen, sondern nur als künstliche Geräte, die von Wesen hoher Intelligenz geschaffen und gelenkt werden, angesehen werden. Kein bekanntes Triebwerk der Erde kann die Flugleistungen der unbekannten Flugobjekte hervorrufen.“ „So sind auch Sie der Meinung, Professor, daß es sich bei den sogenannten fliegenden Untertassen um Flugkörper handelt, die weder auf der Erde erbaut noch von Menschen unseres Planeten gesteuert werden?“ Der Gelehrte zuckte die Achseln. „Wer kann das mit Bestimmtheit sagen? Es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich bei den fliegenden Untertassen um Raumschiffe handelt, die von irgendeinem anderen Planeten abgeflogen sind. Bereits vor Jahren haben anerkannte Wissenschaftler – wie beispielsweise Dr. Riedel, der ehemalige Chefkonstrukteur der deutschen Raketenversuchsanstalt – die Möglichkeit geäußert, daß die geheimnisvollen ‚Untertassen’ nicht von unserer Erde kommen. Alle waren sich darüber einig, daß kein menschliches Wesen unserer Erde die Bedingungen, die bei einem Flugkörper dieser Art gegeben sind, überstehen könne.“ „Die Tatsache oder besser die Annahme, daß die UFOs von intelligenten Wesen gesteuert werden, daß ferner die Art ihrer Fortbewegung völlig geheimnisvoll ist, bestärkt uns in der Ansicht, daß sie ihren Ursprung in anderen Welten haben. Die Oberflächenreibung in den angegebenen Höhen würde alle uns zur Verfügung stehenden Stoffe zum Schmelzen bringen.“ Dr. Rengly war es, der diese Worte gesprochen hatte. „Es ist bekannt“, fuhr dieser Gelehrte fort, indem er seine Hornbrille von den Augen nahm, um sie gleich wieder aufzusetzen, „daß diesen UFOs offenbar die Schwerkraft nichts ausmacht und daß 23
sie mit wahnsinniger Geschwindigkeit – man hat ja schon ein Tempo von etwa vierzigtausend Stundenkilometern errechnet – auch senkrecht nach oben steigen und dabei Richtungsänderungen von neunzig Grad vornehmen können. Kondensstreifen wurden selten beobachtet, dafür indes vereinzelt Auspuffflammen. Bis heute gibt es bei uns keine Kraft, die solche Beschleunigungen auch in der Kurve erzielen kann. Der menschliche Kreislauf könnte solche Beschleunigung auch gar nicht aushalten. Ich kann mir nicht denken, daß solche Kunststücke, wie sie bisher oft beobachtet wurden, durch Fernsteuerung darzustellen wären.“ „Glauben Sie, meine Herren“, nahm der Präsident der Sonderkommission wieder das Wort, „daß wir in nächster Zeit eine Aggression seitens dieser unbekannten Flugobjekte zu erwarten hätten?“ „Nein, ich glaube es nicht, Gentlemen“, antwortete Professor Bensdorf mit Eifer, wobei er wieder aus alter Gewohnheit durch seinen grauen Kinnbart fuhr. „Schon jahrelang kreisen die UFOs um die Erde. Wenn sie tatsächlich die Absicht hätten, uns anzugreifen, hätten sie es gewiß schon getan.“ „Unter der Bevölkerung kursiert der Glaube, daß sich Weltraumbewohner mit überirdischer technischer Intelligenz und ‚menschlicher’ Entwicklung – angelockt von den auch in weiten kosmischen Entfernungen registrierten Atombombenexplosionen – zur Besichtigung unseres Planeten und seiner Bewohner in Marsch gesetzt hätten. Es fragt sich nun, ob diese Unbekannten unserer Erde noch einen Besucht abstatten werden oder nicht.“ „Meiner Ansicht nach hält sie nur die andersgeartete Beschaffenheit der Erde von einem Besuch ab“, erklärte der Astrophysiker. „Ohne Zweifel herrschen auf anderen Weltkörpern andere Lebensbedingungen als bei uns. Wir brauchen nur an unsere beiden nächsten Planeten Venus und Mars zu denken. 24
Wie steht es nun mit diesen beiden Weltkörpern? Es gibt auch heute noch Wissenschaftler, die behaupten, Venus hätte überhaupt kein Leben und Mara nur ein niedriges. Aber. – hat man nicht vor kurzem eine Feststellung auf dem Mars gemacht, die zu denken gab? Der japanische Astronom Tsuneo Saheki, der sich schon jahrelang auf Marsbeobachtungen spezialisiert hat, hat schon im Jahre 1949 eine geheimnisvolle Explosion auf dem Mars beobachtet, die minutenlang einen strahlenden Glanz hervorgerufen hatte. Darauf bildete sich eine leuchtende graugelbe Wolke von etwa sechzig Kilometer Höhe und tausend Kilometer Durchmesser. Saheki hat schon damals eine Atomexplosion vermutet. Sollte diese künstlich hervorgerufen worden sein, konnte es sich nur um intelligente Wesen handeln, die sie ausgeführt haben. Wissen Sie, meine Herren, was man schon damals angenommen hat? Man war der Meinung, daß sich entweder Marsbewohner selbst oder Bewohner eines anderen Planeten mit Atombombenversuchen befaßt haben. Oder aber auch könnten Weltraumpiloten den Mars als Operationsbasis für Erkundungsflüge nach der Erde benutzt haben. – Seitdem hat man öfter merkwürdige blaue Wolken auf dem Mars beobachtet. Jedenfalls ist die Frage nach der Bewohnbarkeit des Mars nicht gänzlich zu verneinen.“ „Glauben Sie, Mister Rengly, daß es Marsbewohner sein könnten, die die geheimnisvollen fliegenden Untertassen steuern?“ fragte Oberst Lynn vom Verteidigungsministerium. Der Astrophysiker zuckte die Achseln. „Wer kann das wissen? Aber da ist noch etwas, was nicht übersehen werden darf, meine Herren: In den letzten Jahren haben Astronomen mit Radioteleskopen – riesigen gekrümmten Reflektoren mit Verstärkungsapparaten – geheimnisvolle ‚Funksignale’ aus dem Weltraum aufgefangen. Ihre Quelle ist heute noch unbekannt. Dr. Reber, eine Autorität auf dem Gebiet der kosmischen Strahlen, gab schon früher zu, daß die mysteriösen Funkübertragungen 25
der Wissenschaft ein Rätsel aufgeben. Man hält ein unbekanntes Phänomen für die Ursache.“ . „Es wurde auch schon die naheliegende Vermutung ausgesprochen“, erklärte Oberst Whites, „daß die geheimnisvollen Signale ‚zusammengeraffte Botschaften’ zwischen bewohnten Planeten oder zwischen einem Planeten und seinen Raumschiffen seien. Auch hält man es für möglich, daß einige dieser geheimnisvollen Zeichen von interplanetarischen Signalstationen im Weltraum kommen. Solche Stationen können sich auch auf Himmelskörpern befinden, die so klein erscheinen, daß sie mit unseren Fernrohren auch heute noch nicht erfaßt werden können. Es ist leider nicht gelungen, die auf Band aufgenommenen merkwürdigen Zischlaute zu enträtseln. Über zweihundert Signalquellen hat man bisher im Weltraum festgestellt.“ Jetzt erhob sich General Walker vom Luftfahrtministerium. Er hatte eine spiegelblanke Glatze und einen langen Schnurrbart, auf den er sehr stolz war. „Gentlemen!“ hob er an, wobei er mit dem stumpfen Ende seines Bleistiftes auf die Tischplatte klopfte. „Mir scheint, daß wir um die Kernfrage herumgehen wie die Katze um den heißen Brei. Wir müssen uns doch fragen, was die UFOs von uns wollen und wie wir eine etwaige Invasion ihrerseits erfolgreich abwehren können.“ „Wir verstehen Ihre Ungeduld, Genera!“, sagte der Leiter der Sonderkommission ein wenig ärgerlich. „Doch einen Feind, den man noch nicht kennt, kann man schwer bekämpfen. Das wissen als alter Soldat auch Sie. Solange wir solch Raumschiff noch nicht untersucht haben, können wir uns nur in Vermutungen ergehen.“ „Es sind doch schon Fragmente solcher Raumschiffe gefunden worden, Professor. Hat man ihre Struktur immer noch nicht ermitteln können?“ „Leider nicht, General. Eine stark zerstörte ‚Untertasse’ soll vor einigen Jahren in der Sahara gefunden worden sein, eine 26
weitere in Neumexiko. Im Innern des zerstörten Flugkörpers will man eine Anzahl menschenähnlicher Wesen tot entdeckt haben. Waffen hat man in den abgestürzten Raumschiffen nicht gefunden, wohl aber buchähnliche Gegenstände mit einer eigenartigen Bilderschrift, die nicht zu entziffern war. Aber leider ist man aus diesen Funden nicht klug geworden. Niemand kann bis heute sagen, woher die Flugkörper gekommen sind und weshalb sie die Reise zur Erde gewagt haben. Nicht einmal die Kraft, mit der sie sich fortbewegten, ist bekanntgeworden.“ „Das ist an sich höchst bedauerlich“, erklärte Oberst Lynn. „Bedauerlich deshalb, weil bisher bereits unzählige fliegende Untertassen gesichtet worden sind, ohne daß es – nach Ihren eigenen Angaben, Professor – bisher gelungen ist, auch nur einen einzigen Flugkörper zu identifizieren. Zwanzig Prozent aller Erscheinungen sind von militärischen und zivilen Radarstationen berichtet worden. Es muß hier ausdrücklich festgestellt werden, daß es sich bei den unerklärlichen Himmelserscheinungen keinesfalls um irgendwelche Geheimwaffen oder neue Flugzeugtypen handelt, die von den USA entwickelt worden sind. Weder irgendeine Wehrmachtsstelle noch eine Regierungsstelle führt geheime oder öffentliche Versuche mit fliegenden Objekten durch, die der Grund für die berichteten Erscheinungen sein könnten. Im Verteidigungsministerium gibt es auch keine Erklärung für die Himmelserscheinungen, von denen angenommen wird, daß sie von menschlichen Wesen erbaut wurden und gelenkt werden.“ „Solche geheimnisvollen Flugkörper werden sich wahrscheinlich beständig um die Erde bewegen“, sagte Oberst Whiters. „Es kommt allerdings nicht oft vor, daß sich die Raumschiffe so nahe an unsern Planeten heranwagen, daß sie als solche schon mit bloßem Auge zu erkennen sind.“ „Es wird Sie interessieren, meine Herren“, schaltete sich der General wieder ein, „daß ich jeden Augenblick einen Offizier 27
der Luftwaffe hier erwarte. Er ist nämlich auf der Jagd nach fliegenden Untertassen gewesen.“ „Und das sagen Sie jetzt erst, General!“ bemerkte Oberst Lynn. „Als Vertreter des Verteidigungsministeriums interessiere ich mich doch ganz besonders für solche Jagden’.“ „Wissen Sie übrigens, Gentlemen“, erklärte der General mit einem fast ironischen Lächeln, „daß wir viele solcher Einsätze im Ministerium auf dem Radarschirm verfolgen können? Es ist sogar schon ein Schmalfilm über solche Einsätze gedreht worden.“ In diesem Augenblick wurde der erwartete Pilot gemeldet. Gleich darauf trat er ein. Er wurde sofort von den anwesenden Delegierten in ein Kreuzverhör genommen. „Nun berichten Sie einmal, Leutnant!“ forderte der General den Flugzeugführer auf. „Haben Sie eine ‚Untertasse’ erbeuten können?“ „Leider nicht, Sir! Wenn das so leicht wäre, hätten es sicher vor mir schon andere Piloten getan.“ „Da haben Sie recht“, gab Oberst Lynn zu. „Doch Sie haben das Glück gehabt, mit heilen Knochen wieder zurückgekehrt zu sein, Leutnant. Was haben Sie nun beobachten können?“ „Nicht sehr viel. Ich flog in einer Höhe von dreitausend Metern, nicht weit vom Flugstützpunkt entfernt, als ich plötzlich ein helles, sich rasch bewegendes Licht vor mir bemerkte. Zuerst hielt ich es für eine Stichflamme eines Düsenjägers. Es waren außer mir ja noch mehr Maschinen gestartet. Doch dann wurde mir klar, daß kein Düsenflugzeug solche raschen, engen Kehren fliegen konnte. Während ich in Schräglage daraufzuflog, sah ich, daß das Licht eine merkwürdige blaue Färbung angenommen hatte. – Der unbekannte Flugkörper stieg schnell höher. Seinen hellen, bläulichen Schein konnte ich noch lange sehen. Ob er aus einem Auspuff oder von einem Licht am Flugobjekt selbst herrührte, vermochte ich nicht festzustellen.“ Der Pilot schwieg einen Augenblick, während aller Augen 28
auf ihn gerichtet waren. Jeder der Anwesenden war gespannt auf die Fortsetzung des Berichts. „Ist das alles, was Sie gesehen haben?“ fragte der General mit einer Unmutsfalte auf der Stirn. „Das wäre verteufelt wenig.“ „Hören Sie weiter, Sir! Plötzlich schoß das seltsame Etwas in einer komischen, flatternden Steilkurve weiter nach oben. Ich beobachtete es erstaunt. In wenigen Sekunden hatte es eine Höhe von fünftausend Metern erreicht. Dann kam es im Sturzflug wieder herunter.“ „Interessant!“ bemerkte Oberst Lynn. „Warum geschah das, Leutnant? Spannen Sie uns nicht weiter auf die Folter!“ „Ich verfolgte das UFO, so schnell ich konnte, denn es hatte mich plötzlich gepackt. Vielleicht gelang mir, was Captain Baker nicht gelungen ist? An das Ende dieses Staffelführers, das er gefunden hatte, dachte ich nicht, auch nicht daran, daß ich ein gleiches finden könnte. Das UFO schien plötzlich stillzustehen. Und dann merkte ich – dabei kroch mir so etwas wie eine Gänsehaut über den Rücken, daß das Ding direkt auf mich zuflog. Meine Höchstgeschwindigkeit ließ mir keine Zeit zum Wenden. Ja, meine Herren – es war kein angenehmes Gefühl, das mich beschlichen hatte, als ich das fliegende Gespenst auf mich zukommen sah. Ich glaube, daß ich in diesem Augenblick vor Schreck wie gelähmt gewesen bin.“ Wieder machte der Offizier der Luftwaffe eine Pause. Man sah es ihm an, daß er diesen furchtbaren Augenblick in seinem Innern jetzt noch einmal durchlebte. Dann fuhr er in seinem Bericht fort: „Blitzschnell kam mir meine hilflose Lage zum Bewußtsein. Ich glaubte mich verloren. An meinen Autopiloten dachte ich gar nicht. Sie müssen nämlich wissen, meine Herren, daß der Autopilot ein kleiner, unscheinbarer Apparat ist, der wahre Wunder vollbringt. Als Flugzeugführer braucht man eigentlich nur noch zu starten und 29
zu landen – das übrige besorgt der Roboter: er kurvt, er kreist, er stürzt, er sucht den Gegner und – beschießt ihn sogar.“ „Ja, das Dauersteuern einer mit Überschallgeschwindigkeit dahinsausenden Maschine kostet fast übermenschliche Anstrengung“, erklärte General Walker, den Piloten unterbrechend. „Deshalb wurde der ‚F-8-Autopilot’ erfunden. Sein ‚Gehirn’ ist ein System von Kreiselkompassen und Elektronenröhren, die Gegenwinde, Windböen und ‚Luftlöcher’ ausgleichen. Ohne menschliche Hilfe hält der Roboter jeden eingestellten Kurs. Der Flugzeugführer sitzt bequem daneben und ruht sich aus. Mit einem Druck kann er jederzeit in die mechanische Steuerung eingreifen. Mit Hilfe des Radar-Zielgeräts kann der Autopilot auch schießen und treffen. Er sucht automatisch nach dem Gegner. Wenn er ihn hat, fliegt er auf Schußweite heran, errechnet im Handumdrehen Vorhalt, ballistischen Widerstand und Windabdrift und eröffnet das Feuer.“ „Fabelhaft!“ lobte Professor Bensdorf. „Dann wird ein menschlicher Pilot beinahe überflüssig sein.“ „Man hat bereits erwogen, den Piloten völlig durch einen fliegenden Roboter zu ersetzen“, fuhr der General fort. „Raketen sind bereits eingesetzt worden; sie werden vom Boden aus gesteuert, nehmen ein entgegenfliegendes Ziel an und vernichten den Gegner.“ „Es sind die sogenannten ‚Drohnen’, General, von denen man allenthalben schon gehört hat“, erklärte Dr. Rengly lebhaft. „Doch ich glaube, General, davon berichten Sie uns später noch. Einstweilen sind wir gespannt auf die Fortsetzung des Rapports unseres Piloten hier.“ „Natürlich!“ gab der General zu, der bei seinen Erklärungen wieder einmal ganz in seinem Element gewesen war. „Also Leutnant, erzählen Sie bitte weiter!“ Der Pilot, der während der Erklärungen seines Vorgesetzten Platz genommen hatte, erhob sich wieder von seinem Stuhl und 30
fuhr mit seinem Bericht fort: „Wo war ich stehengeblieben? Ach so – das UFO, das zunächst auf mich zugeflogen war, schwenkte plötzlich ab und stieß seitwärts an mir vorbei. Ich sah es dann wieder ruckartig nach oben steigen. Dann war das unheimliche Ding in Bruchteilen von Sekunden verschwunden.“ „Unglaublich!“ preßte Dr. Rengly hervor. „Hat sich der Bursche nun einen Scherz mit Ihnen erlaubt, als er so plötzlich umkehrte, oder glaubte er, durch den Aufprall selbst zu unterliegen?“ „Wahrscheinlich wollte er mir nur einen Schrecken einjagen“, gab Leutnant Stirling zurück. „Was haben Sie sonst für Feststellungen machen können?“ fragte General Walker. „Keine anderen, als sie schon gemacht worden sind, Sir. Eine riesige Scheibe mit Feuerstrahlen – sonst nichts.“ „Von irgendeiner Besatzung haben Sie nichts bemerken können?“ „Nein, Sir.“ „Sie haben Glück gehabt, Leutnant! So nahe Tuchfühlung mit einem Weltraumschiff – und trotzdem unversehrt zurückkehren – das ist wirklich Glück! Na, ich gönne es Ihnen, Leutnant! Sie sind ein tüchtiger Pilot!“ „Ist erstaunlich, was Sie erlebt haben, Leutnant Stirling“. bemerkte Oberst Lynn. „Da klettert so ein Pilot, noch zitternd von der soeben überstandenen Gefahr, aus seiner Kanzel, und noch ehe er sich einen Whisky genehmigen kann, wird er von uns am Kanthaken gepackt und hierhergeschleppt. – Haben Sie übrigens von dem geheimnisvollen Untergang der DC-46 gehört, meine Herren? Das Flugzeug hatte achtzig Passagiere an Bord und flog über Harbor, Michigan. Es war eine stürmische Nacht mit Regenböen. Plötzlich tauchte am Himmel ein merkwürdiger Lichtschein auf. Als die Passagiere ihn sahen, ahnten 31
sie noch nicht, daß er ihnen den Tod bringen sollte. Kein SOSRuf hat je einen Anhaltspunkt dafür gegeben, wie das Verkehrsflugzeug tatsächlich vernichtet worden ist. Tags darauf bemerkte die Mannschaft eines Küstenfahrzeugs einen Ölfleck in der Nähe der Küste. Zwei Tage lang versuchten Taucher der Marine, aus dem Schlick in fünfzig Meter Tiefe etwas herauszuholen. Schließlich gaben sie es auf und ließen die Toten in ihrem Schlammgrab liegen. Inzwischen waren jedoch merkwürdig zerfetzte Wrackteile an die Oberfläche gekommen, die den Fragmenten der vor kurzem abgestürzten B-810 glichen. Es wurden aber keine Leichen und keine Wrackteile gefunden, die für eine Nachprüfung groß genug gewesen wären.“ „Ich habe darüber nachgedacht“, sagte General Walker, „was für einen Eindruck wohl Captain Bakers Tod auf die Piloten gemacht haben mochte, die nach ihm beauftragt wurden, UFOs zu verfolgen. Aber wahrscheinlich würde sich kein einziger lange besinnen, dasselbe zu tun, was Hauptmann Baker getan hat. Übrigens, Leutnant“, wandte sich der Beauftragte des Luftfahrtministeriums wieder dem Flugzeugführer zu, „haben Sie nicht versucht, Ihren Gegner zur Landung zu zwingen?“ „Wie sollte er das wohl tun?“ fragte Professor Bensdorf. „Durch Blinklicht, wenn man auf Bordfunk keine Antwort bekommt. Oder vielleicht durch einen Feuerstoß aus dem Bordgeschütz.“ „Das wäre das letzte, was ich täte“, antwortete Leutnant Stirling. „Es sei denn, der Gegner griffe mich an. Sonst wäre es glatter Selbstmord.“ „Und wenn Sie den Befehl zum Angriff bekämen, Leutnant?“ „Ja, dann wäre ich wohl gezwungen, es zu tun, obwohl es ein unsinniger Befehl wäre.“ „Sehen Sie“, erwiderte der General, „das habe ich auch Oberst Grussel gesagt, der das Geschwader, dem Hauptmann Baker angehörte, befehligte. Er hatte nämlich Schießbefehl erteilt.“ 32
„Dann wundert mich der Absturz des Captains Baker nicht mehr“, bemerkte Leutnant Stirling. „Wahrscheinlich wäre es mir genauso ergangen, hätte ich auf das Monstrum geschossen. Aber gottlob hat es uns unser Kommandant anheimgestellt, auf die Scheiben zu schießen oder nicht.“ „Sie hätten sicher auch nicht geschossen, General?“ wollte Professor Bensdorf wissen. „Nein, wahrscheinlich nicht. Vielleicht hätte ich gebetet.“ Die anderen mußten lachen. „Aber was hätten Sie als letzten Ausweg getan, General?“ „Ich weiß es nicht. Aber geschossen hätte ich vielleicht nicht. Wer kann wissen, ob solche Scheibe nicht eine einzige Raketenbombe ist, die nach dem Beschuß explodiert wäre!“ „Nehmen wir einmal an“, erklärte’ Oberst Lynn, indem er den Rauch seiner Zigarette von sich blies, „Sie fliegen einen Düsenjäger vom Typ F-98 mit einem Radargerät. Sie patrouillieren Ihre Runde ab. Der Abhördienst der Bodenkontrolle ruft Sie an. Er hat ein unbekanntes Objekt auf seinem Schirm. Es ist ein sogenannter Überwachungsschirm mit längerer Reichweite als der übliche. Darauf ist nun zu sehen, daß das UFO engere Kehren fliegt und weit höhere Geschwindigkeiten entwickelt als das Ihre, als unsere Typen. Sie werden also gewarnt. Was würden Sie tun, Leutnant Stirling? Würden Sie beidrehen, die Untertasse verfolgen, jagen, versuchen sie zur Landung zu zwingen, beschießen?“ „Ich würde das UFO natürlich verfolgen, vielleicht jagen und auch noch versuchen, es zur Landung zu zwingen, – aber schießen? Nein! Ich sagte es schon.“ „Und wenn es ein Feind wäre?“ „Woran wollen Sie das erkennen, Oberst?“ „Wenn das Ding auf nichts reagiert.“ „Das ist kein Beweis. Vergessen Sie nicht, Oberst, daß es nicht Menschen unserer Art sind, die uns als Gegner gegenü33
berstehen. Wir wissen nicht, was es für Wesen sind, ob und wie sie miteinander reden, ob sie die Dinge so sehen wie wir, ob sie so logisch denken, wie wir es tun, oder ob sie uns verstandesmäßig weit überlegen sind, vielleicht Gedanken lesen, ins Herz schauen können, und was weiß ich noch alles vermögen, wozu wir nicht imstande sind. Wir stehen hier etwas völlig Unbekanntem, Überirdischem, Unerklärlichem Unfaßbarem gegenüber. Menschliche Maßstäbe können wir ebensowenig anlegen wie menschliche Gedanken dabei spielen lassen. Das ist ja das Furchtbare. Man sieht so eine Scheibe vor sich kreisen, merkt, wie man geradezu zum Narren gehalten wird, und weiß nicht, was man tun, wie man reagieren soll.“ „Sicher ist“, gab Oberst Whiters zu, „daß ein Verstand dieses UFO kontrolliert. Selbst wenn es unter Fernkontrolle steht, muß es ein Fernsehauge oder so etwas Ähnliches haben. Auf jeden Fall erkennen sie ihre Gegner, beobachten sie und versuchen, sich ihrer im Notfall zu entledigen.“ „Das ganze amerikanische Volk ist über die Untertassen schon in Verwirrung geraten. Es muß dringend etwas geschehen, damit es kein Chaos gibt.“ „Wissen Sie, was nach dem Unglücksfall mit Captain Baker alles über dessen Absturz und seine Ursache gefaselt worden ist?“ fragte Whiters mehr sich selbst als die Anwesenden. „Die Zeitungen brachten in großer Aufmachung Berichte über die Tragödie. In einer Meldung hieß es sogar, Baker sei von einem geheimnisvollen Todesstrahl durchbohrt worden. Nach, einer anderen wurde er von den unbekannten Wesen, den ‚Marsbewohnern’, ‚gefangengenommen’ und ‚verschleppt’. Die Luftwaffe trug auch nicht dazu bei, den Fall in der Öffentlichkeit restlos zu klären.“ „Dazu war sie gar nicht imstande“, verteidigte sich der General. „Was hätten wir der Öffentlichkeit über die Ursache des Unglücks schon sagen können? Oder sollten wir Fotos von Bakers 34
verstümmelter Leiche abdrucken lassen und damit jedes Gefühl von Anstand und Moral verletzen?“ „Wie verlautet, soll der geheimnisvolle Weltkörper nicht nur von anderen Piloten derselben Staffel, sondern auch von Zivilisten beobachtet worden sein“, gab Professor Bensdorf bekannt, indem er wieder seinen grauen Kinnbart streichelte. „Das UFO wurde über verschiedenen Ortschaften gesichtet.“ „Wenn es nur die eine Scheibe wäre, die über den Staaten kreuzte“, sagte Leutnant Stirling nach einer kurzen Pause. „Aber es sind leider unzählige, die uns zu schaffen machen. Erst vor wenigen Tagen erzählte mir der Pilot einer Verkehrsmaschine, daß er von einer Untertasse bei seinem letzten Flug geradezu verfolgt worden sei. ‚Jedesmal wenn ich versuchte, abzudrehen’, berichtete er, ‚bog sie ein, folgte weiter. Dasselbe geschah, wenn ich die Maschine hochriß, um nach oben zu entkommen. Anfangs war ich sprachlos vor Erstaunen. Dann sah ich ein, daß wir hilflos wären, wenn uns das Ding angreifen würde. Mir trat der Angstschweiß auf die Stirn, bis es plötzlich abdrehte und uns in Ruhe ließ.’ Schon möglich, daß die Untertassen uns friedlich gesinnt sind – aber ich wünsche bei Gott, daß sie unseren Verkehrslinien fernbleiben.“ „Das wünschen wir auch, Leutnant“, gab Oberst Lynn zu. „Wenn ein UFO seine Geschwindigkeit nicht herunterschraubt, hat man überhaupt keine Chance, an das Ding heranzukommen. Und dann stellen Sie plötzlich fest, daß man Sie bemerkt hat, daß man hinter Ihnen her ist. Hinter einer MIG herjagen ist etwas ganz anderes. Da wissen Sie, was zu tun ist. Wenn Sie den Gegner ins Visier bekommen, können Sie losknallen. Aber bei einer Untertasse müssen Sie anders vorgehen. Schießen ist zu gefährlich. Hinterherjagen? Gut! Aber wie lange? Das Phänomen kann mehr als Sie. Es ist wie ein Spatz, der einen Maikäfer in der Luft umkreist, um nach einer gewissen Zeit zuzuschnappen.“ 35
„Es ist bekannt“, bestätigte General Walker, „daß UFOs unzähligemal unsere Jäger und Bomber umkreisten. Anfangs wurde angenommen, daß es sich bei ihnen um eine neue deutsche Waffe handelte. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, als die Untertassen mehr denn je auftauchten, mußte diese Annahme fallengelassen werden. Deutschland war ja entwaffnet. Überdies war es unmöglich, eine Erklärung für diese Erscheinungen zu finden. Die unbekannten Flugobjekte waren unseren modernsten Flugzeugen um ein Vielfaches überlegen, nicht nur in bezug auf die technische Einrichtung, auf die ganze Struktur usw. sondern auch in bezug auf die physikalischen und biologischen Verhältnisse. Ein Mensch würde bei solchen Geschwindigkeiten nicht mehr aktionsfähig sein.“ „Hat man eigentlich außer unseren neun Sonnenplaneten noch weitere Planeten festgestellt, die möglichenfalls bewohnbar sind?“ fragte Oberst Lynn den Raumforscher. „Außerhalb unseres Sonnensystems hat man – bis heute – noch zweiundzwanzig Satellitenplaneten beobachtet. Ob diese wie die Erde bewohnbar sind, kann man natürlich nicht ermitteln. Das hat man ja bis heute noch nicht einmal bei den Planeten unseres Sonnensystems einwandfrei beobachten können. Sicher ist, daß unter ihnen die Erde sicher die idealsten Lebensmöglichkeiten bietet. Es kann aber sein, daß es Wesen gibt, denen andere biologische und physikalische Verhältnisse besser zusagen als die uns bekannten. Darüber weiß aber Dr. Rengly besser Bescheid.“ „Man nimmt an“, erklärte dieser, während er seine Hornbrille nervös auf- und absetzte, „daß es unter den zweiundzwanzig Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zumindest einige gibt, die die gleichen guten Lebensbedingungen aufweisen wie unsere Erde. Und nach der Theorie, daß der Mensch auf der Erde den Durchschnitt der Aufwärtsentwicklung repräsentiert, muß angenommen werden, daß es Weltkörper gibt, auf denen sich menschenähnliche Wesen befinden, die uns in der Ent36
wicklung weit überlegen sind. Daraus ergibt sich von selbst, daß die Rasse, die zur Erkundung der Erde vorstößt – sofern es sich bei den Insassen der fliegenden Untertassen um menschenähnliche Wesen von anderen Gestirnen handeln sollte –, den Erdbewohnern in der Entwicklung weit voraus sein muß. Vernünftige Geschöpfe können im All mehr vorhanden sein, als wir schlechthin annehmen.“ „Meine Herren“, bekundete der Leiter der Sonderkommission. „Ich muß feststellen, daß wir um das Rätselraten nicht herumgekommen sind. Das Ergebnis unserer bisherigen Besprechungen ist folgendes: Wir wissen nicht, woher die rätselhaften Raumschiffe kommen und was sie bezwecken. Wir wissen nicht, wer sie gebaut hat und wer sie leitet. Mit Annahmen allein können wir keinen Abwehrdienst schaffen.“ General Walker seufzte. „Es ist richtig, was Sie sagen, Oberst. Niemand kann sagen, um was es sich bei den UFOs handelt. Solange solch Himmelskörper nicht unversehrt in unsere Hände gerät, wird das ewige Rätselraten nicht aufhören.“ In diesem Augenblick betrat ein Diener den Sitzungssaal. Er überreichte dem Vorsitzenden des Komitees auf einem silbernen Tablett ein Telegramm. Oberst Whiters öffnete den Umschlag und überflog den Inhalt, wobei sein Gesicht immer länger wurde. „Hören Sie, meine Herren“, sagte er danach mit erregter Stimme. „Soeben erhalte ich vom Geheimdienst aus Washington eine Depesche folgenden Inhalts: Landung einer fliegenden Untertasse bei Stanley Idaho – stop – noch bevor Luftwaffe eingreifen konnte, ging Scheibe wieder in die Höhe – stop – UFO blau-weiß glühend – stop – Verfolgung unmöglich – stop. Was sagen Sie dazu? Eine Landung. So weit ist es also schon! Es wird vielleicht nicht mehr lange dauern, bis wir ganze Geschwader auf dem Halse haben.“ 37
Nach dieser Erklärung trat eine Pause in der Unterhaltung ein. Jeder hing seinen Gedanken nach. Professor Bensdorf wollte gerade eine Erklärung abgeben, als das Telefon läutete. Oberst Whiters meldete sich. Er sprach eine Weile. Dann sagte er, an die Sitzungsteilnehmer gewandt: „Meine Herren, es gibt eine große Überraschung für Sie! Sie werden jetzt fliegende Untertassen auf dem Radarschirm verfolgen können. Kommen Sie bitte in den Vorführraum! Dort werden wir bereits erwartet.“ Die Delegierten begaben sich in den Vorführraum. Es war ein langer, nur schwach beleuchteter Saal. Der Hauptschirm war ein mit einer Phosphorschicht überzogenes rundes Glas im Durchschnitt von etwa einem Meter. Über diese Glasfläche kreiste wie ein Uhrzeiger ein purpurroter Strich, der sogenannte „Wischer“. Die Eingeweihten wußten, daß die Umdrehungen des Wischers mit den Drehungen einer riesigen Antenne übereinstimmten. Die Peilung des Wischers zeigte die Peilung des Richtstrahls an, den die Antenne übertrug. Augenblicklich verfolgte die Zentrale ein Passagierflugzeug. Wenn der sich drehende Strahl auf die Maschine traf, wurden Echo und Rückstrahlung vom Empfänger der Antennenstation angezeigt. Mehrfach verstärkt bildeten diese einen kleinen runden Fleck, wie ein Bläschen, auf der Oberfläche des Kathodenstrahlenschirms. Alle zehn Sekunden blitzte ein neues rotes Bläschen auf und zeigte so die veränderte Position der Verkehrsmaschine an. Mit Hilfe der Bahn, die die Bläschen auf dem Schirm beschrieben, war es leicht, den Kurs der Maschine auszumachen. Das Glas hielt sieben Bläschen fest. Die fremden Maschinen schienen jäh aufgetaucht zu sein. Sie waren zwischen den Umdrehungen des Wischers mit ungeheurer Geschwindigkeit in das überwachte Gebiet eingeflogen und hatten dann ihr Tempo verlangsamt. „Untertassen!“ sagte der Kontrolleur zu den anwesenden 38
Herren. „Achten Sie jetzt auf den Bildschirm dort! Einige Düsenjäger sind hinter ihnen her. Sie sind mit Bildfunk ausgerüstet und werden das, was sie ausmachen, über den Äther nach unten schicken.“ Der Bildschirm leuchtete auf. Erst sah man einige leuchtende Punkte, die sich aber schnell vergrößerten. Dann nahmen die Punkte Formen an; sie waren länglich-rund und wechselten die Farbe. General Walker war sichtlich beunruhigt. Er setzte sich mit der Luftverteidigung in Verbindung, während die anderen den Flug der Scheiben auf dem Fernsehschirm gespannt verfolgten. Dann brach die Sendung plötzlich ab. Die Männer sahen sich verdutzt an. „Wahrscheinlich konnten die Burschen mit dem Fernsehgerät nicht mehr festgehalten werden“, meinte Leutnant Stirling. „Möglich! Dann werden wir sie auf dem Radarschirm weiter verfolgen“, schlug Dr. Rengly vor. Mehrere Minuten verfolgten sie schweigend die Spur der Untertassen, von denen sich eine an die zuerst gesichtete Passagiermaschine anhängte. Bisher war die Geschwindigkeit der Scheiben fünfhundert Stundenkilometer gewesen. Dann verschwanden plötzlich die Bläschen auch auf dem Radarschirm. Die zuletzt eingefangene Untertasse war zwischen den Umdrehungen des Wischers aus dem Bereich des Radars hinausgesaust. Das bedeutete, daß sie innerhalb weniger Sekunden die Geschwindigkeit von fünfhundert auf über zweitausend Stundenkilometer gesteigert hatte. „Merkwürdig“, brummte der General. „Wo sind die Düsenjäger geblieben? Ich werde mich sofort mit der Luftverteidigung in Verbindung setzen und um Aufklärung bitten. Dort stand man mit ihnen in Funkverbindung.“ Nach kurzer Zeit trat er wieder zu den anderen. „Stellen Sie 39
sich vor, meine Herren“, sagte er. „Zwanzigtausend Stundenkilometer hat man bei den Untertassen berechnet. An ihrer Flugtechnik war klar ersichtlich, daß sie gelenkt wurden, entweder von menschenähnlichen Wesen oder von Robotern. Die Piloten mußten angesichts solcher Geschwindigkeit umkehren. Was können wir tun, Gentlemen? Nichts! Gar nichts! Wir können den Flug der Scheiben nur verfolgen und – ja, und beten, daß sie keinen Angriff planen.“ „Wenn sie in friedlicher Absicht gekommen sind“, nahm Professor Bensdorf das Wort, „warum zeigen sie sich nicht? Warum landen sie nicht?“ „Das ist leicht zu erklären“, erwiderte Oberst Whiters. „Wahrscheinlich zeigen sie sich deshalb nicht, weil sie befürchten, hier festgehalten zu werden.“ „Vielleicht glauben sie auch, den Lebensbedingungen der Erde nicht gewachsen zu sein. Innerhalb ihres Raumschiffes werden sie Vorrichtungen haben, die Verhältnisse schaffen, die denen ihres Planeten ähneln. Wir machen es ja auch so bei unseren Raumschiffen.“ „Das mag zutreffen“, sagte Dr. Rengly. „Wenn wir wüßten, daß der Mond bewohnt wäre, würden wir wahrscheinlich auch erst versuchen, Näheres über die Einstellung der Mondbewohner uns, den fremden Eindringlingen, gegenüber zu ermitteln.“ „In der Nacht zum achtzehnten Mai wurde über Portland auch eine Untertasse mit bläulich-grünem Licht gesichtet“, berichtete der General. „Ein paar Minuten später wurde sie vom Radarschirm der Bodenkontrolle aufgefangen. Als man einen Jäger auf das Ungeheuer losjagte, sah dieser das unheimliche Licht und schloß sich mit seinem eigenen Radargerät ebenfalls an. Aber seine Düsenmaschine blieb hoffnungslos hinter dem pfeilschnellen Objekt zurück. Dieser Pilot, meine Herren“, ergänzte Walker mit ernstem Gesicht, „hatte vordem über Berichte über Untertassen sarkastisch gelächelt. Er hat sie stets, 40
wie es viele Leute heute noch tun, für Freiballons oder sonstige erklärliche Himmelserscheinungen, wie Kugelblitze und dergleichen, gehalten. Doch nach seiner ersten und letzten Begegnung mit solch einer Scheibe lachte er nicht mehr. Er weiß jetzt, daß er ohnmächtig einem unbekannten Gegner gegenübersteht. Es ist ein beängstigender Gedanke, daß die Luftwaffe auch noch nicht in der Lage ist, die unbekannten Flugobjekte zu identifizieren.“ Der Diener übergab dem Leiter der Konferenz ein neues Telegramm. Es war vom Präsidenten der USA-Raketengesellschaft und lautete: Untertassen unmöglich irdische Raumschiffe – stop – empfehle, keine Angriffshandlungen vorzunehmen, sondern freundschaftliche Beziehungen mit ihnen anzuknüpfen – stop – „Ja“, erwiderte Oberst Lynn. „Wir sind natürlich daran interessiert, eine mögliche Bedrohung der Vereinigten Staaten abzuschätzen und festzustellen. Bisher haben wir aber nichts gefunden, was nach irgendeiner Invasion aussieht. Jedenfalls ist erwiesen, daß die sogenannten Untertassen Wirklichkeit sind. Sie sind Maschinen von umwälzender Art. Es gab und gibt jedoch keine Anzeichen dafür, daß sie gefährlich oder feindlich sind. Wir wissen nicht, woher sie kommen. Wir sind indes sicher, daß sie nicht aus irgendeinem Lande der Erde stammen. Wahrscheinlich kommen sie von irgendeinem anderen Planeten und erkunden auf freundschaftliche Weise die Erde, ehe sie Verbindung mit uns aufnehmen.“ „Was würden Sie tun, Oberst“, fragte Dr. Rengly, „wenn plötzlich eine Untertasse auf der Erde landete und sich Insassen zeigten?“ „Nun, das ist doch einfach: Ich würde sie fragen, was sie vorhaben und was sie von uns wollen.“ „Sie würden sicher noch mehr tun, Oberst, als sie nur fragen; Sie sind doch vom Verteidigungsministerium und würden 41
wahrscheinlich Näheres über die technische Einrichtung der Scheibe wissen wollen – stimmt’s?“ „Ich gebe es zu, Mister Rengly, daß ich das Begehren äußern würde.“ „Und wenn man sich weigerte, ihm stattzugeben?“ „Dann befürchte ich, daß man die Raumschiffinsassen zwänge, ihr Fahrzeug zur Besichtigung freizugeben.“ „Da haben wir’s!“ rief Professor Bensdorf aus. „Auf der einen Seite die Weigerung, ihre technischen Geheimnisse preiszugeben – auf der anderen der Zwang, es zu tun! Und die Folge? Kampf! Krieg! Man kann niemand zwingen, etwas zu tun, was er nicht zu tun gewillt ist, Oberst. Sie würden auch nicht die Geheimnisse Ihres Ministeriums preisgeben. Wenn man Sie dazu zwänge, würden Sie sich zur Wehr setzen. Was meinen Sie, General?“ „Dasselbe, Professor! Zwang löst stets Gegenmaßnahmen aus, und diese Gegenmaßnahmen kennt man bei den Insassen der Untertassen noch nicht, denn bisher haben sie noch keinen Angriff auf die Erde vorgenommen.“ „Damit, meine Herren, kämen wir zum Schluß unserer heutigen Sitzung“, erklärte der Leiter der Sonderkommission. „Er gipfelt in folgender Resolution: Die Natur der sogenannten Untertassen ist noch unbekannt. Unbekannt ist auch die Absicht der UFOs. Daher sollen Angriffshandlungen auf sie so lange unterbleiben, wie sie selbst nicht angreifen. Offene Angriffshandlungen auf die rätselhaften Flugobjekte könnten zu einem der furchtbarsten Kriege führen und den Weltuntergang bedeuten.“ „Noch eins hätte ich gern gewußt“, erkundigte sich der General, indem er auf die beiden Gelehrten Professor Bensdorf und Dr. Rengly blickte. „Wie erklären Sie sich den Farbenwechsel der Scheiben?“ „Ich glaube, ich kann ihn erklären“, sagte Dr. Rengly – dann, mit einem Blick auf den Raumforscher: „Allerdings möchte ich Professor Bensdorf nicht vorgreifen.“ 42
Dieser schüttelte den Kopf: „Ich bin selbst auf Ihre Erklärung neugierig, Herr Kollege. Bitte lassen Sie sich nicht lange nötigen!“ „Es ist klar“, hob der Astrophysiker an, „daß die meisten der Lichtreflexe von der Rotation der Scheibe verursacht werden. Manchmal wird auch eine strahlenartige Entladung die Ursache sein. Wahrscheinlich sind viele Scheiben gar nicht sichtbar, besonders wenn sie nachts operieren. – Nehmen wir an, ein rotierender Ring fängt an, sich schneller zu drehen, so daß er sich infolge Bewegung durch das magnetische Feld heißläuft. Zuerst würde man in der Dunkelheit ein blasses Rosalicht sehen, wenn die Geschwindigkeitsbeschleunigung nicht zu abrupt wäre. Dann würde sich die Farbe in Hellrot verwandeln, in Orangerot und über Gelb in den weißen Glanz glühender Metalle. Wenn man nämlich ein Stück Metall erhitzt, durchläuft es dieselben Stadien. Wenn nun die Rotation des Ringes stark beschleunigt würde, könnte das menschliche Auge die schnelle Veränderung nicht wahrnehmen. Es würde zu schnell von Rot auf Weiß übergehen. Wenn aber die Rotation plötzlich verlangsamt oder gestoppt wird, würde die kühlende Wirkung der Luft, besonders bei hoher Geschwindigkeit, schnell eintreten. Die Farben kommen mithin vom Effekt der Entladungen. Unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen stellen sich die Farben des Polarlichts ein. Bei verschiedenen Höhenlagen bekäme man wechselnde Farbtöne. So würde man in verhältnismäßig geringer Höhe, wo jede strahlenartige Entladung sehr kurzwellig ist, ein blau-weißes Licht sehen. Etwas höher wäre es bläulich-grün oder ganz grün. Und endlich käme man auf die normale Farbenskala einer strahlenartigen Entladung: Rot, Orange, Gelb, Grün und Blau.“ „Das wäre allerdings eine einleuchtende Erklärung, zugleich ein Beweis dafür, daß die Scheiben rotieren“, meinte der General. 43
„Es erklärt auch die Tageserscheinungen“, fuhr der Astrophysiker fort. „Aus den bisherigen Berichten geht einwandfrei hervor, daß die Scheiben aus silberfarbenem Metall bestehen. Im Sonnenschein glänzen sie wie unsere Flugzeuge. Trotzdem gibt es auch während des Tages Farbenänderungen, wenn die Untertassen plötzlich ihre Geschwindigkeit erhöhen. Von vielen wurde berichtet, daß sie erst rot, dann weiß würden. Natürlich ist es viel schwieriger, im Sonnenschein Farbenwechsel festzustellen.“ „Wäre es denn möglich“, fragte Leutnant Stirling, „daß menschenähnliche Wesen solche Hitze in den Untertassen aushalten können?“ „Es kann sich um Wesen handeln, die große Hitzegrade und starke Beschleunigungen aushalten“, führte Dr. Rengly weiter aus. „Vielleicht sind auch die Kabinen so isoliert, daß die Hitze von außen völlig abgeschirmt wird. Vielleicht haben die Geschöpfe auch ein besonderes, uns noch unbekanntes Kühlsystem. Ich nehme jedoch an, daß die meisten Untertassen ferngesteuert sind und nur Roboter enthalten. Die Roboter würden sich wahrscheinlich auch dann in der Scheibe befinden, wenn diese außerdem noch bemannt ist.“ „Roboter allein würden doch nicht verstandesmäßig wie ein Mensch auf bestimmte Eindrücke reagieren können“, erklärte der General. „Wenn Sie sagen ‚Eindrücke’, muß ich widersprechen, Genera!“, erwiderte Dr. Rengly. „Schon bei uns gibt es Roboter mit Elektronengehirnen, die auf Reize reagieren, die wir überhaupt noch gar nicht wahrnehmen. Sie hätten besser sagen müssen ‚Empfindungen’ und ‚Gefühle’. Ein Maschinenmensch hat sie natürlich nicht. Er kennt weder Freude noch Verdruß. Er leidet unter keinen Verstimmungen und Launen. Bei ihm funktioniert alles automatisch. Für jeden Reiz ist eine besondere Elektronenzelle da, ähnlich wie bei uns Gehirnzellen. Aber dar44
auf heute weiter einzugehen, würde zu weit führen und uns auch von unserem Thema zu sehr abbringen. Sicher ist, daß wir uns noch auf große Überraschungen werden vorbereiten müssen. Wenn uns die unbekannten Wesen im Bau von Raumschiffen weit überlegen sind, werden sie es auch in der Konstruktion von Robotern sein. Ich bin davon überzeugt, wenn je einmal eine Untertasse hier landen und sich uns frei zeigen würde, daß ihre Insassen jeden etwaigen Angriff unsererseits abwehren können. Vielleicht sind sie sogar gegen Atom- und Wasserstoffbomben gefeit! Vergessen wir nicht, meine Herren, daß die Raumschiffe aus einem Stoff gebaut sind, den wir nicht kennen. Bei uns gibt es ja auch schon kugelfeste Panzerwesten und Schutzanzüge gegen Radioaktivität und große Hitze. Warum sollten nicht auch die Lebewesen anderer Sterne darüber verfügen?“ „Über dieses Thema könnten wir noch stundenlang diskutieren“, erklärte Oberst Whiters. „Doch wir kämen nicht weiter, da unsere Weisheit nur auf Hypothesen beruht. Warten wir ab, meine Herren! Vielleicht sind wir der Lösung des Problems näher, als wir zu hoffen wagen.“ „Soll das heißen, Oberst, daß Sie an eine Landung solcher Untertasse im Ernst glauben?“ „Nach den vorliegenden Berichten, worüber wir bereits gesprochen haben, sollen bereits einige UFOs gelandet sein. Doch, wie gesagt, außer Fragmenten und angeblich auch einigen menschenähnlichen Leichen hat man nichts gefunden. Hoffentlich bekommen wir einmal eine unbeschädigte Untertasse zu Gesicht.“ Oberst Whiters ahnte nicht, wie schnell sich seine Hoffnung erfüllen sollte. Schon in den nächsten Tagen trat ein Ereignis ein, das den ganzen Kontinent in Erregung versetzte.
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4. Kapitel „Mummy – heute bleiben wir ein bißchen länger aus!“ rief Bill, ein etwa zwölfjähriger Junge, seiner Mutter zu, indem er auf seinen Schimmel stieg, „Wir wollen nämlich ein Wettreiten veranstalten.“ „Vater hat euch doch befohlen, zur Koppel zu reiten und euch dort nützlich zu machen.“ „Das tun wir auch noch, Mummy. Der Tag ist doch noch lang.“ „Reitet aber nicht so weit, Bill! Es treibt sich in der Gegend immer Gesindel herum, und man kann nie wissen.“ Bill lachte, und seine um ein gutes Jahr ältere Schwester Sylvia, die auf ihrem Braunen angeritten kam und die letzten Worte der Mutter mit angehört hatte, stimmte in das herzhafte Lachen mit ein. Sie kannte ihre Mutter, die immer gleich so besorgt war und ihre beiden Kinder am liebsten den ganzen Tag um sich haben möchte. Doch heute war einmal wieder schulfrei, und das mußte man doch ausnutzen! Sonst mußten sie immer jeden Morgen früh mit dem Omnibus, der eigens für die Farmerskinder eingesetzt war, nach der Schule fahren, die sich in Toldo befand. „Du brauchst dich wirklich nicht um uns zu ängstigen, Mummy“, tröstete Sylvia, indem sie ihr Pferd tätschelte. „Wir lassen uns von keinem Banditen überfallen. Und im übrigen verfügen wir ja auch über schnelle Pferde.“ „Schnelle Pferde haben die Kerle auch, Sylvia. Seht euch nur vor. Wann seid ihr denn wieder zurück?“ „Gegen Abend, Mummy. Wir wollen doch auch noch zur Koppel reiten. Hoffentlich trudelt Jack bald ein! Er kann mal wieder nicht pünktlich sein.“ „Wahrscheinlich ist er mit seinen Schulaufgaben noch nicht fertig“, meinte Bill. 46
„Habt ihr sie denn schon gemacht?“ fragte die Mutter, wobei sie besonders ihren Sohn fragend anschaute. Dieser tat verlegen. „Och, Mummy – ich brauche bloß noch ein paar Rechnungen niederzuschreiben. Das kann ich heute abend noch.“ „Du sollst dich schämen, Bill!“ tadelte die Mutter mit strenger Miene. „Heute habt ihr schulfrei – da konntest du deine Schularbeiten längst fertig haben. Was soll der Lehrer denken, wenn du die Rechenaufgaben nicht gelöst hast!“ Sylvia lachte schallend. „Ach, Mummy – der denkt sich sein Teil! Er kennt doch den Bill und weiß, daß dieser lieber auf seinem Schimmel statt vor dem Schreibtisch oder auf der Schulbank sitzt.“ „Kunststück!“ verteidigte sich Bill. „Schließlich will ich doch mal Rancher und kein Stubenhocker werden.“ „Du solltest aber auch an die Schule denken, Bill!“ ermahnte die Mutter ihren Sohn, obgleich aus ihrem Gesicht der ernste Ausdruck schon wieder verschwunden war. Sie wußte, daß Bill mehr vom Round-up als von der Mathematik verstand. Sylvia dagegen war stets fleißig in der Schule, obwohl sie im Reiten dem Bruder kaum nachstand. „An die Schule muß ich sonst genug denken, Mummy. Heute ist ja kein Unterricht – Gott sei Dank!“ „Seid nicht so wild, Bill! Wenn ihr vom Pferde stürzt, könnt ihr tot sein.“ „So schnell nicht, Mummy. Nur keine Bange! Was sagt Daddy doch immer? Ach so: Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten.“ Plötzlich wurde Pferdegetrappel laut, das mehr und mehr anschwoll. Gleich darauf wurde ein Reiter sichtbar. Es war Jack Gordon, der von den Geschwistern erwartet wurde. Er war etwas kräftiger als Bill gebaut. Auffallend waren die vielen Sommersprossen in seinem Gesicht; sie gaben seinen Mitschülern auch oft Anlaß zu Hänselelen. 47
Als er die drei erreicht hatte, verhielt er seinen Gaul, der schnaubend auf die Hinterhand ging. „Guten Tag miteinander!“ rief er lachend. „Ihr habt schon auf mich gewartet?“ „Wir müssen doch immer auf dich warten“, erwiderte Bill schmollend. „Kannst du denn überhaupt nicht einmal pünktlich sein?“ „Entschuldigt, Kinder! Aber ihr kennt doch Pa! Wenn ich mich nicht immer heimlich davonmache, komme ich nie weg. Immer gibt es dieses und jenes noch zu verrichten.“ „Nun hörst du’s, Bill!“ sagte die Mutter, an ihren Sohn gewandt. „Jack muß mehr schaffen als du. Er wird nicht so oft in der Weltgeschichte herumreiten können wie du.“ „Hast du ’ne Ahnung, Mummy! Wenn Jack zur Koppel reiten muß, macht er absichtlich Umwege, oder er treibt einige widerspenstige Bullen davon, nur damit er sie später wieder einfangen kann.“ „Ihr seid die reinsten Gauner, Bill! Eigentlich müßte ich es euch nicht erlauben, heute in die Wildnis zu reiten. Wenn Vater erfährt, daß ihr wieder auf und davon seid, wird er schimpfen.“ „Laß ihn nur schimpfen, Mummy! Er meint es nicht so und ist im Grunde doch ein guter Papa – nicht wahr, Sylvia?“ Das Mädchen, das sich bisher mehr ihrer Stute als dem Jugendfreund gewidmet hatte, sah nur flüchtig auf. „Wie lange wollt ihr nun eigentlich noch schwatzen? Wahrscheinlich soll Dadd erst kommen und uns einen Strich durch die Rechnung machen. Es ist schon beinahe zwei Uhr. Um fünf wollen wir doch zurück sein.“ „Sylvia hat recht“, preßte Jack hervor. „Wir müssen jetzt verschwinden, sonst kommt dein Alter – Pardon! –, will sagen dein Vater – und dann ist’s aus mit unserem Match.“ Bill sprang auf seinen Schimmel. Dann schwenkte er noch einmal den breiten Stetson und preschte davon, gefolgt von 48
Jack und Sylvia. Hinter einer Staubwolke entschwanden die drei Reiter schnell den Blicken der ihnen nachschauenden Ranchersfrau. Kopfschüttelnd ging diese in das Haus zurück. Die drei Kinder jagten über die Prärie – voran Bill, der glaubte, den Sieg schon in der Tasche zu haben. Zehn Minuten galoppierten die drei Reiter über saftige Weiden. Dann wurde die Landschaft abwechslungsreicher. Einzelne Baumgruppen traten auf. Dazwischen stiegen Felszacken in die Höhe. Hinter einer Anhöhe verhielten sie ihre Pferde. Die Landschaft nahm nach Westen zu Wüstencharakter an. Zwischen nackten Felsen lagen ausgedehnte Sandflächen, die nur spärlichen Pflanzenwuchs zeigten. Hohe Säulenkakteen bewiesen, daß man sich der mexikanischen Grenze näherte. Die Kinder stiegen von ihren Pferden, pflockten sie an und ließen sich dann hinter Dornengestrüpp auf den Boden nieder. Es war sehr warm. Die Sonne sandte sengende Strahlen auf die trockene Sandfläche. „Ist eine Verrücktheit“, sagte Sylvia, indem sie einzelne Blätter von dem vor ihr stehenden Busch zupfte, „bei der Hitze heute ein Wettrennen zu veranstalten.“ „Du bist ein Feigling, Sylvia!“ stieß Bill ärgerlich hervor. „Hältst du uns etwa für Memmen?“ „Davon war nicht die Rede. Wenn ihr euch messen wollt, dann tut es nur! Ich werde mich auf das Zuschauen beschränken.“ Sylvia lag langausgestreckt auf dem Boden und sah blinzelnd in den Himmel. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Ein glänzender Punkt, der schnell größer wurde, hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. „Schaut dort!“ rief sie ihren beiden Gefährten zu, indem sie nach oben deutete. „Was könnte das sein?“ Bill und Jack sahen in die Richtung, wo sie sofort den glänzenden Punkt erkannten. 49
„Vielleicht ist’s ein Flugzeug oder ein Ballon!“ meinte Jack leichthin. Bill schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Ein Flugzeug ist nicht so hoch, und dann würde man auch das Motorengeräusch hören.“ „Bei der Entfernung? No, Bill! Und übrigens könnte man das Geräusch erst dann vernehmen, wenn das Flugzeug vorbeigeflogen ist.“ „Vorausgesetzt, daß es ein Düsenjäger mit Überschallgeschwindigkeit ist!“ ergänzte Bill. Dann zuckte er plötzlich zusammen. Er war bleich geworden. „Mensch, Jack!“ schrie er. „Weißt du, was das sein könnte? Ja – schaut doch mal genau hin! Das Ding ist rund, sieht wie ein Teller aus. Das ist – Herrgott! Das ist eine – Untertasse!“ „Eine fliegende Untertasse?“ fragte Sylvia verblüfft. „Und du glaubst, die würde hier einfach landen können?“ „Warum denn nicht? Hier wäre es doch geradezu ideal – fern von der Zivilisation!“ „Ich glaube nicht, daß das Ding hier landen wird“, meinte Sylvia. „Bisher ist doch noch nie ein Raumschiff hier gelandet.“ „Aber woanders soll es schon geschehen sein.“ „Was sollen wir tun, wenn die fliegende Untertasse nun wirklich hier landen sollte?“ fragte Sylvia ein wenig beklommen. „Nichts! Abwarten!“ erwiderte Jack. „Hast wohl Angst, Mädel? Glaubst wohl, in dem Ding wären Menschen drin? No, es wird unbemannt sein – wie viele unserer Raketenflugzeuge.“ „Es kommt näher!“ rief Sylvia aus und sprang auf die Füße. Ängstlich sah sie sich nach einem geeigneten Schutz um. „Ja, er kommt näher!“ bestätigte Jack. „Kinder! Das ist doch fein!“ „Hast du denn gar keine Furcht, Jack?“ fragte Sylvia erstaunt. 50
„Furcht? Du vielleicht? Natürlich, du bist ja auch ein Mädel! Ist doch großartig, Bill, was? Ein Raumschiff aus einer anderen Welt!“ Bill lachte. „Daran glaubst du wohl auch? Mensch, das ist doch Unsinn! Vielleicht sind Russen oder Chinesen oder Afrikaner in dem Ding.“ „Und die nehmen eine Untertasse zum Flug? Und im übrigen …“ Jack tippte sich mit dem rechten Zeigefinger vor die Stirn. „Im übrigen halte ich die anderen Völker nicht für so gewitzt, daß sie uns überlegen wären – wenigstens nicht technisch.“ „Das kann man nicht wissen. Wer läßt sich denn von den Herren in die Karten gucken? Wir sind nicht allein intelligent. Es ist doch auch – hallo!“ unterbrach er sich, seinen Hut schwenkend. „Das Ding kommt geradewegs auf uns zu. Schnell – in Deckung!“ Die drei sprangen eiligst hinter einen Felsgrat und beobachteten von ihrem Versteck aus die Landung des Raumschiffes, das jetzt pfeilschnell auf sie zugeflogen kam. In der Nähe der Erdoberfläche drosselte die fliegende Untertasse plötzlich die Geschwindigkeit stark ab, so daß der Aufprall auf den Boden nur schwach war, Trotzdem erschütterte die Erde, als die Landung erfolgte. Es gab einen dumpfen Aufschlag, Felsbrocken flogen in die Luft, und mehrere Minuten lang war die Landungsstelle in eine riesige Staubwolke gehüllt. Kaum tausend Meter von den drei Kindern entfernt war die Untertasse gelandet. Zunächst starrten sie entsetzt auf die Staubwolke, und als diese verschwunden war, sahen sie ein helleuchtendes Etwas zwischen den Fels- und Erdmassen liegen. Fünf, zehn Minuten vergingen. Immer noch starrten die drei erregt auf das unbekannte Flugobjekt. Doch nichts regte sich dort. Es blieb still. 51
„Los, wir laufen mal hin!“ schlug Jack vor. „Ihr kommt doch mit?“ „Ist doch klar!“ erwiderte Bill. Doch Sylvia schien keinen Mut dazu zu haben. „Wir wollen lieber noch warten, Jack“, sagte sie kleinlaut. „Man weiß nicht, was das Ding enthält! Vielleicht befinden sich in ihm furchterregende Kreaturen, oder man schießt auf uns.“ „Das glaube ich nicht“, erklärte Bill. „Wenn sie Angriffsabsichten hätten, wären mehr von ihnen gekommen.“ „Das stimmt allerdings. Aber was mögen sie wollen? Warum landen sie auf keinem Flughafen?“ „Sie mögen ihre Gründe haben“, sagte Bill. „Wahrscheinlich will man einen Menschenauflauf vermeiden.“ „Glaubst du wirklich, daß wir die einzigen sind, die die Landung der Scheibe beobachtet haben? Wirst sehen, daß es hier bald von Menschen wimmeln wird!“ „Das kann sein. Doch wir waren die ersten, die die Untertasse gesehen und ihre Landung aus nächster Nähe miterlebt haben.“ „Also – wollen wir?“ fragte Jack. „Sylvia, du kannst ja zurückbleiben, wenn du Angst hast.“ „Ich – Angst?“ Sylvia versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu geben, was ihr jedoch nicht gelang. Doch sie bezwang sich, obgleich sie am liebsten zurückgeblieben wäre. „Wollen wir die Gäule nehmen oder zu Fuß gehen?“ fragte Bill den Kameraden. „Unauffälliger kämen wir ohne Pferde hin. Doch wenn’s brenzlig würde, könnten wir uns mit den Gäulen schneller aus dem Staube machen.“ „Du fürchtest dich also auch!“ rief Sylvia aus. „Es ist auch zu gefährlich! Wollen wir nicht lieber –“ „Ins nächste Mauseloch kriechen?“ ergänzte Jack, der den meisten Mut zu haben schien. „Kinder, wir sind doch keine Feiglinge! Wir brauchen doch nicht ganz an das Ding heranzu52
gehen. Dort drüben ist ein Hügel – schaut! Wenn wir uns dahinter verbergen, können wir alles genau beobachten.“ „Gut, Jack! Das ist eine feine Idee! Doch am besten würde es sein, wenn wir unsere Gäule mitnähmen. Nötigenfalls könnten wir leichter abhauen – meinst du nicht auch, Schwesterchen?“ Die Gefragte nickte stumm. Die ganze Sache kam ihr nicht geheuer vor. Es schien ihr vernünftiger, den nächsten Sheriff zu benachrichtigen. Unter Polizeischutz könnte man schon eher versuchen, an das Raumschiff heranzukommen. Doch sie behielt diesen Gedanken besser für sich, sonst könnte man ihn falsch deuten. Auch wenn sie ein Mädel war, feige möchte sie doch nicht sein. Ein feiger Mensch war in ihren Augen die verabscheuungswürdigste Kreatur auf der Welt. „Dann los!“ Schnell waren die Pferde abgepflockt. Dann jagten sie auf den Hügel zu, den sie in wenigen Minuten erreichten. Wie ein Blitz glitt Jack als erster aus dem Sattel. Die anderen taten dasselbe, dann banden sie ihre Pferde an einem Baumstumpf fest und schlichen sich auf die Anhöhe. Kaum hundert Meter von ihnen entfernt lag das gelandete Raumschiff, das in der Sonne glitzerte und gleißte. Noch immer hatte sich kein Lebewesen gezeigt. Noch immer war alles still und ruhig. „Ob das überhaupt ein Raumschiff ist?“ fragte Sylvia zweifelnd. „Was soll es denn sonst sein?“ „Ein Meteor oder so etwas Ähnliches.“ „Bist verrückt, Sylvia!“ platzte Bill heraus. „Siehst du denn nicht, daß das Ding da vor uns niemals ein Meteor sein kann? Es ist eine Konstruktion intelligenter Wesen. Die Natur würde ein Stück Metall niemals so symmetrisch formen können.“ „Aber man sieht keine Öffnung.“ „Nur wir sehen sie nicht. Schau, das Ding scheint noch heiß zu sein – ist ja auch kein Wunder bei der Geschwindigkeit, mit 53
der es durch die Luft gesegelt ist. Vielleicht muß sich die Oberfläche erst noch etwas abkühlen, bevor sich die Insassen zeigen können!“ Die Kinder rieten hin und her. Den eigentlichen Zweck ihres Ritts hatten sie längst vergessen. Immer noch starrten sie auf die Untertasse, die ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Endlich – über eine halbe Stunde war nach der Landung bereits vergangen – regte sich etwas auf dem Raumschiff. Eine Tür öffnete sich, und heraus kam ein Fahrzeug, das wie ein langgestreckter Rennwagen aussah. Dieses Fahrzeug kam – geradenwegs auf den Hügel zu. Die drei Kinder duckten sich tief auf den Boden, damit sie von den Insassen des eigenartigen Fahrzeugs nicht gesehen werden konnten. Sie hofften, daß es vorüberfuhr, ohne daß man sie bemerkte. Doch zu ihrer Überraschung hielt das Fahrzeug dicht vor dem Hügel. Die beiden Jungen sahen sich an. Jeder dachte dasselbe: Was wird jetzt geschehen? Wer wird dem Fahrzeug entsteigen? Wird es ein Mensch oder ein Ungeheuer sein? „Wollen wir abhauen?“ fragte jetzt Jack, nun doch etwas ängstlich. „Das wäre zwecklos“, meinte Bill. „Die würden uns sofort einholen.“ „Dann warten wir eben ab! Wir werden ja sehen. Mehr als das Leben kann es schließlich nicht kosten.“ Sylvia war sehr bleich geworden. Sie hatte schon oft von den schaurigen Ungeheuern gehört, die angeblich auf anderen Weltkörpern leben sollten und in gelandeten Raumschiffen gefunden worden seien. Einmal sollen diese Lebewesen wie riesige Spinnen und dann wieder wie ekelhafte Reptilien ausgesehen haben. Wenn solch Wesen nun dem Fahrzeug entstiege? Dann würde sie bestimmt ohnmächtig werden. Ach, wäre sie doch nicht mit 54
zum Hügel geritten! Sie hatte ihren Nerven doch mehr zugemutet, als sie vertragen konnte. Mit angstvollen Augen sah Sylvia nach dem Fahrzeug. Da – jetzt öffnete sich der Schlag. Jetzt stieg jemand aus – ein Mensch! War es ein Mensch? Er kam näher – auf die Kinder zu. Es war unmöglich, sich seine Züge einzuprägen, und seine Kleidung war auch sehr eigenartig. Sie glich dem Anzug eines Bergmannes oder eines Motorradfahrers. Und der Stoff war nicht zu definieren bezw. zu bestimmen. Sein ganzes Auftreten war fremdartig, linkisch, weltfremd. Und doch schien er zu lächeln, als er vor den Kindern stand und sich mit fremdem Akzent nach dem Weg erkundigte, der zum Gouverneur führte. Bill faßte sich zuerst. In seinen Augen standen Neugier und Furcht. Ja, irgendwie flößte dieser Mensch Furcht ein, obwohl er freundlich war und sogar lächelte. Aber sein Gesicht sah so ganz anders aus – weder europäisch noch asiatisch, noch afrikanisch. Mann könnte den Mann ebensogut für einen Amerikaner wie für einen Chinesen oder einen Mulatten halten. Die Farbe seiner Haut war nicht hell und nicht dunkel; sie hatte überhaupt einen eigenartigen Glanz. Und seine Augen schillerten grün – wie die eines Raubtiers. Und dabei lag ein Schein von Güte und Milde auf seinem Gesicht. Auf dem Kopf trug er eine Art Helm. Einzelne Haarsträhnen schauten darunter hervor. Das Besondere an ihm war das fast völlige Fehlen der Augenbrauen. Seine Stirn war glatt und hoch, ohne Falten. Die Nase war etwas platt, und seiner Oberlippe fehlte in der Mitte der herzförmige Einschnitt. Beide Lippen waren wulstig und blaß. Doch seine Zähne schimmerten schneeweiß. Trotzdem konnte man sein Gesicht nicht als abstoßend bezeichnen, wenn gleich es auch nicht sehr anziehend war. „Wer – wer sind Sie?“ fragte Bill stotternd. Der Fremde lächelte, wobei er wieder seine weißen Zähne 55
zeigte. „Xylon heiße ich, mein Junge! Und nun danke ich euch für die Auskunft.“ „Bleiben – bleiben Sie länger hier?“ fragte nun auch Jack, nun schon etwas dreister geworden. „Vielleicht! Wenn ich meine Mission erfüllt habe, werde ich euer Land wieder verlassen.“ Bill wollte noch etwas fragen. Doch der Fremde war schon wieder bei seinem Fahrzeug. Das war so schnell geschehen, daß die Kinder erst wieder zu sich kamen, als Xylon mit seinem Vehikel bereits verschwunden war. Wie der Blitz war das Fahrzeug davongesaust. „Also war es doch ein Marsmensch!“ stellte Jack sachlich fest. „Glaubst du das? Vielleicht ist er von einem anderen Planeten gekommen!“ „Oder er stammt von der Erde und ist aus irgendeiner unbekannten Gegend“, wollte Sylvia wissen. „Unbekannte Gegend? No, Sylvia, es gibt nur noch in Brasilien, glaube ich, und auf einigen Inseln des Stillen Ozeans viele, unbekannte Gegenden, und die Wilden, die dort hausen, kennen nicht einmal ein Auto, geschweige ein Flugzeug oder gar ein Raumschiff.“ „Aber dieser Xylon sah doch wie ein Mensch aus.“ „Die Leute, die auf anderen Planeten wohnen, können doch auch Menschen sein“, belehrte Bill die Schwester. „Er war aber so ganz anders. Schon die Form seines Gesichts, die Haare, die Augen, der Mund – alles das war fremdartig, ungewöhnlich.“ „Es ist doch unmöglich, daß Menschen Millionen von Meilen durch den luftleeren Weltraum fliegen und dann auf der Erde landen können – so, als ob sie nur wenige Stunden geflogen wären.“ „Warum denn nicht? Es können Menschen sein, die das aushalten! Hast du nicht seine Kleidung beachtet? Es war eine Art 56
Schutzanzug. Wenn er ihn auszöge, würde er vielleicht sofort zugrunde gehen. Wir werden doch in nächster Zeit auch den Mond und den Mars besuchen. Glaubst du vielleicht, Sylvia, daß wir Menschen ohne Schutzkleidung einen anderen Planeten betreten würden?“ „Was will er aber hier? Was will er beim Gouverneur? Ist er allein gekommen oder befinden sich noch mehr Menschen in dem Raumschiff?“ Bill schaute nach der Stelle, wo der Flugkörper lag. Dann eilte er darauf zu. Die anderen folgten ihm. Sie standen vor einem silberweißen, kreisrunden Körper, der in der Mitte säulenartig erhöht war. An den Rändern war die Scheibe gerillt. Als Bill sie berührte, zog er die Hand mit einem Wehlaut schnell wieder zurück. Er hatte sich die Haut verbrannt. „Ist noch ganz heiß“, sagte er. „Aber sonst sieht man nichts. Schade, daß dieser Xylon so schnell verschwunden war. Gern hätte ich gewußt, wie es in einem Raumschiff aussieht.“ „Wo ist er nur herausgekommen?“ fragte Jack, der vergeblich nach einem Türfalz ausschaute. „Man sieht nichts.“ Jack zuckte mit den Schultern. Interessiert betrachtete er den riesigen Metallkörper. Lange umstanden die drei Kinder das Raumschiff. Doch nichts regte sich in ihm. Endlich sprangen sie auf ihre Pferde und ritten zurück. Dort fanden sie alles in heller Aufregung. Man hatte den gleißenden Metallkörper gesehen und war in Sorge um die Kinder gewesen. Bills Vater hatte bereits den Sheriff verständigt, und dieser hatte die Bundespolizei alarmiert. In Kürze würde das Raumschiff von der Polizei und Heereseinheiten umstellt sein. Wie ein Lauffeuer ging die Kunde von der Landung einer fliegenden Untertasse in der Gila-Wüste in Arizona durch das Land. Flugzeuge mit Zivil- und Polizeibeamten, Hunderte von 57
Kraftfahrzeugen waren unterwegs, war es doch das erstemal, daß ein Raumschiff aus einer anderen Welt in den Vereinigten Staaten gelandet war. Bill, Jack und Sylvia jedoch blieben zurück. Von ihrer Begegnung mit Xylon. hatten sie niemandem etwas gesagt. Der Fremde hatte Schweigen verlangt – und sie wollten dem Verlangen auch entsprechen. Xylon wollte zum Gouverneur, und wenn man das erfuhr, würde man ihn vielleicht schon unterwegs festhalten, in ihm wahrscheinlich einen Spion erblicken. Darum sollte seine Anwesenheit geheimgehalten werden. Wenn Xylon erst beim Gouverneur gewesen war, würde man von ihm sowieso erfahren.
5. Kapitel Einige Stunden später war die Landungsstelle des Weltraumschiffes von der Militärpolizei abgeriegelt. Heereseinheiten waren eingesetzt; sie unterstanden dem Befehl des Generals Green vom Verteidigungsministerium. Oberst Lynn war ihm beigeordnet. Die Luftstreitkräfte wurden von General Walker geleitet. Erfahrene Wissenschaftler, Mineralogen, Geologen, Physiker und Chemiker waren an die Landungsstelle gerufen worden. Sie sollten das Material, aus dem die fliegende Untertasse bestand, analysieren. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Struktur der Metallegierung festzustellen. Ohne Zweifel handelte es sich um unbekannte Stoffe. Längst war es dunkel geworden. Viele Neugierige hatten in aufgeschlagenen Zelten ihr Nachtlager aufgeschlagen. Andere legten sich unter Gestrüpp. Der Rest zog sich auf die nächsten Ortschaften zurück oder übernachtete in ihren Fahrzeugen. Nur die eingesetzten Truppenverbände und Polizeimannschaften blieben zurück, mit ihnen die Techniker und Wissenschaftler. 58
Die Nacht verging ohne Zwischenfälle. In dem Raumschiff war es still geblieben. General Green ordnete an, zunächst Panzer und Flammenwerfer einzusetzen, um Eingang in das unbekannte Flugboot zu finden. Zum Erstaunen aller prallten die Geschosse von dem Metallkörper ab, und auch die Flammenwerfer richteten nichts aus. „Wir werden Atomkanonen einsetzen“, bekundete General Green, an seinen Stab gewandt. Die eingesetzten Formationen zogen sich zurück. Nur die Einheiten der Atomgeschütze nahmen in der vorgeschriebenen Entfernung Aufstellung. In aller Eile waren Bunker geschaffen und sonstige Schutzmaßnahmen gegen Hitze und Radioaktivität getroffen worden. Dann wurden die ersten Atomgeschosse auf das Raumschiff abgefeuert. Doch sie waren ebenso wirkungslos wie sämtliche bisher eingesetzten Waffen. Während einige Soldaten nach den Explosionen verletzt wurden, wurde das Raumschiff nicht einmal beschädigt. Der Stabschef und seine engen Mitarbeiter standen vor einem Rätsel. „Der Gegner scheint unverwundbar zu sein“, preßte Oberst Lynn ärgerlich hervor. „Wir können nur noch Wasserstoffbomben einsetzen.“ „Das wäre zu gefährlich“, erwiderte General Green. „Wir würden damit unsere eigenen Leute und die Bevölkerung in größte Gefahr bringen, weil der Wirkungsgrad der H-Bomben zu groß ist.“ Über eine Stunde währte die Besprechung des Generalstabs. Doch zu einem Ergebnis gelangte man nicht. Schließlich kam man überein, die weiteren Anordnungen des Staatspräsidenten erst abzuwarten, bevor weitere Maßnahmen getroffen wurden. Plötzlich meldete sich ein wachhabender Offizier. Er teilte mit erregter Stimme mit, daß sich das Raumschiff geöffnet hätte. 59
Sofort setzten sich die Offiziere in ihr Fahrzeug und fuhren in schnellem Tempo nach dem Raumschiff, wo inzwischen eine Öffnung entstanden war. Und durch sie schritt ein riesiger Roboter. Er nahm auf einer Estrade Aufstellung und hob den rechten Arm wie zu einem Gruß. Die Männer starrten voller Spannung auf den Maschinenmenschen. Was würde geschehen? Würde er reden – vielleicht in einer europäischen Sprache? General Green wollte als erste Reaktion auf die Erscheinung zuerst den Befehl erteilen, den Roboter über den Haufen zu schießen und dann in das Raumschiff einzudringen. Doch er verwarf diesen Gedanken sogleich wieder. Zunächst mußte das Weitere abgewartet werden. Bevor sie nicht angegriffen wurden, wollten auch sie nicht angreifen. Wenn die Raumschiffinsassen in friedlicher Absicht gekommen waren, bestand kein Anlaß, sie anzugreifen und sich damit als Angreifer zu brandmarken. Dann erscholl plötzlich eine Stimme – laut und durchdringend. Sie klang metallisch und schien aus dem Roboter zu kommen. „Wir sind Kuriere einer anderen Welt. Wir kommen in friedlicher Absicht und wollen euch warnen – warnen vor einer euch drohenden Gefahr! Greift nicht nach den Sternen! Nutzt eure geistigen und körperlichen Kräfte auf der Erde – aber stört nicht andere Welten in ihrer Ruhe! Wir sind gekommen, um euch zu zeigen, daß es Wesen gibt, die noch über euch stehen, die noch mehr Intelligenz entwickelt haben. Bei interplanetarischen Auseinandersetzungen würdet ihr den kürzeren ziehen. Versucht, Ordnung und Frieden auf eurer Welt zu erhalten! Setzt eure Begabung und euren Fleiß für friedliche Zwecke ein! Ihr habt Atomkanonen schon gegen uns eingesetzt. Es war zwecklos. Ihr werdet auch eure anderen Waffen erfolglos gegen uns einsetzen. Zieht euch zurück! Sobald unsere Aufgabe erfüllt ist, wer60
den wir euch wieder verlassen. Versucht nicht, uns zurückzuhalten oder in unsere Geheimnisse einzudringen. Es wäre schade, müßten wir auf Grund eures Verhaltens unsere An- und Absichten euch gegenüber ändern. Wir verfolgen schon lange eure Gedanken und Taten, denn wir haben die Mittel dazu. Versucht, es uns nachzutun! Setzt eure intellektuellen Kräfte dafür ein, doch wagt nicht, mit Gewalt oder List das zu nehmen, was man nur durch logisches Denken und fleißiges Schaffen erreichen kann. Und nun laßt uns in Frieden! Zwingt uns nicht, eure Angriffe zurückzuschlagen und damit Blut zu vergießen. Uns könnt ihr nichts anhaben – noch nichts anhaben. Der Stoff, aus dem wir – jawohl wir! – bestehen, kann auch eure Atombombe nicht zerstören. Ihr habt es selbst schon festgestellt. Nehmt also Vernunft an und kehrt an eure Wirkungsstätte zurück. Wir werden eure Gastfreundschaft nicht mehr lange in Anspruch nehmen und euch dafür danken.“ Die Ansprache des Roboters war in schlechtem Englisch gehalten. Die Stimme klang schnarrend, wie ein aufgezogenes Uhrwerk. Es wurde vermutet, daß es die Wiedergabe einer Tonbandaufnahme oder so etwas ähnliches war. Doch in dieser Annahme schien, man sich getäuscht zu haben, denn der Roboter vermochte auch auf Fragen zu reagieren, also selbsttätige Denkarbeit zu leisten, was auf der Erde gebaute Maschinenmenschen bisher noch nicht zuwege brachten. „Gebt euer Raumschiff zur Besichtigung frei!“ schrie General Green dem Roboter zu. Er war davon überzeugt, daß er von diesem kerne Antwort erhalten würde, war jedoch sehr erstaunt, als das doch der Fall war. „Wir sagten bereits, daß wir unser Geheimnis nicht preisgeben, General!“ erscholl es aus dem metallenen Mund. „Gebt euch keine Mühe!“ General Green wollte Gewalt anwenden. Er befahl, auf den Roboter zu feuern. 61
Ein Kugelhagel ging auf den Maschinenmenschen herab. Er müßte nach menschlichem Ermessen völlig zertrümmert sein. Doch zum Erstaunen und Entsetzen der Angreifer wurde er von den Kugeln nicht einmal umgeworfen. „Wir warnen euch nochmals! Gebt den Rückzugsbefehl, General! Wenn noch ein Schuß ertönt, werden wir uns zur Wehr setzen, und die Verantwortung für die Folgen tragt ihr!“ Der General, ein sehr starrsinniger Mensch, der zur Kapitulation nicht bereit war, gab erneut Schießbefehl. Doch auch die zweite Salve blieb ohne Wirkung. Nun trat der Roboter in Aktion. Vernichtende Todesstrahlen traten aus seinen Augen. Sie spien Tod und Verderben. Zuerst trafen sie den Kommandeur der eingesetzten Landstreitkräfte. Diesem kam nicht einmal mehr zum Bewußtsein, daß sein Körper im Bruchteil einer Sekunde in Staub und Asche sank. Dann trafen die geheimnisvollen Strahlen auf die Waffen der Truppen. Panzer, Geschütze, Gewehre, Atomkanonen sanken in sich zusammen. Der Strom wurde unterbrochen. Die Funkanlagen traten außer Funktion. Selbst die Kraftfahrzeuge waren nicht mehr von der Stelle zu bewegen. Hatte das alles der Roboter verursacht? War seine Macht so groß, daß er allein das Leben auf der Erde zerstören konnte? Sprachlos und verblüfft starrten sich die Menschen an. Entsetzen packte sie, als sie die unbekannte Macht der Übermenschen spürten. Noch immer stand der Roboter auf der Estrade – jeden Augenblick erneut bereit, seine Augen mit den daraus hervorbrechenden Todesstrahlen auf die Gegner zu richten. Doch diese wichen zurück. General Walker gab den Rückzugsbefehl. Der Roboter kehrte in das Raumschiff zurück. Hinter ihm schloß sich wieder die Öffnung. Ruhe war wieder eingekehrt. Friedlich lag der stählerne Ko62
loß da. Doch jeder wußte, daß in ihm Tod und Verderben wohnten. Der Mensch soll nicht nach den Sternen greifen! Er war nicht allein auf der Welt. Nicht seinetwegen allein drehten sich die Planeten, kreisten die Gestirne.
6. Kapitel Vor dem Gebäude der Vereinigten Nationen in Los Angeles in Kalifornien hielt ein merkwürdiges Fahrzeug, das wie ein langgestreckter Rennwagen aussah. Ihm entstieg ein Herr in einem eigenartigen Anzug. Er trug eine Art Helm auf dem Kopf. Auffallend an ihm waren die grünen Augen, die fast ohne Brauen waren, die platte Nase und die wulstigen Lippen, die ihn zu einem Neger stempeln könnten, wäre seine Hautfarbe dunkler gewesen. Der Unbekannte schritt die Stufen zum Gebäude empor, rief dem Pförtner einige Worte zu und stand plötzlich im Großen Sitzungssaal. Fast unbemerkt trat er auf die Rednertribüne, wo er eine Ansprache hielt. „Meine Damen und Herren!“ hob er an. „Ich habe eine weite Reise gemacht, um vor Sie hinzutreten. Schon lange wollte ich mit Ihnen sprechen, um Sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die allzu kühne Entschlüsse Ihrerseits mit sich bringen. Einige von Ihnen vertreten Nationen, die Welteroberungspläne haben. Nicht nur das: Sie tragen sich schon mit dem Gedanken, von fremden Welten Besitz zu ergreifen, um sie auszurauben. Dabei scheint es bei ihnen keine Rolle zu spielen, ob diese Weltkörper bewohnt sind und damit bereits Besitzer haben oder nicht. Wenn das aber der Fall sein sollte, würden sie zweifellos Gewalt anwenden, um ihr Ziel zu erreichen. Der Krieg, ohne den Sie, meine Herren, anscheinend hier nicht leben können, würde damit auch auf andere Planeten übertragen, auf Weltkörper, die ihn bisher nicht kannten, die friedlich mit- und neben63
einander lebten – genauso wie ihre Bewohner, sofern solche auf ihnen vorhanden sind. Sie sollten auf der Erde auch versuchen, miteinander auszukommen. Jeder sollte das Recht und den Besitz des anderen achten! Jeder sollte von seinem Überfluß den Bedürftigen geben und Wohlfahrt im großen wie im kleinen üben. Wenn jeder Mensch auf der Erde sein Auskommen findet, wenn jedes Volk mit seinem Los zufrieden ist, und wenn jeder Stratege und Politiker sein Augenmerk nur auf die Verbesserung des Lebensstandards seines Volkes richtet, werden Kriege bald der Vergangenheit angehören. Sie wissen genauso wie ich, daß kein einziger Mensch den Krieg wünscht, weil er weiß, daß mit ihm Tod und Verderben, Angst, Verzweiflung und Schrecken verbunden sind. Und wem würde er nützen? Ein gedemütigtes Volk wird von Revanchegelüsten nicht frei sein, und ein geknechtetes wird sich bald erheben. Die Vergangenheit hat es immer wieder bewiesen. Wer nach dem Grundsatz handelt, daß Gewalt vor Recht geht, wer sich zum Tyrannen aufwirft und glaubt, mit Terrormaßnahmen durchzudringen, wird eines Tages einsehen müssen, daß er sich geirrt hat. Er wird sich überzeugen müssen, daß mit Güte und Liebe, Achtung vor dem Recht des anderen mehr, ja alles erreicht werden kann. Warnen muß ich jene unter Ihnen, die ihre Friedensliebe nur auf den Lippen, aber nicht im Herzen tragen, die in dem Wahn besessen sind, die ganze Welt und vielleicht noch andere Welten beherrschen zu können. Es gibt eine Macht, die größer ist als die der Menschen, die sich durch andere zeigen kann. Naturgesetze lassen sich nicht beseitigen, und erdgebundene Pläne nicht auf anderen Welten ausführen. – Greifen Sie nicht nach den Sternen! Die überirdischen Kräfte sind stärker als Sie.“ Der Redner schwieg. Die Abgeordneten hatten den Ausführungen teils erstaunt, teils empört gelauscht. Doch niemand hatte gewagt, ihn zu unterbrechen. Selbst der Präsident hatte auf das 64
Recht seines Einspruchs verzichtet. Es schien eine magnetische Kraft von dem Fremden auszugehen, der alle Anwesenden in seinem Bann hielt. Und niemand unter ihnen war, der den Ausführungen des unbekannten Redners nicht zustimmte. Doch Ordnung mußte sein. Das sagte sich auch der Vorsitzende des UN-Ausschusses. Der Fremde war in den Sitzungssaal eingedrungen, hatte ungefragt das Wort ergriffen und eine anmaßende Rede gehalten. Wer war er überhaupt? War es ein Irrer, ein Geisteskranker? War er von einer fixen Idee besessen? Was bezweckte er mit seiner Ansprache? Wollte er damit nur dem internationalen Frieden dienen? War es nur seine Menschenfreundlichkeit und seine Friedensliebe, die ihn zu seinen Ausführungen veranlaßten? Oder war er ein geheimer Abgesandter irgendeiner Nation – ein Spion? Man versuchte vergeblich, sich diese Fragen zu beantworten. Doch dann drang die Meldung von der Landung eines Raumschiffes in den Sitzungssaal. Nun wußte oder besser, ahnte man, woher der große Unbekannte kam. Er war zweifellos der Kurier einer fremden Weltmacht, der sich als harmloser Abgesandter tarnte, um in Wirklichkeit zu spionieren. Er sah zwar wie ein Mensch aus – doch war er wirklich einer? Woher kannte er überhaupt die Menschen, die Völker und ihre Einrichtungen? Woher kannte er ihre Sprache, ihre Ansichten und ihre Vorhaben? Wenn es kein Irrer, kein Exzentriker war, dann war es ein Betrüger, ein Gauner. Als Xylon das Rednerpult verlassen wollte, war er von einer Anzahl Uniformierter umringt. Er lächelte, wie es schien, überlegen und zynisch, als man ihn festnahm. Er leistete keinen Widerstand, und doch stand in seinen grün-schillernden Augen ein drohender Ausdruck. – Kurze Zeit später verkündete der Rundfunk die Verhaftung 65
eines unheimlichen Menschen, der in der UN-Vollversammlung als ungebetener Gast erschienen war und die Delegierten durch eine „ketzerische Rede“ herausgefordert hätte. Doch wenig später geschah etwas sehr Rätselhaftes: Wie von Geisterhand gesteuert fuhr das Fahrzeug des Fremden durch die Stadt – dem Gerichtsgefängnis zu. Wer den Wagen lenkte, vermochte niemand festzustellen, da die Fenster verhängt waren. Und die Eigenart des Fahrzeugs fiel nur wenig auf, weil man im Zeitalter der Technik fast täglich neue Wagentypen sah und an ihre bizarren und grotesken Formen schon gewöhnt war. Doch hätte jemand einen Blick in das Innere des Fahrzeugs geworfen, dann wäre er sichtlich erschreckt und entsetzt zusammengefahren. Am Steuerrad saß eine Puppe – so geschickt angefertigt, daß sie jeder für einen lebenden Menschen, für den Wagenführer, halten mußte. Doch im verschlossenen Wagen saß ein Roboter. Er stand mit dem Raumschiff und mit Xylon in geheimer Verbindung. Kaum hielt das Fahrzeug vor dem Gefängnis, als sich der Schlag öffnete und der Roboter den Wagen verließ. Er schritt auf das Gebäude zu, öffnete die Tür und schritt den langen Gang hinunter. Die Gefängniswärter, die ihn sahen, flohen entsetzt. Niemand dachte an Gegenwehr. Der Roboter durchbrach Eisengitter und Wände. Er ging in eine Zelle und befreite dort den Gefangenen, den er mit sich nahm. Noch bevor die Polizeibeamten und Gefängniswärter so recht zur Besinnung kamen, war der Roboter mit dem befreiten Gefangenen verschwunden. Sofort wurde Großalarm gegeben. Der langgestreckte Rennwagen wurde eingehend beschrieben. Da man aber seine Kontrollnummer nicht kannte, mußte man sein etwas ungewöhnliches Äußere beachten, um des Fahrzeugs und seiner Insassen habhaft zu werden. 66
Mehrmals wurde das Fahrzeug von Kontrollbeamten gesichtet. Doch immer wieder gelang es ihm, auf Umwegen zu entkommen. Und als es an einer Straßenkreuzung doch einmal zum Halten gezwungen wurde, fühlten sich die Beamten wie gelähmt. Es war ihnen unmöglich, irgend etwas zu unternehmen. Wie hypnotisiert betrachteten sie den Fahrer, der ihnen freundlich zulächelte. Einen Blick in das hintere Wagenabteil, wo der Roboter neben der Puppe saß, warf niemand. Erst als das Fahrzeug wieder davongefahren war, wich die Lähmung von den Beamten. Den Vorgang vermochten sie sich nicht zu erklären. Es war ihnen auch später nicht mehr möglich, sich der Geschehnisse zu erinnern, geschweige den Wagenführer zu beschreiben. Die einzelnen Beamten machten einander widersprechende Angaben, so daß diese praktisch ohne Wert waren. Xylon aber freute sich, daß es ihm gelungen war, seinen Häschern zu entkommen, ohne daß ein Menschenleben gefährdet werden mußte. Der Roboter hätte mit seinen unheimlichen Kräften alles Leben in der Stadt auslöschen können. Als der Morgen graute, konnte das geheimnisvolle Fahrzeug nirgends mehr entdeckt werden. Es schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
7. Kapitel Frau Werner wollte gerade den Frühstückstisch abräumen, als die Korridorglocke läutete. Wer mochte es sein?, fuhr es ihr durch den Sinn. Vielleicht gar schon der Briefträger? Etwas ungehalten über die Störung stellte sie das Tablett, das sie in der Hand hielt, wieder auf den Tisch zurück, band die Küchenschürze ab und eilte zur Tür, um sie zu öffnen. Doch kaum hatte sie einen Blick hinausgeworfen, als sie mit einem Schrei zurückfuhr. Draußen stand ein Mann in einem etwas ei67
genartigen Schutzanzug. Er trug eine Art Helm auf dem Kopf und sah mit seinen grünen Augen auf die Wohnungsinhaberin. „Erschrecken Sie nicht so sehr, Frau Werner“, sagte er freundlich. „Es ist nur ein kleiner Unfall.“ Frau Werners Augen gingen von dem Fremden zu dem Jungen, den er im Arm hielt. Dieser schien verletzt zu sein. „Um Gottes willen!“ schrie Frau Werner, indem sie die Hände zusammenschlug. „Was ist denn geschehen?“ „Es ist nicht schlimm, Mutti“, antwortete jetzt der Junge, sich aus den Armen des Fremden befreiend und auf die Mutter zukommend. „Die Straßen sind von Fahrzeugen vollgestopft, weil jeder nach dem gelandeten Raumschiff will. Ich war etwas unachtsam, als ich die Straße überschritt – und da hat mich ein Auto erfaßt. Dieser Herr hier“ – und damit deutete er auf seinen Begleiter – „hat mich aber im letzten Augenblick zurückgerissen, so daß ich von dem Kraftfahrzeug nur gestreift worden bin.“ Die vordem so ernste Miene der Mutter hellte sich bei den letzten Worten ihres Sohnes sichtlich auf. „Du bist also nur leicht verletzt, Joel?“ sagte sie mit einem Seufzer der Erleichterung. „Gott sei Dank! Doch nun komm’ mit deinem Retter herein!“ Joel tat wie geheißen. Der Fremde folgte. Eiligst richtete die Gastgeberin erneut den Tisch her. Aus der Küche holte sie noch eine Flasche Wein, die sie auf die Tafel setzte. Doch ihr Gast lehnte zu ihrem Erstaunen ab. „Ich habe erst gespeist, liebe Frau Werner“, sagte er entschuldigend. „Und Alkohol trinke ich überhaupt nicht. Seien Sie nicht böse!“ Frau Werner ließ sich ihrem Gast gegenüber in einem bequemen Sessel nieder. Verstohlen betrachtete sie ihren Gast, dessen Namen sie noch nicht einmal wußte. Es fiel ihr auf, daß bei ihm die Augenbrauen fast vollkommen fehlten. Sein ganzes 68
Aussehen war fremdartig, ungewöhnlich. Und seine Sprache hatte auch einen fremden Akzent. Sosehr sie ihn auch betrachtete, so wenig war sie imstande, sich seine Gesichtszüge einzuprägen. Manchmal schien es ihr, als nähmen seine Augen eine andere Farbe an, als schimmerten sie blau, dann wieder schwarz. Am anziehendsten fand sie seine schneeweißen Zähne. Trotz seiner etwas eigenartigen Gesichtszüge sprachen aus seinem Antlitz Güte und Barmherzigkeit. Wer mochte er nur sein? dachte sie. Er sieht wie ein Ausländer, wie ein Mann von einer anderen Welt aus. Xylon – denn er war es – mochte wohl ihre Gedanken erraten oder gar kennen. Er nannte seinen Namen und bemerkte, daß er eine lange Reise hinter sich hätte und hier fremd sei. In einigen Tagen würde er weiterreisen. „Dann können Sie wohl bis dahin unser Gast sein?“ fragte die Hausfrau. „Sicher wird unser Joel bereit sein, Ihnen ein wenig die Stadt zu zeigen, die Sie noch nicht kennen; nicht wahr, Joel, das tust du doch?“ „Aber natürlich, Mutti. Herr Xylon wird bestimmt keine Langeweile haben und zufrieden mit mir sein.“ „Los Angeles ist eine sehr schöne Stadt“, sagte der Fremde voller Anerkennung. „Sie kann alles bieten, was man sich wünscht – Wasser, Wald, Wiese – Schönheit der Natur und hochentwickelte Kultur.“ „Wo Sie herkommen, dort findet man das wohl nicht, Mr. Xylon?“ fragte Frau Verner, mehr aus Teilnahme als aus Neugier. „Wir leben unter anderen Verhältnissen, Frau Werner“, antwortete Xylon ausweichend. „Sie sind keine Amerikanerin?“ „Nein, mein Mann und ich sind vor Jahren aus Deutschland ausgewandert. Wir haben hier unsere zweite Heimat gefunden und sind unserem Herrgott dankbar dafür.“ „Was sagen Sie zu dem gelandeten Raumschiff?“ fragte Joel. 69
„Wollen wir nicht einmal hinfahren? Vielleicht fährt Vati auch mit. Er hat einen ganz neuen Fordwagen. Den müssen Sie sehen!“ „Glauben Sie daran, Mister Xylon? Ein Raumschiff soll gelandet sein! Vielleicht vom Mars!? Man hat schon lange davon gefaselt. Vor einigen Jahren hatten sie uns sogar mit einem Hörspiel einen so gewaltigen Schrecken eingejagt, daß es zu einem Chaos gekommen war. Es wäre doch schrecklich, wenn wir sogar noch von Marsmenschen angegriffen würden.“ „Befürchten Sie das nicht, Frau Werner“, erklärte der Gast mit fester Stimme. „Wenn die Menschen hier den Krieg nicht auf eine andere Welt tragen, werden sie keine Aggression aus dem Weltall zu erwarten haben.“ „Sie sprechen mit solcher Zuversicht, Mister Xylon, daß man es glauben könnte. Wir, das Volk, wollen keinen Krieg, weder mit anderen Völkern noch mit anderen Welten. Der einfache Mensch will nur sein Auskommen haben und seiner Arbeit in Ruhe und Frieden nachgehen können. Glauben Sie mir!“ „Ich glaube es Ihnen, Frau Werner. Sie sind gewiß ein guter und edler Mensch. Wenn doch alle so wären!“ In den blauen Augen der Deutschamerikanerin leuchtete es auf. Mehr und mehr Sympathie brachte sie ihrem Gast entgegen. Ja, wenn nur alle Menschen so wären – so wie er! Joel drehte das Radio an. Kurz darauf meldete sich der Sprecher. „… ja, meine Damen und Herren – ein Roboter ist erschienen. Er steht auf einem Podium und starrt in die Menge. Was wird jetzt geschehen? Wird er angreifen? Wird man ihn angreifen? Er hebt den Arm. Wird er sprechen – sprechen wie ein Mensch? Woher kommt er überhaupt? Woher ist das Raumschiff gekommen? Von einer anderen Welt? Was birgt es im Innern? Niemand darf es betreten – sicher nicht. Tod und Verderben wird ihn erwarten. Jetzt, meine werten Zuhörer – jetzt spricht der Roboter! Wirklich – hören Sie selbst!“ 70
Und nun erscholl aus dem Lautsprecher die Ansprache des Maschinenmenschen. Darauf hörte man General Green fragen und den Roboter antworten. Und dann dröhnte das Geknatter von Schüssen aus dem Lautsprecher. Frau Werner und ihr Sohn fuhren erschreckt zusammen. „Der Roboter wankt nicht!“ schrie der Reporter wieder dazwischen. „Er versucht noch einmal, die Offiziere zur Vernunft zu bringen. Jetzt spricht er wieder! Hören Sie!“ „Gebt den Rückzugsbefehl!“ klang es nunmehr aus dem Lautsprecher. „Wenn noch ein Schuß ertönt, werden wir uns zur Wehr setzen, und die Verantwortung für die Folgen tragt ihr!“ Gleich darauf dröhnten erneut Schüsse auf. Dann hörte man wieder die Stimme des Ansagers – diesmal sehr erregt. „Aus den Augen des Roboters treten Todesstrahlen heraus. Sie treffen auf General Green. Und dieser – ja, es ist wirklich so. Er löst sich auf – ist verschwunden – in ein Nichts versunken. Und jetzt treffen die Todesstrahlen auf die Panzer, die Maschinengewehre. Alles löst sich auf, verschwindet – wie ein Hexenspuk. Selbst die Atomkanonen können den vernichtenden Strahlen nicht widerstehen. Sie verschwinden – wie von Geisterhand beseitigt. Und der unheimliche Roboter steht noch auf der Estrade – wie ein Rachegott, Was wird nun folgen? Wird er auch die Menschen vernichten? Sie fliehen – panikartig verlassen alle den Ort des Grauens. Ein Chaos. Doch nein! Die Strahlen sind verschwunden. Der Roboter hat –“ Hier brach die Stimme des Berichterstatters ab. Totenstill war es in dem Raum. Joel ging nach dem Rundfunkgerät und stellte fest, daß es stromlos war. Er untersuchte die Sicherungen – doch sie waren in Ordnung. Nun sah er aus dem Fenster. Kein einziges Fahrzeug war in Betrieb. Die Menschen waren von den Straßen verschwunden und hatten sich in ihren Häusern verkrochen. Man befürchtete eine Invasion. Panik hatte die Menschheit erfaßt. 71
Frau Werner sah entsetzt auf ihren Gast. Doch dieser zeigte eine zufriedene Miene. Hatte er gar keine Furcht? „Furchtbar!“ brach es endlich aus Joels Mutter heraus. „Was soll das noch werden! Marsmenschen sind gelandet. Sie werden die Erde vernichten!“ „Sie werden es nicht tun, Frau Werner!“ sagte Xylon mit ruhiger Stimme. „Sie haben sich nur zur Wehr gesetzt. Haben Sie im Radio nicht das Geknatter gehört? Die Miliz hat zuerst angegriffen! Wahrscheinlich hat man den Roboter beschossen, wollte den Zugang zum Raumschiff erzwingen. Ja – so ist es sicher gewesen. Doch es ist ihnen nicht gelungen.“ „Die armen Menschen!“ jammerte Frau Werner, indem sie die Hände zum Gebet faltete. „Die armen Menschen, die sterben mußten!“ „Ein einziger mußte sterben, Frau Werner! Haben Sie den Bericht des Reporters nicht gehört? Nur der Oberbefehlshaber hat seine Gewalttat mit dem Leben bezahlen müssen.“ „Glauben Sie das wirklich? Es werden noch mehr Menschen von den Todesstrahlen getroffen worden sein!“ „Nein, Frau Werner, niemand von ihnen ist weiter getroffen worden. Haben Sie keine Sorge! Doch – ich frage Sie: Was würden Sie tun, wenn Sie als Gast mit Pistolenkugeln empfangen würden? Würden Sie sich das bieten lassen, oder würden Sie sich zur Wehr setzen?“ „Vielleicht würde ich mich auch wehren“, hauchte die Gefragte. „Du würdest eher davonlaufen, Mutter“, schaltete sich Joel in das Gespräch ein. „Vorausgesetzt natürlich, daß du noch laufen könntest.“ Ein Knattern aus dem Radiogerät ließ Joel und seine Mutter aufhorchen. „Es ist wieder Strom da!“ erklärte Joel. „Komisch, daß er unterbrochen würde. Paß auf, gleich meldet sich der Ansager wieder!“ 72
So war es auch. Kurz darauf tönte es aus dem Lautsprecher: „Achtung! Es wird nach einem Mann gefahndet, der wahrscheinlich zu der Besatzung des gelandeten Raumschiffes gehört. Er war in Los Angeles bereits verhaftet worden, konnte aber durch einen Roboter wieder befreit werden. Er fährt in einem langgestreckten Rennwagen, dessen Farbe zu wechseln scheint. Bekleidet ist er mit einem Schutzanzug. Es wird angenommen, daß dieser Anzug, der dem eines Motorradfahrers ähnelt, den Mann befähigt, sich auf der Erde gefahrlos zu bewegen und den hier andersgearteten atmosphärischen und biologischen Verhältnissen standzuhalten. Er trägt eine Art Helm, hat eine hohe Stirn, eine breite Nase, fast keine Brauen und tritt sehr gewandt auf. Er spricht kein gutes Englisch. – Sollte dieser Mann irgendwo auftauchen, dann wird die Bevölkerung gebeten, sofort die nächste Polizeistation zu verständigen. Es wird jedoch zur Vorsicht gemahnt! Der Gesuchte steht mit den Robotern in Verbindung und dürfte über übernatürliche Kräfte verfügen. Wahrscheinlich ist er auch mit unbekannten Waffen versehen. Es wird angenommen, daß er sich noch in Los Angeles aufhält. Auf jeden Fall –“ Joel schaltete das Gerät ab. Er war sehr bleich geworden. Mit fast ängstlichem Blick sah er auf den Gast. Auch aus dem Antlitz der Mutter schien jeder Blutstropfen gewichen zu sein. Noch bevor Joel hinzuspringen konnte, war sie vom Stuhl gesunken. Xylon nahm die Ohnmächtige und bettete sie auf die Couch. Dann wandte er sich dem Jungen zu: „Du kannst nun berichten, daß du den Gesuchten gefunden hast, Joel! Vielleicht winkt dir eine hohe Belohnung! Sicher wird das der Fall sein. Für die Ergreifung eines so schweren Verbrechers muß man doch eine hohe Belohnung aussetzen. Das macht man doch bei euch sonst?“ 73
Joel fand sich allmählich zu sich selbst zurück. Die Farbe kehrte in sein schmales Gesicht wieder, und seine Augen hatten den entsetzten Ausdruck verloren. „Nein!“ schrie er fast. „Nein! Niemals würde ich zum Verräter werden, Mr. Xylon. Sie sind hier als Gast aufgenommen worden und haben sich wie ein Gentleman benommen. Bleiben Sie, so lange Sie wollen! Auch Mutter wird damit einverstanden sein. Der Schreck hat ihr nur für kurze Zeit die Besinnung geraubt. Schauen Sie!“ fügte er, auf die Ohnmächtige deutend, hinzu. „Sie kommt schon wieder zu sich.“ Xylon kühlte mit einem feuchten Tuch ihre Stirn. Zuerst sah sie entsetzt auf den Gast. Doch als dieser ihr zulächelte und sie in das lächelnde Gesicht ihres Jungen blickte, hellten sich ihre Züge auf. „Sie haben Angst vor mir, Frau Werner?“ fragte er freundlich. „Ich werde Ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen und Ihnen auch keine Ungelegenheiten bereiten.“ „Was soll nun werden?“ fragte sie seufzend. „Warum verfolgt man Sie?“ „Weil man mich für einen Gangster übelster Sorte hält. Was habe ich den Menschen getan? Nichts! Ich bin gekommen, um Verbindung mit den Erdbewohnern aufzunehmen, um mich mit ihnen zu verständigen. Anstatt mich erst einmal anzuhören, beschießt man mich und mein Raumschiff. Aber wir hatten damit gerechnet. Deshalb haben wir vorgesorgt.“ „Um Gottes willen!“ rief Frau Werner entsetzt aus. „Sie werden doch keinen Krieg mit uns beginnen wollen, Mister Xylon?“ Der Supermensch lächelte. „Nein, Frau Werner – das wollen wir nicht, denn wir wollen von den Menschen der Erde nichts. Doch wenn ich angegriffen werde, muß ich mich verteidigen. Das Recht steht jedem zu. Das Raumschiff muß ich ja zurückführen.“ 74
„Wenn Ihnen aber etwas zustößt, Mister Xylon?“ fragte Joel. „Was geschieht dann?“ „Mir wird nichts geschehen, mein Junge. Und wenn der Fall doch eintreten sollte – auch ich bin keine Gottheit und an Naturgesetze gebunden –, dann wird sich das Raumschiff ohne mich erheben.“ „Ohne Sie? Wie ist das möglich?“ „Weil ich mit dem Roboter dauernd in Verbindung stehe. Es ist eine Verbindung elektrisch-magnetischer Art, die es bei euch noch nicht gibt. Sobald diese Verbindung durch meinen Tod unterbrochen wird, schaltet der Roboter den Mechanismus ein, und das Raumschiff wird zurückfliegen.“ „Interessant ist das, Mister Xylon!“ Joel war von solcher technischen Vollkommenheit, begeistert. „Du würdest dein blaues Wunder erleben, wenn du all das, was im Raumschiff vorhanden ist, sehen könntest.“ „Das möchte ich.“ „Um Gottes willen, Joel!“ rief Frau Werner erschrocken aus. „Du kannst doch nicht mit Herrn Xylon auf das Raumschiff gehen.“ „Warum denn nicht, Mutti? Ich habe großes Vertrauen zu Mister Xylon. Es würde mir unter seiner Obhut gewiß kein Leid geschehen.“ „Ich danke dir, mein Junge“, erwiderte der geheimnisvolle Gast. „Wenn du Interesse an unserem Raumschiff hast, kannst du es besichtigen. Du darfst es, weil dich nur Wißbegierde zu uns führt. Du bist ja ein Junge und möchtest alles wissen, was mit der Technik zusammenhängt. Unsere Technik ist viel weiter fortgeschritten als eure. Wir waren imstande, eure Funksprüche aufzufangen, wodurch wir uns eure Sprache aneignen konnten. Wir können aus großen Entfernungen die Erde beobachten, denn unsere Teleskope arbeiten auf anderer Basis als eure. Sie durchdringen den Äther Millionen von Meilen.“ 75
„Man hat davon berichtet, daß man hier eigenartige Funksignale aufgefangen hätte, die von einem anderen Planeten herrühren sollten. Auch sind eigenartige Laute aus dem All auf die Erde gedrungen. Vielleicht sind das Ihre Signale gewesen?“ „Vielleicht! Es gibt noch mehr bewohnte Gestirne im Weltall, mein Junge. Und mancher Stern hat Einrichtungen, die man bei euch vielleicht in tausend Jahren einmal finden wird.“ „Gehört Ihr Stern auch dazu, Mister Xylon?“ „Ich glaube, ja! Schau’, bei euch beginnt man jetzt erst, die Nachbarplaneten zu besuchen. Doch zu welchem Zweck macht man es? Nicht um sich womöglich mit den dortigen Bewohnern zu verständigen, sondern um sie und ihre Welt auszubeuten. Oh, Joel! Wir haben schon viele Sterne besucht – doch noch nirgends haben wir so viel Habgier, Niedertracht und Böswilligkeit gefunden wie auf der Erde. Und dabei könnten die Menschen doch so gut miteinander leben!“ „Das stimmt, Mister Xylon“, gab Frau Werner zu. „Wenn die Menschen untereinander nicht so gehässig und mißgünstig, wenn sie nicht so egoistisch und rücksichtslos wären, gäbe es bestimmt nicht so viel Leid auf der Welt.“ „Gibt es auf Ihrem Planeten auch Tiere und Pflanzen?“ wollte Joel wissen. „Ja, auch die gibt es, mein Junge. Sie weichen von den euren sehr ab. Wir haben die Einteilung unter den Tieren so vorgenommen, daß nach Möglichkeit auch unter ihnen kein unnötiges Morden stattfindet.“ „Gibt es bei Ihnen keine Kriege, keine Feindschaften unter den Völkern?“ „Nein, Joel. Begriffe wie Mord, Raub und Diebstahl kennen wir nicht.“ „Aber – wozu die Todesstrahlen, Mister Xylon?“ „Ihr habt doch auch die Atomwissenschaft in den Dienst der 76
Industrie, der Landwirtschaft und der Technik gestellt! Und trotzdem gibt es Atom- und Wasserstoffbomben. Frage euren Präsidenten, ob er die Bomben zu dem Zweck hat herstellen lassen, um damit unschuldige Menschen zu töten und harmlose Völker zu vernichten! Er hat sie zweifellos nur für Abwehrzwecke anfertigen lassen. Siehst du, Joel! Wir haben es mit unseren Todesstrahlen auch getan! Bei uns wird niemand damit getötet. Doch wir würden uns nicht scheuen, sie dann anzuwenden, wenn es darum ginge, den Frieden zu erhalten. Niemals würden wir die Todesstrahlen gegen unschuldige Kreaturen einsetzen, lediglich um sie zu vernichten und uns zu bereichern. Wir hätten hier die ganze Stadt zerstören können. Doch wir schalteten nur die Waffen aus, die uns bedrohten. Und jener General Green, der sich nicht belehren ließ, mußte sterben. Es war die einzige Möglichkeit, die anderen Menschen zu schützen und ihr Leben zu erhalten. Begreifst du nun alles, Joel?“ Der Junge nickte. „Ich hätte auch so gehandelt, Mister Xylon, und wohl alle anderen Menschen auch, die in Ihrer Lage gewesen wären.“ Der Supermensch entnahm seiner Tasche ein kleines Gerät und führte daraus eine Hörmuschel an sein Ohr. Dann sagte er: „Gleich werden die Häscher hier sein.“ Joel erbleichte. „Wer – wer könnte Sie verraten haben?“ fragte er stotternd. „Sie glauben doch wohl nicht, daß wir –?“ Xylon strich über das glänzende Haar des Jungen. „Nein, es wird ein Flurnachbar gewesen sein. Er hat uns nämlich draußen gesehen. Im übrigen weiß schon das ganze Haus, daß sich der gesuchte ‚Verbrecher’ bei euch befindet, denn jede Wohnung ist schon geräumt worden.“ „Das wissen Sie auch?“ „Ich weiß auch, daß du euer Tonbandgerät eingeschaltet Hast, Joel! Aber das darfst du. Jeder kann später selbst hören, worüber wir uns unterhalten haben. Im übrigen habe ich das77
selbe getan. Hier!“ Er zog aus einer anderen Tasche einen Gegenstand heraus, der wie ein Zigarrenetui aussah. „Hierauf ist alles festgehalten. Wir brauchen aber keinen Strom und keine Batterie für den Betrieb wie ihr, sondern nur ein radioaktives Metall, dessen Radioaktivität jedoch so gering ist, daß die ausgesandten Strahlen von keinem Geiger-Zähler registriert werden.“ „Wollen Sie nicht schnell verschwinden, Mister Xylon? Man wird Sie sonst schnappen und einsperren, vielleicht sogar erschießen!“ „Hast du Angst um mich?“ Der Junge nickte. „Sie sind so ein guter Mensch.“ „Ich bewundere Sie, Mister Xylon!“ schaltete sich jetzt Joels Mutter ein. „Sie haben Mut! Trotzdem riskieren Sie Ihr Leben, wenn Sie hierbleiben. Sie könnten noch fliehen!“ „Ja, das könnte ich noch, Frau Werner.“ „Dann tun Sie es!“ „Ja, Mister Xylon, bitte!“ schloß sich Joel an, indem er den geheimnisvollen Gast flehend anblickte. „Es könnte hier eine Schießerei geben, und –“ Er sah auf die Mutter, blickte auf ihre weißen Hände, die sich bisher so fleißig für die Ihren geregt haben. Xylon sah es und verstand. „Ja – ich könnte noch fliehen“, erklärte er, „aber dann würdest du um ein Schauspiel kommen, Joel, das sich hier abspielen wird.“ Er machte eine kleine Pause und fuhr fort, als er das entsetzte Gesicht der Gastgeberin sah. „Nein, Frau Werner – es wird keine Tote geben! Das kann, ich Ihnen versprechen, obgleich es mir möglich wäre, durch einen Hebeldruck in meiner Tasche jeden, der mich berührt oder auch nur bedroht, zu töten. Ich möchte den Herren, die mich festnehmen wollen, nur zeigen, daß ich ihnen weit überlegen bin und daß sie ohne meinen Willen nichts gegen mich unternehmen können.“ 78
„Das ist fein!“ rief Joel begeistert aus. „Können Sie mir von Ihren Geheimnissen nichts verraten, Mister Xylon?“ „Du würdest es doch nicht verstehen und die Mechanismen hier nicht anwenden können, weil die Voraussetzungen dazu fehlen.“ Plötzlich wurden vor der Tür Schritte laut. Gleich darauf läutete es sehr heftig. Frau Werner schrak zusammen, ging dann zur Tür und öffnete. „Wir haben gehört, daß Sie den gesuchten Marsmenschen verbergen“, sagte eine schneidende Stimme, die dem Anführer einer Polizeitruppe gehörte, welche sich eingefunden hatte. „Wir halten niemanden verborgen, mein Herr!“ antwortete die Verdächtigte mit zitternder Stimme. „Dann sagen Sie uns, wo der Mann ist!“ „Hier!“ rief Xylon, auf die Beamten zukommend. „Sie suchen mich?“ „Ja, wir suchen Sie!“ erwiderte der Polizeileutnant, während er seiner Tasche Handschellen entnahm. „Folgen Sie uns freiwillig!“ „Aus welchem Grund, wenn man fragen darf?“ „Wegen Spionage, Anstiftung zu Meuterei und Krieg, wegen Mordes an General Green –“ „– unerlaubter Einwanderung, Führung eines unzugelassenen Wagens, wegen Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, wegen Unterbindung des Verkehrs – nicht wahr, Leutnant, so ist es doch?“ „Sie sind über die Gesetze unseres Staates ja sehr gut unterrichtet“, gab der Polizeioffizier etwas kleinlaut zu. „Das bin ich allerdings.“ Der Verhaftete sah auf ein halbes Dutzend Pistolenläufe, die auf ihn gerichtet waren. Joel stand in einem Winkel und starrte entsetzt auf das Bild. Seine Mutter war auf einen Stuhl gesunken. 79
Doch dann geschah etwas Seltsames. Xylon forderte die Beamten auf, zu schießen. Joels Augen weiteten sich vor Schreck, und seine Mutter schrie angstvoll auf. Der Polizeioffizier forderte den Verhafteten nochmals auf, sich zu ergeben. Xylon lächelte nur. „Ich denke nicht daran“, antwortete er. „Dann muß ich das Feuer auf Sie eröffnen lassen und meinen Auftrag ausführen – Sie tot oder lebendig abzuliefern.“ „Schießen Sie nur!“ wiederholte der Übermensch seine Aufforderung. Leutnant Morgan wurde unsicher. Was sollte das bedeuten? Während seiner langen Tätigkeit als Polizeibeamter war es ihm noch nie vorgekommen, daß ein Verbrecher ihn aufgefordert hatte, auf ihn zu schießen! Und dabei lächelte dieser Kerl noch! Leutnant Morgan gab das Zeichen zum Feuer. Die Beamten wollten ihre Pistolen abfeuern – doch kein Schuß ertönte – keine Kugel löste sich aus den Läufen. Die Polizisten ließen die Hände sinken und starrten auf den rätselhaften Menschen, der über geheimnisvolle Macht zu verfügen schien und übersinnliche Kraft besaß. Wie hätte er es sonst fertigbringen können, sie ohne sichtbares Zutun zu entwaffnen? Die Beamten waren wie gelähmt. Sie vermochten kein Glied zu rühren. Xylon entnahm seiner Tasche eine Art Funkgerät. Er schien mit jemandem zu sprechen. Der Straßenlärm war draußen plötzlich verstummt. Es war fast totenstill, beängstigend still. Xylon wandte sich nunmehr seiner Gastgeberin zu: „Man mißtraut uns wohl immer noch und will sich von der friedlichen Absicht unseres Besuchs nicht überzeugen lassen. Vielleicht besinnt man sich bald eines Besseren. Sie, liebe Frau Werner, haben nichts zu befürchten. Ich werde Sie jetzt verlassen.“ 80
„Darf ich mit Ihnen kommen, Mister Xylon?“ fragte Joel hastig. „Ich möchte nur einen Blick in das Innere Ihres Raumschiffes werfen!“ „Hast du keine Angst, Joel?“ „Nein, Mister Xylon. Ich habe zu Ihnen Vertrauen.“ „Gut! In einer Stunde wird es draußen dunkel sein. Dann werde ich dich vor dem Haus erwarten. Noch vor Mitternacht wirst du zurück sein.“ „Wird meinem Sohn nichts passieren, Mister Xylon?“ fragte Frau Werner besorgt. „Nein. Mein Kraftfahrzeug ist genauso gegen alle Waffen der Erde gefeit wie das Raumschiff. Doch niemand wird eine Waffe gegen uns gebrauchen können. Jeder wird so verstummen wie diese Herren hier.“ Xylon ging auf Frau Werner zu und überreichte ihr einen Beutel. Dann sagte er leise: „Nehmen Sie das als Dank, liebe Frau Werner! Es ist keine Höllenmaschine in dem Beutel, sondern etwas, was es auch hier auf der Erde gibt – kostbare Edelsteine! Man wird sie Ihnen nicht nehmen, denn sie sind ehrlich erworben.“ Er reichte der Gastgeberin die Hand. „Leben Sie wohl, Frau Werner! Ich habe mich durch Sie davon überzeugt, daß es auf der Erde auch noch gute und hilfsbereite Menschen gibt – solche, die ihre Friedensliebe auch im Herzen tragen.“ Er wandte sich Joel zu: „Vergiß nicht, mein Junge, in einer Stunde, um neun Uhr! Doch gib dich keinen Illusionen hin! Du wirst im Raumschiff zwar vieles erblicken, doch kaum etwas begreifen. Würdest du es, könnte und dürfte ich dich nicht mit in das Fahrzeug nehmen.“ Nach diesen Worten ging der Supermensch zur Tür. Joel wunderte sich, daß er nicht einfach durch die Wand schritt oder nach oben schwebte. Es war ohne Zweifel ein Wundermensch. – Vergeblich suchten die Polizeibeamten, die gleich darauf 81
wieder zu sich kamen, seine Spur. Vergeblich versuchten sie, ihr Kraftfahrzeug in Gang zu bringen und den Sprechfunk zu benutzen. Joel konnte die Zeit gar nicht abwarten. Ob Mr. Xylon wohl sein Versprechen halten würde? Ob es ihm überhaupt möglich war, zurückzukehren? Es war ihm möglich. Als Joel um neun Uhr auf die Straße schlich, wurde er plötzlich angerufen. Ein Mann winkte ihm aus einem Fahrzeug zu. Als Joel zu ihm ging, erkannte er seinen Freund von der anderen Welt. „Komm! Steige ein, Joel!“ Der Junge tat es. Gleich darauf setzte sich das eigenartige Fahrzeug in Bewegung. Joel wußte nicht, wie lange sie gefahren waren. Plötzlich fühlte er, daß das Fahrzeug anhielt. „Wir sind da!“ sagte Xylon und öffnete den Schlag. Joel stieg aus und wunderte sich, daß er keine Polizeiketten und Militärstreifen antraf. Warum bewachte man das Raumschiff nicht? Xylon schien seine Gedanken zu ahnen, denn er sagte: „Man hat eingesehen, daß man gegen uns nichts unternehmen kann. Deshalb läßt man mich in Ruhe, weil man weiß, daß ich über Mittel verfüge, deren Einsatz katastrophale Folgen für die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung hat. Außerdem ist das Raumschiff mit einem magnetischen Ring umgeben, der ohne besondere Schutzvorrichtungen nicht durchbrochen werden kann. Ich habe es durch Fernfunk den maßgeblichen Stellen, auch den Radiostationen, mitgeteilt. Gleichzeitig habe ich darauf hingewiesen, daß ich nur dann die Todesstrahlen und andere Vorrichtungen in Aktion treten ließe, wenn man mich weiter wie einen Verbrecher verfolge und nicht in Ruhe ließe. Ich hätte meine Mission erfüllt und würde noch vor Anbruch des neuen Tages die Erde wieder verlassen haben.“ 82
„Und man hat Ihre Anordnungen befolgt?“ „Ja, Joel. Du siehst es ja. Niemand wagt sich mehr in die Nähe des Raumschiffes, kennt man doch jetzt die Gefahren, die es in sich schließt. Wenn du euer Rundfunkgerät eingeschaltet hättest, hättest du die Anordnungen vernehmen können. Doch höre einmal!“ Xylon schaltete ein kleines Radiogerät ein und drehte an einem Knopf. Gleich darauf ertönte die Stimme eines Sprechers: „Es wird noch einmal dringend darauf hingewiesen, daß die gegebenen Anordnungen genau zu befolgen sind! Wer sich in die Nähe des Raumschiffes wagt, setzt sich großen Gefahren aus. Es ist anzunehmen, daß dieser Mister Xylon bis zum Morgengrauen die Erde wieder verlassen hat und daß damit wieder normale Zustände herrschen. Weiter wird jeder gewarnt, irgendwelche Eingriffe in elektrische oder magnetische Apparate, in Motoren usw. zu unternehmen. Das wäre nicht nur völlig sinnlos, sondern sogar gefährlich, weil der geheimnisvolle Mensch alle Geräte, auch die Stromzufuhr, durch eine geheimnisvolle Macht außer Betrieb setzen kann.“ Xylon drehte das Gerät aus. „Du siehst“, erklärte er, „man ist plötzlich vernünftig geworden. Doch nun komm’! Wir haben nicht lange Zeit. Du sollst wenigstens einen Blick in das Innere des Raumschiffs werfen können!“ Joel ging mit seinem Begleiter – zwar nicht gerade ängstlich, doch ein wenig beklommen, die Rolltreppe hoch. Blendende Helle empfing sie. Bevor Xylon eine Tür öffnete, forderte er Joel auf, einen Schutzanzug überzuziehen, da innerhalb des Raumschiffes andere Verhältnisse herrschten als auf der Erde, Joel tat es. Dann besichtigte er die einzelnen Kabinen und technischen Einrichtungen der „Untertasse“. Er war über die vielen Kabel und Röhren, über die unbekannten technischen Vorrichtungen erstaunt. Nichts vermochte er zu erfassen. Xylon erklärte ihm zwar dieses und jenes – doch Joel verstand es kaum. 83
Vielleicht hätte ein Techniker oder Ingenieur all das Gebotene eher begreifen können. Aber damit wären Geheimnisse verraten worden, die besser Geheimnisse blieben. Xylon wies lächelnd darauf hin, daß er imstande sei, Hitze von mehreren Millionen Grad zu erzeugen, und diese Hitze könnte ausgestrahlt werden, ohne daß dadurch das Raumschiff beschädigt werden könnte. Die das Fahrzeug umkleidenden Panzerplatten würden auch gegen so große Hitze gefeit sein. Joel begriff nun, warum Atom- und Wasserstoffbomben dem Schiff nichts hatten anhaben können. Und dabei würden solche Hitzegrade nur durch einfache Atomzertrümmerung erreicht! Joel konnte sich nicht satt sehen an den vielen neuen und unbekannten Dingen. Selbst vor dem Roboter mit seinen todbringenden Strahlen machte seine Wißbegierde nicht halt. Er wußte, daß ihm in Gegenwart seines machtvollen Freundes nichts geschehen könnte. Dann kam die Stunde des Abschieds. Xylon fuhr seinen Gast wieder vor die Tür seines Elternhauses. Sie reichten sich die Hand. „Vergiß nicht“, sagte der Supermensch dann zu Joel, „daß auch unserer Macht Grenzen gesetzt sind!“ „Es wäre schön, wenn alle Menschen so wären wie Sie, Mister Xylon“, preßte Joel noch hervor. Dann schritt er zur Haustür. Ende „Geheimagent auf Luna“ von Dwight V. Swain erscheint in UTOPIA-Kleinband Nr. 75
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In Kürze erscheint UTOPIA-KRIMINAL Band 9
Allan Reed:
Angst ohne Ende Wir baten den Autor um einen Brief an unsere Leser und um eine Erklärung, was er, der Autor, sich unter einem UTOPIAKRIMINALROMAN vorstellt. Hier nun der Brief: Eine Menge Leute haben mich gefragt, warum ich gerade UTOPIA-KRIMINALROMANE schreibe. Nun, ich habe auch Zukunftsromane geschrieben und jeder kennt sie. Wenn ich UTOPIA-KRIMINALROMANE schreibe, dann mache ich das deswegen, um allen Freunden des Zukunftsromans eine hübsche und neue Sache aufzutischen. Vielleicht platzt manchem dabei der Kragen! Aber als Edgar Wallace zu schreiben anfing, ist auch manchem Zeitgenossen der Kragen geplatzt. Dann haben sie sich daran gewöhnt, und endlich konnten sie nicht genug davon kriegen. Mir zum Beispiel platzt der Kragen, wenn ich von einem Detektiv lese, der, mit einer Lupe in der Hand, mit seinem Bauch auf der Erde herumkriecht und das Sandkörnchen identifiziert, das irgend jemand von seinen ausgetretenen Schuhen verloren hat, und dann sagt, was es für eine Schuhmarke wäre. Niemand kriecht heute mehr auf der Erde mit einer Lupe in der Hand. Und schon gar niemand findet so eine Schuhmarke! Ich habe darüber nachgedacht, weil ich weiß, in was für einer Zeit wir leben. Und dabei sind mir die UTOPIA-KRIMINALROMANE eingefallen … Als Conan Doyle 1887 seinen ersten Sherlock Holmes, EINE STUDIE IN SCHARLACHROT, schrieb, war das zwar nicht der erste Kriminalroman, den es auf dieser hübschen Erde gab, 85
aber es war beinahe eine ganz neue Sache, und jeder wartete auf die nächste Sherlock-Holmes-Story. Sherlock spielte Geige und rauchte Shagpfeife … 30 Jahre später spielte kein Mensch mehr Geige, denn jeder tanzte Jitterbug und jeder las Edgar Wallace, weil Edgar das brachte, was in seine Zeit paßte. Er schrieb den HEXER und jedem – jedem, Freunde! – lief damals ein Schauer über den Rücken wie es kein Blues von Louis Armstrong besser machen konnte. Edgar Wallace ist noch immer da. Aber kein Mensch wurde mehr wild, wenn er was vom Londoner Nebel oder vom Henker in Gloucester las. Denn jeder griff sich auf einmal ein 25Cent-Pulp, in denen Dashiell Hammetts Stories drin waren, die etwa so aussahen: „Das tote Mädchen lag in der Gosse. Es war kein hübsches Bild. Irgend jemand hatte ihr ein Messer in die Brust gesteckt und umgedreht.“ Jeder weiß, wer Dashiell Hammett ist; heute wird er mit Hemingway zusammen genannt! Jeder weiß aber auch, wer Mickey Spillane ist, denn Mickey sagte sich: Kinder, was ihr schreibt, ist immer noch ein alter Hut! Er begann seine sieben „thriller“ auf den Tisch zu legen – Sachen, die noch nie da waren – und deswegen konnte sie sein Verleger in 30 Millionen Exemplaren verkaufen. Wir leben verdammt schnell, Freunde! In ein paar Jahren werden wir zum Mond finden, und in ein paar Jahren wird Siegfrieds Tarnkappe Wirklichkeit sein. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß es wahrscheinlicher ist, wenn in 50 Jahren ein Unsichtbarer durch die große Stadt geht, als wenn ein Detektiv mit einer Lupe behaupten will, er könne von einem Sandkörnchen die Schuhmarke ablesen … Und deshalb schreibe ich UTOPIA-KRIMINALROMANE für die Welt von morgen! Daß ich genau auf dem richtigen Weg bin, weiß ich. Diese Romane sind so interessant, weil sie eine verdammt neue Atmosphäre haben … Weil es um Parzellen auf 86
dem Mond geht und weil es vielleicht um ein Mädchen geht, das weiß, daß es sterben muß, weil Radioaktivität ihren Körper zerstört. Jeder Freund von Science-Fiction- und Kriminalromanen will doch nicht dauernd dasselbe. Er will was Neues. Und das gebe ich ihm. Über mich selber ist nicht viel zu sagen. Ich liebe Bulldoggen, Sportwagen, Teerosen und Sommerabende am Meer. Ich rauche 40 Zigaretten am Tag und bin nicht verheiratet. Vielleicht deswegen. Alle Mädchen sagen, Rauch legt sich auf die Gardinen. Ich werde mir mal ein Haus mit Jalousien bauen. Sincerely yours, Allan Reed UTOPIA-Freunde. die sich für diesen ungewöhnlich spannenden utopischen Kriminalroman interessieren, erhalten ANGST OHNE ENDE bei ihrem Zeitschriftenhändler. Richten Sie bitte Ihre Bestellung an den Verlag direkt, sollte UTOPIAKRIMINAL Band 9 schon ausverkauft sein.
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