Peter Apathy (Hrsg)
Bürgerliches Recht Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft
Willibald Posch
Bürgerliches Recht Band VII Internationales Privatrecht 5., aktualisierte Auflage
2010
SpringerWienNewYork
o. Univ.-Prof. Dr. Willibald Posch Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors, des Herausgebers oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 1994, 1999, 2002, 2008 und 2010 Springer-Verlag/Wien Printed in Germany SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Satz: Jung Crossmedia Publishing GmbH, 35633 Lahnau, Deutschland Druck: Strauss GmbH, 69509 Mörlenbach, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier SPIN 12599554 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0723-5097 ISBN 978-3-211-74400-0 4. Auflage SpringerWienNewYork
ISBN 978-3-7091-0067-7 5. Auflage SpringerWienNewYork
Geleitwort des Herausgebers Das Bürgerliche Recht zählt zu den zentralen Gebieten der Rechtswissenschaften und damit auch des rechtswissenschaftlichen Studiums, aber auch neuester Studienangebote für künftige Wirtschaftsjuristen. Es wird den Studierenden schon wegen seines Umfangs in mehreren Vorlesungen von verschiedenen Vortragenden vermittelt. Daran ist auch die Darstellung in dieser Lehrbuchreihe orientiert; sie verteilt sich auf sieben Bände: I. Allgemeiner Teil; II. Allgemeines Schuldrecht; III. Besonderes Schuldrecht; IV. Sachenrecht; V. Familienrecht; VI. Erbrecht; VII. Internationales Privatrecht. Ergänzt wird diese Lehrbuchreihe durch den Band VIII. Prüfungstraining. Fallrepetitorium mit Lösungen. Die Zielsetzung der – überaus freundlich aufgenommenen (vgl Schauer, JBl 2002, 676, JBl 2004, 672 und JBl 2010, 405) – Lehrbuchreihe ist eine pädagogische: Die Darstellung des Rechtsstoffs ist an den Bedürfnissen der Studierenden orientiert und auf eine systematische sowie anschauliche Behandlung der wesentlichen Rechtsprobleme ausgerichtet. Dabei werden im Sinne einer wissenschaftlichen Berufsvorbildung die Gründe für Entscheidungen des Gesetzgebers und wichtige Streitfragen besonders erörtert, um zum selbstständigen, problemorientierten Nachdenken – auch in neu auftauchenden Zusammenhängen – anzuregen. Angesichts der ausufernden Gesetzgebung der letzten Jahre und Jahrzehnte kann und soll nicht jedes Detail des umfangreichen Rechtsgebiets behandelt, sondern vor allem das Verständnis der zentralen Rechtsinstitute und deren Zusammenwirken gefördert werden. Die Verwendung von Kleindruck möge den Studierenden helfen, bei der Wiederholung Grundlegendes und Details zu unterscheiden. Die ausführlichen Register erleichtern den raschen Zugang zu konkreten Fragestellungen. Verweise (mit Bezug auf die Randzahlen) innerhalb des einzelnen Bandes sowie Verweise auf die Darstellung in anderen Bänden sollen die Wechselbezüge zwischen verschiedenen Rechtsinstituten des Bürgerlichen Rechts deutlich machen. Dabei wird auf andere Bände durch Bezug auf die Bandzahl (römische Zahl) und die Randzahl verwiesen. V
Geleitwort des Herausgebers
Der didaktischen Ausrichtung entsprechend wird auf einen umfassenden Nachweis von Literatur und Judikatur verzichtet. Die exemplarischen Nachweise der Rechtsprechung sollen den Studierenden praxisorientierte Beispiele bieten. Die Literaturnachweise eröffnen – neben den Kommentaren von Klang, Rummel, Schwimann und Koziol/Bydlinski/Bollenberger – einen ersten Einstieg, wo eine weitere Vertiefung (etwa in Hinblick auf Hausarbeiten und Diplomarbeiten) erforderlich ist. Auch auf die wörtliche Wiedergabe der Gesetzesstellen wird weitgehend verzichtet; freilich ist es für das Studium unumgänglich, die im Lehrbuch zitierten Gesetzesbestimmungen in einer aktuellen Gesetzesausgabe auch wirklich nachzulesen. Linz, im Juli 2010
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Peter Apathy
Vorwort zur 5. Auflage In den Lehrveranstaltungen zum Bürgerlichen Recht kommt dem Internationalen Privatrecht ein zunehmend wichtiger Stellenwert zu. Die Erweiterung der Europäischen Union und die wachsende Bedeutung der Grundfreiheiten haben zu einer Vermehrung grenzüberschreitender Rechtstreitigkeiten geführt. Die Frage des anzuwendenden Rechts stellt sich heute für das international zuständige Gericht viel öfter als zur Zeit des Inkrafttretens des österreichischen IPR-Gesetzes vor drei Jahrzehnten. Angesichts der Vielfalt des Sachrechts in den 27 Mitgliedstaaten der Union mussten die Brüsseler Rechtsetzungsorgane dafür sorgen, dass es im „Europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ jedenfalls einheitliche Anknüpfungsregeln gibt. So sind im Jahr 2009 zwei europäische Verordnungen in Geltung getreten, die das Internationale Schuldrecht auf eine neue, erheblich kompliziertere Rechtsgrundlage stellten: Im Jänner die „Verordnung Rom II“, die das neue europaweit vereinheitlichte internationale Recht der außervertraglichen Schuldverhältnisse zum Gegenstand hat, und im Dezember die „Verordnung Rom I“, die das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ) ersetzt und das neue Internationale Schuldvertragsrecht beinhaltet. Weitere EU-Verordnungen zum Internationalen Privatrecht sind bereits verabschiedet, aber noch nicht in Geltung, oder werden vorbereitet. Wie die Vorauflagen geht auch die vorliegende Fassung von einem weiten Verständnis des Internationalen Privatrechts aus, das neben dem Rechtsanwendungsrecht auch das Einheitsprivatrecht und Internationale Zivilverfahrensrecht erfasst. Da jedoch Letzteres im österreichischen Rechtsstudium den Prozessualisten zugeordnet wird, konzentriert sich die Darstellung auf das IPR im engeren Sinn und das Einheitsprivatrecht mit Fokus auf das UN-Kaufrecht (CISG). Da für diese beiden Themenbereiche in den Curricula des rechtswissenschaftlichen Studiums allzu wenig Zeit bleibt, mussten die Ausführungen kurz gehalten werden, sodass Lücken unvermeidlich waren. Ein Kurzlehrbuch muss sich eben auf die Vermittlung von Basiswissen beschränken. VII
Vorwort zur 5. Auflage
In die Neuauflage wurde ein Beitrag integriert, der von Mag. Dr. Markus Fallenböck, LLM (Yale) für die 3. Auflage verfasst wurde und die besonderen kollisionsrechtlichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Nutzung des Internet ergeben, behandelt. Für die Durchsicht und wertvolle Hinweise zur Aktualisierung dieses Teiles habe ich ao. Univ.-Prof. Elisabeth Staudegger zu danken. Ebenso gebührt meinen Mitarbeitern am Institut, Ass.-Prof. Peter Schwarzenegger und Ass.-Prof. Ulfried Terlitza, Dank dafür, dass sie den Text des gesamten Bandes kritisch durchgelesen und die diversen Verzeichnisse den Änderungen angepasst haben. Für allfällige Fehler und Irrtümer bei der Aktualisierung trägt freilich der Unterzeichnende die alleinige Verantwortung. Graz, im September 2010
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Willibald Posch
Inhaltsübersicht Einführung § 1. Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Erster Teil: Internationales Privatrecht im engeren Sinn § 2. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
§ 3. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
§ 4. Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System . . . . .
26
§ 5. Weiterführende Literatur und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
§ 6. Die kollisionsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
§ 7. Verweisung und Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
§ 8. Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel . . . .
55
§ 9. Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
§ 10. Personenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
§ 11. Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
§ 12. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
§ 13. Sachenrecht und Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
§ 14. Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
§ 15. Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
§ 16. Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
Zweiter Teil: Einheitsprivatrecht § 17. Einführung: Wesen, Terminologie, Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
§ 18. Europäische Privatrechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
§ 19. Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
IX
Inhaltsverzeichnis Rz Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite XVII
Einführung § 1. A. B. C.
Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts . . . . . . . . . . Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationales Zivilverfahrensrecht als Teil des IPR im weiteren Sinn Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1/1 1/1 1/6 1/9
1 1 5 8
Erster Teil: Internationales Privatrecht im engeren Sinn § 2. A. B. C.
Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statutentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wende im kollisionsrechtlichen Ansatz
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2/1 2/1 2/2 2/3
11 11 12 13
§ 3. A. B. C. D.
Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Rechtsquellen des österreichischen IPR . . . . . . . . . Die Verordnungen „Rom II“ und „Rom I“ . . . . . . . . . . . . . Weitere Vorhaben der EU auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3/1 3/1 3/4 3/6
16 16 19 21
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3/9
23
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§ 4. Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das IPR des ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Gliederung des IPR-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Das IPR-Gesetz im kollisionsrechtlichen System . . . . . . . . . . . E. Das österreichische IPR unter dem Einfluss des Europarechts . .
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4/1 4/1 4/2 4/3 4/4 4/6
26 26 26 27 29 30
§ 5. III. III. III.
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5/1 5/1 5/2 5/3
33 33 33 34
Weiterführende Literatur und Zeitschriften Zum österreichischen und europäischen IPR . Zum deutschen und europäischen IPR . . . . . Zum schweizerischen IPR . . . . . . . . . . . . . .
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XI
Inhaltsverzeichnis
Rz
Seite
IV. Zum Einheitsprivatrecht einschließlich der Europäischen Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I V. Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5/4 5/5 5/6
34 35 35
§ 6. A. B. C. D. E.
Die kollisionsrechtliche Beurteilung . . . . . . . Der Vorgang im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . Die Kollisionsnorm: Besonderheiten und Arten Rechtliche Einordnung (Qualifikation) . . . . . . Vorfrage und verwandte Fragen . . . . . . . . . . . Amtswegigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6/1 6/1 6/4 6/7 6/12 6/14
36 36 37 39 43 45
§ 7. A. B. C. D. E. F.
Verweisung und Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Alternative: Gesamtverweisung oder Sachnormverweisung Rück- und Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliedstaatenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Multiple“ Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akzessorische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7/1 7/1 7/3 7/4 7/5 7/6 7/9
47 47 49 51 51 52 53
§ 8. Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Statutenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8/1 8/1 8/4 8/5
55 55 58 60
§ 9. A. B. C. D. E.
Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz . Verwaltungssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parteiwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belegenheitsort, Handlungsort, Erfolgsort . . . . . . . . . . . . .
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9/1 9/1 9/2 9/9 9/11 9/15
62 62 63 68 70 74
§ 10. A. B. C. D.
Personenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechts- und Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen Rechts- und Geschäftsfähigkeit juristischer Personen Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10/1 10/1 10/2 10/5 10/8
75 75 75 78 81
§ 11. A. B. C. D. E.
Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehe und Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obsorge einer anderen Person und Sachwalterschaft . Eingetragene Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11/1 11/1 11/2 11/11 11/19 11/20
84 84 85 93 100 102
XII
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Inhaltsverzeichnis
Rz § 12. A. B. C. D.
Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Das allgemeine Erbstatut . . . . „Kaduzitätsstatut“ . . . . . . . . Verfügungen von Todes wegen
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12/1 12/1 12/4 12/5 12/6
104 104 107 108 109
§ 13. Sachenrecht und Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundregel, Ausnahmen und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . C. Statutenwechsel und Anerkennung fremder dinglicher Rechte D. „Einzelstatut bricht Gesamtstatut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verkehrsmittel und Sachen auf dem Transport . . . . . . . . 2. Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Immaterialgüterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13/1 13/1 13/2 13/5 13/6 13/7 13/7 13/8 13/9
111 111 111 113 114 114 114 115 116
§ 14. A. B. C. D.
Rechtsgeschäft . Allgemeines . . . Form . . . . . . . . Stellvertretung . Verjährung . . . .
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14/1 14/1 14/2 14/5 14/7
121 121 122 124 126
§ 15. A. B. C.
Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Anknüpfungsproblematik beim Schuldverhältnis . . . . . Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts . . . . 1. Das IPRG als Ausgangspunkt der Entwicklung . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Internationales Schuldvertragsrecht: Vom EVÜ zur Rom I-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Inhalt der Rom I-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung . . . . . . . . . . . . b) Das allgemeine Anknüpfungsregime der Rom I-Verordnung . c) Sonderanknüpfungen für besondere Vertragstypen . . . . . . . . d) Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abtretung und gesetzlicher Übergang der Forderung, Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Materielle Wirksamkeit, Form des Vertrages und Reichweite des Vertragsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Weitere kollisionsrechtliche Hilfsnormen in der Rom I-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die „Auffangtatbestände“ des IPRG: §§ 35 nF, 35a IPRG . . . . . Anknüpfung von außervertraglichen Schuldverhältnissen . . . . . . . . 1. Die überkommene Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rom II-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung . . . . . . . . . . . b) „Unerlaubte Handlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15/1 15/1 15/4 15/7 15/7
127 127 130 133 133
15/8 15/9 15/9 15/10 15/13 15/19
133 135 135 136 139 144
15/20
146
15/21
147
15/24 15/27 15/28 15/28 15/31 15/31 15/32
148 150 151 151 153 153 155
D.
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Seite
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XIII
Inhaltsverzeichnis
Rz
E.
c) Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . d) Freie Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinsame Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Weitere kollisionsrechtliche Hilfsnormen in der Rom II-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der „Auffangtatbestand“ des IPRG: § 48 nF IPRG . . . . . . . . . . 4. Außervertragliche Haftung für Straßenverkehrsunfallschäden . . Sonderanknüpfungen im Internationalen Schuldrecht . . . . . . . . . . . 1. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 13a KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 11 TNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Atomhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 16. Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness . . A. Internet und eBusiness: Herausforderungen für das IPR B. Internationales Vertragsrecht und eBusiness . . . . . . . . . 1. Business-to-Business-Verträge (B2B) . . . . . . . . . . . 2. Business-to-Consumer-Verträge (B2C) . . . . . . . . . C. Internationales Wettbewerbsrecht und eBusiness . . . . . 1. Marktortprinzip und eBusiness . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktortprinzip versus Herkunftslandprinzip . . . . D. Internationales Immaterialgüterrecht und eBusiness . . . 1. Bestehende Anknüpfungsprinzipien und eBusiness . 2. Alternative Anknüpfungskonzepte . . . . . . . . . . . .
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E. F.
Einführung: Wesen, Terminologie, Kategorien . . . . . . . . . . . Die wachsende Bedeutung von Einheitsprivatrecht . . . . . . . . . . Terminologisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung von Einheitsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interne – Internationale Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinheitlichung von Kollisionsrecht, internationalen Sachverhalten, Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinheitlichung und Angleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Universale – Regionale Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . Einheitsrecht als Sonderform gesatzten Rechts . . . . . . . . . . . . . Der Umgang mit Einheitsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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17/10 17/11 17/12 17/13 17/14
194 196 196 198 199
§ 18. A. B. C.
Europäische Privatrechtsangleichung . . . . . Stellenwert und Entwicklung . . . . . . . . . . . . Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen der Europäischen Rechtsangleichung
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Zweiter Teil: Einheitsprivatrecht § 17. A. B. C. D.
XIV
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Inhaltsverzeichnis
Rz D. E. F.
Kompetenztatbestände für die Europäische Rechtsangleichung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Rechtsangleichung durch Richterrecht . . . . . . . . . . . . Zentrale Bereiche der europäischen Privatrechtsangleichung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 19. Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Ausgangslage der Parteien beim internationalen Kaufvertrag . . C. Vorgeschichte und Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Übersicht über Aufbau und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Teil I: Anwendungsbereich und Allgemeine Bestimmungen . . . . . F. Teil II: Abschluss des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Teil III: Materielles Kaufvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines (Artikel 25–29 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verkäuferpflichten und Käuferrechtsbehelfe (Art 30–52 CISG) . 3. Käuferpflichten und Verkäuferrechtsbehelfe (Art 53–65 CISG) . 4. Übergang der Gefahr (Art 66–70 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorweggenommene Vertragsverletzung und Verträge über aufeinanderfolgende Leistungen (Art 71–73 CISG) . . . . . . . . . . . 6. Schadenersatz, Verzugszinsen und „Befreiungen“ (Art 74–80 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wirkungen der Aufhebung und Erhaltung der Ware (Art 81–88 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ANHANG UN-Kaufrechtskonvention (CISG) – Die 74 Vertragsstaaten am 1. Juli 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
XV
Abkürzungsverzeichnis aA aaO aF ABGB abgek abl ABlEG
ABlEU
Abs AcP aE AEUV aF AfP AGB AHG All.E.R. AnfO Art AtomHG AußStrG AVRAG B2B B2C Bd BG BGB BGBl BGH BlgNR BMJ
anderer Ansicht am angeführten Ort alte Fassung Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch abgekürzt ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis 2002) Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen Ausgabe L: Rechtsvorschriften Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2003) Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen Ausgabe L: Rechtsvorschriften Absatz (deutsches) Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (idF von Lissabon) alte Fassung Archiv für Presserecht (deutsch) Allgemeine Geschäftsbedingungen Amtshaftungsgesetz All England Law Report Anfechtungsordnung Artikel Atomhaftungsgesetz Außerstreitgesetz Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz Business to Business Business to Consumer Band Bundesgesetz (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (deutscher) Bundesgerichtshof Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates Bundesministerium für Justiz
XVII
Abkürzungsverzeichnis
BRD BVfG B-VG BWK bzw ca CCRE CFR CIEC CIM CISG CISG-online CIV CMR COTIF CR DB dBGBl DCFR DevisenG dh dRGBl DVEheG E EB ECG ecolex EEA EFSlg EG EGBGB EG-V EheG EMRK Endg EO EU EUV EuGH EuGVÜ EuGVVO
XVIII
Bundesrepublik Deutschland (deutsches) Bundesverfassungsgericht Bundes-Verfassungsgesetz Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft beziehungsweise circa Conseil des communes et régions d’Europe Common Frame of Reference/Gemeinsamer Referenzrahmen Internationale Zivilstandskommission Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Vienna Convention on Contracts for the International Sale of Goods = UN-Kaufrechtsübereinkommen CISG-Datenbank der Universität Basel Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-Personenund -Gepäckverkehr Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr Computer und Recht (deutsch) Der Betrieb (deutsch) (deutsches) Bundesgesetzblatt Draft Common Frame of Reference (Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens) Devisengesetz das heißt (deutsches) Reichsgesetzblatt Durchführungsverordnung zum Ehegesetz Entscheidung Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage E-Commerce-Gesetz Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Einheitliche Europäische Akte Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen Europäische Gemeinschaft(en); EG-V idF des Amsterdamer Vertrages (deutsches) Einführungsgesetz zum BGB Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften Ehegesetz Europäische Menschenrechtskonvention endgültig (final) Exekutionsordnung Europäische Union Vertrag über die Europäische Union (idF von Lissabon) Europäischer Gerichtshof Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Abkürzungsverzeichnis
EuZW EvBl EVÜ EWG EWG-V EWIV EWR Exch. f ff FamRZ FN FS G GBG gem GesRZ GewRÄG GmbH GmbHG GP GPÜ GRUR GRURInt hA HAdoptÜ HaRÄG HGB hrsg Hrsg HMjSchÜ HStVÜ HUStÜ HVertrG IATA ICC idF ieS IHR ILA ILO insb int IPR IPRax IPRG
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (deutsch) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Exchequer und der, die folgende und die folgenden (deutsche) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Festschrift Gesetz Allgemeines Grundbuchsgesetz gemäß Der Gesellschafter Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Gemeinschaftspatentübereinkommen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (deutsch) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (deutsch) herrschende Ansicht (Haager) Adoptionsübereinkommen Handelrechts-Änderungsgesetz 2005 Handelsgesetzbuch herausgegeben Herausgeber (Haager) Minderjährigenschutzübereinkommen (Haager) Straßenverkehrsübereinkommen (Haager) Unterhaltsstatutübereinkommen Handelsvertretergesetz International Air Transport Association Internationale Handelskammer in der Fassung im engeren Sinn Internationales Handelsrecht (deutsch) International Law Association Internationale Arbeitsorganisation insbesondere international, -e, -er, -es Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (deutsch) Internationales Privatrechtsgesetz
XIX
Abkürzungsverzeichnis
iSd IVVG iVm iwS IZPR IZVR JAP JBl JN JZ Kap KartG KautSchG KFG Kfz KHVG KindRÄG KO krit KSchG LegitÜ LG lit LKW LugGVÜ MEP Mio MMR MR MSchG MünchKomm NJW Nov NR Nr NYSchVÜ NZ ÖBA ÖBl odgl OGH OHG ÖJZ OLG OR österr
XX
im Sinne der, des Internationales Versicherungsvertragsrechtsgesetz in Verbindung mit im weiteren Sinn Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter Jurisdiktionsnorm (deutsche) Juristenzeitung Kapitel Kartellgesetz Kautionsschutzgesetz Kraftfahrgesetz Kraftfahrzeug Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz Konkursordnung kritisch Konsumentenschutzgesetz Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe Landesgericht litera (Buchstabe) Lastkraftwagen Luganer Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Member of the European Parliament Million(en) Multimedia und Recht (deutsch) Medien und Recht Markenschutzgesetz Münchener Kommentar zum BGB (deutsche) Neue Juristische Wochenschrift Novelle Nationalrat Nummer New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Österreichische Notariats-Zeitung Österreichisches Bankarchiv Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht oder dergleichen Oberster Gerichtshof Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht (Schweizer) Obligationenrecht österreichisch, -e, -er, -es
Abkürzungsverzeichnis
PEL Pkt PStG PStV PVÜ RabelsZ RBÜ RdU RdW rev. ed. RIS RIW RL Rom I-VO
Rom II-VO
Rs RV RZ Rz S s sa ScheckG schweiz SchweizBBl SE sec. Slg sog Stanford L. Rev. StGBl SWRÄG SZ TEG TestÜ TNG TranspR TRIPS ua
Principles of European Law Punkt Personenstandsgesetz Personenstandsverordnung Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (deutsch) Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst Recht der Umwelt Österreichisches Recht der Wirtschaft revised edition Rechtsinformationssystem Recht der Internationalen Wirtschaft (deutsch) Richtlinie der EU Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Verordnung Rom I) Verordnung (EG) Nr 864/207 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Verordnung Rom II) Rechtssache (bei Europäischen Gerichten) Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung Randzahl, -ziffer Satz, Seite siehe siehe auch Scheckgesetz schweizerisch, -e, -er, -es Schweizer Bundesblatt Europäische Gesellschaft (Societas Europea) section Sammlung der Rechtsprechung des EuGH sogenannte, -r, -s Stanford Law Review Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen Todeserklärungsgesetz (Haager) Testamentsübereinkommen Teilzeitnutzungsgesetz Transportrecht (deutsch) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights und andere, -s, -n; unter anderem
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Abkürzungsverzeichnis
uä uam UCC udgl UN UNCITRAL UNIDROIT UNKR UrhG USA USB usw uU UWG VersR VersVG vgl VwGH WA wbl WEG WechselG WIPO wobl WRP WTO WUA YBPIL Z ZAK zB ZEuP ZfRV ZGB ZIP ZPO ZSR zust ZVN ZVR
XXII
und ähnliche, -s und andere mehr Uniform Commercial Code und dergleichen Vereinte Nationen United Nations Commission on International Trade Law Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts UN-Kaufrechtsübereinkommen Urheberrechtsgesetz Vereinigte Staaten von Amerika universelle serielle Schnittstelle und so weiter unter Umständen Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Versicherungsrecht (deutsch) Versicherungsvertragsgesetz vergleiche Verwaltungsgerichtshof Warschauer Abkommen Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnungseigentumsgesetz Wechselgesetz World Intellectual Property Organization Wohnrechtliche Blätter Wettbewerb in Recht und Praxis (deutsch) Welthandelsorganisation Welturheberrechtsabkommen Yearbook of Private International Law (schweizerisch) Ziffer, Zahl Zivilrecht aktuell zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (deutsch) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Schweizerisches) Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (deutsch) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht zustimmend Zivilverfahrensnovelle Zeitschrift für Verkehrsrecht
Einführung § 1. Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts A. Begriff und Bedeutung Aktuellen Weltalmanachen zufolge ist die Zahl souveräner Staaten in der 1/1 jüngsten Vergangenheit auf nahezu zweihundert gestiegen1. Jeder dieser Staaten hat zumindest eine eigene Rechtsordnung. Einige wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Australien oder Kanada weisen auf ihrem Hoheitsgebiet mehrere Privatrechtsordnungen auf, die USA allein einundfünfzig2: jene der fünfzig Staaten und die des District of Columbia. Auch innerhalb der Europäischen Union besteht nicht in allen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Privatrechts interne Rechtseinheit, namentlich nicht im Vereinigten Königreich und in Spanien. Insgesamt kann man daher global jedenfalls von mehr als 300 Privatrechtsordnungen ausgehen. Keine dieser Privatrechtsordnungen steht isoliert im Raum. Als Folge der „Globalisierung der Wirtschaft“ und der Schaffung kontinentaler und regionaler Binnenmärkte machen wirtschaftliche Kontakte heute nicht mehr Halt vor staatlichen Grenzen, deren Bedeutung durch die inzwischen weit verbreitete Nutzung elektronischer Kommunikationstechnologien zusätzlich relativiert wird. Hinzu kommt, dass der Niedergang und offen1 Vgl Fischer Weltalmanach 2010. Er führt (mit Stand 1.7.2009) 195 souveräne Staaten an, als flächen- und einwohnermäßig kleinsten die Vatikanstadt. Zuletzt neu hinzugekommen ist die Republik Kosovo, die erstmals im Weltalmanach 2009 angeführt wurde. Die Regierung des Kosovo hat sich am 17.2.2008 für unabhängig erklärt, doch wird die Souveränität der früheren (autonomen) serbischen Provinz nur von einer Minderheit von Staaten anerkannt. Fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern – sehen in der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo einen gefährlichen Präzedenzfall, der sezessionistische Tendenzen in ihren Ländern fördern könnte und haben die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo vorerst verweigert. 2 Das sind die sog „jurisdictions“.
1
§1
Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts
bar endgültige Zerfall der Sowjetunion und die Überwindung der kommunistischen Ideologie in den von ihr einstmals kontrollierten sozialistischen Staaten Zentral- und Osteuropas bewirkt haben, dass offene Grenzen an die Stelle des „Eisernen Vorhangs“ getreten sind. Die „Osterweiterung“ der Europäischen Union, die mit der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien am 1.1.2007 einen (wohl nur vorläufigen) Abschluss erfahren hat, sollte sich als Stabilitätsfaktor für die neuen Demokratien in diesem Raum erweisen. Diese sollten von den Grundfreiheiten der Europäischen Union profitieren und so kommt es heute insbesondere in Europa öfter als noch vor fünfzehn Jahren im Rahmen von grenzüberschreitenden Privatrechtsverhältnissen zu „Berührungen“ oder „Kollisionen“ zwischen den Rechtsordnungen. Das Neben- und Miteinanderleben der Völker der einzelnen Staaten macht eine allgemein respektierte Begrenzung ihrer jeweiligen Gebietsund Personalhoheit unerlässlich. Dass für die Behörden oder Gerichte eines Staates immer nur das eigene Recht relevant wäre, kann jedoch bei der Entscheidung „internationaler Sachverhalte“ nicht von vornherein angenommen werden. Das gilt insbesondere für privatrechtliche Sachverhalte, während in den Bereichen des Straf- und Verwaltungsrechts wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters dieser Normen ein besonderes Interesse der Staaten besteht, dass ihre Gerichte und Behörden jeweils das eigene Recht anwenden. 1/2 Dem Begriff „Internationales Privatrecht“ (IPR) kann eine weitere und eine engere Bedeutung beigemessen werden. Im weiteren Sinn erfasst er neben dem „Internationalen Privatrecht im engeren Sinn“ auch das Internationale Zivilverfahrensrecht und das „Internationale Einheitsprivatrecht“, worunter das international vereinheitlichte bzw angeglichene Recht mehrerer nationaler Privatrechtsordnungen begriffen wird und dessen wichtigstes Beispiel das Übereinkommen über das Recht des grenzüberschreitenden Warenkaufvertrages (CISG)3 bildet. In Österreich wird „Internationales Privatrecht“ im juristischen Sprachgebrauch zumeist im engeren Sinn als Rechtsanwendungsrecht begriffen, also als Summe jener Normen, die bestimmen, welche von mehreren in Frage kommenden Rechtsordnungen auf einen privatrechtlichen Sachverhalt mit Auslandsberührung zur Anwendung gelangt. Zwar untersteht der angerufene Richter (oder etwa auch der Standesbeamte bei der Trauung) nur der eigenen Rechtsordnung, doch kann ihm 3 CISG steht als Abkürzung für Convention on Contracts for the International Sale of Goods.
2
Begriff und Bedeutung
§1
diese im gegenseitigen Interesse der Staaten, wie im Interesse der rechtsuchenden Parteien, gebieten, ein ausländisches Recht auf einen Fall anzuwenden, der zu jenem intensivere Berührungen oder „Anknüpfungspunkte“ aufweist; zB wird die Geschäftsfähigkeit (Ehefähigkeit, Testierfähigkeit) von Ausländern nach ihrem Heimatrecht, allenfalls bzw alternativ nach dem Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts (oder Wohnsitzes) zu beurteilen sein. Zum Ausgleich dafür darf erwartet werden, dass die ausländische Rechtsordnung in einem analogen Fall die gleiche Position einnimmt. Hat eine Rechtssache Anknüpfungspunkte zu mehreren Rechtsordnun- 1/3 gen, sind zB Angehörige verschiedener Staaten beteiligt, oder ist Nachlassgut in verschiedenen Staaten gelegen, wird es nicht immer leicht sein, zu bestimmen, welcher Anknüpfungsgrund relevant und welche Rechtsordnung anwendbar sein soll. Erst wenn die maßgebende Rechtsordnung ermittelt ist, kann die endgültige Entscheidung auf der Grundlage der Regeln ihres materiellen Rechts, der so genannten „Sachnormen“ getroffen werden, die entweder wie in den meisten Rechtsordnungen Kontinentaleuropas in Gesetzbüchern kodifiziert4 oder wie in den Jurisdiktionen des anglo-amerikanischen Rechtskreises weitgehend richterrechtlich festgeschrieben sind. Da die Privatrechtsordnungen erhebliche strukturelle und inhaltliche Verschiedenheiten aufweisen, hat die korrekte Bestimmung des maßgeblichen Rechts regelmäßig unmittelbare Auswirkung auf das Ergebnis der Sachentscheidung. Es wäre unbefriedigend, wenn jeweils nur das Recht des Gerichtsortes, die lex fori, Anwendung fände, so dass die Sachentscheidung verschieden ausfiele, je nachdem, in welchem Staat die Sache gerichtsanhängig und entschieden wird. Wünschenswert wäre es vielmehr, dass in allen Rechtsordnungen möglichst einheitliche Grundsätze für die Beantwortung der Frage, nach welchem Recht eine Rechtssache zu beurteilen sei, anerkannt würden. Unabhängig davon, wo der Rechtsstreit über einen internationalen Sachverhalt ausgetragen wird, sollte die Suche nach dem maßgeblichen Recht überall dasselbe Ergebnis zeitigen. Im engeren Sinn verstanden ist somit das IPR der Inbegriff all jener in 1/4 einem Staate geltenden spezifischen Normen, die für privatrechtliche „Sachverhalte mit Auslandsberührung“ bestimmen, welche von mehreren 4 Hier bilden die großen nationalen Zivilgesetzbücher die Hauptrechtsquellen des materiellen bürgerlichen Rechts; so der Code civil von 1804 in Frankreich, Belgien und Luxemburg, das ABGB von 1811 in Österreich, das BGB von 1900 in Deutschland, der Codice civile von 1942 in Italien usw. Daneben sind überall jedoch noch zahlreiche in Nebengesetzen normierte Bestimmungen zu beachten.
3
§1
Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts
berührten staatlichen5 Privatrechtsordnungen für die Beurteilung des Falles heranzuziehen ist. Das IPR löst somit die der eigentlichen Streitentscheidung „vorgelagerte Frage“, welche Rechtsordnung „maßgeblich“ ist, wenn ein „Sachverhalt mit einer Verbindung zum Recht eines fremden Staates“ zu entscheiden ist. Es hat somit eine selektive Funktion. Für den aufmerksamen Rechtspraktiker stellt sich ein kollisionsrechtlich relevanter Fall als ein Sachverhalt dar, auf den die Anwendung des inländischen materiellen Rechts (der lex fori) nicht ganz selbstverständlich erscheint. Gewiss haben der Richter, der einen Sachverhalt mit Auslandsberührung zu entscheiden hat und die involvierten Anwälte, eher ein Interesse an der Anwendung der eigenen Rechtsordnung, weil sie in der Regel nur mit dieser wirklich vertraut sind und der Umgang mit ihr nun einmal weniger Probleme aufwirft6. Übergeordnete Prinzipien wie das des internationalen Entscheidungsgleichklangs fordern indes, dass von einem Richter mitunter die Sachnormen einer ausländischen Rechtsordnung, die als „maßgeblich“ festgestellt wurde, angewendet werden. Da das IPR somit den Zweck hat, Kollisionen zwischen Rechtsordnungen zu bereinigen, findet statt der eingebürgerten Bezeichnung „Internationales Privatrecht“ auch der Begriff „Kollisionsrecht“7 Verwendung, wobei dann oft das internationale (Zivil-)Verfahrensrecht sowie das internationale Verwaltungsrecht (zB das Staatsbürgerschaftsrecht8) und mitunter auch das internationale Strafrecht inbegriffen sind. 1/5 Der wenig geglückte und irreführende Begriff „Internationales Privatrecht“, der auf den Amerikaner Joseph Story zurückgeht9, wird nicht überall zur Umschreibung des hier interessierenden Rechtsgebiets benutzt: So zieht man insbesondere in den Vereinigten Staaten den Begriff „conflict of laws“ oder knapp „conflicts law“ vor, in Frankreich wird neben „droit international privé“ alternativ „droit des conflits de lois“ verwendet. Ge-
5 Die Regeln, die klären, welche von mehreren berührten Teilrechtsordnungen innerhalb eines souveränen Staates zur Anwendung kommen, werden als „interlokales Privatrecht“ bezeichnet (US-amerikanisch: „interstate conflicts law“). 6 Man spricht in diesem Zusammenhang von „Heimwärtsstreben“. 7 Auch „Konfliktsrecht“. 8 So wird in Österreich das Staatsbürgerschaftsrecht dem internationalen Verwaltungsrecht zugeordnet, obwohl die Staatsbürgerschaft als Anknüpfungsmoment im Internationalen Personen-, Familien- und Erbrecht sehr wichtig ist. In Frankreich wird es dagegen als ein Teil des bürgerlichen Rechts begriffen. Seit 1993 sind die Regeln über die nationalité française wieder in den Art 17 ff Code civil zu finden. 9 Wenig geglückt deshalb, weil er den Eindruck erweckt, dass es sich bei „Internationalem Privatrecht“ um Rechtsnormen „von internationalem Charakter“ handelt. Story (1779– 1845) meinte mit dem Begriff aber eher das „private Internationalrecht“.
4
Internationales Zivilverfahrensrecht als Teil des IPR im weiteren Sinn
§1
legentlich ist auch von zwischenstaatlichem Recht bzw von „Rechtsanwendungsrecht“ die Rede. Wenngleich unter dem Begriff des IPR iwS die Gesamtheit der Normen verstanden wird, die der Regelung des Privatrechtsverkehrs mit dem Ausland dienen, kann im vorliegenden Studienbuch bloß auf das IPR im engeren Sinn sowie das für Österreich relevante Internationale Einheitsprivatrecht näher eingegangen werden.
B. Internationales Zivilverfahrensrecht als Teil des IPR im weiteren Sinn Für Privatrechtssachverhalte mit internationalem Bezug besteht ein beson- 1/6 deres Regelungsbedürfnis in verfahrensrechtlicher Hinsicht. So muss zunächst geklärt sein, welches Gericht international zuständig ist. Dem IPR im engeren Sinn ist daher das internationale Zivilverfahrensrecht (IZVR bzw IZPR für Internationales Zivilprozessrecht) gleichsam vorgeordnet. Für dieses bestehen nunmehr in Österreich nach umwälzenden, aus der Teilnahme Österreichs an der europäischen Integration resultierenden Reformmaßnahmen neue Rechtsgrundlagen. Vom 1.12.1998 bis zum 28.2.2003 stand das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) vom 27.9.196810 für Österreich im Verhältnis zu den Staaten, die das 4. Beitrittsübereinkommen ratifiziert haben11, in Geltung. Schon am 1.9.1996 hatte das weithin inhaltsgleiche, als Parallelabkommen mit den EFTA-Staaten konzipierte Luganer Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Geltung erlangt12, das heute in einer revidierten Fassung, die am 1.1.2010 vor10 Auch „Brüsseler Übereinkommen“; konsolidierte Fassung nach dem 4. Beitrittsübereinkommen, ABlEG C 27 vom 26.1.1998, 1. Es wurde von den sechs Urmitgliedern der EWG auf der Kompetenzgrundlage des damaligen Art 220 EWGV, des späteren (heute aufgehobenen) Art 293 EGV vereinbart. Vertragsstaaten dieses Übereinkommens konnten nur EU-Mitgliedstaaten sein, die neu aufgenommenen Staaten mussten sich zum Beitritt verpflichten. Bei jeder Erweiterung der (früheren) EWG bzw EU wurden in den jeweiligen Beitrittsübereinkommen Modifikationen des ursprünglichen Textes des EuGVÜ vorgenommen, die von den Mitgliedstaaten jeweils ratifiziert bzw übernommen werden mussten. Das erfolgte zu durchaus unterschiedlichen Zeiten. Das EuGVÜ stand daher in unterschiedlichen Fassungen zwischen den Mitgliedstaaten in Kraft. Für Österreich war das EuGVÜ idF des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29.11.1996 relevant: ABlEG C 15 vom 15.1.1997, 1; BGBl III 1998/167. Diese unübersichtliche Situation ist durch die Ersetzung des EuGVÜ durch die „Verordnung Brüssel I“ überwunden worden. 11 Am 1.1.1999 waren dies Dänemark, Deutschland und die Niederlande. 12 BGBl 1996/448; dem LugGVÜ sind die EWR-Vertragsstaaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) und die Schweiz beigetreten.
5
§1
Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts
erst nur für Norwegen und die EU-Mitgliedstaaten13 in Kraft getreten ist, existiert. Mit dem EuGVÜ waren weite Bereiche des Zivilrechtsverkehrs zwischen den Staaten der Europäischen Union auf eine einheitliche Grundlage gestellt worden. Seine Tage waren jedoch gezählt, seit diese Materie durch den Amsterdamer Vertrag mit dem Ziel der Schaffung eines „Europäischen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ aus der damaligen „Dritten Säule der Europäischen Union“14 in die ex-Art 61 ff EGV verlagert worden war: Durch die Art 61 lit c), 65 und 67 Abs 1 EGV15 ist die Grundlage für supranationale Rechtsakte geschaffen worden, sodass einschlägige Verordnungen des Rates erlassen werden konnten. Als erste Maßnahme wurde die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten („Verordnung Brüssel II“)16 wirksam, die aber nur vom 1.3.2001 bis 28.2.2005 in Geltung stand, da ab 1.3.2005 die gleichnamige Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 („Brüssel IIa“)17 an ihre Stelle getreten ist. An Stelle des EuGVÜ hat am 1.3.2002 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Verordnung Brüssel I“)18 Geltung erlangt. 1/7 In der Verordnung Brüssel I, die große praktische Bedeutung besitzt und schon zu zahlreichen Entscheidungen sowohl des EuGH wie auch des OGH Anlass gegeben hat, geht es ebenso wie in der Verordnung Brüssel IIa nicht um die vom IPR im engeren Sinn zu beantwortende Frage, nach welchem Sachrecht ein Sachverhalt mit Auslandsberührung zu entscheiden ist19. Vielmehr wird in der Verordnung Brüssel I – nach Klarstellung des 13 Einschließlich Dänemark. 14 Justiz und Inneres. Das Dreisäulenschema der EU ist durch den Lissabonner Vertrag obsolet geworden. 15 Nunmehr Art 67 und 81 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union (= AEUV). 16 Kurz EuGVVO II, ABlEG L 160 vom 30.6.2000, 19. Dazu vgl nur Boele-Woelki, Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121. 17 Verordnung (EG) Nr. 2201 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABlEU L 338 vom 23.12.2003, 1 idF L 347 vom 14.12.2004, 1. 18 Kurz EuGVVO I, ABlEG L 12 vom 16.1.2001, 1. 19 Deshalb fallen die Verordnungen „Brüssel I“ und „Brüssel IIa“ nach österreichischem Verständnis in Forschung und Lehre in die fachliche Zuständigkeit der Vertreter des Zi-
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Internationales Zivilverfahrensrecht als Teil des IPR im weiteren Sinn
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Anwendungsbereichs in Art 1 – im Kapitel II20 die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und im Kapitel III21 die Anerkennung und Vollstreckung von „gerichtlichen Entscheidungen“22 geregelt. Im Instrumentarium der Kollisionsrechtsvereinheitlichung gäbe es ja nur ein „Schwert ohne Klinge“, wenn nicht auch sichergestellt würde, dass ausländische Entscheidungen von inländischen Gerichten – und umgekehrt – anerkannt und vollstreckt werden. Die Komplexität des europaweit vereinheitlichten Internationalen Zivilverfahrensrechts manifestiert sich in einer Reihe von weiteren europäischen Rechtsakten. Schon seit mehreren Jahren stehen die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren23, die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten24, die Verordnung (EG) Nr. 1206/ 2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Ziviloder Handelssachen25 und die Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28.5.2001 über die Einrichtung eines „Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen“26 in Kraft. Weitere Rechtsakte, die in diesem Zusammenhang erlassen wurden, sind die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen27, die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens28 und zuletzt die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen29. Mehr als ein Hinweis auf diese Rechtsakte kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.
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vilverfahrensrechts und können in diesem Rahmen nur am Rande behandelt werden; vgl vertiefend Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht7 (2009) Rz 76 ff; Burgstaller (Hrsg), Internationales Zivilverfahrensrecht (2006). Teil II (Loseblatt-Ergänzung); konzise einführend Mayr/Czernich, Europäisches Zivilprozessrecht2 (2010). Vgl Art 2–31 EuGVVO I. Vgl Art 32–56 EuGVVO I. Im Sinne von Art 32 EuGVVO I. ABlEG L 160 vom 30.6.2000, 1; in Kraft getreten am 31.5.2002. ABlEG L 160 vom 30.6.2000, 37; in Kraft getreten am 31.5.2001. ABlEG L 174 vom 27.6.2001, 1. ABlEG L 174 vom 27.6.2001, 25. ABlEU L 143 vom 30.4.2004, 15. Anhänge ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1869/ 2005 der Kommission, ABlEU L 300 vom 17.11.2005, 6. ABlEU L 399 vom 30.12.2006, 1. ABlEU L 199 vom 31.7.2007, 1; in Kraft getreten am 1.1.2009.
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Internationales Privatrecht als Teilgebiet des Rechts
1/8 Die im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr verbreitete Tendenz zur Streitschlichtung durch Schiedsgerichte wird durch die Verordnung Brüssel I und das LugGVÜ nicht tangiert30. Den Parteien internationaler Verträge, die sich von einem Schiedsgericht eine raschere, billigere und auch leichter durchsetzbare Entscheidung allfälliger Streitigkeiten erwarten31, stehen einschlägige internationale Übereinkommen bei, wie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche32 oder das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit33.
C. Abgrenzungen 1/9 Sachverhalte mit Auslandsberührung ergeben sich nicht nur im Privatrecht, sondern müssen immer wieder auch von Strafrichtern oder Verwaltungsbehörden beurteilt werden. Das Internationale Strafrecht und das Internationale Verwaltungsrecht werden jedoch durch andere Grundsätze bestimmt. Im Gegensatz zum IPR steht dort das Territorialitätsprinzip im Vordergrund, wenngleich der Einfluss des Europarechts wesentliche Änderungen bewirkt hat. Nicht zum IPR ieS gehört auch das sogenannte Fremdenrecht. Es enthält keine Verweisungsnormen, sondern konstituiert sich aus Sachnormen, die für die rechtliche Stellung von Ausländern, insbesondere hinsichtlich von Einreise, Aufenthalt und Niederlassung besondere Regeln festlegen. Seiner Natur nach ist es eher dem Öffentlichen Recht zuzurechnen. Diese, nicht erst in jüngster Zeit durch das Anliegen nach Schutz vor vermeintlich drohender Überfremdung bestimmte Regelungsmaterie, ist in Österreich nunmehr umfassend im so genannten „Fremdenrechtspaket 2005“34 geregelt, das in seinen Art 2 bis 4 als Kernmaterien das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erfasst und hierbei einschlägige Europäische Richtlinien35 in das natio30 31 32 33 34 35
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Vgl Art 1 Abs 2d) EuGVVO I bzw Art 1 Abs 2 Z 4 LugGVÜ. Dazu vgl zB Rubino-Sammartano, International Arbitration Law, 2nd rev. ed. (2001). BGBl 1961/200; auch als „New Yorker Übereinkommen“ bezeichnet. BGBl 1964/107; auch als „Genfer Übereinkommen“ bezeichnet. BGBl I 2005/100, zuletzt geändert durch BGBl I 2009/135. Insbesondere die Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25.11.2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, ABlEU L 16 vom 23.1.2004, 44 und die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/
Abgrenzungen
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nale Recht umsetzt. Bürger von Mitgliedstaaten der EU und des EWR erfahren eine unterschiedliche Behandlung. Allgemein ist im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt36, dass in Bezug auf Unionsbürger „jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ verboten ist“37.
EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/ EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABlEU L 158 vom 30.4.2004, 77. 36 Art 18 AEUV (zuvor Art 12 EGV). 37 Neben den einschlägigen Sonderbestimmungen des Fremdenrechts kommt der an sich obsoleten Bestimmung des § 33 ABGB, die die „Fremden“ unter der Voraussetzung, dass der fremde Staat die österreichischen Staatsbürger „in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle“, grundsätzlich den „Eingebornen“ gleichstellt und den unzeitgemäßen Grundsatz der formellen Gegenseitigkeit normiert, praktisch keine Bedeutung mehr zu. Wenn § 33 ABGB verlangt, dass in zweifelhaften Fällen der Ausländer die Gegenseitigkeit nachweisen muss, was freilich durch Staatsverträge oder Regierungsvereinbarungen erleichtert wird, bekundet sich hierin ein gewisses Misstrauen. Dem internationalen Verkehr förderlicher wäre es wohl, die Beweislast umzukehren und formelle Gegenseitigkeit anzunehmen, solange nicht das Gegenteil erwiesen ist.
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Erster Teil: Internationales Privatrecht im engeren Sinn § 2. Historische Entwicklung1 A. Vorgeschichte Das römische Recht war zunächst ius civile, dh es galt nur für römische 2/1 Bürger; Fremde waren rechtlos. Mit zunehmendem Wirtschaftsverkehr schuf der Prätor für Peregrine das ius gentium. Es war besonders ausgeformtes römisches Recht. Ein IPR in unserem Sinn, welches das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen voraussetzt, kannte das römische Recht, das sich quasi zum Weltrecht jener Zeit entwickelte, gleichwohl nicht. Auch nach den germanischen Rechten stand der Fremde außerhalb des Rechts. Das nach dem Zerfall des Römischen Reichs entstandene Fränkische Reich war aber kein Nationalstaat, sondern ein Nationalitätenstaat. Demgemäß unterstand jeder Reichsangehörige seinem Stammesrecht, dh dem Recht bzw Statut seiner Herkunft2. Die Römer und ebenso die Kirche und die Kleriker lebten nach römischem Recht. Damit trat die Problematik, zu deren Lösung es internationalprivatrechtlicher Regeln bedarf, auf. Denn ein konkreter Sachverhalt konnte die Grenzen von Stammesrecht sprengen, so dass es zu einer Kollision der Statuten kam3 und sich der Richter in die Lage versetzt sehen konnte, fremdes Stammesrecht anwenden zu müssen. Mit dem Sesshaftwerden der Stämme schwand im frühen Mittelalter das Stammesbewusstsein, das Personalitätsprinzip wandelte sich in das 1 Vgl Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts (1977); sowie von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, Allgemeine Lehren2 (2003) § 6 – Theorie und Methode des Internationalen Privatrechts in Geschichte und Gegenwart, 472 ff. 2 Der Dominanz der lex originis entsprach das Personalitätsprinzip. 3 Wenn zB ein Franke mit einem Alemannen einen Vertrag schloss.
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Historische Entwicklung
Territorialitätsprinzip: Nunmehr richtete sich das Recht nicht mehr nach der Abstammung, vielmehr wurde in einem abgegrenzten Gebiet unterschiedslos das Recht dieses Gebietes angewandt: So ist aus Stammesrecht Landesrecht geworden. Daneben entstanden mit der Entwicklung städtischer Siedlungen Stadtrechte. Diese galten für den Bürger in der Stadt, nicht jedoch auf dem offenen Land. Zudem begann in jener Epoche das durch die Rezeption geförderte Vordringen des römischen Rechts in Europa als subsidiär geltendes Recht.
B. Statutentheorie 2/2 Die Ursprünge des modernen IPR liegen in den mittelalterlichen Stadtstaaten Italiens (Modena, Bologna usw). Diese kodifizierten seit der Mitte des 11. Jahrhunderts ihr jeweiliges Recht: Die „statuta“. Da sie untereinander in lebhaftem Handelsverkehr standen, erzwang die Verschiedenheit der statuta die Beschäftigung mit den Problemen kollidierender Rechte. Während noch unter den Glossatoren (Azo, Accursius) die lex fori beherrschend im Vordergrund stand4, gingen im 14. Jahrhundert die Kommentatoren (Bartolus de Saxoferrato, Baldus de Ubaldis) von der Grundthese aus, dass sich die Parteien durch Herstellung von Nahebeziehungen dem Ortsrecht, dem jeweiligen „statutum“ unterwerfen; und zwar: · für persönliche Verhältnisse (zB Rechts- und Handlungsfähigkeit, Erbfolge) dem am Wohnsitz geltenden Recht (statuta personalia); · für Liegenschaften dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae; statuta realia)5; · für Handlungen dem Recht des Ortes, an dem sie gesetzt werden (lex loci delicti commissi, lex contractus, locus regit actum; statuta mixta). Diese Statutentheorie erlangte große Bedeutung, obwohl sie keineswegs frei von Unzulänglichkeiten war. So ist schon ihr Ausgangspunkt, die freiwillige Unterwerfung, fiktiv: Daraus, dass jemand seinen Wohnsitz in einem fremden Land nimmt, kann noch nicht geschlossen werden, dass er sein Ursprungsrecht aufgeben will. Zudem können die drei Prinzipien miteinander in Widerspruch geraten. So soll die Erbfolge sich nach dem Personalstatut richten, für Liegenschaften aber das Realstatut gelten. Was gilt, wenn sich im Nachlass eines Inländers ausländische Liegenschaften befin4 So dass das angerufene Gericht nur nach seinem Recht urteilte. 5 Bewegliche Sachen sollten dagegen als „Zubehör der Person“ dem Personalstatut unterliegen (mobilia ossibus inhaerent); vgl § 300 aF ABGB.
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den? Will man die Einheitlichkeit der Universalsukzession erhalten, muss man das Realstatut fallen lassen, wendet man es auf Liegenschaften an, muss man die Universalsukzession preisgeben. Schließlich sind die entwickelten Grundsätze klein an Zahl, oft mehrdeutig und unbestimmt, sodass offene Fragen bleiben: Welches ist die lex contractus bei Verträgen unter Abwesenden? Ist die lex loci delicti commissi das Recht des Ortes, an dem die schädigende Handlung begangen wurde, oder ist sie das Recht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist? Dennoch beherrschte die Statutentheorie die folgenden Jahrhunderte. Sie war wiederholt Modifikationen unterworfen, wobei sich die Zentren der Entwicklung immer wieder geografisch verlagerten. So beherrschten im 16. Jahrhundert französische (Dumoulin, d’Argentré) und später niederländische (Paul und Johannes Voet, Ulrich Huber) Juristen die Szene und noch bis in die Epoche der frühen Kodifikationen konnte die Statutentheorie ihre Bedeutung wahren. So bestimmte sie denn auch die wenigen kollisionsrechtlichen Normen des ABGB von 1811.
C. Die Wende im kollisionsrechtlichen Ansatz Wesentliche Fortschritte in der Entwicklung des IPR wurden aber erst im 2/3 Laufe des 19. Jahrhunderts erzielt, wobei der amerikanischen und vor allem der deutschen Rechtswissenschaft eine innovative Rolle zukam. In den Vereinigten Staaten gewann der bereits erwähnte Joseph Story im Jahre 18346 aus Entscheidungen und Einzelüberlegungen abgeleitete, konkret anwendbare Kollisionsnormen, wobei er, insoweit durchaus dem anglo-amerikanischen Rechtsdenken verpflichtet, darauf verzichtete, theoretische Grundsätze aufzustellen. Auf diametral entgegengesetztem Wege gewann die deutsche Pandektistik neue theoretische Einsichten. 1841 zeigte zunächst Carl Georg Wächter7 die Unhaltbarkeit der Fiktion freiwilliger Unterwerfung unter das Statut auf. Er betonte demgegenüber die Staatssouveränität. Für den Richter könne nur der Gesetzesbefehl des eigenen Staates maßgebend sein, der freilich dem Richter auch befehlen könne, fremdes Recht anzuwenden. Tue der Staat dies, würde der Richter zwar materiell fremdes, formell aber eigenes Recht anwenden. Wenn jedoch das eigene Recht dem Richter keinen solchen Befehl erteile, hätte dieser auch materiell eigenes Recht anzuwenden. Dieser Satz brachte Wächters theoretisch richtige Grundauffas6 In diesem Jahr erschienen seine Commentaries on the Conflict of Laws in erster Auflage. 7 Im 24. und 25. Band des Archivs für die civilistische Praxis (AcP).
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Historische Entwicklung
sung allerdings um ihre praktische Wirkung, da die damals existenten nationalen Vorschriften kollisionsrechtlichen Inhalts sehr spärlich waren und viele Lücken beließen8. Wäre bei Fehlen einer Kollisionsnorm immer einheimisches Recht anzuwenden gewesen, bedeutete dies, dass fast nur einheimisches Recht Anwendung gefunden hätte. Wächters Satz war fehlerhaft, da der Richter auch ohne ausdrücklichen Gesetzesbefehl annehmen darf, dass der Wille des nationalen Gesetzgebers nicht dahin gehen kann, einheimisches Recht (lex fori) auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die ihrer Natur nach einer fremden Rechtsordnung zuzuordnen sind. Diesen Mangel korrigierte wenige Jahre später Carl Ritter von Savigny9. Er vertrat, dass die Völkerrechtsgemeinschaft eine Überspannung der Gebietshoheit verbiete. Jeder Staat habe anzuerkennen, dass jenes Recht anzuwenden sei, welchem ein Rechtsverhältnis „seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist“, bzw wo dasselbe „seinen Sitz hat“. Otto von Gierke sprach später, statt bildlich vom Sitz, abstrakter vom Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses. Auch diese Formel kann keineswegs alle Einzelfragen eindeutig lösen: Liegt der Sitz oder Schwerpunkt personenrechtlicher Verhältnisse im Land des Wohnsitzes oder der Staatsbürgerschaft? Liegt der Sitz bei Schuldverträgen am Erfüllungsort oder am Abschlussort? Ist dasselbe Rechtsverhältnis hinsichtlich verschiedener Fragen nicht nach verschiedenen Rechten zu beurteilen? Immerhin bot Savigny eine theoretisch unantastbare Richtlinie an, die weitreichende Wirkungen entfaltete. 2/4 Während Savigny das Personalstatut an den Wohnsitz band, vertrat Pasquale Stanislao Mancini zur gleichen Zeit10 im Zusammenhang mit den Ideen des italienischen Rinascimento, dass jeder das Recht seiner Nationalität mit sich trage11. Das territoriale Recht gelte nur, soweit es die öffentliche Ordnung, den ordre public, betreffe. Überdies sei anzuerkennen,
8 Vgl die (allesamt aufgehobenen) §§ 4, 34–37, 300 aF sowie den noch in Kraft befindlichen, aber gegenstandslosen § 33 ABGB. 9 Im 1849 erschienenen 8. Band seines Systems des heutigen Römischen Rechts. 10 1851 in seinem berühmten Turiner Vortrag „Della nazionalità come fondamento del diritto delle genti“. 11 Heute gilt in Kontinentaleuropa noch überwiegend – mit Ausnahmen (zB Schweiz) – das Staatsangehörigkeitsprinzip, während im anglo-amerikanischen (common law) Rechtskreis das Prinzip des Wohnsitzes (domicile) bzw des dauerhaften (gewöhnlichen) Aufenthaltes im Vordergrund steht. Während das Staatsangehörigkeitsprinzip dem Nationalstaatsgedanken entspricht, erleichtert das Wohnsitzprinzip die Eingliederung von Ausländern. Im Zusammenhang mit der Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts wird jedoch dem Aufenthaltsgrundsatz insbesondere auch im Internationalen Familienrecht zunehmend Bedeutung beigemessen.
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Die Wende im kollisionsrechtlichen Ansatz
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dass man bestimmte Rechtsverhältnisse einem im Rahmen der Privatautonomie ausgewählten Recht unterwerfen könne. Um die Jahrhundertwende versuchte dann Ernst Zitelmann vergeblich, aus dem Völkerrecht das „richtige IPR“ logisch abzuleiten: Es war dies ein Versuch de lege ferenda. Der nationale Gesetzgeber sollte sich an den völkerrechtlichen Regeln orientieren, dh die seiner Macht durch die Völkerrechtsgemeinschaft gezogenen Grenzen respektieren und nur jene Rechtsverhältnisse seiner Herrschaft unterwerfen, die mit seinem Herrschaftsbereich stärker als mit dem anderer Staaten verknüpft seien. Doch ist nicht zu übersehen, dass die für den Richter bindende lex lata (das von den Einzelstaaten gesetzte IPR) den Ergebnissen von Zitelmann vielfach widersprach. Zitelmanns universalistischer Ansatz ließ sich allenfalls für die Lückenfüllung verwenden12. Savignys Einfluss auf die weitere Entwicklung des IPR in Kontinentaleu- 2/5 ropa ist sehr groß. Man hat seine Erkenntnisse geradezu als „kopernikanische Wende“ des IPR gefeiert und in der Folge versucht, die vorderhand abstrakte Formel vom „Sitz“ oder „Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses“ zu konkretisieren und für Gesetzgebung und Rechtsanwendung nutzbar zu machen. Auf Savigny ist es aber auch zurückzuführen, dass sich die lex rei sitae im Hinblick auf bewegliche Sachen und das Personalstatut als für die Erbfolge maßgeblich durchsetzten. Fortan ging es um die wertende Herausarbeitung zwar neuerdings verstärkt sachrechtlich beeinflusster, gleichwohl noch immer spezifisch international-privatrechtlicher Gerechtigkeitsprinzipien und Anwendungsinteressen13. Diese bestehen schlicht darin, die dem Sachverhalt am nächsten stehende Rechtsordnung (oder Einzelnormen derselben) heranzuziehen. Es kann dies die an der Beurteilung des betreffenden Sachverhaltes (oder eines Elementes desselben) am meisten interessierte Rechtsordnung bzw nach Möglichkeit auch diejenige Rechtsordnung sein, in deren „sozialer“ Umwelt der zu beurteilende Sachverhalt am stärksten eingebettet erscheint.
12 Vgl auch die rechtsvergleichende IPR-Schule von Ernst Rabel. 13 Vgl Kegels These, dass der Vorzug dem räumlich, nicht dem sachlich „besten“ Recht gebühre.
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§ 3. Rechtsquellen A. Allgemeines 3/1 Gelänge es, auf globaler Ebene ein einheitliches materielles Privatrecht zu schaffen und seine einheitliche Anwendung zu sichern, würden sich Kollisionsnormen erübrigen. Die Vorstellung von einem „Weltprivatrecht“ ist aber in das Reich der Illusionen zu verweisen. Über bloß punktuelle Ansätze, insbesondere im Wechsel- und Scheckrecht1, im Urheberrecht2, Lufttransportrecht3 und im internationalen Warenkaufrecht4 ist man nicht hinausgelangt. Ungeachtet der Bemühungen der Organisation der Vereinten Nationen, insbesondere von UNCITRAL5, um eine weitere Vereinheitlichung oder Angleichung von wirtschaftsnahen Privatrechtsmaterien werden Kollisionsnormen auf absehbare Zeit weiterhin unentbehrlich sein. Auch wenn die vielfältigen Bemühungen um eine Vereinheitlichung des materiellen Zivilrechts in der Europäischen Union konkrete Ergebnisse zeitigen sollten, wird sich an der praktischen Notwendigkeit der Kollisionsnormen wenig ändern. Denn, dass es in absehbarer Zeit ein Europäisches Zivilgesetzbuch geben könnte, ist unrealistisch. 3/2 Die auf den Abbau zwischenstaatlicher Handelsbarrieren gerichteten globalen Entwicklungen und die von der Welthandelsorganisation angestrebte 1 Genfer Wechsel- und Scheckübereinkommen 1930/31. 2 ZB revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst 1886; Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, „TRIPS“ (Anhang zur WTO-Vereinbarung). 3 Vgl das von ca 150 Staaten zumeist in der Fassung des Haager Protokolls von 1955 ratifizierte Warschauer Lufttransportübereinkommen 1929. Vgl auch die weit weniger verbreiteten internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) und den Eisenbahnpersonenverkehr (CIV). 4 Vgl das sog „Wiener“ UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG), das zum Stichtag 1.6.2010 in 74 Staaten in Kraft steht; in Österreich seit 1.1.1989, BGBl 1988/96. 5 Dieses Akronym steht für „United Nations Commission of International Trade Law“. Die Kommission hat ihren Sitz in Wien. Näheres unter www.uncitral.org.
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Allgemeines
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Liberalisierung des Verkehrs mit Dienstleistungen6 sollten die Wirtschaft durch die Vermehrung grenzüberschreitender Vertragsabschlüsse fördern und die praktische Bedeutung des Kollisionsrechts vergrößern. Es wäre daher ein bedeutender Fortschritt, würden einheitliche Kollisionsnormen, also ein wirklich „internationales IPR“ geschaffen: Wo immer ein Privatrechtsstreit, der mehr als eine Rechtsordnung berührt, zu entscheiden wäre, käme das gleiche materielle Recht zur Anwendung, womit ein äußerer „Entscheidungseinklang“ gesichert wäre. Die Ansätze zu einem global vereinheitlichten Kollisionsrecht sind keineswegs beeindruckend, obwohl sich die Haager IPR-Konferenzen schon seit mehr als einem Jahrhundert um die Ausarbeitung von allgemein akzeptablen Konventionen zu Teilgebieten des Kollisionsrechts bemühen und gegenwärtig achtunddreißig Haager Konventionen und Protokolle existieren7. Die Vereinheitlichung scheitert jedoch nicht selten an der Ratifizierungsunwilligkeit gerade jener Staaten, welche an der Ausarbeitung der einschlägigen Übereinkommen besonders intensiv mitgewirkt haben8. Vor dem ersten Weltkrieg waren es die Haager Übereinkommen von 1902 und 1905 betreffend Schließung, Scheidung, Trennung und Wirkungen der Ehe, sowie über Vormundschaft und Entmündigung, die größere Akzeptanz fanden. Aus neuerer Zeit zu nennen sind die Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht, sowie das Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht. Das IPR hat mehrere Gesichter: Zum einen ist es autonomes innerstaatli- 3/3 ches Recht, soweit die nationalen Rechtsordnungen aus sich heraus Kollisionsnormen aufstellen. Sodann ist es in internationalen Verträgen festgeschrieben, beruht also auf Völkervertragsrecht, das dem innerstaatlichen Rechtsbestand erst durch verfassungsgemäße Transformierung einverleibt werden muss, wobei manche Übereinkommen nur zwischen den Vertragsstaaten im Gegenseitigkeitsverhältnis gelten, dh nur für Angehörige der Vertragsstaaten oder Personen, die sich in diesen aufhalten (zB Minderjäh6 Vgl ABlEG L 336 vom 23.12.1994, 191: Die multilateralen Verhandlungen der UruguayRunde (1986–1994) – Anhang 1 – Anhang 1B – Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS). 7 Vgl http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.listing; von diesen hat Österreich bisher neun ratifiziert. 8 Wie die USA seit den Sechziger-Jahren, die bisher nur drei Haager Konventionen ratifiziert haben.
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§3
Rechtsquellen
rigenschutz- und Unterhaltsstatutübereinkommen), während die so genannten „lois uniformes“ für die ratifizierenden Staaten ohne Gegenseitigkeitserfordernis allgemein geltende innerstaatliche Kollisionsnormen einführen (zB Haager Testamentsübereinkommen). Der Verwirklichung des europäischen Rechtsraumes dienen in zunehmendem Maße gemeinschaftsrechtliche Verordnungen, die für alle Mitgliedstaaten einheitliche Anknüpfungsregeln vorsehen (zB Verordnungen Rom I und II). Nach wie vor ist das IPR zum größeren Teil nationales Recht (weshalb auch die Bezeichnung insoweit irreführend ist). Es gibt demnach ein österreichisches, deutsches, französisches IPR. Leider regeln diese nationalen Kollisionsrechte auch wesentliche Fragen nicht immer gleich, was auch in den Kodifikationen des Internationalen Privatrechts in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts Niederschlag fand. Seit den Siebziger-Jahren des letzten Jahrhunderts ist das IPR nicht nur in Österreich, Deutschland, der Schweiz oder Italien, sondern auch in den Staaten des ehemaligen sozialistischen Rechtskreises9 kodifiziert worden. In Deutschland, das sein IPR primär im Einführungsgesetz zum BGB regelt, gilt seit 1.9.1986 das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts10, mit dem unter anderem das völkervertraglich festgeschriebene internationale Vertragsrecht der Europäischen Gemeinschaft (EVÜ) in das EGBGB eingearbeitet wurde11. Die Reform des deutschen IPR war durch das am 1.6.1999 in Kraft getretene Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen12 (vorerst) abgeschlossen worden. Die auf europäischer Ebene durch die Verordnungen Rom I und II erfolgte Neuordnung des internationalen Schuldrechts hat aber der deutschen autonomen Regelung des Internationalen Schuldrechts ein frühes Ende bereitet. In der Schweiz steht seit 1.1.1989 das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG)13, welches das lückenhafte und obsolete Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter14 abgelöst hat, in Geltung. Die schweizerische Kodifikation ist insofern umfassender als eine Kodifikation des gesamten Kollisionsrechts unter Einschluss des Verfahrensrechts angelegt, als sie „im 9 ZB in Ungarn 1979, in Jugoslawien 1983. 10 DBGBl 1986 I, 114, Art 3–37 EGBGB. Daneben gelten aber auch in Deutschland zahlreiche Sonderbestimmungen des autonomen und staatsvertraglichen IPR. 11 Art 27–37 EGBGB. 12 DBGBl 1999 I, 1026. Durch dieses Gesetz wurde das IPR des EGBGB um die neu formulierten Art 38–46 ergänzt. 13 SchwBBl 1988 I, 5. 14 NAG vom 25.6.1891.
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Aktuelle Rechtsquellen des österreichischen IPR
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internationalen Verhältnis“ sowohl das anzuwendende Recht als auch die Zuständigkeit schweizerischer Gerichte und Behörden, die Anerkennung und Vollstreckung, den Konkurs und den Nachlassvertrag sowie die Schiedsgerichtsbarkeit – vorbehaltlich völkerrechtlicher Verträge – regelt. In Italien ist ein umfassend neu gestaltetes IPR-Gesetz15 am 1.9.1995 in Kraft getreten, das auch Vorschriften des internationalen Zivilprozessrechts beinhaltet.
B. Aktuelle Rechtsquellen des österreichischen IPR Die wichtigsten autonomen und aus internationalen und europäischen In- 3/4 strumenten abgeleiteten Rechtsquellen des österreichischen IPR (ieS) sind mit Stand 1.7.2010: · · · · · · · · · · ·
IPR-Gesetz, BGBl 1978/304 idF BGBl I 2009/135; § 13a Konsumentenschutzgesetz idF BGBl I 2004/62; § 11 Teilzeitnutzungsgesetz, BGBl I 1997/32; §§ 20–23 E-Commerce-Gesetz, BGBl I 2001/152; § 23 Atomhaftungsgesetz, BGBl I 1998/170 Haager Unterhaltsstatutübereinkommen, BGBl 1961/293; Haager Testamentsübereinkommen, BGBl 1963/295; Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl 1975/446; Haager Straßenverkehrsübereinkommen, BGBl 1975/387; Haager Adoptionsübereinkommen, BGBl 1978/581; Haager Übereinkommen über die internationale Adoption, BGBl III 1999/145; · CIEC-Legitimationsabkommen, BGBl 1976/10216; · Einzelne Bestimmungen in Übereinkommen, die überwiegend materiell-rechtliche Regelungen enthalten, wie zB Art 1 des Wiener UNÜbereinkommens über den internationalen Warenkauf (CISG)17; · Bilaterale Abkommen (zB mit dem Iran, Jugoslawien, Polen, Ungarn), die einzelne international-privatrechtliche Fragen zwischenstaatlich gesondert regeln;
15 Legge 31 Maggio 1995, no. 218 sulla riforma del sistema italiano di diritto internazionale privato. 16 Das Übereinkommen ist von der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen (Commission internationale d’État Civil, abgek CIEC) ausgearbeitet worden. 17 Abs 1 lit b CISG beinhaltet die sog „Vorschaltlösung“, wonach die Bestimmungen von CISG Anwendung finden, „wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen“.
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§3
Rechtsquellen
· Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“)18; · Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)19. 3/5 Die Quellen des österreichischen IPR ieS sind daher ihrer Entstehung nach einzuteilen in: a) gänzlich autonomes Gesetzesrecht, dh von den österreichischen Gesetzgebungsorganen ohne Verbindlichkeit zur Beachtung externer Regeln bzw Vorgaben erlassen (zB IPRG); b) in Umsetzung von EG-Richtlinien erlassene Gesetze, die den Regeln über die „richtlinienkonforme Interpretation“ unterliegen (zB §§ 20–23 E-Commerce-Gesetz); c) in Form internationaler Übereinkommen entstandenes Recht, das im Wege der Ratifikation bzw des Beitritts Bestandteil des österreichischen positiven Rechts geworden ist (zB Haager StVÜ); d) gemeinschaftsrechtliche Verordnungen auf der Grundlage der Art 61 lit c, 65 und 67 Abs 5 EGV. Den Verordnungen zum IZVR folgten Verordnungen, die das internationale Schuldrecht europaweit vereinheitlicht haben. Darüber hinaus werden weitere Teilbereiche des Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Verordnungen einheitlich geregelt werden. Das im engeren Sinn als „Rechtsanwendungsrecht“ begriffene IPR stellt sich also als ein Rechtsgebiet dar, das durch eine wachsende Vielfalt seiner Quellen, der in ihm zu beachtenden Interpretationsmethoden20 und der Entscheidungsinstanzen21 charakterisiert ist. Unter dem Einfluss des Europarechts ergeben sich jedoch so weit gehende Veränderungen des überkommenen Rechtsquellensystems im gesamten Kollisionsrecht, dass man mit Fug und Recht von einer „Umwälzung“ sprechen kann.
18 ABlEU L 177 vom 4.7.2008, 6. Die Verordnung ist am 17.12.2009 in Geltung getreten. 19 ABlEU L 199 vom 31.7.2007, 40. Die Verordnung ist am 11.1.2009 in Geltung getreten. 20 In Frage kommen: autonom-nationale, autonom-internationale und richtlinienkonforme Auslegung. 21 Zu den nationalen Gerichten mit dem OGH als höchster Instanz ist der EuGH hinzugekommen.
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Die Verordnungen „Rom II“ und „Rom I“
§3
C. Die Verordnungen „Rom II“ und „Rom I“ Neben den Verordnungen des Rates, die nach dem Inkrafttreten des Ver- 3/6 trags von Amsterdam eine gemeinschaftsweite Rechtsvereinheitlichung im IZVR bewirkt haben22 und dem „Europäischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – EVÜ“23, das in Österreich vom 1.12.1998 bis 16.12.2009 in Geltung stand, ist die „Rom II-Verordnung“ über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ auf der Grundlage der ex-Art 61 lit c, 65 und 67 Abs 5 EGV24 verabschiedet worden25. Gemeinsam mit der „Rom I-Verordnung“ über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ hat sie das Internationale Schuldrecht in den meisten Mitgliedstaaten26 der Europäischen Union wesentlich verändert und zugleich vereinheitlicht. Allein schon die Tatsache, dass es zwei Verordnungen für zwei eng verwandte Themenbereiche gibt, die ungleich mehr Vorschriften aufweisen27 als ursprünglich im IPRG dem Internationalen Schuldrecht gewidmet waren und in denen wohl auch dem Gesetzgebungsstil des Common Law, demzufolge dem Richter wenig Spielraum für schöpferische Rechtsfindung bleiben darf, Konzessionen gemacht werden musste, wird das Internationale Schuldrecht allerdings auch erheblich komplizierter28. Der Vorschlag für eine „Rom II-Verordnung“, die das Statut der außerver- 3/7 traglichen Schuldverhältnisse zum Gegenstand haben sollte, wurde von der Kommission am 22.7.2003 vorgelegt. An eine rasche Verabschiedung im 22 Dazu Rz 1/6. 23 Da es am 19.6.1980 in Rom zur Zeichnung aufgelegt wurde, auch „Römisches Schuldrechtsübereinkommen“. 24 Aus Art 61 lit c EGVergab sich, dass der Rat „zum schrittweisen Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Art 65 erlassen kann; Art 65 EGV bestimmte, dass die „Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, die, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind, nach Artikel 67 zu treffen sind“, unter anderem „die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten“ einschließen. Nach Art 67 Abs 5 EGV „. . . beschließt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251. . . – die Maßnahmen nach Artikel 65 mit Ausnahme der familienrechtlichen Aspekte.“ Nunmehr Art 67 ff und 81 AEUV. 25 Am 11.7.2007, ABlEU L 199 vom 31.7.2007, 40. 26 Leider nicht in allen; so werden beide Verordnungen nicht in Dänemark in Geltung treten. 27 Darunter in den „sonstigen Vorschriften“ inhaltlich weitgehend gleichlautende, aber unterschiedlich gereihte Normen: vgl Art 19–25 Rom I-VO mit Art 23–28 Rom II-VO. 28 Erschwerend kommt hinzu, dass die Verordnungen nicht alle kollisionsrechtlich relevanten Sachverhalte erfassen, weshalb der österreichische Gesetzgeber mit BGBl I 2009/ 109 ergänzende Bestimmungen erlassen musste.
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§3
Rechtsquellen
Jahr 2005 war gedacht, doch ergaben sich insbesondere in der parlamentarischen Arbeit an dem Vorschlag erhebliche Probleme29, die eine Verzögerung des Rechtssetzungsprozesses bewirkten.30 Das Ringen um einen gemeinsamen Standpunkt von Europäischem Parlament und Rat ließ mitunter das Scheitern des Projekts für möglich erscheinen, ehe der Vermittlungsausschuss das Verfahren letztlich erfolgreich beenden konnte, wenngleich mit erheblichen Änderungen und erst im Juli 200731. Nach Veröffentlichung ihrer endgültigen Fassung32 wurde der Verordnung (EG) Nr. 864/ 2007 die geballte Aufmerksamkeit des kollisionsrechtlichen Schrifttums33 zuteil. Seit dem 11.1.2009 ist die Frage, welches nationale Recht auf „grenzüberschreitende“, außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden ist, nach der Rom II-Verordnung zu beantworten, wobei der Begriff „außervertragliche Schuldverhältnisse“ als autonomer Begriff verstanden werden muss, unter den jedenfalls die unerlaubte Handlung einschließlich Gefährdungshaftung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) sowie auch das Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) fallen34. 3/8 Schon im Jänner 2003 hatte die Kommission mit dem „Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung“35 die Weichen für eine Neuordnung des Internationalen Vertragsrechts gestellt und am 15.12.2005 ist von ihr der „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis [sic!] anzuwendende Recht (Rom I)“36 vorgelegt worden. Nach der An29 Berichterstatterin: Diana Wallis MEP, solicitor. 30 Dazu Posch, The ‚Draft Regulation Rom II‘ in 2004: Its Past and Future Perspectives, 6 YBPIL (2004) 129. 31 Vgl den überaus komplizierten „Werdegang des institutionellen Verfahrens“ in den PreLex-Suchergebnissen: http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=184392. 32 ABlEU L 199 vom 31.7.2007, 40. 33 Erwähnt seien insb die einlässliche Stellungnahme von Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, JBl 2007, 613, mit zahlreichen Literaturhinweisen; Ofner, Die Rom II-Verordnung – Neues Internationales Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse in der Europäischen Union, ZfRV 2008, 13; G. Wagner, Die neue Rom II-Verordnung, IPRax 2008, 1; sowie Beig/Graf-Schimek/Grubinger/Schacherreiter, Rom II-VO (2008). 34 Näher zum Inhalt der Rom II-VO: Rz 15/31 ff. 35 KOM(2002) 654 endgültig vom 14.1.2003. Im Grünbuch wurden zwanzig Fragen zur Reformbedürftigkeit des EVÜ aufgeworfen. 36 KOM(2005) 650 endgültig. Kritische Analysen der Inhalte dieses Dokuments in Ferrari/ Leible (Hrsg.) Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007).
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Weitere Vorhaben der EU auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts
§3
nahme des endgültigen Textes durch den Rat am 5.6.2008 und seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 4.7.200837 ist die „Rom I-Verordnung“ gemäß ihrem Art 29 am 17.12.2009 an die Stelle des EVÜ getreten38 und steht seither mit einer Ausnahme in allen Mitgliedstaaten der EU in Geltung39. Die Ausnahme betrifft Dänemark, das aufgrund einer Sonderregelung im EG-Vertrag nicht an Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen teilnimmt40, während das Vereinigte Königreich, das sich ursprünglich an der Rom I-Verordnung nicht beteiligen wollte41, wozu es aufgrund eines Zusatzprotokolls zum EG-Vertrag berechtigt war, sich letztlich doch dazu entschlossen hat, den Antrag auf Annahme dieser Verordnung zu stellen42.
D. Weitere Vorhaben der EU auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts Mit den Verordnungen Rom I und Rom II wurde das Potential kollisions- 3/9 rechtlicher Vorhaben im Rechtssetzungsprogramm der EU gleichwohl noch keineswegs ausgeschöpft. So hat die Kommission schon in ihrer an den Rat und das Europäische Parlament gerichteten Mitteilung vom 2.6.2004 zum Thema „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven“43 einschlägige familien- und erbrechtliche Themen angesprochen44. Der Vorschlag vom 17.7.2006 für eine „Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich“45 („Rom III“) hatte zwar die grundsätzliche Billigung durch das Europäische Parlament erfahren46, ist jedoch auf große Widerstände in 37 ABlEU L 177 vom 4.7.2008, 6. 38 Vgl Art 24 Rom I-VO. Für die Anknüpfung aller vor dem 17.12.2009 geschlossenen internationalen Schuldverträge gilt weiterhin das EVÜ. 39 Zur Rom I-VO, vgl Magnus, Die Rom I-Verordnung, IPRax 2010, 27. 40 Vgl ex-Art 69 EGV. 41 Erwägungsgrund 45. 42 Entscheidung der Kommission vom 22.12.2008 über den Antrag des Vereinigten Königreichs auf Annahme der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEU L 10 vom 15.1.2009, 22. 43 KOM(2004) 401 endg. 44 Insb in „2.7. Aufbau eines Rechtsraums für Zivil- und Handelssachen zur Erleichterung der Zusammenarbeit und des Zugangs zum Recht“. 45 KOM(2006) 399 endg. 46 Vgl dazu die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21.10.2008, ABlEU C 15E vom 21.1.2010, 128.
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§3
Rechtsquellen
einigen Mitgliedstaaten gestoßen47, so dass eine gesamteuropäische Lösung vorerst als gescheitert angesehen werden muss. Zuletzt hat die Kommission am 24.3.2010 den Vorschlag einer Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts48 präsentiert, an der sich zunächst neben Österreich acht weitere EU-Mitgliedstaaten beteiligten49. Nach der Entscheidung des EU-Justizministerrates vom 4.6.2010 waren es schließlich vierzehn Staaten: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Malta, Lettland, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowenien und Ungarn50, die künftig nach einheitlichen Regeln entscheiden wollen, welches Recht aus welchem Mitgliedstaat für die Scheidung gelten wird.. 3/10 Deutlich rascher entwickelte sich das Verfahren, dem der „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten“51 zugrunde lag. Es mündete in die „Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen“52. Art 15 dieses umfangreichen Dokuments befasst sich mit der Bestimmung des auf Unterhaltspflichten anwendbaren Rechts, die demnach ab dem 18.6.201153 nach dem „Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht“54 erfolgen soll. Zur Verwirklichung dieses Zieles hat der Rat am 30.11.2009 den Beschluss über den Abschluss dieses Haager Protokolls durch die Europäische Gemeinschaft gefasst55. 3/11 Unterschiedlich weit sind Projekte zur Vereinheitlichung des IZVR und des IPR für das Erb- und Testamentsrecht und das Güterrecht gediehen. 47 Kohler; Zur Gestaltung des europäischen Kollisionsrechts für Ehesachen. Der steinige Weg zu einheitlichen Vorschriften über das anwendbare Recht für Scheidung und Trennung, FamRZ 2008, 1673. 48 KOM(2010) 105 endg/2. 49 Dazu Rz 11/8. 50 Vgl die Presseaussendung des deutschen BMJ vom 4.6.2010. 51 KOM(2005) 649 endg. Von der Kommission vorgelegt am 15.12.2005. 52 ABlEU L 7 vom 10.1.2009, 1. 53 Art 76. 54 Protocol on the Law applicable to Maintenance Obligations = Protocole sur la loi applicable aux obligations alimentaires; deutsche Fassung: Anhang zum Beschluss des Rates vom 30.11.2009, ABlEU L 331 vom 16.12.2009, 19. 55 ABlEU L 331 vom 16.12.2009, 17. Während sich Irland an diesem Vereinheitlichungsprojekt beteiligt, haben sich ihm Dänemark und das Vereinigte Königreich verweigert.
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Weitere Vorhaben der EU auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts
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Während das das Güterrecht betreffende Projekt über das von der Kommission am 17.7.2006 vorgelegte Grünbuch56 kaum hinaus gekommen ist, hat die Kommission dem „Grünbuch Erb- und Testamentsrecht“57 am 14.10.2009 den „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses“58 folgen lassen. Gegenwärtig59 ist es noch ungewiss, ob, wann und mit welchem Inhalt diese Verordnungen in Geltung treten werden.
56 Grünbuch zu den Kollisionsnormen im Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung, KOM(2006) 400 endg. 57 KOM(2005) 65 endg vom 1.3.3005. 58 KOM(2009) 154 endg vom 14.10.2009. 59 Juni 2010; vgl Rz 12/1.
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§ 4. Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System A. Das IPR des ABGB 4/1 In seiner ursprünglichen Fassung wies das ABGB nur eine rudimentäre Regelung des Internationalen Privatrechts auf, die auf dem Boden der Statutentheorie stand. § 34 aF ABGB unterstellte das Personalstatut von Fremden dem Wohnsitzprinzip, hilfsweise entschied der Geburtsort. Allerdings bestimmte § 4 aF ABGB, dass für Österreicher der Staatsbürgerschaftsgrundsatz gilt und diese (einseitige) Anknüpfung wurde auf Ausländer übertragen. Nur unbewegliche Sachen waren nach dem Gesetzeswortlaut der lex rei sitae unterworfen, während gemäß § 300 aF ABGB für bewegliche Sachen der Grundsatz „mobilia ossibus inhaerent“ galt1. Für Rechtsgeschäfte galt grundsätzlich das Recht des Abschlussortes, doch hatte das Recht des Wohnsitzstaates des ausländischen Vertragspartners Vorrang, wenn nach diesem die Gültigkeit des Vertrages gewahrt blieb. Nur ansatzweise war der Vorrang des allenfalls von den Parteien vereinbarten Rechts anerkannt2. Regeln zum internationalen Familien- und Erbrecht wies das ABGB in seiner Urfassung nicht auf. Das internationale Familienrecht war in einigen Hofdekreten geregelt, dem internationalen Erbrecht wurden sodann im Außerstreitpatent 1854 die §§ 21–25 gewidmet.
B. Reformbemühungen 4/2 Diese unbefriedigende Situation erklärt, warum die Bemühungen um eine umfassende Neugestaltung des österreichischen IPR bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurückreichten. Sie führten 1914 zu dem „Wiener“ 1 Dieser Satz wurde später per consuetudinem contra legem modifiziert, indem die Gerichte auch bewegliche Sachen der lex rei sitae unterwarfen. 2 Vgl §§ 35 ff aF ABGB.
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Die Gliederung des IPR-Gesetzes
§4
oder (nach dem Hauptredaktor3 benannten) „Walker’schen“ Entwurf, der aber, durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedingt, nicht bis zur Gesetzwerdung gedieh4. 1941 wurde wenigstens für das internationale Familienrecht durch die Rezeption deutscher Kollisionsnormen5 in der 4. DVEheG eine einigermaßen tragfähige Entscheidungsgrundlage geschaffen. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm das österreichische Bundesministerium für Justiz die Bemühungen um eine Kodifikation des IPR wieder auf und beauftragte Fritz (Freiherr von) Schwind mit der Ausarbeitung eines Entwurfs. Der von diesem im Jahre 1970 vorgelegte Text war als Entwurf eines „Bundesgesetzes über das internationale Privat- und Prozessrecht“ breit angelegt6 und wurde nach ministeriumsinternen Beratungen im Februar 1978 in massiv geändertem Wortlaut dem Parlament zugeleitet7. Schließlich wurde das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht8, das sich in seinen Normen auf die Fragen des anwendbaren Rechts, also auf das IPR ieS beschränkt, am 15.6.1978 vom Nationalrat verabschiedet.
C. Die Gliederung des IPR-Gesetzes Das IPRG steht in seinem Aufbau als ein „Rechtsanwendungsrecht“, das 4/3 funktional als „ein Recht über Rechten“ anzusehen ist, der konventionellen Gliederung des österreichischen materiellen Privatrechts nahe, wobei es die obsolete Ordnung des ABGB beiseite lässt und im Wesentlichen der von der Lehre im Anschluss an das Pandektensystem anerkannten Strukturierung folgt. Dies ist naheliegend, da es ja die Tatbestände des österreichischen Sachrechts sind, die den Hintergrund bilden, vor dem sich auch die Subsumtion der Sachverhalte mit Auslandsberührung vollziehen muss. Das IPRG war von Beginn an in acht Abschnitte gegliedert und beginnt mit einem nur elf Paragrafen umfassenden Abschnitt, der mit „Allgemeine Bestimmungen“ überschrieben ist. Dieser stellt sich nur bedingt als ein allgemeiner Teil des österreichischen IPRG im pandektistischen Sinn dar, da es nicht die, in einem solchen „vor die Klammer gezogenen Themen“ – Person, Sache, Rechtsgeschäft, Zeitfaktor – sind, die in den Bestimmungen 3 Gustav Walker; von ihm stammt auch das führende Lehrbuch des IPR der Zwischenkriegszeit, das eine erstaunliche Zahl von Auflagen erlebte (1. Auflage: 1921, 5. Auflage: 1934). 4 Der Walker’sche Entwurf beeinflusste immerhin das IPR-Gesetz Polens vom 2.8.1926 und jenes der ehemaligen Tschechoslowakei vom 11.3.1948. 5 Diese wurden im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) festgeschrieben. 6 Mit erläuternden Bemerkungen veröffentlicht in ZfRV 1971, 161. 7 748 BlgNR 14. GP. 8 BGBl 1978/304, in Kraft seit 1.1.1979.
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§4
Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System
dieses ersten Abschnitts geregelt werden. Vielmehr finden sich in ihm neben Vorschriften über Grundsätze und Grundbegriffe des österreichischen Internationalen Privatrechts, wie „stärkste Beziehung“9, Amtswegigkeit der Prüfung und Feststellung des maßgeblichen Rechts10, „Rück- und Weiterverweisung“11, „ordre public“ (Vorbehaltsklausel)12, „Statutenwechsel“13 und einer allgemeinen Regel über die Anknüpfung der Form14 auch Regeln über das Personalstatut natürlicher und juristischer Personen15 und die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl16. Diese Bestimmungen können für jeden Sachverhalt mit Auslandsberührung Bedeutung erlangen. Den „allgemeinen Bestimmungen“ folgt ein kurzer Abschnitt über das Personenrecht17, in dem die Anknüpfung der Rechts- und Handlungsfähigkeit, der Führung und des Schutzes des Namens, der Todeserklärung und Beweisführung des Todes, sowie der Voraussetzungen, Wirkungen und Aufhebung der „Sachwalterschaft“18 geregelt ist. Daran schließt sich der längere, nunmehr in vier mit A. bis D. bezeichnete Kapitel gegliederte „Abschnitt 3“ über Familienrecht19, in dem zunächst das Internationale Eherecht, sodann das mit Wirkung vom 1.7.2001 in einigen Punkten novellierte20 Internationale Kindschaftsrecht und unter der obsoleten Überschrift „C. Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht“ eine Bestimmung zur Anknüpfung von kollisionsrechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der „Obsorge einer anderen Person“21 ergeben, enthalten waren. Seit 1.1.2010 stehen die §§ 27a bis 27d, die unter die Überschrift „D. Partnerschaftsrecht“ gestellt sind und die kollisionsrechtlichen Fragen von eingetragenen Partnerschaften mit Auslandsberührung regeln, in Geltung. Kurz gehalten sind im IPRG die Abschnitte 4 bis 6, die das Erbrecht, das Sachenrecht und das Immaterialgüterrecht betreffen22. Von dem das 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
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§ 1 IPRG. §§ 2–4 IPRG. § 5 IPRG. § 6 IPRG. § 7 IPRG. § 8 IPRG. §§ 9 und 10 IPRG. § 11 IPRG. §§ 12–15 IPRG. Das IPRG verwendet in § 15 noch den obsoleten Terminus „Entmündigung“. Auch durch die umfassende Neuregelung des Sachwalterrechts durch das SWRÄG, BGBl I 2006/92, hat sich hieran nichts geändert. §§ 16–27 IPRG. Durch BGBl I 2000/135 wurde § 21 IPRG novelliert und § 22 IPRG gestrichen. Vgl die Überschrift des 4. Hauptstücks des ersten Teiles des ABGB idF BGBl I 2000/135. Es müssen jeweils drei Paragraphen für das Erbrecht (§§ 28–30), vier für das Sachenrecht (§§ 31–33a) und einer für das Immaterialgüterrecht (§ 34) ausreichen.
Das IPR-Gesetz im kollisionsrechtlichen System
§4
Schuldrecht betreffenden „Abschnitt 7“, der ursprünglich die §§ 35 bis 49 umfasste, bleiben nach dem Geltungsbeginn der Verordnungen Rom I und II neben einem neu formulierten „Auffangtatbestand für vertragliche Schuldverhältnisse“ in § 35, einem die „erweiterte Rechtswahl für bestimmte Versicherungsverträge“ betreffenden § 35a und einem als „Auffangtatbestand für außervertragliche Schuldverhältnisse“ konzipierten § 48 aus dem Urbestand des Jahres 1978 nur mehr § 49 über die „gewillkürte Stellvertretung“23. Der letzte Abschnitt des IPRG beinhaltet schließlich Schluss- und Übergangsvorschriften.
D. Das IPR-Gesetz im kollisionsrechtlichen System Im Gegensatz etwa zur schweizerischen Kodifikation des Kollisionsrechts 4/4 beinhaltet das IPRG nur Regeln über das anwendbare Recht. Das Internationale Zivilverfahrensrecht sollte dagegen ursprünglich einer weiteren Kodifikation vorbehalten bleiben, die abgesehen von punktuellen Neuerungen durch die ZVN 198324 jedoch nicht zustande kam und durch die „Europäisierung“ obsolet wurde. Anstelle einer umfassenden Neuordnung im autonomen Recht hatte zunächst das im Zusammenhang mit der Teilnahme Österreichs am EWR übernommene, aber erst am 1.9.1996 in Kraft getretene LugGVÜ das österreichische IZVR auf eine neue Grundlage gestellt. Nunmehr ist der Inhalt des internationalen Zivilverfahrensrechts durch europäische Verordnungen vorgegeben25. Nach der detaillierten Derogationsvorschrift des § 51 IPRG haben alle (dort angeführten) Bestimmungen, die im IPRG geregelte Gegenstände betrafen, vorbehaltlich der in den in § 52 aufgezählten privatrechtlichen Nebengesetzen enthaltenen Kollisionsnormen (zB UrhG, WechselG, ScheckG) am 1.1.1979 ihre Wirksamkeit verloren. Dennoch ist damit nicht die intertemporale Frage nach der Anwendung der alten IPR-Vorschriften bei Geltung des neuen Gesetzes abschließend geregelt worden. Allgemein gilt die Regel, dass die Normen des IPRG nur Sachverhalte er- 4/5 fassen, die nach seinem Inkrafttreten vollendet worden sind. So wie nach dem 1.1.1979 ein vor dem Inkrafttreten des IPRG abgeschlossener 23 Vgl Bundesgesetz mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert werden und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehoben wird, BGBl I 2009/109. 24 ZB § 28 JN: Ordination. 25 Dazu Rz 1/6, 1/7.
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Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System
Vertrag nach wie vor entsprechend den Bestimmungen der §§ 35 ff aF ABGB anzuknüpfen war, blieb nach dem Inkrafttreten des EVÜ das internationale Schuldrecht des IPRG, also § 35 aF und die aufgehobenen §§ 36 bis 45 IPRG, auf vor dem 1.12.1998 geschlossene Verträge anwendbar26 und dass nur solche schuldrechtlichen Verträge, die ab dem 17.12.2009 geschlossen werden, nach der Rom I-Verordnung anzuknüpfen sind, bestimmt deren Art 28, während Art 31 der Rom II-Verordnung Analoges für „schadensbegründende Ereignisse“ anordnet. § 53 Abs 1 IPRG räumt den Bestimmungen zwischenstaatlicher Vereinbarungen als leges speciales den Vorrang vor den autonomen Kollisionsnormen des IPRG ein27.
E. Das österreichische IPR unter dem Einfluss des Europarechts 4/6 Das autonome österreichische IPR wurde bereits in wesentlichen Teilbereichen durch Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates ersetzt und wird in naher Zukunft noch weiteren europäischen Verordnungen weichen müssen28. So wird ein Prozess fortgesetzt, der seit der Aufnahme des Landes in die Europäische Union wirksam war und Österreich unmittelbar durch Gemeinschaftsrechtsakte kollisionsrechtlichen Inhalts – wie etwa das EVÜ – und mittelbar durch die Konsequenzen des Binnenmarkts betroffen hat. Da das Europäische Gemeinschaftsrecht in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Instrumenten – völkerrechtlichen Verträgen und gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen sowie Richtlinien – meist bloß punktuell und insgesamt unkoordiniert kollisionsrechtliche Regeln produziert hat, ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die man als „Atomisierung des Internationalen Privatrechts“ kritisieren kann, hat sie doch zu einer Zer26 § 50 Abs 2 IPRG idF BGBl I 1999/18. 27 Einschlägige multilaterale zwischenstaatliche Vereinbarungen sind: Haager Unterhaltsstatutsübereinkommen, BGBl 1961/293; Haager Testamentsübereinkommen, BGBl 1963/295; Haager Straßenverkehrsübereinkommen, BGBl 1975/387; Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl 1975/446; CIEC-Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe, BGBl 1976/102. Bilaterale zwischenstaatliche Vereinbarungen iSd § 53 IPRG sind: Österreichisch-deutsches Vormundschaftsabkommen, BGBl 1927/269; Österreichisch-jugoslawischer Rechtshilfevertrag, BGBl 1955/224; Österreichisch-iranischer Freundschafts- und Niederlassungsvertrag, BGBl 1966/45; Österreichisch-ungarischer Nachlaßvertrag, BGBl 1967/306; Österreichisch-polnischer Rechtshilfevertrag, BGBl 1974/79. 28 Dazu ab Rz 3/6.
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Das österreichische IPR unter dem Einfluss des Europarechts
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splitterung und wachsenden Unübersichtlichkeit des IPR geführt. Die Kompetenz der Gemeinschaftsorgane zur Rechtsangleichung auf diesem Gebiet war allerdings gemäß Art 293 EGV anfänglich auf völkervertragsrechtliche Regelungen im Internationalen Zivilverfahrensrecht beschränkt. Erst durch den Amsterdamer Vertrag ist die Zuständigkeit der Brüsseler Rechtssetzungsorgane für die Erlassung einschlägiger Maßnahmen – Verordnungen oder auch Richtlinien – im primären Gemeinschaftsrecht vorgesehen worden29. Wie sehr aber auch die Durchsetzung der Grundfreiheiten das nationale 4/7 IPR der Mitgliedstaaten tangiert, vermögen insbesondere das berühmt-berüchtigte „Centros-Urteil“30 des EuGH und die sich daran anschließende Folgejudikatur31 darzutun. Dadurch wird den Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat gegründet wurden, unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit gemäß Art 43 EG das Recht eingeräumt, Filialen oder Tochterniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaaten selbst dann unter der Firma der gegründeten Gesellschaft eintragen zu lassen, wenn im Gründungsland keine Geschäftstätigkeit eröffnet wurde. Da das in Centros erzielte Ergebnis dazu einlädt, Gesellschaften in einem Mitgliedstaat zu gründen, der geringe Anforderungen an Mindestkapital oder Gläubigerschutz vorsieht, hat diese Entscheidung seither zu zahlreichen „Briefkastenfirmen“ in Form von private limited companies im Vereinigten Königreich geführt, wo auch schon – wie in Centros – ein nicht eingezahltes Grundkapital in Höhe von £ 100 genügt. Seit einiger Zeit gibt es zudem eine Reihe von Richtlinien, die Kolli- 4/8 sionsrecht beinhalten. So fanden sich insbesondere in den Richtlinien zur Koordinierung der versicherungsrechtlichen Vorschriften einzelne kollisionsrechtliche Anordnungen32 und ebenso in verbraucherrechtlichen 29 Diese Kompetenzregelung fand zunächst in den Verordnungen „Brüssel I“ und „Brüssel II“ (s Rz 1/6 und 1/7) Niederschlag. 30 EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97, Slg 1999 I-1459; dazu und zur österreichischen Folgejudikatur vgl Lurger, „Centros revisited“: Die österreichische Sitztheorie und die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages, IPRax 2001, 346. 31 EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00, Slg 2002 I-9919 – Überseering; 30.9.2003, Rs C-167/01, Slg 2003 I-10155 – Inspire Art; 13.12.2005, Rs C-411/03, Slg 2005 I-10805 – SEVIC Systems AG; zuletzt: 16.12.2008, Rs C-210/06 – Cartesio, Slg 2008 I-9641. 32 Vgl 2. Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22.6.1988 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG, ABlEG L 172 vom 4.7.1988, 1, insb Art 7, 8; Richtlinie 90/618/EWG des Rates vom 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG und der Richtlinie 88/357/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme
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§4
Das österreichische IPR-Gesetz: Entstehung und Stellung im System
Richtlinien33. Wie das Urteil in „Ingmar“34 zu demonstrieren vermag, haben schließlich auch Vorschriften in Richtlinien, die an sich nicht als kollisionsrechtlich zu qualifizieren sind35, dem EuGH Anlass geboten, Aussagen zu treffen, die das IPR der Mitgliedstaaten massiv tangieren. Das erklärt, warum die Rechtslage im österreichischen IPR sehr heterogen geworden ist. Es sind eben nicht nur die Bestimmungen der Verordnungen Rom I und II an die Stelle des internationalen Schuldvertragsrechts der §§ 35 bis 48 IPRG getreten. Es verbleiben einige „Auffangtatbestände“, die durch BGBl I 2009/10936 geschaffen werden mussten und zudem bilden auch noch vereinzelte Kollisionsnormen im Konsumentenschutzgesetz, Teilzeitnutzungsgesetz und E-Commerce-Gesetz einen erheblichen Teil des gegenwärtig in Österreich geltenden Internationalen Privatrechts37. Mit den im Laufe des Jahres 2009 auf dem Gebiet des Internationalen Schuldrechts in Geltung getretenen zwei Europäischen Verordnungen wurde eine neue Phase der Europäisierung des Kollisionsrechts eingeläutet, deren Dimension noch nicht absehbar ist.
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der Lebensversicherung). . ., ABlEG L 330 vom 29.11.1990, 44, insb Art 4. Vgl nunmehr Art 7 Rom I-VO, der die komplizierte Regelung des internationalen Versicherungsrechts weitgehend ersetzt. Konsequenterweise ist das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum durch Art 4 des Bundesgesetzes, BGBl I 2009/109mit Ablauf des 16.12.2009 aufgehoben worden. Vgl Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABlEG L 95 vom 21.4.1993, 29, Art 6; Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABlEG L 280 vom 29.10.1994, 83, Art 6; Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABlEG L 144 vom 4.6.1997, 19, Art 12. EuGH 9.11.2000, Rs C-381/98, Slg 2000 I-9305; dazu Nemeth/Rudisch, EuGH 9.11.2000 Rs C-381/98 „Ingmar“ – wichtige Klärungen im europäischen IPR, ZfRV 2001, 179. Konkret ging es um den zwingenden Charakter der Art 17 f der Richtlinie 86/653/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABlEG L 382 vom 31.12.1986, 17, im Verhältnis zu einem Drittland. Die Verordnungen Rom I und II haben Änderungen des IPRG, des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie des Verkehrsopferentschädigungsgesetzes und die Aufhebung des Bundesgesetzes über das internationale Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsrecht notwendig gemacht, die in BGBl I 2009/109 festgeschrieben wurden. Das Verhältnis der Kollisionsnormen in den Richtlinien zum Versicherungs- und Verbraucherrecht zu den Bestimmungen der Rom I-VO ist nicht gänzlich klar. Nach ihrem Art 23 berührt die Verordnung „mit Ausnahme von Art 7“, der die Versicherungsverträge betrifft, „nicht die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten“.
§ 5. Weiterführende Literatur und Zeitschriften I. Zum österreichischen und europäischen IPR Beig/Graf-Schimek/Grubinger/Schacherreiter, Rom II-VO (2008) 5/1 Czernich/Heiss, EVÜ. Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen. Kommentar (1999) Duchek/Schwind (Hrsg), Internationales Privatrecht (1979) Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht (2007) Reichelt (Hrsg), Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR – Ein Beitrag zur Kodifikation der allgemeinen Grundsätze des Europäischen Kollisionsrechtes (2007) Schwimann, Internationales Privatrecht3 (2001) Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts. Mit besonderer Berücksichtigung der IPR-Staatsverträge (1982) Schwind, Internationales Privatrecht (1990) Verschraegen, Internationales Privatrecht. Studienbuch (2010) Verschraegen/Schwimann in Rummel (Hrsg), ABGB Kommentar II/63: IPRG, EVÜ (2004).
II. Zum deutschen und europäischen IPR von Bar, Internationales Privatrecht, Bd II: Besonderer Teil (2006) 5/2 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd I: Allgemeine Lehren2 (2003) Hay, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht3 (2007) von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9 (2007) Hohloch in Westermann (Hrsg), Erman. BGB Handkommentar II12, Art 1 ff EGBGB (2008) Hüßtege, Internationales Privatrecht4 (2005) Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 (2004) Koch/Magnus/Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung4 (2009) 33
§5
Weiterführende Literatur und Zeitschriften
Kropholler, Internationales Privatrecht6 (2006) Rauscher, Internationales Privatrecht3 (2009) Reithmann/Martiny (Hrsg), Internationales Vertragsrecht7 (2010) Siehr, Internationales Privatrecht (2001) Sonnenberger, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch5, Bd. X: IPR, VO Rom I, VO Rom II, Art 1–24 EGBGB (2010).
III. Zum schweizerischen IPR 5/3 Bucher/Bonomi, Droit international privé2 (2004) Dutoit, Droit international privé suisse4 (2005) Girsberger ua, Zürcher Kommentar zum IPRG2 (2004) Heini/Keller/Siehr/Vischer/Volken, Kommentar zum Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (1993) Honsell (Hrsg), Internationales Privatrecht2 (2007) Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts (1986) Schnyder/Liatowitsch, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht2 (2006) Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht. Allgemeiner Teil3 (2000), Besonderer Teil2 (1998) Siehr, Das internationale Privatrecht der Schweiz (2002).
IV. Zum Einheitsprivatrecht einschließlich der Europäischen Rechtsangleichung 5/4 Eiden, Die Rechtsangleichung gemäß Art 100 des EWG-Vertrages (1984) Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft (1999) Kropholler, Internationales Einheitsrecht – Allgemeine Lehren (1975) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht (Hrsg), RabelsZ 1986, Heft 1/2 Marx, Funktion und Grenzen der Rechtsangleichung nach Art 100 EWGVertrag (1976) Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft2 (1999) Müller-Graff, Privatrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht: Gemeinschaftsprivatrecht2 (1991) Riedl, Vereinheitlichung des Privatrechts in Europa (2004)
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Zeitschriften
§5
Schmeder, Die Rechtsangleichung als Integrationsmittel der Europäischen Gemeinschaft (1978) Schulte-Nölke/Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte (1999) Seidel, Rechtsangleichung und Rechtsgestaltung in der Europäischen Gemeinschaft (1990) Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen (1993).
V. Textausgaben Boric´, Internationales Privatrecht und Zivilverfahrensrecht5 (2010) 5/5 Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (Loseblatt, ab 1976) Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht (Loseblatt, ab 1955) Jayme/Hausmann (Hrsg), Internationales Privat- und Verfahrensrecht14 (2009) Kaller, Internationales Privatrecht (2009) Kropholler/Krüger/Riering/Samtleben/Siehr (Hrsg), Außereuropäische IPR-Gesetze (1999) Magnus (Hrsg), Europäisches Schuldrecht (2002) Riering (Hrsg), IPR-Gesetze in Europa (1997) Wiggers (Hrsg), International Commercial Law – Source Materials (2001).
VI. Zeitschriften Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht, EWS (D) 5/6 Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts, IPRax (D) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, RabelsZ (D) Recht der internationalen Wirtschaft, RIW (D) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht, ZEuP (D) Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, ZfRV (A) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, ZVglRWiss (D).
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§ 6. Die kollisionsrechtliche Beurteilung A. Der Vorgang im Allgemeinen 6/1 Jeder Sachverhalt, der Bezüge zu mehr als einem Staat aufweist, muss einer umfassenden kollisionsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Dabei muss, wie erwähnt1, zunächst und noch vor der Frage, welches Recht anwendbar ist, geklärt werden, ob überhaupt internationale Zuständigkeit gegeben ist. Anschließend ist der zu entscheidende rechtliche Sachverhalt mit Auslandsberührung nach den Regeln des Internationalen Privatrechts des Forumstaates mit dem Ziel zu prüfen, das maßgebende materielle Recht oder „Sachrecht“ zu eruieren bzw festzustellen, an welches von mehreren in Frage kommenden materiellen Rechten der Sachverhalt „anzuknüpfen“ ist. Unter dem Begriff „materielles Recht“ wird dabei das gesamte Privatrecht verstanden, das in Österreich in den Vorschriften des ABGB, UGB und den zahlreichen privatrechtlichen Nebengesetzen niedergelegt ist. Es sind die Regeln des Sachrechts, die Antworten darauf bieten, wie strittige Rechtsfragen inhaltlich zu lösen sind. 6/2 Bei der Prüfung des anwendbaren Rechts hat das in Österreich international zuständige Gericht die Frage des auf den Sachverhalt anzuwendenden Rechts auf der Grundlage der Regeln des österreichischen Internationalen Privatrechts zu klären, das heißt, primär nach dem Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 15.6.19782. Wo die Frage des anwendbaren Rechts den Gegenstand eines von Österreich ratifizierten, internationalen Abkommens bildet, hat dieses nach § 53 IPRG Vorrang gegenüber dem IPRG. Gänzlich verdrängt wurden die Bestimmungen des IPRG jedoch durch gemeinschaftsrechtliche Verordnungen, die zunächst einmal das Internationale Schuldrecht – leider nicht lückenlos – europaweit vereinheitlichen und in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbaren Regeln unterworfen haben. 1 Vgl Rz 1/4. 2 Zuletzt geändert durch BGBl I 2009/135.
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Die Kollisionsnorm: Besonderheiten und Arten
§6
Somit ergibt sich bei der Entscheidungsfindung durch ein österreichisches 6/3 Gericht bei privatrechtlichen Sachverhalten mit Auslandsberührung folgender Ablauf: Das angerufene Gericht hat, nachdem es die Frage, ob es für den gegenständlichen Fall überhaupt international zuständig ist, bejaht und auch die Unanwendbarkeit von vereinheitlichtem Sachrecht festgestellt hat, zu prüfen, welches Recht auf den betreffenden Sachverhalt anzuwenden ist. Diese Prüfung muss auf der Grundlage des IPRG erfolgen, soweit dieses noch anwendbar ist. Für die Anknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse, die nach dem 11.1.2009 entstanden sind bzw entstehen, ist grundsätzlich die Rom II-Verordnung und für vertragliche Schuldverhältnisse, die am 17.12.2009 und danach begründet wurden bzw werden, die Rom I-Verordnung heranzuziehen, doch sind die durch BGBl I 2009/109 in das IPRG eingeführten „Auffangtatbestände“ für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse, die nicht in den jeweiligen Anwendungsbereich dieser Verordnungen fallen, zu beachten3. Allenfalls können auch noch andere autonome Kollisionsnormen (wie zB § 13a KSchG, § 11 TNG, §§ 20 ff ECG usw) sowie die von Österreich ratifizierten Haager und CIEC-Übereinkommen international-privatrechtlichen Inhalts relevant sein. Wegen der spezifischen Funktion und des eigentümlichen Aufbaus von Kollisionsnormen müssen bei diesem Vorgang besondere Aspekte beachtet werden.
B. Die Kollisionsnorm: Besonderheiten und Arten Das IPR im engeren Sinn besteht aus Kollisionsnormen4, deren Funktion 6/4 es ist, aus mehreren von einem Sachverhalt „berührten“ Rechtsordnungen das in concreto anzuwendende Sachrecht zu ermitteln. Die Struktur dieser Normen unterscheidet sich wesentlich von den „Sachnormen“ des materiellen Privatrechts, für welche die Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge charakteristisch ist und bei denen der als „Subsumtion“ bezeichnete Vorgang die Verbindung von konkretem Sachverhalt und abstrakter Norm herstellt, was zur Lösung der Rechtsfrage führt. Hingegen wird die Antwort auf die Frage, was in einem Streitfall rechtens ist, von der Kollisionsnorm nicht gegeben. Sie beantwortet nur, nach welchem Recht ein Sachverhalt zu beurteilen ist. Dabei ergibt die Kombination von Verwei-
3 § 35 IPRG für vertragliche Schuldverhältnisse, § 48 IPRG für außervertragliche Schuldverhältnisse; sowie § 35a IPRG, der für bestimmte Versicherungsverträge eine erweiterte Rechtswahl vorsieht. 4 Auch „Verweisungsnormen“ oder „Anknüpfungsnormen“.
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§6
Die kollisionsrechtliche Beurteilung
sungsbegriff bzw Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungsmoment oder Anknüpfungspunkt das verwiesene Recht. Auf dieses Ergebnis beschränkt sich die kollisionsrechtliche Subsumtion. Mit dem Verweisungsbegriff wird jene privatrechtliche Rechtsmaterie allgemein und anhand von – im IPRG vornehmlich weit gefassten – Systembegriffen bezeichnet, für welche die jeweilige Norm die Frage des anwendbaren Rechts klärt: zB in § 18 IPRG für die „persönlichen Rechtswirkungen der Ehe“, oder in § 28 IPRG für die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“. Das Anknüpfungsmoment definiert die Kriterien für die engste Beziehung zum anzuwendenden Recht; das ist in § 18 IPRG primär die Staatszugehörigkeit und ergänzend der gewöhnliche Aufenthalt; in § 28 IPRG das Personalstatut (also in der Regel die Staatszugehörigkeit) des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Das Recht; auf das das Anknüpfungsmoment verweist, ist dann das für die rechtliche Beurteilung maßgebliche „Statut“. 6/5 Diese Struktur besteht jedoch nur bei den „selbstständigen Kollisionsnormen“, die sich im IPRG vor allem in den Abschnitten 2 bis 6 finden und durch „unselbstständige Kollisionsnormen“ oder Hilfsnormen ergänzt werden. Während letztere oft nur die Funktion haben, einen Begriff, wie zB „Personalstatut einer natürlichen Person“, zu definieren5, sind die selbstständigen Kollisionsnormen im IPRG regelmäßig als „allseitige Normen“ ausgeformt. Darunter ist zu verstehen, dass die Norm so formuliert ist, dass sie sowohl fremdes als auch eigenes Recht als maßgebend bestimmen kann6, während die noch vereinzelt vorgesehenen einseitigen Kollisionsnormen nur Sachverhalte regeln, für die das eigene Recht maßgebend ist7. Schließlich stellen die Exklusivnormen eine eigene Kategorie dar. Diese verschaffen dem eigenen Recht aus praktischen Gründen8 oder im Dienste von Ordnungsinteressen9 vorrangige Anwendung. 6/6 Eine Kollisionsnorm kann, wenn sie fremdes Recht als maßgebend ausweist, sogleich zur Anwendung des Sachrechts führen, sie kann aber insofern bedingt sein, als sie die Anwendung des verwiesenen Rechts davon abhängig macht, dass dessen IPR die Verweisung annimmt. Die erste Verweisungsform wird als Sachnormverweisung bezeichnet und ist im IPRG 5 Vgl § 9 IPRG. 6 Hier wird stets „das Recht des Staates“, das durch den Anknüpfungsmoment als maßgebend bestimmt wird, angesprochen. 7 Vgl § 28 IPRG. 8 Etwa weil die konkrete Norm des an sich berufenen Rechts nicht ermittelt werden kann (§ 4 Abs 2 IPRG) oder gegen die inländische „öffentliche Ordnung“ verstößt (§ 6 IPRG). 9 Vgl § 16 Abs 1 IPRG: Eheschließungsform im Inland.
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Rechtliche Einordnung (Qualifikation)
§6
die Ausnahme10, in den gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen Rom I und Rom II hingegen die Regel11. Die vom IPRG bevorzugte bedingte Verweisungsform heißt Gesamtverweisung12, weil sie auf die gesamte aus Sachrecht und IPR bestehende fremde Rechtsordnung verweist und in Kauf nimmt, dass das fremde IPR gegebenenfalls die Verweisung nicht annimmt und auf die Rechtsordnung des Forums zurück oder auf eine dritte Rechtsordnung weiter verweist. In jedem Fall muss der Rechtsanwender bemüht sein, den kollisionsrechtlichen Sachverhalt der passenden Kollisionsnorm des eigenen und gegebenenfalls auch des fremden IPR zuzuordnen, um zur anzuwendenden Bestimmung des eigenen oder fremden Sachrechts zu gelangen. Dieser Vorgang wird als „Qualifikation“ bezeichnet.
C. Rechtliche Einordnung (Qualifikation) In den allgemeinen Bestimmungen des ersten Abschnitts des IPRG fehlt es 6/7 an einer Anordnung, wie mit dem Problem der „Qualifikation“, das in der Kollisionsrechtswissenschaft als eines der schwierigsten Probleme gilt, umzugehen sei. Unter diesem Begriff versteht man die rechtliche Einordnung konkreter Sachverhalte mit Auslandsberührung oder von Teilen solcher Sachverhalte in die zwangsläufig weit gefassten und häufig unscharfen Kategorien der Verweisungsbegriffe der kollisionsrechtlichen Tatbestände13. Es geht um die Klassifizierung14 eines Sachverhalts nach der Systematik eines vorgegebenen Rechtssystems mit dem Ziel, den auf den konkreten Sachverhalt passenden Tatbestand und damit die maßgebliche Kollisionsnorm aufzufinden. Hierbei können sich in der Praxis schwierige Fragen ergeben, zB: · Ist ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Verlöbnisbruches kollisionsrechtlich nach den Vorschriften des internationalen Familienrechts oder nach schadenersatzrechtlichen Verweisungsnormen zu beurteilen?
10 So war im heute aufgehobenen § 46 IPRG für die Anknüpfung der „Bereicherungsansprüche“ eine Sachnormverweisung vorgesehen. 11 Art 20 Rom I-VO und Art 24 Rom II-VO. 12 Vgl § 5 IPRG. 13 Man denke an Verweisungsbegriffe wie: „Voraussetzungen der Eheschließung“, „Form der Eheschließung“, „persönliche Rechtswirkungen der Ehe“, „Ehescheidung“, „Legitimation“, „Verträge über die Benützung unbeweglicher Sachen“, „Verbraucherverträge“, „Bereicherungsansprüche“ udgl. 14 Im Englischen ist „classification“ der Fachterminus.
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Die kollisionsrechtliche Beurteilung
· Ist ein Fruchtgenussrecht der Eltern am Kindesvermögen unter die familienrechtlichen oder unter die sachenrechtlichen Kollisionsnormen zu subsumieren? · Sind für die Bestimmung des Rechts, das auf ein Treuhandverhältnis mit Elementen der Schenkung auf den Todesfall anzuwenden ist, erbrechtliche oder schuldrechtliche Verweisungsnormen heranzuziehen15? · Fällt das, dem österreichischen Recht unbekannte Verbot des Abschlusses von Kaufverträgen unter Ehegatten unter das Ehegüterrechtsstatut, das Ehewirkungsstatut oder unter das Schuldstatut? 6/8 Um die jeweils passende, zum richtigen Anknüpfungsergebnis führende Kollisionsnorm identifizieren zu können, bedarf es der Auslegung der kollisionsrechtlichen Tatbestände, deren Inhalt beschrieben und definiert werden muss. Die Kollisionsnormen sind nicht wie Sachnormen durch die Verknüpfung von Tatbestand und (materiellrechtlicher) Rechtsfolge geprägt, sondern beinhalten ein auf den jeweiligen Verweisungsbegriff abgestelltes Anknüpfungsmoment, das auf das maßgebende Recht weist und das bei unrichtiger Subsumtion eines Sachverhalts mit Auslandsberührung zu einem falschen Ergebnis führen kann bzw muss. Das spezifische Qualifikationsproblem besteht nun darin, dass kollisionsrechtliche Tatbestände stets auf „internationale“ Sachverhalte anzuwenden sind und diese von den jeweils betroffenen Rechtsordnungen kollisionsrechtlich wie sachrechtlich unterschiedlich eingeordnet sein können. Bei der Verweisung auf fremdes Recht ergeben sich denn auch regelmäßig Schwierigkeiten, die ihre Ursache in einem anderen Begriffsverständnis oder in einer abweichenden Systematik des fremden Sachrechts haben. Stets muss deshalb geklärt werden, welche Rechtsordnung – die des Gerichtsorts oder die des verwiesenen Staates – mit ihren Systembegriffen in concreto die Einordnung bestimmt16. Es leuchtet ein, dass ein Rechtsbegriff (zunächst) allein nach den systematischen und inhaltlichen Kategorien jeweils jener Rechtsordnung zu verstehen und auszulegen ist, die ihn normativ verwendet. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich der Inhalt kollisionsrechtlicher Tatbestandsbegriffe mit jenem gleichnamiger Begriffe des materiellen Rechts (das heißt, der „Sachnormen“) derselben Rechtsordnung deckt17, wobei es 15 Vgl OGH ZfRV 1989, 51 (Zemen). 16 Um zu entscheiden, welches Recht anzuwenden ist, muss somit rechtlich eingeordnet, bzw „qualifiziert“, werden. Für die rechtliche Einordnung („Qualifikation“) kommt es darauf an, welches Recht anzuwenden ist. Dies wirft die Frage auf, ob ein Zirkelschluss vorliegt. 17 Klassisch – doch leider nicht immer so einfach vorgegeben – ist die anknüpfungsmäßige Trennung zwischen dem schuldrechtlichen Titel und dem sachenrechtlichen Modus.
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Rechtliche Einordnung (Qualifikation)
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für den Rechtsanwender sehr hilfreich sein kann, wenn ihm das IPR mit Legaldefinitionen zur Hand geht. Eine nationale Kodifikation des Kollisionsrechts wird dabei die Terminologie und auch die Systematik ihres jeweiligen Sachrechts voraussetzen können und auf diese abstellen. Kollisionsnormen in Staatsverträgen können dies naturgemäß nicht. Qualifikationsfragen, die sich im Zusammenhang mit staatsvertraglichen Kollisionsnormen stellen, sind daher staatsvertragsautonom nach Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte des betreffenden Vertragswerkes zu lösen. Diese Aufgabe wird allenthalben dadurch erleichtert, dass in kollisionsrechtlichen Staatsverträgen nicht selten Präzisierungen von Verweisungsbegriffen aufgenommen werden18. Analoges gilt von den Verweisungsbegriffen in den europäischen Verordnungen zum Internationalen Schuldrecht. Auf der Suche nach der richtigen Methode der Qualifikation sind mehrere 6/9 Theorien entwickelt worden: So soll nach einer Theorie (Bartin) die Qualifikation stets nach dem Sachrecht der lex fori erfolgen, was immer dann nicht zielführend ist, wenn das verwiesene Sachrecht unterschiedliche Systembegriffe aufweist. Nach einem anderen, logisch schwer nachvollziehbaren und Normenwidersprüche geradezu provozierenden Vorschlag (M. Wolff) sollte die Qualifikation nach dem berufenen fremden Sachrecht vorgenommen werden. Eine dritte, von dem bedeutenden Komparativisten Ernst Rabel entworfene Theorie will die Qualifikation mit Hilfe der Rechtsvergleichung nach internationalen Begriffstandards „autonom“ vornehmen. Die in Österreich nach wie vor herrschende und im Regelfall auch noch immer brauchbare Arbeitshypothese stammt von den Vertretern der sogenannten „(Zwei-) Stufenqualifikation“ (Anzilotti, Schnitzer, Scheucher). Sie gehen von einer Qualifikation ersten und zweiten Grades19 aus: Da jede kollisionsrechtliche Beurteilung vom IPR des jeweiligen Gerichtsortes (der lex fori) ihren Ausgang nehmen müsse, gelte es, den konkreten Sachverhalt zunächst nach den Systembegriffen dieser Rechtsordnung zu klassifizieren und einzuordnen20. Anhand dieser Einordnung (= Qualifikation ersten Grades) finde man die konkret anzuwendende IPR-Vorschrift des Gerichtsortes, wobei hier genauso wie bei der Auslegung des eigenen Sachrechtes nicht schematisch vorgegangen werden dürfe, sondern stets nach den Regelungszwecken der betreffenden (Kollisions-)Norm zu fragen sei21. 18 Vgl die ausdrückliche Umschreibung des Verweisungsbegriffes „Form letztwilliger Verfügungen“ in Art 5 des Haager Testamentsübereinkommens, BGBl 1963/295. 19 Auch „primäre“ und „sekundäre Qualifikation“. 20 Vgl OGH ZfRV 1991, 393/22. 21 Vgl §§ 6, 7 ABGB, § 1 Abs 1 IPRG.
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Die kollisionsrechtliche Beurteilung
Wenn als Folge der „Qualifikation ersten Grades“ das eigene Sachrecht für maßgeblich erklärt wird, gibt es keine weiteren Qualifikationsprobleme. Verweist die Kollisionsnorm der lex fori aber, wie das § 5 IPRG grundsätzlich vorsieht, im Wege der Gesamtverweisung auf das IPR einer fremden Rechtsordnung, tritt die Qualifikation nach der lex fori zurück und der „quasi von der Sonne beider Rechtsordnungen angestrahlte“ (Mänhardt) Sachverhalt oder Sachverhaltsteil, der von der Verweisung erfasst war, muss nach der verwiesenen Rechtsordnung ganz neu – zB güterrechtlich statt erbrechtlich – eingeordnet werden, wobei bei dieser „Qualifikation zweiten Grades“ auf den Normzweck der jeweils konkret tangierten Kollisionsnormen Bedacht genommen werden muss. Das dürfte wohl auch der österreichische Gesetzgeber im Auge gehabt haben, als er in § 3 IPRG anordnete, dass, wenn fremdes Recht maßgebend sei, es „wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich“ angewendet werden müsse. 6/10 Unter Zugrundelegung einer streng funktionellen Betrachtungsweise findet man so die nach der berufenen fremden Rechtsordnung maßgebende Kollisionsnorm und erst die, der anzuwendenden Kollisionsnorm zu entnehmende Verweisung auf ein bestimmtes materielles Recht leitet zu der passenden Sachnorm und macht die endgültige Lösung des internationalen Privatrechtsfalles möglich. Bei der Suche nach der letztlich anzuwendenden Sachnorm ist, worauf Schwimann ursprünglich mit dem Begriff der „Zwei-Rahmen-Methode“22 hingewiesen hat, wiederum eine streng funktionelle Betrachtungsweise zu verfolgen. Diese ermöglicht, von Funktion und Normzweck der am Anfang des Anknüpfungsprozesses stehenden Kollisionsnorm des Forumrechts ausgehend, eine sachgerechte Einengung der Palette der in Frage kommenden Sachnormen des verwiesenen Rechts. Dass der gesamte Qualifikationsprozess in den mitunter überaus komplizierten IPR-Fällen nicht immer nur nach Denkmodellen ablaufen kann, liegt auf der Hand. Es kann denn auch keine voll befriedigende, allgemein gültige Lösung des Qualifikationsproblems geben, da zum einen die im IPR verwendeten Systembegriffe allzu oft zu weit und die an die Gerichte herangetragenen Fälle oftmals komplex und ihre internationalen Bezüge verzweigt sind. Im Einzelfall muss es jedoch letztlich stets darum gehen, in funktioneller Betrachtungsweise unter „Gesamtbewertung aller maßgeblichen Interessen“ (Schwimann) die Regelungszwecke des verweisenden wie
22 Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts (1982) 28 f. Nunmehr zieht dieser Autor es vor, von „kanalisierter Verweisung“ zu sprechen, Schwimann, Internationales Privatrecht3 (2001) 26.
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Vorfrage und verwandte Fragen
§6
des verwiesenen Rechts offen zu legen und miteinander so weit wie möglich in Einklang zu bringen23. Im Übrigen bereitet die Auslegung der Anknüpfungskriterien, welche in 6/11 den Verweisungsnormen – gleichsam als Sprungbrett zur jeweiligen Rechtsordnung – die kollisionsrechtliche Rechtsanwendung vermitteln, weniger Schwierigkeiten als die „Qualifikation“ der Verweisungsbegriffe. Diese betreffen zum Teil Tatsachen, wie „Ort der belegenen Sache“, „Schadenszufügungsort“, „Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes“ usw. Die hier verwendeten Begriffe sind in der Regel nach der Rechtsordnung auszulegen, die sie einsetzt. Die Anknüpfung an das maßgebende fremde Recht muss aber mitunter von Rechtsbegriffen, wie „Staatsangehörigkeit“, „Wohnsitz“ bzw „domicil(e)“ abhängig gemacht werden. Gerade anhand von „domicil(e)“ kann illustriert werden, dass manche einschlägigen Rechtsbegriffe von den verschiedenen Rechtsordnungen auch verschieden aufgefasst werden. Hier entscheidet die Rechtsordnung, „um die es geht“, das heißt, jene, in der sich der Anknüpfungsgrund verwirklicht24. So wird etwa die Frage, „ob der Erblasser an einem bestimmten Ort einen Wohnsitz gehabt hat,. . . durch das an diesem Ort geltende Recht geregelt“25.
D. Vorfrage und verwandte Fragen Im Zusammenhang mit der Bemühung, das anwendbare Recht festzustel- 6/12 len, das gewissermaßen die an einen mit der Entscheidung eines Sachverhalts mit Auslandsberührung befassten Richter gerichtete Hauptfrage bildet, treten besondere „kollisionsrechtliche Fragen“ auf, mit denen der Rechtsanwender umgehen können muss. Die wichtigste und schwierigste dieser Fragen wird als Vorfrage bezeichnet, doch kennt die Kollisionsrechtslehre auch noch die Teilfrage sowie die Erstfrage, die jedoch nicht immer von der Vorfrage differenziert wird. Während Teilfragen, logisch betrachtet, nebeneinander stehen, sind Erstfrage und Vorfrage präjudiziell. Unter Teilfrage wird eine Rechtsfrage begriffen, die ein Element eines komplexen IPR-Tatbestands bildet, das einer gesonderten Anknüpfung 23 Vgl sehr anschaulich OGH ZfRV 1987, 280 (Zemen) = EvBl 1987/95 = IPRax 1988, 37 (Schwind, 45): Kalifornische Erblasserin, community property in der Form einer „joint tenancy“, Liegenschaft in Österreich, Frage des Pflichtteilsanspruchs des Witwers, Anrechnung des erhaltenen community property. Anschaulich zum Gesamtkomplex „Qualifikation“, insb Schwimann, IPR verstehen: Das „Qualifikationsproblem“, JAP 1993/ 1994, 8. 24 Vgl OGH SZ 60/228 = JBl 1988, 519: Nur die von dieser Rechtsordnung getroffenen konstitutiven Staatsbürgerschaftsentscheidungen sind bindend. 25 Vgl Art 1 Abs 3 Haager Testamentsübereinkommen, BGBl 1963/295.
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Die kollisionsrechtliche Beurteilung
unterliegt. So sind zB die Frage der Formgültigkeit einer letztwilligen Anordnung oder die Frage der Geschäftsfähigkeit einer Vertragspartei als Teilfragen anzusehen. Den Sinn der mitunter vom Schrifttum und den Gerichten vernachlässigten Unterscheidung von Erstfrage und Vorfrage hat von Hoffmann26 lapidar dargestellt: Die Erstfrage stelle sich bereits bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung, die Vorfrage werde dagegen erst vom anwendbaren materiellen Recht, also nach vollzogener Anknüpfung, aufgeworfen27. Demnach ist zB die bei der kollisionsrechtlichen Prüfung der ehelichen Abstammung eines Kindes gemäß § 21 IPRG zu klärende Frage, ob die Kindeseltern rechtswirksam verheiratet sind, eine Erstfrage. Wenn es aber in einem von einem österreichischen Gericht abzuhandelnden Nachlass eines oder einer italienischen Staatsangehörigen um das Erbrecht des überlebenden „coniuge“ gemäß Art 581 Codice civile geht, ist die Frage, ob die Eheschließung gültig zustande kam, eine Vorfrage, da diese Voraussetzung in der verwiesenen Sachrechtsordnung auftaucht. 6/13 Da die Erstfrage als präjudizielle Rechtsfrage durch das IPR des Rechts des Gerichtsorts aufgeworfen wird, ist es einsichtig, dass sie stets selbstständig, das heißt, nach der lex fori, angeknüpft wird. Ob die Vorfrage als präjudizielle Frage des verwiesenen Sachrechts unselbstständig, das heißt nach dem IPR des verwiesenen Rechts, oder selbstständig nach dem IPR des Forums anzuknüpfen ist, ist eine schwierige und nicht einheitlich zu beantwortende Frage. Selbstständige Vorfragenanknüpfung begünstigt den internen (= innerstaatlichen), unselbstständige Anknüpfung den internationalen Entscheidungsgleichklang. Die entscheidende Frage ist, ob im konkreten Fall das Interesse am internen oder jenes am internationalen Entscheidungsgleichklang überwiegt. In jedem Fall zu undifferenziert ist die Auffassung, dass die Vorfrage grundsätzlich nach dem Sachrecht der Hauptfrage angeknüpft werden solle. Als Alternative bietet sich ein Lösungsmodell an, demzufolge nur Vorfragen, die sich in den kollisionsrechtlichen Tatbeständen von Staatsverträgen ergeben, stets unselbstständig, Vorfragen, die in den Tatbeständen des autonomen IPR zu klären sind, hingegen auch selbstständig angeknüpft werden können. Hier bedarf es jeweils einer Interessenabwägung, die am Zweck der für die Entscheidung der Hauptfrage relevanten Kollisionsnorm ausgerichtet sein muss und auch für eine selbstständige Vorfragenanknüpfung sprechen kann28. 26 Von Hoffmann, Internationales Privatrecht7 (2002) Rz 6/47 ff. 27 Etwas abweichend in der Formulierung, in der Sache jedoch im Gleichlauf, nunmehr von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9 (2007) Rz 6/47 ff. 28 Besonders verständlich zum Problem der Vorfragenanknüpfung, von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9 Rz 6/56 ff.
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Amtswegigkeit
§6
E. Amtswegigkeit Die Ermittlung des maßgebenden Rechts und seine Anwendung auf einen 6/14 Sachverhalt mit Auslandsberührung hat von Amts wegen zu erfolgen. Das IPR ist eben nicht „fakultatives Kollisionsrecht“. Aus §§ 2 bis 4 IPRG ergibt sich iVm § 271 ZPO die Amtswegigkeit der gesamten kollisionsrechtlichen Beurteilung. Bei Missachtung der kollisionsrechtlichen Fragestellung ist im Rechtsmittelverfahren eine Rechtsrüge erforderlich. Hat der Richter nach inländischem IPR ausländisches Recht anzuwenden, sei es Kollisionsrecht oder Sachrecht, wird es vom inländischen Anwendungsbefehl zur Gänze mit umfasst. Der Richter muss das fremde Recht ermitteln und anwenden29, selbst wenn die Parteien die Maßgeblichkeit fremden Rechts ignorieren30 oder sich – in den, der Rechtswahl nicht zugänglichen Bereichen – dagegen wehren sollten31. Über das Zumutbare kann man freilich nicht hinausgehen. Der Richter kann, soweit ihm die Ermittlung im eigenen Wirkungsbereich nicht möglich ist, beim Bundesministerium für Justiz Auskunft einholen, wobei er die zu ermittelnde Rechtsnorm bzw die zu lösende Rechtsfrage eindeutig bezeichnen muss32. Der Richter kann zur Ermittlung auch die Parteien heranziehen, ohne jedoch durch sie gebunden zu sein33. Schließlich kann sich der Richter als zulässiges Hilfsmittel zur Ermittlung fremden Rechts auch eines Sachverständigengutachtens bedienen34. Nur wenn trotz eingehender Bemühung das fremde Recht nicht ermittelt werden kann, ist gemäß § 4 Abs 2 IPRG als ultima ratio auf das österreichische Sachrecht zu rekurrieren. Wer ausländisches Recht anwenden soll, muss es kennen. Das inländische 6/15 Recht zu kennen, ist der Richter verpflichtet. Es gilt der Grundsatz „iura novit curia“. Doch kann dies auch für das ausländische Recht gelten, in dem der Richter nicht ausgebildet worden ist, über dessen Kenntnis er nie einen Nachweis liefern musste? Handelt es sich bei den anzuwendenden ausländischen Rechtsvorschriften um Recht, mit der Konsequenz, dass 29 Das bestimmt § 4 Abs 1 IPRG. Kollisionsrechtliche Erwägungen können jedoch nach Auffassung des OGH dahingestellt bleiben, wenn aus allen potentiell anwendbaren Sachrechten ein identisches Ergebnis folgt: OGH ZfRV 1991, 47; vgl auch OGH IPRax 1991, 193 (von Bar, 197); SZ 64/137 = JBl 1992, 176; JBl 1992, 652 (Schwimann) = ZfRV 1992, 387; ZfRV 1997, 257 – Scheckübergabe. 30 Vgl OGH ZfRV 1997, 117/32 – Nigerianisches Stammesrecht. 31 OGH ZfRV 1997, 253. 32 Vgl hierzu das Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht, BGBl 1971/417 und Zusatzprotokoll, BGBl 1980/179. 33 Vgl OGH JBl 1990, 173 = EvBl 1990/43; ZfRV 1997, 117/32. 34 So ausdrücklich § 4 Abs 1 Satz 2 IPRG.
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§6
Die kollisionsrechtliche Beurteilung
der Richter dessen Inhalt zu ermitteln hat? Oder ist das ausländische Recht nur Tatsache, bloßes Faktum, das von den Parteien nachzuweisen wäre? Kann der Richter gegebenenfalls im Einvernehmen mit den Parteien einen bestehenden Auslandsbezug ignorieren und einen internationalen Sachverhalt wie einen rein inländischen behandeln und ihn dann auch nach dem Recht beurteilen, mit dem er vertraut ist, also den sachrechtlichen Normen der lex fori? Unrichtige Anwendung inländischen Rechts bildet den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung35. Wie aber ist es zu beurteilen, wenn der Richter nicht das maßgebende ausländische Recht, sondern das ihm vertraute „Heimatrecht“ anwendet? Diesbezüglich gilt, dass auch die unrichtige Anwendung inländischer Kollisionsnormen – zB wenn der Richter aufgrund dieser Normen ausländisches Recht anwenden hätte sollen und inländisches angewendet hat oder umgekehrt – „unrichtige rechtliche Beurteilung“ iSd § 503 Z 4 ZPO ist. Dies schließt gemäß § 2 IPRG auch die amtswegige Ermittlung der „für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen“, somit der Anknüpfungsmomente wie Staatsangehörigkeit, Lageort oder Ort der schädigenden Handlung ein. In der Praxis kommt es allerdings nach wie vor nicht selten vor, dass die kollisionsrechtliche Rechtsanwendungsfrage überhaupt übersehen wird36. 6/16 Irrt der Richter nicht im „Ob“ – er wendet zB zutreffend das durch sein IPR berufene ausländische Recht an –, sondern im „Wie“ – er wendet das fremde Recht falsch an –, liegt auch darin eine „unrichtige rechtliche Beurteilung“: Gemäß § 3 IPRG ist ausländisches Recht in der gleichen Weise anzuwenden, wie es „in seinem ursprünglichen Geltungsbereich“ angewendet werden würde. Das bedeutet ua auch, dass die geltenden ausländischen Normen so auszulegen sind, wie es der herrschenden ausländischen Rechtsprechung – unter subsidiärer Heranziehung der gängigen Lehre – entspricht37. Dabei wird man allfällige Änderungen „zwingender“ fremder Rechtsvorschriften wohl selbst im Rechtsmittelverfahren noch zu berücksichtigen haben. 35 § 503 Z 4 ZPO. 36 Vgl zB OGH JBl 1990, 173 = EvBl 1990/43; JBl 1990, 792: Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz beim Kaufvertrag – Schuldstatut, schweizerisches oder österreichisches Recht maßgeblich? 37 Vgl OGH EvBl 1985/172; ZfRV 1987, 68; ferner zur Auslegung von (Wechsel-)Einheitsrecht: OGH EvBl 1980/47; vgl auch OGH ZVR 1992/13. Fehlen klare Vorgaben durch eine ständige Anwendungspraxis oder eine herrschende Lehre, ist nach den im ursprünglichen Geltungsbereich der anzuwendenden Normen gültigen Auslegungsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätzen auszulegen: OGH EvBl 1997/107; ZVR 1992/83.
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§ 7. Verweisung und Anknüpfung A. Die Alternative: Gesamtverweisung oder Sachnormverweisung Im Zentrum des Subsumtionsvorgangs steht bei einem Sachverhalt mit 7/1 Auslandsberührung die „Verweisung“, die, wenn sie in das eigene Recht geht, unproblematisch ist, jedoch immer dann schwierige Fragen aufwerfen kann, wenn sie eine fremde Rechtsordnung als maßgebend bestimmt. Eine Verweisungsnorm kann nämlich so formuliert sein, dass sie grundsätzlich auch die Verweisungsnormen des fremden verwiesenen Rechts umfasst (Gesamtverweisung); sie kann sich aber auch darauf beschränken, die Verweisung auf die Bestimmungen des fremden Rechts so zu gestalten, dass jene des Internationalen Privatrechts nicht erfasst werden (Sachnormverweisung). Die Entscheidung für die eine oder die andere alternative Vorgangsweise zeitigt weitreichende Konsequenzen. Sachnormverweisung – Gesamtverweisung
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§7
Verweisung und Anknüpfung
Ein Beispiel soll zeigen, worin die Schwierigkeiten dieses Themenkomplexes liegen: Ein australischer Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hinterlässt (auch) bewegliches Vermögen in Österreich. Österreich steht diesbezüglich gemäß § 106 Abs 1 Z 2 lit b) JN1 die Nachlassgerichtsbarkeit zu. Das österreichische Recht beruft als Erbstatut in §§ 28, 30 IPRG das Heimatrecht des Erblassers. Was letztwillige Verfügungen über bewegliches Vermögen anbelangt, würde aber das betreffende australische Kollisionsrecht das Wohnsitzrecht des Erblassers, also österreichisches Recht, als anwendbar bestimmen. Ist nun aus österreichischer Sicht der Rechtsanwendungswille des fremden Kollisionsrechts zu beachten oder kann der im österreichischen Internationalen Erbrecht herrschende Staatsangehörigkeitsgrundsatz gleichsam in das fremde Recht hineingetragen und das entsprechende australische Gliedstaatenrecht2 angewendet werden? Weniger kompliziert ausgedrückt lautet die Frage: Muss das relevante australische Kollisionsrecht beachtet oder kann es ignoriert werden? 7/2 Das zentrale Argument, das für die Beachtung der ausländischen Kollisionsnormen und damit für die Gesamtverweisung spricht, lautet, dass sich die Verweisung des inländischen IPR deshalb auch auf das fremde Kollisionsrecht beziehen muss, weil man ein Recht nicht anwenden soll, das selbst nicht angewendet werden will. Zudem spricht die Anordnung, dass verwiesenes fremdes Recht „wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich“ angewendet werden soll3, für die Einbeziehung des Kollisionsrechts der verwiesenen Rechtsordnung. Wenn dann noch die Richter der involvierten Rechtsordnungen im Falle der Nichtbeachtung einer vom fremden Kollisionsrecht vorgesehenen Rückverweisung wechselweise fremdes Sachrecht anwenden müssten, ist es doch „natürlicher“, wenn sie – gleichsam compensando – das eigene anwenden. Die Gegenposition, welche die Verweisung des inländischen IPR als nur auf die ausländischen Sachnormen bezogen begreift, geht davon aus, dass der Grund dafür, dass das ausländische Recht angewendet wird, nicht darin zu sehen ist, dass es dies selbst will, sondern weil das inländische IPR dies dem Richter befiehlt. Dann ist es aber auch hinzunehmen, dass man sich über die Anknüpfungsgrundsätze des fremden Rechtes hinwegsetzt 1 BGBl I 2003/112 hat die Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit in Nachlasssachen in §§ 22 ff AußStrG 1854 durch § 106 JN ersetzt, der auf Verlassenschaftsverfahren anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2004 erstmals bei Gericht oder beim Gerichtskommissär anhängig gemacht wurden. 2 Australien („Commonwealth of Australia“) besteht aus sechs Gliedstaaten, die jeweils über eine eigenständige Privatrechtsordnung verfügen. 3 Vgl § 3 IPRG.
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Rück- und Weiterverweisung
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und faktengleiche Fälle, je nachdem, wo sie bei Gericht anhängig gemacht werden, gegebenenfalls nach verschiedenem Sachrecht beurteilt4.
B. Rück- und Weiterverweisung Im IPRG ist die Gesamtverweisung die „Regelverweisung“, da § 5 Abs 1 7/3 IPRG anordnet, dass Verweisungen auf fremde Rechtsordnungen grundsätzlich auch deren Verweisungsnormen umfassen. Von diesen hängt dann das weitere Schicksal der Beurteilung ab: Erklärt das IPR des fremden Staates sein eigenes materielles Recht (das eigene Sachrecht) für maßgeblich5 oder trifft es keine Entscheidung hierüber, ist dieses anzuwenden6. Wie der berühmte bayrisch-französische Fall des Franz Xaver Forgo illustriert7, kommt diesen Fragen gerade in den, der Rechtswahl nicht bzw nur sehr beschränkt zugänglichen Bereichen des Erb- und Familienrechts besondere Bedeutung zu. Vom Grundsatz der Gesamtverweisung hat das IPRG ausdrücklich einige sachlich begründete Ausnahmen anerkannt8, zB bei Verweisung auf die Formvorschriften „des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenom-
4 Mitunter muss auch das fragwürdige Argument herhalten, dass sich der Richter noch eher mit ausländischem materiellen Recht vertraut machen kann, als zusätzlich mit ausländischen – mitunter sehr lückenhaft normierten – Kollisionsnormen. 5 Da es in diesem Fall die Verweisung annimmt, spricht man von „Verweisungsannahme“; vgl OGH ZfRV 1998, 79/21. 6 Im Beispielsfall des australischen Erblassers träte dies ein, wenn das relevante australische Teilstaaten-IPR für die Lösung des Erbrechtsfalles ebenfalls das Heimatrecht des Erblassers berufen würde. 7 Der 1801 unehelich in Bayern von einer bayrischen Mutter geborene F. X. Forgo war in früher Kindheit mit der Mutter nach Frankreich ausgewandert, dort durch Heirat reich geworden und 1869 nach seiner französischen Frau kinderlos und, ohne über sein Vermögen letztwillig verfügt zu haben, verstorben. Um seinen beweglichen Nachlass stritten sich der französische Fiskus und bayrische Seitenverwandte der Mutter, die nach Teil III Kap 12 § 4 des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis erbberechtigt waren, denen aber nach Art 766 Code civil kein gesetzliches Erbrecht zukam. Die Cour de Cassation, die sich mit diesem Fall mehrfach auseinander setzen musste, erklärte wegen der bayrischen Staatsangehörigkeit und der fehlenden Zuzugsberechtigung Forgos, die für die Begründung seines Wohnsitzes in Frankreich erforderlich gewesen wäre, das bayrische Recht für anwendbar. Da dessen Kollisionsnormen aber auf das Recht am Wohnsitz des Erblassers abstellten, kam es zur Rückverweisung auf das französische Recht. Letztlich konnte sich also der französische Fiskus freuen; näher dazu Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 (2004) 389 f. 8 Ausnahmen ergeben sich nach dem IPRG interpretativ aus dem Normzweck. Als Faustregel kann immer dann, wenn in einer Verweisungsnorm des IPRG von „Recht“ die Rede ist, eine Gesamtverweisung angenommen werden.
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§7
Verweisung und Anknüpfung
men wird“9, bzw „des Ortes der Eheschließung“10, bei Anknüpfung von „abhängigen Rechtsgeschäften“11 oder bei der Bestimmung des Bereicherungsstatuts12. Diese Ausnahmen waren jedoch insofern seit jeher unzureichend, als die Gesamtverweisung für viele dem Schuldrecht zuzurechnende Sachverhalte mit Auslandsberührung wenig Sinn macht. Mit der Aufhebung des § 45 IPRG13 verschwand zeitgleich mit dem Inkrafttreten des EVÜ in Österreich14 die für die „abhängigen Rechtsgeschäfte“ vorgesehene Ausnahme. Verweist das von einer Kollisionsnorm des österreichischen IPRG als maßgebend bezeichnete ausländische Kollisionsrecht auf das erstverweisende österreichische Recht zurück – weil zB nicht das Recht der Staatsangehörigkeit sondern das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts angewendet werden soll –, entstünde bei Weiterbefolgung des Gesamtverweisungsgrundsatzes das „logische Spiegelkabinett“ oder „Verweisungs-PingPong“ zwischen zwei Kollisionsrechten. Um diesem ein Ende zu bereiten, muss das „Zurückschlagen des Balles durch einen der Spieler“ unterbunden werden. Das geschieht durch die Anordnung des § 5 Abs 2 IPRG, wonach bei Rückverweisung (renvoi) durch die fremde Rechtsordnung die österreichischen Sachnormen15 endgültig anzuwenden sind16. Es kann dazu kommen, dass das erstverwiesene Recht auf das Recht eines dritten Staates weiter verweist17. Hier hängt es wiederum vom Kollisionsrecht dieses „zweitverwiesenen“ Staates ab, ob die Verweisung angenommen wird, auf eines der beiden vorangegangenen Rechte zurückverwiesen oder auf das Recht eines vierten Staates (wiederum) weiterverwiesen wird. In Fällen solcher Verweisungsketten ist auf den Sachverhalt letztlich immer jenes materielle Recht endgültig anzuwenden, das durch die erste Sachnormverweisung oder die erste (Rück-)Verweisung, die ja gemäß § 5 Abs 2, 2. Halbsatz IPRG als Sachnormverweisung ausgewiesen ist, bezeichnet wird.
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§ 8 IPRG. § 16 Abs 2 IPRG. § 45 aF IPRG. § 46 Satz 2 aF IPRG; seit 11.1.2009: Art 10 Rom II-VO. Durch BGBl I 1998/119. Am 1.12.1998, vgl BGBl III 1998/166. Diese werden im Text des § 5 Abs 2 IPRG durch einen Klammerausdruck lehrbuchmäßig definiert als „Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen“. 16 Vgl auch Art 4 EGBGB, Art 14 schweizIPRG. 17 Im Beispielsfall des australischen Erblassers könnte dies theoretisch der Fall sein, wenn sich das „domicil(e)“ des Erblassers tatsächlich nicht in Österreich, sondern in einem dritten Staat verwirklicht hätte.
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Gliedstaatenverweisung
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C. Sachnormverweisung Die Sachnormverweisung ist die Verweisung, die unmittelbar in das inner- 7/4 staatliche Recht (loi interne, domestic law) durchschlägt. Im IPRG bildet sie die Ausnahme, die dadurch angezeigt wird, dass die Kollisionsnorm entweder, wie § 5 Abs 2, ausdrücklich die Sachnormen der verwiesenen Rechtsordnung als maßgebend bezeichnet18 oder, wie § 11 IPRG, die Bezugnahme auf eine Rechtsordnung unter Ausschluss der Verweisungsnormen ausspricht. Auch bei jenen Normen des Internationalen Privatrechts, die Formfragen betreffen wie §§ 8 und 16 IPRG liegt eine „Sachnormverweisung“ vor, weil Formvorschriften ihrer Natur nach Sachnormen sind. Während also das IPRG der Gesamtverweisung eine sehr weite Anwendung sichert, sind die Verweisungen in kollisionsrechtlichen Staatsverträgen zumeist Sachnormverweisungen. Bei den Haager IPR-Übereinkommen ergibt sich dieser Schluss daraus, dass als anwendbares Recht stets „innerstaatliches Recht“ angesprochen wird19. Für das EVÜ stellte Art 15 ausdrücklich klar, dass unter dem nach diesem Übereinkommen anzuwendenden Recht eines Staates „die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des internationalen Privatrechts zu verstehen“ sind. Diese Formulierung wurde in Art 20 Rom I-VO und Art 24 Rom II-VO übernommen. Somit gehen auch die Verordnungen Rom I und Rom II generell von der Sachnormverweisung als Standardverweisung aus. Die Verweisung geht somit immer sogleich in das, als maßgeblich bestimmte, fremde Sachrecht, die Möglichkeit einer Rückverweisung kann sich nicht ergeben und auch die Weiterverweisung ist im Anwendungsbereich der Verordnungen Rom I und Rom II grundsätzlich ausgeschlossen.
D. Gliedstaatenverweisung In ein und demselben Staat kann – nach Gebieten oder Bevölkerungsgrup- 7/5 pen gegliedert – inhaltlich unterschiedliches Privatrecht gelten. Beispiele für Staaten mit fehlender territorialer Rechtseinheit im Privatrecht sind das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika20, Australien und Kanada, aber auch Spanien. Als Beispiele für Rechtsordnungen, die 18 Für die Rückverweisung bzw für den Weiterverweisungsfall, wenn nicht mehr weiterverwiesen oder auf eine Rechtsordnung in der Verweisungskette zurückverwiesen wird. 19 Vgl Art 3 Haager StVÜ. 20 In den USA sind die Regeln des „interstate“ bzw „interlocal law of conflict of laws“ vor dem eigentlich internationalen „conflicts law“ entwickelt worden. Sie bestimmen das
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§7
Verweisung und Anknüpfung
für einzelne Personengruppen in Teilbereichen unterschiedliche Privatrechtsnormen vorsehen, sind Ägypten, Israel oder Nigeria zu nennen. Wird nun in einem Sachverhalt mit Auslandsberührung auf eine solche Rechtsordnung verwiesen, ordnet § 5 Abs 3 IPRG an, dass jene Teilrechtsordnung anzuwenden ist, „auf die die in der fremden Rechtsordnung bestehenden Regeln verweisen“. Diese Regeln bilden „interlokales“21, allenfalls „interpersonales“ Kollisionsrecht. Für den Fall, dass es an solchen innerstaatlichen Kollisionsnormen mangeln sollte, ordnet § 5 Abs 3 IPRG in seinem letzten Satz an, dass diejenige Teilrechtsordnung maßgebend ist, zu der die stärkste Beziehung besteht22.
E. „Multiple“ Verweisungen 7/6 Eine Verweisung kann nicht immer nur ein einziges Recht als maßgebend bezeichnen. Insbesondere bei komplizierten Sachverhalten können Verweisungen in mehrere Richtungen gehen. So kann in jenen Fällen, in denen dem Parteiwillen Bedeutung zukommt, eine Rechtswahl auch nur für einen Teil des Sachverhalts mit Auslandsberührung getroffen werden23. Ebenso sehen Kollisionsnormen mitunter eine Verweisung auf mehr als eine Rechtsordnung vor. Man unterscheidet alternative, kumulative, gekoppelte und fakultative Anknüpfung. 7/7 Eine „alternative Anknüpfung“ wird zumeist unter dem Aspekt des „Günstigkeits-„ oder „Favor-Prinzips“ vorgesehen. Das klassische Beispiel für eine solche quasi parallel geschaltete Verweisung bildet das allgemeine Formstatut des § 8 IPRG. Demnach ist die Form einer Rechtshandlung nach dem Geschäftsrecht, das ist das unter Beachtung von Rück- und Weiterverweisung für das Ausführungsgeschäft maßgebende Statut, zu beurteilen, doch besteht zugunsten der Formgültigkeit die gleichrangige Alternative, dass das Ortsrecht greift24. Auf die Weise wird bei unterschiedlich strengen Formvorschriften der jeweiligen Sachrechte jenem Recht zur Anwendung verholfen, das für die Formgültigkeit günstiger, dh weniger
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„internationale Konfliktsrecht“ inhaltlich und haben in der Praxis ungleich mehr Bedeutung. Vgl OGH ZfRV 1997, 117/32. Vgl auch Art 14 des Haager MjSchÜ; OGH SZ 61/108: Ehescheidung mit Verweisung auf jugoslawisches Gliedstaatenrecht. Vgl Art 3 Abs 1 Satz 3 Rom II-VO. Die Verweisung auf die Formvorschriften des Ortsrechts im zweiten Halbsatz des § 8 IPRG ist eine Sachnormverweisung.
Akzessorische Anknüpfung
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streng ist. Weitere Beispiele sind § 16 Abs 2 IPRG, Art 1 Haager TestÜ25, Art 1 LegÜ26. Von einer „kumulativen Anknüpfung“ spricht man dann, wenn die Beur- 7/8 teilung einer Rechtsfrage mehreren Rechtsordnungen unterliegt, wie zB die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt und der Beendigung der Wahlkindschaft gemäß § 26 Abs 1 IPRG27. Damit eng verwandt ist die gekoppelte Anknüpfung, die für die Frage, welches Recht für die Voraussetzungen der Schließung, Nichtigkeit und Aufhebung einer Ehe maßgebend sein soll, vorgesehen ist: Gemäß § 17 Abs 1 IPRG sind diese Tatbestandselemente „für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen“28. Anders als bei der alternativen Anknüpfung setzt sich das „strengere“ der gleichzeitig anzuwendenden Sachrechte durch. Schließlich ist auch denkbar, dass das Gesetz den Parteien (oder allenfalls auch einer Partei) die Wahl zwischen zwei oder mehreren bestimmten Rechten überlässt, dann liegt eine fakultative Anknüpfung vor.
F. Akzessorische Anknüpfung Eine akzessorische Anknüpfung ist immer dann vorgesehen, wenn inhalt- 7/9 lich miteinander verbundene Rechtsfragen eines Sachverhalts mit Auslandsberührung aufgrund des sachlichen Zusammenhangs nach ein und demselben Sachrecht beurteilt werden sollen. So richten sich die Verjährung, ihre Hemmung und Unterbrechung, sowie die Verschweigung und Verwirkung nach der Rechtsordnung, die für den betreffenden Anspruch gilt29, während für die Ersitzung als Institut des Sachenrechts die lex rei sitae maßgebend ist. Ein weiteres, früher praktisch bedeutsames Beispiel bildete die Anknüpfung der Verschuldens- bzw Deliktsfähigkeit eines Schadensverursachers, die nach hA entgegen dem Wortlaut des § 12 IPRG nach § 48 IPRG, also nach der ehemaligen Verweisungsnorm für außervertragliche Schadenersatzansprüche zu erfolgen hatte. In dieser Frage ist 25 Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961, BGBl 1963/295. 26 CIEC-Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe vom 10.9.1970, BGBl 1976/102 27 Nunmehr idF BGBl I 2004/58. 28 Bei der „gekoppelten Anknüpfung“ sind bestimmte Voraussetzungen für eine Rechtsfolge nach verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen, bei der „kumulativen Anknüpfung“ dagegen sind mehrere Rechte gleichzeitig zur Beantwortung ein und derselben Rechtsfrage berufen. 29 So anschaulich OGH EvBl 1990/62.
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§7
Verweisung und Anknüpfung
nunmehr durch den nicht allzu klar formulierten Art 15 lit a) Rom II-VO, der „die Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können“ in den Geltungsbereich des nach der Verordnung anzuwendenden Rechts einbezieht, insoweit Klarheit geschaffen, als diese Norm so verstanden wird, dass die Verschuldensfähigkeit nach dem allgemeinen Deliktsstatut anzuknüpfen ist30.
30 Vgl Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, JBl 2007, 613 (645).
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§ 8. Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel A. Ordre public Selbst das verweisungsfreundlichste nationale IPR muss im Hinblick auf 8/1 die Anwendung fremden Rechts durch seine Gerichte aus Gründen der Wahrung der öffentlichen Ordnung bzw des ordre public Grenzen ziehen. Diese Aufgabe erfüllt im IPRG § 6, in der Rom I-Verordnung Art 21 und in der Rom II- Verordnung Art 26, wobei die Rechtsakte der EU die Vorbehaltsklausel etwas anders formulieren als das autonome Recht. Jede Rechtsordnung hat eigene, historisch gewachsene Toleranzgrenzen. So, wie im innerstaatlichen Recht die Ausübung der Privatautonomie unter dem Damoklesschwert der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit steht, ist gemäß § 81 Z 3 EO1 im internationalen Verfahrensrecht die Vollstreckung ausländischer Titel im Inland zu versagen, wenn dadurch „ein Rechtsverhältnis zur Anerkennung oder ein Anspruch zur Verwirklichung gelangen soll, dem durch das inländische Gesetz im Inland aus Rücksichten der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit die Gültigkeit oder Klagbarkeit versagt ist“. Und nach § 97 Abs 2 Z 1 AußStrG2 ist die Anerkennung einer rechtskräftigen, ausländischen Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zu verweigern, wenn „sie den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht“. Ebenso sehen die einschlägigen Staatsverträge vor, dass ausländische Titel nicht anerkannt werden, wenn diese Anerkennung der „öffentlichen Ordnung“ des betreffenden Staates widerspricht. So bestimmt etwa Art 10 Haager StVÜ, dass eine nationale Sachnorm nicht anzuwenden ist, wenn sie mit der „öffentlichen Ordnung“ des Gerichtsstaates „offensichtlich unvereinbar“ 1 RGBl 1896/79 idF BGBl 1995/519. 2 BGBl I 2003/111 idF BGBl I 2007/111.
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§8
Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel
(„manifestement incompatible“) ist3. Selbst der Genuss der Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union steht unter dem Ordre-public-Vorbehalt4. Wenn sich auf Grund des autonomen österreichischen IPR ergibt, dass fremdes Recht anzuwenden ist, geschieht dies grundsätzlich unter dem Vorbehalt des § 6 IPRG, wonach das Ergebnis der Anwendung der relevanten Rechtsnorm(en) des maßgeblichen fremden Rechts keinen Widerspruch zu den unverzichtbaren „Grundwertungen“ der österreichischen Rechtsordnung begründen darf. Die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG wird dabei mitunter als Regelung des „negativen ordre public“ begriffen, weil die Berufung auf die öffentliche Ordnung die Anwendung des fremden Rechts verhindert. Damit soll eine deutlichere Abgrenzung zu den Eingriffsnormen, in denen der positive ordre public normativen Ausdruck findet, hergestellt werden. Wann jedoch die Anwendung einer Bestimmung des berufenen Rechts konkret mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist, entzieht sich einer allgemeingültigen Feststellung und bleibt stets der Entscheidung des jeweiligen Falles unter Berücksichtigung aktueller rechtlicher – und daher letztlich auch gesellschaftspolitischer – Wertungen überlassen. Der richterlichen Rechtsfindung ist somit ein beträchtlicher Ermessenspielraum eingeräumt, wobei der international abgesicherte Grundsatz zu beachten ist, dass von der Berufung auf den ordre public nur sparsamster Gebrauch gemacht werden darf. 8/2 Bei der inhaltlichen Konkretisierung des ordre public kommt nicht nur den Grundsätzen des Verfassungsrechts5, sondern auch dem Recht der Europäischen Union zentrale Bedeutung zu6. Es ist jeweils zu prüfen, ob und wieweit Normen des österreichischen Rechts, in denen vorgeblich „Grundwertungen“ Ausdruck finden, nach ihrem Wortlaut und Inhalt bzw nach ihrer Funktion unter Berücksichtigung der Gleichrangigkeit anderer Staaten und der Eigenständigkeit ihrer Rechtsordnungen für auslandsbezogene Sachverhalte Beachtung als Elemente der „öffentlichen Ordnung“ beanspruchen dürfen. „Grundwertungen“ sind gleichwohl nicht nur in den Grund- und Menschenrechten festgeschrieben. So gehören zum Schutzbereich des ordre public etwa auch die Einehe, der Schutz 3 Vgl auch Art 34 Z 1 EuGVVO oder Art 5 Abs 2 lit b) NYSchVÜ. 4 Vgl Art 36 AEUV hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit, Art 45 Abs 3 AEUV hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Art 52 Abs 1 AEUV hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit. 5 Vgl OGH SZ 59/128 = ÖBA 1986, 486 (Koziol) = IPRax 1988, 33 (Moschner, 40). 6 OGH SZ 71/26.
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Ordre public
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des Kindeswohls im Kindschaftsrecht7 oder das Verbot der Ausbeutung der sozial schwächeren Partei. Jedenfalls zu weit ginge es, würde die Anwendung einer Bestimmung des fremden Rechts bloß deshalb ausgeschlossen, weil sie gegen zwingende Normen des eigenen Rechts verstößt. Deshalb bedeuten längere ausländische Verjährungsfristen ebenso wenig einen Verstoß gegen den ordre public wie etwa auch die, für den Fall grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles angeordnete Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers8. Hauptaufgabe des ordre public ist der Schutz der inländischen Rechts- 8/3 ordnung9 und keineswegs primär der Schutz des einzelnen Rechtssubjekts. Die inländische Rechtsordnung ist es, die vor dem Eindringen von mit ihr vollkommen unvereinbaren Rechtsgedanken geschützt werden soll. Demnach können zB in Österreich entwickelte Grundsätze, die den geschäftlichen Verkehr zwischen wirtschaftlich annähernd gleich starken und ihrer Stellung nach ungefähr gleichwertigen Partnern regeln, nicht als derart fundamental – dh, als Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung – bewertet werden, dass eine andere Regelung in einem ausländischen Recht einen Verstoß gegen den österreichischen ordre public begründen würde10. Aus dem Wortlaut des § 6 IPRG geht eindeutig hervor, dass nicht schon die Tatsache, dass ausländisches Recht – zB die in etlichen islamischen Staaten wiederbelebte Scharia – in einigen Teilbereichen mit den Grundwertungen des inländischen Rechts unvereinbar sein könnte, eine zureichende Voraussetzung für das fallweise Eingreifen des ordre public darstellt. Vielmehr kommt es darauf an, dass das Ergebnis der Anwendung einer spezifischen fremden Rechtsnorm gegen die Grundwertungen des österreichischen Rechts verstößt. Die ordre public-Kontrolle ist daher nicht allgemein-abstrakter, sondern ergebnisorientiert-konkreter Natur. Nach dem gängigen Schulbeispiel zu dieser Problematik wäre somit das Eingehen einer (einem Manne nach seinem islamischen Heimatrecht erlaubten) Zweitehe in Österreich unzulässig; der Bestand einer solchen (im Heimatstaat gültig geschlossenen) Ehe und ein allfälliger Unterhaltszuspruch an 7 OGH ZfRV 2003/29, 151: Nur eine eklatante Gefährdung des Kindeswohls steht unter der Vorbehaltsklausel. 8 OGH VersR 1981, 590. 9 Vgl VwGH ZfRV 1992, 224 (Hoyer): Eine im ausländischen Recht allenfalls festgelegte Ehenichtigkeit aus Gründen der Religion stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Säkularität des Staates und damit nicht in Einklang mit dem österr ordre public.“ Ob dem Noterbrecht ordre-public-Charakter zukommt, ist umstritten, doch wohl eher zu verneinen; dazu Schwind, Noterbrecht und IPR, ZfRV 1994, 29. 10 OGH SZ 59/128.
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Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel
eine der Ehefrauen durch ein österreichisches Gericht wären dagegen unter ordre public-Aspekten unbedenklich. Auch der in einem als maßgeblich bestimmten Recht angeordnete Ausschluss der Scheidung wegen Verschuldens stellte zu einer Zeit, als das österreichische Recht dem Verschulden als Scheidungsgrund noch größere Bedeutung beimaß, keinen Verstoß gegen den ordre public dar11. Anderes gilt jedoch grundsätzlich von der einseitigen Privatscheidung (talaq), die dem muslimischen Ehemann durch den Koran und sein auf diesem beruhendes Heimatrecht in zahlreichen Rechtsordnungen des Islamischen Rechtskreises eröffnet ist12. Auf den festgestellten Verstoß gegen den inländischen ordre public reagiert das IPRG mit der Rechtsfolge der exklusiven Maßgeblichkeit österreichischen Sachrechts. Die durch das Eingreifen der Vorbehaltsklausel vorerst entstandene Rechtslücke könnte auch mit einer dem Sachverhalt näher liegenden, inhaltlich verwandten ausländischen Sachnorm gefüllt werden, doch ist diese Alternative aus gutem Grund nicht Gesetz geworden. An die Stelle der abgewendeten Bestimmung des fremden Rechts tritt daher gemäß § 6 Satz 2 IPRG „erforderlichenfalls“ die entsprechende Bestimmung der lex fori, dh des österreichischen Sachrechts.
B. Eingriffsnormen 8/4 Jede Rechtsordnung weist Eingriffsnormen (lois d’application immédiate) auf, worunter Normen sozial- und wirtschaftspolitischer Natur verstanden werden, hinsichtlich derer ein unabdingbares öffentliches Anwendungsinteresse der lex fori besteht13: Als für die Praxis bedeutsame Beispiele sind vor allem zu nennen14: § 14 WEG 200215, Normen des Grundverkehrsrechts16, Mieter- und Arbeitnehmerschutzbestimmungen17, § 24 HVertrG18, Devi11 In concreto ging es um deutsches Scheidungsrecht: vgl OGH ZfRV 1992, 236. 12 Vgl OGH JBl 2007, 596 = ZfRV 2007/6 (Nademleinsky); dazu Posch, „Islamisierung“ des Rechts? ZfRV 2007, 124; OGH Zak 2007/626, 359; zuletzt OGH Zak 2008/267, 153 = iFamZ 2008/87, 169. 13 Vgl nunmehr die Definition der „Eingriffsnorm“ in Art 9 Abs 1 Rom I-VO. 14 Eine Übersicht österreichischer Eingriffsnormen findet sich bei Czernich/Heiss, EVÜKommentar (1999), Art 7 Rz 10 ff. 15 Betrifft das Wohnungseigentum der Partner im Todesfall, BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2006/124; zu § 10 WEG 1975, vgl OGH ZfRV 1992, 232/20. 16 Vgl OGH JBl 1992, 594; ZfRV 1998, 34/2. 17 Das sind zB §§ 1, 4 KautSchG, BGBl 1937/229; vgl OGH EvBl 1993/144. 18 BGBl 1993/88 idF BGBl I 2005/120. Durch § 24 wurden die Art 17–19 der Richtlinie 86/ 653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABlEG L 382 vom 31.12.1986, 17, die den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Vertragsbeendi-
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Eingriffsnormen
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senrecht19 udgl. Die Funktion der Eingriffsnormen unterscheidet sich von jener der Vorbehaltsklausel insofern, als diese Normen verhindern, dass sich die Verweisungsfrage und damit die Frage der allfälligen Anwendung des (negativen) ordre public überhaupt stellt. Im Sonderanknüpfungsbereich von Eingriffsnormen wird nämlich „zu Hause geblieben“, das heißt, die Entscheidung wird auf der Grundlage der sachrechtlichen Bestimmungen der lex fori getroffen. Diese früher unter den Bezeichnungen „Wirkungsstatut“ oder „positiver ordre public“ behandelten Normen gelten kraft ihres eigenen Anwendungswillens, wobei dieser aus ausdrücklichen Selbstaussagen über den Anwendungsbereich oder interpretativ aus dem Zweck solcher Eingriffsnormen zu ermitteln ist20. Durch Art 7 EVÜ wurden die „Eingriffsnormen“ unter dem irreführenden Begriff „zwingende Vorschriften“ erstmals einer europaweit einheitlichen (gleichwohl nicht sehr geglückten) Regelung im Internationalen Schuldvertragsrecht zugeführt, nachdem der Begriff zuvor schon in § 4 IVVG21 in die österreichische Rechtssprache Eingang gefunden hatte. Durch Art 7 Abs 1 EVÜ sind die Rahmenbedingungen normiert worden, unter denen den Eingriffsnormen einer fremden Rechtsordnung, die nicht Vertragsstatut ist, „Wirkung verliehen werden“ könne. Dies war nur möglich, wenn der Sachverhalt zu den Staaten, um deren Eingriffsnormen es konkret geht, „eine enge Verbindung“ aufgewiesen hat. Art 9 Rom I-VO formuliert nunmehr unter der Überschrift „Eingriffsnormen“ präziser, indem er festschreibt, dass Eingriffsnormen Wirkung verliehen werden kann, soweit sie „die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen“.
gung regeln, in Österreich umgesetzt. Für Sachverhalte mit starker faktischer Beziehung zu einem EU-Mitgliedstaat hat der EuGH die Art 17 f als international zwingende Normen (Eingriffsnormen) qualifiziert und gegen das als anwendbar vereinbarte Recht eines Drittstaates durchdringen lassen: EuGH 9.11.2002, Rs C-381/98, Slg 2000 I-9305 – Ingmar. 19 Bis 31.12.2003 §§ 2 ff DevG 1946, BGBl 1946/162; vgl OGH ZfRV 1991, 302/14; EvBl 1993/110. Nunmehr im neuen DevG 2004, BGBl I 2003/123: §§ 3 und 4. 20 Vgl OGH SZ 60/11; zur interpretativen Bestimmung von Eingriffsnormen in gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, EuGH 9.11.2000, Rs C-381/98, Slg 2000 I-9305 – Ingmar. 21 Diese Bestimmung wurde wie das gesamte Wortlaut des Bundesgesetzes über internationales Versicherungsvertragsrecht für den EWR durch BGBl I 2009/109 aufgehoben.
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Verweisungsgrenzen: Ordre public, Eingriffsnormen, Statutenwechsel
C. Statutenwechsel 8/5 Die Realisierung einer Verweisung auf ein fremdes Recht hängt wesentlich davon ab, dass sich weder die relevanten Kollisionsnormen noch die faktischen Voraussetzungen, die nach dem jeweiligen Anknüpfungsmoment einer Norm zur anwendbaren Rechtsordnung geführt haben, ändern, solange der kollisionsrechtlich zu beurteilende Sachverhalt nicht abgeschlossen ist. So zieht die Änderung der Staatsangehörigkeit und allenfalls auch des gewöhnlichen Aufenthalts in der Regel einen Wechsel des anwendbaren Rechts im Familien- und Erbrecht nach sich und bewirkt die Veränderung des Belegenheitsorts einer beweglichen Sache von einem Staat in einen anderen, dass ein anderes Recht für die sachenrechtliche Zuordnung dieser Sache maßgebend wird. Das Problem, das sich hier stellt, ist, ob überhaupt und, wenn ja, wann der Wechsel des Statuts eintritt. Während ein „starres (unwandelbares) Statut“, wie es etwa § 21 IPRG22 für die Beurteilung der ehelichen Abstammung vorsieht, keine Probleme bereitet, ist die Situation bei einem „gleitenden (wandelbaren) Statut“ komplexer. Insbesondere dann, wenn eine Kollisionsnorm auf das Personalstatut23 abstellt, ist darauf zu achten, ob das jeweils aktuelle Personalstatut oder das Personalstatut, das zu einem bestimmten Zeitpunkt bestanden hat, maßgebend sein soll. Starres und wandelbares Statut wechseln einander ab. So beurteilen sich die Wirkungen der Ehelichkeit eines Kindes gemäß § 24 IPRG nach dessen jeweiligem Personalstatut, während die Voraussetzungen der Ehelichkeit des Kindes und deren Bestreitung gemäß § 21 IPRG nach dem gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten zur Zeit der Geburt des Kindes bzw bei vorzeitiger Eheauflösung im Zeitpunkt der Auflösung oder, wenn das Personalstatut der Eltern nicht einheitlich ist, nunmehr nach dem Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen sind. 8/6 Für den Fall, dass die konkrete Kollisionsnorm keine Aussage über den relevanten Anknüpfungszeitpunkt trifft, stellt § 7 IPRG klar, dass die nachträgliche Änderung der Anknüpfungsvoraussetzungen keinen Einfluss „auf bereits vollendete Tatbestände“ hat. Ob ein Tatbestand vollendet ist, ist auf Basis des anwendbaren Sachrechts zu prüfen, wobei immer dann von einem „vollendeten Tatbestand“ auszugehen ist, wenn eine abschließende Beurteilung eines Vorgangs möglich ist. Bei Dauerrechtsverhältnissen tritt der Statutenwechsel mit Wirkung für die Zukunft zugleich mit 22 Geändert durch das KindRÄG, BGBl I 2000/135. 23 Dazu unten Rz 9/2.
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Statutenwechsel
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der Änderung des Anknüpfungsmoments ein, doch kann ausnahmsweise ein späteres Anknüpfungsmoment zurückwirken, wenn unter seiner Herrschaft eine nach dem älteren Statut ungültige oder unzulässige Rechtshandlung gültig bzw zulässig gewesen wäre. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Heilung durch Statutenwechsel“24.
24 Beispiele hiefür sind § 25 Abs 1 und § 30 Abs 1 IPRG.
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§ 9. Anknüpfungsmomente A. Allgemeines 9/1 Die Tatbestandsmerkmale eines internationalen Sachverhalts, die auf die Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung hinweisen und mit den Begriffen „Anknüpfungsmoment“ oder „Anknüpfungsgrund“ bezeichnet werden, haben im autonomen österreichischen Recht entweder in den Allgemeinen Bestimmungen des ersten Abschnitts des IPRG ihre Regelung erfahren1 oder sind jeweils im Zusammenhang mit den kollisionsrechtlichen Tatbeständen des Besonderen Teiles in den Abschnitten 2 bis 7 IPRG festgeschrieben. Für das internationale Schuldrecht sind sie heute allerdings in den durch BGBl I 2009/109 in das IPRG aufgenommenen „Auffangtatbeständen“ der §§ 35, 35a und 48 und nur mehr für die „gewillkürte Stellvertretung“ im Restbestand des siebenten Abschnittes dieses Gesetzes zu finden, da nunmehr die Verweisungsnormen der europäischen Rom I- und Rom II-Verordnungen die große Mehrzahl der relevanten „Anknüpfungsmomente“ vorgeben. An die Spitze des IPRG ist der allgemeine Grundsatz gestellt worden, wonach Sachverhalte mit Auslandsberührung in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen seien, zu der die stärkste Beziehung bestehe. Daran knüpft sich die Vermutung, dass dieser Grundsatz in den besonderen Verweisungsnormen des Gesetzes Ausdruck finde. Eine allgemeine Ausweichklausel, die einer in concreto engeren Verbindung den Vorrang vor der jeweiligen objektiven Anknüpfung geben würde, ist dagegen nicht in das IPRG aufgenommen worden2. Derartige Ausweich-
1 Vgl §§ 9, 10, 11 IPRG. 2 Eine solche Ausweichklausel findet sich zB in Art 15 schweizIPRG. Die Verfasser des IPRG hatten nur in § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG eine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz, dass die besonderen Anknüpfungstatbestände Vorrang vor dem Generalprinzip der Anknüpfung nach der „stärksten Beziehung“ hätten, vorgesehen. Mit der Anerkennung einer stärkeren Beziehung wurde eine „Auflockerung“ des am Ort der schädigenden Handlung festgemachten Deliktsstatuts bewirkt.
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Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz
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klauseln sind aber in den Verordnungen Rom I und Rom II vorgesehen3 und zwar nicht nur für die allgemeine objektive Anknüpfung nach dem jeweiligen Art 44, sondern separat auch für einzelne Sonderverweisungstatbestände: So in der Rom I-Verordnung für Beförderungsverträge und Individualarbeitsverträge5; in der Rom II-Verordnung für Produkthaftung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und für das Verschulden bei Vertragsverhandlungen6. Die im autonomen IPR anerkannten Anknüpfungsmomente sind im Personen-, Familien- und Erbrecht bei natürlichen Personen vornehmlich Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt bzw Wohnsitz sowie für das neue Institut der eingetragenen Partnerschaft der Ort der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft7. Bei juristischen Personen ist es der Verwaltungssitz. Im Sachenrecht ist Anknüpfungsmoment der Belegenheitsort und in den schuldrechtlichen Verweisungsnormen des IPRG Parteiwille und Aufenthalts- bzw Niederlassungsort des Erbringers der vertragscharakteristischen Leistung bzw der Handlungsort im weiteren Sinn8.
B. Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz Für die Bestimmung des auf personbezogene Rechtsverhältnisse im Perso- 9/2 nen-, Familien- und Erbrecht anzuwendenden Rechts, das als Personalstatut9 bezeichnet wird, ist die Staatsangehörigkeit das primäre Anknüpfungsmoment. Gemäß § 9 IPRG wird das Personalstatut der natürlichen Person in erster Linie durch die Staatsangehörigkeit bestimmt, in zweiter Linie durch den gewöhnlichen Aufenthalt und bei Flüchtlingen10 durch den Wohnsitz. 3 4 5 6 7 8
Zuvor schon in Art 4 Abs 5 EVÜ. Vgl Art 4 Abs 4 Rom I-VO, Art 4 Abs 3 Rom II-VO. Vgl Art 5 Abs 3 bzw Art 8 Abs 4 Rom I-VO. Vgl Art 5 Abs 2, Art 10 Abs 4, Art 11 Abs 4 und Art 12 Abs 2 lit c) Rom II-VO. Vgl §§ 27a und 27c IPRG idF BGBl I 2009/135. Hinsichtlich außervertraglicher Schuldverhältnisse ist dies der Ort an dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde, in Vertretungsverhältnissen der Ort, an dem der Stellvertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen des Geschäftsherrn tätig werden soll. 9 Dieser Begriff darf nicht mit dem englischen Terminus „personal status“ verwechselt werden. 10 Darunter werden nicht nur solche Flüchtlinge verstanden, die unter den einschlägigen Begriff der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, BGBl 1955/55, fallen.
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Anknüpfungsmomente
Die meisten kontinentaleuropäischen Länder – eine Ausnahme bildet hier die Schweiz – folgen in mehr oder weniger deutlicher Ausprägung bei der Bestimmung des Personalstatuts dem Grundsatz der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, welcher erstmals in der einseitigen Kollisionsnorm des Art 3 Code civil11 unzulänglichen normativen Ausdruck gefunden hatte. Demgegenüber stehen die Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises auf dem Boden der Anknüpfung an den Wohnsitz. Allerdings hat „Wohnsitz“ in diesen Rechtsordnungen eine andere Bedeutung als in Kontinentaleuropa12. Es kann auch vorkommen, dass die Behörden eines Staates Ausländer im Inland nach dem Wohnsitzprinzip, Inländer im Ausland aber nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip behandeln. 9/3 Jedes der zwei Anknüpfungsmomente, deren Hintergrund gleichwertig Territorialhoheit (Wohnsitz) oder Personalhoheit (Staatsbürgerschaft) bilden, hat Argumente für sich. Für die Staatsangehörigkeit spricht die ideelle Bindung an das Heimatrecht, besonders bei Nationalstaaten, und eine gewisse Eindeutigkeit und Konstanz, da die Staatsangehörigkeit schwerer zu wechseln ist als ein Wohnsitz oder ständiger Aufenthaltsort. Für den Wohnsitz spricht die äußere Erkennbarkeit und seine privatrechtliche Bedeutung als Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse. Durch das Abstellen auf den Wohnsitz wird die Rechtsanwendung in Ländern mit hoher Einwanderungsquote vereinfacht und die Verschmelzung begünstigt, da es meist zur Anwendung der sachrechtlichen Normen des Rechtes des jeweiligen Gerichtsstaates (der lex fori) kommt. Eine an sich wünschenswerte Vereinheitlichung zeichnet sich in naher Zukunft nicht ab. Die das IPR betreffenden multilateralen Übereinkommen bevorzugen entweder den Wohnsitz oder – in letzter Zeit zunehmend – den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungsmoment13. Auch wo EU-Verordnungen zur Verwirklichung des Europäischen Rechtsraumes bereits in Kraft getreten sind14 oder vorbereitet wer11 Art 3 Abs 1 CC besagt, dass die den Stand und die Handlungsfähigkeit von Personen betreffenden Gesetze für Franzosen auch dann maßgebend sind, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland nehmen. Diese einseitige Kollisionsnorm wird seit der Entscheidung der Cour royale de Paris vom 13.6.1814, Sirey Recueil des Lois, 1812–1814 II 393, „zweiseitig gelesen“. 12 Vgl Rz 9/6. 13 So zuletzt das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht in seinem Art 3. 14 Vgl Art 15 der am 30.1.2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABlEU L 7 vom 10.1.2009, 1, der die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach dem
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Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz
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den15, wird diesem Anknüpfungskriterium bei der Bestimmung des Personalstatuts Raum gegeben. Auf diese Weise wird dem Richter die Arbeit insofern erleichtert, als er öfter sein eigenes Recht als maßgebend vorfindet. Da die internationalen und europäischen Regelungen sowohl für die Festlegung der Zuständigkeit, als auch für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts dem Kriterium des gewöhnlichen Aufenthaltsorts besondere Bedeutung beimessen, wird ein Gleichlauf von forum und ius erzielt. Das IPRG bekennt sich bei der Bestimmung des Personalstatuts der natür- 9/4 lichen Person mit keineswegs vernachlässigbaren Gründen16 zur Staatsangehörigkeit als dem primären Anknüpfungsmoment. § 9 Abs 1 Satz 1 IPRG betont die Relevanz des „Heimatrechts“: Das Recht des Staates, dem eine Person kraft Staatsbürgerschaft angehört, soll ihre persönlichen und familiären Rechtsverhältnisse und ihre Stellung im Erbrecht bestimmen. Ob jemand die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzt, entscheiden die Sach- und Kollisionsnormen des Staates, „um den es geht“. Diese rechtlichen Voraussetzungen für die Anknüpfung sind vom österreichischen Richter von Amts wegen festzustellen. Auch im österreichischen bilateralen Staatsvertragsrecht (zB mit Polen17) wird im Zusammenhang mit dem Personalstatut auf die Staatsbürgerschaft als Anknüpfungsgrund abgestellt, während im multilateralen Konventionsrecht (zB in den Haager Übereinkommen über das Unterhaltsstatut18 und den Minderjährigenschutz19) immer schon die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt präferiert wurde. Für Staatenlose und Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit sieht § 9 Abs 2 IPRG die Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
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Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vorsieht; und dazu den Beschluss des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss dieses Protokolls durch die Europäische Gemeinschaft, ABlEU L 331 vom 16.12.2009, 17. Vgl Art 20b des Vorschlags der Kommission vom 17.7.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM(2006) 399 endg, im Hinblick auf Scheidungen (dazu Rz 3/9). Insbesondere dient die Erleichterung der Anwendung als Argument. Vgl Art 23 ff des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die wechselseitigen Beziehungen in bürgerlichen Rechtssachen und über Urkundenwesen, BGBl 1974/79. Vgl Art 1 des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956, BGBl 1961/293. Vgl Art 2 iVm Art 1 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961, BGBl 1975/446.
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Anknüpfungsmomente
vor. Das Personalstatut der Konventionsflüchtlinge richtet sich nach neuerer Judikatur des OGH nicht nach § 9 Abs 3 IPRG, sondern nach Art 12 der Genfer Konvention20 iVm § 53 IPRG21: Hier liegt eine Sachnormverweisung vor. Für andere Flüchtlinge bleibt das Personalstatut des § 9 Abs 3 IPRG relevant; diese Bestimmung stellt eine Gesamtverweisung vor, bei der die Rückverweisung auf das Heimatland gemäß dem zweiten Halbsatz dieser Bestimmung ausscheidet. 9/5 Ein Anknüpfungsproblem besonderer Art bilden die Doppel- oder Mehrstaater („sujets mixtes“). Für diese sollte nach dem Grundsatz der „effektiven“, dh der gelebten Staatsangehörigkeit, diejenige Staatsangehörigkeit vorgehen, zu der die engere Beziehung besteht. Das gilt ausnahmslos zB nach dem schweizerischen IPRG22 und nach dem Haager Minderjährigenschutzabkommen23. Nach dem autonomen österreichischen IPR ist dieser Gesichtspunkt jedoch nur in dem Fall entscheidend, in dem ein Mehrstaater nicht auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Denn besitzt jemand neben einer fremden auch die österreichische Staatsbürgerschaft, ist für die Ermittlung des Personalstatuts nur diese heranzuziehen24. Die Bevorzugung der Staatsangehörigkeit des Forumstaates kann zu Komplikationen und, je nach Forum, zu unterschiedlichen Anknüpfungsergebnissen führen. In der ohnehin schon gespaltenen Nachlassbehandlung bei internationalen Erbrechtsfällen ist etwa der deutsch-österreichische Doppelstaater in der Bundesrepublik Deutschland Deutscher, vor dem österreichischen Nachlassgericht Österreicher. Ein weiteres Beispiel: Da § 18 Abs 1 IPRG für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe zunächst auf das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten abstellt, kann das anwendbare Recht von einem österreichischen Gericht erst mit Hilfe des Kriteriums des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts25 gefunden werden. Denn eine mit einem Deutschen verheiratete Österreicherin, die zugleich auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hat (nur) vor österreichischen Gerichten kein gemeinsames Personalstatut mit ihrem Ehemann26.
20 Genfer Übereinkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, BGBl 1955/55. 21 OGH ZfRV 1999, 21/3 = IPRax 1999, 260. 22 Art 23 Abs 2 schweizIPRG. 23 OGH EvBl 1990/35. 24 § 9 Abs 1 Satz 2 IPRG; vgl dazu etwa OGH ZfRV 1991, 468/32; ebenso Art 5 Abs 1 EGBGB. 25 § 18 Abs 1 Z 2 IPRG. 26 Vgl OGH SZ 60/228 = JBl 1988, 519; ZfRV 1997, 117/32.
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Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz
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Der Wohnsitz, der nach dem autonomen österreichischen IPR nur hilfs- 9/6 weise heranzuziehen ist, wird von den nationalen Rechten unterschiedlich verstanden; auch innerhalb der Rechtsordnungen gibt es, je nach Zweck der Regelungsmaterie (Zivilprozess, Finanzrecht, Staatsangehörigkeit), inhaltlich unterschiedliche Wohnsitzdefinitionen. Zudem gilt es zu beachten, dass es für Kinder sowie – aufgrund der materiellrechtlich weithin verwirklichten Gleichberechtigung heute allerdings nur mehr in Ausnahmefällen27 – auch für die Ehefrau abgeleitete Wohnsitze geben kann. Ob ein Wohnsitz besteht, ist nach der betreffenden Rechtsordnung zu beurteilen. Dies ist wichtig bei der Qualifikation und bei der Frage der Rückverweisung. So wird der Begriff „domicil(e)“ in den anglo-amerikanischen Rechten anders verstanden als in den Rechtsordnungen Kontinentaleuropas und auch in England und den USA ist seine Bedeutung nicht identisch. Der englische Domizilbegriff nähert sich in seiner Starrheit der Staatsangehörigkeit, da er nicht die Verbundenheit mit einem bestimmten Ort, sondern mit einem bestimmten Rechtsgebiet, zB mit dem englischen im Gegensatz zum schottischen, zum Ausdruck bringt. Man hat ein „domicil(e) of origin“, das wegen der strengen Anforderungen nur selten durch ein „domicil(e) of choice“ ersetzt wird28. Da bei dessen Aufgabe das „domicil(e) of origin“ wieder auflebt, ist kein Engländer jemals ohne „domicil(e)“29. In den US-amerikanischen Rechten wird, ungeachtet gewisser gliedstaatenrechtlicher Unterschiede, in der Regel die Begründung eines Wohnsitzes unter leichteren Bedingungen zugelassen30. Es ist aber auch möglich, dass ein nationales IPR die Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ autonom umschreibt. Eine derartige autonome Definition sieht Art 20 schweizerisches IPRG hinsichtlich natürlicher Personen vor, wodurch die Anwendung der allgemeinen Regeln der Art 23 ff schweizerisches ZGB über Wohnsitz und Aufenthalt für den Bereich des Kollisionsrechts ausgeschlossen ist. Um den Problemen mit den unterschiedlichen Inhalten des Wohnsitzbe- 9/7 griffs in den verschiedenen Rechtsordnungen zu entgehen, wird in neueren Rechtsvorschriften auf den faktischen Wohnsitz, das ist der „gewöhnliche Aufenthalt“, als Anknüpfungsgrund abgestellt. Während der Wohnsitz in der Regel die Absicht, dauerhaften Aufenthalt an dem betreffenden Ort zu
27 Etwa in Rechtsordnungen des islamischen Rechtskreises. 28 Bei dem die „intention of permanent or indefinite residence“ eine entscheidende Rolle spielt. 29 Vgl die Entscheidung des Court of Appeal in Tee v Tee [1973] 3 All ER 1105. 30 Zum Begriff des „domicil(e)“ vgl OGH EvBl 1981/21.
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Anknüpfungsmomente
nehmen, voraussetzt31, wird der gewöhnliche Aufenthalt durch die bloße Tatsache des ungezwungenen vorwiegenden Verweilens an einem Ort begründet. Einen abgeleiteten Aufenthalt gibt es nicht. Allerdings genügt ein schlichter Aufenthalt von kürzerer Dauer, zB auf der Durchreise oder im Zuge eines Ausfluges nicht: Dieser kann nur hilfsweise als Anknüpfungsgrund dienen. 9/8 Das Ministerkomitee des Europarats hat bereits 197232 eine Entschließung zur Vereinheitlichung der Begriffsinhalte von „Wohnsitz“ und „Aufenthalt“ angenommen. Nach ihrer Regel 9 sind für die Frage, „ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Natur zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen“. Diese Entschließung hat keine normative Kraft, sie dient lediglich als Auslegungshilfe.
C. Verwaltungssitz 9/9 Juristische Personen oder ihnen gleich zuhaltende sonstige Personen- und Vermögensverbindungen, die Träger von Rechten und Pflichten sein können, haben keine Staatsangehörigkeit. Das auf sie anwendbare Recht muss daher mit Hilfe anderer Anknüpfungsmomente bestimmt werden. § 10 IPRG stellt diesbezüglich auf das Recht des Staates ab, in dem die juristische Person den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung hat. Das österreichische IPR folgt damit der Sitztheorie33, und zwar der Verwaltungssitztheorie ieS34. Nach dem auf diese Weise ermittelten Personalstatut wird auch beurteilt, ob es sich um eine inländische oder ausländische juristische Person handelt. Dagegen ist nach der im Common Law-Rechtskreis herrschenden Inkorporationstheorie bzw Gründungstheorie jene Rechtsordnung maßgebend, die der juristischen Person die Rechtsfähigkeit verliehen hat35. Auch in modernen kontinentaleuropäischen Kodifikationen des IPR 31 Zu beachten ist, dass gewisse Personen wie Kinder und unter Umständen auch die Ehefrau einen abgeleiteten (gesetzlichen) Wohnsitz haben können. Zum „domicil(e) of dependency“ im kanadischen Recht: OGH SZ 55/80. 32 Dazu Loewe, Die Empfehlungen des Europarats zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe „Wohnsitz“ und „Aufenthalt“, ÖJZ 1974, 144. 33 Sie bestimmt auch das deutsche und französische internationale Gesellschaftsrecht. 34 Die Anknüpfung an den statutarischen Sitz (Gründungsrechtstheorie) lehnt das IPRG also ebenso ab wie jene an den Betriebssitz; vgl OGH SZ 70/164. 35 Gründungsrecht: Für dieses spricht das Argument der Rechtssicherheit, da es sich unschwer bestimmen lässt, dagegen gewisse Manipulationsmöglichkeiten, die sich mit dem Begriff „Briefkastenfirma“ verbinden.
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Verwaltungssitz
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wie der schweizerischen Neuordnung des Kollisionsrechts36 wird der Gründungstheorie der Vorzug gegeben. Eine EU-weite Diskussion hat vor diesem kollisionsrechtlichen Hinter- 9/10 grund das bereits erwähnte37 Urteil des EuGH vom 9.3.1999 in der Rechtssache „Centros“ ausgelöst38. Aus ihm ist jedenfalls der Schluss zu ziehen, dass die Relevanz der Sitztheorie in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, in welchen sie vom IPR vorgesehen ist, zu Gunsten der Durchsetzung der Niederlassungsfreiheit stark relativiert wurde. Noch in seinem ein Jahrzehnt früher ergangenen „Daily Mail-Urteil“39 hat der EuGH das nationale Verbot der Verlagerung eines Gesellschaftssitzes in einen anderen Mitgliedstaat als mit dem damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts vereinbar angesehen. In „Centros“ hat der EuGH seine Zurückhaltung in dieser Frage aufgegeben und festgestellt, dass kein Mitgliedstaat durch Verweigerung der Eintragung einer Tochtergesellschaft in das Handelsregister bzw Firmenbuch verhindern dürfe, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat wirksam begründete Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb zur Gänze durch die Tochtergesellschaft im Territorium dieses Mitgliedstaats abwickelt. Nur zur Hintanhaltung und Verfolgung von Betrügereien – zB durch Etablierung einer Briefkastenfirma – könne der betroffene Mitgliedstaat geeignete Gegenmaßnahmen setzen. Es bleibt klärungsbedürftig, ob durch Centros40 die von § 10 IPRG vorgesehene Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts an den Verwaltungssitz für den Bereich des EWR durch die Anknüpfung an das Gründungsortrecht gänzlich verdrängt wird. Geklärt erscheint indes, dass sich die auf die Gründungstheorie abstellende Praxis des EuGH auf alle juristische Personen, nicht nur auf Kapitalgesellschaften und auch auf Personengesellschaften bezieht41. Seit „Cartesio“42 scheint klar zu sein, dass es mit der Judika36 Vgl Art 21 Abs 2 und Art 154 Abs 1 schweizIPRG. 37 Rs C-212/97, Slg 1999 I-1459; aus der Flut deutschsprachiger Literatur zu dieser Entscheidung, vgl nur St. Korn/Thaler, Das Urteil des EuGH in der Rs Centros: Ein Meilenstein für das europäische Gesellschaftskollisionsrecht? wbl 1999, 247; Lurger, „Centros Revisited“: Die österreichische Sitztheorie und die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages, IPRax 2001, 346; sowie Schwimann, Gesellschaftsstatut und Europarecht, NZ 2000, 230. 38 Vgl Rz 4/7. 39 EuGH 27.9.1988, Rs 81/87, Slg 1988 5483; dazu Sandrock/Austmann, Das Internationale Gesellschaftsrecht nach der Daily Mail-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs: Quo Vadis? RIW 1989, 249. 40 Vgl die fragwürdige österreichische Folgejudikatur: OGH SZ 72/121 = wbl 2000, 56 (Korn); ecolex 2000/288; der OGH hat eine Vorlage an den EuGH jeweils nicht für nötig erachtet; zuletzt OGH SZ 2004/65. 41 Vgl Art 54 Abs 2 AEUV. 42 EuGH 16.12.2008, Rs C 210/06 – Cartesio, Slg 2008 I-9641.
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Anknüpfungsmomente
tur des EuGH zu vereinbaren ist, wenn der „Sitztheorie“ im autonomen IPR auch im Verhältnis der EWR-Mitgliedstaaten untereinander weiterhin ein Anwendungsbereich bleibt43.
D. Parteiwille 9/11 Es ist heute weithin anerkannt, dass ein privatrechtlicher Sachverhalt mit Auslandsberührung nach jener Rechtsordnung beurteilt werden soll, mit der ihn die „stärkste Beziehung“44 verbindet bzw zu der er die „engste Verbindung“45 hat. Die Nahebeziehung eines Sachverhalts zu einer Rechtsordnung wird durch bestimmte Aspekte eines Sachverhaltes indiziert und durch gesetzliche Anordnung normiert. Diese gesetzlich festgelegten Anknüpfungsmomente können hinsichtlich bestimmter internationaler Sachverhalte durch einen Konsens der Beteiligten, der auf die Maßgeblichkeit einer anderen Rechtsordnung abstellt, ersetzt werden. Grundsätzlich ist auch im IPR die Privatautonomie insoweit anerkannt, als die Möglichkeit eingeräumt wird, das anzuwendende Recht zu wählen. Technisch spricht man im IPR von Parteiautonomie, die allerdings nicht in allen Bereichen des IPR Geltung beanspruchen kann. Ob den Parteien eine Rechtswahl eröffnet ist, hängt davon ab, ob es sich um ein personen-, sachen-, schuld-, familien- oder erbrechtliches Verhältnis handelt. Für vertragliche Schuldverhältnisse wurde vom überkommenen autonomen und vom geltenden europäischen Recht primär die Rechtswahl als Anknüpfungsmoment vorgesehen. Nur bei Fehlen einer Rechtswahl hat die objektive gesetzliche Anknüpfung zu erfolgen, die sich für Verträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden46, noch nach dem EVÜ und für später geschlossene Verträge nach der Rom I-Verordnung richtet47. Dass die Wahl der auf einen konkreten Fall anwendbaren Rechtsordnung den Parteien überlassen werden soll, steht heute im IPR auch hinsichtlich außervertraglicher Schuldverhältnisse48 außer Streit. Für diese 43 Dazu Rz 10/5. 44 So die Terminologie des IPRG. Das US-amerikanische Restatement of Conflict of Laws 2d (1971) spricht von „most significant relationship“ (vgl sec. 145, 188). 45 Dieser Begriff findet sich im EVÜ und in den Verordnungen Rom I und Rom II. 46 Verträge, die vor dem 1.12.1998 geschlossen worden waren, richteten sich nach §§ 36 ff aF IPRG, die der Rechtswahl sowohl in ausdrücklicher als auch in schlüssiger Form und sogar der „Geltungsannahme“ Raum gaben. 47 Sachenrechtliche Verfügungen sind dagegen stets nach der lex rei sitae, dem Recht des Belegenheitsorts (§ 31 IPRG) zu beurteilen. 48 Für gesetzliche Schuldverhältnisse hatte der durch BGBl I 1998/119 modifizierte § 35 IPRG bis zum Geltungsbeginn der Verordnung Rom II seine Bedeutung behalten. Für das Haager StVÜ hat der OGH die Zulässigkeit der Rechtswahl bejaht: OGH SZ 68/17.
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Parteiwille
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ist die „freie Rechtswahl“ als die den Parteien eingeräumte Möglichkeit zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts heute in Art 14 Rom II-VO anerkannt. Fraglich ist dagegen, wieweit in anderen zivilrechtlichen Teilgebieten eine Rechtswahlmöglichkeit eröffnet sein soll und welchen Wirksamkeitsvoraussetzungen und Schranken die Parteiautonomie unterworfen werden müsse, wenn die Zulässigkeit der Rechtswahl in diesen Bereichen feststeht. Im autonomen österreichischen Kollisionsrecht kommt der Parteiautonomie außerhalb des Schuldrechts nur eine sehr beschränkte Bedeutung zu, da den Parteien nur im Ehegüterrecht49 die Rechtswahl eröffnet ist. Von einem „fakultativen Kollisionsrecht“50 kann daher – wenn überhaupt – nur in sehr engen Grenzen die Rede sein. In Bereichen, wo – wie im Sachenrecht – Typenzwang herrscht51, und dort, 9/12 wo – wie im Familienrecht – ein gewisses staatliches Ordnungsinteresse obwaltet, kann es keine freie, nur eine kanalisierte Rechtswahl52 geben. Immer schon schien im Erbrecht eine beschränkte Wahl des auf den Erbfall anwendbaren Rechts durch den Erblasser nicht ausgeschlossen53. Dass ist sie auch im Scheidungsrecht, wenngleich unter Einhaltung besonderer Anforderungen an die Form54. Im vertraglichen Schuldrecht betrachtet man die Rechtswahl quasi als Reflex der Privatautonomie und lässt sie daher nahezu unbeschränkt zu. Schranken werden der Parteiautonomie nur dort gesetzt, wo auch das zugrunde liegende materielle Privatrecht die Vertragsfreiheit zum Schutz der schwächeren Partei beschränkt. So statuieren die Kollisionsnormen für Verbraucher-, Bestand- und Arbeitsverträge55 Ausnahmen vom Grundsatz der freien Rechtswahl durch die Parteien. 49 50 51 52
§ 19 IPRG. Vgl Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 1970, 547. Vgl aber Art 104 schweizIPRG. Eine „kanalisierte Rechtswahl“ sieht nunmehr Art 3 des Vorschlags für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, KOM(2010) 105 endg/2 vom 30.3.2010, vor, wonach scheidungswillige Ehegatten einvernehmlich das anwendbare Recht aus vier Rechtsordnungen wählen können: a) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch dort hat, c) dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit ein Ehegatte zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung besitzt, d) dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts. 53 So hat etwa in der Schweiz die „professio iuris“ Tradition; vgl Art 87 ff schweizIPRG. 54 So soll die durch Art 3 Abs 3 des Verordnungsvorschlags der Kommission, KOM(2010) 105 endg/2, eröffnete Rechtswahlvereinbarung jedenfalls der Schriftform bedürfen. 55 Vgl für Verbraucher- und Arbeitsverträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden: Art 5, 6 EVÜ und für derartige, ab dem 17.12.2009 geschlossene Verträge Art 6 und 8
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Anknüpfungsmomente
Die in Österreich herrschende Auffassung sieht in der Rechtswahl eine „kollisionsrechtliche Verweisung“56. Das bedeutet, dass das gewählte Recht grundsätzlich auch die zwingenden Bestimmungen des sonst nach dem IPRG maßgebenden Rechts verdrängt, sofern es sich nicht im Beurteilungszeitpunkt um einen „rein inländischen Vertrag“ handelt57. Allfällige Sonderanknüpfungen von Eingriffsnormen der lex fori, allenfalls auch einer dritten Rechtsordnung, wie auch ein Eingreifen des ordre public bleiben vorbehalten. In den einschlägigen Kollisionsnormen werden auch die Voraussetzungen für die Vornahme der Rechtswahl – ob sie ausdrücklich oder schlüssig vorgenommen werden muss – näher geregelt58. Schon an der höchst gerichtlichen Praxis zu § 35 aF IPRG erwies sich, dass weniger die Unterscheidung zwischen „gewollter“ und ihr gleichgestellter „angenommener“ schlüssiger Rechtswahl praktische Probleme bereitete, als die nur von Fall zu Fall zu lösende Frage, ob überhaupt eine Rechtswahl vorgelegen sei oder mangels entsprechender rechtsrelevanter Indizien die gesetzliche Anknüpfung eingreifen hätte müssen59. Gemäß § 11 IPRG, der die grundlegenden Zulässigkeitsvoraussetzungen regelt, bezieht sich die Rechtswahl im Zweifel nicht auf die Verweisungsnormen, sondern nur auf die Sachnormen der gewählten Rechtsordnung60. 9/13 Im Schuldvertragsrecht ist die Rechtswahl vom Hauptvertrag grundsätzlich unabhängig, daher auch grundsätzlich formfrei und keiner inhaltlichen Vorgabe unterworfen. Es empfiehlt sich, die Rechtswahlklausel klar und einfach zu formulieren, wie zB: „Dieser Vertrag unterliegt deutschem [bzw schweizerischem, italienischem usw] Recht“. Gewählt werden kann jede beliebige Rechtsordnung. Eine wie immer geartete Nahebeziehung des Falles zur gewählten Rechtsordnung muss nicht gegeben sein. Wie
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Rom I-VO. Bestandverträge werden nach der Rom I-VO (wie schon nach dem EVÜ) am Recht des Belegenheitsortes des Bestandobjekts angeknüpft. Im Gegensatz zur materiellrechtlichen Verweisung, bei der nicht nur die Eingriffsnormen, sondern auch die „einfach-zwingenden“ Bestimmungen des objektiv bestimmten Vertragsstatuts dem gewählten Recht vorgehen. Art 3 Abs 3 und 4 Rom I-VO. Vgl §§ 19, 25 IPRG, Art 3 Abs 1 EVÜ. So wurde zB Verweisungen der Parteien auf Vorschriften, typische Fachausdrücke, Usancen oder Klauseln einer bestimmten Rechtsordnung etc unmittelbare Indizwirkung zugesprochen; während auf eine Rechtsordnung abstellende Schieds- und Gerichtsstandsklauseln, Bestimmungen über den Erfüllungsort bzw Abschlussort und die Vertragssprache nur als mittelbare und nur im Gesamtkontext der seinerzeit anerkannten „Geltungsannahme“ verwertbare Indizien anzusehen waren; vgl OGH JBl 1992, 652 (Schwimann) = ZfRV 1992, 387. Die Frage, ob die Verweisungsnormen der gewählten maßgebenden Rechtsordnung die Verweisung (durch Rechtswahl) annehmen, stellt sich daher nicht.
Parteiwille
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nunmehr Art 3 Abs 1 Satz 3 Rom I-VO ausdrücklich vorsieht, ist eine Teilrechtswahl61 möglich. Zudem bestimmt Abs 2 dieser Bestimmung, dass eine Vereinbarung der Parteien über das anzuwendende Recht „jederzeit“ möglich ist, also auch eine nachträgliche Rechtswahl mit Wirkung ex nunc oder ex tunc62. § 11 Abs 2 IPRG ermöglicht sogar die problematische – allerdings ausdrücklich zu treffende – nachträgliche Rechtswahl in einem anhängigen Verfahren63, jedoch wohl nur bis zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz. § 11 Abs 3 IPRG stellt klar, dass die Rechtsstellung Dritter – zB eines Haftpflichtversicherers – durch nachträgliche Rechtswahl nicht beeinträchtigt werden kann64. Ob die parteiautonome Bestimmung des anwendbaren Rechts zulässig und wirksam ist, ist nach den sachrechtlichen Bestimmungen der lex fori zu prüfen. Vorliegen und Inhalt der Rechtswahl hat der Richter – außer bei deren ausdrücklicher Außerstreitstellung – von Amts wegen zu ermitteln. Besonderes gilt für das Recht der internationalen Schiedsverfahren, das 9/14 geradezu vom Parteiwillen lebt. Die von den Parteien durch eine Schiedsklausel bzw einen Schiedsvertrag gewollte Derogation des staatlichen Richters und dessen Ersetzung durch ein institutionelles oder ad hoc einzuberufendes Schiedsgericht kann nicht nur die Auswahl der Schiedsrichter und des Schiedsortes beinhalten, sondern auch die vom Schiedsgericht zu befolgenden Verfahrensregeln umfassen. Darüber hinaus steht es den Parteien völlig frei, das vom Schiedsgericht in der Hauptsache anzuwendende Recht von vornherein zu bestimmen. Art VII des Genfer Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit65 sieht dies ausdrücklich vor. Nur wenn die Parteien kein bestimmtes Recht gewählt haben, hat das Schiedsgericht „das Recht anzuwenden, auf das die Kollisionsnormen hinweisen, von denen auszugehen das Schiedsgericht jeweils für richtig erachtet“. Die Regelung rührt daher, dass internationale Schiedsgerichte keine lex fori haben und damit weder über eigene Kollisionsnormen noch über eigene Sachnormen verfügen. In beiden Bestimmungsfällen sollte es sich
61 Eine Teilrechtswahl zieht unvermeidlich „dépeçage“ (Spaltung des Statuts) nach sich. 62 Etwa zur Schadensliquidierung nach Schadenersatzfällen. 63 Vgl OGH IPRax 1986, 244 (Koppensteiner, 251); ferner ZfRV 1992, 310 (Hoyer) = IPRax 1992, 329 (Schwind, 334). 64 So wird die Rechtsstellung eines Dritten auch von einer ursprünglichen Rechtswahl nur berührt, wenn er ihr zugestimmt hat oder ihm aus dem gewählten Recht entstandene subjektive Rechte übertragen worden sind: OGH JBl 1991, 312 (Eccher) = ZfRV 1991, 471 (Zemen). 65 Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, BGBl 1964/107.
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Anknüpfungsmomente
freilich um „Recht“ (eines Staates) handeln. Ob die viel diskutierte „lex mercatoria“66 dazugehört, ist fraglich67.
E. Belegenheitsort, Handlungsort, Erfolgsort 9/15 Die übrigen Anknüpfungsmomente des österreichischen IPR werfen weniger komplexe Fragen auf. So sind im internationalen Sachenrecht nach dem dominierenden Anknüpfungsmoment des Belegenheitsortes dingliche Rechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen nach der lex rei sitae, somit nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die betreffenden Sachen gemäß § 31 Abs 1 IPRG „bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhalts“ befinden. 9/16 Daneben bestimmt sich das anwendbare Recht sehr oft durch den Ort, an dem eine rechtserhebliche Handlung vorgenommen wird. So ist im IPRG in einigen Verweisungsnormen der Handlungsort als Anknüpfungskriterium für Sachverhalte mit Auslandsberührung bestimmt worden, so wenn § 47 auf den Ort der auftragslosen Geschäftsbesorgung und § 48 Abs 1 auf den Ort der Schadensverursachung abstellten. Die Rom II-Verordnung hat diesem Kriterium ein wichtiges Anwendungsfeld entzogen, als sie das Deliktsstatut gemäß ihrem Art 4 Abs 1 am Erfolgsortprinzip ausgerichtet hat68. Immerhin kann auch die Anknüpfung am gewöhnlichen Arbeitsort, wie sie Art 8 Abs 2 Rom I-VO vorsieht, als Ausdruck des Abstellens auf den Handlungsort begriffen werden, und dies gilt auch für die von Art 4 Abs 2 Rom I-VO vorgesehene objektive Anknüpfung an den Aufenthaltsort oder Niederlassungsort der Vertragspartei, welche die charakteristische Leistung erbringt69. Schließlich wird auch an den Handlungsort angeknüpft, wenn auf den Ort abgestellt wird, „an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat“70. 66 ZB in der seit 1994 textlich festgelegten Form der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (revidierte Fassung 2004). 67 Vgl OGH GesRZ 1983, 102 (Fall „Norsolor-Pabalk“); dazu etwa Bajons, Zur Nationalität internationaler Schiedssachen, in Kralik-FS (1986) 3 (22). 68 Gegen diesen Paradigmenwechsel im Deliktstatut: Koziol/Thiede, Kritische Bemerkungen zum derzeitigen Stand des Entwurfs einer Rom II-Verordnung, ZVglRWiss 106 (2007) 235 (241 ff). 69 Die Anknüpfung von schuldrechtlichen Geschäften an das Recht des Abschluss- bzw Erfüllungsortes (lex loci actus, lex loci solutionis) ist heute weithin obsolet. Im Rahmen der Ausweichklausel des Art 4 Abs 4 Rom I-VO können jedoch dem Abschlussort und dem Erfüllungsort Indizfunktion bei der Ermittlung einer „engeren Verbindung“ zukommen. 70 Vgl Art 1 lit a) Haager TestÜ.
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§ 10. Personenrecht A. Allgemeines Für alle Fragen, die mit dem Status und der Rechtsstellung natürlicher und 10/1 juristischer Personen und mit den Persönlichkeitsrechten zusammenhängen, bestimmt § 9 IPRG das Personalstatut, das sich bei natürlichen Personen primär nach der Staatsangehörigkeit richtet1. Der Abschnitt über das internationale Personenrecht beinhaltet Anknüpfungsregeln für Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit, Namensführung und Namensrechtsverletzung, Todeserklärung und Beweisführung des Todes sowie „Entmündigung“, worunter schon seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen2 am 1.7.1984 „Sachwalterschaft“ zu verstehen ist. In diesen Tatbeständen sind Rück- und Weiterverweisungen3 sowie die Vorbehaltsklausel stets zu beachten.
B. Rechts- und Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen „Rechtsfähigkeit“ und „Handlungsfähigkeit“ sind in § 12 IPRG geregelt, 10/2 welcher hierfür auf das jeweilige Personalstatut der Person abstellt. Grundsätzlich wird heute jedem Menschen unabhängig von seiner Hautfarbe, Rasse oder Abstammung überall Rechtsfähigkeit bzw Rechtspersönlichkeit, dh die Fähigkeit, Person im Rechtssinn und damit Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zugesprochen. Hierin ist auch eine Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung zu sehen4. Dagegen können die Be-
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Vgl dazu Rz 9/2. BGBl 1983/136. Hinsichtlich § 15 IPRG vgl OGH ZfRV 1988, 41 (Hoyer). Vgl § 16 ABGB, dem zufolge in einer Art spezialisierter Vorbehaltsklausel „Sklaverei, Leibeigenschaft“ – wohl auch bürgerlicher Tod udgl – und „die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht“ nicht gestattet wird; zum ordre public-Charakter dieser Bestimmung vgl schon OGH SZ 15/107.
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§ 10
Personenrecht
stimmungen über Beginn, Umfang und Ende der Rechtspersönlichkeit eines Menschen in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet sein. Nicht überall gibt es zB eine dem § 22 ABGB entsprechende Bestimmung über die antizipierte, partielle und bedingte Rechtsfähigkeit der Leibesfrucht oder eine „Kommorientenpräsumtion“, wie sie § 11 TEG vorsieht. So hängen etwa nach spanischem Recht die bürgerlichrechtlichen Folgen der Geburt davon ab, dass die Leibesfrucht eine menschliche Gestalt aufweist und nach der vollständigen Trennung vom Mutterleib 24 Stunden gelebt hat5. Von der allgemeinen Rechtsfähigkeit sind eine Reihe von besonderen, mit der Rechtssubjektivität einer natürlichen Person zusammenhängende rechtliche Fähigkeiten zu unterscheiden, wie die Fähigkeit zu erben, Testamentszeuge zu sein oder adoptiert zu werden6. Diese Fähigkeiten werden grundsätzlich nach dem betreffenden Sachstatut (lex causae) beurteilt. Einschränkungen der Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben, richten sich nach dem Recht des Staates, der das Verbot erlassen hat. § 12 IPRG spricht ganz allgemein von Handlungsfähigkeit, kann jedoch bei gebotener einschränkender Interpretation lediglich die Geschäftsfähigkeit7 meinen, während die „Deliktsfähigkeit“ bzw „Verschuldensfähigkeit“ als ein „Stück Deliktsrecht“ nach dem Deliktsstatut zu beurteilen ist8. Die einheitliche Anknüpfung der Deliktsfähigkeit nach dem Deliktsstatut gebietet auch die dem Art 8 Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (StVÜ) zugrundeliegende Wertung. Auch aus Art 15 lit a) Rom II-VO, der das nach dieser Verordnung anwendbare Recht „für den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können“ als maßgebend ausweist9, ist sie argumentativ abzuleiten. Das Geschäftsfähigkeitsstatut gilt vornehmlich für die mit der Volljährigkeit verbundene allgemeine Geschäftsfähigkeit. Ist diese eingetreten, kann sie durch Wechsel des Personalstatuts nicht mehr verloren gehen – 5 Art 30 Código Civil Español. 6 Hier gibt es nationale Besonderheiten. So fehlt etwa gem Art 909 Code civil dem letztbehandelnden Arzt oder Apotheker grundsätzlich die Fähigkeit, eine durch einen Patienten testamentarisch verfügte Zuwendung entgegenzunehmen. Gleiches gilt seit dem 1.1.2009 (Inkrafttreten des Gesetzes über die Reform des Schutzes von Volljährigen, Loi n° 2007–308) für Vertretungspersonen, die für Volljährige gerichtlich bestellt worden sind. 7 Das ist wegen des Wortlauts des § 12 IPRG allerdings nicht unumstritten; eine ausdrückliche und sachgerechte Regelung enthält dagegen Art 7 EGBGB. 8 Zutreffend Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (1997) Rz 19/3–19/6. 9 Vgl Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, JBl 2007, 613 (645).
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Rechts- und Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen
§ 10
„semel maior, semper maior“. Stellt sich die Frage der Geschäftsfähigkeit im Zusammenhang mit einem schuldrechtlichen oder ehegüterrechtlichen Vertrag, geht das Geschäftsfähigkeitsstatut dem Vertragsstatut vor. Gesondert angeknüpft werden besondere Geschäftsfähigkeiten10. Zu beachten ist Art 13 Rom I-VO, wonach eine vertragsschließende natürliche Person, die nach dem Recht des Abschlussortes eines schuldrechtlichen Vertrags geschäftsfähig wäre, sich auf das Fehlen der Geschäftsfähigkeit nach ihrem Personalstatut nicht berufen kann, wenn die andere Partei dies nicht wusste oder nicht wissen konnte11. Die Voraussetzungen und Wirkungen sowie die Aufhebung einer „Sach- 10/3 walterschaft für behinderte Personen“ sind gemäß § 15 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut des Betroffenen zu beurteilen. Qualifikationsmäßig ist das Wesen des seit dem 1.7.198412 obsoleten Verweisungsbegriffes „Entmündigung“13 in der Reduktion oder dem Entzug der Handlungsfähigkeit wegen geistiger oder körperlicher Schutzbedürftigkeit durch die Behörde sowie der Bestellung eines Aufsichtsorgans zu sehen14. Inländische Gerichtsbarkeit und Verfahren hierzu richten sich nach den Verfahrensgesetzen15. Der vormals bestehende strikte Gleichlauf zwischen inländischer Gerichts- 10/4 barkeit und auf die Todeserklärung bzw die Beweisführung des Todes anwendbarem (inländischen) Recht wurde durch § 14 IPRG im Grundsatz durchbrochen. Voraussetzungen, Wirkungen und Aufhebung einer Todeserklärung oder einer Beweisführung des Todes unterstehen demnach dem letzten bekannten Personalstatut des Verschollenen. Die inländische Gerichtsbarkeit für Ausländer ist aber nur bei Vorliegen der in § 12 TEG normierten Voraussetzungen gegeben16. 10 Etwa für Eheschließung, Legitimation, Adoption, letztwillige Verfügung. 11 Das gilt für Verträge, bei denen sich beide Vertragschließende „in demselben Staat“ befinden. 12 Datum des Inkrafttretens des inzwischen durch das Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes – SWRÄG, BGBl I 2006/92, umfassend novellierten Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen. 13 Auch die umfassende Neuordnung der Materie durch das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz – SWRÄG, BGBl I 2006/92, hat die überfällige terminologische Anpassung des IPRG an das Sachrecht ausgeklammert. 14 Schwimann in Rummel2 § 15 IPRG Rz 2; vgl auch Verschraegen in Rummel3 § 15 IPRG Rz 2. 15 § 110 JN, § 6a ZPO, §§ 117 ff AußStrG 2005. 16 Nach § 12 TEG, der zunächst durch § 51 Abs 1 Z 9 IPRG aufgehoben, dann durch Art XIII ZVN 1983 BGBl 135, neu eingefügt wurde, ist für die Todeserklärung und Beweisführung des Todes eines Ausländers inländische Gerichtsbarkeit nur gegeben, wenn der Betroffene „Vermögen im Inland hat oder die Tatsache seines Todes für ein im Inland zu
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§ 10
Personenrecht
C. Rechts- und Geschäftsfähigkeit juristischer Personen 10/5 Der österreichische Gesetzgeber ist bei Festlegung des Gesellschaftsstatuts der „Sitztheorie“ und nicht der alternativen „Gründungstheorie“ gefolgt17. Alle Fragen, welche die Verfassung und Organisation einer juristischen Person betreffen, einschließlich Geschäftsfähigkeit und Vertretung (Außen- und Innenstatut) sind daher gemäß § 10 IPRG an das Recht des tatsächlichen (nicht bloß statutarischen) Sitzes der Hauptverwaltung anzuknüpfen18. Nach dem Recht des Hauptverwaltungssitzes beurteilt sich daher etwa, ob die juristische Person entstanden oder untergegangen ist, wieweit der Umfang ihrer Rechtsfähigkeit reicht, ob und welche Organe allenfalls für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ob eine Personengesellschaft als juristische Person zu qualifizieren ist, ob eine Formumwandlung, grenzüberschreitende Verschmelzung oder eine gesellschaftsrechtlich relevante Vermögensübertragung wirksam zustande gekommen ist uä. Firmenbuch- und fremdenrechtliche Fragen richten sich hingegen nach dem Sachrecht des Registerortes, die Prozessfähigkeit nach den jeweiligen Sachnormen der lex fori19. Die selbstständige Beurteilung von Zweigniederlassungen bezüglich ihrer Organisation und Vertretungsmacht würde sich, folgt man § 10 IPRG, jeweils danach richten, ob diese in ihrem Sitzstaat Rechtspersönlichkeit haben oder nicht. Ob die beherrschende Muttergesellschaft für Schulden der von ihr beherrschten Tochtergesellschaft aufzukommen hat20, wäre nach dem Statut der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen21. Nach dem tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung sollten gemäß § 10
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beurteilendes Recht oder Rechtsverhältnis erheblich ist oder der Antrag auf Todeserklärung vom Ehegatten des Verschollenen gestellt wird und dieser Ehegatte entweder österreichischer Staatsbürger ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und zur Zeit der Eheschließung mit dem Verschollenen österreichischer Staatsbürger gewesen ist“. Siehe Rz 9/9. Bei großen, international tätigen Kapitalgesellschaften ist das der Sitz der Generaldirektion. § 3 ZPO. Durchgriffshaftung „piercing the corporate veil“. Vgl OGH SZ 54/94: Produkthaftungsanspruch (wegen defekter Autobusreifen) gegen eine nach englischem Gesellschaftsrecht errichtete Public Company, deren US-Muttergesellschaft praktisch das gesamte Aktienkapital hält: Die Frage der Durchgriffshaftung hat mit dem Geschäftsstatut des einzelnen von der Tochtergesellschaft abgeschlossenen Geschäftes nichts zu tun. Die Rechtsbeziehungen zwischen den außenstehenden Gesellschaftern, Gläubigern, Arbeitnehmern und sonst betroffenen Personen und dem die Gesellschaft beherrschenden (ausländischen) Unternehmen richten sich nach dem durch den maßgeblichen Sitz ermittelten Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft.
Rechts- und Geschäftsfähigkeit juristischer Personen
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IPRG auch die betreffenden Rechtsverhältnisse „einer sonstigen Personenoder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann“, wie zB eines ruhenden Nachlass, einer Konkursmasse, eines Trust oder einer Partnership beurteilt werden22. Für den Bereich der Europäischen Union hat der Europäische Gerichts- 10/6 hof23 diese Ordnung jedoch empfindlich gestört, als er im März 1999 in dem bekannten Centros-Urteil der Gründungstheorie folgte und das Statut der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eröffneten Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft mit dem Recht dieses anderen Staates bestimmte24. Darauf, dass die Gesellschaft im Gründungsstaat einen Geschäftsbetrieb eröffnet hätte, kam es dem EuGH ebenso wenig an, wie er der Umgehung der Mindestkapitalvorschriften im Niederlassungsstaat Bedeutung beimaß. Vorrangig für den Gerichtshof war es, der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft Rechnung zu tragen25. Kurz darauf hatte der OGH im Gefolge von Centros in drei Entscheidungen26 wenig zur Klärung der durch das Urteil des EuGH aufgeworfenen Fragen27 beigetragen, vielmehr durch seine „EU-konforme Auslegung“ des Begriffs „Personalstatut“ in § 13 Abs 3 HGB28 die Verwirrung eher noch vergrößert. Seine Festlegung, dass „[d]ie Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat rechtswirksam errichteten ausländischen juristischen Person [. . .] im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zweigniederlassung in Österreich nach jenem Recht zu beurteilen [ist], nach dem die juristische Person gegründet wurde, sofern sich ihr satzungsgemäßer Sitz oder die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat befinden“, stimmte zwar mit dem Centros-Urteil des EuGH überein, ergab jedoch einen klaren Widerspruch zu § 10 IPRG. Wie sich die in dieser Bestimmung verankerte „Sitztheorie“ und 22 Vgl OGH EvBl 1984/125: Die (natürliche oder juristische) Person oder Handelsgesellschaft, über deren Vermögen in der BRD der Konkurs eröffnet wurde, behält in der Republik Österreich die Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis in Bezug auf ihr in Österreich gelegenes Vermögen; dem in der BRD bestellten Konkursverwalter kommt in diesem Umfang keinerlei Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis in Österreich zu. 23 Nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon nunmehr „Gerichtshof der Europäischen Union“; die Abkürzung EuGH wird gleichwohl beibehalten. 24 Vgl Rz 4/7, 9/10. 25 Art 49–55 AEUV, ex-Art 43–48 EGV. 26 SZ 72/121; wbl 2000/60, 56 (Korn); ecolex 2000/288(Karollus-Bruner). 27 Die dem EuGH in Holto Ltd, Rs C-447/00, vom Landesgericht Salzburg gestellt, aber vom EuGH in seinem Urteil vom 22.1.2002 aus formalen Gründen nicht beantwortet wurden; zu den Vorlagefragen Lurger, IPRax 2001, 346. 28 Seit 1.1.2007 nunmehr § 12 Abs 3 UGB.
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die an der Judikatur des EuGH orientierte Auffassung des OGH vereinbaren ließen, blieb eine offene Frage. Jedenfalls schien die Norm des autonomen Kollisionsrechts im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der EU bzw des EWR wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht mehr und nur mehr gegenüber Drittstaaten anwendbar zu sein. 10/7 Während die zunächst folgenden einschlägigen Urteile des EuGH29 im Hinblick auf „Zuzugsbeschränkungen“ auf dem Boden der Gründungstheorie verblieben, hat der Gerichtshof zuletzt in Cartesio30 für manche überraschend für so genannte „Wegzugsfälle“ der Sitztheorie auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander einen Anwendungsbereich gesichert. Es bleibt demnach dem mitgliedstaatlichen Recht überlassen, zu entscheiden, ob es Gesellschaften möglich sein soll, unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtspersönlichkeit aus dem Inland wegzuziehen31. Wie aus dem am 7.1.2008 vorgelegten „Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen“ des Bundesjustizministeriums hervorkommt32, hat Deutschland, das wie Österreich traditionell der Sitztheorie verbunden ist, erwogen, den Weg zur Verankerung der Gründungstheorie in seinem autonomen IPR eingeschlagen33. Auch für Österreich schiene dies eine erwägenswerte Vorgangsweise zu sein, doch ist ungewiss, ob der deutsche Referentenentwurf realisiert wird34. Sicher ist jedoch, dass die geplante Erlassung einer Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Gesellschaften35 von der Kommission als unverhältnismäßig aufgeschoben wurde36.
29 Rs C-208/00 – Überseering, Slg 2002 I-9919; Rs C-167/01 – „Inspire Art“, Slg 2003 I10155; Rs C-411/03 – „SEVIC“, Slg 2005 I-10805. 30 Rs C 210/06, Slg 2008 I-9641 = wbl 2009, 75; dazu nur Ratka/Rauter, Cartesio und das ius vitae necisque des Wegzugsstaates, wbl 2009, 62. 31 Der EuGH knüpft in Cartesio an sein vieldiskutiertes Urteil in Daily Mail vom 27.9.1988, Rs C-81/87, Slg 1988, 5483, an. 32 Dazu R. Wagner/Timm, Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, IPRax 2008, 81. 33 Die Neufassung des Art 10 EGBGB soll an das Recht des Staates anknüpfen, in dem Gesellschaften, Vereine und juristische Personen „in ein öffentliches Register eingetragen sind“. 34 Hirte, Die Entwicklung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts in Deutschland im Jahre 2008, NJW 2009, 45, berichtet, dass der Referentenentwurf „wegen ungeklärter Fragen im Zusammenhang mit der unternehmerischen Mitbestimmung . . . nicht weitervoran getrieben“ wurde. 35 Vgl das Arbeitsdokument der Kommission vom 12.12.2007, SEC(2007)1707. 36 Bericht der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 26.9.2008, KOM(2008) 586 endg.
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D. Persönlichkeitsrechte Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeitsrechte hat im Binnenmarkt 10/8 auch grenzüberschreitend zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im österreichischen IPRG ist dieser Bereich nur rudimentär behandelt, da nur das Namensrecht und die Immaterialgüterrechte ausdrücklich geregelt sind37. Hinsichtlich des Bestandes der kollisionsrechtlich nicht besonders geregelten Persönlichkeitsrechte, zu denen das Recht auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf das eigene Bild38, das Recht auf Wahrung der Privatsphäre, das Recht auf Freiheit und Achtung der Ehre, das Recht auf Erhaltung der Arbeitskraft usw gehören, gilt der allgemeine kollisionsrechtliche Grundsatz, wonach das Recht, zu dem die „stärkste Beziehung“ besteht, anzuwenden ist. Der Schutz dieser Rechte wird dagegen in analoger Anwendung des § 13 Abs 2 IPRG – bei fehlender Rechtswahl – nach dem Ort der Verletzungshandlung zu beurteilen sein, was auch den Anknüpfungsgrundsätzen des novellierten § 48 IPRG39 für außervertragliche Schadenersatzansprüche entspricht. Die Lücken füllende Neufassung des § 48 IPRG war unter anderem deshalb notwendig, weil die Verordnung Rom II in ihrem Art 1 Abs 2 lit g) „außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung“ aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt40. Obwohl Erwerb und Verlust des Namens vielfach die Folge familien- 10/9 rechtlicher Vorgänge sind, deren Beurteilung sich nach dem jeweils dafür relevanten Statut richtet, ist „die Führung des Namens einer Person“ ge-
37 Vgl dagegen die umfassende Regelung in Art 139 schweizIPRG. 38 Vgl OGH EvBl 1993/58 = ZfRV 1993, 151: für Bildnisschutz Anknüpfung analog zu § 13 Abs 2 IPRG. 39 BGBl I 2009/109, Bundesgesetz mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehoben werden. 40 Für diese Ausnahme war gemäß Art 30 Abs 2 Rom II-VO eine Überprüfung bis 31.12.2008 vorgesehen. Der im Februar 2009 vorgelegte Bericht Comparative study on the situation in the 27 Member States as regards the law applicable to non-contractual obligations arising out of violations of privacy and rights relating to personality, (http://ec. europa.eu/justice_home/doc_centre/civil/studies/doc/study_privacy_en.pdf), legt aber noch keine konkreten Aktivitäten nahe; vgl Rz 15/39. Zu den durch die Regelungsabstinenz des Gemeinschaftsrechts verursachten Problemen näher Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, JBl 2007, 613 (619 ff).
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mäß § 13 Abs 1 IPRG „nach deren jeweiligem Personalstatut zu beurteilen, auf welchem Grund auch immer der Namenserwerb beruht“41. Wenngleich der Gesetzeswortlaut, der das „jeweilige Personalstatut anspricht“, für eine Durchbrechung des in § 7 IPRG ausgedrückten Grundsatzes, wonach die nachträgliche Änderung der für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden Voraussetzungen auf bereits vollendete Tatbestände keinen Einfluss hat, spricht, legt der VwGH unter Berufung auf Schwimann § 13 Abs 1 IPRG so aus, dass der schlichte Wechsel des Personalstatuts als solcher keine namensrechtlichen Folgen nach sich zieht, sofern er nicht mit einem Namenstatbestand einhergeht42. Eine die gemeinsame Namensführung in der Familie erleichternde Rechtswahlmöglichkeit, wie sie etwa im deutschen Recht in Art 10 EGBGB vorgesehen ist, kennt das österreichische IPR bedauerlicherweise nicht43. 10/10 Der Schutz des Namens ist nach dem Recht des Staates bzw der Staaten zu beurteilen, in dem bzw in denen die Verletzungshandlung gesetzt wird. § 13 Abs 2 IPRG stellt – ursprünglich insofern als eine lex specialis zur Regelung des § 48 IPRG – auf das Recht des Ortes ab, an dem die Verletzungshandlung gesetzt wird44. Die Anknüpfungsregeln des § 13 IPRG gelten auch für juristische Personen und Gesellschaften. Anknüpfungspunkte sind hier hinsichtlich des Erwerbs und Verlusts des Namens der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung bzw beim Namensschutz der Ort der Verletzungshandlung. Zu beachten ist, dass sich gemäß § 10 IPRG auch die Firma eines Einzelkauf-
41 Mit dieser Formulierung werden Tatbestände des Erwerbs und der Änderung des Namens privaten wie öffentlichen Rechts erfasst; vgl OGH JBl 1983, 159 (Schwimann). 42 VwGH JBl 1990, 62 (zust Schwimann) = ZfRV 1991, 150 (abl Schwind): Zugrunde lag der Sachverhalt einer Eheschließung, der Jahre später ein Wechsel der Staatsbürgerschaft folgte. Der VwGH hielt fest, dass das Wort „jeweilig“ das Rückwirkungsverbot des § 7 IPRG nicht aufgehoben habe, sondern sich auf den Zeitpunkt der Vollendung eines Namenstatbestandes bezieht. Die bloße Änderung des Personalstatuts ist kein Namenstatbestand und lässt deshalb vorher abgeschlossene Namenstatbestände unberührt; der vorher erworbene Name wirkt also weiter. Der von einer deutschen Ehefrau nach deutschem Recht erworbene Ehename gilt deshalb auch nach Einbürgerung der Frau in Österreich weiter, obwohl die österreichische Namensfolge anders lauten würde (ähnlich: VwGH JBl 1987, 605). 43 Vgl etwa die Schwierigkeiten bei gemischt nationalen Ehen durch § 9 Abs 1 IPRG (Bevorzugung der Staatsbürgerschaft der lex fori). 44 Da die Rom II-VO das Problem vorerst offen lässt, wäre an sich zu fragen, ob § 13 Abs 2 IPRG nicht eher in Richtung auf das Erfolgsortprinzip zu ändern gewesen wäre. Der neu formulierte § 48 IPRG stellt aber auf das Handlungsortprinzip ab und ist auch für die Anknüpfung der anderen Persönlichkeitsverletzungen zu beachten, solange nicht das in Art 30 Abs 2 Rom II-VO vorgesehene Überprüfungsverfahren ein Ergebnis gezeigt hat.
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mannes nicht nach dessen Personalstatut, sondern nach dem Recht am tatsächlichen Verwaltungssitz des Unternehmens richtet, das Sitzprinzip jedoch durch die Judikatur des EuGH seit Centros als Basis für das Gesellschaftsstatut relativiert worden ist.
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§ 11. Familienrecht1 A. Allgemeines 11/1 Das ABGB hatte in seiner ursprünglichen Fassung von 1811 neben den die „persönliche Fähigkeit“ betreffenden Anknüpfungsregeln2 keine spezielle Regelung für die Anknüpfung von internationalen Eherechts- und Kindschaftsrechtssachverhalten vorgesehen. Diese Lücke war durch die 4. DVEheG vom 25.10.19413 nur teilweise geschlossen worden. Das IPRG hat Bewährtes übernommen und unter Bedachtnahme auf neuere kollisionsrechtliche Regelungsgesichtspunkte – zB Relevanz des Gleichheitssatzes, Alternativanknüpfungen zur Begünstigung und Aufrechterhaltung von Statusverhältnissen – das internationale Ehe- und Kindschaftsrecht umfassend kodifiziert. Die 1978 erfolgte Neuordnung des Internationalen Familienrechts ist seither im Laufe der Jahre unter praktischen Aspekten stetig wichtiger geworden, weil die Mobilität der Menschen innerhalb Europas gestiegen und Österreich zudem ein begehrtes Zielland für Migranten aus anderen Erdteilen geworden ist. Da die nationalen Ehe- und Familienrechte – trotz der allenthalben in jüngerer Zeit gesetzten, im Wesentlichen gleichgerichteten Reformmaßnahmen – nach wie vor erhebliche Unterschiede aufweisen, stammt heute ein erheblicher Prozentsatz der Fälle, in denen sich den Gerichten (und Standesämtern) die Frage des anwendbaren Rechts stellt, aus diesem Privatrechtsbereich. Im Familienrecht knüpft das IPRG fast ausnahmslos an das Personalstatut der beteiligten Personen an, wobei allfällige Rück- und Weiterverweisungen sowie der ordre public zu beachten sind. Lediglich im Ehegüterrecht ist im österreichischen internationalen Familienrecht die Rechtswahl durch die Parteien in ausdrücklicher Form zugelassen. Außerdem verwenden die multilateralen Staatsverträge, die vornehmlich im internationalen 1 Mehr Informationen zum Internationalen Familienrecht bieten unter sinnvoller Einbeziehung des IZVR Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht (2007). 2 §§ 4 Satz 2, 34 aF ABGB. 3 DRGBl 1941 I, 654.
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Kindschaftsrecht das autonome Recht verdrängen, den „gewöhnlichen Aufenthalt“ als Anknüpfungsmoment, was meist in einen Gleichlauf zwischen Forum und anwendbarem Recht mündet. Auch die einschlägigen Reformmaßnahmen auf Ebene des EU-Rechts stellen verstärkt auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ab und geben der Parteiautonomie deutlich mehr Raum4.
B. Ehe und Scheidung Zur Frage, wie die Verlobung und das durch sie begründete Verlöbnis an- 11/2 zuknüpfen sind, schweigt das IPRG. Diese Regelungslücke ist unter Heranziehung des Grundsatzes der Anknüpfung nach der stärksten Beziehung gemäß § 1 IPRG durch eine Analogie zu den entsprechenden eherechtlichen Bestimmungen der §§ 17 ff IPRG zu schließen: Voraussetzungen und Wirkungen des Verlöbnisses werden daher nach dem Recht eines jeden Verlobten beurteilt, allfällige Formerfordernisse ebenso bzw alternativ nach dem Recht des Verlobungsortes. Ein in Österreich unter Angehörigen des damaligen jugoslawischen Staates anlässlich der Begründung einer Lebensgemeinschaft (ohne feste Absicht späterer Eheschließung) „nach jugoslawischen Bräuchen“ veranstaltetes Fest ist daher zutreffend weder als Eheschließung noch als Verlobung qualifiziert worden5. Die Rückforderung von Geschenken und während der Beziehung erbrachten Leistungen nach Auflösung einer solchen in Österreich realisierten Lebensgemeinschaft richtete sich daher nach österreichischem Recht6. Das IPRG sieht keine Verweisungsnormen für die grenzüberschreitende nichteheliche Lebensgemeinschaft von Heterosexuellen vor, da es zu seiner Entstehungszeit in dieser Hinsicht wohl noch an einem entwickelten Problembewusstsein fehlte. Grundsätzlich stellte sich die Alternative, ob diese im internationalen Familienrecht oder im internationalen Schuldrecht einzuordnen sei. Der OGH hatte sich in einer frühen Entscheidung für die zweite Möglichkeit entschieden7. Für die jüngere Vergangenheit war es schon eher zu vertreten, dass die mittlerweile in einer 4 Vgl den Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, KOM(2010) 105 endg/2 vom 30.3.2010. 5 Vgl den bekannten Fall „Serbische Hochzeit“, OGH JBl 1983, 540 (Schwimann) = IPRax 1984, 39 (Schwind, 45). 6 Was auch dem seinerzeit sachverhaltsrelevanten § 46 IPRG entsprochen hat. 7 OGH FamRZ 1982, 1010; dazu Striewe, Zum Internationalen Privatrecht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, IPRax 1983, 248.
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wachsenden Zahl von europäischen Rechtsordnungen rechtlich anerkannten Formen von (eingetragenen) gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften8 in analoger Anwendung der Regeln des internationalen Eherechts angeknüpft werden. Für die eingetragene Partnerschaft von Homosexuellen gelten in Österreich seit 1.1.2010 die besonderen Verweisungsnormen der §§ 27a – 27d IPRG, die einer familienrechtlichen Anknüpfungskonzeption folgen9. 11/3 Für die Form der Eheschließung schreibt § 16 Abs 1 IPRG die Einhaltung der Inlandsform bei Ehen vor, die im Inland geschlossen werden. Das ist obligatorisch die Ziviltrauung vor dem Standesbeamten, worin kein Kulturkampfrelikt zu sehen ist. Wie die rechtsvergleichende Analyse bestätigt, handelt es sich vielmehr um eine Vorschrift im staatlichen Ordnungsinteresse. Da auch ausländische Botschaften und Konsulate auf österreichischem Territorium „Inland“ sind, kann den dort nach dem Recht des Entsendestaats vorgenommenen Trauungen für den österreichischen Rechtsbereich keine Wirksamkeit zukommen10. Auslandseheschließungen werden entweder nach dem Personalstatut „jedes“ der Verlobten oder – ungeachtet der missverständlichen Formulierung „es genügt“ in § 16 Abs 2 IPRG – als gleichwertige Alternative nach den Formvorschriften des Ortes der Eheschließung beurteilt. Somit wären zB auch die noch in einigen Bundesstaaten der USA11 zugelassenen common law marriages anzuerkennen12. 11/4 Nach § 17 Abs 1 IPRG sind die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung, worunter nicht nur die sachlichen Ehevoraussetzungen – wie etwa Willensbildung und Ehehindernisse – sondern auch jedwede Folgen ihrer Verletzung zu verstehen sind, für jeden der Verlobten getrennt nach ihrem Personalstatut im Zeitpunkt der Eheschließung zu beurteilen13. Da das Recht, das die schärfere Sanktion vorsieht, den Ausschlag gibt, wird diese Regel als Grundsatz des „ärgeren Rechts“ bezeichnet14. Auch wenn die 8 Wie der mit Gesetz N° 99–944 in Frankreich eingeführte „pacte civil de solidarité“ (PACS) oder die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ des deutschen Rechts, dBGBl 2001 I, 266. 9 Art 5 Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) BGBl I 2009/135. Dazu Rz 11/20. 10 Konsulats- oder Botschaftstrauungen kennt das österr Recht nicht. 11 So in Colorado, Iowa, Oklahoma, Texas oder Utah sowie auch im District of Columbia. 12 Vgl Bliesener, Internationale Handschuhehen im amerikanischen Recht, ZfRV 1989, 241. 13 Aus der reichhaltigen Judikatur des OGH vgl SZ 62/159; SZ 67/56 (Staatsbürgerschaftsbzw Namensehe); OGH ZfRV 1999, 114 (Bigamistische Eheschließung). 14 Vgl dazu die Problematik der sog „Staatsbürgerschaftsehen“: OGH EvBl 1990/8: Nichtigkeit einer Ehe nach österr und damaligem sowjetrussischen Recht: Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet das „verletzte“ Recht, also
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Nichtigkeit einer Eheschließung nur nach dem Personalstatut eines der Eheschließenden vorliegt, kann die Ehe mit Wirkung für beide Teile für nichtig erklärt werden15. Das gilt insbesondere auch für einen Verstoß gegen das Gebot der Einehe. Durch die wachsende Zahl von in Österreich dauerhaft niedergelassenen Bürgern eines muslimischen Landes, deren Recht in Übereinstimmung mit dem Koran16 die „polygyne Familie“ zulässt, hat die Frage, ob diese, als mit Grundwertungen des österreichischen Rechts im Widerspruch stehend, dem ordre public-Vorbehalt unterliege, Aktualität erlangt. Zutreffend wird man – französischen17 und deutschen18 Gerichtsurteilen folgend – eine im Land des Personalstatuts der muslimischen Beteiligten rechtmäßig geschlossene Ehe mit einer Zweitfrau als mit dem ordre public vereinbar ansehen können, nicht jedoch eine zweite Eheschließung im Inland. Das früher von § 14 EheG von ausländischen Heiratswilligen geforderte Ehefähigkeitszeugnis wird seit dem Inkrafttreten des PStG 198319 nicht mehr verlangt. Doch müssen nunmehr „Verlobte, deren Personalstatut nicht das österreichische Recht ist“, gemäß § 21 Abs 2 PStV 198320 eine Bestätigung der Ehefähigkeit – allenfalls gemäß Abs 4 mit Rechtsauskunft des Landeshauptmannes gemäß § 50 PStG – vorlegen. Aus § 17 Abs 2 IPRG folgt, dass die inländische Rechtskraft (Gestaltungswirkung) dem an sich für die Frage der Zulässigkeit einer Eheschließung maßgeblichen materiellen Recht vorgeht. Diese Norm, deren praktische Bedeutung nach der Beseitigung von Scheidungsverboten in Staaten wie Italien oder Spanien heute gering ist, stellt klar, dass, wenn eine Ehe durch eine für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Entscheidung – das ist entweder eine rechtskräftige österreichische Entscheidung oder eine Rechtskraftverleihung durch Anerkennung einer ausländischen Entscheidung – aufgelöst wurde, die Nichtanerkennung dieser Auflösung im Personalstatut eines oder beider Verlobten kein Hindernis für eine neue Eheschließung darstellen darf21.
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jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden; ebenso OGH JBl 1990, 531; vgl auch OGH EvBl 1997/187. VwGH ZfRV 1992, 224 (obiter; krit Hoyer); vgl OGH ZfRV 1997, 155/54. K 4.3. Vgl C. Cass., arrêt Chemouni I, Rev. crit. 1958, 110; arrêt Chemouni II, Rev. crit. 1963, 559; arrêt Bendeddouche, Rev. crit. 1980, 331. Vgl BVerwGE 71/29, 228 (1985); zuvor schon VerwG Gelsenkirchen, FamRZ 1975, 338; zuletzt zB OLG Frankfurt/M, StAZ 2006, 142. BGBl 1983/60 idF BGBl I 2009/135. BGBl 1983/629 idF BGBl II 2010/1. Dazu auch Art 9 des von Österreich ratifizierten Luxemburger CIEC-Übereinkommens über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, BGBl 1978/43. Vgl die „Spa-
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11/5 Für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe sieht § 18 IPRG eine differenzierte Anknüpfungsleiter vor. Diese dient quasi als kollisionsrechtliche Basisregelung und hat nicht nur für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe Geltung, sondern auch für das Ehegüterrecht, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben22, für die Ehescheidung23 und für die Wirkungen der Adoption bei der Annahme durch Ehegatten24. Zum Regelungsgegenstand des § 18 IPRG gehören all jene Bereiche, welche die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander sowie jene mit Wirkung gegenüber Dritten betreffen. Hierzu zählen die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (Pflicht zur Treue, Wohnsitzfolge, Beistandspflicht, Schlüsselgewalt), das Recht zum Getrenntleben, die Mitwirkung beim Erwerb des anderen, vor allem aber die wechselseitige Unterhaltspflicht. Von vornherein getrennt angeknüpft werden die namensrechtlichen Ehewirkungen, für welche die allgemeine Namensregel des § 13 IPRG gilt. Auch das auf das Ehegüterrecht25 anzuwendende Recht ist gesondert nach § 19 IPRG zu bestimmen. Um zur Realisierung der kollisionsrechtlichen Gleichbehandlung der Ehegatten ein für diese gemeinsames Recht zu erreichen, verwendet § 18 IPRG ein gestuftes System von Subsidiäranknüpfungen, das plastisch auch als „Kaskadenanknüpfung“ bzw nach dem bedeutenden deutschen Kollisionsrechtler Gerhard Kegel auch als „Kegel’sche Leiter“ bezeichnet wird26. Das Vorliegen des relevanten Anknüpfungsmomentes muss jeweils im Beurteilungszeitpunkt des Rechtsverhältnisses gegeben sein. Da durch Änderung des Anknüpfungsmomentes „Staatsangehörigkeit“ bzw „gewöhnlicher Aufenthalt“ ein Statutenwechsel eintritt27, liegt ein wandelbares Statut vor.
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nier-Entscheidung“ des deutschen BVerfG: NJW 1971, 1509; jetzt ausdrücklich Art 13 Abs 2 Z 3 EGBGB als spezielle Vorbehaltsklausel zur Sicherung der Eheschließungsfreiheit. § 19 IPRG – allerdings mit unterschiedlichem Anknüpfungszeitpunkt. § 20 IPRG. § 26 Abs 2 IPRG. Das heißt, auf alle Fragen, die mit der dauerhaften Ordnung der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zusammenhängen, mag es sich um den gesetzlichen Güterstand oder um eine durch Ehepakt begründete Regelung handeln, dazu Rz 11/7. Kegel hat dieses auf dem Gedanken kollisionsrechtlicher Gleichbehandlung beruhende Konzept erstmals für das bundesdeutsche Recht vertreten, zuvor war es allerdings bereits im Schrifttum von DDR-Juristen entwickelt worden. Ein „unechter Statutenwechsel“ ist durch das Inkrafttreten des IPRG eingetreten; vgl OGH ZfRV 1980, 220 (Schwind: „Hat bis zum Inkrafttreten des IPRG § 7 der 4. DVEheG das auf den Unterhaltsanspruch der Ehegatten anwendbare Recht bestimmt, wird dieses nun durch § 18 Abs 1 IPRG normiert“).
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Maßgeblich ist nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG zunächst28 das gemeinsame Per- 11/6 sonalstatut im Sinne des § 9 IPRG; mangels eines solchen, das letzte gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat. Hierbei ist zu beachten, dass für Personen mit derselben fremden Staatsangehörigkeit kraft der Exklusivregel des § 9 Abs 1 Satz 2 IPRG kein gemeinsames Personalstatut gegeben sein kann, wenn ein Ehepartner neben der fremden auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Kommt die Anknüpfung an das gemeinsame oder an das letzte gemeinsame Personalstatut der Eheleute mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit nicht zum Tragen, ist gemäß § 18 Abs 1 Z 2 IPRG das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in ein und demselben Staat berufen, mangels eines solchen das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes in demselben Staat, sofern einer der Ehegatten diesen noch beibehalten hat. Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der Schluss der Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz29. Sollte auch diese Anknüpfung versagen, was etwa bei reisenden Künstlerehepaaren mit verschiedenem Personalstatut dann der Fall ist, wenn das Land des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes verlassen wird und jeder in seinen Heimatstaat zurückkehrt, wäre die allgemeine Regel des § 1 IPRG zu beachten. Hier bietet sich zweckmäßigerweise bei Verfahren, die in Österreich durchgeführt werden, eine Beurteilung der Ehewirkungen nach den sachrechtlichen Bestimmungen der lex fori an30. § 18 Abs 2 IPRG enthält schließlich eine Sonderregelung bezüglich der immer seltener werdenden „hinkenden Ehen“, die zwar nach österreichischem Recht, nicht aber nach dem in § 18 Abs 1 IPRG bezeichneten Ehewirkungsstatut der Ehegatten wirksam zustande gekommen sind. In solchen Fällen ist österreichisches Recht anzuwenden, sofern nicht eine stärkere Beziehung zum Recht eines dritten Staates besteht. Das Güterrechtsstatut des § 19 IPRG gilt sowohl für das gesetzliche als 11/7 auch für das vertragliche Ehegüterrecht auf Grund eines Ehepaktes31.
28 Vgl mit Hinweis auf § 1 Abs 1 OGH EvBl 1989/28. 29 OGH SZ 64/121 = JBl 1992, 38. 30 Das liegt schon aufgrund der prozessualen Nahebeziehungswertung des § 100 iVm § 76 JN bzw des Art 3 Abs 1 EuGVVO IIa, VO (EG) 2201/2003, ABlEU L 338 vom 23.12.2003, 1 idF L 367 vom 14.12.2003, 1, nahe. 31 Nachdem die obsolete Typenvielfalt im Recht der Ehepakte durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, bereinigt wurde, kann (mit Wirkung unter Lebenden) seit 1.1.2010 praktisch nur mehr die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft in Betracht kommen.
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Was zum Anknüpfungstatbestand „Ehegüterrecht“ gehört, ist Auslegungsfrage32. Im Zentrum stehen jedenfalls „im Hinblick auf das Eheverhältnis getroffene Dauerregelungen über ganze Vermögensmassen oder Teile davon“, während „einfache Vermögensverschiebungen oder solche mit beschränktem wirtschaftlichen Zweck“ nicht dazu gehören33. Daher sind Vermögensregelungen zwischen Ehegatten, die zB die Entlohnung für Mitarbeit im Erwerb eines Gatten, die Errichtung eines Eigenheimes, die Begründung von Wohnungseigentum oder die Leistung von Unterhalt betreffen, nicht nach § 19 IPRG anzuknüpfen. Die Ehegatten können „ihr“ Güterrecht auch noch in einem bereits anhängigen Verfahren durch ausdrückliche Vereinbarung frei wählen. Wird keine Rechtswahl getroffen, kommt das Ehewirkungsstatut des § 18 IPRG, wie es zur Zeit der Eheschließung besteht, zur Anwendung34. Dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen unterliegen – allerdings wohl nur bezüglich des Modus – gemäß § 32 IPRG der lex rei sitae: Der Grundsatz „Einzelstatut bricht Gesamtstatut“ gilt nämlich auch bei Rechtswahl. 11/8 Wegen des Sachzusammenhanges, der in den Reflexwirkungen zu den Rechten und Pflichten während aufrechter Ehe zu sehen ist, wurde bei der kollisionsrechtlichen Regelung der Ehescheidung ein grundsätzlicher Anknüpfungsgleichlauf mit den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe angestrebt. § 20 Abs 1 IPRG legt daher im Wege einer akzessorischen Anknüpfung fest, dass die Voraussetzungen und Wirkungen der Ehescheidung, insbesondere der Unterhalt und die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im engeren Sinn35, nach dem Ehewirkungsstatut gemäß § 18 IPRG im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen sind36. Das gilt jedoch nicht für öffentlichrechtliche Renten- und Versorgungsansprüche. Der Begriff „Ehescheidung“ umfasst alle streitigen und außerstreitigen Eheauflösungsarten (dem Bande nach) ex nunc; nicht jedoch die Eheaufhebung, die ebenso wie die Ehenichtigkeit nach dem Eheeingehungsstatut des § 17 IPRG zu beurteilen ist. Was unter dem „Zeitpunkt der Ehescheidung“ zu verstehen ist, bleibt strittig. Der Wortlaut spricht für den Zeitpunkt der
32 Hier kann die Alternative zwischen Ehegüterrecht einerseits und Ehewirkungsrecht bzw Erbrecht andererseits gegeben sein. 33 Schwimann, Grundriß des Internationalen Privatrechts, 211; OGH ZfRV 1999/54, 189 = EFSlg 90.644. 34 Das Statut ist unwandelbar: OGH ZfRV 2000, 146/48; vgl Mänhardt, Internationales Ehegüterrecht im niederländisch-österreichischen Rechtsverkehr, in Schwind-FS (1993) 93. 35 Vgl OGH SZ 63/135 = JBl 1991, 322 = EvBl 1991/2. 36 Vgl OGH ZfRV 2002/24, 235; ZfRV 2005/23, 158.
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letztinstanzlichen Entscheidung. Der OGH verstand darunter unter Berufung auf Schwimann den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz37, weil diese die letzte Tatsacheninstanz sei38. Nach § 13 IPRG sind die namensrechtlichen Scheidungsfolgen getrennt anzuknüpfen. Das trifft gemäß § 17 IPRG auch auf die Möglichkeit zur Wiederverheiratung zu. Vom Scheidungsstatut getrennt zu beurteilen sind ferner die güterrechtlichen Scheidungsfolgen gemäß § 19 IPRG, die kindschaftsrechtlichen Folgen gemäß § 24 IPRG bzw dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen und schließlich die erbrechtlichen Scheidungsfolgen, die nach § 28 IPRG anzuknüpfen sind. Wenn keiner der Anknüpfungspunkte des § 18 IPRG vorliegt, weil die Ehegatten entweder keinen einschlägigen gemeinsamen Anknüpfungspunkt haben oder der letzte gemeinsame Anknüpfungspunkt von keinem der beiden beibehalten wurde, oder weil auch die Anwendung von § 18 Abs 2 IPRG mangels Vorliegens des Sonderfalles einer nach dem Ehewirkungsstatut hinkenden Ehe nicht in Frage kommt, ist die Scheidung gemäß § 20 Abs 2 IPRG nach dem Personalstatut des klagenden Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Die gleiche Anknüpfung hat – diesmal in favorem divortii – für jene Fälle zu gelten, in denen bereits nach dem jeweils für die Ehegatten maßgeblichen Recht des § 18 IPRG – ohne Durchlaufen der Anknüpfungsleiter – die Ehe aufgrund der geltend gemachten Tatsachen überhaupt nicht geschieden werden kann. Der Rückgriff auf das Sonderscheidungsstatut des § 20 Abs 2 IPRG ist demnach nicht abhängig davon, dass zunächst alle Möglichkeiten der Anknüpfungsleiter des § 18 Abs 1 Z 1 und Z 2 IPRG durchlaufen werden39. Bei einer Scheidung im Einvernehmen muss die Ersatzanknüpfung des § 20 Abs 2 IPRG mangels Klägerrolle versagen. Bejaht man jedoch die
37 Jetzt wohl der Verhandlung erster Instanz; OGH EFSlg 55.073; vgl § 483a Abs 2 ZPO. 38 OGH EvBl 1981/21 = ZfRV 1980, 296 (Hoyer). 39 Vgl OGH SZ 59/22 = ZfRV 1987, 195 = EvBl 1987/64 = IPRax 1987, 35 (Schwind, 51): In diesem Fall ging es um eine Klage und Widerklage jeweils wegen des alleinigen Verschuldens des anderen Eheteiles. Aufgrund der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Prozessparteien wäre an sich deutsches Recht als Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden gewesen, das eine Scheidung aus Verschulden nicht mehr vorsieht. Der OGH sah bereits dadurch (dh durch die Erschwerung, zB durch Befristung, nicht erst durch die Unmöglichkeit der Scheidung im erstverwiesenen Recht) den Anwendungsfall des § 20 Abs 2, 1. Fall IPRG als gegeben und hat österr Recht als Klägerrecht wegen der „einheitlichen Anwendung österreichischen Scheidungsrechts“ auch auf die Widerklage der deutschen Frau angewendet; dazu Verschraegen, Das „utilior“und „melius“-Kriterium im Österreichischen Internationalen Privatrecht, illustriert am Beispiel des favor divortii, ZfRV 1987, 188; vgl auch OGH JBl 1988, 519.
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Teleologie dieser Vorschrift, wird diese (ungewollte) Lücke40 durch Anknüpfung an jenes Recht geschlossen werden müssen, das die Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung in concreto gewährleistet. 11/9 Zwischen August 2006 und Februar 2008 war der OGH in drei ähnlich gelagerten Fällen mit der Frage der Gültigkeit einer einseitigen Privatscheidung (talaˉ q) konfrontiert, die der muslimische Ehemann41 – obwohl schon Österreicher geworden und hier niedergelassen – in seiner ursprünglichen Heimat ohne Beteiligung seiner Frau, die in zwei Fällen auch schon die österreichische Staatsbürgerschaft besaß, vorgenommen hatte. Im ersten dieser Fälle musste nach Auffassung des 6. Senats der talaˉ q ohne rechtliche Wirkung bleiben, da österreichisches Sachrecht anzuwenden war, weil beide Eheleute bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen und im österreichischen Recht gemäß § 46 EheG eine Privatscheidung nicht möglich ist, sondern ein „gerichtliches Scheidungsmonopol“ besteht, weshalb sich die Frage, ob die Verstoßungsscheidung in Pakistan dem ordre public widerspreche, gar nicht stelle42. Im zweiten Fall hat der 3. Senat von materiellrechtlichen Erwägungen abgesehen und die Anerkennung der ägyptischen Scheidung gemäß § 97 ff AußStrG 2005 wegen Verstoßes gegen den ordre public verweigert43 und im dritten Fall, in dem gemäß §§ 18, 20 IPRG das pakistanische Recht auf die Scheidung anzuwenden war, hat der 7. Senat die Anerkennung der in Pakistan getätigten und behördlich bestätigten talaˉ q-Scheidung ebenfalls unter Berufung auf den inländischen ordre public scheitern lassen44. 11/10 Der wachsenden Häufigkeit von Fällen wie diesen, ist es wohl zuzuschreiben, dass das durch die Staatsangehörigkeit bestimmte Personalstatut der von einer Scheidung Betroffenen allenthalben als fragwürdig empfunden wird und der im Rahmen einer „verstärkten Zusammenarbeit“ auch Österreich betreffende Verordnungsvorschlag vom 24./30.3.201045 eine „kanalisierte Wahlmöglichkeit“46 vorsieht, zudem die Anwendung eines Rechts, das einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflö40 Der zur Zeit der Ausarbeitung des IPRG legistisch bereits vorbereiteten Regelung der einvernehmlichen Scheidung in § 55a EheG wurde vom Gesetzgeber (versehentlich?) kollisionsrechtlich nicht Rechnung getragen. 41 In zwei Fällen ein früherer Bürger Pakistans und in einem Fall ein früherer Ägypter. 42 SZ 2006/128 = JBl 2007, 596 = ZfRV 2007/6, 35 (Nademleinsky); dazu Posch, „Islamisierung“ des Rechts? ZfRV 2007, 124. 43 Zak 2007/626, 359 = EF-Z 2008/8, 24 (Nademleinsky). 44 Zak 2008/267, 153= iFamZ 2008/87, 169; dazu auch Rz 8/3. 45 Vgl Rz 3/9; Rz 11/1 FN 4. 46 Vgl Rz 9/12 FN 52.
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sung des Ehebandes gewährt, unterbindet und durch das Recht des Forumstaates ersetzt47.
C. Kindschaft Wenn man vom fast gänzlich „europäisierten“ Schuldvertragsrecht absieht, 11/11 ist das Internationale Kindschaftsrecht jener Teil des Internationalen Privatrechts, in dem das autonome österreichische Kollisionsrecht am weitestgehenden zurückgedrängt worden ist. Zahlreiche staatsvertragliche Sondervorschriften bestimmen den Inhalt dieser Materie, EU-rechtliche Regeln fehlen dagegen noch. Denn die „Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen“48 steht zwar bereits in Kraft, in Geltung wird sie jedoch erst am 18.6.2011 treten. Gemäß Art 15 iVm Art 76 dieser Verordnung sollte spätestens ab diesem Zeitpunkt die Bestimmung des auf Unterhaltspflichten anwendbaren Rechts in den Mitgliedstaaten der Union nach dem „Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht“ erfolgen49. Davon abgesehen muss der Rechtsanwender im Internationalen Kindschaftsrecht eine große Anzahl von bilateralen und multilateralen Staatsverträgen beachten50, die in ihren oft überlappenden, sachlichen und räumlich-persönlichen Anwendungsbereichen gemäß § 53 IPRG den autonomen Regelungen des IPRG vorgehen. Zu nennen sind von den mehrseitigen kollisionsrechtlichen Staatsverträgen das CIEC-Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe51, das als loi uniforme allgemein gilt; ferner das Haager Adoptionsübereinkommen52 und das Haager
47 Art 5 des VO-Vorschlags KOM(2010) 105 endg/2. 48 ABlEU L 7 vom 10.1.2009, 1; dazu auch Rz 3/10. 49 Vgl den „Beschluss des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft“, ABlEU L 331 vom 16.12.2009, 17. 50 Der jeweilige Ratifikationsstand ist im Index, Systematisches Verzeichnis des geltenden Bundesrechts, hrsg vom Bundeskanzleramt zu finden; der Status der Haager Übereinkommen zudem unter: http://www.hcch.net/index Textsammlungen: Bajons, Zwischenstaatliches Justizrecht [Loseblattsammlung]; Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen (1998); Boric´ (Hrsg), Internationales Privatrecht und Zivilverfahrensrecht5 (2010). 51 Vom 10.9.1970, BGBl 1976/102. 52 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption [. . .] vom 29.5.1993, BGBl III 145/1999.
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Minderjährigenschutzübereinkommen53, die nur bei Sachverhaltsberührung mit Vertragsstaaten anzuwenden sind, sowie das Unterhaltsstatutübereinkommen54, das zusammen mit dem von Österreich nicht ratifizierten Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch das Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 „modernisiert“ wurde55, sowie die bilateralen Verträge mit Polen56 und dem Iran57. Eine besondere Stellung nimmt das für die Praxis bedeutsame und global breit akzeptierte Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 ein, das nur im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten gilt und weniger Rechtsanwendungsregeln als vielmehr materielle Bestimmungen über die „Rückgabe entführter Kinder“ und verfahrensrechtliche Normen festgeschrieben hat58. Soweit sie nicht von den Staatsverträgen verdrängt werden, folgen die einschlägigen Bestimmungen des IPRG einer differenzierenden Konzeption, welche die Begründung des Statusverhältnisses grundsätzlich an das Personalstatut der Eltern bindet59, wogegen über die Wirkungen des Kindschaftsverhältnisses das Personalstatut des Kindes entscheidet60. 11/12 Gemäß § 21 IPRG sind die Voraussetzungen der ehelichen Abstammung eines Kindes – wie Rechtsvermutungen, Dauer der Empfängniszeit – und 53 Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen [. . .] vom 5.10.1961, BGBl 1975/446. Dieses nicht sehr erfolgreiche Übereinkommen soll durch das Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über den Schutz von Kindern abgelöst werden, das bisher erst in 15 Staaten Geltung erlangt hat und von Österreich zwar gezeichnet, aber (noch) nicht ratifiziert worden ist. Näher dazu Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rz 08.17 ff. 54 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956, abgek HUStÜ, BGBl 1961/293. 55 Als allgemeine Regel zur Bestimmung des auf Unterhaltspflichten anzuwendenden Rechts sieht Art 3 des Protokolls vor, dass das Recht des Staates maßgebend ist, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Art 4 und 5 finden sich noch besondere Regeln zugunsten bestimmter berechtigter Personen und in Bezug auf Ehegatten und frühere Ehegatten und Art 8 eröffnet eine kanalisierte Rechtswahl durch die berechtigte und die verpflichtete Person. 56 BGBl 1974/79. 57 BGBl 1966/45. 58 Ausführlich dazu Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rz 09.1– Rz 09.29. 59 Nur hinsichtlich der unehelichen Abstammung wird hiervon aus Gleichheitsgründen eine Ausnahme gemacht. 60 Eine Ausnahme bildet aus Gründen der Familienintegration die Annahme an Kindesstatt.
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der Anfechtung der Ehelichkeit – die zu beachtenden Fristen, anfechtungsberechtigte Personen – nach dem Personalstatut der Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder bei vorheriger Auflösung der Ehe, etwa durch Scheidung oder Tod eines Ehepartners, im Zeitpunkt der Eheauflösung zu beurteilen61. Bei unterschiedlichem Personalstatut der Eltern ist seit dem Inkrafttreten des Kindrechtsänderungsgesetzes am 1.7.2001 das Personalstatut des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt maßgebend62. Das Statut ist daher unwandelbar. Die „Erstfrage“63, ob die, die Anwendung des § 21 IPRG bedingende Ehe – § 21 IPRG spricht von „Ehegatten“ – zustande gekommen bzw rechtswirksam gelöst ist, beurteilt sich nach §§ 16 ff IPRG. Das muss aber nicht zwangsläufig Unehelichkeit zur Folge haben64. Die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Legitimation durch nachfol- 11/13 gende Ehe ist seit der ersatzlosen Streichung des § 22 IPRG mit Wirkung vom 1.7.2001 nur mehr im CIEC-Legitimationsübereinkommen geregelt, das nur für Legitimationen, die sich aus der Eheschließung selbst – entweder sogleich oder nachträglich durch gerichtliche Entscheidung – ergeben, gilt und einen in der Praxis eher komplizierten „Günstigkeitsvergleich“ anordnet. Nach Art 5 LegitÜ sind „die vorstehenden Bestimmungen [. . .] gegenüber allen Staaten, selbst Nichtvertragsstaaten, anzuwenden. Sie stehen der Anwendung anderer Bestimmungen, die in den Vertragsstaaten gelten, nicht entgegen, die für die Legitimation günstiger sind“. Da dieses Übereinkommen gemäß § 53 IPRG immer schon dem § 22 IPRG vorgegangen ist und dieser bei unterschiedlichem Personalstatut der Eltern ebenfalls einen Günstigkeitsvergleich vorsah, waren die praktischen Auswirkungen der Aufhebung des § 22 IPRG gering. Ein relevanter Unterschied ist darin zu sehen, dass die Verweisungen des Übereinkommens Sachnormverweisungen sind. Hinsichtlich der Frage65, ob eine gültige Eheschließung der Eltern vorliegt, wird es im Sinne des favor legitimationis ausreichend sein, wenn die Ehe entweder nach den vom österreichischem IPR für die Beurteilung der Gültigkeit der Eheschließung berufenen sachrechtlichen Vor-
61 Dies gilt auch im Falle der Zeugung durch heterologe (= mit „Spendersamen“ vorgenommene) Insemination: OGH ZfRV 1996, 160/36. 62 Die zuvor bestehende Anknüpfung an das für die Ehelichkeit „günstigere“, das heißt an das die Anfechtung eher ausschließende oder erschwerende Recht (favor legitimationis) ist wegen der weitgehenden Anpassung der Rechtsstellung von unehelichen und ehelichen Kindern in den nationalen Sachrechten bedeutungslos geworden. 63 Sie ist für manche Kollisionsrechtler terminologisch eine „Vorfrage“. 64 Fraglich ist, ob die hier gegebene Regelungslücke mit dem „Ungültigkeitsstatut“ zu füllen ist. 65 Ob diese Frage „Erstfrage“ oder „Vorfrage“ ist, soll dahingestellt sein.
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schriften oder nach dem für die Legitimation maßgebenden Sachrecht als wirksam zustande gekommen anzusehen ist. Die Voraussetzungen der Legitimation eines unehelichen Kindes durch Ehelicherklärung („Reskriptlegitimation“) richten sich gemäß § 23 IPRG nach dem jeweiligen (letzten) Personalstatut des Vaters. Ist aber nach dem Personalstatut des Kindes dessen Zustimmung oder die Zustimmung eines familienrechtlich verbundenen Dritten (zB der Mutter) erforderlich, ist nicht nur auf das väterliche Personalstatut abzustellen, vielmehr hat zusätzlich eine Prüfung nach dem Personalstatut des Kindes zu erfolgen. Durch den Anknüpfungsbegriff „Legitimation eines unehelichen Kindes durch Ehelicherklärung“ wird der tatbestandliche Qualifikationsrahmen von § 23 IPRG relativ eng gezogen. Gemeint scheinen nur die Ehelicherklärungen durch staatlichen Hoheitsakt zu sein, was Ehelicherklärungen, bei denen ein Kind durch private Erklärung eines Elternteils in die dem Kind günstigste Statusstufe erhoben wird, ausschließen würde. 11/14 Vorbehaltlich des jeweiligen Anwendungsbereiches der einschlägigen staatsvertraglichen Regelungen, insbesondere des Minderjährigenschutzund des Unterhaltsstatut-Übereinkommens, sind die Wirkungen der ehelichen Abstammung und der Legitimation gemäß § 24 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Hier liegt also ein wandelbares Statut vor. Dabei ist unter „Wirkungen“ der Gesamtbereich der familienrechtlichen Verhältnisse zwischen Eltern und Kind zu verstehen66. Ausgenommen sind wegen der §§ 13 und 28 IPRG Wirkungen namensrechtlicher67 und erbrechtlicher Natur. Geht es, wie in einer bekannten Entscheidung des OGH68, auf Antrag der österreichischen Mutter um die Regelung der Elternrechte für den italienischen Sohn nach faktischer Ehetrennung vom italienischen Vater, kommt es gemäß § 24 iVm § 5 IPRG zur Verweisung auf das italienische Recht, dessen damals relevanter Art 20 Abs 1 der Einführungsbestimmungen zum Codice civile die Verweisung annahm, so dass sich die Elternrechte nach dem italienischen Heimatrecht des Vaters beurteilten69. 66 67 68 69
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Vgl OGH ZfRV 1991, 393/22. OGH JBl 1983, 159 (Schwimann). SZ 53/99. Das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen (vgl Rz 11/18) war nicht anwendbar, da Italien als Heimatstaat des Minderjährigen damals nicht Vertragsstaat war. Entscheidungen des OGH, in denen das HMjSchÜ nicht zum Tragen kam, da es sich um die Verteilung der elterlichen Sorge für ein jugoslawisches bzw italienisches Kind handelte, sind ferner in JBl 1980, 313 und JBl 1980, 314 (krit Schwimann) veröffentlicht: Beide Entscheidungen sind trotz offenbar verfehlter Zitierung der Vormundschafts- und Pflegschaftskollisionsnorm des § 27 IPRG (statt § 24 IPRG) im Verweisungsergebnis richtig. Vgl ferner OGH ZfRV 1985, 289 (Hoyer): Hier ging es um die Übertragung der Pflege
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Nach § 25 Abs 1 IPRG sind die sachlichen Voraussetzungen der Feststel- 11/15 lung und der Anerkennung der unehelichen Vaterschaft sowie ihrer Bestreitung70 nach dem Personalstatut des Kindes im Geburtszeitpunkt oder, je nach Zulässigkeit, nach einem späteren Zeitpunkt zu beurteilen. Kein Fall der Zulässigkeit liegt vor, wenn das spätere Personalstatut lediglich „günstiger“ wäre71. Für die privatrechtliche, nicht prozessuale Form des Anerkenntnisses gilt das Formstatut des § 8 IPRG. Nach § 25 Abs 2 IPRG richten sich die „Wirkungen der Unehelichkeit“ eines Kindes, zB seine Pflege und Erziehung, die Vertretung und der gesetzliche Unterhalt, nach seinem Personalstatut im jeweiligen Beurteilungszeitraum72. Hier ist aber für die Praxis zu beachten, dass die Unterhaltsfrage – einschließlich der Vaterschaftsvorfrage – oftmals auf der Grundlage des Unterhaltsstatutübereinkommens durch Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zu lösen ist73. Ebenso verdrängen bei Beurteilung elterlicher Gewalt und Vormundschaft die Anknüpfung des Minderjährigenschutzübereinkommens an den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen74 und die Anerkennung von „Gewaltverhältnissen“ nach den Sachnormen des Heimatrechtes des Kindes75 die Anknüpfungsregel des § 25 Abs 2 IPRG. Gemäß § 25 Abs 3 IPRG werden die mit der Schwangerschaft und der Entbindung zusammenhängenden Ansprüche der Mutter gegen den Vater des unehelichen Kindes76 nach dem jeweiligen Personalstatut der Mutter beurteilt. Das Zustandekommen und die Beendigung der Adoption sind gemäß 11/16 § 26 IPRG77 nach dem Personalstatut jedes der Annehmenden und des (eigenberechtigten) Anzunehmenden zur Zeit des Adoptionsaktes zu beurteilen78. Es handelt sich hier um ein unwandelbares Statut und um einen Fall der kumulativen Anknüpfung79. Ist der Anzunehmende nicht eigenbe-
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und Erziehung eines türkischen Kindes türkischer Eltern, die in aufrechter Ehe lebten, nach einer Kindesmisshandlung an die in der Türkei lebende Großmutter; zu beachten ist, dass auch die Türkei damals nicht Vertragsstaat des HMjSchÜ war. Vgl OGH ZfRV 1987, 68. ZB österr Recht; vgl OGH JBl 1981, 600 (Schwimann) = ZfRV 1981, 149 (Schwind). Vgl OGH EvBl 1990/43 = JBl 1990, 173: Sorgerecht nach ugandischem Recht. Vgl nur OGH JBl 1981, 600 = ZfRV 1981, 149. Art 1 f HMjSchÜ: Sachnormverweisung! Art 3 HMjSchÜ. Vgl § 168 ABGB. IdF BGBl I 2004/58. Das gilt auch für die Erwachsenenadoption: OGH ZfRV 2004/23, 158. § 26 Abs 1 IPRG ist eine Gesamtverweisung (§ 5 IPRG); ZfRV 2007/19, 119 (Nademleinsky).
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rechtigt (und somit ein „Kind“ ieS nach dem Adoptionsübereinkommen80), ist sein Personalstatut aber lediglich für die Frage seiner Zustimmung bzw der Zustimmung bestimmter mit ihm familienrechtlich verbundener Dritter maßgeblich. Die kumulative Anknüpfung an mehrere Personalstatute kann bei „Beendigung“, etwa durch Widerruf, Unwirksamkeit oder Anfechtung, zur wohl systemwidrigen Anwendung des „ärgeren Rechts“ führen. Zum Anwendungsbereich des § 26 Abs 1 IPRG gehören alle Sachvoraussetzungen der Adoption, wie etwa Alter, Zustimmungserfordernisse bzw Ersetzungsmöglichkeit derselben oder die Notwendigkeit behördlicher Mitwirkung. Reine Formfragen sind dagegen nach dem allgemeinen Formstatut zu beurteilen81. Die Wirkungen der Adoption, dh das gesamte familienrechtliche Verhältnis zwischen dem Angenommenen und dem Annehmenden und das Verhältnis zur Ursprungsfamilie, sind gemäß § 26 Abs 2 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut des Annehmenden, bei Annahme durch Ehegatten nach deren Ehewirkungsstatut zu beurteilen. Nach dem Tod eines der Ehegatten gilt wiederum das (letzte) Personalstatut des Überlebenden allein. Namensfolgen82 und erbrechtliche Adoptionsfolgen sind wiederum getrennt anzuknüpfen. Auch hier sind bezüglich des Kindesunterhalts und der elterlichen Sorge die einschlägigen internationalen Konventionen – insbesondere das Unterhaltsstatut- und das Minderjährigenschutzübereinkommen – zu beachten. 11/17 Ein Sonderproblem bildet die Anerkennung ausländischer Adoptionen. Hier gilt es zunächst zwischen Dekretadoptionen und (reinen) Vertragsadoptionen zu unterscheiden. Bei letzteren ist lediglich zu prüfen, ob die konkrete Adoption die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt, auf die das entsprechende Kollisionsrecht verweist83; auch hierbei ist der ordre public zu prüfen. Für Minderjährigenadoptionen gilt in Österreich seit 1.9.1999 das Haager Übereinkommen über die internationale Adoption84. Dieses sieht in Art 23 vor, dass Auslandsadoptionen, die nach den Bestimmungen des Übereinkommens zustande gekommen sind, in den Vertragsstaaten ipso 80 Haager Übereinkommen über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt [. . .] (HAdoptÜ), BGBl 1978/581. 81 Dazu OGH SZ 59/27 = EvBl 1987/14 = ZfRV 1987, 199 (Rechberger): Die Wahlmutter war italienische Staatsangehörige. 82 Vgl OGH SZ 59/27. 83 § 26 Abs 1 iVm § 8 IPRG. 84 HÜintAdopt, BGBl III 1999/145.
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iure anerkannt werden. Somit ist jedenfalls für Adoptionen, die in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallen, ein langjähriges Desiderat realisiert worden. Denn das Fehlen eines inländischen Verfahrens, das – analog zur Anerkennung ausländischer Ehescheidungen85 – mit allgemein bindender Wirkung festgestellt hätte, dass eine bestimmte ausländische Statusentscheidung für den österreichischen Rechtsbereich anerkannt werde, war Gegenstand der Kritik. Für andere Auslandsadoptionen, die im betreffenden Ausland durch einen förmlichen hoheitlichen Akt86 ihre Wirksamkeit erlangt haben, gilt aber nach wie vor, dass sie im Rahmen der inländischen Vorfragenbeurteilung incidenter anzuerkennen sind, wenn die entsprechenden inländischen Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Diese sind im österreichischen Recht vorbehaltlich einschlägiger Staatsverträge nach §§ 79 ff EO87 iVm § 113b JN zu beurteilen. Eine substanzielle Überprüfung88 des ausländischen Adoptionsaktes findet lediglich im Rahmen des ordre public statt89. Die kollisionsrechtliche Beurteilung des Unterhalts – einschließlich der 11/18 die Abstammung betreffenden Vorfrage – von ehelichen, unehelichen und legitimierten Kindern sowie Wahlkindern, die unverheiratet sind und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben90, richtet sich nach dem Haager Unterhaltsstatutübereinkommen, das Österreich im Jahre 1961 ratifiziert hat91. „Unterhaltsbeziehungen zwischen Seitenverwandten“ sind vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausdrücklich ausgenommen92. Als maßgebend wird das Sachrecht des jeweiligen gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes in einem Vertragsstaat bezeichnet93. Jeder Vertragsstaat kann jedoch gemäß Art 2 sein eigenes Recht für anwendbar erklären, wenn 85 86 87 88 89
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Gem § 24 der 4. DVEheG. Durch Beschluss, „Dekret“ odgl. IdF BGBl 1995/519. Sog „révision au fond“. § 81 Z 3 EO; vgl auch § 109 Abs 1 Z 4 des deutschen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG vom 17.12.2008, dBGBl I S 2586, in Kraft seit 1.9.2009. Im Ergebnis entscheidet über die Frage der „Anerkennung“ von (reinen) Vertragsadoptionen das inländische Kollisionsrecht und das durch dieses verwiesene ausländische Recht; bezüglich „Dekretadoptionen“ entscheidet allein inländisches Verfahrensrecht. Vgl OGH ZfRV 1996, 200: Dass die Unterhaltsberechtigte als deutsche Staatsangehörige gem § 2 BGB bereits mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig wurde, ist im Anwendungsbereich des Übereinkommens ohne Belang. BGBl 1961/293. Daher kann das Übereinkommen auch auf die von einer Ordensgemeinschaft vertraglich übernommenen Unterhaltspflichten gegenüber einer physischen Person nicht angewendet werden, vgl VwGH JBl 1990, 539. Vgl OGH ZfRV 1997, 204/77.
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der Anspruch vor eine Behörde dieses Staates gebracht wird, Unterhaltspflichtiger und Kind diesem Staat angehören und der Unterhaltspflichtige dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat94. Hat das Kind nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltes keinen Unterhaltsanspruch, wird das Recht des Staates angewendet, auf welches das IPR des angerufenen Staates verweist. Das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes braucht von den Behörden eines Ratifikationsstaates nicht angewandt zu werden, wenn es im Einzelfall offensichtlich („manifestement“) gegen den ordre public dieses Staates verstößt.
D. Obsorge einer anderen Person und Sachwalterschaft 11/19 Das Rechtsgebiet, das im ABGB zuvor mit den Begriffen der Vormundschaft und Kuratel bzw Pflegschaft assoziiert wurde, ist materiellrechtlich zunächst mit Wirkung vom 1.7.2001 unter Verzicht auf den als obsolet empfundenen terminus technicus „Vormundschaft“ unter der Überschrift „Obsorge einer anderen Person“ neu geordnet worden95, zudem steht ab 1.7.2007 das neue 5. Hauptstück des 1. Teiles des ABGB96 in Geltung, in dem das Recht der Sachwalterschaft einer umfassenden und detaillierten Neuregelung zugeführt wurde97. Nach wie vor ist im IPRG aber von Vormundschaft und Pflegschaft bzw von Entmündigung die Rede, doch wird man diese Verweisungsbegriffe den neuen verba legalia des materiellen Rechts anzupassen haben. Gemäß § 27 Abs 1 IPRG gilt, soweit nicht staatsvertragliches Recht vorgeht, für die Voraussetzungen bezüglich der Anordnung und Beendigung der „Obsorge einer anderen Person“ sowie für deren Wirkungen, wie Umfang und Inhalt der Obsorgepflicht, das Personalstatut des Pflegebefohlenen. Alle sonstigen damit verbundenen, vornehmlich verfahrenskonnexen Fragen sind, „soweit sie die Führung an sich betreffen“, wie etwa die Kontrolle der Rechnungslegung oder das Entschlagungsrecht des mit der Obsorge Betrauten, gemäß § 27 Abs 2 IPRG nach dem Sachrecht der zuständigen Behörde (lex fori) zu beurteilen. 94 Von dieser Ermächtigung des Art 2 UStÜ hat Österreich wie viele andere Vertragsstaaten (Belgien, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Schweiz, Türkei) Gebrauch gemacht, vgl Art 2, BGBl 1961/295; die übrigen Vertragsstaaten sind Deutschland, Frankreich, Japan, Niederlande, Portugal und Spanien. 95 Wegen eines Redaktionsversehens steht diese Überschrift sogar in doppelter Form vor § 187 ABGB. 96 Es ist überschrieben mit „Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung und der Vorsorgevollmacht“. 97 §§ 268–284h ABGB.
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Obsorge einer anderen Person und Sachwalterschaft
§ 11
Auch in diesem Teilbereich des Familienrechts wird jedoch das autonome Kollisionsrecht allenthalben durch bilaterale Abkommen98, vor allem aber durch das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen99, das „zum Schutz der Person und des Vermögens“ Regeln über die Gerichtsbarkeit100 und das anwendbare Recht für die elterliche Obsorge und die gesetzliche Vertretung von minderjährigen (ehelichen und unehelichen) Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich oder einem der anderen Vertragsstaaten haben101, beinhaltet, verdrängt; wobei gemäß Art 12 HMjSchÜ „Minderjährigkeit“ sowohl nach dem Recht der Staatsangehörigkeit als auch nach dem Aufenthaltsrecht gegeben sein muss. Aus dem unklar formulierten Art 3 HMjSchÜ wird geschlossen, dass kraft Gesetzes bestehende „Gewaltverhältnisse“, wie etwa elterliche Sorge, Obsorge für Kinder getrennt lebender Eltern102 oder gesetzliche Vormundschaften103, nach den Sachnormen des Heimatstaates des Minderjährigen zu beurteilen sind104. Bei Minderjährigen mit mehrfacher Staatsbürgerschaft ist entgegen § 9 Abs 1 Satz 2 IPRG die „effektive“, gelebte Staatsangehörigkeit maßgebend105. Gemäß Art 4 sind für die Schutzmaßnahmen die Behörden des Heimatstaates oder des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen zuständig, die dann nach den Sachnormen ihrer lex fori entscheiden. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Übereinkommens sind die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen von Minderjährigen106, den Status von Minderjährigen betreffende Agenden107, allgemeine Jugendschutzvorschriften sowie spezielle gerichtliche Zustimmungsersetzungen. 98 Etwa hinsichtlich der Vormundschaft (Obsorge) im Verhältnis zu Deutschland und Italien: BGBl 1927/269 bzw StGBl 1920/304. 99 Kurz „HMjSchÜ“, BGBl 1975/446; von Österreich ursprünglich mit Vorbehalt gem Art 13 Abs 3 ratifiziert, dessen Wirkung ist aber seit 7.8.1990 erloschen, BGBl 1990/ 439: Staatsangehörigkeit ist seither ohne Relevanz, dazu OGH IPRax 1994, 55 (Mottl, 60); weitere Vertragsstaaten sind China, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Schweiz, Spanien und die Türkei. 100 Das HMjSchÜ wird hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit seit 1.3.2001 durch die Verordnung Brüssel II und seit 1.3.2005 durch die VO Brüssel IIa (vgl Rz 1/6 FN 17 f) partiell verdrängt. 101 Zu den Schutzmaßnahmen des MjSchÜ gehört auch die Regelung des Besuchsrechts: OGH ZfRV 1991, 40/6. Zur Anknüpfung der Besuchsrechtsregelung nach dem Übereinkommen: OGH IPRax 1993, 415 (Mottl, 417); vgl auch OGH JBl 1993, 44 (krit Schwimann). 102 OGH IPRax 1984, 159 (Hoyer, 164). 103 Missverständlich OGH ZfRV 1986, 292 (Hoyer). 104 Vgl OGH ZfRV 1991, 476 (Pichler); ZfRV 1996, 196/58. 105 OGH EvBl 1990/35; zur perpetuatio fori bei Aufenthaltswechsel: OGH IPRax 1986, 385 (Henrich, 364); vgl zuletzt OGH ZfRV 1997, 119/41. 106 Vgl aber OGH IPRax 1981, 144 (Köhler). 107 Vgl hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung: OGH ZfRV 1996, 160/38.
101
§ 11
Familienrecht
Für die Anknüpfung der sich im Zusammenhang mit einer Sachwalterschaft ergebenden Probleme einschließlich der Fragen der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger und der Vorsorgevollmacht steht im IPRG nur die auf den obsoleten Verweisungsbegriff „Entmündigung“ abstellende Bestimmung des § 15 zur Verfügung. Die dort getroffene Anordnung, dass die Voraussetzungen, Wirkungen und Aufhebung einer „Entmündigung“ nach dem Personalstatut der betroffenen behinderten Person zu beurteilen sind, wird man auf analoge Prüfungsthemen und Maßnahmen im Rahmen einer Sachwalterschaft zu übertragen haben108, wobei für die Beurteilung der Zeitpunkt relevant ist, an dem eine Maßnahme gesetzt wird109.
E. Eingetragene Partnerschaft 11/20 Am 1.1.2010 ist das „Eingetragene Partnerschaft-Gesetz“110 in Kraft getreten, nachdem es nur zwei Tage zuvor verlautbart worden war. Dieses Gesetz bewirkte in einer großen Zahl von Gesetzen Veränderungen, so auch im IPR-Gesetz, in das gemäß seinem Art 5 unter der Überschrift „D. Partnerschaftsrecht“ vier neue Bestimmungen aufgenommen wurden111, die die Anknüpfung der Voraussetzungen und Wirksamkeit der Lebenspartnerschaft, der durch sie bewirkten persönlichen Rechtswirkungen, ihrer güterrechtlichen Konsequenzen und ihrer Auflösung zum Gegenstand haben. Aus dem normativen Zusammenhang ergibt sich, dass der österreichische Gesetzgeber in kollisionsrechtlicher Hinsicht den „familienrechtlichen Weg“ beschritten hat112. Demnach sind die Begründung, die Nichtigkeit einer Lebenspartnerschaft und ihre durch Mängel bei ihrer Eingehung bedingte Auflösung nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie begründet wird, während für die Anknüpfung der „persönlichen Rechtswirkungen der Lebenspartnerschaft“ von § 27b eine Anknüpfungsleiter vorgesehen ist, die anders als jene des § 18 IPRG den gewöhnlichen Aufenthalt zum primären Anknüpfungspunkt nimmt, so dass erstens, das „Recht des Staates, in dem die eingetragenen Partner ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt 108 OGH ZfRV 1988, 41 (Hoyer); ZfRV 1999, 116. 109 Zu den heiklen kollisionsrechtlichen Fragen, vgl nunmehr Oberhammer/Graf/Slonina, Sachwalterschaft für Deutsche und Schweizer in Österreich, ZfRV 2007, 133. 110 BGBl I 2009/135. 111 §§ 27a bis 27d IPRG. 112 Vgl zum deutschen Recht: Wagner, Das neue Internationale Privat- und Verfahrensrecht zur eingetragenen Partnerschaft, IPRax 2001, 281.
102
Eingetragene Partnerschaft
§ 11
haben“, mangels eines solchen das „Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat“, und erst zweitens, das „gemeinsame, mangels eines solchen das letzte gemeinsame Personalstatut der Lebenspartner, sofern es einer von ihnen beibehalten hat“, berufen sind113. In dritter Linie soll wiederum subsidiär österreichisches Recht zur Anwendung kommen, das auch anzuwenden sein wird, soweit das maßgebende Recht „die persönlichen Rechtswirkungen der eingetragenen Partnerschaft nicht regelt“. Im Hinblick auf das Güterrecht der eingetragenen Partnerschaft erklärt § 27c IPRG, hierin mit § 19 IPRG übereinstimmend, primär das von den Parteien ausdrücklich bestimmte Recht für maßgebend. Fehlt eine Rechtswahl, soll das Recht des Staates, in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde, anzuwenden sein. Für die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gilt gemäß § 27d dieselbe Hierarchie wie in § 27b, wobei der Zeitpunkt der Auflösung der relevante Beurteilungszeitpunkt ist. Auch hier ist in dritter Linie österreichisches Recht anzuwenden, das auch dann eingreift, wenn „nach dem nach Z 1 und Z 2 maßgebenden Recht die eingetragene Partnerschaft auf Grund der geltend gemachten Tatsachen nicht aufgelöst werden kann“. Die Erläuterungen zu Artikel 5 der RV114 betonen, dass die neuen §§ 27a–27d IPRG grundsätzlich „soweit sich aus dem Sinn der einzelnen Bestimmungen nicht Abweichendes ergibt“115 Gesamtverweisungen116 seien und das Zusammenspiel der Verweisungsnormen beachtet werden müsse, so dass die namensrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft nach § 13 und ihre erbrechtlichen Folgen nach § 28 IPRG anzuknüpfen sind.
113 Der österr Gesetzgeber nimmt so den Paradigmenwechsel im Internationalen Familienrecht vom Staatsbürgerschafts- zum Aufenthaltsortsrecht, den der Entwurf der „Verordnung Rom III“ vorsieht, vorweg. 114 485 BlgNR 24.GP, 15. 115 Hier werden zitiert §§ 27b Z 3, 27d Z 3, § 27c iVm § 11 Abs 1 IPRG. 116 Damit fügen sich die §§ 27a ff zwar tatsächlich „in das System des IPRG“, nicht jedoch in die Vorstellungen des das Internationale Familienrecht betreffenden Verordnungsvorschlags auf der Ebene des EU-Rechts; vgl Art 6 des Vorschlags, KOM(2010) 105 endg/2.
103
§ 12. Erbrecht A. Allgemeines 12/1 Die nationalen materiell-rechtlichen Regeln des Erbrechts weichen voneinander stark ab. Das gilt insbesondere für das Noterbrecht bzw Pflichtteilsrecht naher Verwandter. Zudem gibt es hier als eine österreichische Besonderheit die Verlassenschaftsabhandlung mit dem in anderen Rechtsordnungen unbekannten Rechtsinstitut der Einantwortung. Auch hinsichtlich der nationalen erbrechtlichen Kollisionsnormen bestehen erhebliche Unterschiede. So beruht das Prinzip der Nachlasseinheit auf der römisch-rechtlichen Universalsukzession, während sich der Grundsatz der Nachlassspaltung von der der deutschen Rechtstradition entstammenden Sondererbfolge ableitet. Während der erste Grundsatz den gesamten Nachlass einheitlich nach dem Personalstatut des Erblassers behandelt, teilt der zweite den Nachlass in Gütermassen, indem er das unbewegliche Vermögen der lex rei sitae, das bewegliche Vermögen dagegen dem Personalstatut unterwirft. Bei internationalen Erbrechtsfällen kann das zu kaum lösbaren Verwicklungen führen, zB in der Frage der Haftung, wenn eine Person nach der einen Rechtsordnung als Noterbe Gesamtrechtsnachfolger, nach der anderen nur obligatorisch pflichtteilsberechtigt ist. Schließlich gibt es auch Kollisionsrechte, wie zB das deutsche oder schweizerische IPR, die im Gegensatz zum österreichischen IPR-Gesetz eine Rechtswahl („professio iuris“) in sachlich-persönlich mehr oder weniger beschränkter Weise zulassen1. Auch dies bleibt letztlich ein versuchter Systemkompromiss zwischen „unversöhnlichem“ Verfahrensrecht und Internationalem Privatrecht. Insgesamt ist das erste System vorzuziehen. Doch bleiben – abgesehen davon, dass unter Personalstatut Unterschiedliches verstanden wird und Rück- und Weiterverweisung in einer Rechtsordnung zu beachten sind, in einer anderen hingegen nicht – auch hier zahlreiche schwierige Fragen zu 1 Vgl Art 25 Abs 2 EGBGB; Art 87 Abs 2, Art 90 Abs 2 schweizIPRG.
104
Allgemeines
§ 12
lösen: Richtet sich die Erbfähigkeit nach dem Statut des Erben oder des Erblassers? Wie werden Mehrstaater behandelt? Beurteilt sich die Testierfähigkeit nach dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung, nach dem des Todes oder nach beiden, wovon wieder das anzuwendende Recht abhängen kann? Sollen für die Testamentsform im Sinne des favor testamenti eigene Anknüpfungsgründe gelten? Ungewiss ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt2, wann und mit welchem Inhalt der „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses“3 realisiert werden wird4. In Kapitel III dieses Vorschlags finden sich die Regeln über das anzuwendende Recht, die sich wesentlich von der derzeitigen Rechtslage in Österreich unterscheiden. So soll nach Art 16 „die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte“ unterliegen, doch würde gemäß Art 17 eine Person unter Einhaltung der für letztwillige Verfügungen vorgesehenen Form „die Rechtsnachfolge in ihren gesamten Nachlass“ dem Recht des Staates, dem sie angehört, unterwerfen können5. In Österreich ist das überkommene internationale Erbrecht mit dem In- 12/2 krafttreten des IPR-Gesetzes für die nach dessen Inkrafttreten vollendeten Tatbestände6 grundlegend verändert worden. Während zuvor ein Gleichlauf zwischen inländischer Abhandlungsgerichtsbarkeit und anwendbarem inländischen Sachrecht herrschte, wurden die auf die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts hinweisenden Passagen aus §§ 23, 25 und 140 AußStrG 1854 eliminiert. In Verbindung mit den Bestimmungen des Allgemeinen Teils7 wurde durch §§ 28 bis 30 IPRG erstmals grundsätzlich allseitig formuliertes Erbkollisionsrecht geschaffen. Daneben war im österreichischen internationalen Erbrecht schon vor dem IPR-Gesetz hinsichtlich der Testamentsform das einschlägige Haager „Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende 2 1.7.2010. 3 KOM(2009) 154 endg vom 14.10.2009. 4 Mit ihren einheitlichen Dokumentenvorlagen sollte diese Verordnung die Abwicklung grenzüberschreitender Nachlässe wesentlich vereinfachen. 5 Dazu Kindler, Vom Staatsangehörigkeits- zum Domizilprinzip: das künftige internationale Erbrecht der Europäischen Union, IPRax 2010, 44. 6 §§ 7, 50 IPRG. 7 Unter denen § 5 IPRG, der die Gesamtverweisung als Regelform der erbrechtlichen Verweisung vorsieht, von der Praxis lange vernachlässigt worden ist.
105
§ 12
Erbrecht
Recht“8 zu beachten. Erbrechtlich relevant sind auch noch einige bilaterale Abkommen, die insbesondere mit Nachbarstaaten wie Tschechien, Ungarn und den Staaten, die dem zerfallenen Jugoslawien nachfolgten, geschlossen wurden9. 12/3 Bestimmungen über die Abhandlungsjurisdiktion finden sich nunmehr in §§ 105 bis 107 JN, die durch das Außerstreit-Begleitgesetz10 neu formuliert wurden und an die Stelle der §§ 20 ff AußStrG 1854 getreten sind. Gemäß § 105 JN ist grundsätzlich für das Verlassenschaftsverfahren jenes Gericht zuständig, „in dessen Sprengel der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte“. Wenn sich – wie im Falle von Zweitwohnsitzen – der allgemeine Gerichtsstand „im Inland nicht ermitteln (lässt) oder . . . bei mehreren Gerichten begründet“ ist, ist die Zuständigkeit des Gerichts gegeben, „in dessen Sprengel sich der größte Teil des im Inland gelegenen Vermögens des Verstorbenen befindet“. Ein Auffanggerichtsstand besteht beim „Bezirksgericht Innere Stadt Wien“ für jene Fälle, in denen inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit besteht, aber kein Vermögen im Inland gelegen ist11. Die Grenzen der Internationalen Zuständigkeit sind durch das Außerstreit-Begleitgesetz neu gezogen worden. Nach dem geänderten Wortlaut des § 106 JN besteht heute stets Abhandlungsgerichtsbarkeit über das im Inland befindliche unbewegliche Vermögen und unterliegt bewegliches Vermögen, das sich im Inland befindet, dann der österreichischen Abhandlungsgerichtsbarkeit, wenn der Verstorbene österreichischer Staatsbürger war oder zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte oder die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im sonst in Frage kommenden Ausland unmöglich ist. Zudem besteht inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit über das im Ausland gelegene bewegliche Vermögen, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger war und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte oder die Rechtsdurchsetzung der Erboder Pflichtteilsprätendenten im Ausland unmöglich ist. Nicht im Inland abzuhandeln ist somit der im Ausland gelegene unbewegliche Nachlass
8 Kurz „Testamentsübereinkommen“, BGBl 1963/295, für Österreich in Kraft getreten am 5.1.1964. Es weist mehr als 40 Vertragsstaaten auf, darunter Belgien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Niederlande, Polen, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien und die Türkei. 9 Übersicht bei Verschraegen in Rummel3, vor § 28 IPRG. 10 BGBl I 2003/112. Die neuen Bestimmungen gelten seit 1.1.2005. 11 ErlRV 225 BlgNR XXII. GP, 8.
106
Das allgemeine Erbstatut
§ 12
eines österreichischen Staatsangehörigen und der gesamte ausländische Nachlass eines Ausländers12. Auch aus der Neuregelung der österreichischen Abhandlungsjurisdiktion ist der Schluss zu ziehen, dass man dem Phänomen der Nachlassspaltung, das sich immer dann ergibt, wenn Nachlassgegenstände des Erblassers in verschiedenen Ländern belegen sind, mit Hilfe eines einheitlichen Erbstatuts allein nicht begegnen kann. Diese Utopie scheitert nicht erst am Problem der Rück- und Weiterverweisung, sondern bereits an den wenig harmonisierten Regeln der nationalen Abhandlungsjurisdiktion13. Nachlassspaltungen lassen sich nicht vermeiden und kommen in der Praxis nicht selten vor14.
B. Das allgemeine Erbstatut Angeknüpft wird im autonomen internationalen Erbrecht an die Staatsan- 12/4 gehörigkeit des Erblassers. § 28 Abs 1 IPRG unterstellt im Wege einer Gesamtverweisung iSd § 5 IPRG die gesamte „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Dazu gehören zB der Umfang des Nachlasses, die Berufungsgründe, die Bestimmung der Erben, der Erbquoten und der Pflichtteilsberechtigten15 sowie Bedingungen, Befristungen und Aufträge16. Ferner zählen dazu die Erbunwürdigkeitsgründe, die Zulässigkeit eines vertraglichen Erbverzichts und wohl auch die Erbsentschlagung. Statusrechtliche Vorfragen sind dagegen getrennt anzuknüpfen. Eine Rechtswahl, die auch Erbrecht und Ehegüterrecht harmonisieren könnte, wird vom Gesetz nicht vorgesehen. Bei inländischer Verlassenschaftsabhandlung richten sich verfahrensverbundene Fragen wie Erbschaftserwerb und Haftung für Nachlassschulden nach den Sachnormen der lex fori.
12 Dazu Ferrari in Ferrari/Likar-Peer (Hrsg), Erbrecht (2007) 541. 13 Vgl auch die unterschiedliche Behandlung der Mehrstaater, zB die spiegelbildlich jeweils gleiche Regelung von § 9 Abs 1 Satz 2 IPRG und Art 5 Abs 1 Satz 2 EGBGB zugunsten der eigenen Staatsbürger. 14 Vgl OGH ZfRV 1987, 278 (Zemen, 283) = IPRax 1988, 35 (Schwind, 45): österr Erblasser, testamentarische Erbfolge, Liegenschaft in Spanien: Das Schicksal des nicht in Österreich abzuhandelnden Nachlassteiles ist für die Berechnung eines in Österreich abzuhandelnden Nachlasses keineswegs unbeachtlich. Vgl auch OGH EvBl 1987/95 = ZfRV 1987, 280 (Zemen) = IPRax 1988, 37 (Schwind, 45): Ermittlung des Pflichtteilsanspruches des nicht eingesetzten Witwers. 15 Vgl OGH ZfRV 1993, 35 (Zemen); OGH ZfRV 1993, 164 (Hoyer) = IPRax 1993, 188 (Schwind, 196); dazu auch Schwind, Noterbrecht und IPR, ZfRV 1994, 29. 16 Vgl OGH JBl 1992, 460 = IPRax 1992, 328 (Schwind, 333).
107
§ 12
Erbrecht
Sonderanknüpfungen an das österreichische Sachrecht gelten bezüglich des nach dem Wohnungseigentumsgesetz 200217 begründeten Wohnungseigentums von Eigentümerpartnerschaften gemäß der novellierten Eingriffsnorm des § 14 WEG 200218, die eine Art „Anwachsungsrecht“ zugunsten des überlebenden Wohnungseigentumspartners vorsieht, sowie bezüglich anerbenrechtlicher Regelungen für in Österreich gelegene Bauerngüter19. Der Nachlasserwerb, der bei Qualifikation nach österreichischem Sachrecht die Erb(antritt)serklärung, die Einantwortung und die Haftung für Nachlassschulden20 umfasst, ist bei Verlassenschaftsabhandlung in Österreich gemäß der Exklusivnorm des § 28 Abs 2 IPRG nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen. Dazu gehören aufgrund des funktionalen Zusammenhanges auch Nachlassinsolvenz und Nachlassseparation21. Hinsichtlich unbeweglicher Nachlasssachen gilt der Grundsatz „Einzelstatut (Liegenschaftsstatut) bricht Gesamtstatut (Erbstatut)“: Gemäß § 32 IPRG richtet sich bei jedweder Erbfolge – unabhängig vom Personalstatut des Erblassers – der Erwerb dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen nach dem Recht des Belegenheitsorts. Dabei ist unter „Erwerb“ iSd § 31 IPRG nur der sachenrechtliche Erwerbsmodus (Verfügungsgeschäft) zu verstehen. Die kollisionsrechtliche Beurteilung der Voraussetzungen des Erbrechtstitels richtet sich wiederum nach §§ 28 ff IPRG. Im Anwendungsbereich des § 28 Abs 2 IPRG gilt dies auch für bewegliche Sachen.
C. „Kaduzitätsstatut“ 12/5 Besonderes ordnet das Gesetz für die Anknüpfung des Heimfallsrechts des Staates im Falle einer erblosen Verlassenschaft an, indem es in § 29 IPRG ein eigenes Kaduzitätsstatut vorsieht22. Nicht dem Erbstatut, sondern dem Sonderstatut des § 29 IPRG folgt der Erwerbstitel für den Nachlass, der nach dem im § 28 IPRG bezeichneten Recht erblos wäre bzw einer „Gebietskörperschaft“23 als gesetzlichem Erben zufallen würde. Zur An17 18 19 20 21
BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2009/25. IdF BGBl I 2006/124; zu § 10 WEG 1975, vgl OGH IPRax 1993, 255 (Reichelt, 257). OGH SZ 2003/44 = JBl 2003, 940. OGH ZfRV 1997, 80/27. § 812 ABGB; vgl OGH ZfRV 1988, 132 = IPRax 1988, 36 (Schwind, 45): Pflichtteilsanspruch und Haftung unterlagen verschiedenem (deutschem bzw österr) Recht; OGH ZfRV 1989, 153 (Zemen); vgl auch OGH ZfRV 1990, 306 (Zemen): Rechtsnatur des Gattenanteilsrechtes („giftorätt“) nach finnischem Recht. 22 Vgl OGH ZfRV 1997, 35 (krit Hoyer). 23 Dieser Begriff ist weit zu interpretieren: OGH EvBl 1986/12 = NZ 1987, 68 = ZfRV 1985, 214 (Hoyer).
108
Verfügungen von Todes wegen
§ 12
wendung kommt in einem solchen Fall „das Recht jeweils des Staates, in dem sich Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes befindet“. Durch die Berufung der jeweiligen lex rei sitae wird dem teilweise öffentlichrechtlichen Charakter dieser Art von Sondererbfolge Rechnung getragen (Okkupationsprinzip)24.
D. Verfügungen von Todes wegen Gemäß § 30 IPRG sind die Testierfähigkeit eines letztwillig Verfügenden 12/6 und die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung, eines Erbvertrages oder eines Erbverzichts nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt der betreffenden Rechtshandlung oder, soweit diese danach unwirksam wäre, nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen25. Getrennt beurteilt werden die entsprechenden Formerfordernisse, wobei die Anknüpfung der Testamentsform nach dem Haager Testamentsübereinkommen erfolgt26, während für Erbverzicht und Erbvertrag die allgemeine Formvorschrift des § 8 IPRG gilt. Das Haager Testamentsübereinkommen ersetzt nach seinem Art 6 als loi 12/7 uniforme, dh ohne Gegenseitigkeitserfordernis und Sachverhaltsbeziehung zu Vertragsstaaten, das betreffende nationale Kollisionsrecht. Demnach ist ein Testament formgültig, wenn es die Formerfordernisse einer Rechtsordnung erfüllt, zu der eine Anknüpfung besteht. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Testament in dem einen oder anderen Staat, in dem es sich auswirken soll, formungültig ist. Zugleich soll ermöglicht werden, dass eine Person durch ein einziges Testament über ihr in verschiedenen Staaten gelegenes Vermögen formgültig verfügt. Nach Art 1 TestÜ ist das Testament formgültig, wenn seine Form dem „innerstaatlichen Recht“27 des Errichtungsortes, oder eines Staates, dessen Staatszugehörigkeit der Erblasser zur Zeit der Testamentserrichtung oder seines Todes besaß, oder des Ortes, in dem der Erblasser zur Zeit der Testamentserrichtung oder seines Todes seinen Wohnsitz oder seinen ge-
24 Vgl auch OGH ZfRV 1985, 131 (Hoyer). 25 Zur kollisionsrechtlichen Einordnung der Schenkung bzw des Auftrages auf den Todesfall, ob erb- oder schuldrechtliche Anknüpfung, vgl OGH ZfRV 1989, 51 (Zemen). Nach hA sind Erbschaftskauf und Erbschaftsschenkung schuldrechtlich zu qualifizieren; vgl Schwimann in Rummel3 § 30 IPRG Rz 3. 26 Haager Testamentsübereinkommen (TestÜ), BGBl 1963/295. 27 Art 1 TestÜ ordnet somit eine Sachnormverweisung an.
109
§ 12
Erbrecht
wöhnlichen Aufenthalt hatte, oder für unbewegliches Vermögen der lex rei sitae entspricht. Dasselbe gilt gemäß Art 2 TestÜ für den Widerruf einer testamentarischen Verfügung und gemäß Art 4 des Übereinkommens für gemeinschaftliche Testamente. Für das Übereinkommen ist ein weites Verständnis des Formbegriffs charakteristisch, da gemäß seinem Art 5 auch diejenigen Vorschriften, welche die Testamentsform in Bezug auf das Alter, die Staatsangehörigkeit oder andere persönliche Eigenschaften beschränken28 sowie die Vorschriften über Eigenschaften der Testamentszeugen29 als „zur Form gehörend“ angesehen werden und daher in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Gemäß Art 7 TestÜ darf die Anwendung eines durch das Übereinkommen für maßgebend erklärten Rechts nur abgelehnt werden, „wenn sie mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist“.
28 Vgl §§ 566 ff ABGB; dazu OGH NZ 1988, 103 = IPRax 1988, 365 (Schwind, 375). 29 Vgl §§ 591 ff ABGB.
110
§ 13. Sachenrecht und Immaterialgüterrecht A. Allgemeines Nach der älteren Auffassung unterstanden „dingliche Rechte“ an unbe- 13/1 weglichen Sachen dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae), während jene an beweglichen Sachen „mit der Person des Eigentümers unter gleichen Gesetzen“ standen1. Entgegen dem Wortlaut des § 300 aF ABGB folgte jedoch die österreichische Lehre und Praxis gleichwohl schon lange vor dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes der neueren Auffassung, wonach das am Lageort festgemachte Realstatut grundsätzlich für das gesamte Sachenrecht Geltung hat. Sie tat dies mit gutem Grund, würde doch die Nichtanwendung der inländischen Vorschriften über Veräußerung, Verpfändung usw auf inländische bewegliche Sachen zu Ergebnissen führen, die sachenrechtlichen Grundprinzipien (vor allem dem Publizitätsprinzip und dem Typenzwang) und somit dem (positiven) ordre public widersprächen. In § 31 IPRG ist denn auch nur die bewährte Praxis der Anknüpfung dinglicher Rechte gesetzlich festgeschrieben worden. Manche Fragen blieben allerdings offen, zB jene über das Schicksal unkörperlicher Sachen, der res in transitu, der dinglichen Rechte an einem grenzüberschreitenden Kraftfahrzeug uam.
B. Grundregel, Ausnahmen und Grenzen Gemäß § 31 Abs 1 IPRG sind Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an 13/2 körperlichen Sachen nach dem Recht des Staates zu beurteilen, „in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhalts befinden“2. Die Regel gilt für alle Sachenrechte, also
1 So noch der seit Inkrafttreten des IPRG aufgehobene § 300 ABGB. 2 Auch die Form der Eigentumsübertragung ist dem Recht des Lageortes unterstellt: OGH JBl 1992, 791; vgl auch OGH JBl 1992, 792 (Schwimann) = NZ 1992, 230 (Hofmeister).
111
§ 13
Sachenrecht und Immaterialgüterrecht
für das Eigentum und das Wohnungseigentum, für das Pfand- und das (drittwirksame) Retentionsrecht gemäß § 471 ABGB, für das Baurecht nach dem Baurechtsgesetz sowie aufgrund ausdrücklicher Anordnung auch für den Besitz. Für Dienstbarkeiten und Reallasten ist das Statut der belasteten Sache maßgebend. § 31 Abs 2 IPRG stellt überdies klar, dass die rechtliche Gattung der Sachen und der Inhalt der Sachenrechte ebenfalls nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem sich die Sachen befinden. Demnach wären auch nachbarrechtliche Abwehransprüche, zB gegen grenzüberschreitende Immissionen, nach dem Recht am Ort der beeinträchtigten Liegenschaft zu beurteilen3. 13/3 Entschädigungslose Konfiskation und Enteignung gegen Entschädigung von beweglichen und unbeweglichen Sachen richten sich nach dem Recht des Staates, in dem das enteignete Gut liegt. Befand sich konfisziertes Vermögen einer juristischen Person zur Zeit der Konfiskation außerhalb des Sitzstaates, wird es nicht von der Einziehung erfasst, während sich die Enteignung auch auf außerhalb des Hoheitsgebietes des Sitzstaates belegene Vermögenswerte erstreckt4. Es wäre mit dem österreichischen ordre public unvereinbar, gewesen, hätten sich die Wirkungen von Konfiskationen, wie sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs allenthalben in einigen der Österreich unmittelbar benachbarten Staaten erfolgten, auf Vermögenswerte erstreckt, die sich auf österreichischem Hoheitsgebiet befanden bzw befinden. Rückstellungsansprüche wegen Vermögensentziehung richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem die Entziehung erfolgte, doch sind in diesem Zusammenhang zahlreiche von Österreich bilateral abgeschlossene Rückstellungs- und Entschädigungsabkommen5 zu beachten6. 13/4 Getrennt anzuknüpfen ist die Frage der persönlichen Erwerbsfähigkeit, für die das Personalstatut maßgebend ist. Ebenso sind Fragen der rechtsgeschäftlichen Vertretung von der Anknüpfung an das Realstatut ausgenommen. Sie sind nach § 49 IPRG anzuknüpfen. Die Form dinglicher Verfügungen folgt hingegen der lex rei sitae. Klar unterschieden werden muss 3 Dazu Lux, Kollisionsrechtliche Probleme bei grenzüberschreitenden Immissionen, RdU 1995, 108, 161. 4 OGH JBl 1987, 588. 5 Übersicht bei Verschraegen in Rummel3 § 31 IPRG Rz 59. 6 Hinsichtlich des in jüngerer Zeit stärker beachteten Kulturgüterschutzes, vgl BG zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern, BGBl I 1998/67 idF BGBl I 2003/112.
112
Statutenwechsel und Anerkennung fremder dinglicher Rechte
§ 13
ferner zwischen dem dinglichen Verfügungsgeschäft und dem obligatorischen Verpflichtungsgeschäft sowie zwischen der Hypothek und der dadurch gesicherten Forderung, da für das Verpflichtungsgeschäft das Schuldstatut gilt. Für die Frage der Wirksamkeit eines Schenkungsvertrages über in Italien gelegene Liegenschaftsanteile ist daher das Schuldstatut maßgebend7. Als Vermögensobjekte zählen Forderungen aber zu den beweglichen Sachen. Sie sind als am (Wohn-)Sitz des (Dritt-)Schuldners belegen anzusehen8, während die Belegenheit von Gesellschaftsanteilen (Aktien) am tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft anzunehmen ist.
C. Statutenwechsel und Anerkennung fremder dinglicher Rechte Es gehört zum Wesen beweglicher Sachen, dass ihr Lageort verändert wer- 13/5 den kann. Da sich der Erwerb und Verlust einer beweglichen Sache gemäß § 31 Abs 1 IPRG nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem sie sich zu jener Zeit befand, zu der sie erworben oder verloren wurde, ändert sich an der sachenrechtlichen Zuordnung durch den Wechsel des Lageortes in einen anderen Staat nichts, wenn die Übertragung des dinglichen Rechts schon abgeschlossen war. Solange der sachenrechtliche Tatbestand nicht abgeschlossen ist, bewirkt die Ortsverlagerung einer Sache von einem Staat in einen anderen jedoch eine einem Statutenwechsel vergleichbare Veränderung, da sie in sachenrechtlicher Hinsicht in das neue maßgebende Recht eintritt. Die Beurteilung der rechtlichen Gattung der Sachen und die Anerkennung des Inhalts von dinglichen Rechten, die nach dem Recht des bisherigen Lageorts erworben bzw begründet wurden, richten sich dann gemäß § 31 Abs 2 IPRG nach dem Recht des neuen Belegenheitsorts, und zwar mit „heilender“ Wirkung9, oder aber, wie die Widerstandskraft der österreichischen Sachenrechtsordnung gegenüber deutschem – besitzlosen – Sicherungseigentum beweist, mit „vernichtender“ Wirkung10. 7 Vgl OGH EvBl 1985/117 = ZfRV 1986, 226 (Hoyer) = IPRax 1986, 175 (Schwind, 191). 8 Das ist aus § 1 IPRG zu folgern, vgl auch § 905 Abs 1 ABGB. 9 Vgl OGH RdW 1987, 405 = ÖBA 1987, 930: Ein Eigentumsvorbehalt, der nach schweizerischem Recht mangels Registereintragung unwirksam ist, wird nach Grenzübertritt des Vorbehaltsgutes in die österr Rechtsordnung nach deren Regeln wirksam; vgl hinsichtlich des Eigentumsvorbehalts auch OGH JBl 1992, 707. 10 Vgl OGH SZ 56/188 = JBl 1984, 550 (Schwimann) = IPRax 1985, 165 (Martiny, 168); dazu auch Hoyer, Sind Sicherungseigentum und Pfandrecht gleich zu behandeln? JBl 1984, 543; LG Linz JBl 1989, 185: In beiden Fällen wurde die Frage verneint, ob ein an einem Kfz in Deutschland zulässigerweise begründetes besitzloses Sicherungseigentum nach Lageortwechsel des Sicherungsgutes in das Inland durch Exzindierungsklage gel-
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D. „Einzelstatut bricht Gesamtstatut“ 13/6 § 32 IPRG normiert den alten kollisionsrechtlichen Satz vom Einzelstatut, welches das Gesamtstatut „bricht“: Demnach ist für dingliche Rechte – und nur für diese – an einer unbeweglichen Sache unabhängig davon, ob diese im Inland oder im Ausland belegen ist, das Realstatut auch dann maßgebend, wenn diese Rechte in den Anwendungsbereich einer anderen inländischen Verweisungsnorm fallen, wofür insbesondere §§ 19, 27c und 28 IPRG in Frage kommen: Der Vorrang des Realstatuts gilt eben vor allem im Verhältnis zum Güterrechtsstatut von Eheleuten und eingetragenen Partnern und zum Erbstatut.
E. Sonderprobleme 1. Verkehrsmittel und Sachen auf dem Transport 13/7 Besondere Anknüpfungsprobleme bereiten Sachen auf dem Transport (res in transitu) und Transportmittel. Wegen der Zufälligkeit ihres jeweiligen Aufenthalts und der Flüchtigkeit ihrer Berührung mit dem Transitland ist auf derartige Sachen grundsätzlich nicht das Recht des Transitlandes anzuwenden. Vielmehr richten sich dingliche Rechte an einer res in transitu nach dem Recht des Bestimmungsortes, während für Transportmittel das Recht des Staates, zu dem sie in dauernder Beziehung stehen, maßgebend ist. Die lex rei sitae greift aber wieder durch, wenn eine res in transitu oder ein Transportmittel am augenblicklichen Aufenthaltsort festgehalten, zB gepfändet wird11. Für bestimmte Verkehrsmittel trifft jedoch § 33 Abs 1 IPRG eine ausdrückliche Regelung: Dingliche Rechte an registrierten Wasser- und Luftfahrzeugen unterliegen demnach dem Recht des Registrierungsstaates. Bezüglich dinglicher Rechte an Eisenbahnfahrzeugen entscheidet nach dieser Vorschrift das Recht des tatsächlichen Sitzes der Hauptverwaltung des Unternehmens. Gemäß § 33 Abs 2 IPRG werden jedoch gesetzlich oder zwangsweise begründete Pfandrechte sowie gesetzliche Zurückbehaltungsrechte an diesen Verkehrsmitteln, die der Sicherung von Ansprüchen auf Ersatz der durch das Fahrzeug verursachten Schäden oder von Auf-
tend gemacht werden könne. Vgl die Lösung des Art 102 Abs 2 schweizIPRG („. . . so bleibt der Eigentumsvorbehalt in der Schweiz noch während drei Monaten gültig“). 11 Vgl § 33 Abs 2 IPRG.
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Sonderprobleme
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wendungen dienen, die für das Fahrzeug getätigt wurden, wiederum nach der allgemeinen lex rei sitae-Regel beurteilt.
2. Wertpapiere Mit dem Inkrafttreten des Finanzsicherheiten-Gesetzes12 am 1.12.2003 ist 13/8 auch § 33a IPRG in Kraft getreten13. Diese Verweisungsnorm bezieht sich auf „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“, worunter am Kapitalmarkt handelbare und vertretbare Wertpapiere wie Aktien, Anleihen, Derivate oder Optionsanleihen zu begreifen sind. Für diese hat die Finanzsicherheiten-Richtlinie14 in ihrem Art 9 die Regel aufgestellt, dass dingliche Rechte an derartigen Wertpapieren nach dem Recht des Landes zu beurteilen sind, in dem das maßgebliche Konto geführt wird, und § 33a IPRG hat diese Regel unter Übernahme des relevanten Wortlauts in das österreichische Recht umgesetzt. Schon zuvor ist mit § 18 des am 10.12.199915 in Kraft getretenen so genannten „Finalitätsgesetzes“ ein „Sicherungssonderstatut für Wertpapiere“16 geschaffen worden. Danach kommt auf dingliche Rechte an Wertpapieren, die Teilnehmern oder einer Zentralbank eines Vertragsstaates des EWR-Abkommens oder der Europäischen Zentralbank im Rahmen eines Systems zur Besicherung von Verbindlichkeiten eingeräumt wurden, „1. wenn die Rechte durch Eintragung in einem Register in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens entstanden sind, das Recht dieses Staates; 2. wenn die Rechte durch Verbuchung bei einem zentralen Verwahrsystem entstanden sind, das in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens einge12 Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten – FinSG, BGBl I 2003/117. 13 Über Zweck und normativen Hintergrund des § 33a IPRG, vgl Verschraegen in Rummel3 § 33a IPRG Rz 1 ff; Schacherreiter, Das neue österreichische Kollisionsrecht des Effektengiroverkehrs, ÖBA 2005, 336. 14 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG L 168 vom 27.6.2002, 43. 15 Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finalitätsgesetz) BGBl I 1999/123, Artikel II; zuletzt geändert durch BGBl I 2002/75; in Umsetzung der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen („Finalitäts-RL“) ABlEG L 166 vom 11.6.1998, 45, nunmehr geändert durch Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.5.2009 zur Änderung der Richtlinie 98/ 26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABlEU L 146 vom 10.6.2009, 37. 16 Dazu Verschraegen in Rummel3 § 33a IPRG Rz 11 ff.
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richtet ist, das Recht dieses Staates; 3. wenn die Rechte durch Verbuchung auf einem Konto in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens entstanden sind, das Recht dieses Staates“ zur Anwendung.
F. Immaterialgüterrechte 13/9 Immaterialgüterrechte17 werden unabhängig davon, ob es sich um Urheberrechte an Werken der Literatur, der Kunst oder an Geschmacksmustern, oder um gewerbliche Schutzrechte wie Patent-, Marken- oder Gebrauchsmusterrechte handelt, nach dem Grundsatz der Territorialität behandelt; dh, dass sich die Wirkungen und der Schutz der Rechte grundsätzlich nur auf das Territorium des verleihenden Staates beschränken. Bei Immaterialgüterrechten, die im Ausland entstanden sind, kommt es darauf an, ob Gegenseitigkeit verbürgt ist. Den sich durch die nationale Regelungsvielfalt für die im Ausland entstandenen Immaterialgüterrechte ergebenden Problemen begegnen die zahlreichen einschlägigen internationalen Übereinkommen, indem sie die Gleichbehandlung der fremden mit den inländischen Rechtsinhabern vorsehen18. Innerhalb der Europäischen Union steht einer Ungleichbehandlung von Immaterialgüterrechten, je nachdem ob sie im Inland oder im Ausland entstanden sind, das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV entgegen19. Zu beachten sind auch die europäischen Rechtsvereinheitlichungs- und Rechtsangleichungsbemühungen auf dem Gebiet des materiellen Urheberrechts und Gewerblichen Rechtsschutzes, die mit der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke20 ein für die Praxis überaus bedeutsames Schlüsseldokument, weitere Verordnungen zuletzt 17 Von diesem weitgespannten, vom IPRG vorausgesetzten Begriff erfasst werden subjektive, vermögenswerte Rechte an geistigen Schöpfungen oder unkörperlichen Gütern, die gewerblich verwertbar sind. 18 Grundsatz der „Inländerbehandlung“; vgl Welturheberrechtsabkommen in der Pariser Fassung – WUA, BGBl 1982/293, Art 2 (nahezu weltweite Akzeptanz); Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst in der Pariser Fassung – RBÜ, BGBl 1982/319, Art 5 Abs 1 (ebenfalls nahezu weltweite Geltung). Zu Abgrenzungsfragen beider Abkommen OGH GRURInt 1985, 684 – Thonet „Mart-Stam-Stuhl“. Ferner: Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums – PVÜ, BGBl 1973/399 idF BGBl 1984/384, Art 2 (nahezu weltweite Geltung); sowie Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1955/55, Art 14 (Land des gewöhnlichen Aufenthaltes ist Schutzland). Übersicht über die relevanten bilateralen und multilateralen Vereinbarungen bei Verschraegen in Rummel3 § 34 IPRG vor Rz 1. 19 Für das Urheberrecht, vgl EuGH 20.10.1993, Rs C-92/92 & C-326/92 – Phil Collins, Slg 1993 I-5154. 20 ABlEG L 11 vom 14.1.1994, 1.
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im Lebensmittelbereich21 und noch eine Reihe von Richtlinien zu Teilbereichen des Urheberrechts22 hervorgebracht haben. Kollisionsrechtlich wird den (international) vorgegebenen Grundsätzen durch die sogenannte Schutzlandanknüpfung Rechnung getragen. So auch in Österreich durch § 34 Abs 1 IPRG, wonach „das Entstehen, der Inhalt und das Erlöschen von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Staates beurteilt wird, in dem eine Benützungs- oder Verletzungshandlung gesetzt wird“23. Bei zutreffender Interpretation ist dies das Recht des Staates, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird24. Werden urheberrechtliche Verletzungshandlungen in mehreren Staaten begangen, ist gemäß § 34 Abs 1 IPRG bei der rechtlichen Beurteilung an so viele Rechtsordnungen anzuknüpfen, wie es Schutzländer gibt25. Mit Franchiseverträgen in Zusammenhang stehende firmen- bzw markenrechtliche Unterlassungsansprüche richten sich nicht nach dem Wettbewerbsstatut, sondern nach dem Immaterialgüterrechtsstatut des § 34 Abs 1 IPRG26. Besondere kollisionsrechtliche Fragen ergeben sich im Zusammenhang mit 13/10 Immaterialgüterrechten durch Satellitenfernsehen und die in rascher 21 Verordnung (EG) Nr. 509/2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, ABlEU L 93 vom 31.3.2006, 1; Verordnung (EG) Nr. 510/2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABlEU L 93 vom 31.3.2006, 12. 22 Zu erwähnen sind insb: Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABlEG L 122 vom 17.5.1991, 42; Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29.10.1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, ABlEG L 290 vom 24.11.1993, 9; Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABlEG L 167 vom 22.6.2001, 10; Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABlEU L 195 vom 2.6.2004, 16; zuletzt Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) ABlEU L 299 vom 8.11.2008, 25. 23 Für Parteiautonomie ist bei der Anknüpfung von Immaterialgüterrechten nach dem IPRG kein Raum. 24 Vgl OGH SZ 52/114 – „Parallelimporte“ von Schallplatten und anderen Tonträgern; OGH SZ 56/107 – Attco/Atco: Markeneingriff, Österreich/Saudiarabien; ähnlich OGH ÖBl 1987, 41 – Baygon: Markenpiraterie; OGH ÖBl 1986, 92 – Ferrox/Noverox: § 9 UWG, § 14 MSchG; OGH SZ 59/100 – Hilton Conti: Hotelvideo: Rechte US-amerikanischer Filmgesellschaften sind in Österreich nach dem österr UrhG geschützt; vgl ferner OGH wbl 1992, 241 = ZfRV 1992, 382/46; ZfRV 1994, 73/12 = RdW 1994, 106; ZfRV 1994, 122/23 = RdW 1994, 245; ZfRV 1996, 197/62 = ÖBl 1996, 279; zuletzt ZfRV 2006/29, 197. 25 OGH ZfRV 2006/29, 197. 26 OGH SZ 60/77 = wbl 1987, 188 = IPRax 1988, 242 – Stefanel (Schlemmer, 252); OGH ZfRV 1994, 208/45; vgl auch Art 110 Abs 1 schweizIPRG.
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Entwicklung begriffenen modernen Telekommunikationstechniken. Während die österreichischen Gerichte27 zunächst vertraten, dass bei TVSendungen durch einen Direktsatelliten die urheberrechtliche Benutzungshandlung in allen jenen Ländern, in denen die Sendung bestimmungsgemäß empfangen werden kann, erfolgt28, wurde durch Art 1 Abs 2 lit b) der Satellitenrundfunk-Richtlinie das so genannte „Sendelandprinzip“ EWR-weit normativ verankert, wonach die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur in dem Mitgliedstaat stattfindet, in dem die Signale in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, das heißt, von dem aus gesendet wird29. Die sog „Satelliten-TV-Richtlinie“30 will, wie in der Präambel ausdrücklich angesprochen31, die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt verhindern. In Österreich wurde die Richtlinie durch die UrhG-Nov 1996 umgesetzt32. § 17b Abs 1 UrhG bestimmt nun, dass die dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung grundsätzlich nur in dem Staat stattfindet, von dem aus die Signale an den Satelliten gesendet werden. Die Erteilung einer Werknutzungsbewilligung für diesen Staat ist nunmehr ausreichend. Damit war die ältere Rechtsprechungspraxis des OGH nicht mehr aufrechtzuerhalten. Um der Gefahr der Abwanderung von Sendeanstalten in Länder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes mit seinem angeglichenen Schutzstandard vorzubeugen, ist in § 17b Abs 2 und 3 UrhG vorgesehen, dass auf eine Sa-
27 OLG Wien JBl 1990, 386; OGH ÖBl 1992, 185 = MR 1992, 194 (Walter) = ZfRV 1993, 160 (Dillenz). 28 Bei einer gezielten Sendung ins Ausland war nach dieser Judikatur daher das Senderecht für jedes Empfangsland (von dem dort Berechtigten) zu erwerben, da die Erteilung einer Werknutzungsbewilligung für das Land, in dem sich die Abstrahlstation befindet, nicht ausreichte. Die „Schutzlandanknüpfung“ wird in der Regel zur Anwendung der lex fori führen, zwingend ist dieser Gleichlauf jedoch nicht. Die Rechtswahl durch die Parteien ist hier unzulässig, dies ergibt sich bereits aus der taxativen Aufzählung der Rechtswahlgebiete des § 11 Abs 1 IPRG und auch aus dem besonderen Schutzcharakter des objektiv jeweils anzuwendenden Rechts; vgl OGH ÖBl 1986, 73 – Hotel Sacher: Anwendung deutschen Rechts unter Ausschluss einer allfälligen Rechtswahl bei firmen- und markenrechtlichem Schutz; das Recht an der Firma als dem „Handelsnamen“ des Kaufmanns ist in einem weiteren Sinn zu den Immaterialgüterrechten zu zählen; vgl in diesem Zusammenhang Art 110 Abs 2 schweizIPRG, wonach eine Wahl der lex fori möglich ist. 29 Nicht übersehen werden darf hier, dass diese Regelung gesetzestechnisch keine Kollisionsregel, sondern nur eine Begriffsbestimmung im materiellen Recht ist. 30 Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27.9.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABlEG L 248 vom 6.10.1993, 15. 31 Erwägungsgrund 14. 32 BGBl 1996/151; dazu Gamerith, Die wichtigsten Änderungen der Urheberrechtsgesetznovelle 1996, ÖBl 1997, 99.
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Immaterialgüterrechte
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tellitensendung kein Recht mit geringerem Schutzniveau als jenem der Satelliten-TV-Richtlinie anzuwenden ist, sofern sich der Lageort der Erdfunkstation von der aus die Programm tragenden Signale an den Satelliten geleitet werden oder die Hauptniederlassung des diese Signale eingebenden Rundfunkunternehmers in einem Mitgliedstaat des EWR befindet33. Verträge über Immaterialgüterrechte, die vor dem 1.12.1998 abge- 13/11 schlossen worden waren, wurden nach dem international-vertragsrechtlichen Sonderstatut des § 43 aF IPRG beurteilt, nach dem auf das Recht des Staates, für den das Immaterialgüterrecht übertragen oder eingeräumt wird, abgestellt wurde34. Es war schon fraglich, ob dieser Grundsatz auch noch nach dem Anknüpfungsregime des EVÜ gelten konnte und da auch die Rom I-Verordnung keine besondere Verweisungsnorm für Verträge über Immaterialgüterrechte vorsieht35, ergibt sich das Problem auch hier. Art 4 Abs 2 Rom I-VO, der die subsidiäre Anknüpfung an das Recht der charakteristischen Leistung vorsieht, ist demnach wohl auch auf einen Vertrag über Immaterialgüterrechte anzuwenden. So wird sich hier grundsätzlich das Aufenthalts- bzw Niederlassungsrecht des das Recht übertragenden Berechtigten als maßgeblich herausstellen36.
33 Vgl dazu Art 1 Abs 2 lit d) Satelliten-TV-RL. 34 Das IPRG stand also auf dem Boden des Schutzlandprinzips; vgl die „Stefanel“-Entscheidung, OGH SZ 60/77 = IPRax 1988, 242 (Schlemmer, 252): Das Schwergewicht des Franchisevertrages lag (bei gleichzeitig straffer Bindung an die Organisation des Franchisegebers) in der Einräumung von Immaterialgüterrechten an den Franchisenehmer, so dass das Dauerschuldverhältnis selbst nach § 43 Abs 1 aF IPRG zu beurteilen war. Bei mehrere Staaten umfassenden Lizenzen entschied im Übrigen der gewöhnliche Aufenthalt (Niederlassung) des Lizenznehmers. 35 Vgl dazu nur Reithmann/Martiny (Hrsg), Internationales Vertragsrecht7 (2010) Rz. 1781–1783. 36 Eine Anknüpfung über die „charakteristische Leistung“ ist problematisch, weil dies in der Regel zur Anwendung des Rechts jenes Staates führen muss, in dem derjenige, der Rechte entgeltlich überträgt oder deren Benützung einräumt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw seine Niederlassung hat. Damit ist häufig eine Trennung von Schutzlandrecht (nach welchem Entstehung, Inhalt, Wirkung und Erlöschen von Immaterialgüterrechten beurteilt werden) und Vertragsstatut verbunden. Nach Martiny kann aber – wenn dem Lizenznehmer im Vertrag eine besondere Stellung eingeräumt wird – der Aspekt der Verwertung betont und hierin eine „Schwerpunktverlagerung“ in der charakteristischen Leistung erblickt werden. Ob auch in der Ausweichklausel des Art 4 Abs 3 Rom I-VO eine Grundlage für die Anknüpfung nach dem sachlich angemessenen Schutzlandprinzip gefunden werden kann, ist fraglich. Lässt doch die im Verordnungsvorschlag der Kommission vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg, aufgenommene, jedoch im endgültigen Text der Verordnung Rom I nicht vorgesehene Anknüpfungsregel „für Verträge über Rechte an geistigem Eigentum oder gewerbliche Schutzrechte“, die das Recht des Staats für maßgebend erklärt, „in dem die Person, die diese Rechte überträgt oder zur Nutzung überlässt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“, auf eine Präfe-
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13/12 Immaterialgüterrechte, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers stehen, wie Arbeitnehmererfindungen oder literarische Werke der Angestellten von Rundfunkanstalten, richten sich im Innenverhältnis nach dem für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Recht. § 34 Abs 2 IPRG hatte hier – offensichtlich aufgrund eines Redaktionsfehlers – auch nach Inkrafttreten des EVÜ auf die seit 1.12.1998 aufgehobene Norm des § 44 verwiesen. Nach Streichung des Klammerausdrucks „(§ 44)“ durch das Bundesgesetz zur Änderung des IPR-Gesetzes37 ist in dieser Bestimmung nunmehr eine Verweisung auf Art 8 Rom I-VO zu sehen, der primär auf das Recht des Arbeitsortes abstellt, gleichwohl auch eine eingeschränkte Rechtswahl eröffnet38.
renz des Gemeinschaftsgesetzgebers für das Recht der charakteristischen Leistung auch für diese Verträge schließen. 37 BGBl I 2009/109, Art 1 Z 1. 38 Vgl Rz 15/17.
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§ 14. Rechtsgeschäft A. Allgemeines Für den materiell-rechtlichen Systembegriff „Rechtsgeschäft“, den das 14/1 ABGB im Zuge der 3. Teilnovelle 1916 aus dem BGB übernommen hat, sieht das österreichische IPRG kein allgemeines Statut vor. Über die Gültigkeit, insbesondere auch über die Frage allfälliger Willensmängel und die Wirkung eines Rechtsgeschäfts entscheidet je nachdem, ob es sich um ein Geschäft des Personenrechts, Familienrechts, Erbrechts, Sachenrechts oder Schuldrechts, allenfalls auch des Unternehmensrechts handelt, das für das jeweilige Teilrechtsgebiet vorgesehene Sachstatut. Wie dargetan, bestimmt das gegenwärtig primär an der Staatsangehörigkeit festgemachte Personalstatut die personen-, familien- und erbrechtlichen Rechtsgeschäfte und sind sachenrechtliche Verfügungen nach der lex rei sitae zu beurteilen. Für schuldrechtliche Rechtsgeschäfte kommt dagegen auch nach der Rom I-Verordnung der Europäischen Union, die diese Materie nunmehr kollisionsrechtlich regelt, primär die Rechtswahl durch die Parteien in Betracht. Bei Unterbleiben der Rechtswahl hat die objektive Anknüpfung nach den einschlägigen Verweisungsnormen zu erfolgen, die für Verträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden, noch nach dem EVÜ vorzunehmen ist1. Im Zuge der kollisionsrechtlichen Einordnung von Rechtsgeschäften sind bestimmte Tatbestandselemente vom jeweiligen Geschäftsstatut getrennt anzuknüpfen. So ist für die Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit gemäß § 12 IPRG durchwegs das Personalstatut maßgebend. Während sich im IPRG keine ausdrückliche Regel für die Anknüpfung der Verjährung, Verschweigung, Verwirkung oder Ersitzung findet, sind besondere Kollisionsnormen in § 8 IPRG für die Form von „Rechtshandlungen“ und in § 49 IPRG für die „gewillkürte Stellvertretung“ vorgesehen. Während in
1 Art 28 Rom I-VO.
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§ 14
Rechtsgeschäft
die Rom I-Verordnung2 Bestimmungen über die Anknüpfung der Formfrage aufgenommen wurden, ist „die Frage, ob ein Vertreter die Person, für deren Rechnung er zu handeln vorgibt, Dritten gegenüber verpflichten kann, oder ob ein Organ einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer anderen juristischen Person diese Gesellschaft, diesen Verein oder diese juristische Person gegenüber Dritten verpflichten kann“, aber aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen3, so dass auch weiterhin ein Anwendungsbereich für § 49 IPRG verbleibt4.
B. Form 14/2 Für die Form einer Rechtshandlung, somit auch eines Rechtsgeschäfts, ist eine alternative Anknüpfung in § 8 IPRG vorgesehen, der allerdings im Hinblick auf schuldrechtliche Rechtsgeschäfte durch einschlägige Normen in den Europäischen Instrumenten verdrängt wird5. Grundsätzlich ist gemäß § 8 IPRG an das „Geschäftsrecht“, das ist das unter Beachtung von Rück- und Weiterverweisung für das Ausführungsgeschäft maßgebende Statut – die lex causae – anzuknüpfen, doch gilt darüber hinaus alternativ das „Ortsrecht“, also das Recht des Ortes der Vornahme der Rechtshandlung, und zwar je nachdem, welches für die Gültigkeit des Geschäfts günstiger ist6. Zwischen den beiden Anknüpfungsmöglichkeiten des § 8 IPRG besteht keine Rangordnung7, vielmehr stehen die lex causae und die lex loci actus gleichberechtigt nebeneinander8. Die Verweisung auf die Formvorschriften des Ortsrechts im zweiten Halbsatz des § 8 IPRG ist eine Sachnormverweisung. Was zur Form im Sinne des § 8 IPRG gehört, ist zunächst auf dem Boden der österreichischen lex fori zu lösen. Im Rahmen weiterer (funktioneller) begrifflicher Grenzziehung ist eine Formvorschrift anzunehmen, wenn diese den typischen Formzwecken, insbesondere der Beweissicherung und dem Schutz vor unüberlegten Geschäften, dient und keinen Entschei2 Art 11 Rom I-VO; vgl auch Art 21 Rom II-VO über die Anknüpfung der Form einer einseitigen Rechtshandlung, die ein außervertragliches Schuldverhältnis betrifft. 3 Art 1 Abs 2 lit g) Rom I-VO. 4 Von einer Verweisungsnorm für „Vertreterverträge“, die der Vorschlag für die Rom I-VO vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg, in Art 7 vorgesehen hatte, der für das Verhältnis des Vertretenen zum Vertreter und vom Vertreter zum Dritten Sonderanknüpfungen vorsah, wurde Abstand genommen. 5 Vgl Art 11 Rom I-VO, dazu Rz 15/22; Art 21 Rom II-VO, dazu Rz 15/37. 6 Vgl Rz 7/7. 7 Obwohl die Formulierung „es genügt“ dies nahe legen könnte. 8 Vgl OGH SZ 59/27.
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Form
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dungscharakter hat9. Bei Distanzgeschäften, die zwischen Abwesenden geschlossen werden, ist jede der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen kollisionsrechtlich getrennt zu beurteilen; bezüglich der Formgültigkeit ist somit für jeden Vertragsteil dessen eigenes Ortsrecht maßgeblich10. Kollisionsrechtliche Sondervorschriften verdrängen § 8 IPRG. So gilt für 14/3 die Form der Eheschließung im Inland die Regel des § 16 Abs 1 IPRG, welche die lex loci celebrationis, also das Recht des Eheschließungsortes, monopolisiert. Auch für die Form letztwilliger Verfügungen, deren Anknüpfung sich nach dem Haager Testamentsübereinkommen11 bzw hinsichtlich von Erbvertrag und Erbverzichtsvertrag nach § 30 IPRG richtet, und für die Form von Wechsel- und Scheckerklärungen gelten Sondervorschriften12. Für schuldrechtliche Verträge sieht Art 11 Rom I-VO eine detaillierte Regelung vor, die nur im Allgemeinen, nicht im Detail mit § 8 IPRG übereinstimmt. Ausnahmen von der Alternativität von Geschäftsrechtsform und Ortsrechtsform ergeben sich ratione materiae für dingliche Rechtsgeschäfte über Sachen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Liegenschaftsverkehr. Hier entscheidet allein die lex rei sitae13. Zum Schutz der schwächeren Partei sollten auch Formfragen im Rahmen von Verbrauchergeschäften nach dem Verbrauchervertragsstatut entschieden werden. Nur scheinbare Ausnahmen von § 8 IPRG – weil Prozesshandlungen – bilden Prorogation und Schiedsvertrag. Hier richtet sich die Formbeurteilung nach der prozessrechtlichen lex fori. Die zuvor umstrittene Frage der Substituierbarkeit inländischer zwin- 14/4 gender Formvorschriften hat der OGH14 hinsichtlich des Erfordernisses eines Notariatsaktes bei Übertragung von GmbH-Anteilen positiv entschieden. Um dem Formzweck zu genügen, müsse nach Auffassung des Höchstgerichts bei einem Auseinanderfallen der schuldrechtlichen Einigung zwischen Überträger und Übernehmer über den Gesellschafterwechsel und dem für die Gesellschaft erheblichen Übertragungsakt sowohl für das Verpflichtungsgeschäft als auch für das Verfügungsgeschäft die Notariatsaktsform gefordert werden. Das schließe aber insbesondere bei Distanzverträgen, bei denen sich eine Partei im Ausland aufhält, keineswegs die 9 10 11 12 13
OGH SZ 59/27. Vgl Art 11 Abs 2 EGBGB. Vgl Rz 12/7. Art 5 HTestÜ umschreibt, was zur Form gehört. Gem § 52 Z 2 bzw 3 IPRG gelten weiterhin Art 92 WG bzw Art 62 ScheckG. Vgl Art 9 Abs 6 EVÜ und Art 11 Abs 5 Rom I-VO; auch: Art 11 Abs 4 EGBGB, Art 119 Abs 3 schweizIPRG. 14 OGH GesRZ 1989, 225 (227).
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Rechtsgeschäft
Möglichkeit aus, dass für die im Ausland abgegebene Rechtsgeschäftserklärung die Beobachtung einer der Funktion des österreichischen Notariatsaktes entsprechenden, am Ort der Abgabe der Rechtsgeschäftserklärung möglichen Form, als hinreichend angesehen werden könnte. Eine notarielle Beurkundung nach dem deutschen Beurkundungsgesetz vermag daher die vom österreichischen Recht15 geforderte Notariatsaktsform zu ersetzen. Der gänzlich formfreie Abschluss derartiger Rechtsgeschäfte wäre aber offenkundig ordre-public-widrig. Im konkreten Einzelfall kam es dem OGH erkennbar darauf an, ob irgendeine funktional gleichwertige qualifizierte Form eingehalten wurde.
C. Stellvertretung 14/5 Für die gewillkürte Stellvertretung sieht § 49 IPRG eine eigene Anknüpfungsregel vor, die schon vom Inkrafttreten des EVÜ insofern nicht tangiert worden war, als dieses die Rechtsbeziehungen des Vertretenen zum Dritten – und nur diese, nicht jedoch das Grundgeschäft zwischen Vertretenem und Vertreter – von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen hatte. Da die Rom I-Verordnung denselben Anwendungsausschluss vorsieht16, wird § 49 IPRG auch weiterhin vom EU-Kollisionsrecht nicht tangiert. Anders als das ABGB, das in seinen Regeln über den „Bevollmächtigungsvertrag“ nicht zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis differenziert, stellt das IPRG auf diese Unterscheidung ab. Kollisionsrechtlich muss zwischen dem Hauptgeschäft17, dem Grundgeschäft zur Bevollmächtigung18 und der eigentlichen Vollmacht19 unterschieden werden. Nur für letztere20 hat unter Einschluss der Fragen der Vollmachtsüberschreitung, des Vollmachtsmissbrauches und der Vertretung ohne Vollmacht21 die Bestimmung des § 49 IPRG Geltung. Nach dem ersten Absatz dieser Kollisionsnorm sind die Voraussetzungen und Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung im Verhältnis des Geschäftsherrn und des Stellvertreters zum Dritten nach dem vom Geschäftsherrn in einer für den Dritten erkennbaren Weise bestimmten Recht zu 15 16 17 18
§ 76 Abs 2 GmbHG. Art 1 Abs 2 lit g) Rom I-VO. Das ist das Ausführungsgeschäft des Vertreters: zB ein Kaufvertrag. Das kann eine Ermächtigung, ein Auftrag, Handelsvertretervertrag, Dienstvertrag usw sein. 19 Hier geht es um die Erteilung von Vertretungsmacht nach außen, die Bestimmung ihres Umfangs und ihr Erlöschen. 20 Auch für die Vollmacht in Bezug auf Grundstücksverträge. 21 Vgl OGH ZfRV 1987, 205.
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Stellvertretung
§ 14
beurteilen. Ansonsten – und praktisch wohl auch wichtiger – gilt gemäß § 49 Abs 2 IPRG das Recht des Bestimmungsstaates des Vertreters, das heißt, „das Recht des Staates, in dem der Vertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen des Geschäftsherrn tätig werden soll“. Insoweit in das Detail gehend, trifft § 49 Abs 2 IPRG auch noch eine Regelung für den Fall, dass der Stellvertreter für den Abschluss mehrerer Geschäfte bestellt worden ist und mehrere Ausführungsstaaten in Betracht kommen. Sofern es dem Dritten erkennbar ist, dass der Vertreter nach dem Willen des Geschäftsherrn in einem bestimmten Staat regelmäßig tätig werden soll, ist das Recht dieses Staates maßgebend. Eine Vertretung ohne Vollmacht ist an das Recht anzuknüpfen, in dem der Vertreter tatsächlich tätig wird22. Vom Vollmachtsstatut getrennt anzuknüpfen sind die Geschäftsfähigkeit der Parteien und die Form der Erteilung der Vollmacht, die sich gemäß § 8 IPRG entweder nach dem durch § 49 IPRG als lex causae zu ermittelnden Recht oder nach dem Abschlussortsrecht der Vollmacht richtet23. Die gesetzliche Vertretung richtet sich kollisionsrechtlich nach dem Statut 14/6 des Rechtsverhältnisses, dem sie entspringt. So ist die Vertretung des ehelichen oder legitimierten Kindes durch einen oder beide Elternteile gemäß § 24 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut des Kindes bzw nach den einschlägigen internationalen Konventionen24 zu beurteilen25. Die Vertretungsmacht von Organen juristischer Personen wird nach ihrem Personalstatut, also gemäß §§ 10, 12 IPRG nach dem Recht des tatsächlichen Sitzes der Hauptverwaltung beurteilt. Wurde aber eine juristische Person nicht einmal im Innenverhältnis gegründet, ist für den Scheinvertreter nicht die Verweisungsnorm des § 10 IPRG, sondern die des § 49 IPRG für gewillkürte Stellvertretung maßgebend26. Die Frage, welches Recht auf die Prozessvollmacht und die Vollmacht zum Abschluss eines Schiedsvertrages anzuwenden ist, ist auf der Grundlage des relevanten Prozessrechts zu beantworten.
„Recht des realen Gebrauchsortes“; § 49 Abs 3 IPRG; vgl OGH ZfRV 2003/4, 22. Vgl dazu Mänhardt, Vollmachtsstatut beim Schiedsvertrag, in Ostheim-FS (1990) 651. Vornehmlich nach dem MjSchÜ, BGBl 1975/446. Für die Vertretungsbefugnis naher Angehöriger und die Vorsorgevollmacht gilt das „Sachwalterschaftsstatut“ des § 15 IPRG. 26 Vgl OGH GesRZ 1988, 226.
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§ 14
Rechtsgeschäft
D. Verjährung 14/7 Das IPRG weist keine ausdrückliche Regelung der Anknüpfung der Verjährung und der ihr verwandten Institute auf. Art 12 Abs 1 lit d) Rom IVO27 führt die „verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben“ als Gegenstände an, auf die sich das nach der Rom I-Verordnung ermittelte Schuldvertragsstatut bezieht. Art 15 lit h) Rom II-VO sieht eine etwas abweichende Formulierung vor, meint jedoch wohl dasselbe. Da damit nur die von diesen Verordnungen erfassten vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse angesprochen sind, bleibt das autonome Recht hier nach wie vor für die vom Anwendungsbereich der EU-Verordnungen ausgenommenen Schuldverhältnisse relevant. Für den Bereich des IPR-Gesetzes ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Verjährung, ihre Hemmung und Unterbrechung sowie die Verschweigung und Verwirkung nach der Rechtsordnung, die für den betreffenden Anspruch gilt, zu beurteilen sind28. Dem entspricht, dass für die Ersitzung die lex rei sitae maßgebend ist. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Schuldstatuts hat auch für judizierte Ansprüche („Judikatschulden“) Geltung29. Die Verjährung bleibt nach österreichischem Verständnis ein Institut des materiellen Zivilrechts, auch wenn ein fremdes Recht die Verjährung prozessrechtlich qualifizieren mag. Ausländische Verjährungsvorschriften, die gegenüber dem österreichischen Recht extrem nach oben oder unten abweichen oder eine 30-jährige Verjährungsfrist plötzlich in eine dreijährige abkürzen, könnten unter Umständen zum Eingreifen der Vorbehaltsklausel führen. Einschlägiges Internationales Einheitsprivatrecht ist von Österreich weder gezeichnet noch ratifiziert worden30.
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Vgl zuvor schon Art 10 Abs 1 lit d) EVÜ. So anschaulich OGH EvBl 1990/62; vgl Art 32 Abs 1 Z 4 EGBGB. OGH ZfRV 2002, 75. Das gilt insb für die von UNCITRAL ausgearbeitete Convention on the Limitation Period in the International Sale of Goods as Amended by the Protocol Amending the Convention on the Limitation Period in the International Sale of Goods, die am 1.7.2010 in 20 Staaten in Kraft stand, von Österreich jedoch bisher ignoriert wurde.
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§ 15. Schuldverhältnisse A. Allgemeines Das Schuldrecht ist jener Teil des Privatrechtes, der den normativen Rah- 15/1 men des ökonomisch relevanten Rechtsverkehrs bildet. Wegen des wachsenden Volumens der wirtschaftlichen Aktivitäten, die die innerhalb des Binnenmarktes und im Verhältnis zu Drittstaaten bestehenden Rechtsordnungsgrenzen überschreiten, stellen sich hier in wachsender Quantität kollisionsrechtliche Probleme, welche es geboten erscheinen ließen, das einschlägige Kollisionsrecht in der Europäischen Union zu vereinheitlichen. Wie das auf Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, das Schuldstatut, auf befriedigende Weise nach einheitlichen Kriterien zu bestimmen sei, war immer schon eine schwierige Aufgabe, da es an eindeutigen Anknüpfungsgründen mangelt. Schuldrechte haften nicht wie Sachenrechte an einer Sache und damit an einem Ort und sind auch nicht so eng wie das Familien- oder Erbrecht mit der Person verbunden, ganz abgesehen davon, dass im Schuldrecht überdies meist zwei oder mehr Personen im Spiel sind. Zutreffend hat man hier vom „Fehlen eines organisatorischen Mittelpunktes“ gesprochen (Kegel). Die Tatsache, dass sich für Schuldverhältnisse aus Vertrag (Rechtsgeschäft) und aus Gesetz (Delikt und andere Rechtsgründe) ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt nicht finden lässt, findet im nunmehr EU-weit vereinheitlichten Kollisionsrecht wohl auch darin Ausdruck, dass es mit der Rom I-Verordnung für vertragliche und der Rom II-Verordnung für außervertragliche Schuldverhältnisse zwei getrennte Rechtsquellen gibt, mag es für diese Trennung auch historische Gründe geben. Jedenfalls ist diese Materie durch die auf die Vereinheitlichung des materiellen und internationalen Schuldrechts abzielenden Maßnahmen der europäischen Rechtssetzungsorgane deutlich komplizierter geworden. Grundsätzlich war und ist das Schuldstatut für alle Fragen des Schuldverhältnisses maßgebend, insbesondere für dessen Entstehung, Inhalt, Wirkungen, Änderung, Übertragung, Abschwächung und Beendigung. 127
§ 15
Schuldverhältnisse
Für den untrennbar mit der Vertragsfreiheit verknüpften Schuldvertrag von entscheidender Bedeutung ist die Frage, ob und wieweit die Parteien auch bestimmen können, welchem Recht sie das Schuldverhältnis unterwerfen. 15/2 Die Vereinheitlichung des materiellen Privatrechts ist nur in punktueller Weise durch Maßnahmen des sekundären EU-Rechts verwirklicht, etwa im Gesellschaftsrecht1. Einheitliches Sachrecht, das die Klärung der vom IPR zu lösenden Frage nach dem anzuwendenden Recht überflüssig macht, kann nur durch Verordnungen gemäß Art 288 Abs 2 AEUV geschaffen werden. Da die „teilverbindlichen“ Richtlinien den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der verbindlichen Zielvorgaben überlassen, können sie nur eine Rechtsangleichung bewirken. In jenen Bereichen, die wie das Verbraucherschutz- und Gesellschaftsrecht in erheblichem Umfang durch Richtlinien geregelt werden, ist daher die Frage des anwendbaren Rechts auch innerhalb der EU weiterhin relevant. Sachrechtsvereinheitlichende Übereinkommen stehen heute insbesondere im Hinblick auf bestimmte, typisch internationale Sachverhalte in Geltung, so für grenzüberschreitende Warentransporte auf der Straße die CMR2, für den internationalen Eisenbahntransport COTIF3, CIV4 und CIM5, für den internationalen Lufttransport nunmehr das Montrealer Übereinkommen vom 28.5.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr6 sowie im Schiffsverkehrsrecht und im Wertpapierrecht7. Besondere Bedeutung kommt dem UNCITRAL-Übereinkommen über Verträge über den inter1 Insb durch die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABlEG L 199 vom 31.7.1985, 1, die Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABlEG L 294 vom 10.11.2001, 1, sowie die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABlEU L 207 vom 18.8.2003, 1. 2 Vgl BGBl 1961/138, BGBl 1990/459. 3 BGBl 1985/225, Teilrevisionen BGBl 1991/1. 4 BGBl 1974/744. Vgl nunmehr Art 11 der Verordnung (EG) Nr 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABlEU L 315 vom 3.12.2007, 14. 5 BGBl 1974/744. 6 Durch das Montrealer Übereinkommen, das zum 1.6.2010 bereits 97 Vertragsstaaten (auch Österreich) aufwies, ist das Warschauer Lufttransportübereinkommen, BGBl 1961/286, ergänzt durch das Zusatzabkommen von Guadalajara, BGBl 1966/46, und geändert durch das Haager Protokoll vom 28.9.1955, BGBl 1971/161, bedeutungslos geworden. Der Rat der Europäischen Union hat das Montrealer Übereinkommen mit Beschluss vom 5.4.2001, ABlEG L 194 vom 18.7.2001, 38, genehmigt. 7 Genfer Wechsel- und Scheckrecht, BGBl 1932/289 und BGBl 1959/47; vgl auch BGBl 1955/49, 1955/50.
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Allgemeines
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nationalen Warenkauf8 (CISG) vom 11.4.1980 zu, das für Österreich mit 1.1.1989 in Kraft9 getreten ist und zum Stichtag 1.7.2010 weltweit in 74 Staaten in Kraft steht10, wobei Art 1 CISG für die Praxis wichtig ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Übereinkommen auch dann auf einen internationalen Warenkauf Anwendung findet, wenn nur eine der Parteien ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat und die Regeln des IPR auf das Recht des Vertragsstaates verweisen11. Allerdings können die Vertragsparteien die Anwendung des Übereinkommens zur Gänze ausschließen12, von seinen Bestimmungen abweichen oder deren Wirkungen ändern. Seit die Rom I-Verordnung an die Stelle des Europäischen Übereinkom- 15/3 mens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ)13 getreten ist, ist das Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht14 als das für das Schuldrecht wichtigste Übereinkommen mit kollisionsrechtlichem Inhalt in Geltung geblieben. Weiterhin wird das Recht, nach dem sich die außervertragliche Haftung für Schäden, die bei Straßenverkehrsunfällen mit Auslandsberührung zugefügt werden15, bestimmt, nach diesem Übereinkommen bestimmt werden. 8 Convention on Contracts for the International Sale of Goods – CISG. 9 BGBl 1988/96. 10 Zuletzt ist das Übereinkommen für Albanien am 1.6.2010 in Kraft getreten. Zuvor war auch Japan beigetreten, wo das Übereinkommen seit 1.8.2009 in Geltung steht, so dass sich von den großen Wirtschaftsnationen nur mehr das Vereinigte Königreich nicht an CISG beteiligt; vgl Status of Conventions and Enactments of UNCITRAL Model Laws, http://www.uncitral.org. 11 Vgl Rz 19/6. 12 In der Praxis zieht man (auch in Österreich) nach wie vor (wohl aus Furcht vor dem Unbekannten) den stereotypen und unreflektierten Anwendungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. 13 Das am 19.6.1980 in Rom beschlossene Übereinkommen war erst am 1.4.1991 für acht EG-Mitgliedstaaten, nämlich Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg und Großbritannien in Kraft getreten; am 1.9.1991 folgten die Niederlande, am 1.1.1992 Irland, am 1.1.1993 Spanien und am 1.9.1994 Portugal. Dem Übereinkommen konnten bzw mussten nur Mitgliedstaaten der Europäischen Union beitreten. Für Österreich ist es am 1.12.1998 in Kraft getreten. Zugleich sind die §§ 36 bis 45 IPRG aufgehoben und § 35 IPRG erstmals modifiziert worden. Ansprüche aus Verträgen, die vor diesem Tag abgeschlossen worden waren, waren noch nach dem Schuldvertragsrecht des IPRG anzuknüpfen, so wie Ansprüche aus Verträgen, die vor dem 16.12.2009 abgeschlossen wurden, nach dem EVÜ anzuknüpfen sind. Zum Inhalt des EVÜ vgl die 4. Auflage dieses Lehrbuchs, dort finden sich auch Hinweise auf das einschlägige österreichische Schrifttum. 14 Das HStVÜ ist eine „loi uniforme“, BGBl 1975/387; dazu Rz 15/40 ff. 15 Dem HStVÜ kommt in einem Transitland wie Österreich große praktische Bedeutung zu.
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Schuldverhältnisse
B. Allgemeine Anknüpfungsproblematik beim Schuldverhältnis 15/4 Für Sachverhalte, die dem Internationalen Schuldrecht zuzurechnen sind, kommen theoretisch mehrere Anknüpfungsmomente mit der Folge in Frage, dass die Verweisung auf jeweils unterschiedliche Rechtsordnungen zielt. Zunächst wäre die Anknüpfung an das Sachrecht der lex fori zu erwägen. Allerdings wird diese heute – global gesehen – kaum mehr vertreten, Einer der letzten Kollisionsrechtler, der für eine residuary rule of the forum eintrat, war der von den Nazis zur Emigration aus Österreich gezwungene Albert A. Ehrenzweig16. Mit dem Gedanken der Rechtssicherheit ist es jedoch unvereinbar, dass es vom Ort der Klagserhebung abhängen soll, nach welchem Recht das Schuldverhältnis beurteilt wird. Auch die Anknüpfung an das Personalstatut des Schuldners könnte erwogen werden, während das Personalstatut des Gläubigers eher nicht in Betracht kommt, weil das Schuldverhältnis wohl enger mit der Person des Schuldners verknüpft ist. Die Anknüpfung an das Personalstatut des Schuldners könnte damit gerechtfertigt werden, dass nur der Staat, dem der Schuldner angehört, ihm befehlen kann, zu erfüllen. Ferner damit, dass die zwingenden Vorschriften des Schuldrechts hauptsächlich im Interesse des Schuldners liegen. Praktisch unlösbare Schwierigkeiten ergeben sich jedenfalls bei den – ökonomisch besonders bedeutsamen – entgeltlichen Schuldverträgen, in denen beide Parteien zugleich Gläubiger und Schuldner sind. Als Vertragsstatut in Frage kommt ferner das Recht des Abschlussortes, das in Österreich vor dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes am 1.1.1979 im Vordergrund stand. Für das Anknüpfungsmoment des Abschlussortes spricht seine leichte Bestimmbarkeit. Für Märkte, Messen, Börsen scheint er sogar die einzig mögliche Anknüpfung zu begründen. Allerdings könnte durch einen fiktiven Abschlussort das inländische Recht umgangen werden. Zudem sollen die Wirkungen eines Vertrages oft nicht am Ort des Vertragsschlusses eintreten.
16 Mitunter kann unter den mit internationalen Sachverhalten befassten US-amerikanischen Richtern noch eine gewisse Tendenz zur Bevorzugung ihres Sachrechts bemerkt werden, was auch das fragwürdige Verhalten amerikanischer Anwälte im Zusammenhang mit der Seilbahnkatastrophe in Kaprun zu erklären vermag. Wie jedoch zu erwarten war, hatten alle Bemühungen um Prozessführung in den USA aber keinen Erfolg. Das damit befasste US-Bundesdistriktsgericht befand letztlich, dass das „more convenient forum“ in Österreich sei und die Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen der Opfer grundsätzlich nach österreichischem Recht beurteilt werden müssten.
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Allgemeine Anknüpfungsproblematik beim Schuldverhältnis
§ 15
Auch das Recht des Erfüllungsortes ist zu erwägen: So wurde die Anknüpfung an dieses Recht bereits von Savigny vertreten. Für sie spricht, dass das Schuldverhältnis auf Erfüllung zielt. Gleichwohl muss es nicht immer die „engste Verbindung“ bzw „stärkste Beziehung“ zum Erfüllungsort haben. Da entgeltliche Schuldverhältnisse zwei Erfüllungsorte haben können, suchte Schnitzer das daraus resultierende Problem dadurch zu beheben, dass er auf den Niederlassungsort der Partei abstellte, die die charakteristische Leistung erbringt. Diese Lehre, nach welcher der Kaufvertrag an das Ortsrecht des Warenlieferanten, der Werkvertrag und Dienstvertrag an das Ortsrecht des Werkherstellers bzw Dienstleisters anzuknüpfen ist, hat sich in Europa als subsidiär greifende „objektive“ Bestimmung des anzuwendenden Rechts durchgesetzt. Ihre Schwäche ist, dass das Kriterium der charakteristischen Leistung beim Tauschvertrag und bei sogenannten „doppeltypischen Verträgen“ versagt und nicht für alle Vertragstypen passt. Sowohl für das Schuldvertragsrecht17, als auch für die gesetzlichen Schuld- 15/5 verhältnisse18 wird heute dem Parteiwillen der Vorrang gegenüber der objektiven Anknüpfung eingeräumt19. Dabei war lange Zeit umstritten, ob der Grundsatz der Parteiautonomie beinhaltet, dass die Parteien auch frei bestimmen können, welchem Recht ein Schuldvertrag unterworfen sein soll. Zwar sind die Parteien in der Herstellung der tatsächlichen Anknüpfungsgründe jedenfalls frei, doch ist fraglich, ob damit auch bereits notwendigerweise das anzuwendende Recht einhergeht. Da kein Zweifel besteht, dass die Parteien bei Abschluss von Verträgen an die Stelle von ius dispositivum ihre eigene Regelung treten lassen können, muss es auch zulässig sein, dass sie sich auf die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung einigen und durch Verweisung auf ein anderes Recht auch die zwingenden Regeln20 jener Rechtsordnung ausschließen, die nach den gesetzlichen Kollisionsnormen für den Schuldvertrag Geltung beanspruchten. Es ist heute anerkannt, dass es den Parteien auch offen steht, das Schuldverhältnis einer Rechtsordnung zu unterwerfen, zu welcher der Sachverhalt keine Nahebeziehung hat.
17 Dh für schuldrechtliche Rechtsgeschäfte. 18 Einschließlich der aus Verletzung vorvertraglicher Pflichten resultierenden Schadenersatzansprüche. 19 Nach § 35 Abs 2 aF IPRG wurde die objektive Anknüpfung gemäß §§ 36 ff aF IPRG erst „maßgebend“, wenn „eine Rechtswahl nicht getroffen oder [. . .] unbeachtlich ist“; vgl OGH EvBl 1987/2. 20 Damit sind „einfach zwingende“ Normen, nicht „Eingriffsnormen“ gemeint; zu letzteren vgl insb Rz 15/19.
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§ 15
Schuldverhältnisse
Da es im Schuldrecht der Erleichterung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs dient, wenn die Parteien über das anzuwendende Recht einen gemeinsamen Willen bilden und diesen auch kundtun und so die letztlich immer schematisch bleibenden gesetzlichen Kollisionsnormen den Bedürfnissen des konkreten Schuldverhältnisses anpassen, ist es sachgerecht, wenn Art 3 Rom I-VO als primären Anknüpfungsgrundsatz die „freie Rechtswahl“ anerkennt21. Durchaus sachgerecht ist es auch, dass Einschränkungen der Rechtswahl zum Schutz der schwächeren Partei für Verbrauchergeschäfte und Arbeitsverträge ausdrücklich anerkannt werden22. Hinsichtlich des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, das keine Aussage darüber trifft, ob die Rechtswahl möglich ist, hat der OGH die Rechtswahl ausdrücklich anerkannt23. 15/6 Beim außervertraglichen Schadenersatz hat sich das Recht des Deliktsorts, die lex loci delicti commissi, durchgesetzt: Grundsätzlich überzeugt die Verweisung auf die lex loci delicti commissi als Basisregel, doch stellt sich vor allem in grenzüberschreitenden Produkt- und Umwelthaftungsfällen nicht selten die praktisch relevante Frage, ob auf den Handlungsort oder auf den Erfolgsort abzustellen sei. Während § 48 IPRG auf den Handlungsort abstellte, gibt Art 4 Rom II-VO der lex loci damni den Vorzug und erklärt grundsätzlich den Schadenseintrittsort (Erfolgsort) für maßgeblich, lässt jedoch Ausnahmen zugunsten eines Rechts zu, mit dem die Parteien noch enger verbunden sind und das im Ergebnis zumeist die lex fori ist24. Art 4 Abs 3 Rom II-VO sieht diesbezüglich eine „Ausweichklausel“ vor und trägt so der schon bisher anerkannten Notwendigkeit Rechnung, dass die allgemeine Kollisionsnorm für „unerlaubte Handlungen“ der „Auflockerung“ bedarf25. 21 Während sich der nicht ausdrücklich geäußerte Parteiwille aber nach Art 3 Abs 1 EVÜ nur „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben“ musste, verlangt die Rom I-VO hier Eindeutigkeit. 22 So früher gemäß §§ 41 Abs 2, 44 Abs 3 aF IPRG und danach gemäß Art 5 Abs 2 und Art 6 Abs 1 EVÜ; nunmehr gemäß Art 6 Rom I-VO für Verbraucherverträge und Art 8 Rom I-VO für „Individualarbeitsverträge“. 23 Vgl OGH SZ 68/17; zuvor obiter OGH SZ 58/188. 24 Zu denken ist an Schäden, die innerhalb einer ihrer Herkunft nach homogenen Reisegesellschaft im Ausland oder im Verlauf von Expeditionen zugefügt werden, an einen Yachtunfall auf hoher See uä. 25 Die ältere von Wächter und Savigny vertretene Meinung, wonach die Sachnormen der lex fori anzuwenden seien, weil die Vorschriften über Delikte zwingendes Recht seien, setzte zwingendes Recht und ordre public gleich. Auch die an sich nicht gänzlich abwegige Auffassung, wonach der Ersatzanspruch sowohl nach der lex loci delicti commissi als auch nach der lex fori einklagbar sein müsste, hat sich nicht durchgesetzt. Vielmehr ist die
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Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts
§ 15
C. Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts 1. Das IPRG als Ausgangspunkt der Entwicklung Das Schuldstatut war im IPRG ursprünglich in §§ 35 bis 49 IPRG gere- 15/7 gelt. Nach dem 1.12.1998 standen nur mehr §§ 46 bis 49 IPRG unverändert in Kraft. Schuldrechtliche Verträge mit Auslandsberührung, die zwischen 1.12.1998 und 16.12.2009 abgeschlossen wurden, sind noch nach dem EVÜ26 anzuknüpfen, alle danach begründeten vertraglichen Schuldverhältnisse nach der Rom I-Verordnung. Nur mehr die Verweisungsnorm für die gewillkürte Stellvertretung, mit der der 7. Abschnitt des IPR-Gesetzes abgeschlossen wird, hat als einzige aus seinem Urbestand überlebt27. Seit dem 17.12.2009 gelten neu formulierte §§ 35 und 35a IPRG, deren Funktion es ist, durch die Rom I-Verordnung offen gelassene Regelungslücken zu schließen28. So besteht nunmehr eine neue, nahezu EU-weit29 einheitliche Ordnung der Anknüpfung von vertraglichen (und außervertraglichen) Schuldverhältnissen. Das internationale Schuldrecht des österreichischen IPR-Gesetzes, das dem Rechtsanwender einen flexiblen Rahmen vorgegeben hatte und durch das Bemühen um einen kollisionsrechtlichen Interessenausgleich gekennzeichnet war, ist heute nur mehr ein Thema für Rechtshistoriker. 2. Europäisches Internationales Schuldvertragsrecht: Vom EVÜ zur Rom I-Verordnung Als eine Konsequenz des Beitritts zur Europäischen Union hatte Österreich 15/8 das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen30 mit den zugehörigen
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„double actionability rule“ des englischen Kollisionsrechts durch sec. 10 des Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995 aufgegeben worden. Zum EVÜ vgl Rz 15/3 insb FN 13. Das EVÜ hatte bei vielen Unterschieden im Detail im Grundsätzlichen nicht zufällig viele Ähnlichkeiten mit dem Internationalen Schuldvertragsrecht des IPRG aufgewiesen, war doch den Redakteuren des IPRG der bereits seit 1972 vorliegende Entwurf des EVÜ nicht unbekannt gewesen. § 49 IPRG, vgl Rz 14/5. Zudem ist auch ein neu formulierter § 48 als eine Art „Lückenfüllungsnorm“ rückwirkend zugleich mit der Rom II-Verordnung am 11.1.2009 in Geltung getreten. Ausgenommen Dänemark. Da es dem EVÜ an einer Kompetenzgrundlage im Primärrecht mangelte, war es als völkerrechtlicher Vertrag, der der Vereinheitlichung des internationalen Vertragsrechts in-
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Schuldverhältnisse
zwei Brüsseler Protokollen31 ratifiziert32. Mit dem durch den Vertrag von Amsterdam in den III. Teil des EG-Vertrages eingefügten Titel IV wurde eine Rahmenordnung für einen Europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen, in der mit dem supranationalen Instrumentarium des Europarechts operiert werden konnte. So ist die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts durch die nach Rom benannten Verordnungen möglich geworden. Am 17.6.2008 wurde die „Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (‚Rom I‘)“ verabschiedet33, die gemäß ihrem Art 29 seit dem 17.12.2009 als das Internationale Schuldvertragsrecht der Europäischen Union in Geltung steht. Die Verfasser der Verordnung mussten daran interessiert sein, in inhaltlicher Hinsicht Kontinuität mit dem EVÜ zu wahren; und obwohl die Verordnung in mehrfacher Weise von den Regelungen des EVÜ abweicht34, ist der Rom IVerordnung doch zu attestieren, dass sie keinen Fortschritt in zu großen Schritten anstrebt, sondern das bisherige Recht behutsam fortschreibt35. Da Art 2 Rom I-VO die universelle Anwendung der Verordnung anordnet, bleibt für eine autonome Regelung von Teilaspekten des Internationalen Schuldvertragsrechts nur wenig Raum. Von §§ 35 ff IPRG ist nur die Erinnerung an ein durchaus brauchbares und flexibles Anknüpfungsregime und § 49 über die „gewillkürte Stellvertretung“36 verblieben.
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nerhalb der Europäischen Gemeinschaft diente und dem nur Mitgliedstaaten beitreten konnten, als „begleitendes Gemeinschaftsrecht“ zu qualifizieren. Erstes Protokoll betreffend die Auslegung des am 19.6.1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom 19.12.1988, ABlEG L 48, vom 20.2.1989, 1; Zweites Protokoll zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom 19.12.1988, ABlEG L 48, vom 20.2.1989, 17; beide Protokolle sind kundgemacht in BGBl III 1998/208. Wegen eines vom Nationalrat „offenbar versehentlich“ beschlossenen Erfüllungsvorbehalts gem Art 50 Abs 2 B-VG sind das als „self executing“ zu qualifizierende EVÜ und die durch dieses notwendigen Änderungen des IPRG im österr BGBl an vier verschiedenen Stellen verstreut publiziert worden: BGBl I 1998/119; BGBl III 1998/166; BGBl III 1998/208 und BGBl I 1999/18; dazu Adensamer, Nochmals zum Römer Schuldvertragsübereinkommen, ecolex 1999, 11. ABlEU L 177 vom 4.7.2008, 6. Das wurde von der deutschen BMJ Zypries in der Presseaussendung ihres Ministeriums vom 6.6.2008 damit begründet, dass die „Modernisierung einiger bestehender Regelungen“ unumgänglich gewesen sei, um den Veränderungen im Rechts- und Wirtschaftsverkehr Rechnung zu tragen So das Urteil von Magnus, Die Rom I-Verordnung, IPRax 2010, 27, mwN. Vgl Rz 14/5.
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Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts
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3. Der Inhalt der Rom I-Verordnung37 a) Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung Als ihren Anwendungsbereich bestimmt die Rom I-Verordnung in Art 1 15/9 „vertragliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen“, wobei ausdrücklich klargestellt wird, dass es sich um Schuldverhältnisse „in Zivil- und Handelssachen“ handeln muss und die Verordnung „insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“ gilt38. Gemäß Art 1 Abs 2 lit a) bis j) Rom I-VO sind von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen: der Personenstand sowie Rechts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen39, Schuldverhältnisse, die auf einem in einem weiteren Sinn verstandenen Familienverhältnis40 beruhen, einschließlich der Unterhaltspflichten, Schuldverhältnisse aus ehelichen und vergleichbaren41 Güterständen sowie aus Testamenten und Erbrecht, Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks und anderen handelbaren Wertpapieren, Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, Fragen, die das Gesellschaftsrecht und das Vereinsrecht betreffen und mit der Errichtung, Organisation, Vertretung und Auflösung von juristischen Personen zusammenhängen42, Fragen, die sich aus der Vertretungsbefugnis für eine Person ergeben43, die Gründung von „Trusts“ und die sich daraus ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Verfügendem, Treuhänder und den Begünstigten sowie beweis- und verfahrensrechtliche Aspekte. Dass die Rom I-Verordnung in Art 1 Abs 2 lit i) das vorvertragliche Schuldverhältnis aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, ist damit zu erklären, dass Art 12 Rom II-VO eine einschlägige Regelung trifft. Aus Art 1 Abs 2 lit j) 37 Besonders einlässlich Reithmann/Martiny (Hrsg) Internationales Schuldrecht7(1010); ferner Martiny; neues deutsches internationales Vertragsrecht, RIW 2009, 737; aus österr Sicht, Rudolf, Internationales Vertragsrecht für die EU, ecolex 2008, 1069. 38 Damit wird ein Gleichlauf mit Art 1 EuGVVO („VO Brüssel I“) herbeigeführt. Art 1 Abs 1 Rom II-VO weist einen anlogen Wortlaut auf. 39 „Unbeschadet“ der Bestimmung des Art 13 Rom I-VO, die das gerechtfertigtes Vertrauen auf die Geschäftsfähigkeit schützt. 40 Die Rom I-VO spricht nunmehr ausdrücklich Verhältnisse „mit vergleichbaren Wirkungen“ an und meint damit eingetragene Partnerschaften uä. 41 Auch hier wird von der Rom I-VO auf eingetragene Partnerschaften abgestellt. 42 Die Rom I-VO führt in Art 1 Abs 2 lit f) noch Fragen der persönlichen Haftung der Gesellschafter und Organe für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bzw der juristischen Person an. 43 Einschließlich Fragen der Vertretungsbefugnis des Organs einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer anderen juristischen Person.
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Rom I-VO ergibt sich, dass vom Anknüpfungsregime der Verordnung auch Versicherungsverträge, mit Ausnahme bestimmter Lebensversicherungsverträge44, erfasst werden. b) Das allgemeine Anknüpfungsregime der Rom I-Verordnung 15/10 Das internationale Schuldvertragsrecht der Rom I-Verordnung wird vom Grundsatz der Parteiautonomie beherrscht und durch objektive Subsidiäranknüpfungen ergänzt. Dieses Konzept war auch schon im IPR-Gesetz realisiert, doch anders als dieses schließt Art 20 Rom I-VO Rück- und Weiterverweisungen generell aus45. Den Parteien eines Schuldvertrages, der iSd Art 1 Abs 1 Rom I-VO „eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“ aufweist, steht es gemäß Art 3 Rom I-VO offen, jenes Recht, das auf ihre Vereinbarung zur Gänze oder auch nur zum Teil angewendet werden soll, durch freie Wahl zu bestimmen. In der von den Parteien ausdrücklich vereinbarten oder schlüssig getroffenen Rechtswahl manifestiert sich das primäre Anknüpfungsprinzip. Allerdings wird die Schlüssigkeit nicht bloß – wie nach dem EVÜ – an dem Kriterium der „hinreichenden Sicherheit“ gemessen, sondern Eindeutigkeit verlangt46. Die allfällige Vereinbarung des Gerichtsstandes stellt nur einen der Faktoren dar, die bei der Entscheidung, ob eine Rechtswahl „eindeutig“ getroffen wurde, zu berücksichtigen sein werden47. Die Wahlfreiheit der Parteien erfasst primär den Inhalt und Umfang des gewählten Rechts. Da es nicht erforderlich ist, dass das gewählte Recht, 44 Die von Art 1 Abs 3 und 4 EVÜ vorgesehene Bereichsausnahme, der zufolge Versicherungsverträge über im EWR belegene Risiken, mit Ausnahme von Rückversicherungsverträgen aus dem Anwendungsbereich des EVÜ ausgenommen waren, hatte ihren Grund darin, dass es eine besondere europäische Regelung in Form von Richtlinien gab, die mit dem seit 17.12.2009 aufgehobenen Versicherungsvertrags-IPR-Gesetz (IVVG), BGBl 1993/89, in das österreichische Recht umgesetzt worden war. 45 Darin, dass die Sachnormverweisung in den Rom I/II-Verordnungen (wie auch schon im EVÜ) zur Regelanknüpfung wurde, ist ein deutlicher Unterschied zur Verweisungsordnung des IPRG zu sehen, in der die von § 5 IPRG vorgesehene Gesamtverweisung als selten durchbrochene Regel auch das Schuldrecht dominierte. 46 Die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch „bloße Geltungsannahme“, wie sie von § 35 aF IPRG anerkannt war, war schon dem EVÜ fremd und ist dies umso mehr der Verordnung Rom I. Das IPRG hatte übereinstimmende Vorstellungen und Erwartungen der Parteien über die Maßgeblichkeit einer ganz bestimmten Rechtsordnung quasi als „kollisionsrechtliche Geschäftsgrundlage“ ihres Schuldverhältnisses anerkannt. Zum Verhältnis dieser „Geltungsannahme“ zur schlüssigen Rechtswahl vgl OGH SZ 55/76; JBl 1984, 383; JBl 1985, 299; IPRax 1986, 244; EvBl 1987/2; EvBl 1987/54; SZ 59/223; SZ 61/30; JBl 1990, 592; ZfRV 1992, 70. 47 Rom I-VO Präambel, Erwägungsgrund 12.
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das sowohl aus staatlichen als auch aus nicht staatlichen (zB lex mercatoria) Normen bestehen kann, eine Verbindung zum konkreten Vertragsabschluss und seinen Umständen hat, ist auch die Wahl eines neutralen Rechts möglich. Der Wahlfreiheit waren jedoch immer schon Grenzen gesetzt, die sich aus der Wirkung von Eingriffsnormen, dem ordre public sowie aus dem EU-Recht48 ergeben. Dies wird durch Art 3 Abs 3 und 4 Rom I-VO ausdrücklich und deutlicher als bisher festgeschrieben: So kann gemäß Art 3 Abs 4 die Wahl des Rechts eines Drittstaates nicht die Anwendung kollisionsrechtlich zwingenden EU-Rechts49 „berühren“, wenn „alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen“ sind50. Unter dem Aspekt des Schutzes des Schwächeren ergibt sich auch noch eine systembedingte Einschränkung der Wahlfreiheit bei Verbrauchergeschäften und Arbeitsverträgen. Ein beträchtliches Maß an Freiheit gewährt Art 3 Abs 2 Rom IVO den Parteien in der Frage des Zeitpunkts der Rechtswahl, da diese „jederzeit“, also vor, zeitgleich oder nach Abschluss des betreffenden Vertrages, vorgenommen und wieder geändert werden kann. Eine Rechtswahl nach Vertragsabschluss berührt jedoch nicht die Formgültigkeit des Vertrages oder Rechte Dritter. Wie in der Präambel zur Rom I-Verordnung festgehalten wird51, hindert diese Verordnung „die Parteien nicht daran, in ihrem Vertrag auf ein nicht staatliches Regelwerk oder ein internationales Übereinkommen Bezug zu nehmen“. Zudem könne, wenn die Gemeinschaft in einem Rechtsakt Regeln für das materielle Vertragsrecht festlegen sollte, in einem sol48 Vgl EuGH Rs C-381/98 – „Ingmar“, Slg 2000 I-9305: Gegenstand dieses Urteils war ein 1989 geschlossener Handelsvertretervertrag zwischen einer britischen Gesellschaft und einem kalifornischen Unternehmen, welcher eine Rechtswahl zugunsten kalifornischen Rechts beinhaltete. Anders als das britische Sachrecht, das Art 17 und 18 der Handelsvertreter-Richtlinie 86/653/EWG, ABlEG L 382 vom 31.12.1986, 17, umsetzt, kennt das kalifornische Sachrecht keinen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung. Der EuGH hielt fest, dass bei Vorliegen eines starken Gemeinschaftsbezugs (zB Tätigkeit im Gemeinschaftsgebiet) Art 17 und 18 der Richtlinie aus wettbewerbsund wirtschaftspolitischen Gründen unabdingbar und damit international zwingende Normen sind. Dazu Nemeth/Rudisch, EuGH 9.11.2000 Rs C-381/98 „Ingmar“ – wichtige Klärungen im europäischen IPR, ZfRV 2001, 179; Martiny, Internationales Vertragsrecht im Schatten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, ZEuP 2001, 308 (330 f). 49 „Gegebenfalls in der von dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts umgesetzten Form“: Hier ist also die lex fori relevant. 50 Diese Bestimmung wirft die Frage auf, ob IPR-Bestimmungen, die bisher aufgrund von Verbraucherschutz-Richtlinien im Verhältnis zu Drittstaaten notwendig waren (wie § 13a KSchG, § 11 TNG), auch künftig separat umgesetzt werden müssen (wie Art 22 der neuen Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge, ABlEU L 133 vom 22.5.2008, 66, der zu einer Ergänzung des § 13aKSchG Anlass gab, vgl Rz 15/45). 51 Erwägungsgründe 13 und 14.
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chen Rechtsakt vorgesehen werden, dass die Parteien über die Anwendung dieser Regeln entscheiden können52. Damit sind die Bemühungen um ein gemeineuropäisches Vertragsrecht bzw die Arbeiten an dem „gemeinsamen Referenzrahmen“ angesprochen53. 15/11 Art 4 Abs 1 Rom I-VO beinhaltet die allgemeinen Regeln über die objektive Anknüpfung, die dann greift, wenn die Parteien es unterlassen haben, eine Rechtswahl zu treffen und weist einen gegenüber Art 4 EVÜ54 konkreter und stärker kasuistisch formulierten Wortlaut auf, da sich in seinem ersten Absatz nach Vertragstypen differenzierte Anknüpfungen finden. Dem Begriff „für den Vertrag charakteristische Leistung“ kommt hingegen nur mehr subsidiäre Bedeutung zu55. Dass die „vertragscharakteristische Leistung“ grundsätzlich jene Leistung ist, die nicht in einer Geldschuld besteht56, gilt aber letztlich auch für die Rom I-Verordnung, wenn in Art 4 Abs 1 etwa die Anknüpfung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen an das Aufenthaltsrecht des Verkäufers und jene von Verträgen über Dienstleistungen an das Aufenthaltsrecht des Dienstleisters vorgesehen ist57. Nicht trifft dies jedoch nach der Rom I-Verordnung zB auf Franchiseverträge und Vertriebsverträge zu, die an das Aufenthaltsrecht des Franchisenehmers bzw Vertriebshändlers geknüpft werden58. Sachgerecht erscheint
52 Soweit es um Verweisungsnormen im Recht der Verbraucherverträge gem Art 6 Rom IVO geht, ist die Entscheidungsfreiheit wohl eingeschränkt. 53 Derzeitiger Entwicklungsstand der Bemühungen europäischer Rechtswissenschafter um einen „Academic Common Frame of Reference“: Draft Common Frame of Reference – Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, Outline Edition (Jänner 2009); Full Edition (Oktober 2009); zu finden unter: http://www.law-net.eu/. Zuletzt: Grünbuch „Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen“, KOM(2010) 348 endg vom 1.7.2010. Dazu Rz 18/1. 54 Diese Bestimmung sah noch vor, dass „das Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen“ aufweist, maßgebend sei und verknüpfte diese Regel mit der Vermutung, dass dies grundsätzlich das Recht des Staates sei, „in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat“, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Hauptverwaltung hat. 55 Art 4 Abs 2 Rom I-VO stellt klar, dass für Verträge, die von Abs 1 nicht erfasst werden oder nach Abs 1 nicht zweifelsfrei einzuordnen sind, die Auffangregel der Anknüpfung an die charakteristische Leistung gilt. 56 Wie die Leistung des Verkäufers, des Werkunternehmers, Beförderers, selbständigen Handelsvertreters, Arztes, Architekten, Anwalts usw; vgl die demonstrative Aufzählung in Art 117 Abs 3 schweizIPRG sowie aus der Judikatur des OGH zu § 36 aF IPRG: OGH ZfRV 1992, 68/1; ZfRV 1992, 380/38; ZfRV 1992, 69/2. 57 Art 4 Abs 1 lit a) und b): Also jeweils an das Recht der Partei, die die „charakteristische Leistung“ erbringt. 58 Art 4 Abs 1 lit e) und f): Also jeweils nicht an das Recht der Partei, die die „charakteristische Leistung“, insb die nicht in Geld bestehende Leistung, erbringt.
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es, dass für den Erwerb beweglicher Sachen durch Versteigerung die Anknüpfung an das Recht des Versteigerungsortes vorgesehen ist59. Was den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei ausmacht, wird in Art 19 Rom I-VO näher bestimmt: Bei Verträgen, die eine natürliche Person nicht im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit abschließt, ist das der Ort wo sie sich üblicherweise aufhält, bei Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen der Ort ihrer Hauptverwaltung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Wird der Vertrag von einer natürlichen Person jedoch in Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit geschlossen, ist das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts jenes des Ortes der Hauptniederlassung. Wenn die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen Niederlassung zu erbringen ist, ist nach Art 19 Abs 2 Rom I-VO an das Ortsrecht jener Niederlassung anzuknüpfen, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen worden ist. Die Rom I-Verordnung enthält Bestimmungen für die Anknüpfung von 15/12 Verträgen, die sich – wie der Tauschvertrag – nicht nach dem Kriterium der charakteristischen Leistung einer Rechtsordnung zuordnen lassen60. Es müssen dann andere Aspekte beachtet werden, aus denen sich das Recht ergibt, zu dem ein solcher Vertrag „die engste Beziehung aufweist“. Wie schon das IPRG und das EVÜ weist auch die Rom I-Verordnung eine Ausweichklausel (escape clause, clause d’échappement) auf, die unter Bedachtnahme darauf, ob der Vertrag nach „der Gesamtheit der Umstände“ eine „offensichtlich engere Beziehung“ zu einem anderen Staat als jenen hat, dessen Recht sich auf der Grundlage des Art 4 Abs 1 und 2 als maßgeblich ergibt, eine flexible Bestimmung des maßgebenden Rechts ermöglicht61. c) Sonderanknüpfungen für besondere Vertragstypen Art 4 Abs 1 lit c) Rom I-VO ordnet für den Fall, dass keine Rechtswahl 15/13 durch die Parteien erfolgt ist, für Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, an, dass sie nach der lex rei sitae zu beurteilen 59 Eine besondere Anknüpfungsnorm gilt nach Art 4 Abs 1 lit h) Rom I-VO auch für Verträge, die „innerhalb eines multilateralen Systems von bestimmten Finanzinstrumenten“ geschlossen werden, wobei ausdrücklich auf Art 4 Abs 1 Nr 17 der Richtlinie 2004/39/ EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, ABlEU L 45 vom 30.4.2004, 18, verwiesen wird. 60 Art 4 Abs 4 VO Rom I. 61 Art 4 Abs 3 VO Rom I. Im IPRG war eine solche allgemeine Ausweichklausel nicht vorgesehen; es war daher fraglich, ob mit extensiver Auslegung des § 1 Abs 2 IPRG ein vergleichbares Ergebnis zu erzielen war.
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sind62. Die bisher interpretativ vertretene Auffassung, dass für so genannte Timesharing-Verträge eine Ausnahme von dieser Regel angebracht sei, ist in Art 4 Abs 1 lit d) Rom I-VO ausdrücklich anerkannt worden, wobei diese Bestimmung noch deutlich weiter reicht, da für die Miete oder Pacht von Liegenschaften zu einem vorübergehenden und maximal halbjährigen, privaten Gebrauch unter der Voraussetzung, dass der Mieter bzw Pächter eine natürliche Person ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat wie der Vermieter oder Verpächter hat, das Recht dieses Staates maßgebend ist. 15/14 Eine Sonderanknüpfung sieht Art 5 Rom I-VO für alle Beförderungsverträge vor. Demnach ist den Parteien zwar die Rechtswahl eröffnet, doch ist bei Verträgen über den Transport von Personen gemäß Art 5 Abs 2 die Auswahl auf das Recht bestimmter Staaten eingeschränkt, nämlich auf das Recht des Staates a) des gewöhnlichen Aufenthalts der zu befördernden Person, b) des gewöhnlichen Aufenthalts des Transporteurs, c) in dem der Transporteur seine Hauptverwaltung hat, d) in dem sich der Abgangsort befindet oder e) in dem der Bestimmungsort liegt. Haben die Parteien auf eine Rechtswahl verzichtet, ist für Gütertransportverträge das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Transporteurs maßgebend, wenn sich in diesem Staate zudem noch der Lieferort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet; sonst ist das Recht des von den Parteien vereinbarten Lieferorts maßgebend. Verträge über die Beförderung von Personen unterliegen hingegen dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der beförderten Person, wenn sich dort auch der Ausgangsort oder der Bestimmungsort befindet, andernfalls ist auch hier das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Transporteurs maßgebend. Art 5 Abs 3 Rom I-VO sieht auch für Beförderungsverträge eine Ausweichklausel vor, die bei Fehlen einer Rechtswahl eine „offensichtlich engere Verbindung“ zum Recht eines anderen, als nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln maßgebenden Rechts berücksichtigt. 15/15 Für „Verbraucherverträge“63 sieht Art 6 Rom I-VO eine besondere Anknüpfungsnorm vor, wobei der Begriff des Verbrauchervertrags ähnlich wie nach § 1 KSchG als Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, der im Rahmen der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers geschlossen wird64, definiert wird. Die Rechtswahl ist 62 Ausnahmen bestehen jedoch noch für Teilzeitnutzungsverträge. 63 Zur Vorgängerbestimmung in Art 5 EVÜ näher: Loacker, Der Verbrauchervertrag im internationalen Privatrecht (2006). 64 Vgl Art 15 Abs 1 lit c) VO Brüssel I.
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grundsätzlich möglich, doch stellt Abs 2 klar, dass dadurch dem Verbraucher nicht der ihm in seinem Aufenthaltsstaat gewährte, unabdingbare Schutz entzogen werden darf. Haben die Parteien keine Wahl des anzuwendenden Rechts getroffen, ist grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es müssen jedoch zusätzliche Voraussetzungen gegeben sein. So verlangt Art 6 Abs 1 Rom I-VO, dass der Unternehmer entweder „a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates ausrichtet“. Es wird also die Bestimmung des anzuwendenden Rechts nach der Rom I-Verordnung nicht mehr wie noch nach dem EVÜ65 davon abhängig gemacht, ob sich ein Verbraucher bei Abschluss des Vertrages mit einem Unternehmer in seinem Heimatstaat66 befindet oder nicht, womit wohl auch der gestiegenen Bedeutung des Internethandels Rechnung getragen wurde67. Wie nach dem EVÜ werden auch nach der Rom I-Verordnung Ausnahmen von der für Verbraucherverträge geltenden Anknüpfungsregel gemacht. So gelten die beiden ersten Absätze des Art 6 Rom I-VO nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, die ausschließlich in einem anderen als dem Aufenthaltsstaat des Verbrauchers erbracht werden müssen68, noch auch für Beförderungsverträge, wenn diese nicht als Pauschalreiseverträge im Sinne der einschlägigen Richtlinie 90/314/EWG zu qualifizieren sind. Zudem sieht die Rom I-Verordnung in Art 6 Abs 4 noch weitere – nicht leicht fassbare – Ausnahmen vor, so nach lit d) und e) für bestimmte Vertragsverhältnisse im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten69. Die Rom I-Verordnung beinhaltet eine Anknüpfungsnorm für Versiche- 15/16 rungsverträge, die die bisher mit Hilfe von Richtlinien angeglichene, allzu
65 Art 5 Abs 2 EVÜ sah drei Fallkonstellationen vor, die zum Recht des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers als maßgebend führten: a) dem Vertragsabschluss ist in diesem Staat ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorangegangen und der Verbraucher hat dort auch „die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen“ gesetzt; b) der Vertragspartner des Verbrauchers hat in dessen Aufenthaltsstaat die Bestellung entgegengenommen; oder c) der Vertragsabschluss ist im Rahmen einer Reise vom Aufenthaltsstaat des Verbrauchers in das Ausland, die nur zum Zweck des Vertragsabschlusses organisiert worden ist, womit die berüchtigte „Kaffeefahrt“ gemeint war. 66 Oder allenfalls auf einer Kaffeefahrt im (benachbarten) Ausland. 67 Dazu Rz 16/8 ff. 68 Art 6 Abs 4 VO Rom I. 69 Sie müssen im vorgegebenen Rahmen vernachlässigt werden.
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komplizierte Rechtsgrundlage in der Europäischen Union70 zumindest größtenteils ersetzt: Art 7 spiegelt die Komplexität der Materie wider. Er steckt zunächst seinen Geltungsbereich ab, indem er zunächst klar stellt, dass er für Verträge, die bestimmte Großrisiken71 decken, unabhängig davon gilt, ob das gedeckte Risiko in einem Mitgliedstaat belegen ist. Ansonsten gilt die Bestimmung für alle anderen Versicherungsverträge, durch die Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind. Für Rückversicherungsverträge gilt sie nicht. Nur für Versicherungsverträge über Großrisiken ist die freie Rechtswahl gemäß Art 3 Rom I-VO vorgesehen und wenn keine Rechtswahl getroffen wird, ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherers maßgebend, wenn nicht alle Umstände auf ein Recht weisen, das eine offensichtlich engere Verbindung mit dem Vertrag aufweist72. Für andere Versicherungsverträge ist nur eine durch Art 7 Abs 3 Rom I-VO beschränkte Rechtswahl eröffnet, da die Partien nur eines der dort aufgezählten Rechte wählen können, nämlich a) das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Risiko bei Vertragsabschluss belegen ist, b) das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers, c) bei Lebensversicherungen das Recht des Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer besitzt, d) für Versicherungsverträge, bei denen sich die gedeckten Risiken auf Schadensfälle in einem anderen Mitgliedstaat als jenem der Risikobelegenheit beschränken, das Recht dieses Mitgliedstaates und e) bezüglich der Risiken aus unternehmerischer Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten, das Recht eines dieser Mitgliedstaaten oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers73. In den Fällen nach lit a), b) und e) können die Mitgliedstaaten den Parteien eine größere Wahlfreiheit bezüglich des auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Rechts
70 In Österreich galt seit 1.1.1994 das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum (IVVG), BGBl 1993/89, das durch BGBl I 2009/109 aufgehoben wurde. Die Verordnung kann nur innerhalb der EU normative Kraft haben und kann somit nicht unmittelbar das bisherige Recht im EWR in seiner Gültigkeit tangieren. 71 Und zwar für Großrisiken iSv Art 5 lit d) der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24.7.1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABlEG L 228 vom 16.8.1973, 3; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.11.2005, ABlEU L 323 vom 9.12.2006, 1. 72 Art 7 Abs 2 VO Rom I. 73 Die Verordnung ermöglicht eine größere Wahlfreiheit, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten hinsichtlich der unter lit a), b) oder e) angeführten Beschränkungen eine größere Wahlfreiheit gewähren.
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einräumen74. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Risiko bei Vertragsschluss belegen ist. Für Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, sieht Art 7 Abs 4 Rom I-VO eine die Interessen dieses Mitgliedstaates an der Anwendung seines Rechts besonders berücksichtigende Regelung vor, während Abs 5 für einen Versicherungsvertrag, der Risiken abdeckt, die in mehr als einem Mitgliedstaat belegen sind, anordnet, dass er als aus mehreren, sich jeweils auf nur einen Mitgliedstaat beziehenden Verträgen bestehend anzusehen sei. Schließlich bestimmt noch der sechste Absatz dieser Norm, dass der „Staat der Risikobelegenheit“ nach Maßgabe der in den einschlägigen Richtlinien75 getroffenen Festlegungen zu bestimmen sei. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Bestimmung des auf ein 15/17 durch ein Abhängigkeitsverhältnis charakterisiertes privatrechtliches Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts ergeben, regelt Art 8 Rom I-VO, der mit „Individualarbeitsverträge“ überschrieben ist. Er lässt eine Rechtswahl durch die Parteien zu, sieht jedoch Einschränkungen des Grundsatzes der Parteiautonomie vor. So ist die Rechtswahl soweit unwirksam, als das gewählte Recht dem Arbeitnehmer den zwingenden Schutz des nach objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechts entziehen würde. Ob dies zutrifft, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zu ermitteln. Mangels einer Rechtswahl ist nach Art 8 Abs 2 Rom I-VO auf Arbeitsverträge das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wo also der örtliche Schwerpunkt der Arbeitsleistung besteht. Diese Anknüpfung bleibt auch dann maßgebend, wenn der Arbeitnehmer für einen begrenzten Zeitraum und mit der auch vom Arbeitgeber akzeptierten Aussicht auf Rückkehr in einen anderen Staat entsandt wird. Besteht wie etwa beim fliegenden Personal von Fluggesellschaften oder bei LKW-Fahrern im Fernverkehr kein in ein und demselben Staat liegender gewöhnlicher Arbeitsort, ist an das Recht am Ort jener Niederlassung anzuknüpfen, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. An dieses Recht knüpft Art 8 Abs 3 Rom I-
74 Das geschah durch BGBl I 2009/109 in dem neuen § 35a IPRG; vgl Rz 15/27. 75 Dabei handelt es sich um die Zweite Richtlinie 88/357/EWG vom 22.6.1988 über die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABlEG L 172 vom 4.7.1988, 1, geändert durch Richtlinie 2005/14/EG vom 11.5.2005, ABlEU L 149 vom 11.6.2005, 14, und um die Richtlinie 2002/83/EG vom 5.11.2002 über Lebensversicherungen, ABl EG L 345 vom 19.12.2002, 1.
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VO überhaupt alle Fälle an, in denen das anwendbare Recht nicht nach Art 8 Abs 2 bestimmt werden kann. Da die objektiven Anknüpfungstatbestände des Art 8 Abs 2 und 3 Rom I-VO jedoch nur die widerlegbare Vermutung aufstellen, dass die engsten Verbindungen des Vertrags zu dem dort als maßgebend bezeichnenden Recht bestehen, sieht Abs 4 eine Ausweichklausel vor, die die Anknüpfung an das Recht eines anderen Staates ermöglicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Zu beachten ist auch, dass die Wirkung des Arbeitsvertragsstatuts massiv durch EU-rechtliche Bestimmungen und nationale Eingriffsnormen mit öffentlich-rechtlichem oder privatrechtlichem Charakter76 beeinflusst wird, deren kollisionsrechtliche Behandlung sich nunmehr nach Art 9 Rom I-VO richtet. 15/18 In der Rom I-Verordnung finden sich keine weiteren Bestimmungen, die für bestimmte Vertragstypen Sonderanknüpfungen vorsehen würden. Sämtliche Verträge, die allenfalls nach besonderen Grundsätzen angeknüpft werden könnten und die nicht aus dem Anwendungsbereich der europäischen kollisionsrechtlichen Regelwerke ausgenommen sind, werden – wie auch die seinerzeit in § 45 IPRG gesondert geregelten „abhängigen Rechtsgeschäfte“ – bei fehlender Rechtswahl grundsätzlich an das Aufenthaltsrecht der Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, angeknüpft, sofern nicht die Ausweichklausel zum Tragen kommt. In den einzelnen Vertragsgruppen können sich daraus delikate Einordnungsfragen ergeben77. d) Eingriffsnormen 15/19 Die schwierige Frage der Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen – und zwar der aus der Sicht des Forumstaates eigenen wie der fremden – ist in Art 9 Rom I-VO geregelt. Während das EVÜ den Begriff „Eingriffsnormen“ noch vermied und (missverständlich) von „zwingenden Vorschriften“ sprach, verwendet und umschreibt die Verordnung diesen Begriff. Eine „Eingriffsnorm“ ist nach Art 9 Abs 1 „eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirt76 Besonders einprägsame Beispiele sind §§ 7, 7a und 7b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl 1993/459 idF BGBl I 2010/29, welche die zwingenden Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ausländische Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich sowie ohne bzw mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat detailliert regeln. 77 Siehe zu den Verträgen über Immaterialgüterrechte Rz 13/11.
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schaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen“. Eingriffsnormen sind eben kraft eigenen Geltungswillens, das heißt, „wegen ihres besonderen Zweckes, unabhängig von dem durch dieses Gesetz bezeichneten Recht, zwingend anzuwenden“78. Solche „lois d’application immédiate“ finden sich in allen Rechtsordnungen in vielen Teilrechtsgebieten, etwa im Devisenrecht79, ferner im Wirtschaftslenkungs-, Liegenschaftsverkehrs- und Registerrecht, aber auch im Arbeitsrecht sowie im Kartell- und Wettbewerbsrecht. Der Kreis dieser Normen ist nicht geschlossen. Den Rechtsanwender trifft die schwierige Aufgabe, im Einzelfall den eigenen Anwendungswillen derartiger Normen festzustellen80. Während die Anwendung eigener Eingriffsnormen durch das angerufene Gericht81 keine Probleme bereitet, ist die Frage, ob das besondere Interesse, das ein fremder Staat an der Beachtung seiner, dem Forumstaat fremden Eingriffsnormen hat und das jeweils erhoben werden muss, dazu führen könne, dass sie in einem konkreten Fall Beachtung finden, kontrovers und schwieriger zu beantworten. Nach Art 7 Abs 1 EVÜ konnte einer fremden Eingriffsnorm unter der Voraussetzung, dass ein internationaler Sachverhalt „eine enge Verbindung“ zum Recht des Forums hatte „Wirkung verliehen“ werden, wobei Natur und Gegenstand dieser Eingriffsnormen sowie die Folgen zu berücksichtigen waren, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergaben. Wegen seiner etwas schwammigen Formulierung war Art 7 EVÜ von Anfang an massiver Kritik ausgesetzt82. Art 9 Abs 3 Rom I-VO bestimmt nunmehr präziser und zugleich einschränkend, dass nur den Eingriffsnormen des Staates, „in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, [. . .] Wirkung verliehen werden [kann], soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen“83. 78 So Art 18 schweizIPRG. 79 Vgl (noch auf der Grundlage des DevisenG 1946) OGH EvBl 1993/110. 80 Vgl OGH EvBl 1987/145 = IPRax 1988, 240 (Reichelt, 251); ZfRV 1990, 133 (Zemen) = RdW 1989, 326; RdW 1990, 158; ferner OGH EvBl 1993/144. Allgemein dazu Rz 8/4. 81 Art 7 Abs 2 EVÜ bzw Art 9 Abs 2 Rom I-VO haben nur klarstellende Funktion. 82 Daher war den Vertragsstaaten gem Art 22 Abs 1 lit a) EVÜ die Möglichkeit eröffnet, die Anwendung des Art 7 Abs 1 EVÜ im Wege eines Vorbehaltes auszuschließen. Diesen Vorbehalt hatten ua Deutschland und das Vereinigte Königreich, nicht jedoch Österreich erklärt. Vgl dazu nur Thorn, Eingriffsnormen, in Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007) 129. 83 Dabei sind „Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen [. . .], die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben“, zu berücksichtigen.
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e) Abtretung und gesetzlicher Übergang der Forderung, Aufrechnung 15/20 Für die rechtsgeschäftliche Forderungsabtretung sieht Art 14 Abs 1 Rom I-VO vor, dass das für das der Abtretung zugrunde liegende Kausalgeschäft maßgebende Recht, auch die Verpflichtungen zwischen dem Zedenten und dem Zessionar beherrscht. Ferner ist in diesem Artikel angeordnet, dass „das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt, [. . .] ihre Übertragbarkeit, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann, und die befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner“ bestimmt. Somit richtet sich etwa die Zession einer Kaufpreisschuld nach dem Recht, dem der Kaufvertrag unterliegt, womit auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht sicher gestellt ist, dass der Schuldner durch den Wechsel des Gläubigers nicht in seinen Rechten geschmälert wird. Art 15 Rom I-VO betrifft den gesetzlichen Übergang von Forderungen, sofern diese eine vertragliche Grundlage haben84. Die Bestimmungen besagen, dass, wenn ein Dritter aufgrund einer Verpflichtung die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner befriedigt, für die Beurteilung der Frage, ob und wieweit der Dritte berechtigt sei, die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner geltend zu machen85, das Recht maßgebend ist, das die Verpflichtung zur Befriedigung der Forderung durch den Dritten beherrscht. Auch diese Regelung entspricht dem rechtspolitischen Anliegen, dass die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert werden darf. Die Rom I-Verordnung beinhaltet in ihrem Art 16 unter der Überschrift „Mehrfache Haftung“ eine detaillierte Regelung der Anknüpfung der Regressforderung des Schuldners, der im Falle einer Gesamtschuld gezahlt hat, gegen die übrigen Schuldner. Diese richtet sich nach dem Statut der Verpflichtung des zahlenden Schuldners gegenüber dem Gläubiger, während sich die „Verteidigungsmittel“ der übrigen Schuldner gegen den Regressanspruch des Zahlers nach dem Recht richten, dem die Forderungen des Gläubigers gegen sie unterliegen. Art 17 Rom I-VO knüpft die Aufrechnung an das Statut der Hauptforderung an, gegen die aufgerechnet wird, und erteilt somit der so genannten Kumulationstheorie, die auf das Statut beider Forderungen abstellt86, eine Absage. 84 Art 15 Rom I-VO bezieht sich nicht auf den Übergang außervertraglicher Forderungen. 85 Das ist das „Zessionsgrundstatut“. 86 Vgl EuGH C-87/01 – Kommission gg. CCRE, Slg 2003 I-7617, RdNr. 61.
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Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts
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f) Materielle Wirksamkeit, Form des Vertrages und Reichweite des Vertragsstatuts Art 10 Rom I-VO sieht vor, dass das Zustandekommen und die materielle 15/21 Wirksamkeit eines Vertrages an dasselbe Recht anzuknüpfen sind, das für den Vertrag selbst maßgebend ist bzw wäre (lex causae). Dieser Grundsatz gilt für alle Fragen, welche die Voraussetzungen und den Umfang der vertraglichen Einigung betreffen. Sollte sich jedoch aus den Umständen ergeben, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens einer Partei nach dem Vertragsstatut zu bestimmen, kann sich diese Partei „für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt“, auf ihr Aufenthaltsrecht berufen87. Die Regelung der Frage, nach welchem Recht die Formgültigkeit eines 15/22 Vertrages oder einseitigen Rechtsgeschäfts zu beurteilen ist88, findet sich heute in Art 11 Rom I-VO, der zwischen Verträgen89 und einseitigen Rechtsgeschäften90 differenziert und für Verbraucherverträge und für Verträge über dingliche Rechte an einer Liegenschaft sowie die Miete oder Pacht einer Liegenschaft Sonderanknüpfungen vorsieht91. Hinsichtlich der Anknüpfung der Form von Verträgen und einseitigen Rechtsgeschäften besteht eine Parallele zum allgemeinen Formstatut des § 8 IPRG, nach welchem, je nachdem, was für die Formgültigkeit günstiger ist, die lex causae oder alternativ die „lex loci actus“ maßgeblich sein kann. Gemäß Art 11 Abs 2 und 3 Rom I-VO ist auch noch die Anknüpfung an das Recht des Aufenthaltsstaates einer der Vertragsparteien bzw der Person, die das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen hat, vorgesehen. Ausnahmen von dieser Alternativanknüpfung bestehen jedoch für Verbraucherverträge, für deren Form das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und für die Verträge über dingliche Rechte oder Bestandverträge an Liegenschaften, welche sich nach den zwingenden Formvorschriften des Staates des Belegenheitsorts beurteilen, „sofern diese Vorschriften nach dem Recht dieses Staates unabhängig davon gelten, in welchem Staat der Vertrag geschlossen wird oder welchem
87 Art 10 Abs 2 Rom I-VO. Die inhaltsgleiche Bestimmung des Art 8 Abs 2 EVÜ wurde auch als „Vetorecht des Umweltrechts“ bezeichnet, vgl Helmberg in Czernich/Heiss (Hrsg), EVÜ Kommentar, Art 8 Rz 11. 88 Ob zB einem Schriftlichkeitserfordernis oder der Vorgabe einer notariellen Beglaubigung entsprochen wurde. 89 Art 11 Abs 1 und 2 Rom I-VO. 90 Art 11 Abs 3 Rom I-VO. 91 Art 11 Abs 4 und 5 Rom I-VO.
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Recht dieser Vertrag unterliegt, und von ihnen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf“, sie also „international zwingend“ sind. 15/23 Der mit „Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts“ überschriebene Art 12 Rom I-VO grenzt die Reichweite des Vertragsstatuts ein. Zu diesem Zweck werden in einer nicht erschöpfenden Aufzählung die vom Anknüpfungsregime der Verordnung erfassten Gegenstände angeführt. Ausdrücklich erwähnt werden Auslegung, Vertragserfüllung, Folgen vollständiger oder teilweiser Nichterfüllung einschließlich der Schadensbemessung, Erlöschen von Vertragspflichten, Verjährung und Folgen der Nichtigkeit eines Vertrages. Demnach bleibt es nach der Rom I-Verordnung dabei, dass Stellvertretung und Form vom Vertragsstatut getrennt zu beurteilen sind. Gemäß Art 18 Rom I-VO werden der Beweis, soweit seine materiellrechtliche Seite betroffen ist, sowie allfällige gesetzliche Vermutungen grundsätzlich nach dem Vertragsstatut beurteilt. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Beweisarten sieht Art 18 Abs 2 die alternative Anknüpfung an die lex fori und an die Rechte vor, die nach dem Formstatut des Art 11 Rom IVO anwendbar sind und in concreto für die Gültigkeit des Vertrages sprechen. Allerdings bleibt das Beweisverfahren der lex fori unangetastet, sodass deren Repertoire an Beweismitteln nicht erweitert werden kann. g) Weitere kollisionsrechtliche Hilfsnormen in der Rom I-Verordnung 15/24 Art 13 Rom I-VO ist mit „Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit“ überschrieben, was jedoch nicht als Ankündigung einer Verweisungsnorm über die Rechts- und Geschäftsfähigkeit begriffen werden darf. Diese Aspekte fallen ja gemäß Art 1 Abs 2 lit a) Rom I-VO nicht in deren Anwendungsbereich, sondern unterliegen auch weiterhin der Anknüpfung gemäß § 12 IPRG92. Vielmehr dient die gegenständliche Norm dem Vertrauensschutz, da sie den Fall betrifft, in dem eine Person, die nach ihrem Personalstatut aufgrund ihres Alters oder aus anderen Gründen (noch) nicht voll geschäftsfähig ist, einen Vertrag in einem Land schließt, nach dessen Recht sie voll handlungsfähig wäre: Diese Person kann sich nicht auf die ihr (noch) fehlende Volljährigkeit berufen, wenn der andere Vertragsteil dies nicht wusste oder nicht wissen konnte.
92 Der in § 12 IPRG verwendete Begriff „Handlungsfähigkeit“ erfasst nach hA jedoch nicht die Delikts- bzw Verschuldensfähigkeit; vgl Rz 10/2.
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Die „Europäisierung“ des internationalen Schuldvertragsrechts
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Art 21 Rom I-VO ist mit „Öffentliche Ordnung im Staat des angerufenen 15/25 Gerichts“ überschrieben und regelt den Vorbehalt des ordre public. Die Bestimmung stellt darauf ab, ob eine „offensichtliche Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung“ des Gerichtsstaates gegeben ist93 und drückt so dasselbe aus wie § 6 IPRG, wenn man davon absieht, dass sie kein Ersatzrecht benennt. Art 22 Rom I-VO regelt den kollisionsrechtlichen Umgang mit Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung94. Hier gibt es insoweit eine Abweichung von § 5 Abs 3 IPRG, als jede Gebietseinheit eines Staates als Staat gilt und so das interlokale Privatrecht ausgeklammert wird. Ferner findet sich in Art 23 Rom I-VO die Klarstellung, dass die Anknüpfungsregeln der Verordnung, die das Vertragskollisionsrecht betreffenden Bestimmungen anderer EU-Rechtsakte nicht berühren, wobei Art 7 ausgenommen ist. Ferner stellt Art 25 Abs 1 Rom I-VO klar, dass die Anwendung von internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten am 17.6.2008 als Vertragsstaaten angehörten und die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten (wie zB CISG), grundsätzlich unberührt bleibt95. Mit Geltungsbeginn am 17.12.2009 ist die Rom I-Verordnung nur in 15/26 sechsundzwanzig Mitgliedstaaten der Europäischen Union an die Stelle des EVÜ getreten, da sich Dänemark nicht an der Annahme der Verordnung beteiligt96. Während Irland von Anfang an die Bereitschaft zur Annahme der Verordnung zeigte, hat sich das Vereinigte Königreich erst mit Verzögerung dazu entschlossen, die Verordnung als sein Vertragskollisionsrecht zu akzeptieren97. Hinsichtlich des auf Versicherungsverträge anzuwendenden Rechts und der Frage, ob durch die Anwendung von Art 6 die Kohärenz des europäischen Verbraucherschutzrechts tangiert wird, trifft die Kommission gemäß Art 27 Abs 1 Rom I-VO bis 17.6.2013 und hinsichtlich der „Frage, 93 Das entspricht der Terminologie der Haager IPR-Übereinkommen, vgl zB Art 10 HStVÜ. 94 In der Europäischen Union sind dies Großbritannien und Spanien. 95 In den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten hat die Rom I-VO Vorrang vor bilateralen und multilateralen Übereinkommen, an denen nur Mitgliedstaaten beteiligt sind, soweit diese in der VO geregelte Bereiche betreffen. Zudem werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Übereinkommen nach Art 25 Abs 1 bis zum 17.6.2009 der Kommission mitzuteilen, die darüber im Amtsblatt der Europäischen Union informieren wird. 96 Vgl Präambel, Erwägungsgründe 44 bis 46. 97 Vgl Entscheidung 2009/26/EG der Kommission vom 22.12.2008 über den Antrag des Vereinigten Königreichs auf Annahme der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEU L 10 vom 15.1.2009, 22.
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ob die Übertragung einer Forderung Dritten entgegengehalten werden kann, und über den Rang dieser Forderung Dritten gegenüber“98 bis 17.6.2010 eine Berichtspflicht über einen allfälligen Änderungsbedarf99. Mit der Verordnung (EG) Nr. 662 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten über spezifische Fragen des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts ist der Rahmen abgesteckt worden, in dem sich die Mitgliedstaaten bei Abkommen mit Drittsstaaten auf dem gebiet des internationalen Schuldrechtsbewegen dürfen100. Dass schuldrechtliche Verträge mit Auslandsberührung, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden, noch nach dem EVÜ anzuknüpfen sind, ergibt sich schließlich aus Art 28 Rom I-VO, der den Beginn der zeitlichen Anwendbarkeit der Verordnung mit diesem Datum festlegt. 4. Die „Auffangtatbestände“ des IPRG: §§ 35 nF, 35a IPRG 15/27 Die Bestimmungen des 7. Abschnitts des IPRG sind, soweit sie sich auf das internationale Schuldvertragsrecht bezogen, bereits mit der Übernahme des EVÜ entweder wie § 35 geändert oder wie §§ 36 bis 45 aufgehoben worden. Auch im Gefolge der Rom I-Verordnung ist ein Änderungsbedarf aufgetreten, der sich nicht auf die Ersetzung der obsoleten Hinweise auf das EVÜ durch solche auf die Verordnung in § 35 IPRG beschränkt. Da jedoch die Rom I-Verordnung nichts zum Vertretungsstatut anordnet101 und bestimmte, in Art 1 Abs 2 aufgezählte Schuldverhältnisse aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, mussten im IPRG „Auffangbestimmungen“ aufgenommen werden, die diese Lücken schließen, so dass dem 7. Abschnitt des Gesetzes über § 49 hinaus ein residualer Anwendungsbereich verbleibt, den Art 1 des Bundesgesetzes, „mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den europäischen Wirtschaftsraum aufgehoben werden“102, absteckt. So ist in § 35 IPRG eine Verweisungsordnung für die vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgenommenen vertraglichen Schuldverhältnisse geschaffen worden. Diese sieht vor, dass von 98 99 100 101
Das kann sich aber wohl nur auf die kollisionsrechtlichen Aspekte der Frage beziehen. Vgl Art 27 Abs 2 Rom I-VO. ABlEU L 200 vom 31.7.2009, 25. Da die Rom I-Verordnung keine Anknüpfungsregeln für die gewillkürte Stellvertretung vorsieht, ist § 49 IPRG in Geltung geblieben; vgl Rz 14/5. 102 BGBl I 2009/109.
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Anknüpfung von außervertraglichen Schuldverhältnissen
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der Verordnung nicht erfasste vertragliche Schuldverhältnisse weiterhin primär nach dem von den Parteien ausdrücklich oder schlüssig gewählten Recht beurteilt werden sollen103 und hält bei Unterbleiben der Wahl an den im ursprünglichen Text des IPR-Gesetzes104 verankert gewesenen Grundsatz fest, wonach an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Partei, welche die vertragscharakteristische Leistung erbringt, anzuknüpfen ist105. Die im IPRG ursprünglich nur für die außervertraglichen Schadenersatzansprüche vorgesehene Ausweichklausel, wurde für die Schuldverhältnisse, die nach § 35 nF IPRG anzuknüpfen sind, übernommen. Da Art 7 Abs 3 Rom I-VO den Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen die Möglichkeit einräumte, den Parteien eines internationalen Versicherungsvertrages, der keine Großrisiken deckt, eine erweiterte Rechtswahl zu gewähren und Österreich davon Gebrauch machte, ist eine solche durch § 35a IPRG vorgesehen und mit einer den Versicherungsnehmer schützenden Regelung verknüpft worden. Demnach können die Parteien „jedes andere Recht ausdrücklich oder schlüssig“ als anwendbar bestimmen, sofern die Rechtswahl nicht dazu führt, dass dem Versicherungsnehmer der nach dem bei objektiver Anknüpfung maßgebenden Recht unabdingbare Schutz entzogen würde106.
D. Anknüpfung von außervertraglichen Schuldverhältnissen 1. Die überkommene Regelung Das IPRG regelte in seinen §§ 46 bis 48 das Bereicherungs- und Geschäfts- 15/28 führungsstatut, das Deliktsstatut und das Internationale Wettbewerbsprivatrecht in einigen wenigen kurzen Bestimmungen, die heute nur mehr von rechtshistorischem Interesse sind, obwohl sie noch auf Ereignisse, die unter die einschlägigen Verweisungsbegriffe fallen und sich vor dem Geltungsbeginn der Rom II-Verordnung ereigneten, anzuwenden sind107. Der 10.1.2009 bildet somit das Ablaufdatum für die Verweisungsnormen des
103 Ob die Rechtswahl wirksam ist, beurteilt sich nach § 11 IPRG. 104 § 36 aF IPRG; vgl auch Art 4 Abs 2 EVÜ. 105 Mit § 35 Abs 2, Satz 2 IPRG, der klarstellt, dass bei Verträgen von Unternehmern an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts die Niederlassung tritt, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen worden ist, wird eine Formulierung der Urfassung des IPRG wiederbelebt. 106 Vgl Rz 15/16. 107 Vgl dazu Rz 15/28 ff der Vorauflage.
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IPR-Gesetzes für außervertragliche Schuldverhältnisse, an deren Stelle mit dem neu formulierten § 48 IPRG ein „Auffangtatbestand“ getreten ist. Für Schadenersatzforderungen aus internationalen Straßenverkehrsunfällen bestand jedoch bereits vor dem 1.1.1979 mit dem Haager Straßenverkehrsübereinkommen108 eine Sonderregelung, die wie die kollisionsrechtliche Bestimmung des Atomhaftungsgesetzes 1999109 auch nach dem 10.1.2009 in Geltung steht110. 15/29 Gemäß § 35 Abs 2 aF IPRG stand den Parteien die Möglichkeit offen, das auf ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Auslandsberührung anzuwendende Recht zu wählen. Sahen sie im Falle eine Schädigung von einer Rechtswahl ab, war gemäß § 48 aF IPRG für außervertragliche Schadenersatzansprüche das Recht des Staates, „in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist“ und somit das Recht des Handlungsortes maßgebend111. Eine „Auflockerung des Deliktsstatuts“ ergab sich auf Grund des zweiten Satzes des ersten Absatzes des § 48 aF IPRG, der die Relevanz einer für die Beteiligten stärkeren Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts vorsah112. § 48 Abs 2 aF IPRG bestimmte, dass Schadenersatz- und andere Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirkt, dh, nach dem Recht des Ortes der wettbewerblichen Interessenkollision113, wäh108 BGBl 1975/387. Das HStVÜ ist bereits am 3.6.1975 in Kraft getreten. 109 Dazu Rz 15/47. Art 1 Abs 2 lit f) Rom II-VO nimmt „außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus Schäden durch Kernenergie ergeben“ aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aus. 110 Kollisionsrechtliche Bestimmungen, die gemäß Art 28 Abs 1 Rom II auch künftig bedeutsam sein werden, finden sich im Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für KfZ des Europarates (BGBl 1972/236). 111 Allenfalls auch das Recht des Unterlassungsorts; vgl auch §§ 13 Abs 2, 34 Abs 1 IPRG; auch § 92a JN (Gerichtsstand der Schadenszufügung). 112 Kriterien dafür, wann dieses Recht an Stelle der lex loci delicti commissi anzuwenden sei, hat § 48 aF IPRG nicht angeführt, so dass die jeweils stärkere Einbettung des Sachverhaltes in das soziale und haftungsrechtstypische Umfeld der Beteiligten vom Richter durch Abwägung relevanter Anknüpfungsfaktoren zu ermitteln war. Außervertragliche Schadenersatzansprüche, die innerlich mit einem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnis – zB einem Arbeits- oder Beförderungsvertrag – zusammenhängen, wurden „akzessorisch“ dem Vertragsstatut unterstellt: vgl OGH IPRax 1988, 33 (Moschner, 40); ferner OGH ZfRV 1990, 229 (Reichelt) = IPRax 1989, 394 (Schwind, 401); EvBl 1993/198. Ein „gemeinsames Personalstatut“ von Schadensverursacher und Schadensopfer allein rechtfertigte eine „Auflockerung“ nicht, vgl OGH SZ 54/133. 113 Hier lag ein „Wirkungsstatut“ alter Prägung vor; vgl OGH ÖBl 1989, 74; auch OGH IPRax 1991, 412 (Sack, 386). Ein typischer, vom OGH entschiedener Sachverhalt betraf die Werbung deutscher Unternehmen für Autobusreisen nach Deutschland zu Werbe-
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Anknüpfung von außervertraglichen Schuldverhältnissen
§ 15
rend zur Zulässigkeit der Rechtswahl keine Aussage getroffen wurde114. Dem „Auswirkungsprinzip“ folgt auch das Kartellgesetz 2005, das gemäß seinem § 24 Abs 2 „nur anzuwenden [ist], soweit sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder Ausland verwirklicht worden ist“115. Weder das IPR-Gesetz, noch auch die einschlägigen materiell-rechtlichen 15/30 Gesetze (AnfO, KO) sehen kollisionsrechtliche Bestimmungen für die Gläubigeranfechtung vor. Auch die Rom II-Verordnung trifft hierzu keine Regelung. Da der Gläubigeranfechtung weder eine ungerechtfertigte Bereicherung noch eine Schadenszufügung zugrunde liegt, ist sie nach der Generalklausel des § 1 Abs 1 IPRG anzuknüpfen, wobei die stärkste Beziehung zum Recht des Belegenheitsortes der dem Schuldner entzogenen Vermögenswerte angenommen wird116. In diesem verfahrenskonnexen Bereich darf die „Verweisungsfreundlichkeit“ jedoch nicht übertrieben werden, weshalb die Gläubigeranfechtung im Konkurs an die lex fori anzuknüpfen ist117. 2. Die Rom II-Verordnung118 a) Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung Die „Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und 15/31 des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhält-
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veranstaltungen: OGH SZ 57/169. Auch den wettbewerbsrechtlichen Firmenschutz nach § 9 Abs 1 UWG, BGBl 1984/448 idF BGBl I 1999/111, knüpfte der OGH nach § 48 Abs 2 IPRG an: OGH SZ 56/107. Wenn sich der Wettbewerb auf mehreren Märkten auswirkt, wurden bisher die einzelnen Wettbewerbshandlungen getrennt angeknüpft: OGH ÖBl 1986, 73. Obwohl der Gesetzgeber die Rechtswahl nicht ausdrücklich untersagt hatte, sprachen schon bisher der gewandelte Schutzzweck des Wettbewerbsrechtes und der daraus resultierende Sonderanknüpfungscharakter der einschlägigen Normen gegen die Zulassung der Parteiautonomie im Wettbewerbskollisionsrecht; vgl OGH ÖBl 1986, 73. Art 6 Abs 4 Rom II-VO lässt die Rechtswahl expressis verbis nicht zu. BGBl I 2005/61. Dies entspricht dem europäischen Kartellrecht (Art 101 AEUV). OGH JBl 1985, 299 = ZfRV 1986, 290; dazu Verschraegen, Die internationale Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses, ZfRV 1986, 272; OGH IPRax 1986, 244 (Schwind, 249). In diesem Sinne OGH RdW 1990, 158. Das folgt heute auch aus Art 4 Insolvenz-VO (Rz 1/7). Aus dem Schrifttum mit Österreichbezug vgl insb Beig/Graf-Schimek/Grubinger/ Schacherreiter, Rom II-VO, Neues Kollisionsrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse (2008); Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, JBl 2007, 613; Ofner, Die Rom IIVerordnung – Neues Internationales Privatrecht für außervertragliche Schuldverhält-
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nisse anzuwendende Recht (‚Rom II‘)“119 regelt die Frage, welches nationale Recht auf „außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen“120, anzuwenden ist. Da von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, was unter „außervertraglichen Schuldverhältnissen“ zu verstehen ist, muss dieser Begriff autonom verstanden und ausgelegt werden121. Grundsätzlich fallen unter den Begriff, der die Verordnung thematisch umschreibt, alle Arten von unerlaubten Handlungen122, die ungerechtfertigte Bereicherung123, Geschäftsführung ohne Auftrag124 und das Verschulden bei Vertragsverhandlungen125. Art 1 Abs 1 Rom II-VO stellt zunächst klar, dass die Verordnung weder für Steuer- und Zollsachen sowie „verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“, noch auch für „die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii)“ gilt126. Danach zählt Art 1 Abs 2 Rom II-VO eine Anzahl von außervertraglichen Schuldverhältnissen auf, die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind. Dazu zählen außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus einem Familienverhältnis, aus ehelichen Güterständen, aus Testamenten und Erbrecht, aus Wechseln, Schecks und anderen handelbaren Wertpapieren oder aus dem Gesellschaftsrecht, dem Vereinsrecht und dem Recht der juristischen Personen ergeben oder sich im Zusammenhang mit „Trusts“ einstellen. Auch außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus Schäden durch Kernenergie ergeben, sind vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen und das gilt auch für außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung.
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nisse in der Europäischen Union, ZfRV 2008, 13; Rudolf, Europäisches Kollisionsrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse – Rom II-VO, ÖJZ 2010/36, 300. ABlEU L 199 vom 31.7.2007, 40. So die an Art 1 EuGVVO angelehnte Formulierung des Art 1 Rom II-VO. Vgl Präambel, Erwägungsgrund 11. Art 4 bis 9 Rom II-VO. Mit dem Begriff „unerlaubte Handlungen“ wird deutschrechtliche Terminologie in die österreichische Rechtssprache, in der bisher „deliktische Schadenszufügungen“ oder (wie bei § 48 IPRG) „außervertragliche Schadenersatzansprüche“ den Vorzug hatten, eingeführt. Art 10 Rom II-VO. Art 11 Rom II-VO. Art 12 Rom II-VO. Der OGH würde heute in einem Amtshaftungsfall wie dem, der der Entscheidung SZ 55/17 (tödlicher Fehlschuss des österr Botschafters bei einer Diplomatenjagd in Jugoslawien) zugrunde lag, die Frage, ob jemand als ein Organ eines Rechtsträgers tätig geworden ist und damit die Amtshaftung ausgelöst hat, wohl dem Bereich der Eingriffsnormen zuordnen und nach österreichischem Recht beurteilen.
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Eine gewöhnungsbedürftige, der überkommenen sachrechtlichen Terminologie nicht angepasste Begriffsklärung beinhaltet Art 2 Abs 1 Rom IIVO, demzufolge „der Begriff des Schadens sämtliche Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag (‚Negotiorum gestio‘) oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (‚Culpa in contrahendo‘)“ umfasst. Nicht überrascht hingegen Art 3, der die universelle Anwendung der Verordnung als loi uniforme festschreibt. Die §§ 46 bis 48 IPRG sind durch BGBl I 2009/ 109 mit Wirkung ab 11.1.2009 formell aufgehoben worden, doch hat der österreichische Gesetzgeber für die von der Verordnung offen gelassenen Lücken127 Auffangtatbestände vorgesehen. b) „Unerlaubte Handlungen“ Für das Deliktstatut von zentraler Bedeutung ist Art 4 Abs 1 Rom II-VO, 15/32 der die „Allgemeine Kollisionsnorm“ festschreibt. Nach dieser objektiven Regelanknüpfung ist „auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung“128 „das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind“. Zu dieser Regelanknüpfung findet sich jedoch in Abs 2 die spezifische Ausnahme, dass das zum Zeitpunkt des Schadenseintritts gegebene gemeinsame Aufenthaltsrecht von Schädiger und Opfer an Stelle des Rechts des Ortes des Schadenseintritt anwendbar ist, und in Abs 3 die allgemeine „Ausweichklausel“, wonach eine sich „aus der Gesamtheit der Umstände“ ergebende „offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat“ bewirkt, dass „das Recht dieses anderen Staates anzuwenden“ ist129. Während die lex loci delicti commissi heute in der Substanz vom locus damni bestimmt wird, hat sich wenig an ihrer aus dem autonomen Recht bekannten Auflockerung geändert. Gemäß dem in Art 4 Abs 1 Rom II-VO verankerten „Erfolgsortprinzip“ ist ein internationaler deliktischer Schädigungssachverhalt nicht wie bisher an das Recht des Staates, in dem das schadenskausale Verhalten ge127 Ein Problem bilden vor allem die nicht von der Rom II-VO erfassten Schadenersatzansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung. 128 Unter diesen, aus der deutschen Rechtsterminologie stammenden Begriff ist auch das außervertragliche Schuldverhältnis aus Gefährdungshaftung zu subsumieren. 129 Die Rom II-VO führt in Art 4 Abs 3 in tautologischer Formulierung exemplarisch an, dass sich „eine offensichtlich engere Verbindung [. . .] insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben [könnte], das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht“.
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setzt wurde, anzuknüpfen („Handlungsortprinzip“), sondern an das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist (lex loci damni), und zwar unabhängig von dem Staat oder den Staaten, in welchem bzw welchen indirekte Schadensfolgen auftreten könnten. 15/33 In Art 5 bis 9 sind für die Produkthaftung, den unlauteren Wettbewerb und ein den freien Wettbewerb einschränkendes Verhalten, die Umweltschädigung, die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums sowie für Arbeitskampfmaßnahmen Sonderanknüpfungen vorgesehen. Art 5 Rom II-VO beinhaltet die Kollisionsnorm für die Produkthaftung130, die in Form einer Anknüpfungsleiter ausgestaltet ist und „für eine gerechte Verteilung der Risiken einer modernen, hoch technisierten Gesellschaft sorgen, die Gesundheit der Verbraucher schützen, Innovationsanreize geben, einen unverfälschten Wettbewerb gewährleisten und den Handel erleichtern“ soll131. Als möglicherweise maßgebend zu berücksichtigen sind nach dieser Norm das Recht des Aufenthaltsstaates des Geschädigten bei Schadenseintritt, sofern das Produkt in diesem Staat in den Verkehr gebracht wurde, das Recht des Staates, in dem das Produkt erworben wurde, falls das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde, oder das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, falls das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde. Allerdings ist das Recht des Aufenthaltsstaates des in Anspruch genommenen Produzenten anzuwenden, wenn dieser das Inverkehrbringen des Produkts oder eines gleichartigen Produkts in dem Staat, dessen Recht nach einer der drei Grundregeln anzuwenden wäre, vernünftigerweise nicht voraussehen konnte132. 15/34 Für unlauteren Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen trifft Art 6 eine Regelung, die als Präzisierung der allgemeinen Regel des Art 4 Abs 1 Rom II-VO zu begreifen ist133. Durch unlauteren Wettbewerb begründete außervertragliche Schuldverhältnisse werden an das Recht des 130 Dazu näher Rudolf, Internationales Produkthaftungsrecht nach der Rom II-Verordnung, wbl 2009, 525. Krit Junker, Der Reformbedarf im Internationalen Deliktsrecht der Rom II-Verordnung drei Jahre nach ihrer Verabschiedung, IPRax 2010, 265 f, der eine „Schlagseite zugunsten der Geschädigten“ und eine Regelungslücke moniert, die er in der fehlenden Synchronisierung von Grundanknüpfungen in § 5 Abs 1 Satz 1 Rom II-VO mit der Ausnahmeklausel des Satzes 2 sieht. 131 Präambel, Erwägungsgrund 20. 132 Da Finnland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien und Spanien Ratifikationsstaaten der Hague Convention of 2.10.1973 on the Law Applicable to Products Liability sind und diesem Übereinkommen auch fünf Nicht-Mitgliedstaaten der EU angehören, ist Art 28 Abs 1 Rom I-VO zu beachten: Gerichte aus den sechs angeführten Mitgliedstaaten werden auch nach dem 11.1.2009 das auf internationale Produkthaftungsfälle anzuwendende Recht nach dem Haager Übereinkommen bestimmen. 133 Präambel, Erwägungsgrund 21.
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Staates angeknüpft, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt zu werden drohen. Die neue Regelung weicht somit von jener des aufgehobenen § 48 Abs 2 IPRG nicht wesentlich ab. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten resultieren, ist gemäß Art 6 Abs 3 Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich die Beschränkung auswirkt oder auszuwirken droht. Wenn Auswirkungen sich in mehr als einem Staat zeigen oder drohen, kann der Geschädigte seinen Anspruch auf das Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts stützen, vorausgesetzt, dass der Markt in diesem Mitgliedstaat zu den durch das schadenskausale wettbewerbsbeschränkende Verhalten unmittelbar und wesentlich beeinträchtigten Märkten zählt. Von Art 6 Abs 3 Rom II-VO sind Verstöße gegen nationales und europäisches Wettbewerbsrecht im weiteren Sinn erfasst134. In den stürmischen Zeiten des Klimawandels verdient Art 7 Rom II-VO Beachtung, der die Anknüpfung von Umweltschädigungen regelt. Dieser Begriff ist autonom auszulegen und zwar im Sinne der Definition des „Umweltschadens“ in Art 2 Z 1 der „Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden“135. Primär anzuwenden ist das Recht des Erfolgsortes, doch wird unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Begünstigung des Geschädigten, diesem die Wahl zwischen dem Recht des Erfolgsortes und jenem des Verursachungsortes eingeräumt. Hier hat also im Ergebnis das „Ubiquitätsprinzip“, das insbesondere die Entwicklung des Deliktstatuts im deutschen Recht bestimmte, Niederschlag gefunden. Art 8 Rom II-VO, der die Anknüpfung von Schuldverhältnissen zum Gegenstand hat, die aus der Verletzung von Rechten des geistigen Eigen-
134 Nach der Präambel, Erwägungsgrund 23, „sollte der Begriff der Einschränkung des Wettbewerbs Verbote von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs in einem Mitgliedstaat oder innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, sowie das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung in einem Mitgliedstaat oder innerhalb des Binnenmarktes erfassen, sofern solche Vereinbarungen, Beschlüsse, abgestimmte Verhaltensweisen oder Missbräuche nach den Artikeln 81 und 82 des Vertrags oder dem Recht eines Mitgliedstaats verboten sind.“ 135 ABlEU L 143 vom 30.4.2004, 56; von Österreich umgesetzt durch das Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG), BGBl I 2009/55 und korrespondierende Landesgesetze (zB für Wien, LGBl 2009/38; Steiermark, LGBl 2010/10; Oberösterreich, LGBl 2009/ 95). Vgl auch die Präambel der Rom II-VO, Erwägungsgrund 24.
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tums136 resultieren, wahrt den Grundsatz der Maßgeblichkeit der lex loci protectionis, indem er grundsätzlich das Recht des Staates als anwendbar bestimmt, für den der Schutz beansprucht wird. Werden gemeinschaftsweit vereinheitlichte Rechte des geistigen Eigentums verletzt, ist primär der entsprechende Rechtsakt137 anzuwenden, allerdings richten sich Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, nach dem Recht des Staates, in dem die Verletzung begangen wurde. Der Parteiautonomie ist hier kein Raum gegeben.138. Die Anknüpfung von Schadenersatzforderungen aus „Arbeitskampfmaßnahmen“ wie Streik und Aussperrung regelt Art 9 Rom II-VO, der – abweichend vom Erfolgsortprinzip – grundsätzlich auf das Recht des Staates abstellt, in dem die Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen wurden. Haben die Streitparteien einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat, ist jedoch aufgrund der Verweisung auf Art 4 Abs 2 Rom IIVO das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates anzuwenden. c) Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen 15/35 Für die ungerechtfertigte Bereicherung und zwar sowohl für Leistungskondiktionen wie auch für den Verwendungsanspruch sieht Art 10 Rom II-VO in Abs 1 bis 3 eine dreistufige Anknüpfungsleiter vor. Demnach ist zunächst das Recht anzuwenden, dem ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis unterliegt139, das eine enge Verbindung mit dieser ungerechtfertigten Bereicherung aufweist. Wenn danach das anzuwendende Recht nicht bestimmt werden kann140, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Parteien „zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat“, ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Wenn aber weder die akzessorische Anknüpfung an das Recht, dem ein mit der Bereicherung eng verbundenes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien unterliegt, noch eine Anknüpfung an ein gemeinsames Aufenthaltsrecht möglich ist, ist das Recht des Staates 136 Der Begriff „Rechte des geistigen Eigentums“ erfasst beispielsweise Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, das Schutzrecht sui generis für Datenbanken und gewerbliche Schutzrechte. 137 Etwa das Recht an der Gemeinschaftsmarke nach der einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 1653/2003 des Rates vom 18.6.2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, ABlEU L 245 vom 29.9.2003, 36. 138 Art 8 Abs 3 Rom II-VO. 139 Sei es ein vertragliches Rechtsverhältnis, sei es eines aus einer unerlaubten Handlung. Diese Regel wird vor allem für Leistungskondiktionen relevant sein. 140 Wie in den Fällen eines Verwendungsanspruchs.
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anzuwenden, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Auch hier wird eine Ausweichklausel vorgesehen, der zufolge dann, wenn alle Umstände auf eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in Art 10 Abs 1 bis 3 bezeichneten Staat hinweisen, das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. Eine wohl nur nachträgliche Rechtswahl gemäß Art 14 Rom II-VO ist möglich. Eine ähnlich strukturierte Anknüpfungsleiter sieht Art 11 Rom II-VO vor, 15/36 der die Geschäftsführung ohne Auftrag zunächst akzessorisch an das Recht anknüpft, dem ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis, das eine enge Verbindung mit dieser Geschäftsführung ohne Auftrag aufweist, unterliegt. Wenn das anzuwendende Recht danach nicht bestimmt werden kann und die Parteien „zum Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses“ einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, ist das Recht dieses Staates anzuwenden und nur wenn keine dieser beiden Konstellationen zutrifft, kommt das Recht des Staates, in dem die Geschäftsführung erfolgt ist, zur Anwendung. Auch für die objektive Anknüpfung der Geschäftsführung ohne Auftrag wurde für den Fall einer engeren Verbindung zu einem anderen Staat eine Auflockerung141 vorgesehen. Die Rechtswahl durch die Parteien ist möglich. Mit der Entscheidung, in Art 12 eine Verweisungsnorm für das Verschul- 15/37 den bei Vertragsverhandlungen in die Rom II-Verordnung aufzunehmen, haben die europäischen Rechtsetzungsorgane sich für die Qualifikation dieser Rechtsfigur als ein außervertragliches Schuldverhältnis entschieden. „Verschulden bei Vertragsverhandlungen“ ist als ein autonomer Begriff zu verstehen und sollte nicht im Sinne eines nationalen Rechts ausgelegt werden. Erfasst werden nur Schuldverhältnisse, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags stehen. Diese unterliegen bei Ausbleiben der Rechtswahl gemäß Art 12 Abs 1 Rom II-VO grundsätzlich dem Statut des tatsächlich geschlossenen Vertrags, oder dem hypothetischen Statut des intendierten Vertrags. Nur wenn sich das anzuwendende Recht nicht nach Abs 1 bestimmen lässt – was nur selten und bei Nichtzustandekommen des Vertrags denkbar ist – kommen Hilfsanknüpfungen an das Recht des Schadenseintrittsortes, des gemeinsamen Aufenthalts der Parteien oder allenfalls an das Recht eines anderen Staates, zu dem nach den Umständen eine engere Beziehung besteht, in Frage.
141 Art 11 Abs 4 Rom II-VO.
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d) Freie Rechtswahl 15/38 Dem Grundsatz der Parteiautonomie trägt Art 14 Rom II-VO über die freie Rechtswahl Rechnung. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben. Art 14 Abs 1 lit a) berücksichtigt, dass eine Rechtswahl hier regelmäßig nur nachträglich möglich ist, doch sieht lit b) ausdrücklich die Möglichkeit einer Rechtswahl durch eine „vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses frei ausgehandelte Vereinbarung“ unter der Voraussetzung vor, dass „alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen“. Bei der Prüfung, ob eine solche Rechtswahl vorliegt, hat das Gericht den Willen der Parteien zu achten. Die Möglichkeit der Rechtswahl wird zum Schutz der schwächeren Partei in zweifacher Weise eingeschränkt: Einerseits berührt die Wahl eines anderen Rechts nicht die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem alle Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses belegen sind142. Andererseits berührt die Wahl des Rechts eines Drittstaates durch die Parteien nicht die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des EU-Rechts bzw der nationalen Gesetze, die Richtlinien umsetzen143, sofern alle Elemente des Sachverhalts zum relevanten Zeitpunkt in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen sind144. e) Gemeinsame Vorschriften 15/39 Im fünften Kapitel der Rom II-Verordnung finden sich „Gemeinsame Vorschriften“, die folgende Themen betreffen: Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts, Eingriffsnormen145, Sicherheits- und Verhaltensregeln (local data)146, Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden147, gesetzlicher Forderungsübergang, mehrfache Haftung, Form und Beweis. Gemäß Art 15 Rom II-VO, der den Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts festschreibt, ist das nach der Rom II-Verordnung auf außer142 Art 14 Abs 2 Rom II-VO. 143 Zu denken ist hier insb an die relativ zwingenden Bestimmungen in den Gesetzen der Mitgliedstaaten, die Richtlinien mit verbraucherschützendem Inhalt umsetzen. 144 Art 14 Abs 3 Rom II-VO. 145 Der einschlägige Art 18 Rom II-VO ist nicht mit Art 9 Rom I-VO identisch und beschränkt sich auf die Klarstellung, dass die Eingriffsnormen der lex fori durch die Verordnung nicht berührt werden. 146 Sie richten sich nach dem Recht, das am Ort und zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses in Geltung steht; vgl zur analogen Vorschrift des Art 7 HStVÜ, Rz 15/40. 147 Zur (vorläufig) eingeschränkten Bedeutung des Art 18 Rom II-VO für die Direktklage gegen den KFZ-Haftpflichtversicherer, vgl Rz 15/43.
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vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht insbesondere maßgebend für den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der haftpflichtigen Personen; die Gründe für Ausschluss, Beschränkung oder Teilung der Haftung; die Schadensbemessung und die Art der Wiedergutmachung; die Maßnahmen, die gerichtlich zur Vorbeugung, Beendigung oder zum Ersatz des Schadens angeordnet werden können; die Übertragbarkeit und Vererblichkeit des Anspruchs auf Schadenersatz oder Wiedergutmachung; die Personen, die Anspruch auf Ersatz eines persönlich erlittenen Schadens haben; die Haftung für die von einem anderen begangenen Handlungen; die Bedingungen für das Erlöschen von Verpflichtungen insbesondere durch Verjährung. Nach dem lapidaren Art 21 Rom II-VO ist eine Alternativanknüpfung hinsichtlich der Formgültigkeit einer einseitigen Rechtshandlung, die ein außervertragliches Schuldverhältnis betrifft, vorgesehen: Entweder ist das für das betreffende außervertragliche Schuldverhältnis maßgebliche Recht oder das Recht des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde, auf die Frage der Formgültigkeit anzuwenden. Für die Anknüpfung einer Legalzession wie sie etwa § 67 VersVG normiert, ergibt sich aus Art 19 Rom II-VO, dass das für die Verpflichtung des zahlenden Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht bestimmt, „ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist“. Art 19 Rom II-VO stimmt weitgehend wörtlich mit Art 15 Rom I-VO überein, was auch für die Bestimmungen über die mehrfache Haftung in Art 20 Rom II-VO und Art 16 Rom IVO148 sowie für Art 22 Rom II-VO und Art 18 Rom I-VO über den Beweis149 gilt.
f) Weitere kollisionsrechtliche Hilfsnormen in der Rom II-Verordnung In einem weiteren Kapitel VI finden sich in Art 23 bis 28 „sonstige Vor- 15/40 schriften“, die nur in sprachlicher Hinsicht weitgehend im Einklang mit Art 19 ff Rom I-VO, nicht jedoch in derselben Reihenfolge, den Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ näher umschreiben150, den Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung vorsehen151, auf die Verweisung auf Staa148 149 150 151
Vgl Rz 15/20. Vgl Rz 15/23. Art 23 Rom II-VO. Art 24 Rom II-VO.
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ten ohne einheitliche Rechtsordnung und auf den ordre public Bezug nehmen152, sowie das Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsakten und bestehenden internationalen Übereinkommen abklären153. Für diese Bestimmungen gelten die Ausführungen zu den analogen Artikeln in der Rom IVerordnung. Die legislative Aufspaltung des Internationalen Schuldrechts in zwei Verordnungen ist dem aus der Sicht der Normadressaten legitimen Anliegen nach Transparenz des Rechts wenig förderlich. Nachdem schon Art 15 EVÜ die Sachnormverweisung als Regelverweisung im internationalen Schuldvertragsrecht anerkannt hatte, ist mit Art 24 Rom II-VO das Ende des Renvoi im Internationalen Schuldrecht gekommen. Für den Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse kommt der Vorbehaltsklausel des Art 26 Rom II-VO insbesondere bei allfälliger Verhängung von exzessiven punitive damages Bedeutung zu. Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, wie zB die Ratifikation des Haager Straßenverkehrsübereinkommen durch Österreich zu respektieren, wirkt sich die Verordnung grundsätzlich nicht auf internationale Übereinkommen aus, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten am 11.7.2007154 angehörten. Gleichwohl hat die Verordnung jedoch „in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor den ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen, soweit diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind“155. Durch Art 29 Rom II-VO wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission bis zum 11.7.2008 die von Art 28 angesprochenen internationalen Übereinkommen mitzuteilen, so dass die Kommission in die Lage versetzt wird, ein Verzeichnis der betreffenden Übereinkommen im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, um den Zugang zu den Rechtsakten zu erleichtern156. Gemäß Art 30 Abs 1 Rom II-VO ist bis 20.8.2011 von der Kommission ein Bericht zu erstatten, der gegebenenfalls Vorschläge zur Anpassung der Verordnung enthalten soll und gemäß Abs 2 dieser Überprüfungsklausel, wäre von der Kommission bis 31.12.2008 „eine Untersuchung zum Be-
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Art 25 und 26 Rom II-VO. Art 27 und 28 Rom II-VO. Das ist der Zeitpunkt der Annahme der Rom II-VO. Das bestimmt Art 28 Rom II-VO: Der Sicherung der durch die beiden Rom-Verordnungen erzielten Rechtseinheit dient die Verordnung (EG) Nr. 662 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten über spezifische Fragen des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts, ABlEU L 200 vom 31.7.2009, 25.
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reich des aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte anzuwendenden Rechts“ vorzulegen gewesen157. 3. Der „Auffangtatbestand“ des IPRG: § 48 nF IPRG Die Rom II-Verordnung erfasst nicht alle Tatbestände außervertraglicher 15/41 Schuldverhältnisse. So sind gemäß Art 1 Abs 2 lit f) und g) Rom II-VO die Atomhaftung und außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen158. Zwar sieht § 23 AtomHG für die Atomhaftung eine Option des Geschädigten zugunsten des österreichischen Rechts vor159, doch hat bei Unterbleiben der Option die Anknüpfung nach der allgemein für außervertragliche Schuldverhältnisse geltenden Verweisungsnorm160 zu erfolgen. Der neu formulierte § 48 IPRG ist als „Auffangtatbestand“ für die von der Rom II-Verordnung nicht erfassten Fälle, nicht nur für Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Bedeutung. Grundsätzlich erkennt § 48 nF IPRG die Parteiautonomie an, da sich Schädiger und Opfer auf ein anzuwendendes Recht ausdrücklich oder schlüssig einigen können. Hinsichtlich der objektiven Anknüpfung ist es aber aus Gründen der „Rechtskontinuität“ beim bisherigen Handlungsortprinzip geblieben. Im Zusammenhalt mit § 5 IPRG ergibt sich zudem, dass die Verweisung auf das Recht des Ortes, an dem das schädigende Verhalten gesetzt wurde, als „Gesamtverweisung“ ausgeformt ist. Das Beharren auf die seinerzeit vom IPR-Gesetz bezogenen Positionen wird hinsichtlich der Persönlichkeitsrechtsverletzungen damit erklärt, dass „mittelfristig auch für diesen Bereich eine gemeinschaftsrechtliche Regelung zu erwarten“ sei161, da Art 30 Abs 2 Rom II-VO ja eine Überprüfungsklausel vorsehe162. 157 Die Vorlage der Untersuchung erfolgte mit geringer Verspätung im Februar 2010, als die einlässliche Comparative study on the situation in the 27 Member States as regards the law applicable to non-contractual obligations arising out of violations of privacy and rights relating to personality JLS/2007/C4/028, vorgelegt wurde; abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/civil/studies/doc/study_privacy_en.pdf 158 Zu Recht kritisch dazu Wagner, Die neue Rom II-Verordnung, IPRax 2008, 1, insb 10. Für Junker, Der Reformbedarf im Internationalen Deliktsrecht der Rom II-Verordnung drei Jahre nach ihrer Verabschiedung, IPRax 2010, 257, ist diese Bereichsausnahme eine von fünf Mängeln der Rom II-VO, die er im Bereich der Anknüpfung von deliktischen Ansprüchen wegen Verletzung von Kapitalmarktrecht, der Produkthaftung und, der freien Rechtswahl sowie bei der Behandlung der Eingriffsnormen ortet. 159 Vgl Rz 15.46. 160 Also nach § 48 IPRG 161 ErlRV 322 Blg 24.GP, 4. 162 Die Schlussfolgerungen des Privacy Report zeigen die Probleme auf, die sich wegen stark unterschiedlicher Positionen in den Mitgliedstaaten und dem Druck der Presse-
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4. Außervertragliche Haftung für Straßenverkehrsunfallschäden163 15/42 Die Geltung des „Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht“164 wird gemäß Art 28 Rom II-VO (vorerst) nicht tangiert. Das HStVÜ, das für Österreich, einem „Transitland“ mit starkem Winter- und Sommerfremdenverkehr, große praktische Bedeutung besitzt165, bestimmt, welches Recht auf die außervertragliche Haftung166 für Schäden aus Straßenverkehrsunfällen anzuwenden ist, die sich nach seinem Inkrafttreten am 3.6.1975 entweder im Ausland unter Beteiligung von Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich oder von Fahrzeugen, die in Österreich zugelassen sind oder hier ihren Standort haben, oder im Inland mit Beteiligung von Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland oder von Fahrzeugen mit ausländischer Zulassung oder Standort im Ausland ereignet haben. Auf der Grundlage des HStVÜ, das schon vor dem IPRG als eine loi uniforme galt167 und durch das Inkrafttreten des IPRG nicht berührt wurde168, sind zahlreiche grundsätzliche Entscheidungen des OGH ergangen169. Nach der weit gefassten Definition des Art 1 HStVÜ ist unter Straßenverkehrsunfall jeder Unfall zu verstehen, „an dem ein oder mehrere Fahrzeuge, ob Motorfahrzeuge oder nicht, beteiligt sind und der mit dem Verkehr auf öffentlichen Straßen, auf öffentlich zugänglichem Gelände oder auf nicht öffentlichem, aber einer gewissen Anzahl befugter Personen zugänglichem Gelände zusammenhängt“. 15/43 Nicht anzuwenden ist das HStVÜ gemäß seinem Art 2 auf die Haftung von Herstellern und Verkäufern von Fahrzeugen sowie von Reparatur-
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und Medienunternehmen ergeben und einer baldigen Lösung entgegenstehen. Offensichtlich wird eine Klärung der Frage des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts, die der Verletzung der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten entspringen, so bald nicht erfolgen. Dazu näher Rudolf, Internationaler Verkehrsunfall, ZVR 2008, 528. BGBl 1975/387. Dem HStVÜ gehörten am 1.7.2010 20 Staaten, unter ihnen 7 Nichtmitgliedstaaten der EU an. Nicht anzuwenden ist das HStVÜ auf vertragsrechtliche Ansprüche, zB aus einem Dienstvertrag (OGH ZfRV 1987, 147), einem Transportvertrag (OGH SZ 64/140) oder einem Vertrag über die Betreuung von Kindern in den Ferien (OGH ZVR 1995/ 34). Für ihre Anwendbarkeit besteht kein Gegenseitigkeitserfordernis; OGH ZfRV 1989, 292. § 53 IPRG; vgl OGH ZVR 1991/42; ZfRV 1998, 158/35. Vgl OGH VersR 1986, 1032; vgl ferner OGH ZfRV 1989, 294 und insb OGH ZfRV 1990, 125 (Ehricke) = IPRax 1989, 244 (Beitzke, 250); s ferner auch OGH JBl 1990, 240 uam.
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unternehmen; ferner nicht auf die Haftung des Eigentümers des Verkehrswegs oder jeder anderen Person, die für die Instandhaltung des Weges oder die Sicherheit der Benutzer zu sorgen hat; auch nicht auf die Haftung für Dritte, ausgenommen die Haftung des Fahrzeugeigentümers oder des Geschäftsherrn. Auf Rückgriffsansprüche zwischen haftpflichtigen Personen und den Übergang von Ansprüchen, soweit Versicherer betroffen sind170, ist es ebenso wenig anzuwenden wie auf Ansprüche und Rückgriffsansprüche, die von Einrichtungen der sozialen Sicherheit, Trägern der Sozialversicherung oder anderen ähnlichen Einrichtungen und öffentlichen Kraftfahrzeug-Garantiefonds oder gegen sie geltend gemacht werden171. Nicht anzuwenden ist es auch auf jeden Haftungsausschluss, der in dem für diese Einrichtungen maßgebenden Recht vorgesehen ist172, und auch nicht auf die Frage, ob ein rechtliches Interesse an einer Feststellung besteht173. Keine Einschränkungen macht das HStVÜ bezüglich der Geschädigten. Es erfasst daher die Ansprüche aller durch den Straßenverkehrsunfall Geschädigten174. Das anzuwendende Recht ist gemäß Art 3 HStVÜ primär das Sachrecht 15/44 des Unfallortes als Recht des Ortes des Beginns der Rechtsgutverletzung. Im Sinne der „Auflockerung“ des Unfallstatuts werden in Art 4 und 5 HStVÜ Ausnahmen zugunsten des Rechtes des Fahrzeugstaates, das ist das Recht des Zulassungsstaates bzw das Recht des Staates des gewöhnlichen Standortes175, gemacht. Für bestimmte Sachschäden sieht Art 5 HStVÜ Sonderregelungen vor. So gilt für Schäden an Sachen außerhalb des Fahrzeuges grundsätzlich das Recht des Unfallortes. Vom Unfallsstatut wird die Haftung, was das „Ob, Wem gegenüber und Wie“ anbelangt, umfassend, einschließlich der Gehilfenhaftung und der Verjährung, erfasst176. Dazu gehört auch die Frage der Vererblichkeit des Ersatzanspruches. Die Erbberechtigung richtet sich hingegen nach dem Erbstatut. Das Unfallsstatut entscheidet auch die Frage der Übertragbarkeit des Anspruchs, nicht aber die Frage der Übertragung selbst; diese richtet sich nach dem Zessionsstatut. Unabhängig vom anzuwendenden Recht 170 171 172 173 174
OGH ZVR 1983/19. OGH JBl 1984, 505; ZVR 1993/154. Dazu OGH ZfRV 1990, 286. Diese ist als verfahrensrechtliche Frage stets nach österr Recht zu beurteilen. Der OGH hat klar gestellt, dass auch die Ansprüche der Hinterbliebenen von Verkehrsopfern nach dem HStVÜ anzuknüpfen sind; vgl OGH SZ 62/140; ZVR 1991/42; ZVR 1992/13; hängt der Anspruch mittelbar Geschädigter allerdings von ihrer Unterhaltsberechtigung ab, ist dafür das Unterhaltsstatut maßgebend: OGH ZVR 1994/90. 175 Art 6 HStVÜ. 176 Vgl OGH IPRax 1996, 135 (Taupitz, 140).
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sind gemäß Art 7 HStVÜ bei der Bestimmung der Haftung die am Ort und zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften, die local data, zu berücksichtigen. Die Anwendung der durch das HStVÜ berufenen Normen kann nach Art 10 nur ausgeschlossen werden, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich („manifestly“, „manifestement“) unvereinbar ist. Das wäre zB ein völliger Ausschluss von Schmerzengeld177 bei verschuldeter Körperverletzung, wogegen das Fehlen einer Gefährdungshaftung im anzuwendenden Recht nicht den Grundwertungen des österreichischen Rechts widerspricht178. Da das HStVÜ zur Frage, ob eine Rechtswahl möglich ist, keine Aussage trifft, ist die Entscheidung nach dem autonomen Kollisionsrecht der lex fori zu treffen. Der OGH hat mit Bedacht auf die Wertungen des IPRG die Rechtswahl anerkannt179. 15/45 Bezüglich der Zulässigkeit der Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer des Schadensverursachers gemäß § 63 KFG sieht Art 9 HStVÜ Alternativanknüpfungen zugunsten der action directe vor: Den geschädigten Personen steht eine unmittelbare Klage offen, wenn ihnen ein Recht hierzu nach dem gemäß Art 3 ff HStVÜ anzuwendenden Recht zusteht180. Kennt der Zulassungsstaat kein Recht auf Direktklage, kann dennoch direkt geklagt werden, wenn es das Recht des Unfallortes vorsieht. Lassen diese Rechte eine direkte Klage nicht zu, kann sie dennoch angestrengt werden, wenn sie nach dem für den Versicherungsvertrag maßgebenden Recht zugelassen ist181.
177 Ein Schmerzengeldanspruch in geringerer Höhe begründet noch keine ordre publicWidrigkeit; vg zuletzt OGH ZVR 2005/46, 160 (Chr. Huber). 178 OGH ZVR 1993/108; zuvor schon OGH ZVR 1991/42. 179 Vgl OGH SZ 58/188, obiter die Rechtswahl ausdrücklich zulassend OGH SZ 68/17 = ZVR 1995/119. 180 OGH ZVR 1992/27; ZVR 1992/28; ZVR 1992/90. Gemäß Art 28 Abs 1 Rom II-VO wird diese Bestimmung auch weiterhin bedeutsam bleiben, da sie dem Art 18 Abs 2 Rom II-VO vorgeht. 181 §§ 2 Abs 1 und 22 KHVG stehen dem nicht entgegen.
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E. Sonderanknüpfungen im Internationalen Schuldrecht 1. Verbraucherschutz a) Vorbemerkung Die Europäisierung des Verbraucherschutzrechts und die Vereinheitli- 15/46 chung des internationalen Schuldvertragsrechts hat unleugbar zu einer Verkomplizierung des Internationalen Privatrechts auf diesem Gebiet geführt. Da in einigen Richtlinien zum Verbraucherschutz auch kollisionsrechtliche Normen aufgenommen wurden, die durch den Umsetzungsprozess Eingang in nationale Gesetze – wie das Konsumentenschutzgesetz, Teilzeitnutzungsgesetz oder auch E-Commerce-Gesetz – gefunden haben182, wurde eine Aufspaltung der kollisionsrechtlichen Grundlagen in diesem Bereich bewirkt183. Die daraus resultierende Intransparenz ist eine bedauerliche Konsequenz der bisher eher pointillistischen Normsetzungspraxis der europäischen Rechtssetzungsorgane. Durch die Entscheidung der europäischen Rechtsetzungsorgane, auf dem Gebiet des Internationalen Schuldrechts zwei Verordnungen zu unterschiedlichen Zeiten in Geltung zu setzen und dabei die Duplizität zahlreicher Bestimmungen in der Rom I- und Rom IIVerordnung als unvermeidbar hinzunehmen, ist diese ungünstige Situation verschärft worden. b) § 13a KSchG Die Regelung der Anknüpfung internationaler Verbraucherverträge in 15/47 Art 6 Rom I-VO erfasst nicht den Schutz von Verbrauchern vor missbräuchlichen Klauseln, wenn das Recht eines Drittlandes, das auch nicht dem EWR angehört, gewählt wurde. Da Art 6 Abs 2 der von Österreich mit Wirkung ab 1.1.1997 umgesetzten184 Richtlinie des Rates 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen185 die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen verpflichtet, die verhindern, dass der Verbraucher den durch die Richtlinie gewährten Schutz verliert, „wenn das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt wurde 182 §§ 20–23 f des E-Commerce-Gesetzes, BGBl I 2001/152, über das „Herkunftslandprinzip und Ausnahmen“ vergrößern noch die Vielfalt; dazu Rz 16/18 und 16/19. 183 Zu den IPR-Vorschriften in Verbraucherschutz-Richtlinien, vgl Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht2 (2008) 322 ff. 184 BGBl I 1997/6. 185 ABlEG L 95 vom 21.4.1993, 29.
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und der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist“ und eine analoge Bestimmung nunmehr auch in Art 22 Abs 4 der neuen Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG vom 23.4.2008186 vorgesehen ist, musste für diese Konstellationen bei Umsetzung der jeweiligen Richtlinien in das interne Recht eine separate Verweisungsnorm geschaffen werden. Diese wurde als § 13a in das KSchG aufgenommen und ist als eine Eingriffsnorm zu qualifizieren. Da gemäß Art 23 Rom I-VO „diese Verordnung nicht die Anwendung von Vorschriften des EU-Rechts, die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten“, berührt187, bleibt § 13a KSchG auch künftig relevant. Hinzu kommen – mit Vorrangwirkung – die Bestimmungen der Rom I-Verordnung über die eingeschränkte Rechtswahl188. Gemäß § 13a Abs 1 Z 1 bis 5 KSchG ist bei der Beurteilung der Gültigkeit einer Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, der Folgen einer unklar und unverständlich abgefassten Vertragsbestimmung, des besonderen Schutzes der bei Fernabsatzverträgen189 und Fernfinanzdienstleistungen vorgesehen ist190, der Gewährleistung bzw Garantie beim Kauf oder bei der Herstellung beweglicher Sachen im Sinne der §§ 8 bis 9b KSchG sowie der §§ 922 bis 924, 928, 932 und 933 ABGB191 und des Schutzes bei Verbraucherkreditverträgen192, die Wahl des Rechts eines Drittlandes soweit unbeachtlich, als das gewählte Recht für den Verbraucher nachteiliger ist, als das bei objektiver Anknüpfung maßgebende Recht eines EWR-Vertragsstaates. § 13a Abs 2 KSchG bestimmt darüber hinaus, dass § 6 KSchG und §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB „zum Schutz des Verbrauchers ohne Rücksicht darauf anzuwenden [sind], welchem Recht der Vertrag unterliegt, 186 ABlEU L 133 vom 22.5.2008, 66. Umgesetzt durch das Darlehens- und KreditrechtsÄnderungsgesetz DaKRÄG, BGBl I 2010/28, das am 11.6.2010 in Kraft getreten ist. 187 Ausgenommen ist Art 7 über Versicherungsverträge. 188 Art 3 Abs 3 und 4 VO Rom I. 189 Vgl Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABlEG L 144 vom 4.6.1997, 19, umgesetzt in §§ 5a-5j KSchG durch BGBl I 1999/185. Da zu den Fernabsatzverträgen grundsätzlich auch die im Internet geschlossenen Verträge zählen, dient § 13a KSchG auch zu deren kollisionsrechtlichen Absicherung. 190 Vgl Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABlEG L 271 vom 9.10.2002, 16, umgesetzt durch das Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher – FernFinG, BGBl I 2004/62 idF BGBl I 2009/ 66. 191 Z 4 wurde eingefügt durch das GewRÄG, BGBl I 2001/48. 192 DaKRÄG, BGBl I 2010/28, Artikel 3, Z 2c.
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Sonderanknüpfungen im Internationalen Schuldrecht
§ 15
wenn dieser im Zusammenhang mit einer in Österreich entfalteten auf die Schließung solcher Verträge gerichteten Tätigkeit des Unternehmers oder der von ihm hierfür verwendeten Personen zustande gekommen ist“. c) § 11 TNG Diese Bestimmung des Teilzeitnutzungsgesetzes193 setzt Art 9 der sog „Im- 15/48 mobilien-Time-Sharing-Richtlinie“194 um und soll sicherstellen, dass der Schutz, den die nationalen Umsetzungsgesetze dem Erwerber von Teilzeitnutzungsrechten gewähren, gesichert wird, wenn mindestens eines von mehreren Nutzungsobjekten in einem EWR-Vertragsstaat belegen ist. Der Nutzungsvertrag, Kreditvertrag oder ein zusammenhängender Vertrag sind dann an das Recht des Aufenthaltsstaates des Erwerbers anzuknüpfen, „wenn der Vertrag im Zusammenhang mit einer in diesem Staat entfalteten, auf die Schließung solcher Verträge gerichteten Tätigkeit des Veräußerers, des Dritten“ oder eines ihrer Leute zustande gekommen ist, bzw alternativ an das Recht des EWR-Staates, in dem das Nutzungsobjekt gelegen ist195. 2. Atomhaftung Das am 1.1.1999 in Kraft getretenen Atomhaftungsgesetz196, das eine be- 15/49 sonders weitgehende Haftung für Schäden an Personen und Sachen, die durch ionisierende Strahlung von Kernanlagen, Kernmaterial und Radionukliden verursacht werden, eingeführt hat, beinhaltet auch eine Bestimmung über das anzuwendende Recht. Abweichend von dem damals in § 48 IPRG vorgesehenen allgemeinen Deliktsstatut, das dem Handlungsortprinzip folgte, kann der Geschädigte gem § 23 Abs 1 AtomHG bei einem durch ionisierende Strahlen in Österreich eingetretenen Schaden verlangen, dass sein außervertraglicher Ersatzanspruch nach österreichischem Recht beurteilt wird. Wird die Option nicht ergriffen, bleibt es bei der Anknüpfung nach § 48 IPRG197. Für den Fall, dass österreichisches Recht auf den Anspruch auf Ersatz eines durch ionisierende Strahlen ver193 BGBl I 1997/32 idF BGBl I 1997/82. 194 Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABlEG L 280 vom 29.10.1994, 83. 195 Vorausgesetzt, dass nicht schon aufgrund einer Rechtswahl das Recht eines EWR-Staates als maßgebend bestimmt wurde. 196 BGBl I 1998/170 idF BGBl I 2003/33. 197 Auch idF BGBl I 2009/109.
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ursachten Schadens, der im Ausland eingetreten ist, anzuwenden wäre, sieht § 23 Abs 2 eine „Gegenseitigkeitsbedingung“ insofern vor, als der Schaden „nur dann und soweit zu ersetzen (ist), als dies auch das Personalstatut des Geschädigten vorsieht“198.
198 Vgl Hinteregger/Kissich, Atomhaftungsgesetz 1999 (AtomHG 1999) – Kurzkommentar (2004) § 23 Rz 1 ff.
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§ 16. Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness1 A. Internet und eBusiness: Herausforderungen für das IPR Im ausgehenden 20. Jahrhundert hat man mit der Entwicklung des eBusi- 16/1 ness große Erwartungen verbunden. Der durch elektronische Medien in der Wirtschaft herbeigeführte Wandel vollzieht sich zwar langsamer, aber stetig. Unter dem Begriff des eBusiness wird die elektronisch unterstützte Gestaltung sämtlicher wirtschaftlicher Transaktionen verstanden2: zB Kauf von Waren bei einem Online-Versandhaus, Auktion von Flugtickets im Internet, elektronische Kommunikation zwischen einer Handelskette und ihren Zulieferbetrieben, Nutzung von Online-Datenbanken, Tätigkeiten eines Providers, Teleshopping, elektronische Unterstützung von Warentransporten usw. Allen diesen zufällig gewählten Beispielen für eBusiness ist gemeinsam, dass sie nicht an die Grenzen nationaler Rechtsordnungen gebunden sind. Ein großer Teil des eBusiness wird über das Internet abgewickelt3. Dieser gemeinsame Standard der Datenübertragung ermöglicht es, dass Computer mit unterschiedlichster Rechnerarchitektur und Systemsoftware Daten austauschen können. Das Internet stellt sich als die Summe seiner Dienste und Anwendungen dar, wobei fast allen diesen Internet-Diensten das so genannte Client/Server-Prinzip zugrunde liegt: Der Server liefert die Daten, die vom Client angefordert werden können. Die Aufbereitung und Darstellung der Daten wird nach einem Protokoll auf dem Client durchgeführt. Die aktuelle technische Entwicklung zeigt jedoch eine deutliche Zunahme sog „peer-to-peer“-Verbindungen
1 Unter Verwendung des Beitrags zur 3. Auflage von Markus Fallenböck. Für Durchsicht und Ergänzungen ist Frau Elisabeth Staudegger zu danken. 2 Näheres bei Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht (2001) 5 ff. 3 Das Internet ist die Gesamtheit aller Netzwerke und Computer, die über weltweit einheitliche Protokolle miteinander kommunizieren.
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§ 16
Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness
(p2p), bei denen die klassische Architektur durchbrochen wird, weil jeder beteiligte Rechner sowohl Client als auch Server sein kann. 16/2 Zwei Unterscheidungen – nach der Art der Leistungserbringung, bzw nach den beteiligten Personen4 – sind für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung: · Indirekter eBusiness – direkter eBusiness5: je nachdem, ob nur der Bestellvorgang von Gütern bzw Dienstleistungen elektronisch bewerkstelligt, die Leistung jedoch auf konventionellem Weg erbracht wird, oder ob die gesamte Abwicklung elektronisch erledigt wird, wie beim direkten Download von Software auf den eigenen Computer, · Business-to-Business (B2B) – Business-to-Consumer (B2C)6: je nachdem, ob eBusiness zwischen Unternehmern stattfindet oder sich Unternehmer und Verbraucher als Parteien – vor allem über Online-Shops – gegenüber stehen7. 16/3 Ohne das internationale Medium des Internet könnte eBusiness nicht stattfinden, doch werden Internet-Verträge über die nationalen Grenzen hinweg noch immer vergleichsweise zögerlich abgeschlossen. Wenngleich sich das Volumen des Internet-Handels in der EU seit 2002 vervielfacht hat und mehr als 40% der Bevölkerung der EU im Alter von 16 bis 74 Jahren das World Wide Web auch zum Einkaufen nutzen, ist der Anteil derjenigen, die dies auf ausländischen Shopping-Portalen tun, noch immer relativ gering8. Die Kommission hat in der kürzlich veröffentlichten „Strategie Europa 2020“ als eine der sieben Leitinitiativen zur Erreichung der hochgesteckten Ziele die „Digitale Agenda“ angeführt.9 Deren Kern ist der „digitale Binnenmarkt“ für dessen Realisierung unter anderem ein vereinheitlichter Rechtsrahmen und ein alternatives Streitbeilegungssystem angedacht werden10. Die „Grenzenlosigkeit“ der wirtschaftlichen Nutzung des 4 Vgl dazu Fallenböck, Internet und IPR, 20 ff. 5 Diese Unterscheidung wurde jüngst von der Rsp aufgegriffen: OGH jusIT 2009/111, 224 (Thiele) = wbl 2009/273, 619. 6 Neuerdings wird auch noch Business-to-Administration (B2A) unterschieden. 7 Dieser Bereich wird auch als Online-Retailing bezeichnet; vgl dazu allgemein Fallenböck/Haberler, Rechtsfragen bei Verbrauchergeschäften im Internet (Online-Retailing), RdW 1999, 505. 8 Quelle: eurostat Data in focus 46/2009: Internet usage in 2009 – Households and Individuals. 9 Pressemitteilung v 3.3.2010, IP/10/225 Europa 2020: Kommission entwickelt neue europäische Wirtschaftsstrategie. 10 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine Digitale Agenda für Europa, KOM(2010) 245 (endg) vom 19.5.2010. Schon mit KOM(2008)
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Internet und eBusiness: Herausforderungen für das IPR
§ 16
Internet hat die Forderung nach einem transnationalen Cyberlaw entstehen lassen, da das Internet globale Regelungsmechanismen benötigen würde11 und das IPR als nationales Rechtsanwendungsrecht nur dann überflüssig werden könnte, wenn sich ein globales Einheitsrecht durchsetzen könnte. Zwar gibt die UN Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts 200512 die Richtung vor, doch stellt sie nur einen ersten Ansatzpunkt dar, der in seiner Zielsetzung immerhin deutlich weiter geht als die einschlägigen UNCITRAL Model Laws13, die lediglich eine schwache Steuerungsfunktion für nationale Gesetzgeber ausüben konnten. Trotz aller internationaler bzw supranationaler Harmonisierungspläne 16/4 treffen Anbieter im eBusiness nach wie vor auf eine Vielfalt nationaler Rechtsordnungen, so dass die Frage nach dem anwendbaren Recht und seiner Durchsetzbarkeit auch im Internet aktuell bleibt, ja, zur Schlüsselfrage wird: So wurde das Vollstreckungsrecht von Hoeren als „archimedischer Punkt“14 rechtlicher Lösungen in der Informationsgesellschaft bezeichnet15.
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614 (endg) hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher eingebracht. Über künftig im Rahmen der Digitalen Agenda beabsichtigte Aktionen, vgl die Mitteilung der Kommission KOM (2010) 245; insb 8 ff. Die Vorschläge reichten von Analogien zur Lex Mercatoria und zum General Maritime Law bis zur Forderung nach der Schaffung eines Einheitsrechts, einer Lex Internet. Dazu Hilberg, Das neue UN-Übereinkommen zum elektronischen Geschäftsverkehr und dessen Verhältnis zum UN-Kaufrecht – Wegweiser in Sachen E-Commerce, IHR 2007, 12, 56. Das Übereinkommen wurde inzwischen von 18 Staaten unterzeichnet, aber noch von keinem Staat ratifiziert. UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce 1996/98 und on Electronic Signatures 2001. Hoeren, Skriptum Internetrecht 2. Von den zahlreichen Arbeiten dieses Spezialisten des Internetrechts seien die im gebührenfreien Download unter http://www.uni-muenster. de/Jura.itm/hoeren/materialien/ verfügbaren Materialien und darunter insb sein „Skriptum Internet-Recht“ (Stand Februar 2010) als aktuelle und umfassende Darstellung auch der kollisionsrechtlichen Probleme (insb 446 ff) empfohlen. Das Internet bewirkt eine Intensivierung von Auslandsberührungen und wenn dann privatrechtliche Fragen auftreten, muss das relevante IPR das anzuwendende Recht bestimmen. Auch eine knapp gehaltene Einführung in das IPR muss sich daher den kollisionsrechtlichen Herausforderungen durch eBusiness und Internet stellen.
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§ 16
Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness
B. Internationales Vertragsrecht und eBusiness 1. Business-to-Business-Verträge (B2B) 16/5 Bei Verträgen zwischen Unternehmern ist vorrangig zu beachten, dass auch das Wiener UNCITRAL-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf (CISG) anwendbar sein kann. Dieses geht einer Anwendung der Verordnung Rom I16 grundsätzlich vor. Die Anwendbarkeit des CISG im eBusiness17 wirft eine Reihe von Fragen auf, zB jene nach der Erkennbarkeit der Verbrauchereigenschaft, da nach Art 2 lit a) CISG der Kauf von Ware für den persönlichen Gebrauch des Käufers oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt grundsätzlich vom Anwendungsbereich des CISG ausgenommen ist. CISG ist demnach für Verbraucherverträge, die für den Verkäufer als solche erkennbar sind, nicht anzuwenden. Die Frage der Erkennbarkeit kann im eBusiness jedoch besondere Probleme aufwerfen, wenn etwa ein Angestellter eines Unternehmens über seine „dienstliche“ e-Mail-Adresse eine Ware für den persönlichen Gebrauch bestellt18. Nur wenn der Verkäufer nach den objektiven Gegebenheiten wie gewünschter Lieferort oder Abwicklung der Zahlungen den privaten Verwendungszweck erkennen konnte19, kann CISG nicht zur Anwendung kommen. In sachlicher Hinsicht verlangt Art 1 Abs 1 CISG, dass ein Kaufvertrag über eine Ware vorliegt, wobei Art 3 Abs 1 CISG auch gewisse Fälle von Werklieferungsverträgen erfasst. Dass mit „Ware“ nur eine bewegliche Sache gemeint sein kann, ist klar, umstritten ist aber, ob es sich auch um eine körperliche Sache handeln muss. Die hM geht davon aus, dass (Standard-) Software eine „Ware“ ist20, wobei es nicht auf ihre „Materialisierung“ auf einem Datenträger, zB einem USB-Stick, ankommt. So auch Verträge über
16 Vgl Art 25 Abs 1 VO Rom I. 17 Dazu Mottl in Brenn (Hrsg), ECG (2002) 135. 18 ZB unter einer Adresse wie
[email protected]. Hier weist bereits die Top-Level-Domain „com“ aus der Sicht des Leistenden grundsätzlich in die Richtung einer unternehmerischen Tätigkeit; verstärkt wird dieser Eindruck durch ein allenfalls dem Text der e-Mail angefügten Signature File mit Firma und Adresse des Unternehmens, vgl dazu Brandl/Fallenböck, WBl 1999, 481. 19 Dies ist insb dann der Fall, wenn die bestellte Ware offensichtlich nicht in das dem Verkäufer bekannte Tätigkeitsfeld des konkreten Unternehmens fällt oder allgemein von einem Unternehmen in dieser Art bzw Menge nicht nachgefragt wird. 20 Karollus, UN-Kaufrecht (1991) 21; Posch in Schwimann IV3 Art 1 CISG Rz 3; dies trifft wohl nicht auf Individualsoftware zu, da hier das Werkleistungselement überwiegt (vgl Art 3 Abs 2 CISG).
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Internationales Vertragsrecht und eBusiness
§ 16
die Online-Lieferung von Standardsoftware – auch im Wege des Download – in den Anwendungsbereich des CISG21. Die nicht vom CISG erfassten Vertragsverhältnisse sind kollisionsrechtlich 16/6 nach der Rom I- Verordnung zu beurteilen, deren Art 3 den Parteien grundsätzlich die freie Rechtswahl eröffnet. Rechtswahlklauseln finden sich häufig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei, doch kann eine Vereinbarung über das anwendbare Recht auch im Vertragstext enthalten sein. Grundsätzlich sind Rechtswahlklauseln nicht an eine Form gebunden und können daher auch im Rahmen von Internet-Verträgen wirksam vereinbart werden22. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, ergibt sich aus Art 4 Rom I-VO, dass primär das Recht der charakteristischen Leistung maßgebend ist. Entscheidend ist somit, wer im Internet auf einer Website als Anbieter auftritt und in der Folge die charakteristische Leistung erbringt. Bei Verträgen über den Kauf beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen ist dies das Recht des Staates, in dem der Verkäufer bzw Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im eBusiness können sich in drei Bereichen internetspezifische Fragen er- 16/7 geben. Sie betreffen die Auslandsberührung, die Feststellung der charakteristischen Leistung sowie die Lokalisierung der Vertragsparteien: · Auslandsberührung: Ihr Vorliegen ist Voraussetzung für die Anwendung der Rom I- Verordnung. Die Kriterien dafür, was eine Auslandsberührung ausmacht, sind insofern technikneutral formuliert, als sie nicht an das Übertragungsmedium auf der Abschluss- oder der Erfüllungsebene anknüpfen. Ein Internet-Vertrag weist daher nicht schon deshalb einen Auslandsbezug auf, weil in technischer Hinsicht ein internationales Medium eingesetzt wird. Entscheidend ist, dass sich eine Auslandsberührung aufgrund eines der Anknüpfungsmomente der Rom I-Verordnung Rom gibt23. · Charakteristische Leistung: Ihre Ermittlung wirft im Regelfall keine für das Internet spezifischen Probleme auf, da dieses Kriterium auf den Leistungsinhalt und nicht auf die (technischen) Modalitäten der Leistungser21 Eine Differenzierung nach dem Übertragungsmedium erscheint nicht gerechtfertigt; die Frage offen lassend OGH IHR 2005, 195, CISG-online Nr 1047. Fraglich erscheint die Anwendbarkeit des CISG auf Verträge über die Vermittlung von Information, zB über Informationstransfer durch Zugang zu einer Online-Datenbank, da es sich hier eher um Dienstleistungen handelt (Art 3 Abs 2 CISG). 22 Mottl in Brenn (Hrsg), ECG, 136. 23 Wenn beide Vertragspartner im Inland niedergelassen sind und lediglich über das Internet kommunizieren (auch wenn die Datenübertragung über ausländische Netze laufen kann), besteht noch kein Auslandsbezug.
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Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness
bringung abstellt. Das gilt nicht nur für Verträge im indirekten eBusiness, da hier bei der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen die charakteristische Leistung auf konventionellem Wege und unabhängig vom Internet erbracht wird. Auch beim direkten eBusiness halten sich die Probleme in Grenzen. Eine besondere Bedeutung kommt hier dem Leistungsgegenstand „Information“ zu, da bei den (kommerziellen) Informations-, Nachrichten- und Datenbankdiensten die charakteristische Leistung jene des Informationsanbieters ist. Für Lizenzverträge (auch für Software, die direkt vertrieben wird) ergeben sich dieselben Anknüpfungsprobleme wie außerhalb des Internet. Für die Frage, welche Partei hier die charakteristische Leistung erbringt, bietet sich eine differenzierte Lösung an: Sofern den Lizenznehmer typische Ausübungsund Verwertungspflichten treffen, ist er der Erbringer der charakteristischen Leistung; andernfalls ist es der Lizenzgeber24. · Lokalisierung der Vertragsparteien: Art 4 Rom I-VO stellt für die Anknüpfung des Vertrages auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab25. Welche Besonderheiten ergeben sich nun für diesen Begriff unter den Bedingungen des eBusiness? Sicher ist, dass die bloße Nutzung eines Servers an einem anderen Ort als dem Sitz der die charakteristische Leistung erbringenden Partei noch keine Niederlassung begründen kann. Hier spielen auch die technischen Strukturen des Internet keine entscheidende Rolle, weshalb die geografische Position eines Servers für die Bestimmung der Niederlassung grundsätzlich als irrelevant anzusehen ist. Der ausländische Erbringer der charakteristischen Leistung, der sich lediglich eines in Österreich befindlichen Servers bedient, begründet damit noch keine Niederlassung in Österreich. Die Hilfsfunktion des Servers wird besonders im indirekten eBusiness deutlich, in dem es zur Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen auf konventionellem Wege kommt, so dass die Ermittlung des Ortes, an dem die Leistung erbracht wird, unschwer möglich ist26. An dieser Einschätzung ändert sich auch im direkten eBusiness nichts, obwohl 24 Vgl dazu schon Fallenböck, Zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Immaterialgüterrechtsverträgen nach dem Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ), ZfRV 1999, 98. Ausführlich zum Gerichtsstand des Erfüllungsortes beim Lizenzvertrag EuGH C-533/07, ecolex 2009/345, 883 = jusIT 2009/61, 132 (Thiele). Zur Parallelität von EuGVVO und Rom I-VO, vgl Rz 16/9. 25 Art 19 Rom I-VO präzisiert für juristische Personen, dass dies der Ort ihrer Hauptverwaltung ist, während der gewöhnliche Aufenthalt von natürlichen Personen an ihre Hauptniederlassung geknüpft ist. 26 Hier bedarf es einer stationären Logistik, mit deren Hilfe etwa das Versenden der bestellten Ware erfolgt und die idR unschwer an eine konventionelle Betriebsorganisation anzubinden ist.
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Internationales Vertragsrecht und eBusiness
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die technische „Leistungshandlung“ hier direkt vom Server ausgeht. Gleichwohl liegt damit noch nicht zwingend auch der gewöhnliche Aufenthalt nach der Rom I-Verordnung vor. Entscheidend ist, wo sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit, somit jener Ort befindet, an dem die unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere über Produktauswahl bzw Preisgestaltung, getroffen werden.
2. Business-to-Consumer-Verträge (B2C) Obwohl der B2B-Bereich nach wie vor die wirtschaftlich dominante Kom- 16/8 ponente im eBusiness ist, bietet das Internet als globales Massenkommunikationsmedium eine hervorragende Plattform für alle Formen der Direktvermarktung. Gerade Verbraucher können mit Hilfe des Internet direkt angesprochen und Verträge mit ihnen angebahnt bzw geschlossen werden. Daher kommt dem Verbrauchervertragsstatut in Art 6 Rom I-VO besondere Bedeutung zu27. Die von dieser Bestimmung erfassten Verträge müssen von einer Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer anderen Person, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelte28, geschlossen worden sein. Wenngleich der sachliche und persönliche Anwendungsbereich von Art 6 Rom I-VO durch eBusiness nicht tangiert wird, ergeben sich internetspezifische Fragen. Im Zusammenhang mit eBusiness kann sich die Frage stellen, ob ein Kaufvertrag von (Standard-)Software zum privaten Gebrauch als Verbraucherkaufvertrag zu qualifizieren sei. Der OGH hat Standardsoftware, die auf einem Datenträger verkörpert ist, als bewegliche Sache eingestuft29. Im direkten eBusiness ist es aber nach wie vor umstritten, ob die OnlineÜbertragung des Leistungsgegenstandes, etwa der Download von Software, als Lieferung einer beweglichen Sache qualifiziert werden kann30. Es 27 Vgl Rz 15/15. 28 Dieser Person musste bei Vertragsabschluss der private Charakter des Geschäfts bekannt oder nach den Umständen objektiv erkennbar gewesen sein. Da der gute Glaube des unternehmerisch tätigen Vertragspartners geschützt wird, fällt ein Vertrag nicht unter Art 6 Rom I-VO, wenn die vom Unternehmer erbrachte Leistung tatsächlich zur Ausübung einer entsprechenden beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Abnehmers dienen kann, es jedoch unerkennbar ist, das die Leistung privaten Zwecken dient. 29 OGH SZ 70/202 = JBl 1998, 577 (tw zust Staudegger). Jedenfalls im Bereich der Standardsoftware gewinnt die kaufrechtliche Komponente an Bedeutung und rücken die immaterialgüterrechtlichen Aspekte (Lizenzierung) in den Hintergrund. 30 Dagegen Koch, Internet-Recht (1998) 53; vgl allgemein auch Heiss in Czernich/Heiss, EVÜ-Kommentar, Art 5 EVÜ Rz 16, der – wie der OGH – von einer Lieferung auf einem festen Datenträger ausgeht.
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Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness
erscheint sachlich nicht gerechtfertigt, die Lieferung von Software an einen Verbraucher auf einem USB-Stick dem Art 6 Rom I-VO zu unterstellen, die Online-Lieferung hingegen nicht31. Im Bereich der Dienstleistungsverträge sind vor allem Verträge über Providerleistungen zu nennen. Diese werden typischerweise von einem Verbraucher in Anspruch genommen, so dass sich das anzuwendende Recht grundsätzlich nach Art 6 Rom I-VO bestimmt. Dies gilt auch für den Vertrag mit einem Access Provider, der den Zugang zu einem Datennetz ermöglicht und im Regelfall erhebliche organisatorische Leistungen, die über das bloße Bereitstellen von Infrastruktur hinausgehen, erbringt32. 16/9 Auch bei einem über das Internet abgeschlossenen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ist eine Rechtswahl möglich, die jedoch zum Schutze des Verbrauchers in bestimmten Sachverhalten eingeschränkt ist. Es geht hier um Situationen, in denen der durchschnittliche Verbraucher an sich von der Anwendung seines „Umweltrechts“ ausgeht, weil entweder der Schwerpunkt des Vertragsabschlusses im Inland liegt oder dem Verbraucher der Auslandsbezug aus einem anderen Grund nicht bewusst wird. Gemäß Art 6 Abs 1 Rom I-VO besteht diese beschränkte Wahlmöglichkeit, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Verbraucherstaat ausgeübt hat bzw eine solche Tätigkeit „auf irgend einer Weise auf diesen Staat ausrichtet“. Wenn Art 6 Abs 1 darauf abstellt, dass der Unternehmer im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers beruflich oder gewerblich tätig wird oder seine Tätigkeit „auf irgend einer Weise“ auf den Verbraucherstaat „ausrichtet“ und zudem verlangt, dass der Vertrag mit dem Verbraucher „in den Bereich dieser Tätigkeit“ fällt, wurde bewusst ein Gleichklang mit Art 15 Abs 1 lit c) EuGVVO33 hergestellt; eine einheitliche Auslegung wird erwartet34. Die 31 Der Übermittlungsmodus kann nicht entscheidend sein, vielmehr kommt es auf die Funktion der Software für den Nutzer an und dabei zeigt sich, dass der Vertragsgegenstand unabhängig von der Übermittlung derselbe bleibt. Auch die Online-Übertragung von Software ist daher Lieferung einer „beweglichen Sache“ iSd Art 4 Abs 1 lit a) 1 Rom I-VO. 32 Hier ist Art 6 Abs 4 lit a) Rom I-VO zu beachten, der die Geltung der ersten beiden Absätze dieses Artikels ausschließt, wenn die Dienstleistung ausschließlich außerhalb des Verbraucherstaates erbracht wird. Bei Dienstleistungen im eBusiness (zB Providerleistungen oder Datenbankabfragen) erfolgt die eigentliche Nutzungshandlung im Verbraucherstaat, so dass eine ausschließlich im Ausland stattfindende Leistungserbringung idR nicht gegeben ist; vgl Fallenböck, Internet und IPR, 135. 33 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 21.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG L 12 vom 6.1.2001, 1. 34 Präambel zur Rom I-VO, Erwägungsgrund (24).
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Geschäftstätigkeit im Internet und damit auch Angebot oder Werbung im eBusiness kennt – technisch gesehen – keine staatlichen Grenzen und lässt sich daher nicht leicht über räumliche Distributionsentscheidungen steuern, wie dies bei klassischen Medien wie Tageszeitungen möglich ist. Ist nun allein schon die im Internet übliche Präsentation von Waren oder Dienstleistungen als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit des ausländischen Unternehmers im Verbraucherstaat zu qualifizieren? Rat und Kommission haben in einer Gemeinsamen Erklärung35, deren rechtliche Bedeutung strittig ist, betont, dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreichen solle, um die Anwendbarkeit von Art 15 Abs 1 lit c) EuGVVO zu begründen, da es erforderlich sei, dass die Website auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbiete und dass tatsächlich ein Vertragsabschluss im Fernabsatz „mit welchem Mittel auch immer“ erfolgt sei. Den OGH hat die auslegungsbedürftige Rechtslage in der Brüssel IVerordnung am 26.3.2009 zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH veranlasst, in dem angefragt wird, ob für das „Ausrichten der Tätigkeit im Sinne von Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO (ausreiche), dass eine Website der Vertragspartners des Verbrauchers im Internet abrufbar“ sei36. Wegen der identischen Formulierung in Art 6 Rom I-VO ist das Ergebnis dieses Verfahrens auch für die Frage der Rechtwahl nach dieser Norm zu beachten37. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum kann die bloße Einrichtung einer Website wohl nicht ausreichen um dem Kriterium des „Ausrichtens“ gerecht zu werden, vielmehr wird auch eine Verbindung zum Verbraucherstaat bestehen müssen38, die sich nicht in der bloßen Erreich35 Text in IPRax 2001, 259. 36 OGH 6 Ob 24/09m, ecolex 2009/300, 763 – EuGH Rs C-144/090 – „Alpenhof“; ebenso schon, die Frage aber hier nur eventualiter gestellt, zu 6 Ob 192/08s – EuGH Rs C-585/ 08 – „Pammer“. 37 Die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak zu C-585/08 und C-144/09, in denen sich der EuGH erstmals mit der Frage befassen wird, liegen seit 18.5.2010 vor. Inhaltlich empfiehlt die Generalanwältin: „Für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art 15 Abs 1 lit c der Verordnung Nr. 44/2001 reicht es nicht aus, dass die Website des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers im Internet abrufbar ist. Das nationale Gericht hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, ob der Vertragspartner, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet. Wichtige Beurteilungsfaktoren sind insbesondere der Inhalt der Website, die bisherige Geschäftstätigkeit des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Art der verwendeten Internetdomain und die Nutzung der Möglichkeiten, über das Internet oder auf sonstige Weise zu werben.“ (Schlußanträge zu C-585/08 und C 144/09, Rn 101. 2; vgl auch RZ 16/14 der Vorauflage.) 38 Deshalb genügt es nicht, wenn der Verbraucher auf einer Auslandsreise eine Werbung im Internet zur Kenntnis nimmt; ausführlich zu den Besonderheiten von Internetverträgen
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barkeit erschöpft, sondern durch tatsächliche Zielgerichtetheit der Absatztätigkeit des Anbieters zum Verbraucherstaat, sei es durch Anbieten, sei es durch Werbemaßnahmen, charakterisiert ist. Das Kriterium der „zielgerichteten Absatztätigkeit“ im Internet muss nicht nur anhand einer räumlichen Verbreitung und deren Steuerung durch den Anbieter, sondern auch über inhaltliche Merkmale der Absatztätigkeit bestimmt werden39. 16/10 So ist zu vertreten, dass sich die Zielgerichtetheit einer Absatztätigkeit im Internet aus ihrer an inhaltlichen Merkmalen zu beurteilenden Ausrichtung auf einen bestimmten Markt ergibt, der im eBusiness oft über einen bestimmten Staat hinausgehen und sogar globale Dimension haben kann40 und es darauf ankommt, ob sich der Verbraucher als typischer Adressat der Absatztätigkeit verstehen kann. Den Interessen des Verbraucherschutzes kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Verbraucher bei unklarer oder irreführender Gestaltung von Angebot oder Werbung von der Ausrichtung auf seinen Aufenthaltsstaat ausgehen darf, während der Anbieter die Möglichkeit hat, seine Absatztätigkeit durch Wahl von Sprache, Währung und Zahlungsmodalitäten, Produktbeschreibung und Lieferbedingungen, Produktcharakteristika oder Top-Level-Domains41 zu steuern. Mögen diese Merkmale, einzeln betrachtet, auch keine allzu hohe Aussagekraft haben, wird es in einer Gesamtbetrachtung doch für den Verbraucher erkennbar sein, ob das Angebot oder die Werbung auf seinen nationalen Markt zugeschnitten ist, er also deren typischer Adressat ist. Nicht nur das Gesamterscheinungsbild vermag Zielgerichtetheit zu vermitteln, eine solche kann auch mit einer ausdrücklichen Marktbeschränkung, einem sogenannten Disclaimer, erzielt werden42, mit dem der Anbieter für den Verbraucher klar erkennbar darstellt, welche Marktausrichtung er anstrebt. Ein Disclaimer hat den Vorteil, dass sich für die aus dem Zielge-
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mit Verbrauchern nach VO-Rom-I Martiny in MüKo5 (2009) BGB Band 10 XVI, Rn 232 f. Für die grundsätzliche Anwendbarkeit des Kriteriums der Zielgerichtetheit auch im Internet sind ua Zankl, E-Commerce-Gesetz (2002) Rz 307 und wohl auch Mottl in Brenn (Hrsg), ECG, 139, eingetreten. Die Verbindung zum Verbraucherstaat sollte sich durch eine inhaltlich bestimmbare Ausrichtung (auch) auf dessen Markt ergeben, wobei im Interesse des Verbraucherschutzes subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Anbieters irrelevant sein müssen. Vielmehr müsse das Bestehen einer solchen Verbindung nach objektiven Kriterien vom Empfängerhorizont des Verbrauchers her beurteilt werden. Man denke an Anbieter, die wie „amazon.com“ mit einer bewusst internationalen Ausrichtung auftreten. Dazu im einzelnen Fallenböck, Internet und IPR, 126 f. Vermehrt werden Angebote im Internet durch Disclaimer eingeschränkt, zum Beispiel: „Dieses Angebot gilt nur für Verbraucher in Land X“; vgl dazu auch Mankowski, RabelsZ 1999, 244 f.
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§ 16
biet stammenden Verbraucher der Schutz des Art 6 Rom I-VO eindeutig ergibt. Für den Anbieter hat der Disclaimer den Nachteil, dass er sich auf einen bestimmten Markt festlegen muss, wenn er sein Rechtsanwendungsrisiko eingrenzen will. Denn wenn er mit Verbrauchern außerhalb des angegebenen Bereiches kontrahiert, wird zu Recht gefordert, dass ein solcher Vorbehalt unbeachtlich sei43. Der Anbieter kann sich dann nicht darauf berufen, dass der Verbraucher aus einem Staat komme, der nicht seiner Marktausrichtung entspricht.
C. Internationales Wettbewerbsrecht und eBusiness 1. Marktortprinzip und eBusiness Neben den gerade erörterten vertragsrechtlichen Fragen kommt im de- 16/11 liktsrechtlichen Kontext dem Wettbewerbsrecht besondere Bedeutung zu. Die Bestimmung des anwendbaren Wettbewerbsrechts ist allgemein wegen der zum Teil erheblichen Unterschiede in den Schutzstandards wichtig44, besonders aber im Internet, das ein internationales Online-Marketing ermöglicht. Art 6 Rom II-VO knüpft die durch unlauteren Wettbewerb begründeten außervertraglichen Schuldverhältnisse an das Recht des Staates an, in dem die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind bzw beeinträchtigt zu werden drohen45. Das in diesen Bestimmungen Ausdruck findende Marktortoder Wirkungsprinzip sieht sich im Internet mit besonderen Fragen konfrontiert, da in einem Netzwerk, das Marktgrenzen überschreitet, die Bestimmung des Ortes, an dem sich die beanstandete Handlung auf den Wettbewerb auswirkt, naturgemäß nicht einfach ist. Nach welchen Kriterien kann nun bei Handlungen im Internet, die wettbewerbsrechtlich unlauter sind, bestimmt werden, auf welchen Markt sie sich auswirken?
43 ZB von Mankowski, RabelsZ 1999, 245; Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet (2001) 69 (78 f). 44 Zum Internationalen Wettbewerbsrecht im Internet, vgl Gruber in Gruber/Mader (Hrsg), Internet und e-commerce: Neue Herausforderungen an das Privatrecht (2000), 109 (113 ff); Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet, 69 (82 ff); für Wettbewerbsstreitigkeiten bei Internet Domain Namen siehe Fallenböck/Stockinger, Update Domainrecht: „Typosquatting“, Domains im Kollisionsrecht, MR 2001, 403 (408); vgl auch OGH MR 2001, 194 (Pilz). Jüngst Handig, Lauterkeitsrechtliche Aspekte grenzüberschreitender Informationsanforderungen in Jaksch-Ratajczak (Hrsg), Aktuelle Rechtsfragen der Internetnutzung (2010) 81. 45 Zuvor bestimmte § 48 Abs 2 IPRG, dass sich alle Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb nach dem Sachrecht des Staates richten, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirkt.
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§ 16
Exkurs: Internationales Privatrecht und eBusiness
Die für die „klassischen“ Medien entwickelten Grundsätze zum bestimmungsgemäßen Vertrieb können nur bedingt auf das Internet übertragen werden46. Versagt eine technische Vertriebssteuerung, kann über inhaltliche Merkmale durchaus eine Verbindung zwischen der Absatztätigkeit des Internet-Anbieters und einem bestimmten Markt hergestellt werden. Somit kann es bei Handlungen im Internet, insbesondere bei Werbung, nur auf den Markt jener Staaten ankommen, auf welche die Geschäftstätigkeit nach ihrer Gestaltung und den sonstigen Umständen erkennbar abzielt47. Die Bestimmung der Zielgerichtetheit kann dabei über jene Merkmale erfolgen, die auch bei „B2C-Verträgen“ relevant sind48. Daraus folgt auch, dass im Rahmen des Marktortprinzips ein einzelner zufällig erfolgter Abschluss nicht zur Anwendung des betreffenden Marktortrechts führen kann. Der Anbieter kann auch seine Zielrichtung durch einen Disclaimer ausdrücklich beschränken, der freilich wirkungslos ist, wenn er gleichwohl auf diesem Markt nennenswerte Geschäfte abschließt. Für die Praxis folgt, dass die schlichte Möglichkeit, eine Website mit wettbewerbswidrigem Inhalt in Österreich abzurufen, noch nicht österreichisches Wettbewerbsrecht anwendbar macht. Um dies zu erreichen, muss durch die im Internet gesetzte Handlung gezielt (zumindest auch) in das inländische Marktgeschehen eingegriffen werden.
2. Marktortprinzip versus Herkunftslandprinzip 16/12 Auch wenn man dem gerade beschriebenen Ansatz folgt, bleiben für den Internet-Anbieter eine Reihe von Risiken bestehen. Abhängig vom Gerichtsstand kann er sich einer Vielzahl von nationalen Wettbewerbsrechten ausgesetzt sehen, was ein weitgehend einheitliches Auftreten in der Werbung wesentlich erschwert. Dieser Nachteil des Anbieters kann nur dadurch überwunden werden, dass im Internationalen Wettbewerbsrecht nur das Recht seiner Niederlassung, nicht aber die Vielzahl der Marktortrechte zur Anwendung kommt. Nach diesem so genannten Herkunftslandprinzip hat der Internet-Anbieter nur noch die Anforderungen seines heimischen (Wettbewerbs)-Rechts zu erfüllen. 46 Diese knüpfen an eine technische Vertriebssteuerung ab. Die Verbreitung einer Zeitschrift lässt sich im Großen und Ganzen durch die Gestaltung von Vertriebswegen beeinflussen. Bei Satellitenprogrammen wird dies schon bedeutend schwieriger, im Internet ist schließlich jede technische Steuerung praktisch unmöglich. 47 In diese Richtung wohl auch Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet, 92, die auf eine bewusste Ausrichtung der Geschäftstätigkeit abstellt. 48 Sprache, Währung, Zahlungsmodalitäten, Produktbeschreibung, Lieferbedingungen, Produktcharakteristika uä; vgl Rz 16/10.
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Im Bereich des eBusiness kommt dem in Art 3 E-Commerce-Richtlinie49 verankerten Herkunftslandprinzip besondere Bedeutung zu. Danach hat der Niederlassungsstaat des Diensteanbieters die Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft zu beaufsichtigen. Im Gegenzug dürfen die anderen EU-Mitgliedstaaten den freien Verkehr dieser Dienste grundsätzlich nicht einschränken. Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie kommt nur zur Anwendung, wenn sowohl Niederlassungsstaat als auch Marktortstaat Mitgliedstaaten der UNION bzw des EWR sind. Das Herkunftslandprinzip ist aber auf viele Rechtsbereiche überhaupt nicht anwendbar, weshalb Ausnahmen für das Urheberrecht, das Patent- und Markenrecht, die Freiheit der Rechtswahl sowie für Verbraucherverträge vorgesehen sind, die spezifischen Anknüpfungsgrundsätzen unterliegen. Sehr wohl beeinflusst das Herkunftslandprinzip das Internationale Wettbewerbsrecht. Die Umsetzung des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie 16/13 erfolgte in Österreich durch §§ 20 ff E-Commerce-Gesetz50. Dabei waren das Zusammenspiel von IPR und Herkunftslandprinzip und die Frage, ob dieses Prinzip selbst als kollisionsrechtliche Regelung gelten sollte, durchaus umstritten. Die RV des ECG51 wollte das Herkunftslandprinzip nicht als IPR-Regel umsetzen, sondern erst auf der sachrechtlichen Ebene als Günstigkeitsvergleich einsetzen. Die endgültige Regelung in § 20 ECG beinhaltet jedoch eine Sachnormverweisung auf das Recht des Niederlassungsstaates52. Für die Qualifikation der Niederlassung ist entscheidend, wo der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeiten liegt, technische Kriterien wie der Standort des Servers sind unerheblich. Diensteanbieter, die im EWR niedergelassen sind, unterliegen somit hinsichtlich der „Dienste der Informationsgesellschaft“ – und damit nur für den Online-Bereich – dem Recht ihres Niederlassungsstaates. Eine beachtliche Reihe von Ausnahmen ist in § 21 ECG normativ festgeschrieben, zudem können natio-
49 Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABlEG L 178 vom 17.7.2000, 1; zu ihrem Inhalt, Brenn, Der elektronische Geschäftsverkehr, ÖJZ 1999, 481. 50 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt (E-Commerce-Gesetz – ECG) und das Signaturgesetz sowie die Zivilprozessordnung geändert werden, BGBl I 2001/152; in Kraft getreten am 1.1.2002; zu den Inhalten des ECG, eingehend Brenn (Hrsg), ECG (2002); Laga/Sehrschön/Ciresa, E-Commerce-Gesetz2 (2007); Zankl, E-Commerce-Gesetz (2002). 51 817 BlgNR 21 GP. 52 So auch Laga/Sehrschön/Ciresa, E-Commerce-Gesetz2, 97; in diesem Sinne wohl auch Mottl in Brenn (Hrsg) ECG, 142; Zankl, E-Commerce-Gesetz (2002) Rz 315, 321.
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nale Behörden und Gerichte in concreto Ausnahmen durch Einzelmaßnahmen vorsehen53.
D. Internationales Immaterialgüterrecht und eBusiness 1. Bestehende Anknüpfungsprinzipien und eBusiness 16/14 Neben dem Austausch von Waren und Dienstleistungen kommt gerade im direkten eBusiness dem Handel mit „Informationsgütern“ besondere Bedeutung zu. Ob es um das Lesen einer Online-Zeitung, den Download von Software oder den Zugriff auf eine Datenbank geht, immer sind entsprechende Immaterialgüterrechte – Marken- und Patentrecht sowie das Urheberrecht – betroffen. Da durch sie der Zugang zu und die Verfügbarkeit über Informationen gesteuert wird, kommt ihnen im Informationszeitalter große gesellschaftliche Bedeutung zu. Da nationale Immaterialgüterrechte in unterschiedlichem Umfang Schutz vor Eingriffen in Immaterialgüterrechte gewähren, ist die Frage nach dem anwendbaren Recht bei Handlungen im Internet besonders kritisch54. Die kollisionsrechtliche Anknüpfung von Immaterialgüterrechten erfolgt in den meisten Staaten nach dem Schutzlandprinzip. In Österreich ist dieses in § 34 Abs 1 IPRG verankert55. Es bestimmt das Recht jenes Staates, dessen immaterialgüterrechtlicher Schutz in Anspruch genommen wird, als anwendbar. Für das Urheberrecht ist somit auch im Internet das Recht des Ortes entscheidend, an dem eine Benützungs- oder Verletzungshandlung gesetzt wurde, obwohl gerade diese Einordnung bei Online-Medien Schwierigkeiten bereitet. Denn für den Ort der Benützungshandlung kommt – vereinfacht dargestellt – der Staat in Betracht, von dem aus das Werk zugänglich gemacht wird, und/oder der Staat, in dem es später zum Abruf der Daten kommt. Folgt man dem Schutzlandprinzip, muss ein Anbieter im Internet weltweit sicherstellen, dass sein Angebot nicht Urheberrechte Dritter verletzt, da neben dem Land, wo die Einspeisung in das Internet erfolgt, auch jeder andere Staat zum Ort einer Urheberrechtsverletzung werden kann. Faktisch müsste sich der Anbieter am weltweit strengsten Urheberrecht orientieren, da im grenzüberschreitenden Internet
53 §§ 22, 23 ECG. 54 Vgl dazu Haller, Music on demand (2001) 145 ff; Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet, 95 ff; Muth, Die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei Urheberrechtsverletzungen im Internet (2000). 55 Rz 13/9. Für Verletzungshandlungen ist Art 8 Rom II-VO zu beachten.
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Internationales Immaterialgüterrecht und eBusiness
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die Verbreitung von Daten aus technischen Gründen weder kontrolliert noch beschränkt werden kann. Weitere Immaterialgüterrechte wie Marken- und Patentrechte unterscheiden sich vom Urheberrecht durch die Registrierungspflicht. Sie entfalten daher ihre Schutzwirkung nach dem Territorialitätsprinzip nur in dem betreffenden Registrierungsstaat, wodurch es per se zu einer Einschränkung möglicher Schutzländer kommt. Durch multinationale Markenrechte56 und parallele Anmeldung in mehreren Staaten können Handlungen im Internet gleichwohl mehrere Staaten berühren. Deshalb kann die – technisch immer mögliche – Abrufbarkeit des Markennamens im Schutzstaat für sich allein nicht ausreichen, die Maßgeblichkeit des Rechts dieses Staates zu begründen57. Vielmehr muss auch im Bereich der Immaterialgüterrechte anhand inhaltlicher Merkmale58 der Website eine Ausrichtung auf einen bestimmten Markt erkennbar sein59. 2. Alternative Anknüpfungskonzepte Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass die Schutzlandanknüpfung bei 16/15 Immaterialgüterrechtsverletzungen im Internet auf große Schwierigkeiten stößt60. Daher wird nach alternativen Anknüpfungskonzepten gesucht61. So wurde in Anlehnung an die Satelliten-Richtlinie eine Übertragung des
56 ZB die Rechte aus der EU-Gemeinschaftsmarke. 57 So erscheint die Anwendung österreichischen Markenrechts nicht gerechtfertigt, wenn ein in Frankreich niedergelassener Unternehmer durch seinen Internet-Auftritt, der nach seiner Erscheinung klar auf den italienischen Markt abzielt, in das österreichische Markenrecht des Klägers eingreift; in diese Richtung auch Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet, 97. 58 Vgl Rz 16/9. 59 Dass der OGH diesen Argumenten Beachtung schenkt, kann – wenn auch im Bereich der internationalen Zuständigkeit nach Art 5 Z 3 EuGVÜ – aus der sog Boss-Entscheidung herausgelesen werden, ecolex 2001, 849 (Schönherr). Dabei klagte der österreichische Markeninhaber ein Unternehmen, das im Internet Werbung für „Boss-Zigaretten“ machte. Diese Zigaretten wurden in Slowenien hergestellt. Ein Verkauf in Österreich fand nicht statt. Die Website war in deutscher und englischer Sprache, wobei sich kein Hinweis fand, dass die Zigaretten nicht in Österreich erhältlich sind. In seiner Entscheidung ging das Höchstgericht nicht explizit auf die Frage ein, ob die bloße Abrufbarkeit einer Website im Internet ausreichend ist, um eine inländische Benutzungshandlung annehmen zu können. Stattdessen sprach der OGH klar aus, dass im konkreten Fall Art und Präsentation des Angebots darauf schließen ließen, dass dieses auch auf den österreichischen Markt ausgerichtet sei; OGH ÖBl 2001, 269. Vgl nunmehr das Vorabentscheidungsansuchen des OGH vom 26.3.2009; dazu RZ 16/9. 60 Schwimann, Internationales Privatrecht3 (2001) 148, bezeichnet sie gar als unanwendbar. 61 Übersicht bei Lurger in Gruber (Hrsg), Die rechtliche Dimension des Internet, 97.
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Sendelandprinzips auf das Internet angeregt62. Damit würde die relevante Benützungshandlung ausschließlich dort stattfinden, wo das Angebot für das Internet zugänglich gemacht wird. Dies könnte technisch durch das Laden der das Werk beinhaltenden Datei auf einen Internet-Server (Uploading) erfolgen. Es wäre dann nur das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Einspeisung erfolgt. Für den Anbieter wäre damit erhöhte Rechtssicherheit gegeben, es bestünde aber die Gefahr, dass es zur Verlagerung in Länder mit niedrigem Schutzniveau kommt. Andere Konzepte stellen etwa auf den Ort der Interessensbeeinträchtigung des Verletzten ab. Allen diesen Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie verhindern wollen, dass ein nationales Recht weltweit anwendbar werde. Internet-spezifischen Problemen kann am besten durch internationale Rechtsharmonisierung entgegengewirkt werden, die im Bereich des Immaterialgüterrechts auch tatsächlich bereits seit dem 19. Jahrhundert stattfindet. Auch wenn man (noch?) nicht von einem „Welturheberrecht“63 sprechen kann und das Verhältnis von international mit Hilfe völkerrechtlicher Verträge geschaffenem Einheitsrecht und Unionsrecht Probleme bereitet64, ist zu konzedieren, dass „Geistiges Eigentum“ in besonders hohem Ausmaß durch internationale Abkommen abgesichert ist.65
62 Vgl etwa Bechtold, GRUR 1998, 18, 23. 63 Kohler, Urheberrecht (1907) Vorwort VII; aktuell als Postulat formuliert von Wandtke in Wandtke/Bullinger Urheberrecht2 (2006) Rn 76. 64 Kaiser, Geistiges Eigentum und Gemeinschaftsrecht, Die Verteilung der Kompetenzen und ihr Einfluss auf die Durchsetzbarkeit der völkerrechtlichen Verträge, Berlin (2005) 216. 65 Zu den bedeutendsten internationalen Rechtsquellen zählen die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ), das Römer Leistungsschutz-Abkommen, die WIPO Verträge WCT und WPPT aus 1996. Von besonderer Effizienz zeigt sich die Einbindung sog Geistigen Eigentums in die WTO durch Anhang 1 C TRIPS-Abkommen. Schließlich sind die Europäischen Institutionen seit drei Jahrzehnten um die EWR-weite Harmonisierung des Immaterialgüterrechts bemüht. Besonders auffällig ist die Einbeziehung von Urheberrechtsverletzungen in Art 10 der Cybercrime-Konvention des Europarates vom 23.11.2001 – European Treaty Series Nr 185 (von Österreich nicht ratifiziert), vgl Rz 13/9.
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Zweiter Teil: Einheitsprivatrecht § 17. Einführung: Wesen, Terminologie, Kategorien A. Die wachsende Bedeutung von Einheitsprivatrecht Mit den Arbeiten an den naturrechtlichen Kodifikationen des Privatrechts, 17/1 von denen der Code civil von 1804 und das ABGB von 1811 noch immer in jeweils vielfach novellierter Fassung in Kraft stehen, wurde im 18. Jahrhundert in Kontinentaleuropa eine zweihundertjährige Epoche autonomer nationalstaatlicher Rechtsentwicklung eingeleitet und zugleich der zuvor seit dem Hochmittelalter bestehende Zustand einer „weitgehend einheitlichen Rechtskultur“ (Blaurock) beendet. Während einer zweiten Kodifikationsphase, der das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und die am 1.1.1912 in Geltung gesetzte schweizerische Zivilrechtskodifikation entstammen, formierte sich ein Jahrhundert später eine Gruppe von Juristen, die sich erstmals auf der Grundlage der komparativen Methode der Vision eines international vereinheitlichten oder doch harmonisierten „Weltprivatrechts“ zuwandten, die in Zeiten globaler Konflikte und um die Weltherrschaft ringender, kontroverser Ideologien freilich nicht zu realisieren war. Die Erleichterung des zwischenstaatlichen Verkehrs und die Intensivierung des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs durch die Entwicklung neuer, leistungsfähiger und billiger Verkehrsmittel, die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung, die technologische Revolution auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation und schließlich auch der weitgehende Abbau trennender Ideologien haben in einer sich über Jahrzehnte erstreckenden, sich stetig beschleunigenden Entwicklung die Notwendigkeit von international vereinheitlichten oder angeglichenen Regelungen für viele Bereiche des Privatrechts akzentuiert.
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Einführung: Wesen, Terminologie, Kategorien
17/2 Im Zuge des Fortschreitens der Europäischen Integration hat die Angleichung bzw Vereinheitlichung der nationalen Privatrechte in Europa eine neue Qualität erhalten, der sich Österreich nicht entziehen konnte. So wurden schon im Zusammenhang mit dem am 1.1.1994 in Kraft getretenen Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum1 zahlreiche „wirtschaftsnahe Regelungsbereiche“ an das Recht der europäischen Gemeinschaft angepasst, ehe der Beitritt ab 1.1.1995 eine vollständige Übernahme des acquis communautaire bewirkte. Doch auch über den Rahmen der europäischen Integration hinaus stellt sich die Rechtsvereinheitlichung heute im Privatrecht als ein außerordentlich dynamischer Wachstumssektor dar. Mehrere internationale Institutionen bemühen sich darum, insbesondere für das internationale Privatrecht, das Transportrecht, das Vertragsrecht und das Haftungsrecht, einheitliche, die zu eng gewordenen Grenzen der nationalen Privatrechtskodifikationen überwindende Rechtsgrundlagen zu schaffen. 17/3 Dabei werfen die Bemühungen um die internationale Vereinheitlichung von Materien des Privatrechts spezifische Rechtssetzungsprobleme auf, da unterschiedliche Rechtsstile und Rechtssprachen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden müssen. Die an der Ausarbeitung und Redaktion eines einheitsrechtlichen Textes beteiligten juristischen Experten müssen sich auch in allen Phasen ihrer Tätigkeit bewusst sein, dass sie einer zweifachen Gefahr ausgesetzt sind: Einerseits, die vereinheitlichte Regelung wegen zu großer Kompromissbereitschaft gerade in inhaltlich neuralgischen Punkten auf nichtssagende und ausfüllungsbedürftige Generalklauseln zu reduzieren; andererseits, wegen der Divergenzen, die im Hinblick auf den Stil und das spezifische Verständnis von Recht zwischen den einzelnen Staaten bestehen, Fremdkörper in die nationalen Rechtsordnungen zu verpflanzen. In beiden Fällen wird den Gerichten der an der Vereinheitlichung beteiligten Staaten eine schwere Aufgabe aufgebürdet. Müssen sie doch in dem einen Fall unter Bedachtnahme auf die internationale Rechtsprechungsentwicklung die sachgerechte Konkretisierung der Generalklausel bewerkstelligen, während sie im anderen Fall versuchen müssen, harmonisierende Lösungen zu finden, welche die Einheit ihres staatlichen Rechts wahren. 17/4 Im Einheitsprivatrecht müssen daher auch spezifische Auslegungsprobleme bewältigt werden. Partikulare Praktiken bei Interpretation des Einheitsrechtstextes und Füllung seiner Lücken würden die international angestrebte Einheit wieder aufheben und den mit der Vereinheitlichung 1 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl 1993/909, Anpassungsprotokoll, BGBl 1993/910.
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Terminologisches
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bezweckten Erfolg vereiteln. Aufgabe der mit der Rechtsvereinheitlichung auf universeller oder regionaler Ebene befassten Institutionen muss es deshalb sein, dafür vorzusorgen, dass sich die Gefahr divergenter Interpretationsergebnisse von vornherein in Grenzen hält. Erleichtert wird diese Aufgabe durch Regeln über die so genannte übereinkommensautonome Auslegung oder durch den Aufbau eines übernationalen Apparates einheitlich definierter fundamentaler Rechtsbegriffe2. Für das Gemeinschaftsrecht hat der EuGH als zentrales und oberstes Rechtsanwendungsorgan spezifische Auslegungsregeln entwickelt. Ihm kommt eine wichtige Einheit stiftende Funktion zu, hat er doch „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung“ des Gemeinschaftsrechts zu sichern3.
B. Terminologisches Im einschlägigen deutschsprachigen Schrifttum finden Bezeichnungen wie 17/5 „Einheitsrecht“, „Harmonisierung des Rechts“, „Rechtsvereinheitlichung“, „Rechtsangleichung“ usw einmal als Oberbegriffe, dann wieder als Umschreibung spezifischer Erscheinungsformen gezielter Rechtsübereinstimmung Verwendung. Bei der Frage, welchem Konzept der Vorzug zu geben sei, verdient vor allem die Konzeption von Kropholler Beachtung. Er hat vorgeschlagen4, die Bezeichnung „Internationales Einheitsrecht“ als Oberbegriff für alle bewussten Bemühungen um die Übereinstimmung von Rechtsgebieten in mehreren Staaten zu verwenden und begreift darunter sowohl das „Einheitsrecht im strengen Sinn“ als das wörtlich gleichlautende Recht als auch das „Einheitsrahmenrecht“, bei dem sich die Rechtsgleichheit nur auf die Grundzüge beschränkt und Abweichungen im Detail möglich sind5. Die Verwendung des Oberbegriffs „Internationales Einheitsrecht“ legt sich auch wegen der Parallelität mit der englischen (uniform law) und französischen (loi uniforme) Rechtsterminologie nahe. Bezüglich der Intensität von „Einheitsrecht“ sollte man am besten zwischen den Idealtypen „Vereinheitlichung“ und „Angleichung“ differenzieren. Bei dieser Unterscheidung geht es nicht um ein „Entweder-oder“, 2 3 4 5
Vgl Rz 17/14–17/16. Vgl ex Art 220 EGV; nunmehr Art 19 EUV. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren (1975) 1 ff. Im alternativen Konzept von Schmeder, Die Rechtsangleichung als Integrationsmittel der Europäischen Gemeinschaft (1978) 5 ff, fungiert „Rechtsangleichung“ als Oberbegriff, als deren intensivste Form sich die „Rechtsvereinheitlichung“ darstellt, da sie zu wörtlich gleichlautendem Recht, eben zu „Einheitsrecht“ führt, während der Begriff der „Rechtsangleichung“, im engeren Sinn verwendet, ausdrücken soll, dass lediglich „Rechtseinheit“ geschaffen werde.
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sondern um ein „Plus-Minus-Verhältnis“6 insofern, als „Rechtsangleichung“ im engeren Sinn gegenüber der Rechtsvereinheitlichung ein Minus an Intensität aufweist. Die alles überdachende Gemeinsamkeit ist das zielgerichtete Streben nach Rechtsgleichheit. Von diesen Begriffen werden Übereinstimmungen in den Rechtsordnungen unterschiedlicher Staaten, die nicht als Ergebnisse rationaler legislatorischer Bemühung, sondern eher als Zufalls- und Nebenprodukte politischer Entwicklungen7 oder spontan entstehen, nicht erfasst; entscheidend ist, dass das einheitliche Recht das Ergebnis einer bewussten Zweckverfolgung ist8. Die Methoden dieser Zweckverfolgung sind allerdings unterschiedlich. Internationales Einheitsprivatrecht entsteht – von den besonderen Möglichkeiten in der Europäischen Union einmal abgesehen – nicht nur im Gefolge völkerrechtlich verbindlicher (multi- oder bilateraler) Staatsverträge. Auch die Ausarbeitung von Modellgesetzen, deren freiwillige Übernahme in die nationale Rechtsordnung einem Kreis von Staaten nahegelegt wird, fällt unter die Kategorie „gezielter Rechtsvereinheitlichung“. 17/6 Fraglich ist, ob man auch die Bemühungen von internationalen, nicht staatlichen Organisationen und Einrichtungen, wie der Internationalen Handelskammer (ICC), der International Air Transport Association (IATA), der International Law Association (ILA) usw, um die Schaffung einheitlicher Geschäftsbedingungen im Verkehr unter Kaufleuten und Unternehmern, inhaltliche Vereinheitlichung typischer Vertragsklauseln (zB INCOTERMS9), Ausarbeitung einheitlicher Musterverträge uä, deren Ergebnisse von Kropholler als „Klauselrecht“10 bezeichnet werden, unter den Begriff des Einheitsrechts subsumieren darf. Diese für die Praxis des internationalen Warenverkehrs durchaus bedeutsamen Praktiken werden mitunter als lex mercatoria (law merchant) bezeichnet, doch ist ihr Rechtscharakter umstritten11. Wenngleich hier das Kriterium des zielgerichteten Strebens 6 David, The International Unification of Private Law, International Encyclopedia of Comparative Law (1971) II/5 N 89. 7 Wie das Beispiel des französischen Code civil belegt, haben kriegerische Ereignisse wie Okkupationen und Eroberungen in der Vergangenheit wiederholt zur räumlichen Ausweitung der Geltung eines nationalen Rechts geführt. 8 Vgl schon Dölle, Gezielte und gewachsene Rechtsvereinheitlichung, ZfRV 1963, 133; Riese, Über die Methoden der internationalen Vereinheitlichung des Privatrechts, ZSR N.F. 86-I (1967) 1. 9 Die gültige Fassung dieser in englischer Sprache authentischen „International Rules for the Interpretation of Trade Terms“ ist seit 1.7.2000 relevant. Eine Neuverlautbarung ist für 2010 zu erwarten. 10 Kropholler, Internationales Einheitsrecht 119 ff. 11 Zu diesem vor allem im französischen Schrifttum intensiv diskutierten Begriff, grundlegend Goldman, Frontières du droit et lex mercatoria, Archive de philosophie du droit
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Entstehung von Einheitsprivatrecht
§ 17
nach Rechtsgleichheit auch erfüllt sein mag, darf doch nicht übersehen werden, dass das durch „Klauselrecht“ geschaffene Einheitsrecht nicht das Ergebnis des Zusammenwirkens staatlicher Instanzen ist und es ihm auch an der Geltung als innerstaatliches, objektives Recht fehlt. Denn weder ist es in den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes erhoben noch erreicht es die Qualität von (staatlichem) Gewohnheitsrecht. Ebenso stellt es regelmäßig auch kein Völkergewohnheitsrecht dar12. Immerhin kann man im Klauselrecht zumindest eine für den internationalen Rechtsverkehr unter Kaufleuten und Unternehmern „willkommene Ergänzung des sonstigen Einheitsrechts“13 sehen. Klauselrecht kann von den Parteien eines internationalen Unternehmensgeschäfts mittels materiellrechtlicher Rechtswahl zur Grundlage für die Entscheidung allfälliger Rechtsstreitigkeiten gemacht werden und auch im Rahmen von Schiedsverfahren praktische Bedeutung erlangen14. Insofern waren die vom Römischen Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, UNIDROIT, im Jahre 1994 in erster Auflage herausgegebenen Principles of International Commercial Contracts15, die als eine Art soft law die im Handelsverkehr etablierten Regeln kodifikationsähnlich und regelhaft zusammenfassten, durchaus erfolgreich.
C. Entstehung von Einheitsprivatrecht Zahlreiche Institutionen bemühen sich um Rechtsvereinheitlichung auf 17/7 dem Gebiet des Privatrechts: so insbesondere · die Kommission der Vereinten Nationen für das internationale Handelsrecht, UNCITRAL, mit Sitz in Wien16; · das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, UNIDROIT, mit Sitz in Rom17;
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(1964) 177; krit zB Lagarde, Approche critique de la lex mercatoria, in: Le droit de relations économiques internationales, Études offertes à Berthold Goldman (1982) 125; vgl auch Kassis, Théorie générale des usages du commerce (1984) insb 271 ff. Siehe etwa BGH NJW 1983, 1322 (1323) hinsichtlich von der IATA empfohlener AGB. Kropholler, Internationales Einheitsrecht 126. Die Verordnung Rom I stellt in ihrer Präambel, Erwägungsgrund 13 klar, dass diese Verordnung „die Parteien nicht daran [hindert], in ihrem Vertrag auf ein nichtstaatliches Regelwerk [. . .] Bezug zu nehmen.“ Aktuelle Fassung von 2004. Über Entstehung und Wirken von UNCITRAL, die 1966 über ungarische Initiative gegründet wurde und am 1.1.1968 zunächst noch in New York ihre Tätigkeit aufnahm und seit 1980 ihren Sitz in Wien hat, vgl UNCITRAL Homepage: http://www.uncitral.org/. UNIDROIT wurde über Initiative von Rabel vom Völkerbund in den späten zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts eingerichtet. Auf Vorarbeiten von UNIDROIT, das auch
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§ 17
Einführung: Wesen, Terminologie, Kategorien
· der Europarat mit Sitz in Straßburg18; · die Internationale Handelskammer, ICC, mit Sitz in Paris19; · die Internationale Kommission für das Zivilstandswesen, CIEC, mit Büro in Bern20; · die Internationale Arbeitsorganisation, ILO, mit Sitz in Genf21; und · die Europäische Union. Den Institutionen der Europäischen Union steht ein besonderes Instrumentarium für die Schaffung von Einheitsrecht zur Verfügung. Durch den Binnenmarkt besteht ein besonderer Bedarf an gemeinschaftsweit identischem oder doch angeglichenem Recht. Der faktische Zwang zur Rechtsgleichheit im allgemeinen Schuldrecht, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Verbraucherrecht und Wirtschaftsrecht schafft eine Sondersituation, auf die schon die Verfasser des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 Bedacht nahmen, als sie unter den Tätigkeitsbereichen der Gemeinschaft in Art 3 lit h) EWGV „die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist“, anführten. Von allem Anfang an war eine allgemeine Kompetenzgrundlage für die Rechtsangleichung unter der Voraussetzung ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Errichtung bzw das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vorgesehen22. Diese Generalkompetenz zur Rechtsangleichung ist seither durch die Einheitliche Europäische Akte, den Maastrichter Unionsvertrag und den Amsterdamer Vertrag um weitere allgemeine und spezielle Rechtsangleichungskompetenzen ergänzt worden. Das seinerzeit in Art 189 EWG festgelegte spezifisch gemeinschaftsrechtliche Instrumentarium für die Vereinheitlichung und Angleichung des Rechts blieb in Art 249 EG nach dem Amsterdamer Vertrag unverändert und wurde mit Wirksamwerden des Vertrags von Lissabon in der deutschen Fassung geringfügig modifiziert: An die Stelle der „Entscheidung“ ist im nunmehr relevanten Art 288 AEUV der „Beschluss“ treten.
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heute noch intensiv um die internationale Rechtsangleichung bemüht ist, geht insbesondere das vereinheitlichte Recht des Warenkaufs (CISG) zurück; vgl http://www.unidroit. org/. Näheres unter http://www.coe.int/. Dazu http://www.iccwbo.org/. Informationen über die CIEC: http://www.ciec1.org/. Homepage: http://www.ilo.org/global/lang–en/index.htm. Ex Art 94 EGV; nunmehr Art 115 AEUV.
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Kategorien
§ 17
Internationale Rechtsvereinheitlichung setzt regelmäßig die Erarbeitung 17/8 von allgemein akzeptablen Kompromissen voraus, wobei zunächst nationalstaatliche Widerstände überwunden werden müssen, was ohne ein konkretes Bedürfnis nach übereinstimmenden oder zumindest „konformen“ Regelungen nicht gelingen kann. Unumgänglich ist sodann die rechtsvergleichende Analyse der nationalen Rechte der Vereinheitlichungsstaaten: Im Einheitstext soll das in den Rechtsordnungen jeweils Gleiche auf den kleinsten erzielbaren gemeinsamen Nenner gebracht werden. Den bisher auf einheitsprivatrechtlichem Gebiet realisierten Übereinkommen gingen daher regelmäßig eingehende vergleichende Studien voraus23. Der erzielbare Kompromiss muss sich nicht notwendig auf die Vereinheitlichung von materiellem Recht erstrecken. Wie die Haager Übereinkommen illustrieren, vermag oft schon vereinheitlichtes Kollisionsrecht, das eindeutige und gleichartige Kriterien für die Anknüpfung von „Sachverhalten mit Auslandsberührung“ vorsieht, als „Vorstufe“ zur Sachrechtsvereinheitlichung dem Bedürfnis nach Rationalisierung und Vereinfachung des internationalen Rechtsverkehrs Genüge zu tun.
D. Kategorien 1. Interne – Internationale Vereinheitlichung Die interne Rechtsvereinheitlichung beschränkt sich auf das Gebiet eines 17/9 souveränen Staates. Historische Beispiele bilden die großen Kodifikationen des Bürgerlichen Rechts: So wurde etwa durch den Code civil erstmals ein einheitliches bürgerliches Recht in Frankreich geschaffen, durch das Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 die Rechtszersplitterung im deutschen Reich überwunden und durch ZGB und OR die kantonale Rechtsvielfalt in der Schweiz beseitigt. Noch heute bestehen aber innerhalb der Europäischen Union im United Kingdom mehrere Teilrechtsordnungen, die sich nicht nur in Marginalien vom englischen Recht unterscheiden, was insbesondere für das schottische Privatrecht gilt, und auch in Spanien ist nur das Eherecht landesweit vereinheitlicht24. 23 Bekanntestes Beispiel ist das zweibändige Werk von Rabel, Das Recht des Warenkaufs, das die Grundlage für die Vereinheitlichung des Rechts des internationalen Warenkaufs bildete. 24 Am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika lässt sich zeigen, dass interne Vereinheitlichung nach wie vor ein aktuelles Anliegen sein kann. Erfolgreich war dort insb die Vereinheitlichung des amerikanischen Handelsrechts durch den Uniform Commercial Code (UCC).
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Die Internationale Rechtsvereinheitlichung bemüht sich dagegen um die Vereinheitlichung von Teilbereichen der Rechtsordnungen einzelner souveräner Staaten mit Hilfe des vom Völkerrecht vorgegebenen Instrumentariums. In der Europäischen Union steht zudem das supranationale Instrumentarium des Art 288 AEUV zur Verfügung. Von der Sondersituation in der EG abgesehen, waren die Vereinheitlichungsbemühungen auf privatrechtlichem Gebiete bisher zumeist nur erfolgreich, wenn sie sich thematisch auf spezifische, oft eng begrenzte Fragestellungen und regional auf Staaten mit vergleichbaren sozio-ökonomischen Strukturen beschränkten.
2. Vereinheitlichung von Kollisionsrecht, internationalen Sachverhalten, Sachrecht 17/10 „Kollisionsrecht“, „Regeln über internationale Sachverhalte“ und „internes Sachrecht“ bilden drei unterschiedliche Vereinheitlichungsgegenstände: · Kollisionsrecht: Die unterschiedliche Ausgestaltung des Kollisionsrechts in mitunter nur rudimentären Kodifikationen bildet Hindernisse für den rechtlich und verkehrstechnisch wesentlich erleichterten grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehr. Seit 1893 bemühen sich die nunmehr im Vierjahresrhythmus abgehaltenen Haager IPR-Konferenzen um die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts unter Einschluss des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Zu den Themen, für die einheitliche Anknüpfungsnormen vorgeschlagen wurden, zählen zB Verjährung und Eigentumsübergang bei internationalen Warenkaufverträgen, Schadenersatz bei Verkehrsunfällen mit Auslandsberührung, Produkthaftung, diverse Aspekte des internationalen Erb- und Familienrechts. Der aktuelle Bestand umfasst 39 Haager Übereinkommen25. Allerdings wurden die meisten der in den Sessionen der Haager IPRKonferenz ausgearbeiteten Konventionen trotz ihrer a priori eingeschränkten Vereinheitlichungszielsetzung nur von wenigen Staaten übernommen. Sie blieben in ihrer Mehrheit bloße „Übereinkommensruinen“. · Internationale Sachverhalte: Auch hinsichtlich der „internationalen“ oder „grenzüberschreitenden Sachverhalte“ schreitet die Rechtsvereinheitlichung voran. Hier richten sich die nicht selten auf ad hoc einberufenen Konferenzen verfolgten Vereinheitlichungs- bzw Angleichungsbemühungen insbesondere auf das Transportrecht (zB betreffend den Lufttransport: Warschauer Abkommen (WA), Haager Protokoll, Zu25 Hinsichtlich der von Österreich ratifizierten Haager Übereinkommen, vgl Rz 3/4.
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Kategorien
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satzabkommen von Guadalajara26, nunmehr Montrealer Übereinkommen; betreffend den Eisenbahntransport: CIM27, CIV28 und COTIF29; betreffend den Gütertransport auf der Straße: CMR30); das Warenkaufrecht (vgl UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf, CISG31); das Immaterialgüterrecht (vgl das Welturheberrechts-Abkommen32, die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst33 und die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums34). Österreich hat zahlreiche Übereinkommen ratifiziert, die die Vereinheitlichung auf solche rechtliche Regeln beschränken, die internationale Sachverhalte betreffen; darunter das WA idF des Haager Protokolls und des Abkommens von Guadalajara35, das Montrealer Übereinkommen36, die CMR37, die Eisenbahntransportübereinkommen38 und das CISG39. Auch in der Einschränkung auf „internationale Sachverhalte“ kommen die Einheitsrechtstexte nur in Ausnahmefällen einer universellen Geltung nahe. · Nationales (internes) Sachrecht: Außerhalb der Europäischen Gemeinschaft erstreckt sich die Rechtsvereinheitlichung nur selten auf rein innerstaatliche Sachverhalte ohne Auslandsberührung. Beispiele sind etwa die (inhaltlich überholten) Genfer Wertpapierübereinkommen, die in Österreich im Wechsel- und Scheckgesetz Niederschlag gefunden haben40. Da sie das interne Sachrecht zum Gegenstand hat, geht es dieser Form der Rechtsvereinheitlichung um die gänzliche oder doch weitge26 Seit Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in Österreich nicht mehr aktuell. 27 Abkürzung für Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemin de fer vom 14.10.1890, mehrfach revidiert. 28 Abkürzung für Convention internationale concernant le transport des voyageurs et des bagages par chemin de fer vom 23.10.1924, mehrfach revidiert. 29 Abkürzung für Convention relative aux transports internationaux ferroviaires vom 9.5.1980; dazu de la Motte, TranspR 1985, 245. 30 Abkürzung für Convention relative au contrat de transport international des marchandises par route vom 19.5.1956, BGBl 1961/138. Gemäß § 439a HGB (nunmehr UGB) idF BGBl 1990/459, sind die Bestimmungen der CMR auch auf innerösterreichische Straßentransporte anzuwenden; dazu Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR (1992). 31 Auch im deutschsprachigen Schrifttum ist mittlerweile CISG die gebräuchlichste Abkürzung für Convention on Contracts for the International Sale of Goods. 32 Genfer Fassung, vgl BGBl 1957/108. 33 Stockholmer Fassung, vgl BGBl 1973/398. 34 Vgl BGBl 1973/399. 35 BGBl 1961/286, BGBl 1966/46, BGBl 1971/161. 36 BGBl III 2004/131. 37 BGBl 1961/138, BGBl 1981/192. 38 BGBl 1964/266 und 267 bzw BGBl 1985/225. 39 BGBl 1988/96; in Österreich in Kraft seit 1.1.1989. Dazu Rz 19/1–19/35. 40 BGBl 1955/49 idF BGBl 1991/10 und BGBl 1955/50 idF BGBl 2003/112.
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hende Beseitigung der Verschiedenheiten und der Vielfalt nationaler Rechtsordnungen41. Objekte der Vereinheitlichung (oder Angleichung) materiellen Rechts sind vor allem Teilbereiche von Rechtsgebieten, die nach kontinentaleuropäischem Verständnis dem Privatrecht im weiteren Sinn unter Einschluss des Unternehmens- und Wirtschaftsrechts zuzurechnen sind. Durch die Erfordernisse des Binnenmarktes und die Anerkennung flankierender Politiken – wie Umwelt- und Verbraucherpolitik – besitzt die Vereinheitlichung internen Sachrechts im Rahmen der EU bzw des EWR einen besonderen Stellenwert. 3. Vereinheitlichung und Angleichung 17/11 Rechtsvereinheitlichung im eigentlichen Sinn zielt auf ein wörtliches gleich werden der Rechtsordnungen der teilnehmenden Staaten ab, auf „echtes Einheitsrecht“ (loi uniforme, uniform law). Im EU-Recht ist das Instrument der Rechtsvereinheitlichung die Verordnung gemäß Art 288 Abs 2 AEUV, die „in allen ihren Teilen verbindlich“ ist und in jedem Mitgliedstaat unmittelbare Geltung hat. Rechtsangleichung beschränkt sich dagegen auf ein Harmonisierungsziel, auf eine Annäherung (approximation) der Rechtsordnungen. Angepasstes, nicht wörtlich gleich gewordenes Recht ist das Ziel, Ergebnis eine „loi conforme“. Das typische Instrument der Rechtsangleichung ist im Gemeinschaftsrecht die Richtlinie gemäß Art 288 Abs 3 AEUV: Sie ist „teilverbindlich“, muss in nationales Recht umgesetzt werden und bindet die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich des Regelungszieles, nicht jedoch hinsichtlich der einzusetzenden rechtstechnischen Mittel. 4. Universale – Regionale Vereinheitlichung 17/12 Universale Rechtsvereinheitlichung ist eher die Ausnahme und konnte bisher nur ganz selten erreicht werden: Das klassische und heute schon historische Beispiel ist das WA, das zumeist in der durch das Haager Protokoll revidierten Fassung von rund 150 Staaten ratifiziert bzw übernommen worden war42. Um eine globale Vereinheitlichung von Teilgebieten des 41 Vereinheitlichung internen Sachrechts macht daher in ihrem Wirkungsbereich eine international-privatrechtliche Prüfung des anwendbaren Rechts überflüssig, da das in Frage kommende Sachrecht in der potentiell maßgeblichen fremden Rechtsordnung und im inländischen Recht identische Regelungen aufweist. 42 Vor allem aufgrund seiner unzeitgemäß gewordenen Haftungshöchstbeträge war es jedoch schon länger vehementer Kritik ausgesetzt. So hob etwa 1985 das italienische Verfassungsgericht (Air Law 1985, 297) das Gesetz, welches es in die italienische Rechtsordnung transformierte, wegen Verletzung der verfassungsmäßig gewährleisteten Men-
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internationalen Unternehmens- bzw Handelsrechts bemüht sich auch UNCITRAL, deren bisher wichtigste Konvention, CISG, sich nur langsam einer globalen Akzeptanz nähert43. Konnte man bis 1990 primär in den großen ideologischen Divergenzen im Ost-Westverhältnis den Grund für die keineswegs beeindruckende Bilanz der universalen Rechtsvereinheitlichung erblicken, sind es heute das noch immer bestehende wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle und die (Re-)Islamisierung des Rechts, von der rund 1,2 Milliarden Menschen unterschiedlich stark betroffen ist, die nicht zu unterschätzende Störfaktoren in diesem Prozess bilden. Die Idee eines „Weltrechts“ ist – selbst wenn sie sich nur auf einige begrenzte Teilrechtsbereiche bezieht – auch heute noch bloße Utopie. Bemühungen um regionale Rechtsvereinheitlichung sind chancenreicher, wobei Europa die bedeutendste geografische Einheit darstellt, in der substanzielle Rechtsvereinheitlichung betrieben wird. Schon seit den fünfziger Jahren hat der Europarat rechtsvereinheitlichende bzw angleichende Aktivitäten entfaltet, in deren Rahmen zahlreiche „Europäische Konventionen“ ausgearbeitet wurden44, die allerdings größtenteils mangels Ratifikationen „Übereinkommensruinen“ geblieben sind45. Wo es – wie bei der Produkthaftung – zu konkurrierenden Projekten des Europarats und der EG kam, setzte sich das schneidigere Instrumentarium des Gemeinschaftsrechts durch. Die EU ist heute die wichtigste Institution, die europaweit vereinheitlichtes bzw angeglichenes Recht schafft, was weniger damit zu begründen ist, dass die faktischen Voraussetzungen wie das hohe Maß an wirtschaftlicher Verflochtenheit und die räumliche Enge der Staaten für den Erfolg rechtsvereinheitlichender bzw angleichender Aktivitäten hier besonders günstig sind. Vielmehr ist entscheidend, dass der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon einen stabi-
schenwürde auf. Die USA hielten sich schon seit längerem nicht mehr an das WA und verlangten von den Fluglinien eine wesentlich höhere Haftungsgarantie. In immer mehr Staaten ist seit 1999 das Montrealer Übereinkommen in Kraft getreten. 43 Am 1.7.2010 stand CISG in 74 Staaten in Geltung; vgl Anhang zu § 19. 44 Veröffentlicht in der European Treaty Series, die mehr als 200 Vereinheitlichungsprojekte erfasst; abrufbar unter: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ListeTraites.asp? CM=8&CL=ENG; allerdings betreffen nicht alle privatrechtliche Materien (zB Nr 91: Produkthaftung: 1977, gescheitert; Nr 150: Umwelthaftung: 1993, Ratifikationen ausständig). Besonders erfolgreich war der Europarat im Menschenrechtsschutz: Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950, zu der im Laufe der Zeit zahlreiche Zusatzprotokolle hinzukamen, ist heute von allen Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert, in Österreich durch BGBl 1958/210. 45 Beispiele für erfolgreiche Vereinheitlichung durch den Europarat stellen die Übereinkommen über die Kfz-Haftpflichtversicherung bzw über die Haftung der Herbergswirte dar.
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len supranationalen Rahmen für eine integrationspolitisch motivierte Rechtsangleichung bietet46.
E. Einheitsrecht als Sonderform gesatzten Rechts 17/13 In das österreichische Recht findet das Einheitsrecht, das von internationalen Organisationen wie UNCITRAL, Europarat, Haager IPR-Konferenzen in Form völkerrechtlicher Verträge ausgearbeitet wird, üblicherweise mit der Ratifikation durch den Nationalrat Eingang, wobei die allfällige Bindung an Gemeinschaftsrecht zu berücksichtigen ist. Dabei muss das Gesetzgebungsorgan den jeweiligen Regelungskomplex als vorgegeben akzeptieren und auf die vorgeblich höhere ratio der international akkordierten Vorlage vertrauen. Die alternativ mögliche Ablehnung kann unter Umständen einen in völkerrechtlicher Hinsicht „unfreundlichen Akt“ darstellen. Nur wenn in dem internationalen Instrument selbst Optionen vorgesehen werden, bleibt den nationalen Gesetzgebungsinstanzen ein „kanalisierter Rest“ von Gestaltungsmöglichkeit. Die begrenzte Möglichkeit zur Modifikation des Einheitstextes läuft dem „Souveränitätsdenken“ der Staaten zuwider und fordert den Widerstand der staatlichen Normsetzer heraus47, da die Gesetzgebungskompetenz nach tradiertem Verständnis zu den Wesensmerkmalen der staatlichen Souveränität zählt. Österreich hat allerdings seine Gesetzgebungskompetenz im marktnahen Privatrecht spätestens48 zum Stichtag 1.1.1995 weitgehend auf die hiefür zuständigen EU-Institutionen übertragen. Im supranationalen Rahmen kann in einigen Rechtsangleichungsbereichen mit Hilfe von Verordnungen auch unmittelbar wirksames Einheitsrecht geschaffen werden, doch bedarf das sekundäre Gemeinschaftsrecht immer dann, wenn europäische Rechtsangleichung mit der Hilfe von Richtlinien angestrebt wird, der „Umsetzung“ (implementation) durch den nationalen Gesetzgeber. Im 46 Durch das EWR-Abkommen und vertragliche Vereinbarungen mit den zentral- und osteuropäischen Reformstaaten (Polen, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, zuletzt auch Kroatien usw) wurde der europarechtliche acquis communautaire schon vor der Erweiterung 2004 über die EU hinaus ausgeweitet. Auch die Schweiz, deren Bevölkerung sich im Referendum vom 6.12.1992 von dieser Entwicklung ausgeschlossen hat, ist auf bilateralem Wege und „autonom“ um Rechtsanpassung bemüht. 47 Weitere Hindernisse kommen hinzu: zB die schon von David, International Unification N 57 ff, besonders gewichtete Neigung der Juristen zu „Routine“ und „Vorurteil“, die auch Zweigert ansprach, als er vor 60 Jahren von einem „Komplex aus der Studienzeit“ geschrieben hat: Zweigert, Die Rechtsvergleichung im Dienste der europäischen Rechtsvereinheitlichung, RabelsZ 16 (1951) 387 f. 48 Hinsichtlich der vom EWR-Übereinkommen erfassten Materie schon ein Jahr früher.
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Der Umgang mit Einheitsprivatrecht
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Recht der Europäischen Gemeinschaften eröffnet die „Richtlinie“ als das „spezifische Mittel der Rechtsangleichung“ den Mitgliedstaaten jenen Handlungsspielraum, der es ihnen erleichtert, sich der supranationalen Gesetzgebungsmacht zu unterwerfen, da ihnen die Wahl der rechtstechnischen Mittel, mit denen sie die Umsetzung bewerkstelligen, überlassen bleibt49.
F. Der Umgang mit Einheitsprivatrecht Um das Ziel der Rechtsvereinheitlichung bzw Rechtsangleichung, den 17/14 internationalen Entscheidungseinklang in der Anwendung des Einheitstextes, zu erreichen, ist es notwendig, dass die Auslegung des einheitsrechtlichen Textes überall nach den gleichen Regeln vorgenommen wird50. Deshalb enthalten internationale Übereinkommen wie das CISG in Art 7 spezifische Auslegungsregeln, die ihre einheitliche Anwendung sichern sollen. Es wäre unzulässig, die für das nationale Recht geltenden Auslegungsregeln – in Österreich: §§ 6, 7 ABGB – unreflektiert auf vereinheitlichtes bzw harmonisiertes Recht anzuwenden. Strittig ist aber, welche Auslegungsregeln mangels spezifischer Anordnung tatsächlich Anwendung finden sollten – entweder jene der Art 31 bis 33 der Wiener Vertragsrechtskonvention51, oder jene des Sachrechts, auf welches das nationale IPR verweist, oder gar durch Rechtsvergleichung gewonnene „autonome“ Regeln? Die optimale Vorgangsweise ist wohl eine übereinkommensautonome Auslegung, von der angenommen werden kann, dass auch ein ausländisches Gericht ihr folgen würde, was nur dann möglich ist, wenn stets der internationale Ursprung des auszulegenden Textes bedacht wird. Internationaler Entscheidungseinklang fordert auch, dass, wenn ein ausländisches Gericht, insbesondere eines mit hoher Reputation, die in concreto strittige Rechtsfrage bereits entschieden hat, dieser Entscheidung Beachtung geschenkt werde, sofern nicht sehr erhebliche Bedenken – etwa unter ordre public-Aspekten – gegen sie bestehen.
49 Setzt ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht fristgerecht um, kann die Kommission gegen ihn ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gem Art 258 AEUV einleiten und ein dadurch Geschädigter die Staatshaftung des säumigen Mitgliedstaates ansprechen. 50 Dazu Kramer, Uniforme Interpretation von Einheitsprivatrecht – mit besonderer Berücksichtigung von Art 7 UNKR, JBl 1996, 137. 51 Vienna Convention on the Law of Treaties vom 23.5.1969, BGBl 1980/40.
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17/15 Wegen der üblichen Mehrsprachigkeit von internationalen Übereinkommen ergeben sich besondere Probleme semantischer Natur, da bei Verwendung von zwei oder mehr offiziellen Übereinkommenssprachen die große Gefahr besteht, dass von allem Anfang an der Keim zu uneinheitlichen Rechtsprechungspraktiken gelegt wird. Bedenkt man, dass die im Rahmen der Vereinten Nationen und ihren Kommissionen ausgearbeiteten Übereinkommen in sechs Sprachen52 authentisch sind, leuchtet ein, dass bereits bei Formulierung der einzelnen authentischen Textfassungen peinlich genau darauf geachtet werden muss, dass die jeweils verwendeten Begriffe auch tatsächlich gleiche Inhalte haben. Daran ändert auch nichts, dass in der Praxis regelmäßig die Bezugnahme auf die englische Fassung im Vordergrund steht. Hier muss vor allem das Problem gemeistert werden, dass sich bestimmte Begriffe nicht wörtlich übersetzen lassen oder kein Äquivalent in anderen Rechtssprachen haben. Das Ausmaß der aus dem Mangel übernational einheitlich festgelegter Begriffsinhalte resultierenden Gefährdung der angestrebten Rechtsgleichheit darf keineswegs unterschätzt werden53. Allerdings könnte der Gefahr divergenter Sprachfassungen dadurch entgegen gesteuert werden, dass man sich über eindeutig definierte, „von ihren nationalen Wurzeln losgelöste und nur von ihrem übernationalen Zweck bestimmte Begriffe“54 oder gar über ein „gemeinsames Vorverständnis und gemeinsame Denktraditionen“55 einigte. Besondere Probleme stellen sich bei den Verordnungen und Richtlinien der europäischen Rechtssetzungsorgane, die in dreiundzwanzig Sprachen authentisch sind56. Hier kommt es insbesondere bei Verordnungen darauf an, dass alle Sprachfassungen sorgfältig erstellt und inhaltliche Divergenzen a priori vermieden werden, allerdings kann der EuGH gegebenenfalls für eine einheitliche Auslegung sorgen. 17/16 Dem Bedürfnis nach einheitlich umschriebenen Begriffen wird keineswegs immer durch die Aufnahme von Legaldefinitionen in einzelne Konventionstexte entsprochen. Wo dies geschieht, wird die Auslegung durch die Klarstellung, welche spezifische Bedeutung gewissen jeweils zentralen
52 Arabisch, chinesisch, englisch, französisch, russisch, spanisch. 53 Die angestrebte Vereinheitlichung kann auch durch fehlerhafte Übersetzung aus einer authentischen in eine andere Sprache beeinträchtigt werden, da Richter in der Regel nur mit der in ihrem Land in Kraft gesetzten eigensprachlichen Fassung arbeiten. 54 Vgl Dölle, Zur Problematik mehrsprachiger Gesetzes- und Vertragstexte, RabelsZ 26 (1961) 4 (31). 55 Kötz, Gemeineuropäisches Zivilrecht, in Zweigert-FS (1981) 481 (491). 56 Deshalb ist die EU die global größte Arbeitgeberin für Übersetzer und Dolmetscher.
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Der Umgang mit Einheitsprivatrecht
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Rechtsbegriffen „for the purposes of this convention“57 zukommt, erleichtert. Wenig Erfolg war dagegen den Bemühungen des Europarats um die Schaffung eines international einheitlichen Begriffsapparats beschieden. Die Resonanz auf die Entschließung (72) 1 des Ministerkomitees über die Vereinheitlichung des Domizilbegriffs58, in der die Bedeutung der Begriffe „Wohnsitz“ und „Aufenthalt“ recht kompliziert nach Regeln und Motivenberichten gegliedert festgelegt wurden, hielt sich ebenso in Grenzen wie die Wahrnehmung der zweiten derartigen Entschließung (75) 7 zur Vereinheitlichung des Rechts des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung, die in neunzehn Grundsätzen festschreibt und in einem ausführlichen „Explanatory Memorandum“ erläutert, wie der Ersatz bei diesen Schadenstypen beschaffen sein soll59. Die an diese Entschließungen60 geknüpfte, an die Mitgliedstaaten des Europarats gerichtete Empfehlung, sich bei der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften auf den jeweils angesprochenen Gebieten an den erarbeiteten „Regeln“ bzw „Grundsätzen“ zu orientieren und für ihre innerstaatliche Bekanntmachung zu sorgen, blieb ohne erkennbare Konsequenzen, ihr Wert umstritten. Pragmatiker, die eine Vereinheitlichung bestimmter Rechtsbereiche von einem konkreten Bedürfnis nach Rechtsgleichheit abhängig machen und nur im Erscheinungsbild verbindlicher Normen akzeptieren, halten sie für überflüssig. Wem jedoch die Rückkehr zu einem Gemeineuropäischen Zivilrecht erstrebenswert scheint, muss sie vorbehaltslos begrüßen, doch hat der Europarat seine Bemühungen auf diesem Gebiet nicht mehr weiter verfolgt. Wenn, wie in dem auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden Einheits- 17/17 privatrecht, die Rechtsanwendung nationalen Gerichten überantwortet ist und kein zentrales Höchstgericht mit Auslegungsmonopol existiert, kommt es ganz wesentlich darauf an, dass möglichst umfassende Informa57 Vgl Art 1 des Anhangs zum Europäischen Übereinkommen über die Pflichthaftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge; sowie Art 2 des Europäischen Übereinkommens über die Produkthaftung. 58 Deutsche Übersetzung bei Loewe, Die Empfehlungen des Europarats zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe „Wohnsitz“ und „Aufenthalt“, ÖJZ 1974, 144 (146). 59 Deutsche Übersetzung bei Wiesbauer, Die Empfehlungen des Europarats zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung, RZ 1977, 4. 60 Während es sich bei diesen Entschließungen immerhin um unverbindliche Empfehlungen handelt, ist der Bericht über „Certain Aspects of Civil Liability“ lediglich eine Unterrichtung über weitere Arbeitsergebnisse des Subkomitees für fundamentale Rechtsbegriffe des Europarates. Die dort vorgeschlagenen Definitionen von „Vertragshaftung“, „Deliktshaftung“, „Verschuldensabstufungen“ und „Entlastungsgründe von der Haftung“ verstehen sich als Auslegungshilfsmittel bei der Anwendung internationalen Einheitsrechts.
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tionssysteme über die nationalen Rechtsprechungspraktiken existieren. Die Richter können sich dann danach orientieren, wie die Höchst- und Obergerichte anderer Vertragsstaaten und international zusammengesetzte Schiedsgerichte eine nicht eindeutige Bestimmung des konkreten Einheitstextes auslegen. Die entwickelte Informationstechnologie und das Internet machen es möglich, dass Online-Datenbanken eingerichtet werden, die einschlägige Informationen zu Verfügung stellen. Ein prägnantes Beispiel bietet hier die UN-Convention on Contracts for the International Sale of Goods – CISG61, zu der mehrere Datenbanken eingerichtet wurden62. Unter diesen sind die an der Universität Basel betriebene Datenbank „CISG-online.ch, Cases, Materials, Legal Texts“63 und die mit ihr durch einen link verknüpfte „Pace Law School CISG Database“64 besonders bedienungsfreundlich.
61 Näheres zu diesem Übereinkommen in § 19. 62 Vgl Posch in Schwimann, ABGB3 IV (2006) UN-Kaufrecht – Einleitung, Rz 27. 63 http://www.cisg-online.ch. In ihr sind zum Stichtag 1.7.2010 mehr als 2000 Entscheidungen und Schiedssprüche gespeichert, davon mehr als 100 von österreichischen Gerichten. 64 http://www.cisg.law.pace.edu/.
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§ 18. Europäische Privatrechtsangleichung A. Stellenwert und Entwicklung Die integrative Funktion der Rechtsangleichung wurde schon von den 18/1 Vätern der Römischen Gründungsverträge erkannt und in Art 3 Abs 1 lit h) des ursprünglichen EWG-Vertrages ein entsprechender Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft vorgesehen. Durch Rechtsangleichung sollte die „Beseitigung von Divergenzen der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes behindern“, bewirkt werden, doch geht das Rechtsangleichungsanliegen heute in mehrfacher Hinsicht über diese „Binnenmarktorientierung“ hinaus. Längst hat die Harmonisierung der nationalen Rechtsgrundlagen in den verschiedenen Bereichen des von der Gemeinschaft erfassten marktnahen Rechts zu einem „Europäischen Rechtsraum“ geführt, in dem das Sekundärrecht das Primärrecht in vielfältiger Weise ergänzt, das seinerseits im Wege über die Auslegungspraxis des EuGH zu den Grundfreiheiten und zum Wettbewerbsrecht beträchtliche Auswirkungen auf die Praxis der nationalen Zivilgerichte hat. In dem fundamentalen Wandel von einer durch den Gemeinsamen Markt bestimmten „Wirtschaftsgemeinschaft“ zu einer auf vielen Politikbereichen tätigen Union haben der Maastrichter Unionsvertrag1 und vor allem der Vertrag von Amsterdam2 der Rechtsangleichung eine zentrale Rolle zugewiesen. Zu Recht gilt sie daher auch noch nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon als ein Integrationsfaktor ersten Ranges und als ein überaus wichtiges Mittel zur Verwirklichung des Binnenmarktes. Neben der bisher eher punktuellen „Europäisierung immer neuer Rechtsbereiche“ ist im Gefolge der Entschließungen des Europäischen 1 ABlEG C 224 vom 31.8.1992, 1. 2 ABlEG C 340 vom 10.11.1997, 1. Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nach dem Vertrag von Nizza/Nice): ABlEU C 321 vom 29.12.2006, E/1.
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Europäische Privatrechtsangleichung
Rates an der am 15./16.10.1999 in Tampere abgehaltenen Tagung über die Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der EU eine Diskussion über die Ausarbeitung eines europäischen Zivilgesetzbuches in Gang gekommen, die sich nicht mehr nur auf die Frage der Vereinheitlichung des Vertragsrechts3 beschränkt, obwohl die Entwicklung eines „kohärenteren europäischen Vertragsrechts“ seit der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht“ vom 11.7.20014 im Vordergrund stand und zuletzt in den Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens mündete5, der nunmehr auch die gesetzlichen Schuldverhältnisse einbezieht6. Die Ergebnisse der Arbeiten der multinationalen Study Group on a European Civil Code an den Principles of European Law (PEL) werden nach und nach publiziert7. Ihre Auswirkungen auf das Projekt eines künftigen europäischen Zivilgesetzbuchs, das insbesondere von niederländischen Autoren schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entworfen wurde8, sind gegenwärtig nicht abschätzbar9.
B. Instrumentarium 18/2 Das Instrumentarium der EG-Rechtsangleichung unterscheidet sich wegen seiner verbindlichen supranationalen Qualität ganz wesentlich von jenem der traditionellen Vereinheitlichung, die auf völkerrechtliche Verträge 3 Dazu einlässlich Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der Europäischen Union (2002). Ferner: 4. Europäischer Juristentag – Sammelband (Wien, 2008) Beiträge von Weatherill, Smits, Vékás, Bonell, Wilhelmsson, Fauvarque-Cosson, Lurger und Zimmermann. 4 KOM(2001) 398 endg, ABlEG C 255 vom 13.9.2001, 1; vgl auch „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat. Ein kohärenteres Europäisches Vertragsrecht. Ein Aktionsplan“ vom 12.2.2003, KOM(2003) endg; ABlEG C 63 vom 15.3.2003, 1; dazu Posch, Auf dem Weg zu einem europäischen Vertragsrecht? wbl 2003, 197. 5 von Bar/Clive/Schulte-Nöke et al (eds)., Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference (DCFR) Interim Outline Edition (2009); Full Edition (6 Bde – 2009). 6 Dazu: Schulze (ed), Common Frame of Reference and Existing EC Contract Law (2008). 7 PEL – Benevolent Intervention in Another’s Affairs (2006); PEL – Commercial Agency, Franchise and Distribution Contracts (2006); PEL – Personal Security (2007); PEL – Service Contracts (2007). 8 Vgl Hartkamp/Hesselink/Hondius/Joustra/du Perron/Veldman (eds), Towards a European Civil Code, Third Fully Revised and Expanded Edition (2004). 9 Zur Position der Kommission zum Stichtag 1.7.2010, vgl ihr Grünbuch „Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen“, KOM(2010) 348 endg vom 1.7.2010.
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Instrumentarium
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angewiesen ist. Von zentraler Bedeutung als Quellen des sogenannten sekundären Gemeinschaftsrechts sind insbesondere die Verordnung und die Richtlinie sowie der Beschluss gemäß Art 288 AEUV10. Der Rat hat zunächst allein, später im Zusammenwirken mit der Kommission und dem Europäischen Parlament schon mehrere tausend Richtlinien und Verordnungen11 sowie zahlreiche unverbindliche Empfehlungen, die jeweils auf Initiativen der Kommission zurückgingen, erlassen. Die Verordnung ist gemäß Art 288 AEUV als generelle und abstrakte Regelung „in allen ihren Teilen verbindlich“ und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, ohne dass die Gesetzgebungsorgane der Mitgliedstaaten tätig werden müssten. Sie bewirkt somit Rechtsvereinheitlichung im engeren Sinn. Während die Verordnung vor dem Wirksamwerden der Einheitlichen Europäischen Akte am 1.7.1987 ausnahmsweise und nur dort, wo dies vorgesehen war, wie zB auf Grund von ex-Art 40 EGV12 zur Sicherstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder zur Durchsetzung der kartellrechtlichen Vorschriften der ex-Art 81 und 82 EGV13 oder allenfalls auf der Grundlage von ex-Art 308 EGV14 zur Verfügung stand, war es seit dem Amsterdamer Vertrag leichter möglich, gestützt auf ex-Art 95 EGV15 eine unmittelbar geltende einheitliche Regelung zu treffen, wodurch die „territoriale Abschirmungswirkung der nationalen Rechtsordnungen“ (Pipkorn) überwunden werden konnte. Auf der Grundlage von ex-Art 308 EGV sind zB die „EWIV-Verordnung“16, die den Grundsatz der unmittelbaren Geltung von Verordnungen relativierte, indem sie nationale Ausführungsgesetze vorsah17 und die „Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)“18 erlassen worden. Die Richtlinie ist die zweite „generell-abstrakte“ Rechtssatzform, mit der in der Gemeinschaft Recht angeglichen wird. Unterschieden werden Grundrichtlinien, die eine Materie erstmals regeln, und Änderungsrichtli10 Vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hieß diese Rechtssatzform gem ex-Art 249 EGV „Entscheidung“. Eine typische Erscheinungsform waren die Aussprüche der Kommission in Kartellrechtssachen. 11 Die große Masse der Verordnungen dient allerdings nicht einem Anliegen der Rechtsvereinheitlichung und betrifft oft recht banale Materien. 12 Nunmehr Art 46 AEUV. 13 Nunmehr Art 101, 102 AEUV. 14 Nunmehr Art 352 AEUV. 15 Nunmehr Art 114 AEUV. 16 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABlEG L 1991 vom 31.7.1985, 1. 17 Vgl EWIV-Ausführungsgesetz, BGBl 1995/521. 18 Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABlEG L 294 vom 10.11.2001, 1.
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nien, die eine schon einmal durch eine Richtlinie geregelte Materie modifizieren. Die Richtlinie ist gem Art 288 Abs 3 AEUV „teilverbindlich“: Denn nur hinsichtlich des zu verwirklichenden Zieles bindet sie die nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten, denen bei der „Umsetzung“ bzw „Implementierung“, für die jeweils eine Befristung vorgesehen wird, die autonome Entscheidung über das jeweils einzusetzende legislatorische Instrumentarium und den definitiven Wortlaut vorbehalten bleibt. Auf diese Weise kann auf die jeweiligen Besonderheiten des nationalen Rechts angemessen Rücksicht genommen werden. Die Richtlinie schafft daher grundsätzlich kein einheitliches, unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, sondern verpflichtet lediglich die Mitgliedstaaten, ihr Recht entsprechend zu ändern. In einer langen Kette von Urteilen erkennt der Europäische Gerichtshof jedoch seit den frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts19 das Recht einzelner Bürger an, sich „in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht-richtlinienkonformen Vorschriften“ zu berufen und so Rechte gegenüber dem Staat geltend zu machen (Prinzip der vertikalen Direktwirkung). Das umgesetzte Richtlinienrecht ist nationales Recht. Es ist von den nationalen Gerichten nach den Grundsätzen der Richtlinienkonformität auszulegen20. Nach der Judikatur des EuGH haben die nationalen Gerichte bei der Anwendung „der Vorschriften eines speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen. . ., um das in Art. 189 Abs. 3 EWGV21 genannte Ziel (nämlich eine angeglichene Rechtslage herbeizuführen) zu erreichen“22. Ja selbst dann, wenn es sich bei den, der Richtlinie inhaltlich entsprechenden, nationalen Vorschriften um solche handelt, die bereits vor der Richtlinie erlassen worden sind, gilt das früher insbesondere aus ex-Art 10 EGV23 abgeleitete Gebot der richtlinien19 Seit EuGH Rs 9/70 – Grad, Slg 1970, 825; EuGH Rs 33/70 – SACE, Slg 1970, 1213; vgl insb auch EuGH Rs 8/81 – Becker, Slg 1982, 53; EuGH Rs 152/84 – Marshall I, Slg 1986, 723. 20 Aus dem einschlägigen österr Schrifttum vgl insbesondere Rüffler, Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, ÖJZ 1997, 121, sowie B. Jud, Die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation, ÖJZ 2003, 521. 21 Später Art 249 EGV, nunmehr Art 288 AEUV. 22 Bahnbrechend: EuGH Rs 14/83 – von Colson und Kamann, Slg 1984, 1891; EuGH Rs 79/83 – Harz, Slg 1984, 1921. 23 Diese Bestimmung legte die allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit fest (Grundsatz der Gemeinschaftstreue). Ihr entspricht heute im Wesentlichen Art 4 EUV.
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Grenzen der Europäischen Rechtsangleichung
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konformen Interpretation24. Der EuGH kompensiert so die fehlende „horizontale Direktwirkung“ von Richtlinien25. Wenn eine Richtlinie nur Mindestanforderungen für die Rechtsangleichung aufstellt, so dass weitergehende Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten möglich sind, wird sie als „Mindestrichtlinie“ bezeichnet und kann nur eine „Minimalangleichung“ herbeiführen. So ist etwa hinsichtlich jener „flankierenden Politiken“, deren Realisierung das Privatrecht tangiert, wie insbesondere hinsichtlich der Verbraucher- und Umweltpolitik, vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten strengere Maßnahmen beibehalten oder ergreifen dürfen26. Der Beschluss ist gemäß Art 288 AEUV die für ihre jeweiligen Adressaten – Mitgliedstaaten, natürliche oder juristische Personen – voll verbindliche, individuell-konkrete Rechtssatzform des Gemeinschaftsrechts27. In Art 288 AEUV werden auch noch die unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen angeführt28.
C. Grenzen der Europäischen Rechtsangleichung Die Angleichung der nationalen Rechtsordnungen stellt hohe Anforderun- 18/3 gen an die Organe der Gemeinschaft. Ein „Allgemeines Programm“, wie in anderen Tätigkeitsbereichen der Europäischen Gemeinschaft, kann es auf dem Gebiet der Rechtsangleichung wegen der Vielfalt ihrer Gegenstände nicht geben. Vielmehr muss für jeden Teilbereich in einem oft langwierigen und mühseligen Verfahren ein angemessener Kompromiss gefunden werden, der oft nicht befriedigt. Dies bereitete insbesondere vor dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte Probleme, da der damalige Art 100 EWGV29 als die bis dahin zentrale Grundlage der Rechtsangleichung Einstimmigkeit im Rat erforderte. So vergingen etwa nahezu zehn Jahre zwischen der Vorlage des ersten Vorschlags einer Richtlinie über die Produkthaftung und der Verabschiedung der endgültigen Fassung durch den Rat, die in zentralen Bestimmungen wie der Festlegung des Fehlerbe24 Vgl EuGH Rs C-106/89 – Marleasing, Slg 1990 I-4135. 25 Vgl dazu EuGH Rs C-91/92 – Faccini Dori, Slg 1994 I-3325. Diese Judikatur nähert sich im Ergebnis einer Direktwirkung von nicht oder falsch umgesetzten „horizontalen“ Richtlinien, die das Verhältnis von Bürgern und Unternehmern untereinander betrifft. 26 Vgl Art 169 Abs 4 und 193 AEUV. 27 Für die Rechtsangleichung kommt dem „Beschluss“ keine große Bedeutung zu. 28 Der Vertrag von Lissabon stellt diese Rechtsatzformen unter die Überschrift „Die Rechtsakte der Union“ und legt in den neuen Art 289–292 auch nähere Bestimmungen über das „ordentliche Gesetzgebungsverfahren“ und die Pflichten der Mitgliedstaaten „zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union“ fest. 29 Nunmehr Art 115 AEUV (ex-Art 94 EGV9).
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griffs vage blieb und den Mitgliedstaaten in heiklen Punkten Optionen einräumte. Der durch ex-Art 95 EGV ermöglichte Übergang zum Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit im Rat in den meisten Rechtsangleichungsbereichen sowie die verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments in das Gesetzgebungsverfahren hat in vielen Fällen zu einer Beschleunigung des Verfahrens geführt. Die Ansätze für eine „Rechtsunion“ oder einen „europäischen Rechtsraum“ sind vom Vertrag von Amsterdam verstärkt worden, in dem ein neuer Titels IV über „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr“ in den Dritten Teil des EG-Vertrages aufgenommen wurde. Die damals neuen Art 61 ff EGV30 schufen neue Zuständigkeiten für die Rechtssetzung und soweit es für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, können „Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen“ erlassen werden. Unabhängig von den einschlägigen Reformen im primären Gemeinschaftsrecht geht die Entwicklung in der EU – und abgeschwächt auch im EWR – trotz der erheblichen Unterschiede der mitgliedstaatlichen Privatrechte in die Richtung eines gemeinsamen europäischen Rechtsbewusstseins, das die Voraussetzung für ein wohl erst in fernerer Zukunft realisierbares „droit commun européen“ in Gestalt einer Europäischen Zivilrechtskodifikation bildet. 18/4 Wichtige wirtschaftsnahe Rechtsgebiete sind heute gemeinschaftsweit sowie durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)31 über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus angeglichen, freilich mitunter in wenig systematischer Weise und allzu punktuell. Von der Angleichung der Rechte der Mitgliedstaaten zur Sicherstellung des Funktionierens des gemeinsamen Marktes32 sind im Querschnitt nahezu alle Rechtsgebiete betroffen33. Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsangleichung in der Europäischen Union kein Wert an sich ist, sondern immer schon eine dienende und integrationsbezogene Funktion gegenüber den materiellen Vertragszielen hatte, die insbesondere auf die Verwirklichung der Grundfreiheiten – der Freiheit des Warenverkehrs, des Personenverkehrs, des Kapital- und Zahlungsverkehrs und des Dienstleistungsverkehrs – durch Schaffung eines „Raums ohne Binnengrenzen“34 gerichtet sind. 30 Nunmehr Art 67 ff AEUV. 31 Das am 2.5.1992 in Porto unterzeichnete und durch das am 17.3.1993 signierte Protokoll modifizierte EWR-Abkommen ist in BGBl 1993/909 und 1993/910 veröffentlicht. 32 Ex-Art 3 lit h) EGV; heute ist die Rechtsangleichungskompetenz quasi nach Materien aufgegliedert in Art 3–6 AEUV angeführt. 33 Ausgenommen ist etwa das materielle Erb- und Familienrecht. 34 Vgl Art 14 EG.
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Kompetenztatbestände für die Europäische Rechtsangleichung im Überblick
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Die europäische Rechtsangleichung kann sich auf eine Reihe von Kompetenzgrundlagen unterschiedlicher Tragweite und Wirkung stützen, die durch die Einheitlichen Europäischen Akte und die Verträge von Maastricht und Amsterdam weiter ausgebaut wurden.
D. Kompetenztatbestände für die Europäische Rechtsangleichung im Überblick Dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung folgend, finden 18/5 sich heute im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union zahlreiche Bestimmungen, die als Kompetenzgrundlagen für Maßnahmen zur Angleichung von Privatrechtsmaterien dienen können, so: · Art 114–118 AEUV: Diese Bestimmungen bilden als Generalklauseln eine allgemeine Grundlage für die Rechtsangleichung zum Zweck der Errichtung und zur Sicherung des Funktionierens des Binnenmarktes. · Spezialbestimmungen wie Art 50 Abs 2 lit g) AEUV: betreffend die Koordinierung der Schutzvorschriften zugunsten von Gesellschaftern; Art 52 Abs 2 AEUV: Vorschriften betreffend die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit; Art 53 Abs 1 EG: über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und Zeugnissen; Art 81 AEUV: über die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen; Art 113 AEUV: betreffend ie Harmonisierung indirekter Steuern uam35. · Politikbezogene Ermächtigungen zur Angleichung wie Art 40 Abs 1 und Art 43 Abs 2 AEUV: Agrarpolitik; Art 91 Abs 1 EG: Verkehrspolitik; Art 207 AEUV: Handelspolitik; Art 151 AEUV: Sozialpolitik; Art 169 AEUV: Verbraucherpolitik; sowie Art 192 AEUV: Umweltpolitik36 uam. · Art 352 AEUV: Diese Vorschrift ermöglicht als Lückenfüllungsnorm iVm mit Art 288 AEUV Rechtsangleichung mit Hilfe von Richtlinien und Vereinheitlichung durch Verordnungen.
35 Hierher gehörte der in der Aufbauphase der Gemeinschaft wichtige Art 27 EWGV betreffend die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet des Zollrechts, der bereits durch den Amsterdamer Vertrag ersatzlos gestrichen wurde. 36 Auf ex-Art 175 Abs 1 EGV gründete sich die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABlEU L 143 vom 30.4.2004, 56.
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Europäische Privatrechtsangleichung
E. Europäische Rechtsangleichung durch Richterrecht 18/6 Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist auch die richterrechtliche Rechtsangleichung, da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs schon immer nicht selten über die im EWG-bzw EG-Vertrag vorgesehenen Instrumente der Rechtsangleichung hinaus zu einer fallbezogenen „richterrechtlichen Rechtsangleichung“ führte und so einen äußerst bedeutsamen Harmonisierungseffekt hatte. Dieser kam nicht nur bei der Auslegung von Richtlinien zur Rechtsangleichung, sondern auch bei Auslegung von den in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts, wie zB Art 18 AEUV, der jede Diskriminierung von Unionsbürgern „aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ untersagt, zum Tragen37, und zwar mit Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts, so dass entgegenstehendes nationales Recht danach nicht mehr anzuwenden war.
F. Zentrale Bereiche der europäischen Privatrechtsangleichung im Überblick 18/7 Die für die Rechtsangleichung in der Gemeinschaft in Frage kommenden Rechtsgebiete sind in stetiger Ausweitung begriffen. Bezogen sich die rechtsangleichenden Bemühungen zunächst auf das Zoll-, Wirtschaftsund Steuerrecht, deren einheitliche Regelung im Interesse des freien Warenverkehrs unumgänglich war38 und wurde die Rechtsangleichung anfangs vor allem dafür eingesetzt, den Abbau der sogenannten „technischen Handelshemmnisse“ zu forcieren, hat heute die Harmonisierung des materiellen marktnahen Privatrechts besondere Bedeutung erlangt. Wichtige Angleichungsaktivitäten richten sich hier auf das Gesellschafts- und Unternehmensrecht, weil die hinsichtlich der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit den natürlichen Personen gleichgestellten Gesellschaften vor rechtlichen und tatsächlichen Beschränkungen dieser Freiheiten bewahrt werden müssen39. Gestützt auf ex-Art 44 Abs 2 37 Die große Bedeutung, die der Gerichtspraxis des EuGH für die Ausformung eines einheitlichen „Rechtsbesitzstandes“ zukommt, ist schon durch Art 6 EWR-Abkommen klargestellt worden, der bestimmt, dass die Auslegung der vom EWR-Abkommen erfassten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen durch den EuGH Teil des „acquis communautaire“ ist. 38 Rechtsangleichende Bemühungen richteten sich in diesem Zusammenhang auch auf den Abbau von Ausnahmeklauseln gem ex-Art 30 EG (heute Art 36 AEUV). 39 Vgl Art 54, 62 AEUV.
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Zentrale Bereiche der europäischen Privatrechtsangleichung im Überblick
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lit g) iVm Art 94 EGV40 hatte die Kommission daher schon relativ früh dem Rat mehrere gesellschaftsrechtliche Richtlinienvorschläge unterbreitet, von denen mehrere verwirklicht wurden41, und der Rat hat mit der EWIV und der SE neue europäische Gesellschaftsformen geschaffen42. Das Immaterialgüterrecht bildet einen weiteren wichtigen Bereich der europäischen Privatrechtsangleichung, sodass sich vor dem Hintergrund der sonst auf diesem Gebiet verwirklichten internationalen Einheitsrechte eine unübersichtliche Situation ergeben hat. Da Immaterialgüterrechte mit ihren Territorialitäts- und sonstigen Schutzwirkungen ein gravierendes Hindernis für den freien Warenverkehr darstellen, muss ihre Vereinheitlichung ein Anliegen der Brüsseler Rechtsetzungsorgane sein. Vor allem die Ausgestaltung des Patentrechts ist von hoher wirtschaftlicher Relevanz. Da es sich hier um Auswirkungen des Eigentumsrechts handelt und gemäß Art 345 AEUV die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten vom EGVertrag unberührt bleibt, konnte bisher eine Angleichung nicht mit dem Instrumentarium des Art 288 AEUV erfolgen, sondern musste auf das Vehikel des völkerrechtlichen Übereinkommens rekurriert werden43. Während das Übereinkommen über das Europäische Patent für den Gemeinsamen Markt erfolglos blieb, darf eine langjährige Bemühung um ein gemeinsames Recht der Erfindungspatente in der Gemeinschaft44 auf einen positiven Abschluss hoffen. Im Markenrecht hat der Rat am 21.12.1988 im Bemühen um die Schaffung eines autonomen europäischen Markenrechts und Einführung einer „Gemeinschaftsmarke“ eine Erste Richtlinie (89/104/EWG) zur Anglei40 Heute Art 50 bzw 115 AEUV. 41 Vgl die frühen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien: Die erste (68/151/EWG) betreffend Publizität vom 9.3.1968, ABlEG L 65 vom 14.3.1968, 8; die zweite (77/91/EWG) betreffend Gründung vom 13.12.1976, ABlEG L 26 vom 31.1.1977, 1; die dritte (78/855/ EWG) betreffend Verschmelzung vom 9.10.1978, ABlEG L 295 vom 20.10.1978, 36; die vierte (78/660/EWG) betreffend Bilanz vom 25.7.1978, ABlEG L 222 vom 14.8.1978, 11 (mehrfach geändert, zB durch die 7. gesellschaftsrechtliche Richtlinie (83/349/EWG) betreffend Konzernbilanz vom 13.6.1983, ABlEG L 193 vom 18.7.1983, 1); zuletzt: Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABlEU 310 vom 25.11.2005, 1. 42 Vgl Rz 18/2, FN 9, 11. 43 Das (Münchener) Europäische Patentübereinkommen – EPÜ vom 5.10.1973, BGBl 1979/350, ist kein EU-Rechtsakt. 44 Sie wurde mit dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent, KOM(2000) 412 endg, ABlEG C 337 vom 28.11.2000, E/278, eingeleitet, nahm seither eine wechselvolle Entwicklung, deren letzte Stufe sich in den Erwägungen des Rates vom 4.12.2009 manifestiert, wonach das Projekt voranzutreiben und der Begriff „Gemeinschaftspatent“ terminologisch durch „Unionspatent“ zu ersetzen sei.
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chung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken verabschiedet45. Es folgte die Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke46. Nach Anmeldung einer solchen bei dem 1995 eröffneten Markenamt der EU in Alicante47 besteht ein Schutzrecht für die gesamte Gemeinschaft. Weitere Verordnungen auf dem Gebiet des Markenwesens wurden 2006 für Agrarprodukte und Lebensmittel erlassen48. Letzter Rechtsakt auf diesem Gebiet ist die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung)49. Mit der „Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22.12.1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr“50 wurde der EU-weite Kampf gegen die Produktpiraterie eröffnet. Auch im Bereich des Urheberrechts sind mehrere Richtlinien verabschiedet worden51. Darauf, dass die Notwendigkeit von europaweit angeglichenen Regeln auch für das Kollisionsrecht erkannt wurde und ihr im Bereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts zunächst mit dem EuGVÜ und dann – nach den durch den Vertrag von Amsterdam eröffneten Möglichkeiten suprana45 46 47 48
ABlEG L 40 vom 11.2.1989, 1. ABlEG L 11 vom 14.1.1994, 1. Eigentlich: „Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt“. Verordnung (EG) Nr. 509/2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, ABlEU L 93 vom 31.3.2006, 1; Verordnung (EG) 510/ 2006 des Rates vom 20.3.2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABlEU L 93 vom 31.3.2006, 12; dazu auch Rz 13/9. 49 ABlEU L 299 vom 8.11.2008, 25. Die frühere RL 89/104/EWG wurde aus Transparenzgründen nach einigen Änderungen neu kodifiziert. 50 ABlEG L 341 vom 30.12.1994, 8. 51 Richtlinie 91/250/EWG des Rates über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABlEG L 122 vom 17.5.1991, 42; Richtlinie 92/100/EWG des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht, ABlEG L 346 vom 27.11.1992, 61; Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABlEG L 248 vom 6.10.1993, 15; Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, ABlEG L 290 vom 24.11.1993, 9; Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABlEG L 77 vom 27.3.1996, 20; Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABlEG L 167 vom 22.6.2001, 10; Richtlinie 2004/ 48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABlEU L 195 vom 2.6.2004, 16.
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Zentrale Bereiche der europäischen Privatrechtsangleichung im Überblick
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tionaler Rechtssetzung – insbesondere mit der „Verordnung Brüssel I“ sowie der „Verordnung Brüssel IIa“ Rechnung getragen wurde, ist schon einleitend hingewiesen worden52. Dass über die aktuelle Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Internationalen Schuldrechts an passender Stelle einlässlich informiert wurde,53 entspricht dem Thema dieses Buches. Obwohl Verbraucherschutz relativ spät zu einem Anliegen der Gemein- 18/8 schaft wurde und „Verbraucherpolitik“ lange Zeit nicht expressis verbis als eine der flankierenden Politiken der Europäischen Gemeinschaft in den Gründungsverträgen anerkannt war, haben die europäischen Rechtssetzungsorgane besonders intensive Rechtsangleichungsaktivitäten auf dem Gebiet des Verbraucherprivatrechts entfaltet. In dem schon in Art 2 der Urfassung des EWG-Vertrages proklamierten Ziel, „eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft . . . zu fördern“, konnte, wenn überhaupt, nur eine schwache, kaum tragfähige Grundlage für eine Zuständigkeit zur Rechtssetzung im Verbraucherschutzrecht gesehen werden54. Erst mit dem Inkrafttreten des Maastrichter Unionsvertrags am 1.11.1993 ist das Defizit der Verankerung der Verbraucherpolitik im primären Gemeinschaftsrecht beseitigt worden. In dem wiederholt modifizierten ex-Art 3 EGV, der vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Zusammenhang mit ex-Art 2 die Aufgaben und Tätigkeiten der Gemeinschaft umschreibt, wird nämlich – neben der Rechtsangleichung – als ein Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft auch ein „Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes“ angeführt55. Zudem sieht Art 169 AEUV vor, dass die Gemeinschaft durch Maßnahmen, die sie nach Art 114 AEUV erlässt, und durch spezifische Aktionen zum Schutz der Gesundheit, Sicherheit sowie der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Informationsinteressen der Verbraucher einen „Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ zu leisten hat. Da sich der Verbraucher wirtschaftlich und intellektuell gegenüber dem Wirtschaftstreibenden typischerweise in einer Position der Unterlegenheit befindet, bedarf er vielfältigen Schutzes: Vor unbilligen Vertragsklauseln ebenso wie vor unlauterer Werbung, fehlerhaften und deshalb gefährlichen Produkten; mangelhafter Erbringung von Dienstleistungen, überhöhten Preisen oder wucherischen Kreditzinsen56. 52 53 54 55 56
Vgl Rz 1/6. Vgl Rz 15/7–15/26, 15/31–15/38. Vgl dazu schon Krämer, EWG-Verbraucherrecht (1985) 17. Artikel 3 Abs 1 lit t) EG-V. Grundlegend dazu Reich/Micklitz, Verbraucherschutzrecht in den EG-Staaten – Eine vergleichende Analyse (1981); Krämer, EWG-Verbraucherrecht (1985); vor allem: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht4 (2003).
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§ 18
Europäische Privatrechtsangleichung
18/9 Die dem Kernbereich des Bürgerlichen Rechts zuzuordnenden Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts decken eine beträchtliche Bandbreite57 ab und beziehen sich auf · den Schutz vor Überrumpelung beim Geschäftsabschluss: vgl die Richtlinie 85/577/EWG vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen58; · den Schutz vor unlauterer und irreführender Werbung: vgl die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung59; · den Schutz vor überhöhten Preisen und Kreditzinsen: vgl die Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit60, geändert durch die Richtlinie 90/88/EWG61; nunmehr ersetzt durch die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/ EWG62; · den Schutz vor unsicheren und fehlerhaften Produkten: vgl die Richtlinie 85/374/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte63, geändert durch die Richtlinie 1999/34/EG64; · den Schutz der Teilnehmer an einer Pauschalreise: vgl die Richtlinie 90/ 314/EWG über Pauschalreisen65; · den Schutz vor unfairen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen: vgl die Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen66;
57 Vgl nur Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht (2005). 58 ABlEG L 372 vom 31.12.1985, 31. 59 ABlEG L 290 vom 23.10.1997, 18. 60 ABlEG L 42 vom 12.2.1987, 48. 61 ABlEG L 61 vom 10.3.1990, 14. 62 ABlEU L 133 vom 22.5.2008, 66; dazu die Berichtigungen, ABlEU L 207 vom 11.8.2009, 14. 63 Diese Richtlinie wird zwar primär als eine binnenmarktpolitische Maßnahme begriffen, verfolgt aber, wie in der Präambel wiederholt betont, auch ein verbraucherschützerisches Anliegen; ABlEG L 210 vom 7.8.1985, 29. 64 ABlEG L 141 vom 4.6.1999, 20. 65 ABlEG L 158 vom 23.6.1990, 59. 66 ABlEG L 95 vom 21.4.1993, 29.
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Zentrale Bereiche der europäischen Privatrechtsangleichung im Überblick
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· den Schutz vor unfairen „Immobilien-Time-Sharing“-Verträgen: vgl die Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien67; · den Schutz vor Benachteiligung in „Fernabsatzverträgen“: vgl die 97/7/ EG Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz68; · die Verbesserung des Zugangs der Verbraucher zum Recht: vgl die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen69; · den Schutz vor mangelhaften Kaufgegenständen: vgl die Richtlinie 1999/ 44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter70; · den Schutz im elektronischen Geschäftsverkehr (electronic commerce): vgl die Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt71. · Am 8.10.2008 wurde sodann als vorerst letzte und keineswegs unumstrittene Maßnahme auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes von der Kommission der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher präsentiert72, mit der eine Konsolidierung und weitergehende Vereinheitlichung des Verbraucherrechts bezweckt wird. Einerseits soll die neue Richtlinie an die Stelle von vier eingeführten Rechtsakten treten73, andererseits soll sie nicht mehr als eine Mindestrichtlinie ausgestaltet sein und so ein höheres Maß an Rechtsgleichheit im Verbraucherschutz innerhalb der Europäischen Union sicher stellen.
67 68 69 70 71 72 73
ABlEG L 280 vom 29.10.1994, 83. ABlEG L 144 vom 4.6.1997, 19. ABlEG L 166 vom 11.6.1998, 51. ABlEG L 171 vom 7.7.1999, 12. ABlEG L 178 vom 17.7.2000, 1. KOM(2008) 614 endg. Ersetzt werden sollen die Richtlinie 85/577/EWG über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, die Richtlinie 97/7EG über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz und die Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter.
215
§ 18
Europäische Privatrechtsangleichung
Die bisher ergangenen Richtlinien sind in Österreich überwiegend im Konsumentenschutzgesetz74, aber auch wie die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im ABGB75 oder wie die Produkthaftungsrichtlinie, die ImmobilienTime-Sharing-Richtlinie und die E-Commerce-Richtlinie in Sondergesetzen76 umgesetzt worden. Die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG führte zu einer Reform des Rechts des Darlehensvertrages im ABGB77 und zu einem komplexen Sondergesetz über Verbraucherkreditverträge78. Bei Auslegung der umgesetzten Bestimmungen trifft die Organe der Rechtsanwendung die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation.
74 Vgl BGBl 1993/247, BGBl I 1997/6, BGBl I 1999/185, BGBl I 2001/48. 75 Durch das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz (GewRÄG) vom 8.5.2001, BGBl I 2001/48. 76 Produkthaftungsgesetz, BGBl 1988/99 idF BGBl I 2001/98; Teilzeitnutzungsgesetz, BGBl I 1997/32 idF BGBl I 2001/98; E-Commerce-Gesetz, BGBl I 2001/152. 77 Art 1 Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz – DaKRÄG, BGBl I 2010/28: Umfassende Neuordnung des Darlehensvertrags in §§ 983–991 ABGB. 78 Art 2 DaKRÄG: „Bundesgesetz über Verbraucherkreditverträge und andere Formen der Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG)“.
216
§ 19. Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG) A. Einleitung Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den 19/1 internationalen Warenkauf – CISG, vom 11.4.19801, das in Österreich am 1.1.1989 Geltung erlangte2, beinhaltet die in Österreich als österreichisches Sachrecht geltenden Normen, die den Abschluss von grenzüberschreitenden Warenkaufverträgen, die Pflichten der Parteien solcher Verträge, die Folgen von Vertragsverletzungen, Gefahrtragung uä materiell regeln, wobei es typischerweise nur Verträge zwischen Unternehmern bzw zu einem unternehmerischen Zweck im Auge hat. Das Übereinkommen beruht im Wesentlichen auf Kompromissen zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtstraditionen und dem Common Law3. Es hat bereits zu zahlreichen Entscheidungen nationaler Höchstgerichte, vor allem auch des OGH4 Anlass gegeben. Zu seiner wachsenden Akzeptanz hat auch die Lehre einen wesentlichen Beitrag geleistet5. Dabei ist die unter Rechtsanwälten und bei 1 United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods; nunmehr auch im deutschen Schrifttum überwiegend mit (das) „CISG“ abgekürzt. 2 BGBl 1988/96. 3 CISG ist nicht in deutscher Textfassung authentisch, weshalb es allenfalls sinnvoll, ja notwendig sein kann, eine authentische, im Regelfall wohl die englische, Fassung zu konsultieren. 4 Zur Judikatur des OGH bis 2000, vgl Posch/Terlitza, Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs zur UN-Kaufrechtskonvention (CISG), IHR 2001, 47; sowie bis 2004, vgl Posch/Terlitza, The CISG before Austrian Courts, in Ferrari (Hrsg), Quo vadis CISG? Celebrating the 25th Anniversary of the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (2005) 263; sa Lurger, Überblick über die Judikaturentwicklung zu ausgewählten Fragen des CISG (Teil I), IHR 2005, 177, und (Teil II), IHR 2005, 221. 5 Vgl aus dem österr Schrifttum: P. Doralt (Hrsg), Das UNCITRAL-Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht (1985); Loewe, Internationales Kaufrecht (1989); Karollus, UN-Kaufrecht. Eine systematische Darstellung für Studium und Beruf (1991); Hoyer/Posch (Hrsg), Das Einheitliche Wiener Kaufrecht (1992); Wilhelm, UN-Kaufrecht (1993); Posch in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar IV3 (2004) 1343–1523; ferner
217
§ 19
Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG)
Konsulenten der Bundeswirtschaftskammer lange Zeit herrschend gewesene Auffassung, dass die Anwendung des CISG auf internationale Transaktionen grundsätzlich und ohne weitere Überlegungen vertraglich abbedungen werden sollte, weil es angeblich zu sehr von der gewohnten Regelung des Kaufrechts in ABGB und HGB bzw UGB abweiche und auch keine klaren Vorteile für österreichische Unternehmen erkennen lasse, keineswegs überwunden. Noch immer wird gerne und unreflektiert von der in Art 6 CISG eröffneten Möglichkeit, die Anwendung des Übereinkommens a priori auszuschließen, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformularen österreichischer Unternehmen reichlich Gebrauch gemacht. Indes indiziert die große Zahl oberstgerichtlicher Entscheidungen, in denen auf CISG-Bestimmungen Bezug genommen wird, seine gestiegene praktische Bedeutung für den grenzüberschreitenden Warenverkehr in Österreich6. In dem auf vier Jahre angelegten Studium der Rechtswissenschaften bleibt gleichwohl kaum Zeit, neben dem internen Kaufvertragsrecht auch das CISG angemessen zu würdigen. Da das CISG jedoch Teil des österreichischen Bürgerlichen Rechts ist, muss in einer diesem gewidmeten Lehrbuchreihe freilich nur in der gebotenen Kürze auf das international vereinheitlichte Warenkaufrecht eingegangen werden7.
B. Die Ausgangslage der Parteien beim internationalen Kaufvertrag 19/2 Beim Abschluss internationaler Kauf- oder Lieferverträge kommt es aus rechtlicher Sicht gewöhnlich für jeden der vertragsschließenden Teile auf zwei Ziele an: auf die Sicherstellung einer nach Möglichkeit reibungslosen Vertragsabwicklung durch entsprechende Gestaltung des Vertrags und Honsell (Hrsg), Kommentar zum UN-Kaufrecht (1997); Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht – Ein Studien- und Erläuterungsbuch zum Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf – CISG2 (2003); Christoph Brunner, UN-Kaufrecht – CISG (2004); Benicke/F. Ferrari/Mankowski, Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf – CISG, in Münchener Kommentar zum HGB VI (2004) 325–776; U. P. Gruber/P. Huber/H. P. Westermann, Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG), in Münchener Kommentar zum BGB, III4 (2004) 2131–2714; Magnus in Staudinger, Kommentar zum BGB – Wiener Kaufrecht (CISG) Neubearbeitung (2005); Schlechtriem/ Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht CISG5 (2008). 6 Zum Stichtag 1.7.2010 sind von der führenden Datenbank http://www.cisg-online.ch/ 72 Entscheidungen des OGH abrufbar. 7 Vgl Apathy/Riedler, Bürgerliches Recht III – Schuldrecht Besonderer Teil 3 (2008) Rz 1/1, FN 1.
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Die Ausgangslage der Parteien beim internationalen Kaufvertrag
§ 19
auf das Funktionieren einer wirksamen Rechtsverfolgung für den Fall, dass Störungen in der Ausübung der wechselseitigen Rechte bzw in der Erfüllung der jeweiligen Pflichten auftreten. Da bei grenzüberschreitenden Warenkaufverträgen nicht nur eine Rechtsordnung für die Klärung der Rechtsfragen, die bei Abschluss, Auslegung und Abwicklung von Verträgen auftreten, als anwendbar in Frage kommt, ergibt sich sehr oft für eine der Vertragsparteien die Notwendigkeit zu akzeptieren, dass der Vertrag auf der Grundlage einer ihr fremden Rechtsordnung und auch in einer fremden Sprache geschlossen werden muss. Es ist für diese Partei oft nicht leicht, in einem ihr zur „Unterwerfung“ vorgelegten standardisierten Vertragsformular allenfalls versteckte Fallen als solche zu erkennen, und nicht immer erlaubt es ihre wirtschaftlichen Position am Markt, ausreichend „Verhandlungsmacht“ einzusetzen, um das Verhandlungsergebnis für sie günstiger zu gestalten. Hinzu kommt, dass im grenzüberschreitenden Warenverkehr der eigent- 19/3 liche Kaufvertrag nur das Zentralgeschäft in einem größeren Rahmen ist, der aus anderen Vertragstypen wie Transport- und Versicherungsverträgen, Finanzierungsarrangements mittels Akkreditiven usw gebildet wird. Über diese Abmachungen muss ebenso der Überblick gewahrt bleiben wie über devisenrechtliche Bestimmungen oder nationale Reglementierungen des Außenhandels, die – jedenfalls für Geschäfte mit Partnern außerhalb der EU bzw des EWR – in die Abwicklung von Handelsgeschäften regulativ eingreifen können. Daneben müssen noch zahlreiche weitere Gesetze, insbesondere solche kollisionsrechtlichen Inhalts und internationale Konventionen sowie die im internationalen Handelsverkehr üblichen Klauseln (INCOTERMS), Gebräuche und Schiedsordnungen als „lex mercatoria“ beachtet werden. Gewiss bereiten Vorbereitung, Abschluss und Abwicklung von Warenkaufverträgen mit Partnern, die ihre Niederlassungen in benachbarten Staaten mit gleicher Sprache und vergleichbarer Rechtstradition haben, geringere Mühe8, weshalb zB ein Österreicher und ein Deutscher, die einen Kaufvertrag schließen wollen, weniger Bedarf an einem international vereinheitlichten Warenkaufrecht haben als in den gleichen Umständen Unternehmer, die einerseits in Österreich und andererseits zB in Ägypten niedergelassen sind. Denn in diesem zweiten Fall berühren sich die Rechts8 Das gilt vor allem für Handelskäufe (bzw unternehmensbezogene Kaufgeschäfte) zwischen deutschen und österreichischen Kaufleuten (bzw Unternehmern), da für von diesen geschlossene Kaufverträge selbst nach den durch das HaRÄG, BGBl I 2005/120, bewirkten Änderungen der §§ 373–381UGB in vielfacher Hinsicht Rechtsgleichheit oder doch Rechtsähnlichkeit besteht.
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§ 19
Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG)
vorstellungen zweier Staaten mit anderer Sprache, strukturell unterschiedlicher Rechtsordnung und anders fundierter Gesellschaftsordnung. Hier muss in den Vertragsverhandlungen auch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen allfälligen Rechtsstreit über die vertraglichen Rechte und Pflichten Bedacht genommen und versucht werden, einen günstigen Gerichtsstand und ein vertrautes anwendbares Recht durchzusetzen. Die Situation beider Parteien verbessert sich, wenn sie ihren Verhandlungen eine nach ihrem jeweiligen Recht inhaltlich identische und nach gleichen Regeln angewandte internationale Rahmenordnung wie CISG zugrunde legen können.
C. Vorgeschichte und Akzeptanz 19/4 Mit CISG wurde erstmals ein internationales Übereinkommen auf dem Gebiet des Warenkaufrechts in Österreich wirksam, nachdem von einer Ratifikation der Haager Kaufrechtsübereinkommen Abstand genommen worden war. CISG ist das wohl endgültige Ergebnis einer Bemühung, die bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Rahmen des soeben gegründeten Römischen UNIDROIT-Instituts aufgenommen worden war9 und 1935 zu einem ersten Entwurf geführt hatte. Das nach dem Zweiten Weltkrieg von niederländischer Seite wiederbelebte Projekt eines Einheitskaufrechts führte zunächst zum Haager Kaufrecht von 1964, das aus zwei, den Abschluss bzw das materielle Recht des internationalen Warenkaufes betreffenden Abkommen bestand, aber nur sehr begrenzten Erfolg hatte10. Deshalb wurde es schließlich von dem UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) abgelöst, das weniger kompliziert und „eurozentriert“ ist und nicht einseitig auf die Interessen der ökonomisch entwickelten Länder abstellt. In jedem Fall werden kollisionsrechtliche Probleme durch CISG minimiert, da mit diesem Übereinkommen für internationale Verträge eine allgemein akzeptable, faire sachrechtliche Ordnung etabliert wurde. CISG ist im Rahmen der UNCITRAL ausgearbeitet und schließlich in einer mehrwöchigen, im Frühjahr 1980 in Wien abgehaltenen Konferenz in seine endgültige Fassung gebracht und zur Zeichnung aufgelegt worden. Österreich hat das Übereinkommen, das zur Jahresmitte 2010 in 74 Staaten – 9 Federführend von dem aus Wien stammenden und dort ausgebildeten Ernst Rabel (1874–1955). 10 Seine wichtigsten Ratifikationsstaaten waren die Bundesrepublik Deutschland und Italien: Nur in diesen Staaten fand es auch in der juristischen Praxis Akzeptanz.
220
§ 19
Übersicht über Aufbau und Inhalt
darunter China, Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, USA und neuerdings auch Japan – in Kraft steht, als elfter Staat ratifiziert. Von den Mitgliedstaaten der EU haben sich bisher mit einer gewissen Hartnäckigkeit das Vereinigte Königreich, Irland und Portugal sowie Malta von einer Ratifikation fern gehalten.
D. Übersicht über Aufbau und Inhalt Das Übereinkommen ist in vier Teile gegliedert, wobei der erste Teil gewis- 19/5 sermaßen einen allgemeinen Teil bildet, der zweite Teil die Abschlussregeln erfasst und der dritte Teil die Pflichten der Parteien und die Folgen von Verletzungen dieser Regeln betrifft. Mit Bedachtnahme auf Staaten, die wie die nordischen Länder besondere Abschlussregeln für den Kaufvertrag aufweisen, wurde den interessierten Staaten die Möglichkeit eröffnet, nicht nur das Übereinkommen in seiner Gesamtheit, sondern auch nur entweder Teil I und Teil II oder Teil I und Teil III zu übernehmen. ÜBERSICHT Teil I:
(Art 1–6)
Anwendungsbereich und
(Art 7–13)
allgemeine Bestimmungen (Auslegung, Handelsbräuche, Formpflicht)
Teil II:
(Art 14–24)
Abschluss des Vertrages
Teil III:
(Art 25–88)
Hauptteil „Warenkauf“:
(Art 25–29)
Allgemeine Bestimmungen
(Art 30–52)
Pflichten des Verkäufers, Untersuchung und Rüge; Rechtsbehelfe des Käufers
(Art 53–65)
Pflichten des Käufers, Rechtsbehelfe des Verkäufers
(Art 66–70)
Übergang der Gefahr
(Art 71–73)
Vorweggenommener Vertragsbruch, Teillieferung, Sukzessivlieferung
(Art 74–80)
Schadenersatz
(Art 81–84)
Bereicherungsrechtliche Wirkungen bei Aufhebung
Teil IV:
(Art 85–88)
Aufbewahrung, Erhaltung der Ware
(Art 89–101)
Schlussbestimmungen, Vorbehalte
221
§ 19
Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG)
E. Teil I: Anwendungsbereich und Allgemeine Bestimmungen 19/6 Nach Art 1 CISG ist das Übereinkommen nicht nur dann anzuwenden, wenn die Vertragsparteien unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit11 in zwei verschiedenen Vertragsstaaten niedergelassen sind, sondern auch dann, wenn das IPR auf das Recht eines Vertragsstaates verweist. Art 1 Abs 1 lit b) normiert die sogenannte Vorschaltlösung12. Obwohl das Vereinigte Königreich (noch) kein Vertragsstaat ist, ist daher bei einem Verkauf von Waren durch einen in Österreich niedergelassenen Händler an einen britischen Partner in einem vor einem österreichischen Gericht ausgetragenen Rechtstreit über die korrekte Vertragserfüllung das UN-Kaufrecht anzuwenden, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben. Denn es ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verkäufer, also österreichisches Recht, das für den Vertrag gemäß Art 4 Abs 1 lit a) Rom I-VO maßgebend ist. Aus Art 1 CISG folgt, dass der Kaufvertrag dem Übereinkommen als der österreichischen Sonderregelung für internationale Warenkäufe unterliegt. 19/7 CISG ist nur auf Kaufverträge über bewegliche Sachen, die zu gewerblichen Zwecken vertrieben werden, anzuwenden. Kam es vor dem 1.1.2007 nicht darauf an, ob den Parteien die Kaufmannseigenschaft im Sinn des HGB zukam, ist seither nicht entscheidend, ob die Parteien gemäß § 1 UGB „Unternehmer“ sind, obwohl das de facto in den meisten Fällen, in denen die Regeln des CISG Anwendung finden, der Fall sein wird. Gemäß Art 2 lit a) CISG fällt ja der Kauf einer Ware für den privaten Gebrauch nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, es sei denn, dass der Verkäufer vor oder bei Vertragsabschluss weder wusste noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde. Durch ausdrückliche Anordnung in Art 2 lit b) bis f) CISG ausgeschlossen sind Kaufverträge über Wertpapiere und Zahlungsmittel, Schiffe, Flugzeuge und Luftkissenfahrzeuge, elektrische Energie sowie der Erwerb von Waren im Rahmen von Versteigerungen oder durch Zwangsvollstreckung. Dass den Kaufverträgen Verträge gleichstehen, in denen es um die Lieferung eines Werkes geht, das aus Materialien hergestellt wird, die vom Werkunternehmer stammen bzw in denen die involvierten Dienstleistungen nicht den überwiegenden Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, 11 Auf das Personalstatut der Parteien kommt es nicht an: OGH JBl 1999, 318 (M. Karollus) = CISG-online Nr 380. 12 Aus der Judikatur des OGH: SZ 69/26 = CISG-online Nr 224; ZfRV 1996/20 = CISGonline Nr 166; ZfRV 1998/53 = CISG-online Nr 355.
222
Teil I: Anwendungsbereich und Allgemeine Bestimmungen
§ 19
bilden, wird von Art 3 CISG klar gestellt13. Der OGH hat CISG auch auf ein „Streckengeschäft“ angewendet14, nicht jedoch auf einen „Veredelungsvertrag“, dessen Kern die Vereinbarung bildete, dass im passiven Zollvermerkverkehr von einer Seite Material zu liefern und von der anderen Seite zu bearbeiten und zurückzuliefern war15. Gemäß Art 4 CISG fallen Fragen der Gültigkeit des Vertrages oder einzel- 19/8 ner Vertragsbestimmungen und seiner Wirkungen auf das Eigentum an der verkauften Sache nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, wodurch erhebliche Abgrenzungsprobleme hervorgerufen werden. Der OGH hat im Hinblick auf formularmäßige Modifikationen der Haftung und Gewährleistung des Verkäufers festgestellt, dass diese „gemäß Art 4 lit a) UN-Kaufrecht einer Gültigkeitskontrolle des nach den Regeln des internationalen Privatrechts jeweils anwendbaren nationalen – hier deutschen – Rechts“ unterliegen16. Dieses gestattete in concreto die in Rede stehenden Modifikationen im beiderseitigen Handelsgeschäft, was der OGH nicht als einen Verstoß gegen die Grundwertungen des CISG qualifiziert hat, zu denen jedenfalls auch das Recht auf Aufhebung des Vertrages gehöre, das der vertragstreuen Partei als ultima ratio grundsätzlich erhalten werden müsse. Weitere von CISG nicht geregelte Fragen, die nach dem vom IPR des Forums als maßgebend bestimmten Recht gelöst werden müssen, betreffen unter anderem die Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Verjährung, Abtretung und Schuldübernahme17, ferner den Schuldbeitritt, Eigentumsvorbehalt, die Sittenwidrigkeit und die Zulässigkeit von Vertragsstrafen. Schließlich wird durch den erst in einer späten Phase der Verhandlungen in den Text des Übereinkommens aufgenommenen Art 5 CISG ausdrücklich angeordnet, dass die Haftung für Körperschäden, die durch eine fehlerhafte Kaufsache verursacht werden, nicht nach CISG zu beurteilen ist. Hier soll die Frage der Haftung nach dem jeweils maßgebenden Produkthaftungsrecht beurteilt werden. Art 6 CISG räumt den Parteien das Recht ein, die Bestimmungen des Ab- 19/9 kommens zu modifizieren und seine Anwendung ganz auszuschließen. Bei der Frage, ob seine Anwendung gemäß Art 6 ausgeschlossen werden soll, sollte bedacht werden, dass mit der sich stetig vermehrenden Zahl 13 Zur Auslegung des Art 3 CISG zuletzt zutreffend OGH IHR 2006, 87 = CISG-online Nr 1156. 14 OGH ZfRV 1996/20 = CISG-online Nr 166. 15 OGH ZfRV 1995, 159 = CISG-online Nr 133. 16 OGH RdW 2000/19 = CISG-online Nr 642. 17 Vgl OGH Forum int Recht 1997, 93 (F. Ferrari) = CISG-online Nr 291.
223
§ 19
Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG)
von Ratifikationen und veröffentlichten Entscheidungen die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts gestiegen ist, weshalb ein Anwendungsausschluss selbst dort, wo er wie bei deutsch-österreichischen Warenkaufverträgen an sich nahe liegen würde, stets wohlüberlegt sein müsste. Die österreichische Vertragspraxis ist hier in mancher Hinsicht „hinter der Zeit“, wenn in Mustergeschäftsbedingungen pauschal und ungeprüft der Ausschluss von CISG vorgesehen wird18. Keineswegs zielführend sind jedenfalls Klauseln, die lediglich lauten: „Es gilt österreichisches Recht“. Die Urheber von Bedingungswerken, die eine derart lapidare Klausel beinhalten, mögen zwar das (interne) Kaufrecht von ABGB und UGB meinen, sind sich aber nicht bewusst, dass das UN-Kaufrecht, das mit dieser Klausel ausgeschlossen werden soll, vielmehr gerade das für die in Rede stehenden internationalen Warenkäufe in Österreich geltende Sonderrecht ist. Der OGH hat klar gestellt, dass die pauschale Wahl österreichischen Rechts für sich allein mangels zusätzlicher Anhaltspunkte für einen abweichenden Parteiwillen, nicht den Ausschluss des Einheitskaufrechts bewirken könne19. Vertragsverfasser können sich durch pauschale Anwendungsausschlüsse keinesfalls ihrer Pflicht zur Prüfung der Frage, ob die Anwendung der CISG-Bestimmungen allenfalls vorteilhafter wäre als das eigene oder fremde Vertragsstatut, entledigen. 19/10 Gemäß Art 7 CISG muss das Übereinkommen unter Berücksichtigung seines internationalen Charakters und der Notwendigkeit einer international einheitlichen Anwendung und der Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel übereinkommensautonom ausgelegt werden. Fragen, die in CISG geregelte Gegenstände betreffen, selbst aber ungeregelt geblieben sind, müssen tunlichst mit Hilfe der dem Übereinkommen 18 Vgl zB Pkt 14 der „Allgemeinen Lieferbedingungen der Elektro- und Elektronikindustrie Österreichs“, herausgegeben vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie Österreichs, Ausgabe Mai 2007: „Zur Entscheidung aller aus dem Vertrag entstehenden Streitigkeiten – einschließlich solcher über sein Bestehen oder Nichtbestehen – ist das sachlich zuständige Gericht am Hauptsitz des Verkäufers, in Wien jenes im Sprengel des Bezirksgerichtes Innere Stadt, ausschließlich zuständig. Der Vertrag unterliegt österreichischem Recht unter Ausschluss der Weiterverweisungsnormen. Die Anwendung des UNCITRAL-Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf wird einvernehmlich ausgeschlossen“. 19 OGH SZ 71/21 = JBl 1999, 54 (M. Karollus) = ZfRV 1999, 65 (Posch) = CISG-online Nr 349; SZ 74/178 = CISG-online Nr 614; OGH IHR 2005, 198 = CISG-online Nr 1045; zuletzt OGH JBl 2009, 647 = CISG online Nr 1889. vgl auch schon die Schiedssprüche des Internationalen Schiedsgerichts der BWK Wien RIW 1995, 590 = CISG-online Nr 120, 121. Eine Klausel, die (vor dem 1.1.2007) bestimmt, dass „für Kaufleute [. . .] die gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen des HGB anzuwenden“ sind, ist jedoch als „stillschweigender Ausschluss des UN-Kaufrechts“ anzusehen: OGH JBl 2008, 191 = CISG-online Nr 1560.
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Teil I: Anwendungsbereich und Allgemeine Bestimmungen
§ 19
zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze20 und nur bei deren Fehlen nach dem Vertragsstatut entschieden werden. Gemäß Art 8 CISG müssen die Willenserklärungen einer Partei eines internationalen Warenkaufvertrags nach ihrem, der anderen Partei bekannten oder erkennbaren Willen ausgelegt werden. Ist dies nicht möglich, erfolgt die Auslegung nach dem hypothetischen Willen einer „vernünftigen Person der gleichen Art“, wobei alle erheblichen Umstände, insbesondere die Verhandlungen der Parteien und zwischen ihnen bestehende Gepflogenheiten und Gebräuche, beachtet werden müssen. Nach Art 9 CISG sind die Parteien an die von ihnen akzeptierten Gebräuche und die zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten gebunden. Zur Frage, was als „Gepflogenheiten“ anzusehen ist, hat sich der OGH21 ebenso geäußert, wie zum Vorrang von etablierten Handelsbräuchen – konkret der „österreichischen Holzhandelsusancen“ und der gleichfalls den Holzhandel betreffenden „Tegernseer Gebräuche“ – vor den dispositiven Bestimmungen des CISG22. Gemäß Art 11 CISG besteht für internationale Warenkäufe grundsätzlich 19/11 Formfreiheit23, doch kann ein Vertragsstaat diesbezüglich den Vorbehalt gemäß Art 96 CISG erklären, was gemäß Art 12 CISG zur Folge hat, dass eine Partei, die ihre Niederlassung in einem Vorbehaltsstaat hat, nur in schriftlicher Form kontrahieren kann, worunter Art 13 CISG auch Mitteilungen durch Telegramm oder Fernschreiben versteht. Angesichts der Umwälzungen in den elektronischen Kommunikationsmitteln können heute unschwer auch Telefax und elektronische Post als von Art 13 mitgemeint begriffen werden.
20 Ein solcher allgemeiner Grundsatz ist das Zug-um Zug-Prinzip: OGH IHR 2006, 87 = CISG-online Nr 1156; 10 Ob 122/05x = CISG-online Nr 1364; RdW 2007/408 = CISGonline Nr 1417. 21 OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224: Dies könnten auch Vorstellungen einer Partei aufgrund von Vorgesprächen sein, die bei Beginn einer Geschäftsbeziehung vorhanden waren, wenn dem Vertragspartner aus den Umständen klar sein musste, „dass die andere Partei grundsätzlich nur bereit ist, derartige Geschäfte aufgrund ganz bestimmter Bedingungen oder in bestimmter Form abzuschließen“; zuletzt OGH IHR 2006, 31 = CISGonline Nr 1093. 22 OGH JBl 1999, 318 = CISG-online Nr 380; OGH ZfRV 2000/71 = CISG-online Nr 641. 23 Vgl OGH SZ 69/26= CISG-online Nr 224; OGH RdW 2000/379 = CISG-online Nr 573.
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§ 19
Der internationale Warenkauf nach dem „Wiener UN-Übereinkommen“ (CISG)
F. Teil II: Abschluss des Vertrages 19/12 Im zweiten Teil des Übereinkommens werden in elf Artikeln Regeln über den Vertragsabschluss vorgeschrieben. Diese Bestimmungen operieren mit den aus den innerstaatlichen Rechten bekannten Begriffen des Angebots und der Annahme und lassen das Zustandekommen des Vertrags von der Erzielung eines Konsenses abhängen. In Teil II geht es nur um den so genannten „äußeren Konsens“, der durch Angebot und Annahme hergestellt wird. Nichts wird jedoch zu Störungen in der Willensbildung, zur Sittenwidrigkeit, fehlender Geschäftsfähigkeit, unwirksamer Stellvertretung usw angeordnet, da diese Themen zu den Gültigkeitsfragen zählen, die nach Art 4 CISG vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen sind. 19/13 In Teil II des Übereinkommens ist die wichtigste Abweichung von den einschlägigen Regeln des ABGB in Art 15 und 16 zu finden, welche die grundsätzliche Möglichkeit zum Widerruf bis zur Annahme des Angebots durch den Angebotsadressaten vorsehen. Vom Widerruf zu unterscheiden ist die bis zum Eintreffen des Angebots mögliche Rücknahme. Das Angebot wird eben nicht als stets bindend begriffen, sondern nur dann, wenn es durch Befristung oder auf sonstige Weise zum Ausdruck bringt, dass es unwiderruflich ist, oder der Empfänger vernünftigerweise annehmen durfte, dass das Angebot unwiderruflich sei. 19/14 Auch in der Frage der Bestimmtheit der Leistung, für welche die widersprüchlichen Art 14 und 55 CISG die bloße Bestimmbarkeit von Menge und Preis ausreichend sein lassen, scheint eine Abweichung von den Abschlussregeln des ABGB vorzuliegen. Wie der OGH24 zur Frage der Inhaltsbestimmtheit feststellte, ist nach dem CISG „eine stillschweigende Festlegung und eine bloß die Festsetzung ermöglichende Vereinbarung sowohl zur Umschreibung von Warenmenge als auch des Preises zulässig“ und in concreto ausreichend um den Vorgaben des Art 14 CISG hinsichtlich der Bestimmtheit des Preises zu entsprechen, wenn die Parteien einen Preisrahmen vereinbart und so ausreichend Anhaltspunkte festgelegt haben, aus denen, je nach der Qualität der gelieferten Ware, ein bestimmter Preis entnommen werden kann. In einem anderen Urteil25 maß der OGH unter Berufung auf Schlechtriem26 die Frage, ob ein nach Art 14 CISG aus24 OGH SZ 67/197 = CISG-online Nr 117. 25 OGH JBl 1997, 592 = CISG-online Nr 269; vgl auch OGH RdW 2000/379 = CISG-online Nr 573. 26 In von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar2 (1996) Rz 4 zu Art 14.
226
Teil III: Materielles Kaufvertragsrecht
§ 19
reichend bestimmtes „annahmefähiges Angebot“ vorliege, daran, ob der erforderliche Mindestinhalt im Sinne des Art 8 Abs 2 CISG von „einer vernünftigen Person der gleichen Art unter gleichen Umständen“ als ausreichend konkret aufgefasst werden könne. Für das Problem von einander abweichender Inhalte von Angebot und 19/15 Annahme sieht Art 19 Abs 1 CISG vor, dass eine nicht konvergente Annahmeerklärung ausreichend ist, wenn die in ihr enthaltenen Ergänzungen und Abweichungen „die Bedingungen des Angebots nicht wesentlich ändern“ und der Anbietende die fehlende Übereinstimmung nicht unverzüglich moniert. Da gemäß Art 19 Abs 2 CISG Ergänzungen und Abweichungen, die sich auf Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, Ort und Zeit der Lieferung, Haftungsumfang und Streitbeilegung beziehen, als wesentliche Änderungen anzusehen sind, ist der Raum für die Anwendung der Regel des Abs 1 freilich sehr eng. In diesem Zusammenhang hat der OGH27 unter Berufung auf die Lehre vertreten, dass die Aufzählung in Art 19 Abs 3 CISG nur eine widerlegliche Auslegungsregel darstelle. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass „auch Änderungen zu diesen Punkten in der Annahmeerklärung aufgrund der besonderen Umstände des Falles, der Parteigepflogenheiten, der Vorverhandlungen oder aufgrund von Bräuchen als unwesentlich bewertet werden dürfen“. Insbesondere bedürften „dem Offerenten günstigere Änderungen nicht einer Gegenannahme“.
G. Teil III: Materielles Kaufvertragsrecht 1. Allgemeines (Artikel 25–29 CISG) Teil III des Übereinkommens, der im Wesentlichen Bestimmungen über 19/16 die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sowie die Sanktionen auf deren Verletzung beinhaltet, ist der umfangreichste und wichtigste Teil des Übereinkommens. Er ist übersichtlich gegliedert und in seiner Systematik leichter nachvollziehbar als die meisten nationalen Regelungen desselben Gegenstandes. Nach den wenigen allgemeinen Bestimmungen der Art 25 bis 29 CISG folgen die Vertragspflichten des Verkäufers einschließlich der Rügepflichten des Käufers in den Art 30–44 sowie in den Art 45–52 CISG die Rechtsbehelfe des Käufers bei der Verletzung der Verkäuferpflichten, danach die Pflichten des Käufers und die Rechtsbehelfe des Verkäufers bei
27 OGH JBl 1997, 592 = CISG-online Nr 269.
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deren Verletzung in den Art 53–65 CISG. Daran schließen sich fünf Bestimmungen über die Gefahrtragung (Art 66–70). Ihnen folgen in Art 71– 73 die Regelung des vorweggenommenen Vertragsbruchs (anticipatory breach) und in den Art 74–77 CISG die besonders wichtigen Vorschriften über den Schadenersatz bei Verletzung einer Vertragspflicht durch eine Partei. An Art 78 über Zinsen und Art 79–80 CISG über die Entlastungen des an der Leistungserbringung gehinderten Schuldners reihen sich sodann in Art 81–84 bereicherungsrechtliche Normen. Dieser zentrale Teil des Übereinkommens wird mit Bestimmungen über die Pflichten zur Erhaltung der Ware in Art 85–88 beschlossen. 19/17 Zentrale allgemeine Bestimmung des III. Teils und „Angelpunkt des Sanktionensystems“28 des Übereinkommens ist sein Art 25, der die „wesentliche Vertragsverletzung“ definiert. Die Vertragsverletzung einer Partei ist dann wesentlich, wenn „sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen“, wenn also das vertragsleitende Interesse weggefallen ist. Es ist eine Frage der Auslegung des jeweiligen Vertrages, ob mit der Vertragsverletzung des einen Partners der wesentliche Gehalt des Vertrages für den vertragstreuen Teil vereitelt wurde. Diese Erwartungen des vertragstreuen Teils müssen auch dem Vertragsverletzer bekannt sein, da die Erwartungen ja auf dem Vertrag beruhen müssen. In der bisher vorliegenden Judikatur wird der Begriff der „Wesentlichkeit“ einer Vertragsverletzung eher eng aufgefasst29. Die Vertragsverletzungen werden mehrheitlich als „unwesentlich“ qualifiziert. 19/18 Nach dem UN-Kaufrecht gibt es nicht mehrere verschiedene Formen der Leistungsstörung wie nach allgemeinem Bürgerlichen Recht, in dem nach ursprünglicher und nachträglicher, bzw subjektiver und objektiver Unmöglichkeit, subjektivem und objektivem Verzug, Gewährleistung und positiver Vertragsverletzung differenziert wird. Durch das einheitliche Konzept der Vertragsverletzung ergibt sich eine große Vereinfachung gegenüber der komplizierten Rechtslage nach dem ABGB. Denn bei der Ermittlung der Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung nach CISG muss primär nur danach unterschieden werden, ob diese wesentlich oder unwesentlich war. Nur im Falle einer wesentlichen Vertragsverletzung kann der dadurch beschwerte Vertragspartner ohne Nachfristsetzung durch form28 Aicher in Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht. Neues Recht für den Internationalen Warenkauf (1992) 59. 29 Vgl dBGH BGHZ 132, 290 = CISG-online Nr 135; schweizBG IHR 2000, 14 = CISGonline Nr 413.
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lose30, außergerichtliche Erklärung, die der anderen Partei zumindest schlüssig31 mitgeteilt werden muss32, vom Vertrag zurücktreten. Das folgt aus Art 49 Abs 1 lit a) bzw aus Art 64 Abs 1 lit a) CISG und gemäß Art 46 Abs 2 CISG kann der Käufer nur dann eine Ersatzlieferung verlangen, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt. In Art 27 CISG wird die „Absendetheorie“ normiert, nach welcher das Ri- 19/19 siko von Verlust, Verzögerung und Verstümmelung einer Erklärung im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung grundsätzlich vom Adressaten zu tragen ist, wenn keine Ausnahme angeordnet ist: Dahinter steht der Gedanke, dass es in der Regel der Adressat ist, der durch nicht vertragskonformes Verhalten die Erklärung erst notwendig machte. Art 28 CISG nimmt auf die anglo-amerikanische Rechtstradition Rücksicht, die nur ausnahmsweise Erfüllung in natura (specific performance) kennt und räumt dem Richter die Möglichkeit ein, einen Erfüllungsanspruch abzulehnen, wenn er nach der lex fori nicht gegeben wäre. Art 29 CISG stellt klar, dass eine nachträgliche einvernehmliche Vertragsänderung durch die Parteien möglich ist, was nach Rechten des anglo-amerikanischen Rechtskreises ohne Einhaltung bestimmter Formalitäten nicht selbstverständlich ist33.
2. Verkäuferpflichten und Käuferrechtsbehelfe (Art 30–52 CISG) Den Verkäufer trifft nach Art 30 die Pflicht, die Ware zu liefern, die Doku- 19/20 mente zu übergeben und das Eigentum zu übertragen. In einem internationalen Warenkaufvertrag darf der Käufer grundsätzlich davon ausgehen, dass er nach Lieferung über die Ware unbeschränkt verfügen kann und dass der Verkäufer auf Beschränkungen der Verfügbarkeit hinweisen muss, da er bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung Ware zu liefern hat, die frei von Rechten Dritter ist. Von dieser Pflicht wird der Verkäufer nur durch besondere Umstände wie Embargo, gesetzliche Beschränkungen, branchenbekannte Begrenzungen entlastet34. Art 31 CISG bestimmt den Inhalt der Lieferpflicht und insbesondere den Lieferort, falls die Parteien es unterlassen haben, ihn vertraglich festzulegen. In der Regel ist Erfüllungsort gemäß lit c) dieser Bestimmung die 30 OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224; SZ 71/115 = CISG-online Nr 355; SZ 72/09 = CISG-online Nr 483; SZ 73/75 = CISG-online Nr 581. 31 Vgl zuletzt OGH ZfRV 2002/17 = CISG-online Nr 652 mit weiteren Judikaturnachweisen. 32 Art 26 CISG stellt klar, dass es eine „ipso facto avoidance“ nach CISG nicht gibt. 33 Vgl OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224; SZ 72/109 = CISG-online Nr 483. 34 OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224.
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Niederlassung des Verkäufers. Wenn der Vertrag eine Beförderung einschließt, wird die Lieferpflicht nach lit a) gewöhnlich mit der Übergabe der kaufgegenständlichen Ware an den ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer erfüllt, wenn der Kauf einer Ware aus einem dem Käufer bekannten Lagerbestand erfolgt, nach lit b) am Ort des Bestandes. Art 33 CISG stellt eine Regel für die Lieferzeit auf, wobei davon ausgegangen wird, dass entweder eine Lieferzeit oder eine Lieferfrist bestimmt wurde. Fehlt eine solche Bestimmung, ist innerhalb einer angemessenen Frist zu leisten. Art 32 betrifft Nebenpflichten des Verkäufers bei einem Warenkauf, der den Transport der Ware einschließt, wie die Pflicht, für die Identifizierung der Ware zu sorgen und Auskünfte zu erteilen. Für internationale Warenkäufe typische Verkäuferpflichten, die in Art 30 auch als solche angeführt werden, werden schließlich in Art 34 CISG näher geregelt, nämlich die Pflicht zur Übergabe von Dokumenten, die sich auf die Ware beziehen, wie Frachtbriefe, Versicherungsnachweise, Ursprungszeugnisse, Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen usw. 19/21 Art 35 CISG umschreibt die Anforderungen, die eine Ware erfüllen muss, um hinsichtlich ihrer physischen Beschaffenheit als vertragsmäßig zu gelten, wobei an sich davon ausgegangen wird, dass die Parteien dies vereinbaren und die in Abs 2 angeführten Kriterien, wie die Eignung zum gewöhnlichen bzw zu einem offen gelegten besonderen Gebrauch, die Eigenschaften eines allenfalls als Muster oder zur Probe präsentierten Exemplars der Kaufware und die übliche Verpackung, nur Ergänzungsfunktion haben. Art 35 Abs 2 gibt einen objektiven Mindeststandard vor, wobei über die Eignung für den gewöhnlichen Gebrauch grundsätzlich die Standards im Lande des Verkäufers entscheiden, so dass die Ware nicht den diesem unbekannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Importlandes über die Sicherheit, Kennzeichnung oder Zusammensetzung einer Ware genügen muss35. Da der Begriff der Vertragswidrigkeit weit gefasst ist, ist auch die Falschlieferung nach Art 35 ff CISG zu beurteilen und kein Fall der Nichtlieferung. Gemäß Art 36 CISG ist der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Vertragsmäßigkeit der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, es sei denn, dass eine durch eine Pflichtverletzung des Verkäufers entstandene Vertragswidrigkeit erst später auftritt, oder der Verkäufer für einen bestimmten Zeitraum die Vertragsmäßigkeit garantiert hat. Art 37 CISG legt
35 OGH SZ 73/70 = CISG-online Nr 576. Es ist Aufgabe des Käufers, Entsprechendes in den Vertrag hinein zu reklamieren. Zuletzt OGH 7 Ob 302/05w = CISG-online Nr 1223; OGH 6 Ob 56/07i = CISG-online Nr 1435.
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bei vorzeitiger, nicht vertragsmäßiger Leistung die Bedingungen für die Heilung vor Fälligkeit fest. Gemäß Art 38 und 39 CISG trifft den Käufer eine Untersuchungs- und 19/22 Rügepflicht. Demnach ist der Käufer verpflichtet, die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen, wie es die Umstände erlauben, wobei er ein Recht auf Untersuchung vor Zahlung des Kaufpreises hat. Einen bei der Untersuchung entdeckten oder entdeckbaren Mangel muss der Käufer „innerhalb einer angemessenen Frist“ ab dem Zeitpunkt rügen, in dem er den Mangel festgestellt hat oder hätte feststellen müssen. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit sind somit nach CISG an deutlich weniger strenge zeitliche Vorgaben geknüpft als vor dem 1.1.2007 von § 377 HGB für den zweiseitigen Handelskauf vorgesehen worden war. Diese Divergenz ist jedoch durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz36 beseitigt worden, da § 377 UGB für den Fall, dass „der Kauf für beide Teile ein unternehmensbezogenes Geschäft“ ist, die „Frist für die Erhebung der Mängelrüge [. . .] entschärft“ hat: Es wird nämlich nicht mehr unverzügliche Prüfung und Rüge verlangt, sondern „im Anschluss an Art 39 Abs 1 UN-Kaufrecht“37 für die Mängelrüge nunmehr eine „angemessene Frist“ vorgeschrieben. Bei Unterlassung der Rüge verliert der Käufer sämtliche Rechte aus einer Vertragsverletzung des Verkäufers. Art 39 CISG normiert eine absolute Ausschlussfrist von zwei Jahren38. Nach Auffassung des OGH39 kann diese Frist nur dann ausgeschöpft werden, „wenn der Käufer die Ware nicht früher untersuchen oder wenn er trotz Untersuchung die Vertragswidrigkeit nicht früher feststellen oder wenn er trotz Feststellung der Vertragswidrigkeit diese nicht früher anzeigen konnte“. Alle Einschränkungen der Rechte des Käufers, die sich aus Art 38 und 39 CISG ergeben, gelten gemäß Art 40 CISG nicht, wenn der Verkäufer den Mangel im Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Ware kannte oder kennen musste und ihn dem Käufer nicht „offenbart“ hat. Was insgesamt als eine „angemessene Frist“ für die Erhebung der Mängel- 19/23 rüge im Sinne des Art 39 iVm Art 43 CISG anzusehen ist, muss für den jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Die Begriffe „so kurze Frist, wie es die Umstände erlauben“ und „angemessene Frist“ sind differenzierend 36 BGBl I 2005/120. 37 So die Begründung dieser Gesetzesänderung in der RV des HaRÄG, 1058 BlgNR 22. GP, 61; abrufbar zB über das Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes unter http://www.ris.bka.gv.at/ via „Bundesrecht“ und „Begutachtungsentwürfe, Regierungsvorlagen ab 2002“. 38 Zum Charakter als Ausschlussfrist jüngst OGH 9 Ob 75/07 f = CISG-online Nr 1628. 39 OGH ZfRV 2000/1 = CISG-online Nr 484.
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auszulegen40. Zu berücksichtigen sind die objektiven und subjektiven Umstände des konkreten Falls, insbesondere die betrieblichen und persönlichen Verhältnisse des Käufers, Eigenarten der Ware, der Umfang der Warenlieferung oder die Art des gewählten Rechtsbehelfs. Auf die kürzestmögliche Reaktion des Käufers darf nicht abgestellt werden. Wenn die Ware weder verderblich noch besonders schwer zu untersuchen ist, gelten als Faustregel 14 Tage als gerade noch angemessene Frist für Untersuchung und Rüge zusammen41, ein Monat wird meist als zu lang einzustufen sein. Fristen bis zu einem Monat, eventuell auch länger, können jedoch in besonderen Fällen für angemessen erachtet werden, so, wenn die Lieferung sehr umfangreich, die Untersuchung wegen der Komplexität der Ware langwierig ist, und sich der Mangel nur mit Verzögerung offen legt42. Bei verderblichen Waren ist die Rügefrist (samt Untersuchung) jedoch deutlich kürzer als 14 Tage anzusetzen. Die Beweislast dafür, dass eine Mängelrüge rechtzeitig und gehörig erhoben worden ist, trifft stets in vollem Umfang den Käufer43, doch kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, „ob der Verkäufer auf die Einhaltung der Rügeförmlichkeiten verzichtet hat oder die Berufung hierauf Treu und Glauben widerspräche, wenn er sich etwa auf eine verspätete oder unsubstanziierte Rüge einlässt und Abhilfe anbietet“44. 19/24 Im Unterschied zum autonomen Recht der Mängelrüge im (unternehmensbezogenen) Kaufgeschäft sind von der Rügepflicht nach CISG auch nicht genehmigungsfähige Aliud-Lieferungen im Sinne des § 378 UGB umfasst. Ebenso erfasst sind gemäß Art 41–43 CISG Rechtsmängel45. Hat der Käufer den Mangel nicht rechtzeitig angezeigt, muss er nicht zwingend alle Rechtsbehelfe verlieren. Denn wenn er eine „vernünftige Entschuldigung“ für das Unterlassen der rechtzeitigen Rüge hat, bleiben ihm nach Art 44 CISG das Begehren auf Preisminderung und der Anspruch auf Schadenersatz, wenngleich nur für den positiven Schaden und nicht auch für entgangenen Gewinn46: Eine analoge Bestimmung gibt es im autono-
40 41 42 43 44 45
Vgl OGH SZ 71/21 = CISG-online Nr 349; JBl 1999, 252 = CISG-online Nr 410. Vgl OGH JBl 1999, 252 = CISG-online Nr 410. OGH IHR 2001, 81 = CISG-online Nr 485. OGH IHR 2001, 81 = CISG-online Nr 485. OGH IHR 2001, 40 = CISG-online Nr 641. Vgl OGH 10 Ob 122/05x = CISG-online Nr 1364: „Zu den Schutzrechten des Art 42 gehören Patente jedweder Art“. 46 Eine analoge Bestimmung gibt es im autonomen Recht nicht, das nunmehr die Rechtsfolgen der Unterlassung der Rüge in § 378 Abs 2 und 3 UGB regelt. Aus diesen Gesetzesstellen ergibt sich, dass der Anspruchsverlust sich nicht auf Mangelfolgeschäden erstreckt.
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men Recht nicht, vielmehr entfallen nach UGB bei Verletzung der entsprechenden Obliegenheit(en) idR stets die Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche. In Art 45 ff CISG werden die Rechtsbehelfe, die dem Käufer bei einer dem 19/25 Verkäufer zurechenbaren Vertragsverletzung offen stehen47, geregelt, wobei sich diese nach der Art der Verletzung – ob wesentlich oder nicht – unterscheiden. Nur bei einer wesentlichen Vertragsverletzung des Verkäufers kann der Käufer gemäß Art 49 Abs 1 lit a) CISG ohne Setzung einer Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag erklären und gemäß Art 46 Abs 2 CISG Ersatzlieferung verlangen. Keine wesentliche Vertragsverletzung des Verkäufers setzt das Erfüllungsbegehren des Käufers nach Art 46 Abs 1 CISG voraus, ebenso nicht das Begehren auf Verbesserung gemäß Art 46 Abs 3 CISG. Gemäß Art 47 CISG muss der Käufer dem Verkäufer Gelegenheit zur Verbesserung geben, ehe er andere Rechte aus der Vertragsverletzung geltend machen kann. Das Verbesserungsrecht des Verkäufers ist nicht auf Gattungsschulden oder echte Qualitätsmängel beschränkt, doch verliert der Verkäufer sein Recht zur Mangelbehebung auf eigene Kosten, wenn die Verbesserung eine unzumutbare Verzögerung oder sonstige unzumutbare Unannehmlichkeiten für den Käufer hervorrufen würde. Gemäß Art 47 CISG kann der Käufer dem Verkäufer, der vertragswidrig 19/26 seine Pflichten verletzt, eine Nachfrist zur Erfüllung seiner Pflichten setzen. Bis zum Ablauf der Frist kann er dann, vom Anspruch auf einen erlittenen Verspätungsschaden abgesehen, keinen Rechtsbehelf aus der Vertragsverletzung ausüben. Hat der Verkäufer die Ware gar nicht geliefert und verstreicht auch die Nachfrist ergebnislos, kann der Käufer gemäß Art 49 Abs 1 lit b) CISG die Aufhebung des Vertrages erklären. Dagegen kann bei anderen Vertragsverletzungen, wie zB bei der Lieferung einer nicht vertragskonformen Sache, eine Vertragsaufhebung nur erklärt werden, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt. In diesem Fall kann der Käufer gemäß Art 49 Abs 2 lit b) (ii) nach erfolglosem Verstreichen der Nachfrist innerhalb einer angemessenen Frist die Aufhebung des Vertrages verlangen. Bei bloß unwesentlicher Vertragsverletzung kann der Käufer nach Ablauf der Frist wieder alle ihm zustehenden Rechtsbehelfe ausüben. Bei jeder Art von Verletzung von Vertragspflichten durch den Verkäufer 19/27 steht dem Käufer das Recht auf Preisminderung gemäß Art 50 CISG zu. 47 Zum Verhältnis dieser Rechtsbehelfe und der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages vgl OGH IHR 2006, 87 = CISG-online Nr 1047.
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Dieses Recht, das erst ausgeübt werden kann, wenn eine mögliche Verbesserung, die auch zumutbar sein musste, nicht erfolgt ist, hat das überkommene Preisminderungsrecht des deutschen und österreichischen Rechts zum Vorbild. Für die Berechnung der Minderung gilt daher auch hier die relative Berechnungsmethode nach der Formel:
Wichtig und für internationale Warenkäufe sachlich angemessen ist, dass der Zeitpunkt der Lieferung und nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als für die Wertberechnung maßgeblicher Zeitpunkt bestimmt wurde. Der Käufer kann sich, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, aller ihm offenstehenden Rechtsbehelfe bedienen und die Rechtsbehelfe der Art 45 ff CISG mit dem Schadenersatzanspruch kombinieren, doch darf keine doppelte Kompensation eines Nachteils erfolgen. Daher muss bei der Festlegung des Schadenersatzes darauf Bedacht genommen werden, ob der Vertrag bereits aufgehoben ist oder nicht.
3. Käuferpflichten und Verkäuferrechtsbehelfe (Art 53–65 CISG) 19/28 Gemäß Art 53 ff CISG hat der Käufer den Preis zu zahlen und die gekaufte Ware anzunehmen, wobei sich die Annahmepflicht nicht in der eigentlichen Übernahme erschöpft und die Zahlungspflicht auch auf „flankierende Maßnahmen“ erstreckt, die sich aus dem Vertrag oder aus Rechtsvorschriften ergeben. Vertraglich kann der Käufer etwa zur Stellung einer bankmäßigen Sicherheit verhalten sein, devisenrechtliche Bestimmungen können verlangen, dass er Genehmigungen für den grenzüberschreitenden Geldtransfer besorgen muss. Art 55 CISG, der regelt, wie der Kaufpreis zu berechnen ist, ist in erster Linie eine Auslegungshilfe, wobei es nach dieser Bestimmung möglich ist, dass ein Angebot auch dann wirksam sein kann, wenn der Preis bewusst offen gelassen worden ist. Der Kaufvertrag wird dann als zu einem angemessenen Preis geschlossen angesehen. Während Art 56 CISG über die Berechnung des nach Gewicht bestimmten Preises anhand des Nettogewichts ursprünglich mit dem durch das HaRÄG als „bedeutungslos“ aufgehobenen § 380 HGB48 überein48 Vgl Erl zur RV des HaRÄG, 1058 BlgNR 22. GP, 62: „Die derzeit geltende Bestimmung des § 380 HGB (nach Gewicht einer Ware bestimmter Kaufpreis berechnet sich ohne Verpackung) ist praktisch bedeutungslos und soll gestrichen werden.“
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stimmte, macht die unmittelbar folgende Bestimmung insofern einen Unterschied zum österreichischen Recht, als sie mangels entgegenstehender Vereinbarung die Geldschuld als „Bringschuld“ definiert. Gleichwohl ergeben sich aus der Divergenz des Art 5749 zur qualifizierten Schickschuld des § 905 Abs 2 ABGB keine wirklich relevanten Unterschiede. Auf den internationalen Charakter des Kaufvertrages wird von Art 58 insofern Bedacht genommen, als nicht nur die Übergabe der Kaufsache, sondern auch die Aushändigung der Dokumente, die zur Verfügung über die Ware berechtigen, von der Zahlung abhängig gemacht werden kann. Ansonsten ist auch im CISG der bewährte Zug-um-Zug-Grundsatz anerkannt50. Die Rechtsbehelfe, die dem Verkäufer bei einer Vertragsverletzung des 19/29 Käufers zur Verfügung stehen, sind in Art 61 ff CISG in weitgehender Parallelität zu Art 45 ff CISG geregelt. So kann der Verkäufer gemäß Art 63 CISG dem mit der Zahlung oder Abnahme säumigen Käufer eine Nachfrist zur Erfüllung seiner Pflichten setzen51, bis zu deren Ablauf er keinen Rechtsbehelf mit Ausnahme des Anspruchs auf den Verspätungsschaden ausüben darf. Wenn der Käufer die Kaufpreiszahlung nicht geleistet hat, ehe die Nachfrist abläuft, kann der Verkäufer gemäß Art 64 Abs 1 lit b) CISG die Aufhebung des Vertrages erklären. Hier gilt für die Rechtsbehelfe des Verkäufers mutatis mutandis das Gleiche wie für die Rechtsbehelfe des Käufers bei der Verletzung von Vertragspflichten durch den Verkäufer: Auch der Verkäufer kann gemäß Art 64 Abs 2 CISG innerhalb einer angemessenen Frist nach die Aufhebung des Vertrages erklären, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt und bei bloß unwesentlicher Vertragsverletzung nach erfolglosem Verstreichen der Nachfrist wieder alle ihm zustehenden Rechtsbehelfe ausüben. Auch ihm steht zusätzlich zu seinen verkäuferspezifischen Rechtsbehelfen die Möglichkeit offen, Schadenersatz gemäß Art 74 ff CISG zu begehren. Der Verkäufer kann schließlich gemäß Art 65 CISG im Falle eines Spezifikationskaufes die vom Käufer unterlassene Spezifizierung nach denselben Grundsätzen vornehmen, die vor dem 1.1.2007 § 375 HGB vorgesehen hatte: Diese nunmehr aufgehobene und durch § 1063b ABGB ersetzte Bestimmung war das Vorbild für die einschlägige CISG-Norm.
49 Zur Frage des Verhältnisses von Art 5 Nr 1 lit b) EuGVVO zu Art 57 CISG: OGH ecolex 2008/229, 632 = CISG-online Nr. 1680. 50 OGH IHR 2006, 87 = CISG-online Nr 1156; OGH ecolex 2007/72, 172 = CISG-online Nr 1417. 51 OGH ZfRV 1997/83 = CISG-online Nr 340; OGH SZ 73/5 = CISG-online Nr 581.
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4. Übergang der Gefahr (Art 66–70 CISG) 19/30 In fünf Artikeln regelt CISG beginnend mit Art 66 den Übergang der Preisgefahr. Bei internationalen Warenkäufen, die sich in vielen Fällen auch auf die Beförderung der Ware beziehen, ist die Frage des Gefahrübergangs wegen der oft großen räumlichen Entfernung, welche die Ware vom Verkäufer zum Käufer zurücklegen muss, besonders wichtig. In diesen auf inhaltliche Auffüllung durch INCOTERMS in der Vertragspraxis ausgerichteten Bestimmungen steht das Bemühen erkennbar im Vordergrund, den Gefahrübergang an den Wechsel der Sachherrschaft zu koppeln. Diese Aufgabe erfüllt der Auffangtatbestand des Art 69 CISG. Allerdings besteht wegen der Vielfalt der international eingeführten Formen des Güterumsatzes ein Bedarf an besonderen Regeln für den Versendungskauf, den Kauf reisender Ware und den Fernkauf, dem das CISG in Art 67, 68 und 69 Abs 2 Rechnung trägt. 5. Vorweggenommene Vertragsverletzung und Verträge über aufeinanderfolgende Leistungen (Art 71–73 CISG) 19/31 Unter diese Überschrift sind drei Artikel des Übereinkommens gestellt, die zum einen die Voraussetzungen regeln, unter denen die eine Partei eines internationalen Kaufvertrages bei drohender Vertragsverletzung durch die andere zur Aussetzung der Erfüllung eigener Vertragspflichten außerhalb eines Sukzessivlieferungsvertrages berechtigt ist. Sie betreffen somit eine Materie, die funktionell der Unsicherheitseinrede des § 1052 ABGB entspricht. Zum anderen beinhaltet dieser Abschnitt in Art 73 CISG auch die Regeln, nach denen sich die Aufhebung eines in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Sukzessivlieferungsvertrages richten. Die Aussetzung der eigenen Leistung gemäß Art 71 CISG setzt schwerwiegende leistungsgefährdende Umstände sowie wirtschaftliche Schwierigkeiten einschließlich des Mangels an Kreditwürdigkeit des Vertragspartners voraus, zB die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners oder die Einstellung der Zahlungen oder Lieferungen durch den Schuldner. Einzelne verspätete Zahlungen oder eine schleppende Zahlungsweise genügen aber noch nicht, um einen schweren Mangel der Kreditwürdigkeit anzuzeigen52.
52 OGH SZ 71/21 = CISG-online Nr 349: Bei grundsätzlicher Zustimmung zur Argumentation des OGH kritisiert Karollus in seiner Anmerkung, JBl 1999, 56, diese Anforderungen als zu streng. Auch „[d]as Vorliegen eines Insolvenzgrundes – oder des unmittel-
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6. Schadenersatz, Verzugszinsen und „Befreiungen“ (Art 74–80 CISG) Das Schadenersatzrecht des CISG folgt dem Grundsatz, dass für Schäden, 19/32 die aus der Nichterfüllung von Vertragspflichten entstanden sind, im Rahmen der Vorhersehbarkeit verschuldensunabhängig zu haften ist. Dieser, dem österreichischen Haftungsrecht an sich fremde Grundsatz stammt aus dem anglo-amerikanischen Vertragshaftungsrecht53, das ihn seinerseits im 19. Jahrhundert aus dem französischen Zivilgesetzbuch entlehnt haben soll. Die Haftung nach dem CISG stellt sich als eine Art von „Garantiehaftung“ dar, da es weder auf Verschulden noch darauf ankommt, dass eine Schädigung als anfängliche oder nachträgliche Störung der Leistungsabwicklung auftrat. Gleichwohl unterscheiden sich die Vertragsrechte der Common law-Tradition und die auf Verschulden aufbauenden kontinentaleuropäischen Systeme des vertraglichen Schadenersatzes im Ergebnis nicht allzu sehr: Einerseits gleichen sich Vorhersehbarkeit und Rechtswidrigkeitszusammenhang in funktioneller Hinsicht, andererseits enthält der im Garantiesystem integrierte Befreiungstatbestand des Art 79 CISG verschuldensähnliche Elemente und wird schließlich das Verschuldenserfordernis in den kontinentalen Rechten immer mehr objektiviert. Für die Frage, wann ein Schaden gemäß Art 74 CISG als „vorhersehbar“ 19/33 zu qualifizieren ist, kommt es unter Anlegung eines objektiven Maßstabs54 darauf an, was „bei Aufrechterhaltung und Durchführung des Vertrages“ vom vertragstreuen Teil erwartet hätte werden können. Es ist dann der gesamte durch die Vertragsverletzung bewirkte, vorhersehbare Verlust einschließlich des entgangenen Gewinns zu ersetzen55. Jedoch ist „ein entgangener Gewinn, den der Käufer bei gehöriger Erfüllung der Verkäuferverpflichtung durch Weiterveräußerung der Ware hätte erzielen können, [. . .] vom Verkäufer nur dann zu ersetzen, wenn er mit der Weiterveräußerung rechnen musste“, was beim Verkauf handelbarer Ware an einen mit Warenhandel befassten Unternehmer wohl stets zu bejahen ist56. Im Übrigen ist sowohl die Möglichkeit der „konkreten“ Berechnung an Hand eines Deckungskaufs gemäß Art 75 als auch eine „abstrakte“ Schadensermittlung durch Vergleich mit dem Marktpreis der Ware nach Art 76 CISG
53 54 55 56
baren Vorstadiums dazu“ müsse nach Karollus für eine Aussetzung gemäß Art 71 CISG genügen. Vgl die berühmte Leitentscheidung Hadley v. Baxendale [1854] 9 Exch. 341. OGH SZ 2002/1 = CISG-online Nr 643. OGH IHR 2001, 39 = CISG-online Nr 573. OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224; vgl auch OGH SZ 73/75 = CISG-online Nr 581.
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gegeben, doch kann der Gläubiger statt dessen nach Aufhebung des Vertrags den Nichterfüllungsschaden im engeren Sinn nach der allgemeinen Norm des Art 74 berechnen57. 19/34 Den Geschädigten trifft nach Treu und Glauben eine Pflicht zur angemessenen Schadensminderung gemäß Art 77 CISG. Soweit der durch eine Vertragsverletzung verursachte Schaden durch eine zumutbare Maßnahme hätte verringert werden können, ist er nicht zu ersetzen58. Art 78 CISG regelt den Anspruch auf Verzugszinsen und Art 79 CISG die Befreiungsgründe. Art 79 Abs 1 CISG verlangt für den Entfall der Schadenersatzpflicht einen außerhalb des subjektiven Einflussbereichs des Schuldners liegenden Hinderungsgrund, den dieser vernünftigerweise bei Vertragsabschluss nicht in Betracht ziehen und auch nicht vermeiden oder überwinden konnte. Aus Art 79 Abs 2 CISG geht hervor, dass der Geschäftsherr für den durch seine Gehilfen verursachten Schaden haftet, es sei denn, dass sowohl Geschäftsherr als auch Gehilfe nach Art 79 Abs 1 CISG von ihrer Einstandspflicht befreit wären. Die an der Erfüllung ihrer Pflichten nach Art 79 Abs 1 und 2 CISG gehinderte Vertragspartei hat die Verhinderung der anderen Partei in angemessener Frist anzuzeigen, ansonsten haftet sie trotz Befreiung für allen Schaden, der aus der Unterlassung dieser Mitteilung entstanden ist, gemäß Art 79 Abs 4 CISG. Gemäß seinem Abs 5 befreit Art 79 CISG nur von der Schadenersatzpflicht, sodass andere Rechte wie zB das Aufhebungs- und Minderungsrecht, die Ansprüche auf den Zinsschaden und die Aufwandsersatzansprüche gemäß Art 85 und 86 aus einer unter Art 79 CISG fallenden Vertragsverletzung aufrecht bleiben. Umstritten ist jedoch, wieweit befreiende Umstände gemäß Art 79 CISG auf Erfüllungs- und Verbesserungsbegehren einwirken können. Für Fälle objektiver Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Erfüllung ist ein Entfall von Erfüllungs- und Verbesserungsanspruch jedenfalls zu vertreten, auch wenn dies von den Redaktoren des Art 79 CISG offenbar nicht gewollt war. In jedem Fall verhindert eine Befreiung von der Schadenersatzpflicht gemäß Art 79 nicht, dass der vertragsbrüchige Schuldner dem beschwerten Gläubiger auf bereicherungsrechtlicher Grundlage das herauszugeben hat, was in seinem Vermögen an die Stelle der etwa untergegangenen oder beschädigten Sache getreten ist59.
57 OGH SZ 73/75 = CISG-online Nr 581. 58 OGH SZ 69/26 = CISG-online Nr 224. 59 Dass das „stellvertretende commodum“ herauszugeben ist, ist aus einer Analogie zu Art 88 Abs 2 lit b) CISG abzuleiten.
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Teil III: Materielles Kaufvertragsrecht
§ 19
7. Wirkungen der Aufhebung und Erhaltung der Ware (Art 81–88 CISG) Schließlich regeln Art 81 bis 84 CISG auch noch die bereicherungsrechtli- 19/35 chen Ansprüche als Folge der Vertragsaufhebung. Unter Verzicht auf Einzelheiten sei nur angemerkt, dass insbesondere Art 82 Abs 1 CISG von der Rechtslage im ABGB abweicht. Denn der Käufer, dem es nicht möglich ist, die Ware zurückzugeben, verliert das Recht zur Aufhebungserklärung. Allerdings wird diese Abweichung durch die drei im folgenden Absatz normierten Ausnahmetatbestände – die Unmöglichkeit der Rückgabe ist nicht vom Käufer zu verantworten, die Kaufsache ist als Folge der Untersuchung auf Mängel untergegangen, der Käufer hat die Ware im normalen Geschäftsverkehr weiterverkauft oder ihrer normaler Verwendung entsprechend verbraucht – relativiert60. Hat eine Vertragspartei eine Ware in ihrer Gewahrsame, die eigentlich in den Händen der anderen Partei sein sollte, trifft sie die Pflicht zur Erhaltung der Ware: So soll sichergestellt werden, dass sich der wirtschaftliche Verlust der vertragsbrüchigen Partei in Grenzen hält. Diese Pflicht besteht für den Verkäufer gemäß Art 85 CISG bei Annahmeverzug und für den Käufer, wenn eine zugesandte und ihm am Bestimmungsort zur Verfügung gestellte Ware vertragswidrig ist, da sie der an sich zurückweisungsberechtigte Käufer gemäß Art 85 Abs 2 CISGF vorläufig übernehmen muss. Die erhaltungspflichtige Partei hat die den Umständen angemessenen Maßnahmen zu setzen. Das bedeutet, dass die konkrete Ware allenfalls bei einem Dritten eingelagert oder nach Maßgabe von Art 88 CISG verkauft werden muss. Für ihre Aufwendungen stehen der erhaltungspflichtigen Vertragspartei ein Ersatzanspruch und allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht zu.
60 Aus der Rsp des OGH vgl SZ 72/109 = CISG-online Nr 483.
239
ANHANG UN-Kaufrechtskonvention (CISG) – Die 74 Vertragsstaaten am 1. Juli 2010 Albanien Ägypten Argentinien Armenien Australien Belgien Bosnien-Herzegovina Bulgarien Burundi Chile China Dänemark Deutschland Ecuador El Salvador Estland Finnland Frankreich Gabun Georgien Griechenland Guinea Honduras Irak Island Israel Italien Japan Kanada Kolumbien Korea (süd) Kroatien Kuba Kyrgisistan Lesotho Lettland Libanon
seit 01.06.2010 seit 01.01.1988 seit 01.01.1988 seit 01.01.2010 seit 01.04.1989 seit 01.11.1997 seit 06.03.1992 seit 01.08.1991 seit 01.10.1999 seit 01.03.1991 seit 01.01.1988 seit 01.03.1990 seit 01.01.1991 seit 01.02.1993 seit 01.12.2007 seit 01.10.1994 seit 01.01.1989 seit 01.01.1988 seit 01.01.2006 seit 01.09.1995 seit 01.02.1999 seit 01.02.1992 seit 01.11.2003 seit 01.04.1991 seit 01.06.2002 seit 01.03.2003 seit 01.01.1988 seit 01.08.2009 seit 01.05.1992 seit 01.08.2002 seit 01.03.2005 seit 08.10.1991 seit 01.12.1995 seit 01.06.2000 seit 01.01.1988 seit 01.08.1998 seit 01.12.2009
Liberia Litauen Luxemburg Mauretanien Mazedonien (FYROM) Mexiko Moldavien Montenegro Mongolei Neuseeland Niederlande Norwegen Österreich Paraguay Peru Polen Rumänien Russische Föderation Sambia St.Vincent u. Grenadien Schweden Schweiz Serbien Singapur Slowakei Slowenien Spanien Syrien Tschechien Uganda Ukraine Ungarn Uruguay USA Usbekistan Weißrussland Zypern
seit 01.10.2006 seit 01.02.1996 seit 01.02.1998 seit 01.09.2000 seit 17.11.1991 seit 01.01.1989 seit 01.11.1995 seit 03.06.2006 seit 01.01.1999 seit 01.10.1995 seit 01.01.1992 seit 01.08.1989 seit 01.01.1989 seit 01.02.2007 seit 01.04.2000 seit 01.06.1996 seit 01.06.1992 seit 01.09.1991 seit 01.01.1988 seit 01.10.2001 seit 01.01.1989 seit 01.03.1991 seit 27.04.1992 seit 01.03.1996 seit 01.01.1993 seit 25.06.1991 seit 01.08.1991 seit 01.01.1988 seit 01.01.1993 seit 01.03.1993 seit 01.02.1991 seit 01.01.1988 seit 01.02.2000 seit 01.01.1988 seit 01.12.1997 seit 01.11.1990 seit 01.04.2006
Manche Staaten haben von Vorbehaltsmöglichkeiten der Art 92 ff CISG Gebrauch gemacht.
240
Sachverzeichnis Die Zahl vor dem Schrägstrich verweist auf die mit § gekennzeichneten Kapitel, die Zahl(en) nach dem Schrägstrich verweisen, auf die jeweilige Randzahl.
A Abhängige Rechtsgeschäfte 7/3; 15/18, 20 Abhandlungsjurisdiktion 12/3 acquis communautaire 17/2, 12 Adoption 7/8; 11/16 f Adoptionsübereinkommen, Haager 3/4; 11/11, 16 f Agenda, digitale s digitale Agenda Allgemeine Geschäftsbedingungen 16/6; 17/6; 18/9; 19/1, 9 Alternativanknüpfung s Anknüpfung, alternative Amtshaftung 15/31 Amtswegigkeit 4/3; 6/14 ff Anerkennung, gerichtlicher Entscheidungen 1/6, 7 Angleichung 5/4; 15/2; 17/1 ff Anknüpfung 7/1 ff Anknüpfung, akzessorische 7/9; 11/8; 15/18, 20, 29, 37 Anknüpfung, alternative 7/7; 11/1; 14/2 Anknüpfung, fakultative 7/8 Anknüpfung, gekoppelte 7/8 Anknüpfung, kumulative 7/8; 11/16 Anknüpfung, selbstständige 6/13 Anknüpfung, unselbstständige 6/13 Anknüpfungsgegenstand 6/4 Anknüpfungsgrund s Anknüpfungsmoment(e) Anknüpfungsmoment(e) 6/4, 8, 15; 8/5; 9/1 ff; 15/4 ff Arbeitskampfmaßnahmen 15/34 Arbeitsverträge 9/1, 12; 13/11; 15/5, 17
Atomhaftung 15/49 Aufenthalt, gewöhnlicher 9/2 ff, 7; 11/01, 5 ff, 15, 18 f; 12/7; 15/11 Aufrechnung 15/20 Auslandseheschließung 11/3 Auslegung 6/8 f, 11; 14 ff; 15/23; 17/4 Auslegung, richtlinienkonforme 3/5; 18/2 Auslegung, übereinkommensautonome 6/8; 17/4, 14 ff; 19/10 Ausweichklausel 9/1; 15/6, 12, 14, 17, 18, 27, 32, 35 Auswirkungsprinzip 15/29
B B2A-Verträge (Business-to-Administration-Verträge) 16/2 FN 6 B2B-Verträge (Business-to-Business-Verträge) 16/5 ff B2C-Verträge (Business-to-ConsumerVerträge) 16/8 ff Baurecht 13/2 Beförderungsverträge 9/1; 15/2, 14 f Belegenheitsort 9/1, 15; 12/4; 13/1, 5; 15/16, 22, 30 Bereicherung 3/7; 15/28, 30, 31, 35 Besitz 13/2 Bestandverträge s Mietverträge Binnenmarkt 17/7 Brüssel I-Verordnung 1/6, 7; 18/7 Brüssel II-Verordnung 1/6 Brüssel IIa-Verordnung 1/6, 7; 18/7 Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen s EWG-
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B–E Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Business-to-Administration-Verträge s B2AVerträge Business-to-Business-Verträge s B2B-Verträge Business-to-Consumer-Verträge s B2CVerträge
C charakteristische Leistung 9/16; 15/4, 11 f, 18, 27; 16/6 f; 19/6 Centros-Judikatur 4/7; 9/10; 10/6 f CIEC 3/4; 6/3; 11/11, 13; 17/7 CIM 15/2; 17/10 CISG s UN-Kaufrecht CIV 15/2; 17/10 CMR 15/2; 17/10 Code civil 9/2; 17/9 common law marriages 11/3 conflict of laws 1/5 conflits de lois 1/5 COTIF 15/2; 17/10 culpa in contrahendo 3/7; 15/31, 37 cyberlaw 16/1 ff, 3
D Deliktsfähigkeit 7/9; 10/2 Deliktsstatut 7/9; 9/15; 10/2; 15/28 f, 32, 34, 49 Dienstbarkeiten 13/2 Dienstvertrag 15/17 (sa Arbeitsverträge, Dienstleistungsverträge) Dienstleistungsverträge 15/11; 16/6, 7, 8 digitale Agenda 16/3 dingliche Rechte 9/15; 11/7; 12/4; 13/2 ff; 15/13, 22 Direktklage 15/39, 45 Direktwirkung, horizontale 18/2 Direktwirkung, vertikale 18/2 Direktwirkung, von Richtlinien 18/2 disclaimer 16/10, 11 Distanzgeschäfte 14/2, 4 domicil(e) 6/11; 9/6 Doppelstaater 9/5 Download 16/2
242
Sachverzeichnis
E eBusiness 16/1 ff E-Commerce-Gesetz 16/13 EG-Richtlinie 3/5; 4/8; 15/2; 18/2 EG-Verordnung 3/5; 4/8; 15/1, 2; 18/2 Eheaufhebung 11/8 Ehefähigkeit 1/2; 11/4 Ehegüterrecht 9/11; 11/1, 5, 7 Ehehindernisse 11/4 eheliche Abstammung 6/12; 8/4; 11/12, 14 Ehelicherklärung 11/13 Ehenichtigkeit 11/4, 8 Eherecht 11/2 ff Ehescheidung 11/8 Eheschließung 7/3; 11/3 f Ehewirkungen 6/4; 9/4; 11/5 f Eigentum 13/2; 15/13; 19/8 Eigentum, geistiges 13/9; 15/34 eingetragene Partnerschaft 11/2, 6, 20 Eingriffsnormen 8/1, 4; 12/4; 15/10, 17, 19, 39, 47 Einheitliche Europäische Akte 17/7; 18/3 Einheitsprivatrecht 1/2, 5; 5/4; 17/1 ff; 18/1 ff; 19/1 ff Einheitsrecht 17/1 ff; 17/5, 10 Einzelermächtigung, begrenzte 18/5 Einzelstatut 11/7; 12/4; 13/6 electronic commerce s Geschäftsverkehr, elektronischer Enteignung 13/3 Entscheidung, gem Art 249 EG 18/2 Erbrecht 4/3; 9/2, 11 f; 12/1 ff Erbschaftserwerb 12/4 Erbsentschlagung 12/4 Erbserklärung 12/4 Erbstatut 7/1; 12/4 Erbunwürdigkeit 12/4 Erbvertrag 12/6; 14/3 Erbverzicht 12/4, 6; 14/3 Erfolgsort 9/16; 10/8; 15/6, 32, 34 Erstfrage 6/12, 13 EuGH 4/8; 18/2, 6 Europäische Union 17/7 Europarat 9/8; 17/7, 12 f, 16 Europaverträge 18/4 EVÜ s EWG-Vertragsrechtsübereinkommen
E–M
Sachverzeichnis
EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) 1/6 EWG-Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ) 3/3, 4; 4/3; 15/3, 7 f EWR-Abkommen 1/6; 18/4 Exklusivnormen 6/5; 11/6; 12/4
F Familienrecht 4/3; 11/1 ff Favor-Prinzip 7/7 favor divortii 11/8 favor legitimationis (legitimitatis) 11/13 favor testamenti 12/1 Fernabsatz 15/47; 16/9; 18/9 Flüchtlinge 9/2, 4 Forderungen 13/4; 15/20 Forderungsabtretung s Zession Form 7/4, 7; 11/3; 12/6 f; 13/4; 14/2 ff; 15/22, 23, 39; 19/11 formelle Gegenseitigkeit 1/9 Franchiseverträge 13/9; 15/11 Fremdenrecht 1/9
G Geltungsannahme 15/10 FN 41 Gemeinschaftsrecht 18/1 ff Gesamtschuld 15/20 Gesamtstatut 11/7; 12/4; 13/6 Gesamtverweisung 4/3; 6/6, 9; 7/1 ff; 9/4; 11/20; 12/4; 15/10 FN 45, 41 Geschäftsfähigkeit 1/2; 10/2 f, 5; 14/5; 15/1, 24; 19/8, 12 Geschäftsführung ohne Auftrag 3/7; 4/3; 9/1; 15/28, 31, 36 Geschäftsverkehr, elektronischer 16/1 ff, 12 f; 18/9 Gesellschaftsrecht 10/5 ff; 15/2, 9; 18/7 Gläubigeranfechtung 15/30 Gliedstaatenverweisung 7/5 Grünbuch Erb- und Testament 3/11 Gründungsrechtstheorie 9/9 Grundfreiheiten 4/7; 8/1; 18/1, 4 Grundstücksverträge 14/5; 15/13 Gütertransportverträge 15/14; 17/10
H Haager Konferenzen 3/2; 11/11; 17/8, 10, 13 Haager Adoptionsübereinkommen s Adoptionsübereinkommen Haager Kaufrecht s Kaufrecht Haager Minderjährigenschutzübereinkommen s Minderjährigenschutzübereinkommen Haager Straßenverkehrsübereinkommen s Straßenverkehrsübereinkommen Haager Testamentsübereinkommen s Testamentsübereinkommen Haager Unterhaltsstatutübereinkommen s Unterhaltsstatutübereinkommen
L Legitimation 3/4; 11/11, 13, 14 letztwillige Verfügung 9/16; 12/2, 6 f (sa Testament) lex causae 10/2; 14/2, 5; 15/21, 22 lex fori 1/3 f; 2/2 f; 6/9, 13; 8/4; 11/6; 15/4, 6, 23, 30, 44; 19/9 lex loci actus 9/16; 14/2; 15/22 lex loci delicti commissi 2/2; 9/16; 15/6, 32 lex loci protectionis 15/34 lex mercatoria 9/14; 15/10; 17/6; 19/3 lex rei sitae 2/2, 5; 4/1; 7/9; 9/15; 13/1; 15/13 (sa Belegenheitsort) Liegenschaftsbenützungsverträge 15/13, 22, 48 Liegenschaftsstatut 12/4 (sa Belegenheitsort) local data 15/39, 44 lois d’application immédiate 8/4; 15/19 loi uniforme 3/3; 11/11; 12/7; 15/31, 42; 17/5, 11 Luganer Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (LGVÜ) 1/6
M Markenrechte 13/9; 16/12, 14; 18/7 Marktort 16/11 f Mehrstaater 9/5 Mieterschutz 8/4; 15/13 Mietverträge 15/13, 22 Minderjährigenschutzübereinkommen, Haager 3/4; 9/4 f; 11/8, 11, 14 f, 19
243
M–S
Sachverzeichnis
missbräuchliche Klauseln, in Verbraucherverträgen 15/46; 18/9
Q
N
R
Nachbarrecht 13/2 Nachlasserwerb 12/4 Nachlassinsolvenz 12/4 Nachlassseparation 12/3 f Nachlassspaltung 12/3 f Namensrecht 10/9 f; 11/5, 8 Namensschutz 10/9 f Niederlassung 10/5 f; 15/4, 11, 17; 16/7, 12 f Notariatsakt 14/4
Ratifikation 3/5; 15/40; 17/13 Reallasten 13/2 Realstatut 2/2; 13/1, 4, 6 (sa Belegenheitsort) Rechtsangleichung (s Angleichung) 15/2; 17/5, 7, 11; 18/1 ff Rechtsangleichung, gemeinschaftsrechtliche 17/11; 18/1 ff Rechtsangleichung, richterrechtliche 18/6 Rechtsfähigkeit 10/2, 5; 15/24 Rechtsgeschäfte 14/1 ff; 15/1 ff; 19/1 ff Rechtsgeschäfte, abhängige s Abhängige Rechtsgeschäfte Rechtsunion 18/3 Rechtsvereinheitlichung 15/2, 3; 17/1 ff; 17/11; 18/1 ff Rechtsvereinheitlichung, internationale 17/9 Rechtsvereinheitlichung, interne 17/9 Rechtsvereinheitlichung, regionale 17/12 Rechtsvereinheitlichung, universale 17/12 Rechtswahl 6/14; 7/6; 9/11 ff; 10/9; 11/7, 20; 12/1, 4; 14/1; 15/5, 10, 15, 16, 17, 27, 29, 35 ff, 44, 47; 16/6, 9, 12; 17/6 (sa Parteiautonomie) renvoi 7/3; 15/40 (sa Rückverweisung) res in transitu 13/1, 7 Reskriptlegitimation 11/13 Retentionsrecht 13/2 Rom I-Verordnung 3/4, 6 ff; 6/6; 7/3, 4; 8/1, 4; 9/1, 11, 13; 14/1, 5, 7; 15/1 ff, 7 f, 9 ff Rom II-Verordnung 3/6 ff; 6/6; 7/3, 4; 8/1; 9/1, 11, 16; 10/2, 8, 10; 14/1, 7; 15/1 ff, 6, 7 f, 31 ff Rückverweisung 7/1, 3; 9/4; 15/45 Rügepflicht (CISG) 19/22 ff
O Obsorge 4/3; 11/19 Online-Handel 16/1 ff Online-Shop 16/1 ff ordre public 2/4; 4/3; 8/1 ff; 11/4, 9; 13/1, 3; 14/4; 15/6, 25 (sa Vorbehaltsklausel) Organe, juristischer Personen 14/1, 6
P Pachtverträge s Mietverträge Parteiautonomie 9/11 ff; 15/5, 10, 17, 34, 38, 41 Patentrechte 13/9; 16/12, 14 Pauschalreise 15/15; 18/9 peer-to-peer-Verbindungen 16/1 Personalstatut 2/2, 4; 4/1; 9/2 ff; 10/1, 2 ff; 11/1, 6, 8, 11 ff; 12/4 ff; 15/4 Persönliche Rechtswirkungen der Ehe s Ehewirkungen Persönlichkeitsrechte 10/1, 8 ff; 15/31, 40, 41 Personenrecht 4/3; 10/1 ff Pfandrecht 13/2, 7 Pflegschaft 11/19 Principles of International Commercial Contracts 17/6 Principles of European Law (PEL) 18/1 Privatautonomie 9/11 ff; 15/5 (sa Parteiautonomie) Produkthaftung 9/1; 15/33; 17/10, 12; 18/9; 19/8 Provider 16/1 ff, 8
244
Qualifikation 6/6; 7 ff
S Sachrecht 6/1, 4 Sachenrecht 13/1 ff Sachnormverweisung 6/6; 7/1 ff, 4; 9/4; 11/13; 14/2; 15/10, 40; 16/13 Sachwalterschaft 10/1, 3; 11/19 Satellitenfernsehen 13/10
S–U
Sachverzeichnis
Schadenersatz, außervertraglicher 4/3; 10/10; 15/3, 6, 28 ff, 31 ff Scheidung 11/8 Schiedsgerichte 1/8; 9/14 Schuldrecht 15/1 ff Schuldstatut 15/1 Schuldverhältnis 15/1 ff Schuldverhältnis, außervertragliches 3/6, 7; 15/28 ff Schutzlandanknüpfung 13/9, 11, 12; 16/14 Sendelandprinzip 13/10; 16/15 Sitz, der Verwaltung 9/1, 9 f; 10/5 ff; 13/4, 7; 14/6; 15/11, 14 Sitz (EVÜ, Rom I) 15/11, 14 Sitztheorie 9/9 f; 10/5 ff Software 16/1 ff Staatenlose 9/4 Staatsangehörigkeit s Personalstatut Staatsbürgerschaftsgrundsatz 4/1; 9/2 ff Statut, wandelbares 8/5; 11/5, 14 Statut, unwandelbares 8/5; 11/12, 16 statuta mixta 2/2 statuta personalia 2/2 statuta realia 2/2 Statutentheorie 2/2; 6/4 Statutenwechsel 8/5 f; 11/5; 13/5 Stellvertretung 14/5 f; 15/7, 8, 23; 19/9, 12 Straßenverkehrsübereinkommen, Haager 3/4 f; 8/1; 10/2; 15/3, 5, 28, 40, 40 ff Straßenverkehrsunfall 15/42 ff Streik 15/34 Stufenqualifikation 6/9 sujets mixtes 9/5 talaˉ q 11/9
T Teilfrage 6/12 Teilzeitnutzungsvertrag s Time-Sharing Telekommunikationstechniken 13/10 Teleshopping 16/1 ff Territorialitätsprinzip 1/9; 2/1; 13/9; 16/14 Testament 12/2, 6, 7; 15/9, 31 Testamentsform 12/2, 6 f Testamentsübereinkommen, Haager 3/4; 7/7; 12/2, 6 f Testierfähigkeit 12/6 Time-Sharing 15/48; 18/9 Todeserklärung 10/4
Transport, Sachen auf dem 13/7 Transportmittel 13/7 Transportrecht 15/2, 14; 17/10
U Umweltschädigung 15/34 UN-Kaufrecht 3/4; 15/2, 25; 16/5; 17/10; 19/1 ff UN-Kaufrecht – allgemeine Bestimmungen 19/6 ff UN-Kaufrecht – Anwendungsbereich 19/6 ff UN-Kaufrecht – Aufbau 19/5 UN-Kaufrecht – Auslegung 19/10 UN-Kaufrecht – Ausschluss 19/9 UN-Kaufrecht – Gefahrtragung 19/30 UN-Kaufrecht – Käuferpflichten 19/28 f UN-Kaufrecht – Käuferrechtsbehelfe 19/20 ff UN-Kaufrecht – materielles Kaufvertragsrecht 19/16 ff UN-Kaufrecht – Rügepflicht 19/22 ff UN-Kaufrecht – Schadenersatz 19/27; 32 f UN-Kaufrecht – Verkäuferpflichten 19/20 ff UN-Kaufrecht – Verkäuferrechtsbehelfe 19/28 f UN-Kaufrecht – Vertragsabschluss 19/12 ff UN-Kaufrecht – Vertragsmäßigkeit 19/21 UN-Kaufrecht – Vertragsverletzung 19/17 f, 31 UN-Kaufrecht – Vertragsverletzung, vorweggenommene 19/31 UN-Kaufrecht – Vertragsverletzung, wesentliche 19/17 f UN-Kaufrecht – Vorgeschichte 19/4 UN-Kaufrecht – Vorschaltlösung 3/4; 19/6 UNCITRAL 3/1; 16/3, 5; 17/7, 12; 19/4 uneheliche Abstammung 11/13, 15 Unfallort 15/44, 45 (sa lex loci delicti commissi) UNIDROIT 17/6, 7; 19/4 Unterhalt 3/4, 9; 11/5, 18 Unterhaltsstatutübereinkommen, Haager 3/4; 9/4; 11/18 Unterlassungsklage 13/9; 18/9 Upload 16/15 Urheberrechte 3/1; 13/9 ff; 15/34; 16/12, 14
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V–Z V Vaterschaftsanerkenntnis 11/15 Vaterschaftsfeststellung 11/15 Verbindung, engste 9/11; 15/4, 12 Verbraucherkredit 18/9 Verbraucherschutz 15/26, 46; 18/8, 9 Verbraucherprivatrecht, Angleichung 18/8, 9 Verbraucherverträge 14/3; 15/5, 10, 15 f, 22, 46 f; 16/8 ff Verbrauchsgüterkauf 18/9 Vereinheitlichung, innerstaatlicher Sachverhalte 17/10 Vereinheitlichung, internationaler Sachverhalte 17/10 Verfügung von Todes wegen 12/6 f Verfügungsgeschäft 13/4 Verjährung 7/9; 8/2; 14/1, 7; 15/22, 37, 44; 17/10; 19/8 Verkehrsmittel 13/7 Verkehrsunfall s Straßenverkehrsunfall Verlassenschaftsabhandlung 12/1, 3, 4 Verlöbnis 11/2 Verordnung Brüssel I s Brüssel I Verordnung Brüssel II s Brüssel II Verordnung Brüssel IIa s Brüssel IIa Verordnung Rom I s Rom I Verordnung Rom II s Rom II Verordnung – auf Unterhaltssachen anzuwendendes Recht 3/10; 11/11 Verordnungsvorschlag – auf Ehescheidungen anzuwendendes Recht 3/9; 11/10 Verordnungsvorschlag – auf Erbsachen anzuwendendes Recht 3/11; 12/1 Verpflichtungsgeschäft 13/4; 14/4 Verschulden bei Vertragsverhandlungen s culpa in contrahendo Versicherungsverträge 3/4; 4/8; 15/9, 16, 27, 45 Versteigerung 14/7; 15/11; 19/7 Verstoßungsscheidung, s talaˉ q Vertragsstatut 8/4; 10/2; 15/4, 23 Vertragsverletzung, wesentliche (CISG) 19/17 Vertretung, gesetzliche 14/6 Vertretung, ohne Vollmacht 14/5
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Sachverzeichnis
Vertriebsvertrag 15/11 Verwaltungssitz s Sitz, der Verwaltung Verweisung 7/1 ff Verweisung, kollisionsrechtliche 9/12 Verweisung, materiellrechtliche 9/12 Verweisungen, multiple 7/6 Verweisungsbegriff 6/4, 7, 8, 11; 11/19 Völkerrecht 3/3; 17/13 Volljährigkeit 10/2; 15/24 Vollmacht 11/19; 14/5, 6 Vollmachtsmissbrauch 14/5 Vollmachtsüberschreitung 14/5 Vollstreckung, gerichtlicher Entscheidungen 1/7; 8/1; 18/5 Vorbehaltsklausel 8/1 ff; 14/7; 15/25, 40 (sa ordre public) Vorfrage 6/12 f; 11/13, 15, 18; 12/4 Vormundschaft 11/15, 19 Vormundschaftsübereinkommen, Haager 11/19 Vorschaltlösung (CISG) 3/4; 19/6 Vorsorgevollmacht 11/19
W Walker’scher Entwurf 4/2 Warenkauf, grenzüberschreitender 19/1 ff (sa Kaufvertrag, internationaler; internationales Warenkaufrecht) Warenkaufrecht 17/10; 19/1 ff Warschauer Lufttransportübereinkommen 15/2; 17/10 Wegzugsfälle 10/6 Weiterverweisung 7/3, 4; 15/10 Werbung, unlautere 15/34; 18/9 Wettbewerbstatut 13/9; 15/29, 34; 16/11 ff Wirkungsprinzip 16/11 Wohnsitz 9/6 Wohnsitzprinzip 9/2 f, 6 Wohnungseigentum 11/7; 12/4; 13/2 World Wide Web (WWW) 16/1 ff
Z Zession 15/20, 39, 42 Zurückbehaltungsrecht 13/7; 19/35 Zuständigkeit, internationale 1/6 ff; 6/1, 3 Zweigniederlassung 10/6