Caroline Lanz Burnout aus ressourcenorientierter Sicht im Geschlechtervergleich
Caroline Lanz
Burnout aus ressourcen...
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Caroline Lanz Burnout aus ressourcenorientierter Sicht im Geschlechtervergleich
Caroline Lanz
Burnout aus ressourcenorientierter Sicht im Geschlechtervergleich Eine Untersuchung im Spitzenmanagement in Wirtschaft und Verwaltung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl. Dissertation Universität Zürich, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17334-4
Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die Natur JOHN LOCKE
Für Reto und Mara Sophie
Danksagung
Diese Dissertationsarbeit war nur möglich mit der Unterstützung vieler Personen, denen ich an dieser Stelle danken möchte. In erster Linie geht ein herzlicher Dank an Herrn Dr. phil Hans-Martin Zöllner, für seine kompetente und wohlwollende Betreuung dieser Arbeit. Er hatte stets ein offenes Ohr für all meine Fragen und Probleme. Ein weiterer Dank gebührt Prof. Dr. med. Daniel Hell für das Interesse an dieser Thematik und Prof. Dr. med. Heinz Böker für seine spontane Zusage zur Begutachtung meiner Arbeit. Nur durch die Teilnahme der verschiedenen Führungspersonen in Wirtschaft und Verwaltung war es möglich, die vorliegende Studie zu verfassen. Dabei durfte ich herausragende Persönlichkeiten kennenzulernen, die mir durch ihre Offenheit einen Einblick in ihren Lebensalltag ermöglichten. Ihnen allen möchte ich besonders danken. Ausserdem gilt mein Dank meiner Studienkollegin lic. phil. Ruth Enzler für die gemeinsame Ausarbeitung der Erhebungsinstrumente und Datenerhebung, lic. phil. Bettina Gehrig für die Transkription der Interviews, lic. phil. Susanne Haab und Dr. lic. phil. Luciano Gasser für die hilfreichen Tipps bei der Datenauswertung und lic. phil. Markus Binder für die aufmerksame Durchsicht des Textes und die wertvollen Hinweise zur gesamten Arbeit. Von ganzem Herzen möchte ich mich schliesslich bei meiner Familie bedanken. Sie alle haben massgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Luzern, im Frühjahr 2009
Caroline Lanz
Dieses Werk, einschliesslich aller seiner Teile und Abbildungen, ist urheberrechtlich geschützt.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
II
Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
II.1
Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
II.1.1 II.1.2 II.1.3 II.1.4
Begriffsdefinition Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Salutogenetische Gesundheitsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Konzept der Salutogenese nach Antonovsky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Arbeit und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
II.2
Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
II.2.1 II.2.2 II.2.3 II.2.3.1 II.2.3.2 II.2.3.3 II.2.3.4 II.2.3.5 II.2.4 II.2.4.1 II.2.4.2
Begriffsdefinition Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen von Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterscheidung von Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innere Sinngebung: Glaubenssätze, Motive und Visionen . . . . . . . . . . Belohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distanzierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ressourcenkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988) . . . . . . Das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell nach Kernen (2008)
28 28 28 29 30 32 33 34 35 35 36
II.3
Belastung, Beanspruchung und Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
II.3.1 II.3.2 II.3.3 II.3.3.1 II.3.3.2 II.3.4
Das Belastungs- und Beanspruchungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsdefinition Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundmodelle von Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Allgemeine Adaptionssyndrom nach Selye (1981) . . . . . . . . . . . . Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und Launier (1981) . . . . . Klassifikation von Stressoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 43 44 44 47
12
Inhaltsverzeichnis
II.3.5 II.3.6 II.3.7
Stressreaktionen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Job-Demand-Control-Modell nach Karasek (1979) . . . . . . . . . . . . . . . 49 Effort-Reward-Imbalance-Modell nach Siegrist (1996) . . . . . . . . . . . 50
II.4
Stresserkrankung: Burnout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
II.4.1 II.4.2 II.4.3 II.4.4 II.4.5
Historische Begriffsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärungsansätze des Phänomens Burnout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burnout als Krankheitsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschied Burnout – Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54 54 59 59
II.5
Zur Empirie der Geschlechterunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
II.5.1 II.5.2 II.5.3 II.5.4
Begriffsdefinition Geschlecht und Gender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheit und Krankheit von Frauen und Männern . . . . . . . . . . . . . Arbeit und Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiedliche Ressourcen und Stressoren bei Männern und Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechterunterschiede und Copingverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechtsspezifische Befunde zu Arbeitsstressoren und -reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62 62 64
III
Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
III.1
Beschreibung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
III.1.1 III.1.2
Forschungsfragen der quantitativen Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfragen der qualitativen Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73 74
III.2
Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effort-Reward-Imbalance, ERI (Siegrist et al., 2004) . . . . . . . . . . . . . Maslach Burnout Inventory, MBI ( Maslach et al., 1996) . . . . . . . . . . Sense of Coherence Scale, SOC (Antonovsky, 1987) . . . . . . . . . . . . . Fragebogen zur sozialen Unterstützung, F-SozU (Fydrich et al., 2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.2 Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.2.1 Interviewdurchführung und -transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 76 77 78
III.3
Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
III.4
Datenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
II.5.4.1 II.5.4.2
III.2.1 III.2.1.1 III.2.1.2 III.2.1.3 III.2.1.4
66 66 68
78 80 83
13
Inhaltsverzeichnis
III.5
Auswertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
III.5.1 III.5.2 III.5.2.1 III.5.2.2 III.5.2.3
Quantitative Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der qualitativen Auswertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei der Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 87 87 89 90
IV
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
IV.1
Ergebnisse der Fragebogenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
IV.2
Ergebnisse der Interviewanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
IV.2.1 IV.2.2 IV.2.3 IV.2.4 IV.2.5
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 1 Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 2 Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 3 Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 4 Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 5
V
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
V.1
Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
V.1.1 V.1.2 V.1.2.1 V.1.2.2 V.1.2.3 V.1.2.4 V.1.2.5 V.1.2.6
Diskussion der Ergebnisse der quantitativen Untersuchung . . . . . . . . Diskussion der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . . Innere Sinngebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belohnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Copingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ressourcen: Unterschiede zwischen den Geschlechtern . . . . . . . . . . . Stressfaktoren und Geschlechterunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V.2
Probleme und Grenzen der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
V.3
Weiterführende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
VI
Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
............. ............. ............. ............. .............
95 105 117 133 140
155 156 156 158 160 164 168 170
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Abstract
Ein zentrales Thema unserer Zeit ist Stress. Zunehmend geforderte Flexibilität, Zeitdruck, gesteigerte Anforderungen, Rollenkonflikte ect. sind aus dem Arbeitsleben kaum mehr wegzudenken. Die Angst vor Job- oder Umsatzverlust beherrscht das Denken in unserer Gesellschaft. Die gegenwärtige globale Wirtschaftskrise ist dafür ein beredtes Beispiel. Dabei ist eine Zunahme psychischer Stressoren und Stresserkrankungen wie das Burnoutsyndrom zu verzeichnen. Dennoch gibt es viele Menschen, die trotz jahrelanger hoher Arbeitsbelastung und hohem Stresserleben gesund bleiben. Die Studie geht der Frage nach, welche individuellen und arbeitsplatzbezogenen Ressourcen diese Menschen nutzen. Sie verfolgt damit einen ressourcenorientierten oder salutogenetischen Ansatz. Da in der Schweiz bislang keine Studien zur untersuchten Gruppe der Spitzenführungskräfte in Verwaltung und Wirtschaft unter dem Aspekt des Geschlechtervergleichs vorliegen, wird mit dieser Untersuchung ein Zugang in ein nationales Forschungsfeld geschaffen. Als theoretischer Ausgangspunkt dient das Effort-Reward-Imbalance-Modell von Siegrist (1996). Dabei werden bestimmte Ressourcen wie die innere Sinngebung, Belohnungsfaktoren und persönliche Strategien im Hinblick auf ihre gesundheitsfördernde Wirkung untersucht. Es stellt sich zudem die Frage, ob sich weitere Ressourcen identifizieren lassen, die zusätzlich auf einen Unterschied zwischen den Geschlechtern hinweisen. Methodisch dient eine qualitative Inhaltsanalyse der Bedarfsermittlung und Ursachenanalyse. Ergänzend erfolgt eine quantitative Fragebogenerhebung. Die 40 untersuchten Spitzenführungskräfte benennen zahlreiche Stressoren und Ressourcen, welche sie in ihrem Lebensalltag erfahren. Quantitative Arbeitsüberlastung, Zielkonflikte und das Erleben von Misserfolg gehören zu den meist genannten Ursachen von Stress, während diverse Copingstrategien und erhaltene Belohnung relevante Ressourcen darstellen. Überdies sind auch weitere Ressourcen wie zum Beispiel Erfahrung und schnelle gute Regenerierfähigkeit von grossem Nutzen. Entgegen der Annahme besitzt die materielle Belohnung in dieser Stichprobe keine grosse Relevanz. Wenige, aber massgebliche Unterschiede finden sich im Geschlechtervergleich. Frauen verfolgen sozialere Motive, messen anderen Belohnungsfaktoren unterschiedliche Bedeutung bei und nutzen andere Copingstrategien als ihre männlichen Kollegen. Zudem werden spezifische Arbeitsbelastungen verschieden erlebt (z. B. Rollenkonflikte). Schlüsselwörter: Ressourcen, Stressoren, Arbeit, Führungskräfte, Effort-Reward-ImbalanceModell, Geschlechterunterschiede, Burnout
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988)
36
Abbildung 2: Das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell nach Kernen (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
Abbildung 3: Das Stressmodell von Lazarus und Launier (1981) . . . . . . . . . 45 Abbildung 4: Job-Demand-Control-Modell nach Karasek (1979) . . . . . . . . . 50 Abbildung 5: Effort-Reward-Imbalance-Modell nach Siegrist (1996) . . . . . . 51 Abbildung 6: Waage als symbolische Grundlage des Interviews . . . . . . . . . . 80 Abbildung 7: Altersverteilung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abbildung 8: Berufserfahrung der untersuchten Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . 85 Abbildung 9: Angaben der Arbeitsstunden (pro Woche) . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abbildung 10: Erweitertes Effort-Reward-Imbalance-Modell . . . . . . . . . . . . . 179
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Taxonomie nach House (1981) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Tabelle 2: Deutsche und englische Belastungs- und Stressbegriffe nach Udris & Frese (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Tabelle 3: Stressoren des Arbeitsfeldes (Udris & Frese, 1999; Zapf & Semmer, 2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Tabelle 4: Klassifikation kurz- und langfristiger Auswirkungen von Stress (Kaufmann, Pornschlegel & Udris, 1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Tabelle 5: Persönlichkeitszentrierte, sozial-, arbeits- und organisationspsychologische Erklärungsansätze nach Gusy (1995) . . . . . . . . . . 54 Tabelle 6: Burnout als Zusatzkategorie im ICD-10 (2006) . . . . . . . . . . . . . . . 59 Tabelle 7: Diagnostische Kriterien für Depression ICD-10 (2006) . . . . . . . . . 60 Tabelle 8: Vorgehensweise bei den Anfragen in absoluten Zahlen und in Prozentwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Tabelle 9: Stichprobenzusammensetzung in absoluten Zahlen und in Prozentwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Tabelle 10: Spearman-Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen und den Dimensionen des MBI (Emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, subjektive Leistungseinbusse) . . . . . . . . . . . .
94
Tabelle 11: Kategorien der Ressource „Innere Sinngebung“ . . . . . . . . . . . . . .
97
Tabelle 12: Kategorien der Ressource Belohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Tabelle 13: Häufigkeitsauswertung der ideellen Belohnungsfaktoren bei den Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Tabelle 14: Häufigkeitsauswertung der ideellen Belohnungsfaktoren bei den Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Tabelle 15: Kategorien der persönlichen Strategien (Copingstrategien) . . . . . . 117 Tabelle 16: Kategorien der zusätzlich genannten Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . 134 Tabelle 17: Kategorien der eruierten Stressfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Tabelle 18: Häufigkeitsauswertung der Stressfaktoren bei den Männern . . . . . 152 Tabelle 19: Häufigkeitsauswertung der Stressfaktoren bei den Frauen . . . . . . 152
I
Einleitung
Stress macht immer mehr Menschen krank. Es gibt Schätzungen, wonach Burnout in der Schweiz jährlich Kosten von rund 4.2 Milliarden Franken oder 1.2 Prozent des Bruttoinlandprodukts verursacht (Ramaciotti & Perriaud, 2003). Dabei geht vergessen, dass viele Menschen diesen Stress sehr lange aushalten können, wenn sie über Ressourcen verfügen, wie zum Beispiel Geld, Macht, erlebte soziale Unterstützung, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit oder ein gutes soziales Umfeld (Kernen, 2005; Lazarus & Launier, 1981; Perrez & Reicherts, 1992; Semmer, McGrath & Beehr, 2003). Neben diesen individuellen Ressourcen oder verhaltensbezogenen Schutzfaktoren scheint es zudem arbeitsplatzbezogene Bedingungen zu geben, die sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit und damit auch auf die Gesundheit auswirken (Hackmann & Oldham, 1976; Peter & Siegrist, 1999; Udris & Grote, 1993; Ulich, 2005). Umgekehrt gibt es natürlich auch individuelle Risikofaktoren und Prädispositionen, die bewirken, dass Arbeitsbelastung eher zu Stressreaktionen führt (Semmer et al., 2003). Die vorliegende Arbeit untersucht individuelle und arbeitsplatzbezogene Schutzfaktoren im Zusammenhang mit Arbeitsstressoren, die sich stressmindernd und damit positiv auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Die Hauptfrage lautet: Wie schützen sich Personen mit grossen Arbeitsanforderungen vor Burnout? Oder anders gefragt: Welche Ressourcen wirken sich am ehesten stressmindernd aus bzw. werden am ehesten von den befragten Personen angewendet? In der Literatur werden folgende Faktoren mit niedrigen Burnoutwerten in Verbindung gebracht: Sport, soziale Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung von Vorgesetzen und Arbeitskollegen, finanzielle Situation, Karrieremöglichkeiten und ein niedriges Overcomittment bzw. eine hohe Erholungsfähigkeit und Distanzierungsfähigkeit von der Arbeit (Broocks, 2003; Kleinbeck & Rutenfranz, 1987; Siegrist, 2002; Ulich, 2005). Die Studie verfolgt einen ressourcenorientierten oder salutogenetischen Ansatz (Kernen, 1997; Kernen, 2005). Bisher wurde in der Burnoutliteratur meist pathogenetisch danach gefragt, was krank macht und die Untersuchungen bezogen sich sehr häufig auf soziale Berufe (Kernen, 1997; Rösing, 2003). In der psychologischen Forschung etwa ist gut untersucht, dass chronische Stressbedingungen negative gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen können (Kernen, 1997; Khashabi, 1996; Perrez & Reicherts, 1992; Semmer et al., 2003). Als physiologische Stresserkrankungen treten häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskelschmerzen, Ge-
20
I Einleitung
lenkschmerzen, und Magenbeschwerden auf, ausserdem steigt die Sterblichkeit (Semmer et al., 2003). Auch psychologische Parameter wurden gemessen, dabei zeigten chronisch gestresste Büroangestellte erhöhte Werte in Ängstlichkeit, Depression und Feindseligkeit (Kernen, 2005; Semmer et al., 2003). Im Zentrum dieser Untersuchung steht ein Vergleich der Geschlechter. Das Geschlecht ist eine zentrale Determinante des Gesundheits- und Krankheitsgeschehens und hat ebenso starke Auswirkungen wie andere Variablen wie etwa das Alter (Merbach, Singer & Brähler, 2002). Männer und Frauen zeigen ein unterschiedliches Gesundheitsverhalten und -empfinden, weil sie kulturell bedingt sowie durch ihr biologisches Geschlecht unterschiedlichen Einflüssen auf ihre Gesundheit ausgesetzt sind (Gertler, 2004). So ist es auch zu erklären, dass Männer über andere Copingstrategien verfügen als Frauen (Schmid, 2003; Tamres, Janicki & Helgeson, 2002). Zur Untersuchung der ressourcenorientierten Faktoren eignen sich Führungskräfte, die an oberster Stelle eines Unternehmens oder einer Institution stehen. Es handelt sich dabei um einen Arbeitsbereich, in dem schweizweit eine massgebliche Anzahl von Personen beschäftigt ist und innerhalb dessen die Arbeitsbelastung in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Der Umgang mit Stress und schwierigen Situationen gehört zum Führungsalltag. Dabei stehen arbeitsbezogene Anforderungen häufig im Widerspruch zu den Wertvorstellungen in den Bereichen Familie, Freizeit und soziale Beziehungen: „… die essenzielle Balance zwischen Anforderungen, Belastungen und Ressourcen [ist] bei immer mehr Menschen in Führungs- und Managementfunktionen nicht mehr gegeben“ (Ohm & Strohm, 2001, S. 53). Stress kann zudem auch aus Anpassungserfordernissen resultieren, die durch einen Wechsel der Firmenpolitik, Reorganisation und Fusionen verlangt werden (Cooper, Kirkcaldy & Furnham, 1995). Hinweise dafür sind eine Zunahme von physischen und psychischen Erkrankungen (Kernen, 1997). Demgegenüber werden Ressourcen in der Führungstätigkeit im Gegensatz zu Stressoren vergleichsweise wenig thematisiert (Busch & Steinmetz, 2002). Die Studie bezieht sie sich deshalb auf eine selten untersuchte Gruppe der Spitzenführungskräfte aus der Schweizer Wirtschaft und Verwaltung. Die vorliegende Dissertation über Ressourcen und Stressoren von Führungskräften und dem Vergleich zwischen den Geschlechtern ist wie folgt gegliedert: Kapitel II befasst sich mit den theoretischen und konzeptionellen Grundlagen zu Gesundheit, Ressourcen und Stressoren am Arbeitsplatz. Es werden modellhafte Zusammenhänge mit den wichtigsten Faktoren im Stressgeschehen vorgestellt. Zusätzlich wird auf die wesentlichen Geschlechterunterschiede im Hinblick auf gesundheitliche Aspekte eingegangen und ein Überblick über Forschungsergebnisse zur Geschlechterthematik gegeben.
I Einleitung
21
In Kapitel III werden zunächst die Erhebungsinstrumente dokumentiert. Anschliessend wird die Stichprobe beschrieben, die sich aus weiblichen und männlichen Führungskräften der obersten Ebene rekrutiert. Daran schliesst sich eine Beschreibung des Auswertungsvorgehens an. In Kapitel IV sind die Ergebnisse aus der Untersuchung als Kernstück der Untersuchung dargestellt. Diese werden am Leitfaden der Fragestellung dokumentiert. Diese Ergebnisse dienen als Grundlage für eine Formulierung der Ressourcen und Stressoren im Geschlechtervergleich. Kapitel V schliesst die Untersuchung ab: Die Ergebnisse werden zusammenfassend interpretiert und vor dem theoretischen Hintergrund diskutiert. Daraus werden neue Fragen für die weitere Forschung entwickelt.
II
Theoretischer Hintergrund
Wo Gesundheit fehlt, kann Weisheit nicht offenbar werden, Kunst kann keinen Reichtum finden, Stärke kann nicht kämpfen, Reichtum wird wertlos und Klugheit kann nicht angewandt werden. Herophiles, 300 v. Chr. in Alexandrien
Bereits der Arzt Herophiles hat in der Zeit vor Christus festgestellt, dass Gesundheit ein wertvolles Gut darstellt und eine wichtige Voraussetzung für die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens bildet. Im folgenden Kapitel soll der Begriff der Gesundheit geklärt werden. Im Zentrum steht dabei die Frage, was Gesundheit überhaupt ist. Im Weiteren werden ausgewählte Aspekte näher betrachtet, welche für diese Studie von Bedeutung sind.
II.1
Gesundheit
II.1.1
Begriffsdefinition Gesundheit
Gesundheit ist ein vielschichtiger Begriff. Dabei haben sich insbesondere die psychischen Gesundheits- bzw. Krankheitskriterien im Verlauf der Zeit immer wieder verändert. Sie sind von kulturellen Bedingungen abhängig (Hell, 2006). 1946 entwickelte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) folgende Definition: „Die Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ (WHO, 1946, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005). Gemäss dieser Bestimmung ist ein Mensch krank, wenn sein Wohlbefinden beeinträchtigt ist (Hell, 2003). Zudem erhält „das individuelle Erleben Vorrang vor jedem anderen Kriterium“ (Hell, 2003, S. 93). Diese Definition wurde aufgrund ihrer statischen Sichtweise kritisiert. Nach neueren Gesundheitsdefinitionen ist Gesundheit mit ständigen Anpassungsleistungen an Umgebungsbedingungen verbunden (Ulich & Wülser, 2005) und kann somit als ein lebenslanger Prozess verstanden werden. 1987 hat deshalb die WHO ihre Definition angepasst: „Gesundheit ist die Fähigkeit und Motivation, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen“ (WHO,
24
II Theoretischer Hintergrund
1987, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005). Damit wird eine deutliche Veränderung in der Auffassung von Gesundheit erkennbar. Udris und Frese (1992) bezeichnen Gesundheit als Gleichgewicht zwischen Individuum und Umwelt bzw. zwischen den physischen, psychischen und sozialen Ressourcen einer Person. Dabei gilt auch hier Gesundheit nicht als Zustand, sondern eher als Fähigkeit, ein Ungleichgewicht zu bewältigen und zu regulieren. Es handelt sich um eine Balance zwischen Abwehr- und Schutzfunktionen einerseits und potentiell krankmachenden Einflüssen der physikalischen, biologischen und sozialen Umwelt andererseits (Udris & Frese, 1992). Kernen (2005) sieht folgende Aspekte als zentral: • Die Gesundheit gibt es nicht. Menschen besitzen je nach Situation und Zeitpunkt Anteile von Gesundheit und Krankheit in unterschiedlichem Verhältnis. • Gesundheit ist ein lebenslanger Prozess. Es geht um die Auseinandersetzung mit gesundheitsförderlichen (salutogenen) und krank machenden (pathogenen) Faktoren. • Gesundheit ist ein dynamisches Gleichgewicht. Dabei handelt es sich um ein Fliessgleichgewicht, „welches das Individuum ständig mit seiner Umwelt herzustellen versucht, um sein Wohlbefinden zu optimieren“ (Gutzwiller & Jeanneret, 1999, zitiert nach Kernen, 2005, S. 36). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „Gesundheit auf einem Kontinuum einzuordnen ist, das vom positiven Pol „völlig gesund“ bis zum negativen Pol „schwer krank“ reicht. Tatsächlich liegt der reale Gesundheitszustand auf diesem Kontinuum zwischen den Polen“ (Rudow, 2004, S. 36).
II.1.2
Salutogenetische Gesundheitsmodelle
In den salutogenetischen Gesundheitsmodellen wird die Bedeutung von Ressourcen (vgl. Kp. II.2.2.) besonders betont, da sie sich Prozessen zuwenden, die Gesundheit erhalten und fördern. Die Wurzeln dieser Konzepte liegen in der Stress- und Bewältigungsforschung (Franke, 2000, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005, S. 52). Salutogenese bedeutet so viel wie „Gesundheitsentstehung“ und wurde vom israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–1994) in den 70-er Jahren als Gegenbegriff zur Pathogenese entwickelt. Er interessierte sich in erster Linie nicht für die Ursachen von Krankheiten (pathogenetisch orientierte Sichtweise), sondern primär dafür, warum Menschen gesund bleiben (salutogenetisch orientierte Sichtweise). Mit seinem Konzept hat er einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsforschung eingeleitet.
II.1 Gesundheit
II.1.3
25
Konzept der Salutogenese nach Antonovsky
Als Soziologe führte Antonovsky zahlreiche Untersuchungen an Personengruppen durch, die besonderen psychosozialen Stressoren (z. B. Menschen im Konzentrationslager) ausgesetzt waren. Belastungen bzw. Stressoren beschreibt er als tägliche Ärgernisse (daily hassles), kritische Lebensereignisse (critical life events) oder als kulturelle und strukturelle Beanspruchungen (chronical life strain), die auf das Individuum einwirken können. Menschen reagieren auf Stressoren mit einem Spannungszustand. Dessen Folgen können unter Berücksichtigung ihres Bewältigungsverhaltens gesundheitsschädlich, neutral oder gesundheitsförderlich sein. Ressourcen werden als „Widerstand“ gegenüber Belastungen verstanden. Die Widerstandsressourcen stützen die Fähigkeiten einer Person, zum eigenen Nutzen und zur Förderung der weiteren Entwicklung mit den gegebenen Belastungen zurechtzukommen. Nach Antonovskys Konzept geht es grundsätzlich um die Frage, warum Menschen trotz zahlreicher belastender Lebensbedingungen gesund bleiben. Seine Antwort auf diese Frage zielt auf das Kohärenzerleben (Antonovsky, 1997): Das Kohärenzerleben [sense of coherence, SOC] ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmass man ein durchdringendes, dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass 1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äusseren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind, 2. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen, 3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen. (S. 36)
Mit dem Begriff des Kohärenzerlebens werden folgende drei Komponenten angesprochen (Antonovsky, 1997): Verstehbarkeit (comprehensibility): ist das Ausmaß, in dem man die aus der internen und externen Umgebung stammenden Reize, mit denen man konfrontiert ist, als kognitiv sinnvoll und als Informationen wahrnimmt, die geordnet, konsistent, strukturiert und klar sind. Handhabbarkeit (manageability): ist das Ausmaß, in dem man wahrnimmt, dass die einem zur Verfügung stehenden Ressourcen geeignet sind, den Anforderungen durch die einstürmenden Reize zu entsprechen. Sinnhaftigkeit (meaningfulness): ist das Ausmaß, in dem man das Gefühl hat, dass das Leben einen emotionalen Sinn hat, dass zumindest einige Probleme und Anforderungen, die das Leben einem auferlegt, es wert sind, Energie einzusetzen, sich zu verpflichten und zu engagieren, und dass sie „willkommene“ Herausforderungen sind, anstatt dass sie einen bedrücken und man lieber ohne sie auskäme. (S. 36)
26
II Theoretischer Hintergrund
Zusammengefasst geht es beim Kohärenzsinn um eine individuelle, mentale Einflussgrösse, die als Grundhaltung des Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben betrachtet werden kann. Sie kann sich nur durch eine aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt und den eigenen inneren Voraussetzungen, Kapazitäten und Kompetenzen entwickeln. Zusätzlich sind soziale Beziehungen für die Entwicklung des Kohärenzsinns wichtig. Von dieser Grundhaltung hängt ab, wie gut das Individuum in der Lage ist, vorhandene Ressourcen zum Erhalt der Gesundheit zu nutzen. II.1.4
Arbeit und Gesundheit
Gesundheit ist Voraussetzung für den Erhalt und die Entwicklung der Leistungsmotivation und Leistungsfähigkeit (Ohm & Strohm, 2001), welche für das Individuum in der täglichen Arbeit nötig ist. Diese wiederum ist ein wichtiger Faktor im Leben eines Menschen und ist für die Gesundheit und das Wohlbefinden zentral, indem sie den Menschen befriedigt. Ausserdem enthält die Arbeit gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten, „welche dem Zweck dienen, in Auseinandersetzung mit materiellen Gegebenheiten das Über- und Wohlleben menschlicher Gemeinschaften zu sichern“ (Volpert, 1992, S. 12). Die Arbeit wirkt sich auf verschiedene Lebensbereiche eines Individuums aus. Sie prägt zum Beispiel bestimmte Verhaltensweisen und Einstellungsmuster. Wichtig ist auch, dass die in die Arbeit investierte Zeit für andere Lebensbereiche nicht mehr zur Verfügung steht (Dragano, 2007). Zusätzlich üben soziale Strukturen, wie zum Beispiel die berufliche Stellung, einen erheblichen Einfluss auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität aus. Ein höherer Berufsstatus ist mit Ressourcen verbunden, die einen begünstigenden Einfluss auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten besitzen (Badura & Feuerstein, 2001). Nach Semmer und Udris (1993, zitiert nach Ulich, 2005) beinhaltet die Arbeit zudem verschiedene psychosoziale Funktionen: Aktivität und Kompetenz: Die Aktivität, die mit der Arbeit verbunden ist, ist eine wichtige Vorbedingung für die Entwicklung von Qualifikationen. In der Bewältigung von Arbeitsaufgaben erwerben wir Fähigkeiten und Kenntnisse, zugleich aber auch das Wissen um diese Fähigkeiten und Kenntnisse, also ein Gefühl der Handlungskompetenz. Zeitstrukturierung: Die Arbeit strukturiert unseren Tages-, Wochen- und Jahresablauf, ja die gesamte Lebensplanung. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass viele zeitbezogene Begriffe wie Freizeit, Urlaub, Rente nur in ihrem Bezug zur Arbeit definiert sind. Kooperation und Kontakt: Die meisten beruflichen Aufgaben können nur in Zusammenarbeit mit anderen Menschen ausgeführt werden. Das bildet eine wichtige Grundlage für die Entwicklung kooperativer Fähigkeiten und schafft ein wesentliches soziales Kontaktfeld.
II.2 Ressourcen
27
Soziale Anerkennung: Durch die eigene Leistung sowie durch die Kooperation mit anderen erfahren wir soziale Anerkennung, die uns das Gefühl gibt, einen nützlichen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Persönliche Identität: Die Berufsrolle und die Arbeitsaufgabe sowie die Erfahrung, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Beherrschung der Arbeit zu besitzen, bilden eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Identität und Selbstwertgefühl. (S. 484)
Die aufgeführten Faktoren besitzen in ihrer Kombination Mehrfachwirkungen beim Individuum. Die Arbeits- und Organisationspsychologie konnte die psychosozialen Funktionen nachweisen. Zugleich erlauben sie Rückschlüsse auf den hohen psychologischen und psychischen Wert der Arbeit bzw. die stabilisierende Wirkung auf die Gesundheit des Menschen (Kernen, 2008). In der Literatur sind unterschiedliche Gesundheitskonzepte vorhanden. Beim heutigen Wissensstand kann psychisches und physisches Wohlbefinden als Kern von subjektiver Gesundheit betrachtet werden (Noack, 1994). In diesem Zusammenhang spielt die Arbeit eine eminent wichtige Rolle, da sie einen integralen Bestandteil des Lebens darstellt und verschiedene Ressourcen fördernde Funktionen besitzt. Dabei geht es nicht nur um die materielle Absicherung, sondern auch um soziale und psychologische positive Auswirkungen, die Kompetenzen, Werte und Einstellungen eines Individuums und nicht zuletzt das Gesundheitsverhalten wesentlich beeinflussen. Gemäss der salutogenetischen Ausrichtung dieser Studie wird ein Teil der „Sense of Coherence Scale“ (SOC) von Antonovsky (1987) Eingang in den Fragebogen (vgl. Kp. III.2.1) finden.
II.2
Ressourcen
Die Stressforschung widmete sich früher ausschliesslich der Untersuchung belastender und gesundheitsschädigender Bedingungen. Wie bereits erwähnt (vgl. Kp. II.1.2), rücken Ressourcen als Schutzfaktoren in neueren Untersuchungen immer mehr in den Vordergrund. Im folgenden Abschnitt soll geklärt werden, was unter Ressourcen verstanden wird und welche spezifisch wirksamen Ressourcen in der Forschung bekannt sind. Zudem sollen zwei Ressourcenmodelle, die Theorie der Ressourcenerhaltung (COR-Theorie) nach Stevan Hobfoll (1988) und das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell (RBR) nach Kernen (2008), vorgestellt werden. Diese zeigen auf, in welchem Zusammenhang Ressourcen und Stressoren stehen.
28 II.2.1
II Theoretischer Hintergrund
Begriffsdefinition Ressourcen
Unter Ressourcen werden in erster Linie positive Werte verstanden. Sie stellen das Insgesamt der einer Person zur Verfügung stehenden Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten dar, welche gesundheitsschützend und -fördernd von einem Individuum in seiner Gesamtheit eingesetzt werden können (Udris & Frese, 1999; Semmer & Udris, 2004).
II.2.2
Auswirkungen von Ressourcen
Ulich & Wülser (2005, S. 78) stellen fest, dass „Ressourcen für den Umgang mit belastenden Situationen, für die Verhinderung von Fehlbeanspruchungen und Krankheiten sowie für die Gesundheitsförderung von besonderer Bedeutung sind“. Gemäss theoretischen Modellen und empirischen Ergebnissen wird die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von Stressoren durch vorhandene Ressourcen gemildert und abgepuffert (Udris & Freese, 1992; Hornung & Gutscher, 1994). Nach Zapf & Semmer (2004) werden drei mögliche Wirkungsarten von Ressourcen unterschieden: 1. Ressourcen können eine direkte Wirkung auf das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Individuums ausüben. Diese liegt vor, wenn Ressourcen unabhängig von vorhandenen Belastungen zu positiven gesundheitlichen Wirkungen führen. 2. Ressourcen wirken indirekt auf das Wohlbefinden und die Gesundheit, indem sie dem Entstehen von Belastungen entgegenwirken und den Belastungsabbau unterstützen. 3. Ressourcen können auch moderierend wirken im Sinne einer Pufferwirkung. Wenn sie ausreichend vorhanden sind, können sie die Bewältigung bestehender Belastungen unterstützen und damit mögliche schädliche Wirkungen abschwächen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Ressourcen das Stressgeschehen mehrfach beeinflussen, entweder direkt, indirekt oder moderierend.
II.2.3
Unterscheidung von Ressourcen
In der Literatur wird meist übereinstimmend zwischen internen (personalen, inneren, individuellen, subjektiven) und externen (situativen, äusseren, objektiven) Ressourcen unterschieden (Kernen, 2005; Rimann & Udris, 1993). Interne Ressourcen sind eng an unsere Person gebunden und „uns als einzigartigen Individuen zugehörig“ (Kernen, 2005, S. 93). Sie beziehen sich in erster Linie auf physische und psychische Merkmale des Individuums (Kernen, 2008; Hornung
II.2 Ressourcen
29
& Gutscher, 1994; Udris & Frese, 1992). Dazu gehören aber auch die geistig-seelischen und Wissens- und Handlungsressourcen, wie die innere Sinngebung und Werthaltung und Fähigkeiten und Fertigkeiten. Definitorisch betrachtet sind interne Ressourcen „(mehr oder weniger) habitualisierte, d. h. situationskonstante, aber zugleich flexible gesundheitserhaltende und -wiederherstellende Handlungsmuster sowie kognitive Überzeugungssysteme („belief systems“) der Person, die differentialpsychologisch als Persönlichkeitskonstrukte beschrieben werden“ (Rimann & Udris, 1993, S. 11). Bamberg, Busch und Ducki (2003) halten fest, dass interne Ressourcen besonders bei Personen zahlreich vorhanden sind, die auch ausreichend viele externe Ressourcen besitzen. Beispiele für interne Ressourcen sind: Ausdauer, Optimismus, Erfahrung und diverse Copingstrategien. Externe Ressourcen beziehen sich auf physikalische, materielle, biologische, ökologische, organisationale, institutionelle, kulturelle und soziale Merkmale der Umwelt (Kernen, 2008; Hornung & Gutscher, 1994; Udris & Frese, 1992) und werden beschrieben „als situative Bedingungen mit protektivem, d. h. gesundheitsschützendem Charakter, in denen sich in der handelnden Auseinandersetzung des Individuums mit Möglichkeitsräumen individuelle Fähigkeiten entwickeln und verändern“ (Rimann & Udris, 1993, S. 11). Beispiele für externe Ressourcen sind: erhaltene Belohnung wie Wertschätzung und Entlöhnung, soziale Unterstützung im Betrieb und im Freundeskreis und Entfaltungsmöglichkeiten bei der Arbeit. Von Bedeutung für den Stressprozess ist, welche Ressourcen zur Verfügung stehen und vom Individuum genutzt werden (Bamberg et al., 2003). Eine theoretische Grundlage für diese Studie bildet das Effort-Reward-Imbalance Modell nach Siegrist (1996) (vgl. Kp. II.3.7). Einerseits werden daraus Belohnungsfaktoren wie Einkommen, Wertschätzung aus dem Arbeitsumfeld und Weiterentwicklungsmöglichkeiten (niedriges Overcommitment) und andererseits einzelne ausgewählte und in der empirischen Forschung oft untersuchte Ressourcen wie die innere Sinngebung, soziale Unterstützung, Sport und Distanzierfähigkeit (niedriges Overcommitment) in die Untersuchung miteinbezogen. Im folgenden Kapitel werden diese spezifischen Ressourcen erläutert.
II.2.3.1
Innere Sinngebung: Glaubenssätze, Motive und Visionen
Bereits unter dem von Antonovsky definierten Begriff „Kohärenzerleben“ wird der Aspekt der „Sinnhaftigkeit“ angesprochen (vgl. Kp. II.1.3). Er meint damit das Ausmass des emotional wahrgenommenen Lebenssinns. Für Schmid (2007) macht etwas Sinn, wenn zwischen einzelnen Dingen Zusammenhänge erkennbar werden: „Sinn, das ist Zusammenhang, Sinnlosigkeit demzufolge Zusammenhanglosigkeit“ (Schmid, 2007, S. 365).
30
II Theoretischer Hintergrund
Nach Kernen (2005) heisst Sinnerleben: Es entsteht ein in sich stimmiges, umfassendes Bild von meinem Leben, meinem Dasein. Das Gefühl einer in sich runden Gestalt also. Doch dieses klare, umfassende Bild ist uns kaum dauernd präsent. Vielmehr scheinen uns einzelne Facetten in verschiedenen Lebenssituationen für kurze Zeit auf, klingen hie und da an. Dadurch wird das grundlegende Gefühl der Sinnhaftigkeit des Lebens immer wieder spürbar – und zugleich genährt. Damit ist eine grundlegende, unerschöpfliche Quelle, die das individuelle Wohlbefinden nähren kann, erschlossen – die Quelle der Sinnhaftigkeit im Leben. (S. 48)
Dieser Lebenssinn steht in engem Zusammenhang mit unseren allgemeinen Wertorientierungen. Loehr und Schwartz (2003) schreiben: Sobald wir unsere Werte definiert haben, besteht der nächste Schritt der Sinndefinition darin, dass wir eine Vision erzeugen, wie wir unsere Energie einsetzen möchten. Die Definition der Vision stellt eine mögliche Handlungsvorlage und einen Puffer gegen die Versuchung dar, Energieentscheidungen nicht überlegt, sondern nur reflexiv zu treffen. Ein Vision Statement ist eine Absichtserklärung, wie wir unsere Energie investieren möchten. Wenn wir uns regelmässig darauf besinnen, dient es uns als Zielorientierung und Handlungsantrieb. (S. 198)
Die innere Sinngebung führt also zu einem klaren „Vision Statement“ und wird von den genannten Autoren als Energiequelle und Ressource gesehen, damit „die Stürme des Lebens“ einen nicht so leicht umwerfen (Loehr & Schwartz, 2003). Auch Kernen (2005, S. 49) hält fest: „Die Gewissheit, dass das Leben sinnhaft sei, ist eine der stärksten motivationalen Ressourcen. Wir verstehen darunter das Gefühl, dass die Anforderungen im Leben Herausforderungen sind, für die sich Anstrengung und Engagement lohnen“. Somit kann die innere Sinngebung auch Motiv sein, ein Ziel zur verfolgen, einer Sache nachzugehen. Mit Sinn als unendliche Ressource, als Kraft, können Schwierigkeiten und Bedrohungen aller Art überwunden werden können (Schmid, 2004). Er geht sogar noch weiter und sieht Burnout als eine Ursache von Sinnverlust. Menschen mit Burnout soll ein (erneuter) Zugang zu Sinn ermöglicht werden. Spiritualität oder innere Sinngebung wurde bisher in der Literatur insbesondere bei Kranken (Krebs, HIV, Herzerkrankungen) untersucht oder bei Sozialarbeitern und Therapeuten, weniger aber im wirtschaftlichen Umfeld (Raubichaud, 2004). In dieser Studie soll die innere Sinngebung als Ressource in Form von Lebensprinzipien und Lebensgrundsätzen und insbesondere im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Führungskräfte untersucht werden. II.2.3.2
Belohnung
Zahlreichen Forschungen zu Belohnungsaspekten dienen als Grundlage die Gerechtigkeitstheorien, welche zusammengefasst davon ausgehen, dass jeder Mensch in
II.2 Ressourcen
31
seinem Tun eine persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellt. Ressourcen, welche ein Individuum in ein „Projekt“ investiert, sind mit der Erwartung gekoppelt, dass diese in irgendeiner Form, im Sinne eines Tauschgeschäftes, zurückbezahlt werden, wobei dieses nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden ist. Bereits Siegrist (1996) thematisiert Belohnung als zentralen Aspekt im Stressprozess (vgl. Kp. II.3.7). In dieser Arbeit wird zwischen materieller (Entlöhnung) und ideeller Belohnung (soziale Wertschätzung) unterschieden. Diese Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Burnout. Darum soll näher untersucht werden, inwieweit Wertschätzung und Entlöhnung als Ressourcen in dieser Stichprobe eine Rolle spielen. Entlöhnung
Bei der Entlöhnung handelt es sich um eine materielle Anerkennung im Sinne einer Besoldung bzw. dem Salär, welches für die geleistete Arbeit bezogen wird. In der Schweizer Wirtschaft, insbesondere in der Finanzdienstleistungsbranche, werden im oberen Management hohe Saläre und Boni bezahlt, so dass man meinen könnte, diese Variable sei in jedem Fall als Ressource zu bewerten, was in der Literatur auch oft so beschrieben wird (Kernen, 2005; Lazarus & Launier, 1981; Semmer, McGrath & Beehr, 2003). In der Schweizer Studie zu „Lohnzufriedenheit und psychologischem Vertrag“ (Grote & Staffelbach, 2008) zeigt die subjektive Lohnzufriedenheit verschiedene positive Auswirkungen. Sie steht in positivem Zusammenhang mit „höherer Zufriedenheit mit der Arbeit, mit dem Leben, mit der Work-Life-Balance und mit der beruflichen Laufbahn“ (Grote & Staffelbach, 2008, S. 79). Zudem besitzen Personen mit einem höheren Einkommen einen grösseren Entscheidungsspielraum und weisen im Durchschnitt ein signifikant höheres Wohlbefinden aus. Dabei ist ein abnehmender Nutzen in Bezug auf das absolute Einkommen festzustellen (Frey & Stutzer, 2002). Dies bedeutet, dass ab einem bestimmten Einkommen keine entsprechende Zunahme der ressourcenfördernden Wirkung der Entlöhnung festzustellen ist. Für diese Arbeit wird interessant zu untersuchen sein, ob die Entlöhnung bei diesen Spitzenführungskräften tatsächlich noch eine zusätzliche Ressource darstellt oder ob die Höhe des Entgelts auch dazu führen kann, dass die Erholungszeiten gekürzt und körperliche und psychische Einbussen in Kauf genommen werden. Diese Frage wurde bisher von der Forschung noch nicht berücksichtigt. Wertschätzung
Unter Wertschätzung (oder sozialer Anerkennung) aus dem Arbeitsumfeld wird nicht das Entgelt verstanden, das für eine bestimmte Arbeit bezahlt wird (Rödel et al., 2004). Diese ideellen Belohnungsfaktoren, die auch „Softfaktoren“ genannt wer-
32
II Theoretischer Hintergrund
den, sind häufig höher korreliert mit Gesundheit und Arbeitszufriedenheit als materielle Belohnungsaspekte. Dabei geht es darum, ob der Vorgesetzte und die Kollegen die geleistete Arbeit anerkennen, ob jemand gemäss seiner Ausbildung und fachlicher Qualifikation eingesetzt wird bzw. ob jemand seine Chancen für das berufliche Fortkommen für angemessen einschätzt (Siegrist, 2002). In der Theorie von Hobfoll (2001) stellt der Selbstwert eine zentrale Ressource dar. Dieser kann durch Erfolgserlebnisse und erhaltene Wertschätzung am Arbeitsplatz gefördert werden (Semmer, Jacobshagen & Meier, 2006). Der Selbstwert einer Person steht wiederum in einem Zusammenhang mit positivem Erleben und Zufriedenheit, aber auch mit dem Stresserleben (Hobfoll, 2001). In dieser Studie wird einerseits die zwischenmenschliche Wertschätzung untersucht, wie sie in einem guten Arbeitsklima vorkommt. Andererseits geht es um die sachliche Anerkennung, z. B. Lob für eine bestimmte Berufsleistung (Pines, Aronson & Kafry, 1993). II.2.3.3
Soziale Unterstützung
Soziale Unterstützung gehört zu den meist untersuchten Umweltressourcen (Schwarzer & Leppin, 1989) bzw. externen, gesundheitsschützenden Ressourcen. Bereits schon vielfach beschrieben wurden deren salutogenetische Bedeutung. Folgende Begriffe werden in der Forschung synonym für soziale Unterstützung (Social Support) angewandt: Soziales Netzwerk, sozialer Rückhalt oder mitmenschliche Unterstützung. Definitorisch bezieht sich die soziale Unterstützung auf „unterschiedliche Formen der sozialen und emotionalen Unterstützung durch andere, die zusammengenommen als Moderatoren bei der Stressentstehung wirken“ (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008, S. 519). Bei Udris (1995, S. 422) wird soziale Unterstützung als „Austausch (Transaktion) von Ressourcen zwischen den Mitgliedern Tabelle 1: Taxonomie nach House (1981) Kategorien d. Unterstützung
Elemente
I
Emotionale soziale U.
Empathie anderer Personen, Vertrauen, Wertschätzung, Fürsorge
II
Instrumentelle soziale U.
Konkretes hilfeleistendes Verhalten durch andere Personen
III Informative soziale U.
Wissen um potentielle Hilfe, Ratschläge, Empfehlungen, Informationen
IV Evaluative soziale U.
Bestätigung von Meinungen, Feedback, sozialer Vergleich
II.2 Ressourcen
33
eines sozialen Netzwerks mit dem (impliziten oder expliziten) Ziel der gegenseitigen Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des Wohlbefindens“ verstanden. Bei Leppin & Schwarzer (1997) betrifft soziale Unterstützung den Inhalt und die Qualität und somit den funktionalen Aspekt sozialer Beziehungen. Das Konstrukt der sozialen Unterstützung ist mehrdimensional (Cobb, 1976; House, 1981). Es kann zwischen emotionaler, instrumenteller, informativer und evaluativer Unterstützung unterschieden werden (House, 1981; Schwarzer & Leppin, 1989). Es gilt aber anzumerken, dass in der empirischen Literatur verschiedene Kategorisierungssysteme vorhanden sind. Zudem gilt soziale Unterstützung als dynamischer Prozess, „da eine Person von sich aus Hilfeleistung evozieren, mobilisieren, gewinnen, aufrechterhalten, annehmen, abweisen oder selbst anderen geben kann“ (Udris, Kraft, Mussmann & Rimann, 1992, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 21). Die Unterstützung kann durch Kollegen und Vorgesetzte am Arbeitsplatz aber auch durch die Familie bzw. das private Umfeld erfolgen. In der Forschung wird soziale Unterstützung als Prädiktor für die psychische und physische Gesundheit oder als Moderator der Stressor-Stressreaktions-Beziehung betrachtet. Die Ergebnisse zur Moderatorhypothese sind jedoch widersprüchlich (Udris, 1995). Soziale Unterstützung als Moderator scheint abhängig von der Art des sozialen Rückhalts und personalen Faktoren (Leppin & Schwarzer, 1997). Für beide Ansätze finden sich eine grosse Anzahl empirischer Belege (Cobb, 1976; House, 1981; Leppin & Schwarzer, 1997). Auch Viswesvaran, Sanchez und Fischer (1999) argumentierten, dass Personen, welche soziale Unterstützung erhalten, ein besseres Befinden zeigen und weniger an psychischen und physischen Krankheiten leiden. Besonders in der psychologischen Burnout-Literatur wird viel über das Thema soziale Unterstützung als Ressource geschrieben (z. B. Kernen, 1997). Laut Fengler (1994) gehören soziale Unterstützungssysteme, wie zum Beispiel ein gut funktionierendes Beziehungsnetz in der Freizeit, zu den wichtigsten Ressourcen, um erfolgreich gegen den chronischen Arbeitsstress vorzugehen. Soziale Unterstützung wird in dieser Stichprobe in Bezug auf die Familie, dem Freundes und Bekanntenkreises und im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Beratung bei Coaches und Supervisoren erfragt. II.2.3.4
Sport
Regelmässige körperliche Aktivität besitzt die Funktion einer langfristigen Schutzwirkung gegenüber verschiedenen chronisch-degenerativen Krankheiten. In seinem umfassenden Überblick über die internationale Forschung kommt der Präventivmediziner Bernhard Marti (1993) zum Schluss, dass Sport und Bewegung die Ge-
34
II Theoretischer Hintergrund
sundheit fördern, da körperlich aktive Personen weniger chronische Krankheiten oder Störungen aufweisen als körperlich inaktive Personen. Als gesichert gilt ausserdem der positive Einfluss von Sport auf die Schlafqualität, indem verschiedene Untersuchungen aufzeigen, dass sich unter Ausdauertraining Schlafstörungen erheblich verbessern. Dabei steht die Schlafqualität in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lebensqualität (Klotz, 2002). Durch diesen besseren Allgemeinzustand sind die Sportler auch in anderen Lebensbereichen leistungsfähiger. Eine gesunde physische Basis ist notwendig, um über einen längeren Zeitraum mit grosser Energie zu arbeiten. Ein Engagement im Sport liefert einen positiven Beitrag zum Erwerb und zur Stärkung sportiver und sportunabhängiger psychischer Ressourcen (Lamprecht & Stamm, 2002). Inwiefern die sportliche Aktivität als Ressource gewertet wird, ist Bestandteil dieser Untersuchung. II.2.3.5
Distanzierungsfähigkeit
Eine gute Distanzierungsfähigkeit und Erholungsfähigkeit von der Arbeit bedeutet eine wichtige Ressource in arbeitsintensiven und belastenden Berufen, die das Burnoutrisiko deutlich verringert. Demgegenüber steht das „Overcommitment“. Es beschreibt einen verhaltensbezogenen Risikofaktor für Stressempfinden (Siegrist et al., 2004). Overcommitment meint „übermässige Verausgabungsbereitschaft“ bei „geringer Distanzierungsfähigkeit“ von beruflichen Problemen. Diese Studie verwendet stets den englischen Begriff, weil er nur umständlich ins Deutsche übersetzt werden kann. Overcommitment wird in der Literatur auch als persönliche Charaktereigenschaft gesehen, die auf den Elementen des Typ-A-Verhaltens basiert (van Vegchel et al., 2005). Das Typ A-Verhaltenskonzept (Friedmann & Rosenman, 1974, zitiert nach Schaarschmidt und Fischer, 2001) postuliert den Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und einem durch überhöhte Verausgabungsbereitschaft, Unfähigkeit der Distanzierung, Mangel an Erholungsfähigkeit und Wettbewerbshaltung gekennzeichnetem Verhaltensmuster. Da die Variable „Overcommitment“ ein wichtiger Bestandteil des Effort-RewardImbalance Modells von Siegrist et al. (2004) darstellt, findet sie als einzige Persönlichkeitsvariable Eingang in den Fragebogen (vgl. Kp. II.2.1) und die Frage nach der Distanzierfähigkeit als persönlicher Schutzfaktor wird im Interview gestellt. II.2.4
Ressourcenkonzepte
Im Vordergrund dieser Konzepte stehen die Mittel (Ressourcen), die einer Person zur Verfügung stehen, um Belastungen zu bewältigen. Im nachfolgenden Kapitel
II.2 Ressourcen
35
sollen zwei einflussreiche Konzepte vorgestellt werden, die sich mit der Wechselwirkung von Ressourcen und Stressoren beschäftigen: 4. Die Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988) 5. Das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell nach Kernen (2008) II.2.4.1
Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988)
Bei der Theorie der Ressourcenerhaltung (COR-Theorie) handelt es sich um ein alternatives Stressmodell, „indem sowohl objektiv als auch subjektiv wahrgenommene Faktoren in den Stress- und Stressbewältigungsprozess miteinbezogen werden“ (Buchwald, Schwarzer & Hobfoll, 2004, S. 11). Die Ressourcenveränderung steht als Schlüsselvariable im Zentrum. Zudem schliesst die Theorie zu gleichen Teilen internale Prozesse und Umweltprozesse mit ein. Somit steht dieser Ansatz im Gegensatz zu bisherigen Theorien, die kognitive Prozesse als den Hauptfaktor des Stressprozesses ansehen. Die Grundannahme besteht darin, dass das Individuum danach strebt, die eigenen Ressourcen zu bewahren, zu schützen und weitere neue Ressourcen aufzubauen. Ressourcen sind definiert als Objektressourcen (z. B. Kleidung, Haus, Auto), Bedingungsressourcen (z. B. Alter, berufliche Position), persönliche Ressourcen (Fähigkeiten und Eigenschaften einer Person) und Energieressourcen (z. B. Geld, Zeit, Wissen). Eine Veränderung der Ressourcen ist grundsätzlich mit Stress verbunden und wird ausgelöst, wenn 1. Ressourcen von Verlust bedroht sind 2. Ressourcen verloren gegangen sind oder 3. Investitionen von Ressourcen nicht den erwarteten Ressourcengewinn erbringen (Hobfoll, 2001, zitiert nach Burisch, 2006, S. 57). Ressourcenverluste sind gegenüber Ressourcengewinnen bedeutsamer. Somit hat ein bestimmter Ressourcenverlust mehr Auswirkungen als ein gleich grosser Ressourcengewinn. Um sich vor Ressourcenverlusten zu schützen, zu erholen oder neue Ressourcen zu gewinnen, müssen wiederum Ressourcen investiert werden. Personen mit vielen Ressourcen sind weniger verletzlich gegenüber Verlusten und eher in der Lage, Ressourcen zu gewinnen, während Personen mit wenigen Ressourcen vulnerabler für Verluste und die negativen Wirkungen andauernder Ressourcenforderungen sind. Als Folge dieser Ressourcendefizite wird es für sie schwierig, neue Ressourcen gewinnen zu können. Man spricht dabei von einem Zyklus, „bei dem das System mit jedem Verlust anfälliger und verletzlicher wird und das Individuum im Zuge dieser Verlustspirale daran hindert, anstehende stressreiche Probleme zu bewältigen“ (Buchwald et al., 2004, S. 15).
36
II Theoretischer Hintergrund
Zur Bewältigung von Stress wird ein multiaxiales Copingmodell herbeigezogen. Dabei wird die Umwelt als integraler Teil dieses Bewältigungsprozesses mit berücksichtigt. Hobfoll & Buchwald et al. (2004, S. 23) postulieren, „Coping ist unmittelbar mit der Erhaltung von Ressourcen verbunden. Es erfordert die Investition von Ressourcen, um dadurch deren Verlust zu meiden bzw. Zugewinne zu machen.“
Ereignis Ressourcenpool
Verlustspirale
Evaluation der
Gewinnspirale
Ressourcen
tatsächliche oder
Gewinne
drohende Verluste Coping
Fehlinvestition
Coping
Gewinninvestition Motivation, neue Ressourcen zu gewinnen
Abbildung 1: Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan Hobfoll (1988)
II.2.4.2
Das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell nach Kernen (2008)
Mit diesem Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell (RBR) von Kernen (2008) kann das Zusammenspiel von Ressourcen, Beanspruchung und psychophysischer Balance umfassend dokumentiert werden. Nach Kernen (2008) wimmelt es im Arbeitsfeld nicht nur von Stressoren, die krank machen können, sondern es ist auch voller Ressourcen. Dabei gehe es um „einen Abstimmungsprozess zwischen den subjektiv erlebten Belastungen, den Beanspruchungen, die wir täglich erleben, und den Ressourcen, die in uns in unserem Alltag zur Verfügung stehen“ (Kernen, 2008, S. 79).
37
II.2 Ressourcen
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Abbildung 2: Das Ressourcen-Belastungs-Regulations-Modell nach Kernen (2008)
Ausgangspunkt in seinem Modell bilden die internen und externen Anforderungen/Belastungen durch Transaktionen des Individuums mit der Umwelt. Transaktionen werden gemäss Hornung & Gutscher (1994) als wechselseitige Beziehungen zwischen Individuum und seiner Umwelt verstanden. Die subjektiv wirksame Belastung besteht aus mehreren Komponenten: 1. „einer externen Komponente in Form eines an das Individuum gestellten Anspruchs“; 2. „der Summe von Verhaltensweisen, mit der das Individuum auf bisherige Belastungen reagiert, seine Umwelt in einer bestimmten Weise konstelliert und die aktuelle Beeinflussung mit beeinflusst hat“;
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II Theoretischer Hintergrund
3. „der aktuell dem Individuum zur Verfügung stehenden Ressourcenbasis und einer durch frühere Anspassungsleistungen modulierten internen Komponente. Sie spielt eine Rolle darin, wie die Belastung im Verhältnis zum Individuum ausfällt und manifestiert sich im psychophysischen Befinden“ (Kernen, 2008, S. 86). Im Normalfall sind diese Komponenten voneinander abhängig. In einem weiteren Schritt wird die wirksame Belastung durch das Individuum eingeschätzt, ob sie eher ressourcenaufbauende, ressourcenbeanspruchende oder ressourcengefährdende Wirkung haben wird (primär eingeschätzte Belastung). Diese primär eingeschätzte Belastung wird nun vom Individuum mit den verfügbaren Ressourcen verglichen (sekundär eingeschätzte Belastung) (vgl. Kp. II.3.3.2 Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und Launier). Die Beanspruchung resultiert aus dem Vergleich der primär und sekundär eingeschätzten Belastung. Für die Bewältigung der Beanspruchung muss das Individuum seine Ressourcen aktivieren. Weiter hält Kernen (2008) fest, dass je nach Beanspruchung für das Individuum eine Situation resultiert, die mit einem Verlust, einer Bewahrung oder einem Aufbau seiner Ressourcen verbunden ist. In Abhängigkeit von der psychophysischen Balance, einem Zustand der Homöostase, zeigt das Individuum ein unterschiedliches Bewältigungsverhalten (problembezogenes und emotionsbezogenes Coping). Dabei wirken in diesem Modell das Coping und die Umwelt gegenseitig. Im idealen Fall kann einerseits durch Coping die Belastung bewältigt, andererseits bei einem kontraproduktiven Coping die Belastung erhöht werden, indem 1. ungünstige Umweltreaktionen provoziert und 2. die Ressourcen des Individuums abgebaut werden sowie 3. der Zugriff auf noch vorhanden Ressourcen erschwert wird. Dauert eine solche negative Situation an, kann es in der Folge zu einer gesundheitlichen Dysbalance kommen, die sich zum Beispiel in einem Burnout (vgl. Kp. II.4) manifestiert. Durch den Nutzen von internen und externen Ressourcen wird die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung der Stressoren gemildert. Betrachtet man in den beiden besprochenen Modellen diesen Bewältigungsmodus des Zusammenspiels von Ressourcen und Stressoren im Kontext der Arbeitbelastung, so wird deutlich, dass Stressereignisse nur dann erfolgreich bewältigt werden können, wenn dementsprechend Ressourcen zur Verfügung stehen. Dabei geht es keineswegs nur um materielle Ressourcen, sondern auch um psychische Ressourcen. Sie alle vermögen Stresseinwirkung konstruktiv zu modellieren (Fritschi, 1991).
II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
II.3
39
Belastung, Beanspruchung und Stress
Hohe Anforderungen an Arbeitskräfte gehen immer einher mit hoher Belastung. Dabei kann auf der einen Seite der Stress der Gesundheit schaden, auf der anderen Seite aber können hohe Anforderungen auch die Entwicklung einer Arbeitskraft fördern (Bamberg et al., 2003). Die positiven und negativen Folgen hoher Anforderungen liegen eng beieinander, nicht zuletzt deshalb werden die Begriffe „Belastung“, „Beanspruchung“ und „Stress“, häufig synonym verwendet. Um diese arbeitspsychologisch wichtigen Begriffe soll es in der Folge gehen, nachdem in den vorangehenden Kapiteln bereits die Begriffe „Gesundheit“ und „Ressource“ erläutert wurden. Die Reihenfolge der verschiedenen theoretischen Konzepte ergibt sich im Wesentlichen aus ihrer zeitliche Entstehung und ihre Bezugnahme aufeinander. Ausgangspunkt bildet das Belastungs-Beanspruchungskonzept, das 1975 von Rohmert und Rutenfranz entwickelt wurde. In der Auseinandersetzung mit den Grenzen dieses Modells sind ab den 1990er Jahren neuere stresstheoretische Ansätze entstanden (Ducki, 2000, zitiert nach Zuber-Manetsch, 2002, S. 17). Diese Diskussion bildet nicht nur den theoretisch Hintergrund für diese Untersuchung, es lassen sich daraus auch bereits einige Bedingungen ableiten, wie Ressourcen dem gesundheitsschädigenden Stress bei hoher Arbeitsbelastung entgegenwirken können.
II.3.1
Das Belastungs- und Beanspruchungskonzept
Das Belastungs-Beanspruchungskonzept (Rohmert & Rutenfranz, 1975) besitzt in verschiedenen arbeitswissenschaftlichen Disziplinen, wie etwa der Arbeitspsychologie, noch immer einen hohen Stellenwert (Ulich, 2005). In diesem Modell werden Wirkungen von Arbeitsanforderungen und -belastungen auf das Individuum analysiert. Grundsätzlich wird zwischen Belastung (load) und Beanspruchung (strain) unterschieden. Demzufolge sind Belastungen „objektive, von aussen her auf den Menschen einwirkende Grössen und Faktoren“ (Rohmert & Rutenfranz, 1975, S. 9). Als objektiv wird das bezeichnet, was dem Einfluss des Individuums entzogen ist und die von ihm unabhängigen Einflussgrössen. Diese Belastungen können nach Entstehungsort und nach Quantifizierbarkeit eingeteilt werden. Rohmert und Rutenfranz (1975) unterscheiden zwischen Belastungen der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsumgebung. Zu den Belastungen der Arbeitsaufgabe gehören das Aufnehmen und Verarbeiten von Informationen, Zeitdruck, Monotonie und Verantwortung. Unter Belastungen der Arbeitsumgebung werden Faktoren wie zum Beispiel Temperatur- und Lärmeinflüsse verstanden. Belastungsdauer und -höhe sind entscheidend in der Wirkung auf den Menschen. Büssing (1999, S. 201) beschreibt, dass in diesem Konzept nach
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II Theoretischer Hintergrund
den „objektiven Belastungen die subjektiven Beanspruchungen folgen“ in Abhängigkeit von einerseits individuellen Unterschieden zwischen Personen (interindividuelle Unterschiede z. B. Intelligenz, Körperkraft) und andererseits in Abhängigkeit von den sich mit der Zeit ändernden individuellen Voraussetzungen (z. B. altersbedingte Leistungsvoraussetzungen). Das bedeutet, dass dieselbe Belastung für verschiedene Personen eine unterschiedliche Beanspruchung zur Folge hat. Als Beanspruchungen werden somit „die Auswirkungen von Belastungen auf den Menschen, die auf Grund differierender Fähigkeiten und Eigenschaften unterschiedlich sind“ (Rohmert & Rutenfranz, 1975, S. 98) bezeichnet. Dabei treten Beanspruchungsreaktionen und/oder Beanspruchungsfolgen auf. Rudow (2004, S. 51) versteht unter Beanspruchungsreaktionen „kurzfristig auftretende, reversible psychophysische Phänomene“ und unter Beanspruchungsfolgen „überdauernde, chronische und bedingt reversible psychophysische Phänomene“. Als Indikatoren für Beanspruchungen gelten hier hauptsächlich physiologische Parameter. In der Literatur ist die Beanspruchung meist negativ konnotiert. Eine Beanspruchung kann aber auch eine positive Auslösefunktion besitzen (Nitsch, Udris & Allmer, 1976), bei der es zu einem Lernprozess kommt, wie mit Belastungssituationen umgegangen werden kann. Richter (2000, zitiert nach Möltner & Elke, 2005, S. 5) hält fest, dass aus Belastungen Beanspruchungsfolgen positiver wie auch negativer Art folgen können, in Abhängigkeit von Art, Höhe und Umfang der Belastungen sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen (vgl. Kp. II.2). Die Arbeitszufriedenheit kann als Beispiel für eine positive Beanspruchungsreaktion gelten. Chronischer Stress tritt dann ein, wenn der aktuelle Stress nicht bewältigt wird (Rudow, 2004) und kann zu einer Stresserkrankung wie Burnout führen (vgl. Kp. II.4). Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept besitzt praktische Relevanz, da leicht handlungsleitende Massnahmen abgeleitet werden können, wie zum Beispiel Richtlinien zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen (Bamberg, 2007). Kritisiert wird, das Konzept sei zu wenig theoretisch fundiert. Nicht nur äussere Faktoren können als Belastungen wirken, sondern auch psychische Merkmale oder Prozesse des Individuums. Zudem handelt es sich in diesem Konzept um einfache UrsacheWirkungs-Zusammenhänge. Aspekte wie Mensch-Umwelt-Transaktionen, komplexe psychosoziale Belastungen und Belastungsverarbeitungsprozess werden nicht miteinbezogen. Somit kann nicht beantwortet werden, warum Menschen auf gleiche Belastungen unterschiedlich reagieren (Bamberg et al., 2003). II.3.2
Begriffsdefinition Stress
Im Vergleich zum Belastungs-Beanspruchungskonzept werden in stresstheoretischen Konzepten die Mensch-Umwelt-Interaktionen und Prozesse der Bewältigung berücksichtigt (Bamberg, 2007).
II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
41
Der Begriff „Stress“ ist in der Alltagssprache, wie auch in der psychologischen Forschung, gekennzeichnet durch eine enorme Fülle einzelner Aspekte. Damit verbunden ist eine verwirrende Vieldeutigkeit. Diese zeigt sich insbesondere auch in den mit Stress verbundenen Symptome und Verhaltensweisen. Versucht man diesen Begriff wissenschaftlich präzise zu operationalisieren, so gerät man schnell in ein schwer überschaubares Terrain unterschiedlichster Auffassungen, die kaum noch an ein interdisziplinäres Einheitskonzept glauben lassen (Nitsch, 1981). Darin wird der Stressbegriff, in allgemeiner Verwendung als Bezeichnung für Probleme bei der Auseinandersetzung mit der Umwelt, für jedermann verständlich. Nach Schönpflug (1987, zitiert nach von Massenbach, 2000, S. 101) wird Stress bereits im mittelalterlichen Englisch als Alltagsbegriff in der Bedeutung von „äusserer Not und auferlegter Mühsal“ verwendet. In die deutsche Sprache übersetzt bedeutet Stress „Druck, Belastung und Anspannung“. 1914 führte Cannon den Begriff in die psychologische Fachliteratur ein. Seine Popularität aber erhielt er in den 1950-er Jahren nach dem Urheber der biologischen Stresskonzeption, dem ungarischen-kanadischen Mediziner Hans Selye. Dieser sah Stress als eine Reaktion des Organismus aufgrund von täglichen Belastungen. Dabei verwendet er einen neutralen Stressbegriff (vgl. Kp. II.3.3.1) und unterscheidet zwischen Eustress und Distress, je nachdem, wie der Stress wirkt (Selye, 1981). Mit Eustress ist der positive Stress gemeint, wie zum Beispiel die Vorfreude, das Verliebtsein oder die Herausforderung. Dieser Eustress beflügelt das Individuum und spornt zu Leistungen an. Anders ist es mit Distress, dieser wirkt negativ. Die Anforderungen, die an das Individuum gestellt werden, werden als belastend empfunden. Zu einem späteren Zeitpunkt wird zwischen Stressoren und Stressreaktionen unterschieden, die von negativen kognitiven und emotionalen Zuständen begleitet sind (Greif, Holling & Nicholson, 1989). Stress dagegen bezieht sich auf eher komplexe psychologische Zustände, wie er auch von Greif, Bamberg und Semmer (1991, S. 13) beschrieben wird: „Stress ist ein subjektiv intensiver unangenehmer Spannungszustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine stark aversive, subjektiv zeitlich nahe (oder bereits eingetretene) und subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht vollständig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint. Stressoren sind dabei hypothetische Faktoren, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Stress oder Stressempfindungen auslösen“. Nach Ulich (1982) ist Stress mit einem Kontrollverlust verbunden. Dieser geht einher mit Gefühlen der Bedrohung, des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und der Abhängigkeit. Kernen (2005, S. 80) bezeichnet Stress „als eine unangenehm empfundene, von negativen Emotionen begleitete Beanspruchung“. Aus diesen Definitionen wird deutlich, dass Stress den Auslöser eines unangenehmen Zustandes, einen unangenehmen Zustand selbst oder die Folgen eines unangenehmen Zustandes beschreibt. Der „kleinste gemeinsame Nenner“ aller Stress-
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II Theoretischer Hintergrund
konzeptionen kann darin gesehen werden, „dass ein tatsächlich vorhandenes oder auch nur subjektiv wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen Zielen und Möglichkeiten bzw. zwischen Bedürfnissen und Angeboten vorliegt“ (Semmer & Udris, 2004, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005, S. 63). Weiner sieht folgende weitere übereinstimmende Komponenten in den verschiedenen Stressdefinitionen (1998, zitiert nach Kirchler & Hölzl, 2008, S. 284): 1. Stress wird durch einen Stimulus verursacht, der entweder physischer oder psychischer Natur sein kann; 2. die Person reagiert auf diesen Stimulus. 3. Stress wird in Verbindung gebracht mit Zwängen (die die Person daran hindern, etwas Erwünschtes zu tun) und Forderungen. Für die vorliegende Arbeit gilt folgende Definition: „Stress resultiert aus einem tatsächlichen oder wahrgenommenen Ungleichgewicht zwischen den aus einer Situation resultierenden Anforderungen bzw. Belastungen und der Einschätzung, diese mit den verfügbaren Ressourcen nicht bewältigen zu können“ (Ulich, 2005, S. 475). Die Begriffe „Stress“, „Stressreaktion“, „Belastungsreaktion“ und „Beanspruchung“ werden in der Literatur nicht einheitlich verwendet. In jüngster Zeit scheint sich zumindest ein Konsens bezüglich der Verwendung deutscher und englischer Belastungs- und Stressbegriffe abzuzeichnen (Udris & Freese, 1999). Zur Übersicht haben Udris und Freese (1999, S. 428) eine Einordnung der Begrifflichkeiten vorgenommen. Dabei werden die Begriffe innerhalb einer Spalte synonym verwendet. Stressbegriffe, die sich auf die Umwelt beziehen, sind Belastung, Belastungsfaktor, Stressor und Stressfaktor. Beanspruchung, Beanspruchungsfolge, Fehlbeanspruchung, Stress und Stressreaktion sind Synonyme, welche sich auf die Person beziehen. Die vorliegende Studie orientiert sich an dieser Kategorisierung. Die Stresswirkung kann positiv oder negativ sein (vgl. Kp. II.3.2). Wie bereits erwähnt, kann chronischer Stress langfristig gesundheitliche Schäden nach sich ziehen (vgl. Kp. II.4). Demgegenüber steht die positive Wirkung von Stress (Eustress), der Tabelle 2: Deutsche und englische Belastungs- und Stressbegriffe nach Udris & Frese (1999) Umwelt
Person
Stressor
Stress
Stressfaktor
Stressreaktion
Belastung
Beanspruchung, Beanspruchungsfolge
Belastungsfaktor
Fehlbeanspruchung
Load
Strain
II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
43
motivierende und stimulierende Auswirkungen besitzt (Kirchler & Hölzl, 2008). Im nachfolgenden Kapitel wird unter „Stress“ immer Distress verstanden. II.3.3
Grundmodelle von Stress
In der Stressforschung lassen sich drei Klassen von Konzeptionen erkennen, die je nach Kontext die Stressreaktion, den Stressor, aber auch das Stressgeschehen insgesamt umschreiben (Frieling & Sonntag, 1999; Jerusalem, 1990). Diese verschiedenen Betrachtungsweisen zeigen sich bereits bei den erwähnten Stressdefinitionen (vgl. Kp. II.3.2). Es wird nach situationsbezogenem (stimulusorientierten), reaktionsbezogenen und relationalen (oder transaktionalen) Konzepten unterschieden (Laux, 1983, zitiert nach Jerusalem, 1990, S. 1). Der reizorientierte (stimulusorientierte) Ansatz Bei stimulusorientierten Konzepten werden äussere Ereignisse bzw. Stimuli, die auf einen Organismus einwirken, als Stress bezeichnet. Stress wird als unabhängige Variable über bestimmte Reiz-, Situations- oder Umweltmerkmale operationalisiert (Hartmann & Richner, 1997). Im Vordergrund steht dabei die Analyse und Identifizierung verschiedener Stimuli (Stressoren), d. h. unterschiedliche Qualitäten und Intensitäten von Umweltreizen, die das Risiko von Stresszuständen erhöhen (Semmer & Udris, 2004). Einschneidende Ereignisse im Leben eines Menschen wie schwere Krankheiten, Katastrophen, Tod eines Partners oder Arbeitslosigkeit, aber auch fehlende Stimulation, Isolation und Unterforderung stellen dabei besondere Belastungen dar. Bei diesem Ansatz nicht berücksichtig wird, „wie diese [Stressoren] vom einzelnen Arbeitnehmenden subjektiv bewertet werden und welche Reaktionen sie in Abhängigkeit von den individuellen Bewältigungsstrategien hervorrufen“ (Frieling & Sonntag, 1999, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005, S. 61). Der reaktionsorientierte Ansatz Demgegenüber stehen die reaktionsorientierten Konzepte, bei denen die Folgen von Stress im Vordergrund stehen und Stress als abhängige Variable verstanden wird. Die Reaktion eines Organismus wird somit als relativ unabhängig von der Art des auslösenden Reizes betrachtet. Selye (1981) ist ein Vertreter dieses Stresskonzepts (vgl. Kp. II.3.3.1). Der transaktionale Ansatz Weder stimulusorientierten noch reaktionsorientierten Konzepten ist es gelungen zu erklären, warum es „bei objektiven gleichen Belastungen bei manchen Menschen zu
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II Theoretischer Hintergrund
starken Stressreaktionen kommt, bei anderen hingegen keine oder nur eine geringe Belastung zu beobachten ist“ (Jerusalem, 1990, S. 6). Dabei wird in vielen Definitionen deutlich, dass Stress mit Situationen verbunden ist, bei welchen sich dem Individuum ein Anpassungsproblem stellt im Sinne einer Person-Umwelt-Beziehung. In den neueren Stresskonzepten spielt diese Wechselbeziehung eine zentrale Rolle, genauer gesagt die Beziehung zwischen Ereignissen aus der Umwelt und dem Individuum. Lazarus und Launier (1981) gelten als Hauptvertreter dieses kognitiven, relationalen Konzepts. Danach entsteht Stress infolge einer dynamischen Beziehung zwischen der Person sowie inneren und äusseren Anforderungen (vgl. Kp. II.3.3.2). II.3.3.1
Das Allgemeine Adaptionssyndrom nach Selye (1981)
Dieses Konzept spielt besonders in der medizinischen Stressforschung eine bedeutende Rolle. Selye ist aufgrund von Krankheitserfahrungen seiner Patienten davon ausgegangen, dass ein Stresszustand als spezielles Syndrom gilt, welches aus unspezifischen Veränderungen innerhalb eines biologischen Systems besteht. Somit definierte er Stress als „die unspezifische Reaktion des Körpers auf eine Anforderung“ (Selye, 1981, S. 170). Reize, die eine bestimmte Anforderung ausmachen, werden als Stressoren bezeichnet. Dabei wird bei jeder Anforderung in drei Phasen reagiert: 1. Alarmreaktion, 2. Stadium des Widerstandes und der Mobilisierung von Energiereserven sowie 3. Stadium der Erschöpfung. Die Reaktionen auf die Stressanforderungen können in der Folge bei den verschiedenen Personen unterschiedliche krankhafte Veränderungen hervorrufen. Diese Erkrankungen werden von Selye als das „allgemeine Adaptionssyndrom“ (oder auch Generalisiertes Anpassungssyndrom (GAS)) bezeichnet, da er diese Reaktion für eine biologisch funktionale Anpassungsreaktion (Greif et al., 1991, S. 8) hält. Dabei sei keine Krankheit nur auf Stress zurückzuführen, Stress könne aber der entscheidende Faktor sein. II.3.3.2
Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und Launier (1981)
Wie der Name schon sagt, liegt dem Modell eine Transaktion zwischen Person und Situation zugrunde. Dabei geht es um verschiedene Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt, welche durch kognitive Bewertungsprozesse vermittelt werden (Kernen, 1997, S. 37). Eine Situation kann einerseits ein externes Ereignis sein, sie kann aber auch durch innere Anforderungen wie Ziele, Werte, Normen repräsentiert werden. Laza-
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II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
Primäre Bewertung
Situation/ Ereignis
Kognitive
stressend/irrelevant/positiv
Bewertung durch das Individuum
Vergleich zwischen Anforderungen und
sekundäre Bewertung – Bewältigungsfähigkeiten
Fähigkeiten des Individuums
– Bewältigungsmöglichkeiten Neubewertung (reppraisal) Coping-Prozess – instrumental – pallativ
Abbildung 3: Das Stressmodell von Lazarus und Launier (1981)
rus geht bei der Beurteilung von Reizen von einer primären und sekundären Bewertung aus, welche von grosser Bedeutung sind. Die kognitiven Einschätzungen (appraisals) werden als zentraler Aspekt von Stress gesehen und sind das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu physiologischen Stresstheorien (Burisch, 2006). Bei der primären Bewertung (primary appraisal) wird die aktuelle Situation analysiert. Dabei werden drei grundlegende Kategorien unterschieden. Das Individuum kann ein Ereignis einerseits als irrelevant, günstig/positiv oder als stressend einstufen. Bei einer Bewertung durch die ersten zwei Kategorien ist keine Anpassungsoder Bewältigungsbemühung erforderlich. Zur primären Bewertung einer Situation oder eines Ereignisses erfolgt nun ein sekundärer Bewertungsprozess (secondary appraisal). Bei diesem werden die persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten bzw. Handlungsalternativen geprüft, eingeschätzt und ausgewählt. Bei der Situationsbewältigung spielt die Selbstwirksamkeitserwartung eine entscheidende Rolle. Darunter wird die Überzeugung verstanden, die spezifischen Anforderungen durch eigenes kompetentes Handeln unter Kontrolle zu bringen (Bandura, 1977). In diesem Sinn ist die subjektiv wahrgenommene Bewältigungsmöglichkeit entscheidend und nicht die objektiven Ressourcen, die jemand tatsächlich zur Verfügung hat. Bei den primären und sekundären Lageeinschätzungen berücksichtigt Lazarus den Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren. Je nach individueller Disposition wird eine Situation anders beurteilt (Burisch, 2006). „Die beiden Prozesse (primary und secondary appraisal) sind nicht als zeitlich getrennte, separate Prozesse zu denken.
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II Theoretischer Hintergrund
Es sind vielmehr zwei Aspekte des Evaluationsprozesses, der bei der Situationsbewertung abläuft“ (von Massenbach, 2000, S. 103). Im gesamten Bewertungsprozess kommt es zu einer Rückkoppelung. Es findet eine Neubewertung (reappraisal) aufgrund der Erfahrungen und anschliessender Reflexion statt. Ähnliche Probleme werden in Zukunft als weniger bedrohlich eingestuft. Somit beeinflussen die Erfahrungen, die eine Person in einer aktuellen Situation macht, die Bewertungen und die Reaktionen in zukünftigen Situationen. Als weitere Komponente seines Stressmodels gilt die Stressbewältigung (Coping). Lazarus und Launier (1981, S. 244) definieren Bewältigung bzw. Coping folgendermassen: „Bewältigung besteht sowohl aus verhaltensorientierten als auch intrapsychischen Anstrengungen, mit umweltbedingten und internen Anforderungen sowie den zwischen ihnen bestehenden Konflikten fertig zu werden (d. h. sie zu meistern, zu tolerieren, zu reduzieren, zu minimieren), welche die Fähigkeiten einer Person beanspruchen oder übersteigen.“ Im Modell von Lazarus und Launier wird zwischen zwei Bewältigungsformen (Copingstrategien) unterschieden: 1. problembezogenes Coping (instrumentell) 2. emotionsbezogenes Coping (palliativ) Beim emotionsbezogenen Coping steht die Regulation der Emotion im Vordergrund, zum Beispiel durch Selbstverbalisation oder Uminterpretation von Situationen, Verleugnung oder Abwertung der bedrohten Ziele. Diese Strategie wird besonders dann eingesetzt, wenn eine Situationskontrolle nicht möglich scheint oder ist. Demgegenüber steht das problemorientierte Coping, das zum Einsatz kommt, wenn die Situation als grundsätzlich kontrollierbar wahrgenommen wird. Dabei geht es um die Lösung eines Problems, bei der die Person direkt handelt, indem sie instrumentelle Tätigkeiten ausführt. Je nachdem wird ein Individuum ein unterschiedliches Bewältigungsverhalten zeigen. Im günstigsten Fall wird eine Anpassungsleistung vollzogen, welche auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen abgestimmt ist (Kernen, 1997, S. 55). Hat ein Individuum einen Mangel an Verfügbarkeit von Bewältigungshandlungen, so führt dies zu Verwundbarkeit (Vulnerabilität), und es wird mehr Stress erlebt. In der Regel zeigt sich, dass problemorientiertes Coping in einem grösseren Zusammenhang mit mentaler und physischer Gesundheit steht als emotionsorientiertes Coping (Semmer et al., 2003). Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus und Launier (1981) verdeutlicht das Zusammenspiel zwischen personalen Faktoren und Umweltweltbedingungen in der Entstehung von Stress. Demnach führt ein Stressor nicht automatisch zu einem Stress. Erst wenn die wahrgenommenen Anforderungen die individuellen Bewälti-
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II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
gungsmöglichkeiten übersteigen, kann dies zu kurz- oder langfristigen Stressfolgen führen. Im Allgemeinen bildet die Theorie eine gute Grundlage zum Verständnis des Stressprozesses. Im Modell werden aber keine konkreten individuellen Voraussetzungen miteinbezogen und auch keine spezifischen Strategien zur Stressbewältigung thematisiert. Das umfassendere Konzept von Siegrist et al. (1996) basiert auf dem Stressmodell von Lazarus und Launier (vgl. Kp. II.3.3.2). II.3.4
Klassifikation von Stressoren
Im Arbeitsfeld sind verschiedene Stressoren vorhanden, einerseits Umweltfaktoren und andererseits Faktoren innerhalb der Person. Stressoren werden als externe und interne Stimuli aufgefasst, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu Stressreaktionen Tabelle 3: Stressoren des Arbeitsfeldes (Udris & Frese, 1999; Zapf & Semmer, 2004) Quelle
Beispiele
Physikalische Umgebung
– – – – –
Arbeitsaufgabe und Arbeitsorganisation
– quantitative und/oder qualitative Unterforderung – quantitative und/oder qualitative Überforderung – Regulationsbedingungen
Rolle
– Rollenkonflikte – Rollenambiguität
Zeitliche Dimension
– Nacht- und Schichtarbeit – lange Arbeitszeiten – Arbeit auf Abruf
Soziales Umfeld
– – – –
Gesamtbalance von Einsatz und Ertrag
– Mangelnde Reziprozität – Gratifikationskrisen
Kunden- und Klientenkontakt
– Emotionale Dissonanz – Umgang mit schwierigen Kunden
Verhältnis zwischen der Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen
– „Work Life Conflict“
Lärm Staub Hitze Schmutz Chemische Stoffe
Unfairness Belastendes Vorgesetztenverhalten Soziale Konflikte Mobbing
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II Theoretischer Hintergrund
führen können (Semmer, 1984), aber nicht müssen. Ihr Vorhandensein erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Stress kommt (Kernen, 2005). Es kann unterschieden werden zwischen akuten Stressoren, wie zum Beispiel dem Tod eines nahen Menschen, oder chronischen Stressoren, wie ständig hoher Zeitdruck (Sonnentag & Frese, 2002). Die vorstehende Klassifikation (Tabelle 3) gibt einen Überblick über mögliche Stressoren des Arbeitsfeldes. In Untersuchungen fanden sich für die meisten Stressfaktoren relevante Zusammenhänge mit Gesundheitsindikatoren (Ulich & Wülser, 2005). Wie bereits erwähnt, reicht die Anwesenheit dieser Stressoren allein nicht aus, um das Stresserleben einer Person zu erklären. Dazu existieren verschiedene Stressmodelle, die sich in ihrer Definition von Stress, in der Erklärung der Entstehung von Stress und in der Beschreibung der Wirkbeziehung zwischen Stressoren und Stressreaktionen unterscheiden.
II.3.5
Stressreaktionen und -folgen
Auswirkungen von Stress können kurzfristig als auch langfristig bestehen (vgl. Kp. II.3.1) und betreffen folgende drei Ebenen (Bamberg, 2007): die physiologischsomatische Ebene, die kognitiv-emotionale Ebene und die Verhaltensebene. In der folgenden Tabelle 4 ist eine Reihe von kurz- und langfristigen Auswirkungen von Stress zusammengestellt. Als kurzfristige Stressreaktionen gelten Reaktionen, die „in der Stresssituation und bei andauernden Stresszuständen beim Menschen stattfinden“ (Nerdinger et al., 2008, S. 28), wie zum Beispiel physiologische Aktiviertheit und subjektive Befindensbeeinträchtigungen. Auf der individuellen und sozialen Verhaltensebene kann es zu Leistungsschwankungen und Aggressionen gegen andere kommen. Langfristige Stressreaktionen umfassen Dauerbelastungen bzw. lang anhaltende Stresszustände, welche negative gesundheitliche Folgen für das Individuum besitzen. Solche sind nebst den organischen Krankheiten allgemeine psychosomatische und psychische Beschwerden und Erkrankungen wie zum Beispiel Burnout (vgl. Kp. II.4). Auf der individuellen Verhaltensebene kann es zu einem übermässigen Konsum von Alkohol-, Nikotin-, oder Tablettenkonsum kommen. Die folgenden zwei Konzepte postulieren, dass Belastungen (Stressoren) nur in bestimmten Konstellationen negative Beanspruchungsfolgen (Stress) bewirken können (Möltner & Elke, 2005) und dass durch die Verfügbarkeit und Nutzung von Ressourcen die gesundheitsbeeinträchtigenden Stressorwirkungen gemildert werden können.
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II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
Tabelle 4: Klassifikation kurz- und langfristiger Auswirkungen von Stress (Kaufmann, Pornschlegel & Udris, 1982) Kurzfristige Stressreaktionen
Langfristige Stressreaktionen
Physiologisch, somatisch
– erhöhte Herzfrequenz – Blutdrucksteigerung – Adrenalinausschüttung (Stresshormon)
– Allgemeine psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen – Unzufriedenheit, Resignation, Depression
Psychisch (Erleben)
– – – –
Anspannung Frustration Ärger Ermüdungs-, Monotonie-, Sättigungsgefühle
Verhalten (individuell)
– – – –
Leistungsschwankung Nachlassen der Konzentration Fehler schlechte sensumotorische Koordination
Verhalten (sozial)
– – – –
Konflikte Streit Aggression gegen andere Rückzug (Isolierung) innerhalb und ausserhalb der Arbeit
II.3.6
– Vermehrter Nikotin-, Alkoholund Tablettenkonsum – Fehlzeiten (Krankheitstage)
Job-Demand-Control-Modell nach Karasek (1979)
In seinem Job-Demand-Control-Modell (zu einem späteren Zeitpunkt „job strain model“; Karasek & Theorell, 1990) zeigt Karasek (1979), dass Stresssymptome aufgrund einer Kombination zweier Merkmale des Arbeitsgeschehens auftauchen können: Einerseits durch die Arbeitsintensität (demand) und andererseits durch den Handlungs- und Entscheidungsspielraum (control). Dieser beinhaltet Merkmale der Entscheidungsverantwortung und Qualifikationsmerkmale (Ulich & Wülser, 2005). Stress entsteht aus der Diskrepanz zwischen hohen Arbeitsanforderungen bzw. quantitativ hoher Arbeitsbelastung (z. B. hoher Zeitdruck) und kleinem Entscheidungs- und Kontrollspielraum. Dementsprechend sind Tätigkeiten mit niedrigem Handlungs- und Kontrollspielraum und hohen Belastungen besonders gesundheitsschädlich (high-strain job). In seiner Untersuchung bei mehr als 8000 schwedischen Angestellten wird die Bedeutung der Kontrolle und ihre Auswirkung auf den Gesundheitsstatus bestätigt (Karasek, 1990) und in mehreren empirischen Untersuchungen die entsprechende
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II Theoretischer Hintergrund
Arbeitsanforderungen
hoch niedrig
Entscheidungsspielraum
niedrig
niedrig beanspruchende Tätigkeit
passive Tätigkeit
hoch
aktive Tätigkeit
hoch beanspruchende Tätigkeit
Abbildung 4: Job-Demand-Control-Modell nach Karasek (1979)
Zunahme (bei „high-strain jobs“) insbesondere der physischen Gesundheitsbeeinträchtigungen wie kardiovaskuläre Erkrankungen unterstützt (Theorell & Karasek, 1996). Darüber hinaus konnte in vielen Studien eruiert werden, dass „high-strain“Tätigkeiten mit vermindertem Wohlbefinden, geringerer Arbeitszufriedenheit und erhöhtem Burnout zusammenhängen (Jones & Fletcher, 2003, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005, S. 88). Im Modell von Karasek & Theorell (1990) stehen die Arbeitskriterien im Zentrum bzw. die objektiv krankmachenden Bedingungen. Dabei werden individuelle Personenfaktoren in der Wahrnehmung, der Bewältigung von Stresssituationen und in der Entwicklung von Stresssymptomen nicht berücksichtigt. Aussagen über diese individuellen Unterschiede werden im folgenden Modell einbezogen, das als Erweiterung des „Job-Strain-Model“ betrachtet werden kann (Nerdinger et al., 2008). II.3.7
Effort-Reward-Imbalance-Modell nach Siegrist (1996)
Ein umfassendes Modell zur Erklärung von Stress am Arbeitsplatz und den damit verbundenen gesundheitsbeeinträchtigenden Belastungen wurde von der Arbeitsgruppe um den Schweizer Medizinsoziologen Johannes Siegrist entwickelt und bietet einen theoretischen Rahmen für die Erklärung und Messung von psychosozialen Arbeitsbelastungen. Siegrist (1996) thematisiert mit seinem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen (Effort-Reward-Imbalance-Modell), wie sich berufliche Verausgabung (Effort) und Belohnung (Reward) auf die Gesundheit auswirken. Er geht
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II.3 Belastung, Beanspruchung und Stress
mit seinen Annahmen über die unmittelbare Arbeitstätigkeit hinaus und bezieht organisationale Rahmenbedingungen mit ein (Ulich & Wülser, 2005). Unter Verausgabung (Effort) verstehen Peter und Siegrist et al. (1999) „costs“, wie belastend empfundener Arbeitsdruck, Zeitdruck, Verantwortung und steigende Anforderungen. Unter sozial vermittelten Belohnungen (Rewards) werden „gains“ verstanden, wie angemessen empfundene Entlöhnung, Wertschätzung (vgl. Kp. II.2.3.2) und berufliche Statuskontrolle (z. B. Karrieremöglichkeiten, Jobsicherheit). Stehen diese beiden Variablen Effort (hoch) und Reward (tief) in einem Ungleichgewicht, so führt dies zu Stressreaktionen und langfristig zu gesundheitsschädigenden Wirkungen. Dabei müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit Ereignisse und Rahmenbedingungen als Stressoren wirken. Der Stressor muss einerseits „ein bestimmtes Bedrohungspotential für das Individuum besitzen“, also negativ Einfluss nehmen können, andererseits „muss ihre Intensität und/oder Dauer so hoch sein, dass die individuellen Ressourcen nicht ausreichen, um noch angemessen auf die Bedrohung reagieren zu können“ (Dragano, 2007, S. 75). Neben Effort und Reward ist Overcommitment (vgl. Kp. II.2.3.5) ein zentraler Aspekt des Modells, weil es den negativen Zusammenhang von Effort-Reward-Imbalance und Gesundheit verstärkt (Siegrist et al., 2004). Bei Vorliegen der entsprechenden Disposition werden ungünstige Relationen von Effort und Reward von den Betroffenen selbst herbeigeführt bzw. aufrechterhalten, und damit erhöht sich das Krankheitsrisiko (Rödel, Siegrist, Hessel & Brähler, 2004). In der folgenden Abbildung sind die Zusammenhänge der einzelnen Aspekte dargestellt:
Extrinsisch
Effort
Arbeitsbelastung
Anerkennung
– Zeitdruck
– Lohn
– Verantwortung
– Wertschätzung
– Überstunden
– Karrieremöglichkeit
Abbildung 5: Effort-Reward-Imbalance-Modell nach Siegrist (1996)
(Person) (Arbeitsanforderungen)
Reward
Intrinsisch
Overcommitment
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II Theoretischer Hintergrund
In der Forschung wurde die Effort-Reward-Imbalance im Zusammenhang mit der Gesundheit mehrfach geprüft. Empirisch bestätigt sind insbesondere die Zusammenhänge zwischen Gratifikationskrisen (hohe Arbeitsbelastung verbunden mit tiefer Belohnung) und erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (Siegrist, 1986) und Burnout (Bakker, Killmer, Siegrist & Schaufeli, 2000, zitiert nach Ulich & Wülser, 2005, S. 97). Die Forschergruppe um van Vegchel (van Vegchel, de Jonge, Bosma & Schaufeli, 2004) beschäftigte sich in einer Metastudie mit 40 Studien zwischen 1986 und 2003 beinhaltet. Dabei konnte in den meisten Studien der Zusammenhang zwischen der Effort-Reward-Imbalance und dem Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (physische und psychische Erkrankungen) belegt werden. Oft untersucht wurde auch der Zusammenhang zwischen dem in der Person angelegten Risikofaktor Overcommitment und der Gesundheit. In einer Studie von Steptoe, Siegrist, Kirschbaum und Marmot (2004) wurde der biologische Zusammenhang zwischen der Disposition Overcommitment und der Effort-Reward-Imbalance an 197 Männern und Frauen zwischen 45 und 57 Jahren untersucht. Es zeigte sich, dass Overcommitment das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bei Männern erhöht. Hanson et al. (2001) und Vrijkotte et al. (1999) finden in ihrer Studie ebenfalls den negativen Zusammenhang zwischen Overcommitment und Gesundheit, insbesondere für Herz-Kreislauf-Probleme und Burnout. In der Stressforschung existieren eine Vielzahl von Theorien bzw. Modellen, die die Begrifflichkeit und die Entstehung von Stress erklären. Dabei wird zwischen reiz-, reaktionsorientierten sowie kognitiven Modellen unterschieden. Als eine Grundlage dieser Untersuchung wird das Effort-Reward-Imbalance-Modell hinzugezogen. Es wird interessant zu untersuchen sein, welche dieser Belohnungsfaktoren (Einkommen, Wertschätzung und berufliche Statuskontrolle) im Zusammenhang mit hoher Arbeitsbelastung (Arbeitsdruck, Zeitdruck, Verantwortung) am ehesten stressmindernd wirken bzw. am ehesten von den befragten Personen angewendet werden und welche Arbeitsbelastungen bzw. Stressfaktoren (Effort) von den befragten Personen effektiv erlebt werden.
II.4
Stresserkrankung: Burnout
Zahlreiche Stressoren können zu chronischem Stress führen und damit Krankheitsprozesse in Gang setzen. Als Folge eines solchen Prozesses gilt das BurnoutSyndrom, das als das Ende einer „Stresskette“ wahrgenommen wird (Kypta, 2006). Der negative Stress (Distress) führt besonders dann zu Burnout, wenn nach intensiven Phasen von Distress keine Phasen der Entspannung und Erholung folgen (Fabach, 2007).
II.4 Stresserkrankung: Burnout
53
Die Vorstellung des Begriffes Burnout und dem dahinterstehenden Krankheitsmodell beinhaltet im Wesentlichen eine Zusammenfassung der bereits von anderen Autoren gewonnenen Ergebnisse und erlaubt somit einen Blick auf den derzeitigen Kenntnisstand. Aufgrund der Ausrichtung dieser Studie wird nicht näher auf die psychiatrischen Aspekte der Burnoutsymptomatik, deren Verlauf und Therapiemöglichkeiten eingegangen. II.4.1
Historische Begriffsentwicklung
Burnout – das „Ausbrennen“ oder „Ausgebrannt-Sein“ eines Menschen – kann als ein älteres Phänomen betrachtet werden. Ursprünglich wurde das Krankheitsbild unter dem Begriff „Neurasthenie“ bekannt und 1869 vom amerikanischen Arzt Georg M. Beard eingeführt. Die Ursache sah Beard in der Verarmung an Nervenkraft mit Symptomen wie Nervenschwäche und nervöser Erschöpfung. Dabei hielt er Neurasthenie für eine Krankheit der modernen Zivilisation (Suter, 2004). Unter Freud galt die Neurasthenie als psychovegetatives Syndrom, das er als „Aktualneurose“ bezeichnete und dessen Symptomerscheinung er im Zusammenhang mit einem aktuellen psychischen Konflikt sah. Burisch (1994) schreibt, dass der Begriff Burnout erstmals vom Schriftsteller Graham Green in seinem Buch „A Burnt – Out Case“ 1961 erwähnt wurde. Zwischenzeitlich wurde der Begriff auch mit dem „Chronique Fatique Syndrom (CFS)“ gleichgesetzt. Erst in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern etabliert sich der Begriff Burnout als Trend- und Modewort. Dabei gilt der deutsche Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger als Initiator der wissenschaftlichen Burnoutdiskussion. Er beschreibt das Krankheitsbild 1974 in einer amerikanischen Dissertation als psychischen und physischen Abbau. Ab 1976 schrieb neben Freudenberger insbesondere auch die Sozialpsychologin Christina Maslach über das Burnout-Phänomen, indem sie an der Universität Berkeley in Kalifornien mit systematischen Untersuchungen zum Burnout-Syndrom in Sozialberufen begann (Bickhoff, 2004). Im deutschsprachigen Gebiet wurde der Begriff besonders ab 1980 verwendet. Eine deutsche Buchübersetzung von Freudenberger und Richelson wurde 1981 unter dem Namen „Ausgebrannt“ herausgegeben. Zudem erschien 1983 in der deutschen Zeitschrift „Psychologie heute“ ein Artikel „Ausgebrannt“, deren Verfasser Aronson, Pines und Kafry auf die Gefahren dieses Syndroms hinwiesen (Barth, 1992). Nach dieser Veröffentlichung erfolgten weitere Dissertationen und Publikationen zum Thema. Gegen Mitte der 80-er Jahre erlangten verschiedene Burnoutpublikationen auch in der Schweiz Aufmerksamkeit. Dies nicht zuletzt als Folge der aktuellen gesamt-
54
II Theoretischer Hintergrund
wirtschaftlichen Entwicklungen und deren oft auch negativen Auswirkungen für die Arbeitnehmenden. Zudem machten prominente „Burnoutfälle“ die Thematik einer breiten Bevölkerung bewusst. II.4.2
Definitionsversuche
Burnout hat in den letzten Jahren in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen grosse Verbreitung erfahren. Es ist ein Sammelbegriff geworden und fasst ein breites Spektrum uneinheitlicher Symptome zusammen. Ein eigenständiges, wissenschaftliches Krankheitsbild konnte bis heute nicht definiert werden. Gemäss Burisch (1994) fehlt es in der Burnoutforschung an einer „operationalen und universellen Definition“, welche international anerkannt ist. Dabei sind alle Versuche bis heute einerseits zu umfassend oder zu spezifisch. Schon Maslach (1982) stellte fest, dass beim Burnoutsyndrom eine handhabbare Definition fehlt, die überzeugend sein könnte. Dies hat seine Konsequenzen für systematische Forschungsarbeit. Insbesondere fällt die Abgrenzung zu Begriffen wie Belastung, Erschöpfung und Depression sehr schwer. II.4.3
Erklärungsansätze des Phänomens Burnout
Gusy (1995) unternimmt den Versuch, die verschiedenen Erklärungsansätze von Burnout einzuordnen. Persönlichkeitsorientierte Erklärungsansätze sehen die Ursache einer Erkrankung in der Persönlichkeitsstruktur eines Individuums. Die sozial-, arbeits- und organisationspsychologischen Erklärungsansätze betonen die Relevanz von Arbeit und Gesellschaft. Tabelle 5: Persönlichkeitszentrierte, sozial-, arbeits- und organisationspsychologische Erklärungsansätze nach Gusy (1995) Persönlichkeitszentrierte Erklärungsansätze – – – – – –
Edelwich & Brodsky (1984) Fischer (1983) Freudenberger & Richelson (1983) Lauderdale (1982) Meier (1983) Burisch (1989)
Sozial-, arbeits- und organisationspsychologische Erklärungsansätz – – – – – – – –
Pines, Aronson & Kafry (1983) Barth (1992) Berkley Association Planning Group (1977) Brahall & Ezel (1981) Büssing & Perrar (1989) Cherniss (1980) Harrison (1983) Enzmann & Kleiber (1989)
II.4 Stresserkrankung: Burnout
55
Nachfolgend werden ausgewählte Modelle und Erklärungsansätze in Anlehnung an die Einordnung von Gusy (1995) aufgeführt. Freudenberger und Richelson (1983) beschreiben Burnout als Nachlassen bzw. Schwinden von Kräften oder Erschöpfung, ausgelöst durch übermäßige Beanspruchung der eigenen Energie, Kräfte oder Ressourcen. Am Ende des Prozesses der Erschöpfung steht die „Krankheit des Überengagements“, die bei Helfenden in der psychosozialen Versorgung auftritt. Erst später kommt Freudenberger zum Schluss, dass diese Krankheit alle Berufsgruppen, Organisationen und Beziehungen betrifft. Die Ursache dafür sieht er in gesellschaftlichen, institutionellen und individuellen Faktoren. Er geht auf dispositionelle Faktoren ein, indem er hervorhebt, dass besonders ehrgeizige, erfolgreiche und anspruchsvolle Persönlichkeiten gefährdet seien. Pines, Aronson und Kafry (1993) verstehen Burnout als einen Zustand von physischer, emotionaler und mentaler Erschöpfung, welcher über längere Zeit entstanden ist und eine starke Involviertheit in emotionale Situationen voraussetzt. Somit wird ein Ausbrennen definiert als, „das Resultat andauernder oder wiederholter emotionaler Belastung im Zusammenhang mit langfristigem, intensivem Einsatz für andere Menschen. Das Ausbrennen ist die schmerzliche Erkenntnis [von Helfern], dass sie diesen Menschen nicht mehr helfen können, dass sie nichts mehr zu geben haben und sich völlig verausgabt haben“ (Pines, Aronson & Kafry, 1993, S. 25). Pines untersuchte Burnout auch ausserhalb des Arbeitsfeldes wie zum Beispiel bei verheirateten Paaren (Pines, 1988). Sein Bewertungsinstrument „Tedium Measure“ (TM), auf Deutsch Überdruss-Skala (Pines et al., 1993), basiert auf klinischen Erfahrungen und Einzelfallstudien und misst die drei Aspekte der körperlichen, emotionalen und geistigen Erschöpfung. In diesem Messinstrument wird Burnout als Syndrom betrachtet, welches verschiedene Symptome wie Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, geringes Selbstbewusstsein, Irritiertheit und verminderten Enthusiasmus enthält. Edelwich und Brodsky (1984) sehen in Burnout einen fortschreitenden Abbau von Idealismus, Energie, Engagement, Zielstrebigkeit, Vorsätzen, Interessen und Anteilnahme als Resultat von Desillusionierung verursacht durch Arbeitsbedingungen bei Beschäftigten in helfenden Berufen. In ihrem Phasenmodell beschreiben sie den Prozess, welcher vom Stadium des anfänglichen Enthusiasmus über eine Stagnation und Frustration bis hin zur Apathie führt. Einen anderen Akzent setzt Cherniss (1980), dessen integrativem Modell ein psychologisches Stresskonzept zugrunde liegt. Cherniss (1980, zitiert nach Bickhoff, 2004, S. 73) beschreibt Burnout „as a process in which a previously committed professional disengages from his or her work in response to stress and strain expe-
56
II Theoretischer Hintergrund
rienced in the job“. Dabei geht es um den Verlust von Idealismus, Rückgang von Energie und Engagement, zunehmendem Eindruck von Sinnlosigkeit, häufig gepaart mit zynischen negativen Einstellungen, bis hin zur Apathie und psychischen und psychosomatischen Krankheiten. Weiter postuliert Cherniss, dass nicht nur eine einzige Kategorie zur Entstehung von Burnout beiträgt. Arbeit- und organisationsbezogene Faktoren müssen mit individuellen und gesellschaftlichen Aspekten kombiniert werden. Sein Modell enthält einerseits zwei Personenfaktoren (Karriereorientierung und Unterstützung/Beanspruchung) und acht Arbeitsumgebungsfaktoren (Einführungsprozess, Arbeitsbelastung, Anregung, Klientenkontakt, Autonomie vs. Kontrolle, Arbeitsziele, Führung und soziale Isolierung). Stress entsteht nach ihm aufgrund einer schlechten Passung von Person und Arbeitsumgebung. Gemäss der Konzeptualisierung von Maslach und Jackson (1981) ist Burnout ein Syndrom, welches auf folgenden drei Dimensionen beruht: emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und persönlicher Leistungseinbusse, das bei Individuen auftreten kann, die in irgendeiner Art mit Menschen arbeiten. Maslach (1982) beschreibt die drei Dimensionen folgendermassen: • Die emotionale Erschöpfung wird als ein zentraler Aspekt gesehen. Wenn bei Menschen das Gefühl der Erschöpfung eintritt, haben sie sich meist verausgabt oder überbeansprucht, d. h. beruflich und privat emotional überfordert. Sie fühlen sich ausgelaugt, und zwar in physischer und psychischer Hinsicht. Das zieht die Wirkung nach sich, dass man nicht mehr offen und unvoreingenommen auf Menschen zugehen kann. Die Erschöpfung ist eine Reaktion, welche aus lang anhaltenden Stresssituationen resultiert. Der Stress entsteht durch die grösser werdenden Ansprüche oder durch Veränderungen im privaten Bereich. Je länger die emotionale Erschöpfung bei einem Individuum anhält, umso länger braucht es, um sich wieder zu erholen. • Durch den Prozess der Depersonalisierung verliert das Individuum die Wertschätzung gegenüber einer anderen Person. Dies kann zu einem zynischen Verhalten und einer negativen Einstellung gegenüber Mitmenschen führen. Oft wird darum mit Depersonalisierung auch der Begriff Zynismus oder Dehumanisierung synonym verwendet. Er beschreibt einen Abgrenzungszustand, in welchen die Individuen hineingeraten können, wenn sie langen Stressphasen ausgesetzt sind und stellt einen Versuch dar, sich gegen Erschöpfungszustände und Enttäuschungen zu schützen, indem sie sich innerlich immer mehr von der Aussenwelt abgrenzen. Dabei wird die betroffene Anteilnahme gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst auf ein Minimum reduziert, in privaten wie in beruflichen Belangen wird eine gleichgültige Haltung eingenommen. Fokussiert wird besonders auf die negativen Aspekte der Teilbereiche, wobei man immer mehr seine Ideal- und Wertvorstellungen verliert.
II.4 Stresserkrankung: Burnout
57
• Die reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit ist das Ergebnis eines Vertrauensverlustes des Individuums in seine eigenen Fähigkeiten und resultiert aus den Komponenten der emotionalen Erschöpfung und der Depersonalisierung. Die betroffene Person resigniert und fühlt sich den verschiedenen beruflichen und privaten Situationen nicht mehr gewachsen. Es kommt immer mehr zu einem Vertrauensverlust in die eigenen Fähigkeiten, weil man trotz hoher Anstrengung den Leistungs- und Ergebnisverlust nicht mehr verhindern kann. Die Arbeit wird immer mehr zur fühlbaren Belastung. Man verliert nicht nur das Vertrauen in sich, sondern auch das Vertrauen in andere. Leiter und Maslach gehen davon aus, dass die emotionale Erschöpfung zur Depersonalisierung führt, welche wiederum reduzierte Leistung zur Folge hat. Dieser Zusammenhang unterstreicht die zentrale Rolle der Dimension der emotionalen Erschöpfung (von Massenbach, 2000). Später definieren Enzmann und Kleiber, aufgrund einer Untersuchung der Burnoutkonzeption von Maslach und Jackson, die „emotionale Erschöpfung“ als das entscheidende Burnoutkriterium (Enzmann & Kleiber, 1989). Aufbauend auf diesen drei Dimensionen entwickelten Maslach und Jackson (1981) ein Erhebungsinstrument (Maslach-Burnout-Inventory, MBI), welches Burnout in seiner Ausprägung erfassen soll und sich inzwischen in der Burnoutforschung etabliert hat. Für die vorliegende Untersuchung wurde dieser Fragebogen „Maslach Burnout Inventory (MBI)“ nach Maslach, Jackson und Leiter (1996) hinzugezogen. Die Vorteile des MBI liegen in seiner differenzierten Erfassung der einzelnen Burnoutaspekte (vgl. Kp. III.2.1.2). Wie schon Freudenberger und Cherniss stellen auch Maslach und Leiter (1997) fest, dass ein Zusammenspiel mehrerer Stressoren ein Burnout beim arbeitstätigen Menschen verursachen kann und somit eine Reaktion auf die chronische emotionale Belastung ist. Dabei sind die Stressoren nicht nur im Individuum selbst zu suchen, sondern auch im arbeitstätigen Umfeld. Burisch (1994) beschreibt Burnout als einen Zustand „innerer Erschöpfung“, welcher in jedem Beruf auftreten kann. Er versucht die verschiedenen Ansätze auf einer allgemeinen Ebene zu integrieren. Somit wird „Burnout in Gang gesetzt durch Autonomieeinbußen in gestörten Auseinandersetzungen des Individuums mit seiner Umwelt, genauer: durch die innere Repräsentation solcher Interaktionen als gestörter und das Scheitern bei ihrer Bewältigung“ (Burisch, 1994, S. 117). Zu Beginn des Burnoutprozesses müsse „mindestens eine gestörte Handlungsepisode stehen, die nicht oder nicht ausreichend bewältigt wurde“ (Burisch, 1989, zitiert nach Kernen, 1997, S. 19). Aufgrund dieser Annahmen hat Burisch eine Handlungstheorie entwickelt. Dabei untersucht er Handlungsepisoden von Personen mit dem Ziel, die mangelnde ge-
58
II Theoretischer Hintergrund
störte Passung des Individuums mit der Umwelt zu erfassen, also die Analyse von Störfällen und ihren Folgen. Eine weitere zentrale Annahme von Burisch lautet, dass es nicht nur eine Ursache für Burnout gibt, sondern dabei immer mehrere Faktoren zusammenspielen müssen, die stark im Individuum verankert sind (Burisch, 1994). Aufgrund dessen sind für die Entstehung von Burnout folgende drei Faktoren verantwortlich: 1. Subjektive Autonomieeinbusse, welche einem Individuum widerfährt 2. Gestörte Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt 3. Fehlgeschlagene Bewältigungsstrategien Weiter meint Burisch, dass man die Burnout-Thematik in der Motivationspsychologie ansiedeln sollte, da es in diesem Bereich hauptsächlich darum gehe zu analysieren, weshalb Menschen tun, was sie tun. In der Burnoutforschung geht es hauptsächlich darum, zu analysieren, weshalb Menschen etwas nicht (mehr) tun (Burisch, 1994). Kernen (1997) spricht von Burnout im Zusammenhang mit einer von vielen möglichen Formen persönlicher Dysbalance – eine Dysbalance als Folge eines Ungleichgewichts von Anforderungen und den dem Individuum zur Verfügung stehenden Ressourcen. Anders gesagt, „ist Burnout die Folge einseitiger Ressourcenbeanspruchung des arbeitenden Menschen – wesentliche Faktoren für einen Burnoutprozess liegen im persönlichen Bezug zur Arbeit und in der Arbeitsgestaltung selbst“ (Kernen, 2005, S. 64). Dabei handelt es sich bei einer Burnouterkrankung immer um eine Kumulation von Faktoren, die sich über einen längeren Zeitraum aufgestaut haben. Die Krankheit entwickelt sich schleichend. Neben den drei Dimensionen von Burnout (Gefühl von emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit), welche auf der Konzeption von Maslach und Jackson (1981) beruhen, benennt Kernen (2005) noch eine weitere Komponente bzw. einen Symptomkomplex, welcher bei einer Burnouterkrankung auftreten kann, nämlich die der psychosomatischen Beeinträchtigung. Dabei kann sich der Mensch von seinen Stresswirkungen nicht mehr erholen. Er ist bis in die Freizeit hinein einem Dauerstress ausgesetzt. Die psychosomatischen Beschwerden zeigen sich zum Beispiel durch Verspannungen, Magen-DarmBeschwerden, Schlafstörungen oder Herz-Kreislauferkrankungen. Anhand der verschiedenen Theorien und Modelle wird gut ersichtlich, wie vielschichtig die Burnoutsyndrome sind. Die meisten Erklärungsversuche bestehen darin, dass sie Symptome zu beschreiben versuchen, ohne eine klare Ätiologie zu liefern.
II.4 Stresserkrankung: Burnout
II.4.4
59
Burnout als Krankheitsstatus
Das Hauptproblem von Burnout ist, dass noch immer eine einheitliche oder operationale Definition fehlt. Auch im grossen gängigen Klassifikationssystem, die International Classification of Disease (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation, konnte sich Burnout nicht als eigenständiges Syndrom durchsetzen. In der aktuellen Version der ICD-10 (2006) sollen die einzelnen Phänomene anhand definierter Merkmale erfasst werden. Burnout findet sich im ICD-10-Manual nur als Zusatzkategorie und wird als Faktor beschrieben, der den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen kann, genauer gesagt als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ und mit dem Diagnoseschlüssel Z 73.0 „Erschöpfungssyndrom; Burnoutsyndrom“ erfasst. Daraus folgt, dass gemäss ICD-10 Burnout keine eigentliche psychiatrische Diagnose darstellt. F 48.0 „Neurasthenie“ enthält mindestens Teile der Burnout-Symtomatik. Brühlmann (2007) meint, dass Burnout in deskriptiver Hinsicht primär eine Lebenskrise umschreibe, die, nimmt sie Krankheitswert an, differentialdiagnostisch gemäss ICD-10 zu beurteilen sei. Ätiologisch gesehen sei zentral, dass es sich um eine aktuelle Belastung durch Stressoren handle, welche vor allem durch eine schwierige Arbeitsplatzsituation hervorgerufen sei. Tabelle 6: Burnout als Zusatzkategorie im ICD-10 (2006) Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen (Z) Z 73 Z 73.0 Z 73.1 Z 73.2 Z 73.3 Z 73.4
Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung Erschöpfungssyndrom (Burnout-Syndrom) Akzentuierte Persönlichkeitszüge (einschliesslich Typ-A-Verhalten) Mangel an Entspannung oder Freizeit Belastung, nicht anderorts klassifizierbar Unzulängliche soziale Fertigkeiten, anderorts nicht klassifizierbar
Aufgrund der fehlenden diagnostischen Kriterien gibt es keine genauen Angaben über Erkrankungsraten. Man geht aber von einer allgemeinen Zunahme aus (Binswanger, 2007). Bei der Messung von Burnout werden ausnahmslos Selbstbeurteilungsfragebögen hinzugezogen, was die Häufigkeitsrate der Erkrankung stark beeinflussen kann. II.4.5
Unterschied Burnout – Depression
Burnout kann also nicht klar definiert werden und besitzt auch kein klares Krankheitsbild. Kein akademischer Arzt oder Psychologe dürfte Burnout als Behandlungs-
60
II Theoretischer Hintergrund
diagnose stellen, berücksichtigt er die Kriterien gemäss WHO (Hillert & Marwitz, 2006). Um eine Diagnose stellen zu können, wird oft auf ähnliche Krankheitsbilder zurückgegriffen, wie die beschriebene Neurasthenie (ICD-10, F 48.0), die Anpassungsstörung (ICD-10, F 43.2) oder die Depression (ICD, F32 ff.). Im 19. Jahrhundert begann sich der Begriff Depression in der Medizin zu etablieren (Hell, 2006). Er leitet sich von lateinischen Verb „deprimere“ ab, was „Niederdrückung“ bez. „in die Tiefe gehen“, „nach etwas graben“ bedeutet. Depressionen gehören zu den häufigsten Befindlichkeitsstören in unserer Gesellschaft. Neben der beeinträchtigten Befindlichkeit ist auch der Antrieb herabgesetzt sowie kognitive und biologische Funktionen sind betroffen (Hell, Böker & Marty, 2001). Nach Hell (2003) „entspricht die depressive Gestimmtheit keinem einheitlichen Gefühl“. Charakteristisch ist besonders der Verlust von Erlebnisreichtum und Vitalität. Zudem würden sich depressive Menschen niedergeschlagen und bedrückt fühlen (Hell, 2003). Auch nach den diagnostischen Kriterien für Depressionen (ICD-10, 2006) bestehen die Hauptsymptome in einer Veränderung der Stimmung oder der Affektivität. Dieser Stimmungswechsel kann mit oder ohne begleitende Angst vorhanden sein und wird in der Regel von einem Wechsel des allgemeinen Aktivitätsniveaus begleitet. Die meisten anderen Symptome sind sekundär. Viele Depressionen tendieren zum wiederholten Auftreten. Der Beginn der einzelnen Episoden ist oft mit belastenden Ereignissen oder Situationen in Zusammenhang zu bringen (ICD-10, 2006). Depression und Burnout sind beide durch ein aversives, negativ getöntes emotionales Erleben gekennzeichnet und gehen mit ähnlichen Beschwerden einher (Hillert Tabelle 7:
Diagnostische Kriterien für Depression ICD-10 (2006)
Mindestens zwei bis drei der folgenden drei Symptome bestehen über mindestens zwei Wochen (je nach Schweregrad der Störung) 1. Depressive Stimmung 2. Verlust an Interesse oder Freude 3. Erhöhte Ermüdbarkeit plus mindestens zwei bis vier der folgenden Symptome (je nach Schweregrad der Störung): 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Schlafstörung Verminderter Appetit Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Gedanken an oder erfolgte Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen Negative oder pessimistische Zukunftsperspektive
II.4 Stresserkrankung: Burnout
61
& Marwitz, 2006). Auf Dauer kann Burnout in das psychiatrische Störungsbild einer Depression übergehen bzw. diese auslösen (Hillert & Marwitz, 2006). Dabei gilt
Burnout als weniger komplexes Konstrukt und weist einen eingeschränkten Anwendungsbereich auf, während Depression als eine spezifische psychiatrische Störung gilt und sich auf einen noch engeren Anwendungsbereich bezieht (Hillert & Marwitz, 2006). Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass auch beim depressiven Erleben die Schwierigkeit besteht, dieses zu definieren, da „ein Depression nicht wie ein Gegenstand beschrieben oder mit den Sinnen erfasst werden kann“ (Hell, 2006, S. 33). Die Diagnostik der Depression stelle eine Möglichkeit dar, depressives Erleben zu fassen, indem man „erkrankte Menschen gezielt auf bestimmte Eigenschaften hin“ zu befragen versuche (Hell, 2006, S. 35). Welche genaue Funktion und Positionierung von Depression im Burnout-Verlauf besitzt ist umstritten (Suter, 2004). Die einen Forscher sind der Ansicht, dass Depression eine eigene Phase im Burnoutprozess darstellt, andere meinen, dass Depression eine wichtige Begleiterscheinung während des ganzen Erschöpfungsprozesses darstellt (Kypta, 2006). Dies bedeutet, dass Burnout und Depression lediglich in der Praxis zwei verschiedene Konzepte darstellen. Burnout kann jedoch in der Theorie nicht als eigenes Konstrukt erfasst werden, da immer noch weitere Konstrukte, wie Neurotizismus, Stress, Arbeitszufriedenheit und Depression mitgemessen werden (Hillert & Marwitz, 2006). Trotz den verschiedenen Erklärungsansätzen und der Schwierigkeit einer Definitionsfindung zeigen sich in der Burnoutliteratur Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten. Nachfolgend sind zusammenfassende Aspekte der Burnoutforschung nochmals aufgeführt: • Burnout als Begriff und Krankheitsbild ist bis heute nicht eindeutig definiert. • Die Entwicklung der Krankheit ist ein Prozess, im Sinne eines Verlaufs, und kein Zustand. • Burnout gilt als negative Erfahrung, übt einen gravierenden Einfluss auf verschiedene Lebensbereiche des Individuums aus und ist immer mit einem Leistungseinbruch im beruflichen und privaten Bereich gekoppelt. • Das Krankheitsbild zeigt sich im Schwerpunkt in Symptomen der Erschöpfung. • Im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild tritt immer wieder die Frage auf, ob Burnout auf persönliche oder arbeitsplatzbezogene Faktoren zurückzuführen sei. Ursächliche Faktoren sind nach der aktuellen Forschung strukturelle und soziale Bedingungen der Lebensumwelt. • Vom Burnoutsyndrom sind nicht, wie ursprünglich angenommen, ausschliesslich psychosoziale Berufsgruppen betroffen. Auch in anderen Berufen und ausserberuflichen Bereichen wie Familie oder Studium kann es zu einem Burnout kommen.
62 II.5
II Theoretischer Hintergrund
Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
Männer und Frauen sind nicht gleich, daran hat die Gleichberechtigung von Frau und Mann in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Das Geschlecht spielt nach wie vor eine zentrale Rolle, für jede Person genauso wie in Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Kapitel beginnt mit einer Klärung der Begriffe „Geschlecht“ und „Gender“, danach werden geschlechtsspezifische Gesundheits- und Arbeitsaspekte beleuchtet und anschliessend folgt eine Beschreibung der unterschiedlichen Ressourcen und Stressoren am Beispiel von Copingstrategien und der Burnouterkrankung bei Männern und Frauen. II.5.1
Begriffsdefinition Geschlecht und Gender
Begrifflich kann zwischen dem biologischen („sex“) und dem soziologischen („gender“) Geschlecht unterschieden werden. Unter „sex“ werden biologische Merkmale von Männern und Frauen aufgeführt, „gender“ dagegen bezieht sich auf sozial definierte und gesellschaftlich konstruierte Merkmale (Baltes et al., 1996, zitiert nach Peier, 2006). Diese Unterscheidung macht deutlich, dass die Verschiedenheit der Geschlechter nicht nur auf biologische Ursachen zurückzuführen ist, sondern auch in historischgesellschaftlichen Rollen liegt und veränderbar ist. Mit „Geschlechterrolle“ wird die Gesamtheit erwarteter Verhaltensweisen, Einstellungen, Verpflichtungen und Privilegien bezeichnet, die eine Gesellschaft jedem Geschlecht zuschreibt. Geschlechterrollen beruhen auf einer Reihe von „Geschlechtsstereotypen“ (Nunner-Winkler, 2001). Dabei sind „Geschlechtsstereotypen grob vereinfachende, aber tief verwurzelte Vorstellungen über männliche und weibliche Eigenschaften“ (Nunner-Winkler, 2001, S. 272). Geschlechterrollen und Geschlechtsstereotypen beeinflussen sich gegenseitig. II.5.2
Gesundheit und Krankheit von Frauen und Männern
Seit einigen Jahren wird der Frage nachgegangen, inwieweit Frauen und Männer einen unterschiedlichen Gesundheitszustand aufweisen (Kolip & Hurrelmann, 2002) bzw. welche spezifischen Gesundheitsprobleme sich bei Männern und Frauen stellen, da sie durch die biologische Geschlechterzugehörigkeit, aber auch durch äussere Faktoren unterschiedlichen Einflüssen auf ihre Gesundheit ausgesetzt sind. Dabei ist zu erkennen, dass die Geschlechter einerseits im Profil ihrer Krankheiten und Gesundheitsstörungen verschieden sind und andererseits sich das Gesundheitsverhalten und -empfinden unterscheidet.
II.5 Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
63
Auffällig ist etwa, dass Männer durchschnittlich eine deutlich geringere Lebenserwartung aufweisen als Frauen, dies nicht zuletzt aufgrund der höheren Inzidenz und Prävalenz für beinhahe alle kardiovaskulären und onkologischen Erkrankungen wie auch für Infektionen (Klotz, 2002). Obwohl Frauen durchschnittlich länger leben und sie seltener von lebensbedrohlichen, chronischen Krankheiten betroffen sind (Siegrist, Rödel, Hessel & Brähler, 2006), weisen sie bei vielen Morbiditätsindikatoren eine höhere Krankheitsrate auf (Mielck, 2002). Konkret bedeutet dies, dass „die Prävalenz nicht lebensbedrohlicher, chronischer Krankheiten und bestimmter psychischer Störungen wie Angststörungen und Depressionen bei Frauen höher ist“ (Sartorius, Ustun, Lecruber et al., 1996, zitiert nach Siegrist et al., 2006, S. 527). Kolip (2002) fasst die Ergebnisse zum Geschlechterparadox folgendermassen zusammen: Frauen haben eine um etwa sieben Jahre höhere Lebenserwartung. Die Zahl der bei guter Gesundheit verbrachter Lebensjahre ist für Männer und Frauen annähernd gleich […]. Frauen sind unzufriedener mit ihrem Gesundheitszustand. Frauen leiden häufiger unter psychischen Krankheiten und psychosomatischen Beschwerden. (S. 507)
Für die Unterschiede bei den psychischen Störungen existieren folgende Ansätze: Biologische Erklärungen weisen einerseits auf die unterschiedliche genetische Disposition hin und andererseits sehen sie die hormonelle Regulation dafür verantwortlich. Es konnte jedoch bisher keine direkte Wirkung eines Gens als ursächlicher Faktor eruiert werden (Merbach et al., 2002). Auch im Hinblick von Hormonwirkungen wie bei Östrogenen und Progesteronen, die bei Angst- und Depressionserkrankungen eine wichtige Rolle spielen und bei Frauen in Zeiten hormoneller Umstellungen ausschlaggebende Hinweise für die grössere Erkrankungshäufigkeit geben, bleiben empirische Befunde widersprüchlich. Mittlerweile sind die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen recht gut erforscht, das Geschlechterverhalten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit dagegen weniger (Voss, 2007). Die unterschiedlichen sozialen Lagen beschreiben Merbach et al. (2002) als mögliche Ursache für die Geschlechterunterschiede bei Angst sowie den affektiven und somatoformen Störungen. Im Weiteren geben Geschlechterrollen Hinweise auf die Prävalenz psychischer Erkrankungen von Männern und Frauen. Dabei stellt sich die Frage, wie soziale Rollen Männer und Frauen in Bezug auf die Gesundheit beeinflussen. Eine traditionelle Arbeitsteilung zum Beispiel hat Auswirkungen auf das Gesundheitsprofil, wenn also der Mann einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgeht, und die Frau für die Familienarbeit zuständig ist (Courtenay, 2002) (vgl. Kp. II.5.3). Dieses Modell ist „mit einer stärkeren Leistungs- und Wettbewerbsorientierung der männlichen Erwerbsarbeit verbunden“ (Kolip & Hurrelmann, 2002, S. 24). Besonders die traditionelle Männerrolle wirkt sich hinderlich auf das präventive Verhalten und die selbstberichtete Gesundheit aus, indem sie weniger über Krankheits-
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II Theoretischer Hintergrund
symptome zum Ausdruck bringt (Sieverding, 2000), während Frauen über mehr Krankheitssymptome (Gijsbers van Wijk & Kolk, 1997) berichten und auch eher um Hilfe nachsuchen. Somit gelangten Angst & Ernst (1990) zur provokativen Aussage, dass „Frauen Hilfe suchen, während Männer sterben“. II.5.3
Arbeit und Geschlecht
Der Frauenanteil in der Erwerbstätigkeit ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Dazu beigetragen haben unter anderem das grössere Stellenangebot, bessere Ausbildungsmöglichkeiten von Frauen, ein höheres Scheidungsrisiko und ein Wandel an Einstellungen. Doch ein Muster von Geschlechtsdisparitäten am Arbeitsplatz besteht immer noch (Joas, 2007). Der Unterschied zeigt sich zum Beispiel „im unterschiedlichen Männer- und Frauenanteil in bestimmen Berufen sowie in der Besetzung von gehobenen Positionen vor allem im Management“ (Voss, 2007, S. 147). Meist dominieren Männer diese Organisationen, und „Frauen erhalten selten einen Posten an der Unternehmerspitze und sind selbst in Führungspositionen auf unteren Hierarchieebenen weitgehend unterrepräsentiert“ (Parkin & Hearn, 1995, S. 396). Auch heute noch sind Frauen in Führungspositionen eine Seltenheit. Die aktuellsten, national verfügbaren Daten zum Thema Frauen und Männer im Erwerbsleben stammen aus dem Jahr 2007. Sie wurden im Rahmen der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) vom Bundesamt für Statistik (2007) publiziert: Die Erwerbsquote der Frauen beträgt 59.9%, diejenige der Männer 75.8%. Mehr als die Hälfte der Frauen (57.1%) geht einer Teilzeitarbeit nach, bei den Männern dagegen ist es nur jeder Zehnte (11.9%). Am grössten ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen während der Familiengründungsphase, also wenn die Frauen sich zwischen dem 25. und 40. Altersjahr für die Kinderbetreuung vorübergehend aus dem Berufsleben zurückziehen. Demzufolge besitzen Frauen eine niedrigere berufliche Stellung als Männer. Die SAKE-Statistik führt für das Jahr 2007 folgende Verteilung auf: 6 von 10 Angestellten ohne leitende Funktion sind Frauen. Der Anteil der Frauen in Vorgesetztenfunktionen beträgt 12.6% und in Unternehmensleitungen 9.4%. Bei den Männern haben 19.4% eine Vorgesetztenfunktion inne, und 17.5% nehmen Einsitz in Unternehmensleitungen. Angst (2006) erwähnt in ihrer Arbeit verschiedene Studien zu Frauenanteilen in Führungspositionen in diversen Unternehmungen: • Laut einer Umfrage bei den 26 grössten börsenkotierten Unternehmungen der Schweiz (SMI), sind nur gerade 7 von 237 Geschäftleitungsmitgliedern Frauen (Jacquemart, 2006, zitiert nach Angst, 2006, S. 19).
II.5 Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
65
• Eine Studie der Universität Freiburg stellt fest, dass nur 3% von 700 Manager/ -innen der grössten SPI-Firmen (damit sind alle börsenkotierten Unternehmungen der Schweiz gemeint) Frauen sind. • Eine Umfrage bei insgesamt 1298 Personen von Leu, Rütter & Umbach-Daniel (2006, zitiert nach Angst, 2006, S. 19) hinsichtlich der Situation von Frauen in Schweizer Banken und Versicherungen hat folgende Beschäftigungsanteile (gemäss Hochrechnungen) ergeben: 5% der Frauen und 24% der Männer besitzen bei Grossbanken eine Kaderfunktion, während bei den Versicherungen 7% der Frauen und 24% der Männer eine Kaderstelle besetzen. Somit kann folgender Schluss gezogen werden: je höher die Positionen in Organisationen und Institutionen, desto seltener sind Frauen anzutreffen. Morrison & von Glinow (1990) nennen dieses Phänomen „the glass ceiling“. Dabei beschreiben sie den Umstand der „gläsernen Decke“ in Unternehmen, bei denen „Frauen, und zwar insbesondere auch überdurchschnittlich begabte und motiverte Frauen, nicht in gleichem Mass wie Männer den Aufstieg in die oberste Führungsetage schaffen“ (Littmann-Wernli & Schubert, 2002, S. 22). Empirisch konnte das Vorhandensein dieses Phänomens bestätigt werden (Osterloh & Littmann-Wernli, 2000). Gemäss Bundesamt für Statistik (2007) gelten die wegen der Verantwortung für Haushalt und Kinderbetreuung eingeschränkte Flexibilität und die oft geringere Berufserfahrung der Frauen als wichtigste Gründe. Hinzu kommen soziale Stereotypen und Erwartungen. Dabei bestehen diese Ungleichheiten auch bei gleichem Bildungsstandard von Männern und Frauen. Überdies zeigen die aktuellsten Daten aus dem Jahr 2006, die vom Bundesamt für Statistik im Rahmen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE, 2008) publiziert wurden, dass die Löhne der Frauen im Durchschnitt deutlich tiefer sind als jene der Männer. So beträgt der monatliche Bruttolohn (auf Vollzeit standardisiert) der Frauen im privaten Sektor 5435 Franken, jener der Männer 7182 Franken. Im öffentlichen Sektor sehen die Zahlen folgendermassen aus: Der monatliche Bruttolohn (auf Vollzeit standardisiert) der Frauen beträgt 6195 Franken, derjenige der Männer 7513 Franken. Dies entspricht einer Differenz von 24.3% im privaten Sektor und von 17.5% im öffentlichen Sektor. Einige Gründe liegen auch hier in den längeren Unterbrüchen der Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen und der damit verbundenen geringeren Berufserfahrung. Gemäss einer Studie, die das Bundesamt für Statistik zusammen mit dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) in Auftrag gegeben hat, können aber nur rund 60% des Lohnunterschiedes zwischen Frauen und Männern durch objektive Faktoren wie Ausbildung, berufliche Stellung und Anforderungsniveau erklärt werden. 40% des Lohnunterschieds lassen
66
II Theoretischer Hintergrund
sich durch objektive Faktoren nicht begründen. Dazu meinen auch Sander & Hartmann (2009), dass immer noch mehr Frauen die Karriere unterbrechen, um den familiären Verpflichtungen nachzukommen. So erreichen sie weniger Berufsjahre, einen verminderten beruflichen Fortschritt mit weniger Berufserfahrung, was sich wiederum auf das Einkommen auswirkt (Eagly & Carli, 2007, zitiert nach Sander & Hartmann, 2009, S. 2). Insgesamt wird deutlich, dass Frauen immer noch weniger einflussreiche, schlechter bezahlte und mit geringerem Status verbundene Positionen in Organisationen einnehmen als Männer. II.5.4
Unterschiedliche Ressourcen und Stressoren bei Männern und Frauen
In der Regel nimmt also im Leben eines Mannes die Arbeit eine dominantere Rolle ein, also im Leben einer Frau. Männer besitzen deshalb auch andere Ressourcen als Frauen (vgl. Kp. II.2), weil sie zum Beispiel mehr Zeit haben, spezifische soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Laut Golombok & Fivush (1994) können Männer besser mit Kritik von Seiten ihres Vorgesetzten umgehen als Frauen und sind bestimmter und besser im Einsatz von effektiver, sozialer Interaktion. Dass Frauen viel öfters Teilzeit arbeiten hat dagegen zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse unsicherer, die soziale Absicherungen schlechter, die Weiterbildungsmöglichkeiten geringer und die Karrierechancen tiefer sind. Auch die Tatsache, dass Frauen in Führungspositionen in der Seltenheit sind und somit eine MinderheitenPosition besitzen, kann erhöhten Stress zur Folge haben (Sander & Hartmann, 2009). Wichtig sind zudem die Unterschiede bei der Belohnung (Erez, Borochov & Mannheim, 1989). Männer sind motivierter bei einer instrumentellen Belohnung (Entlöhnung, Aufstiegsmöglichkeiten usw.), während Frauen die sozialen Belohnungen bevorzugen (Anerkennung, Befriedigung, Sinngebung). Die Literatur kennt neben diesen weitere Geschlechterunterschiede. Im nachfolgenden Kapitel werden einerseits geschlechtsspezifische Unterschiede in den Copingstrategien (als Beispiel für den Bereich der unterschiedlichen Ressourcen) und andererseits ausgewählte Befunde zu unterschiedlich erfahrenen Arbeitsstressoren und Stressreaktionen bei Männern und Frauen (als ausgewähltes Beispiel gilt die Burnouterkrankung) dargestellt. II.5.4.1
Geschlechterunterschiede und Copingverhalten
Bereits im Transaktionalen Stressmodell nach Lazarus und Launier (1981) (vgl. Kp. II.3.3.2) wurde die Relevanz der Copingstrategien hinsichtlich der Stressbewälti-
II.5 Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
67
gung beschrieben. Zur Erinnerung: „Coping steht für die Auseinandersetzung und Bewältigung von Schwierigkeiten und bezeichnet Strategien und Verhaltensweisen zur Bewältigung von Belastungen, die keine automatischen Reaktionen sind“ (Lazarus & Folkmann, 1984, S. 140). Verschiedene Reaktionen können als Copingverhalten dienen wie zum Beispiel Sport treiben (Ablenkung durch Freizeitaktivitäten), mit einem Arbeitskollegen sprechen (Inanspruchnahme sozialer Unterstützung), einen Arbeitsplan erstellen (Arbeitsstrategien). Hartmann und Richner (1997, S. 9) halten fest, dass „immer wieder neue Versuche unternommen wurden, die Vielzahl spezifischer Elemente des Copingverhaltens auf wenige, überschaubare Kategorien zu reduzieren, wodurch zahlreiche unterschiedliche Taxonomien entstanden“ (S. 9). Dieser Umstand führt dazu, dass bezüglich der unterschiedlichen Kategorien in der Empirie kein Konsens besteht. Die vorliegende Studie orientiert sich an der Kategorisierung nach Lazarus und Launier (1981), die problemorientiertes und emotionsorientiertes Copingverhalten unterscheiden (vgl. Kp. II.3.3.2). Eine der ersten Untersuchungen, die unterschiedliches Copingverhalten der Geschlechter in den Blick nahm, wurde von Pearlin und Schooler (1978, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 11), durchgeführt. Männer zeigen darin bei Belastungen mehr problemorientierte Strategien, welche direkt auf den Stressor wirken, während Frauen in der Regel eher emotionsorientierte Strategien bevorzugen. Geschlechterunterschiede im Copingverhalten wurden in weiteren Studien bestätigt (Gianakos, 2002; Hobfoll, Dunahoo, Ben-Porath & Monnier, 1994; Monnier, Stone, Hobfoll & Johnson, 1998; Patton & Goddard, 2006; Piko, 2001). Neuere Untersuchungen bringen allerdings widersprüchliche Ergebnisse hervor. Thoits (1991, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 12), hält fest, dass „Männer im Gegensatz zu Frauen mehr in analysierender Weise über belastenden Situationen nachdenken und sich öfter durch Sport ablenken, während Frauen häufiger versuchen, Belastungen positiv umzudeuten und ausserdem öfter nach sozialer Unterstützung suchen“. Auch Ptacek, Smith & Zanas (1992) (vgl. auch Patton & Goddard, 2006) eruierten, dass Frauen öfter soziale Unterstützung in Anspruch nehmen. Nach Lazarus und Launier (1981) entspricht aber gerade die Inanspruchnahme sozialer Unterstützung (vgl. Kp. II.2.3.3) einem problemorientierten Copingverhalten. Damit wäre dem generellen Befund widersprochen, dass Männer mehr problemorientiertes Copingverhalten anwenden als Frauen (Hartmann & Richner, 1997). Es gibt auch Studien, die keine Geschlechterunterschiede im Copingverhalten entdecken konnten (Korabik & van Kampen, 1995; Porter & Stone, 1995). Zusammengefasst zeigt sich, dass die empirischen Befunde bezüglich des Copingverhaltens von Männern und Frauen unklar sind. Es kann nicht eindeutig belegt werden, dass Frauen und Männer ein unterschiedliches Verhaltensrepertoir im Bereich der Copingstrategien besitzen.
68 II.5.4.2
II Theoretischer Hintergrund
Geschlechtsspezifische Befunde zu Arbeitsstressoren und -reaktionen
Die Forschung über die geschlechtsspezifische Verteilung von Krankheiten ist bereits weit entwickelt. Dagegen werden in der empirischen Stressforschung erst seit relativ kurzer Zeit geschlechtsspezifische Arbeitsbelastungen und die damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt (Siegrist, Rödel, Hessel & Brähler, 2006). Im Rahmen einer Psychologie-Studie 2002 untersuchten Siegrist et al. (2006) an einer repräsentativen deutschen Stichprobe von 666 Vollzeitbeschäftigten psychosoziale Arbeitsbelastungen, Fehlzeiten und die subjektive Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch den Gesundheitszustand. Dabei berichteten Frauen über eine stärkere Beeinträchtigung des gesundheitsbezogenen Wohlbefindens als Männer. In der Studie von Miller et al. (2000) wurde der Einfluss des Geschlechts in der Erfahrung von Arbeitsstress bei Managern untersucht. Die Autoren und Autorinnen stellten sich unter anderem die Frage, ob Männer und Frauen unterschiedliche Belastungen (Stressoren) bei der Arbeit erleben und geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Arbeitsbeanspruchung festzustellen sind. Resultat: Es wurden keine allgemeinen Geschlechterunterschiede in der Erfahrung von Arbeitsstressoren gefunden. Ausgenommen davon ist die Unterkategorie „organisationales Klima“, bei der Männer mehr Stressoren zeigen als Frauen. Hingegen konnten Unterschiede in der Arbeitsbeanspruchung festgestellt werden. Männer zeigten hier ein besseres mentales und physisches Wohlbefinden als Frauen. Ähnlichen Fragen gingen Davis, Matthews & Twamley (1999) in einer Metaanalyse nach. In dieser wurde unter anderem untersucht, ob Frauen im Allgemeinen mehr Stressoren ausgesetzt sind (stress exposure) und wie viel Stress ein bestimmtes Ereignis im Vergleich zu den Männern auslöst (stress impact). Frauen berichteten nur über wenig mehr stressreiche Lebensereignisse, aber von einer umso grösseren Stressbelastung im Vergleich zu den Männern. Dabei war der Anteil interpersonaler Stressoren (Ereignisse, die anderen widerfahren und Ereignisse, die Beziehungen betreffen) bei Frauen grösser als von nicht-interpersonalen Stressoren (Ereignisse am Arbeitplatz oder finanzielle Sorgen). Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass Frauen nicht erheblich mehr Stressoren erleben, ein bestimmter Stressor aber mehr Stress zur Folge hat als bei den Männern (Davis et al., 1999). Zudem hält Voss (2007) fest, dass nicht nur die Erfahrung von Arbeitsbelastung unterschiedlich ist, sondern auch die darauf folgenden Belastungsreaktionen, die sich zeigen, auch wenn Männer und Frauen an ihrem Arbeitsplatz gleiche Arbeitsbedingungen vorfinden (Voss, 2007). Zum gleichen Ergebnis kamen Narayanan, Menon & Spector (1999) in ihrer Untersuchung mit 401 Teilnehmenden. Auch hier berichteten Frauen über mehr interpersonale Stressoren als Männer.
II.5 Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
69
Eine weitere Bestätigung dafür, dass interpersonale Konflikte, insbesondere Ehekonflikte, Hauptstressoren für Frauen darstellen, findet sich in der Studie von Dytell, Pardine & Napoli (1985). Überdies beschreiben die Autoren, dass die Kombination von Stressoren im Bereich Familie und Arbeit bei Frauen zu einem Burnout führen können, während bei Männern der ausschlaggebende Hauptstressor in der Arbeit liegt. Die Untersuchungen von Korabik und van Kampen (1995) sowie Mc Donald und Korabik (1991) mit Managerinnen und Mangern besagen dagegen, dass im Allgemeinen Frauen über mehr und andere Belastungen berichten als Männer. Zudem meinen Sander & Hartmann (2009), dass schon die Minderheiten-Position von Managerinnen erhöhten Stress und verursachen und somit gesundheitliche Folgen haben kann und dass dieser Umstand zu den Besonderheiten von Frauen in Führungspositionen zählt (Sander & Hartmann, 2009). Keine Geschlechterunterschiede in der Anzahl erwähnter Belastungen im Berufs- und Privatbereich konnten Hartmann und Richner (1997) feststellen. Zudem würden Männer und Frauen ähnliche Belastungen erleben. Auch Ptacek et al. (1992) entdeckten keinen Geschlechterunterschied bezüglich der Anzahl und Art der Belastungen bei Männern und Frauen. Für diese widersprüchlichen Ergebnisse sind mehrere Gründe denkbar. Meist sind Frauen und Männer in den verschiedene Berufgruppen und -positionen unterschiedlich stark vertreten. Dies führt bei mehreren Untersuchungen zu nicht repräsentativen Stichproben bzw. nicht repräsentativen Ergebnissen. Zusätzlich unterscheiden sich die Studien untereinander in ihrer Stichprobenpopulation (MangerInnen versus StudentInnen) und dem methodischen Vorgehen. Nach Siegrist et al. (2006) liegt ein weiterer Grund darin, dass Stressoren möglicherweise geschlechtstypisch wahrgenommen werden. Demnach erweist sich der derzeitige Forschungstand zur psychosozialen Arbeitsbelastung bei Frauen im Vergleich zu Männern als unbefriedigend. Auch in Bezug auf Geschlechterunterschiede bei Belastungsreaktionen bzw. -folgen, wie zum Beispiel die Burnouterkrankung, existiert eine grosse Anzahl empirischer Studien mit unterschiedlichen und inkonsistenten Befunden (Antoniou, Polychroni & Vlachakis, 2006; Bernin & Theorell, 2001; Caccese & Mayenberg, 1984; Greenglass, 1991; Kulik, 2006). Einige Studien haben ein grösseres Erkrankungsrisiko bei Frauen als bei Männern gefunden. Dies kann aber auch davon abhängen, dass Frauen sich aufgrund der sozialen Norm vermehrt berechtigt fühlen, ihren Zustand differenzierter zu beschreiben, als dies in der Regel Männer tun (vgl. Kp. II.5.2) und eher Therapieinstitutionen aufsuchen. Eine weitere Erklärung kann in der internen Beziehung zwischen Arbeit, Familie und Burnout liegen (Etzion, 1988; Greenglass & Burke, 1988). Besonders bei
70
II Theoretischer Hintergrund
Frauen wurde festgestellt, dass die Ursachen von Stressoren einerseits in der Familie, andererseits in der Arbeit zu suchen sind. Diese „Familie-Arbeits-Beziehung“ besitzt einen unterschiedlichen Einfluss auf Männer und Frauen. Dadurch, dass die meisten arbeitstätigen Frauen sich in verschiedenen Rollen engagieren (Berufsfrau, Mutterrolle, Ehefrau usw.), hat dies eine grössere Rollenbelastung bzw. einen grösseren Rollenkonflikt aufgrund der unterschiedlichen familiären Ansprüche zur Folge. Demnach stellt der weibliche Rollenkonflikt einen signifikanten Prädiktor für Burnout dar. Dass Frauen im Gegensatz zu Männern stärker Interrollenkonflikten ausgesetzt sind und die Hauptursache für Stress im Konflikt zwischen Job und Familie begründet liegt, beschreibt Greenglass bereits 1985. Dies führt bei Frauen in leitender Stellung zu vermehrter Irritation, Angst und Depression (Greenglass & Burke, 1988). Auch Kulik (2006) erwähnt in seiner Studie, dass in der Regel Männer und Frauen unterschiedliche Erfahrungen als Angestellte machen. Nach wie vor unterliegt die Frau durch ihre Doppelrolle als Hausfrau und Berufstätige einer Doppelbelastung, welche deutlich höher ist als beim Mann. Demnach sind Männer weniger anfällig für Konflikte zwischen den Rollenanforderungen zu Hause und bei der Arbeit. Sie erleben eine grössere Rollensynergie, während Frauen mehr den Rollenkonflikten ausgesetzt sind (Barnett, 1993). Auch wenn die Ehemänner bereit sind, genauso viel Zeit in die Kinderversorgung und Hausarbeit zu investieren, fühlen sich die Frauen stärker für das Funktionieren der Familie verantwortlich. Zusammengefasst heisst das: Während bei den Männern der Stress am Arbeitsplatz die Hauptursache für eine Burnouterkrankung ist, liegt bei den Frauen der Grund im Rollenkonflikt zwischen Erwerbsarbeit und Familie. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bezüglich deren Stressursachen von Arbeit und Familie liegt demnach hauptsächlich in der sozialen Struktur und nicht in der Biologie. Eine gute Integration von Familie und Arbeit kann allerdings auch als Ressource wirken. Etzion (1988) kam in seiner Studie zur Erkenntnis, dass die Burnouterkrankung bei Frauen grösser war, je wichtiger der nicht-berufliche Erfolg gewertet wurde, d. h. der Erfolg als Mutter, Hausfrau und Ehefrau als wichtigste und einzige Bestätigungsquelle bewertet wurde. Diese Ergebnisse entsprechen dem von Siegrist et al. (2006) beschriebenen rollentheoretischen Modell: Die Bereicherungsthese (role expansion hypothesis oder stress-buffering hypothesis) geht davon aus, dass durch die Übernahme einer zweiten Rolle durch die Frau, zusätzlich zur Familienrolle, ein gesundheitsfördernder Effekt entsteht. Die vorhandenen Ressourcen in einer Rolle dienen als „Stresspuffer“ in der anderen Rolle. Durch den sozialen Support und emotionalen Rückhalt in der Familie werden die Frauen einerseits belohnt und gleichzeitig wird ihnen dadurch die Bewältigung beruflicher Belastungen erleichtert. Andererseits können so Belastungen im Familien-
II.5 Zur Empirie der Geschlechterunterschiede
71
alltag durch Anerkennung im Beruf und Unabhängigkeit, zum Beispiel in finanziellen Belangen, kompensiert werden (Sieverding, 1995; Siegrist et al., 2006). Die Doppelbelastungsthese (role scarcity hypothesis) geht vom Gegenteil aus, nämlich dass Ressourcen limitiert sind und somit eine Rollenüberlastung (role overload) und ein Rollenkonflikt (role-conflict) entstehen, der negative gesundheitliche Konsequenzen besitzt. Da Frauen die Hauptlast der Familienarbeit tragen, unterliegen sie mit der Berufsrolle einer doppelten Belastung im Gegensatz zu den Männern. Es kommt zu einer höheren Vulnerabilität gegenüber Stressoren, da die zur Verfügung stehenden Ressourcen erschöpft sind (Arber, Gilbert & Dale, 1985; Siegrist et al., 2006). Beide Thesen wurden in verschiedenen Studien geprüft. Einerseits gibt es Arbeiten, die eher die Bereicherungsthese unterstützen (Sieverding, 1995), andererseits wurde in Studien, in denen stressphysiologische Parameter untersucht wurden, eher die Doppelbelastungs- bzw. Rollenüberlastungsthese bestätigt (Lundberg, 2002). Im Widerspruch zu den aufgeführten Studien gibt es Untersuchungen, in denen keine relevanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich den berichteten Burnoutsymptomen gefunden wurden (Alotaibi, 2003; Carlson, Anson & Thomas, 2003; Fletcher & Major, 2004). Auch Kolip & Hurrelmann (2002) beschreiben, dass die weibliche Rollenvielfalt keine nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen besitzt, obwohl die anfallenden Arbeiten im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zum Nachteil der Frau ungleich verteilt sind. In diesem Zusammenhang sind wichtige Ressourcen das subjektive Wohlgefühl und die Zufriedenheit in den verschiedenen Bereichen (Kolip & Hurrelmann, 2002). Hinsichtlich dieser gegensätzlichen empirischen Befunde argumentiert Bakker (2002), die Beziehung zwischen Geschlecht und Burnout sei angesichts der vielen Hintergrundsvariablen viel komplexer als angenommen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Geschlecht eine zentrale Determinante des Gesundheits- und Krankheitsgeschehens darstellt. Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen nicht nur im Profil ihrer Krankheiten und im Gesundheitsverhalten. Sie sind auch unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt und können auf unterschiedliche Ressourcen zurückgreifen. Gründe dafür sind die biologisch-genetische Ausstattung der körperlichen und psychischen Konstitution, unterschiedliche Verhaltenweisen und psychische Einflüsse, die miteinander verknüpft sind (Voss, 2007) sowie allgemeine gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Arbeits- und Lebensbedingungen (Hurrelmann & Kolip, 2002). Vor diesem Hintergrund wird es interessant sein, inwiefern sich bei den Spitzenführungskräften der Schweizerischen Finanzwirtschaft und Verwaltung Geschlechterunterschiede zeigen.
III
Untersuchung
Die vorliegende Forschungsarbeit hat zum Ziel, Ressourcen und Stressoren im Zusammenhang mit Burnout zu untersuchen und einem Geschlechtervergleich zu unterziehen. Sie ist deskriptiv angelegt und kombiniert qualitative und quantitative Methoden. Im Zentrum der Studie liegt das qualitative Design. Eine Basis bilden Variablen aus dem Effort-Reward-Imbalance-Modell von Siegrist (1996) (vgl. Kp. II.3.7) und weitere, aus der Literatur entnommene und gut untersuchte Schutzfaktoren. Zunächst wird die Fragestellung aufgeführt, welche den Ausgangspunkt der Untersuchung darstellt. Anschliessend sind die Erhebungsinstrumente Fragebogen und Interview näher erläutert. Im Weiteren werden die Stichprobe und das Datenmaterial beschrieben. Die Auswertungsmethode und das Vorgehen sind zum Schluss dargestellt.
III.1
Beschreibung der Forschungsfragen
Im Mittelpunkt des empirischen Teils der Arbeit steht die Analyse der halbstandardisierten Interviews mit offenen Antwortmöglichkeiten. Vor dieser qualitativen Erhebung erfolgt die quantitative Untersuchung der Stichprobe. Bereits in der Literatur gut untersuchte Zusammenhänge von Sinnhaftigkeit, Belohnungsfaktoren, soziale Unterstützung, Sport und Overcommitment im Zusammenhang mit dem Maslach Burnout Inventory (MBI) sollen geprüft werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Stichprobe den gängigen Forschungsgrundlagen entspricht. Entscheidend für die qualitative und quantitative Datenerhebung und -auswertung sind folgende Forschungsfragen:
III.1.1
Forschungsfragen der quantitativen Erhebung
Frage 1:
Steht die Variable „Sport“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden?
74
III Untersuchung
Frage 2:
Steht die Variable „soziale Unterstützung“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Frage 3:
Steht die Variable „Belohnung“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Frage 4:
Steht die Variable „Sinnhaftigkeit“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Frage 5:
Steht die Variable „Overcommitment“ mit einer Dimension des Burnout-MaslachInventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem positiven Zusammenhang und kann somit als Risikofaktor bestätigt werden?
III.1.2
Forschungsfragen der qualitativen Erhebung
Die ersten Forschungsfragen (*.1) sind allgemeiner Art und dienen als Grundlage für die Beantwortung der nachfolgenden Fragen (*.2) mit dem Fokus Geschlechterunterschiede. Frage 1:
1.1 Welche innere Sinngebung verfolgen die Führungskräfte? 1.2 Unterscheiden sich Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Lebensgrundsätze bzw. Lebensprinzipien? Frage 2:
2.1 Welches sind die ausschlaggebenden Belohnungsfaktoren?
III.2 Erhebungsinstrumente
75
2.1 Welche unterschiedliche Bedeutung besitzen diese Belohnungsaspekte bei Männern und Frauen? Frage 3:
3.1 Welche persönlichen Strategien (Copingstrategien) verfolgen die Führungspersonen im Umgang mit Arbeitsbelastungen? 3.2 Unterscheiden sich Männer und Frauen hinsichtlich der Copingstrategien? Frage 4:
4.1 Werden zusätzliche Faktoren zur Bewältigung der hohen Arbeitsbelastung genannt, welche nicht explizit erfragt (Sinngebung, Belohnungsfaktoren, persönliche Strategien) wurden? 4.2 Welche unterschiedliche Bedeutung habe diese bei Männern und Frauen? Frage 5:
5.1 Welche sind die entscheidenden Faktoren, die bei einer weiblichen oder männlichen Führungsperson zu subjektiv empfundenem Stress führt? 5.2 Unterscheiden sich Frauen von Männern hinsichtlich ihrer erlebten Stressoren?
III.2
Erhebungsinstrumente
Zuerst wird das Messinstrument der quantitativen Erhebung erläutert, nachfolgend wird das qualitative Erhebungsinstrument ausführlich dargestellt. Da der Fragebogen nicht im Mittelpunkt dieser Studie steht und die Beantwortung der Fragen nicht zu viel Zeit beanspruchen sollte, wurde für die Untersuchung eine relevante Itemauswahl aus vollständigen Fragebogen getroffen. Durch die qualitative Studie werden die Sichtweise und das Erleben der Untersuchungspartner in den Mittelpunkt gerückt. III.2.1
Fragebogen
Der standardisierte Fragebogen wurde den teilnehmenden Personen vor Durchführung des Interviews zugesandt. Dieser diente einerseits dazu, personenspezifische Angaben (Beschreibung der Stichprobe) zu erhalten und die bestehende Stichprobe hinsichtlich ihrer Repräsentativität zu prüfen, andererseits sollte er die Befragten in
76
III Untersuchung
der inhaltlichen Vorbereitung des Interviews unterstützen und zu einer ersten Reflexion anregen. Um die Forschungsthematik nicht allzu stark in den Vordergrund zu rücken und dadurch die Antwortrichtung nicht zu beeinflussen, wurde dem Fragebogen kein thematischer Titel zugewiesen. Auf der Grundlage von folgenden Fragebögen wurde der Fragebogen für die aktuelle Untersuchung erstellt: • • • •
Effort-Reward-Imbalance, ERI (Siegrist et al., 2004) Maslach Burnout Inventory, MBI (Maslach, Jackson & Leiter, 1996) Sense of Coherence Scale, SOC (Antonovsky, 1987) Fragebogen zur sozialen Unterstützung, F-SozU (Fydrich, Sommer & Brähler, 2002)
III.2.1.1 Effort-Reward-Imbalance, ERI (Siegrist et al., 2004)
Ziel dieses Fragebogens ist es, die psychosoziale Arbeitsbelastung zu erheben. Die Reziprozität in sozialen Beziehungen steht dabei im Mittelpunkt, was in der Arbeitswelt ein ausgeglichenes Verhältnis von geleisteter Arbeit und der dafür erhaltenen Belohnung bedeutet (vgl. Kp. II.3.7). Aufgrund dessen setzt sich der vollständige Fragebogen aus folgenden Dimensionen zusammen: • Verausgabung (6 Items) • Belohnung (reward) [11 Items; 3 Subskalen die auf den gemeinsamen Faktor laden: „Wertschätzung“ (5 Items); „Bezahlung/beruflicher Aufstieg“ (4 Items); „Arbeitsplatzsicherheit“ (2 Items)] • Übersteigerte berufliche Verausgabungsbereitschaft (Overcommitment, Ovc) (6 Items) Insgesamt enthält der Fragebogen (Kurzform) 23 Items. Für die vorliegende Untersuchung wurden Items aus dem Teil Belohnung (reward) und Overcommitment (Ovc) übernommen. Aus dem Teil Belohnung (reward) wurden 7 von insgesamt 11 Items aus den zwei Subskalen „Bezahlung/beruflicher Aufstieg“ und „Wertschätzung“ eingesetzt. In verschiedenen Studien wurde das Instrument geprüft. Die Skala „reward“ besitzt eine interne Konsistenz (Cronbachs _) von _ = .84 (Rödel et al., 2004). Der Teil Overcommitment mit 6 Items zur Messung der beruflichen der „übersteigerten beruflichen Verausgabungsbereitschaft“ wurde vollständig übernommen. Die interne Konsistenz (Cronbachs _) beträgt _ = .76 (Rödel et al., 2004).
77
III.2 Erhebungsinstrumente
Itembeispiele: reward 17
OVC 2
Wenn ich an all die erbrachten Leistungen und Anstrengungen denke, halte ich meine Entlöhnung für angemessen. Ja
Nein, und das belastet mich gar nicht
Nein, und das belastet mich mässig
Nein, und das belastet mich stark
Nein, und das belastet mich sehr stark
Es passiert mir oft, dass ich schon beim Aufwachen an Arbeitsprobleme denke.
Stimme gar nicht zu
Stimme eher nicht zu
Stimme eher zu
Stimme voll zu
III.2.1.2 Maslach Burnout Inventory, MBI ( Maslach et al., 1996)
Das Maslach Burnout Inventory (MBI) wurde ursprünglich 1981 von Christina Maslach und Susan E. Jackson entwickelt und ist bis heute das gängigste Messinstrument zur Erfassung des Burnout-Syndroms (vgl. Kp. II.4). Mit Hilfe von 22 Fragen werden drei Dimensionen des Burnout-Syndroms erfasst: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit. Die Items werden nach Intensität und Häufigkeit auf einer sechsstufigen Likertskala beantwortet und die Werte der drei Subskalen separat ausgewertet. Die Dimension der emotionalen Erschöpfung wird mit den Items 1, 3, 6, 1 3, 14, 16, 20 erhoben, die Dimension der Depersonalisierung mit den Items 5, 10, 11, 22, 23, 24, 25 und die der reduzierten Leistungsfähigkeit mit den Items 4, 7, 9, 12, 17, 18, 19 und 21. Für die vorliegende Untersuchung wird die deutsche Übersetzung nach Enzmann und Kleiber (1989) verwendet. Die einzelnen Skalen können folgende gute bis sehr gute interne Konsistenz (Cronbachs _) vorweisen: Skala „emotionale Erschöpfung“, _ = .90 (Maslach, et al. 1996); Skala „Depersonalisierung“, _ = .79 (Maslach, et al. 1996); Skala „reduzierte Leistungsfähigkeit“, _ = .71 (Maslach, et al. 1996). Itembeispiele:
Item der Dimension „emotionale Erschöpfung“: MBI 5
Ich glaube, ich behandle meine KollegInnen/MitarbeiterInnen, als ob sie unpersönliche „Objekte“ wären.
nie
immer
78
III Untersuchung
Item der Dimension „Depersonalisierung“: MBI 5
Ich glaube, ich behandle meine KollegInnen/MitarbeiterInnen, als ob sie unpersönliche „Objekte“ wären.
nie
immer
Item der Dimension „ reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit“ MBI 19
Ich habe viele wertvolle Dinge in meiner derzeitigen Arbeit erreicht.
nie
immer
III.2.1.3 Sense of Coherence Scale, SOC (Antonovsky, 1987)
Im Zentrum des Salutogenese-Modell von Antonovsky (1987) steht das Kohärenzgefühl (vgl. Kp. II.1.3). Das Kohärenzgefühl ist nach dem Autor die entscheidende Variable dafür, ob ein Individuum die Herausforderungen, die sich im Verlauf ihres Lebens stellen, erfolgreich bewältigen wird (Antonovsky, zitiert nach Kernen, 1997, S. 43). In diesem Sinn gilt dieses als eine dispositionelle Bewältigungsressource, die Menschen widerstandsfähiger gegenüber Stressoren macht und damit zur Aufrechterhaltung und Förderung der Gesundheit beiträgt. Die „Sense of Coherence Scale“ umfasst 29 Items. Teil des Kohäerenzgefühls ist die emotionale Komponente der Sinnhaftigkeit („meaningfulness“), deren vier Fragen in die vorliegende Untersuchung einflossen (Items: 4, 8, 16, 28). Die sehr gute interne Konsistenz dieser Skala (Cronbachs _) beträgt _ = .85 (Hittner, 2007). Itembeispiel: SOC 4
Haben Sie das Gefühl, dass es Ihnen ziemlich gleichgültig ist, was um Sie herum passiert? Nie
Sehr selten
Sehr oft
III.2.1.4 Fragebogen zur sozialen Unterstützung, F-SozU (Fydrich et al., 2002)
Der Fragebogen erfasst soziale Unterstützung (vgl. Kp. II.2.3.3) eindimensional als wahrgenommene oder antizipierte Unterstützung. Das Selbstbeurteilungsinstrument enthält die drei Bereiche: praktische Unterstützung, emotionale Unterstützung und soziale Integration. Aus der Kurzform (K-14) wurden alle Fragen übernommen. Die
79
III.2 Erhebungsinstrumente
innere Konsistenz (Cronbachs _) ist sehr gut und liegt bei _ = .93 (Fydrich et al., 2002). Itembeispiel: SozU13 Ich habe einen
vertrauten Menschen, in dessen Nähe ich mich ohne Einschränkung wohl fühle.
Trifft nicht zu
Trifft eher nicht zu
Trifft teilweise zu
Trifft zu
Trifft genau zu
Die zum Teil gekürzten Fassungen der einzelnen Fragebogen wurden zusammengefügt. Der „neue“ kombinierte Fragebogen umfasste schliesslich 65 Fragen. Gesamthaft gesehen ist die sind die internen Konsistenzen (Cronbachs _) der einzelnen Skalen und Dimensionen, unter Berücksichtigung der kleinen Stichprobe, mittel bis gut (_ = .535 bis .914). Die folgende inhaltliche Strukturierung sollte die Befragten durch den Fragebogen führen: I
Fragen zur Statistik:
Die statistischen Fragen erhoben Geschlecht, Alter, Zivilstand, Berufserfahrung und die durchschnittliche effektive Arbeitszeit pro Woche. II
Fragen zur beruflichen Situation:
Dieser Teil besteht aus den Fragebogen ERI (Effort-Reward-Imbalance) von Siegrist et al. (2004). III Fragen zum körperlichen Wohlbefinden und sportlicher Aktivität: Der dritten Frageblock „Fragen zum körperlichen Wohlbefinden und sportlicher Aktivität“ erlaubte wenige Rückschlüsse zur physischen Komponente. IV Fragen zu arbeitsbezogenen Gefühlen und Gedanken: Im Frageblock „Fragen zu arbeitsbezogenen Gefühlen und Gedanken“ sind die Fragen aus dem Maslach Burnout Inventory (Maslach et al., 1996) einerseits und der Sense of Coherence Scale (Antonovsky, 1987) enthalten. V
Fragen zum sozialen Umfeld:
Im letzten Frageblock „Fragen zum sozialen Umfeld“ sind die spezifischen Fragen zur sozialen Unterstützung (Fydrich, Sommer u. Brähler, 2002) platziert.
80 III.2.2
III Untersuchung
Interview
Das halbstandardisierte Interview wurde stets mündlich und persönlich geführt. Es folgte einem fünfteiligen Gesprächsleitfaden entlang der zentralen Forschungsfragen. Dabei war entscheidend, dass die Interviewten ihre Erfahrungen und Meinungen frei äussern konnten. Ziel dieser qualitativen Befragung ist es, einerseits aussagekräftige Antworten auf gezielte Fragen zu erhalten, andererseits weitere Erkenntnisse zu den angesprochenen Themenfelder zu gewinnen. Neben einer Einstiegsfrage beinhaltet der Leitfaden Fragen zu Stressfaktoren, Belohnungsfaktoren, Sinnhaftigkeit/Lebensgrundsätze, Trennen Arbeit-Freizeit (Overcommitment) und persönlichen Strategien (Copingstrategien). Die Grundlage des Gesprächs bildete das Bild einer Waage. Die Basis dieser Waage bildet das Effort-Imbalance-Modell nach Siegrist (1996).
Abbildung 6: Waage als symbolische Grundlage des Interviews
Einstiegsfrage:
Welche Situationen machen Ihnen Freude bei der Arbeit? Diese Frage soll auf das Interview einstimmen und bereits schon Hinweise auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit bzw. zugrundliegende Motive und Belohnungsaspekte geben. Zudem werden die verschiedenen Komponenten der Waage, die durch das Interview führen, kurz erläutert.
III.2 Erhebungsinstrumente
I
81
Arbeitsbelastung/Stressfaktoren
Was verursacht Ihnen Stress? Welche Situationen kommen Ihnen dabei in den Sinn? Woran erkennen Sie, dass Sie Stress haben (Emotion/Körper/Denken/Verhalten)?1 Mit dieser offenen Fragestellung werden die einzelnen Stressfaktoren erhoben. II
Belohnungsfaktoren
Nach dem ersten Frageblock wird die Aufmerksamkeit der interviewten Person auf die rechte Seite der Waage gelenkt. Mit diesen Fragen sollen materielle und ideelle Belohnungsaspekte angesprochen werden. Im Speziellen wird auf die finanzielle Entlöhnung eingegangen. Wie halten Sie ihre persönliche Waage im Gleichgewicht? Was setzen Sie auf die rechte Seite der Waage? / Was ist Ihnen davon besonders von Nutzen? Gibt es Dinge, die Ihnen heute mehr nützlich sind als früher?2 Lohn kann auch eine Belohnung sein. Welchen Stellenwert nimmt er für Sie ein? / Welche Auswirkungen hat dieser für Sie? Inwiefern ist der Lohn für Sie auch Verpflichtung? III Trennen Arbeit-Freizeit/Overcommitment Können Sie die Arbeit von anderen Lebensbereichen trennen? In welchen Situationen erreichen sie ein gutes Abschalten von der Arbeit? In welchen Momenten bei der Arbeit vergessen Sie rundherum alles? Bei diesen Fragen wird die Variable „Overcommitment“ aus dem Modell von Siegrist et al. (2004) bzw. die Ressource Distanzierfähigkeit berücksichtigt. 1
Die Frage nach dem Stressempfinden wurde nicht in die vorliegende Auswertung miteinbezogen, sondern in die Auswertung einer unabhängigen Forschungsarbeit, deren Grundlage diese Datenbasis ist. Einzig aus den Aussagen zum „Grübeln“ (Gedankenkreisen) ergeben sich Hinweise auf den Aspekt des Overcommitments (vgl. Kp. II.2.3.5). 2 Diese Frage wurde nicht in die vorliegende Auswertung miteinbezogen, sondern in die Auswertung einer unabhängigen Forschungsarbeit, deren Grundlage diese Datenbasis ist.
82
III Untersuchung
IV Sinnhaftigkeit/Leitprinzipien Im vierten Frageblock wird auf die Basis der Waagedarstellung verwiesen. Haben Sie bestimmte Leitprinzipien in Ihrem Leben? Viele Menschen haben grundlegende Lebenseinstellungen oder Lebensgrundsätze. Welche haben Sie? Fallen Ihnen Situationen ein, in denen Ihr Handeln Ihre Leitprinzipien besonders gut zum Ausdruck bring? Diese Fragen sollen Antworten zur „inneren Sinngebung“ generieren. IV Persönliche Strategien (Copingstrategien) Verschieden persönliche Strategien, insbesondere die soziale Unterstützung und die sportliche Aktivität, die als Ressourcen eine wichtige Rolle spielen werden im weiteren Gesprächsverlauf thematisiert. Wo holen Sie sich ihre Energie? Gibt es zusätzliche Strategien, die Sie verfolgen, wenn Sie von der Arbeit her unter starkem Druck stehen oder in einer Stresssituation sind? Welche? Sport (Nur wenn genannt bzw. im Fragebogen mit JA angegeben) Welches ist Ihre Hauptmotivation sich körperlich aktiv zu betätigen? Was bewirkt diese körperliche Aktivität? Gibt es auch Zeiten, in denen Sie sich weniger körperlich betätigen treiben? Was ist dann der Unterschied zu den Zeiten, in denen Sie sich vermehrt körperlich betätigen? Soziales Umfeld Wieviele Personen zählen Sie zu Ihrem vertrauten, engeren sozialen Kreis? Wo hilft Ihnen ihr Umfeld? Wo können sie auftanken? Supervision- und Coaching Mit wem sprechen Sie über Fragen bezüglich Ihrer Arbeit bzw. über daily hassles? Gibt es eine neutrale Person in Ihrem Leben, die sich ausserhalb des engeren sozialen Kreises und ausserhalb des beruflichen Kreises steht, die Sie als MentorIn/SparringspartnerIn ansehen?
III.2 Erhebungsinstrumente
83
Welche Bedeutung messen Sie dieser Person zu? Woran erkennen Sie ihre Wichtigkeit? Welche Bedeutung hat diese Person im Rahmen der Stärkung der Ressourcen? Schlussfrage
Zum Ende des Interviews wurden nochmals die einzelnen Frageblöcke auf der Darstellung erwähnt. Wurde dabei ein wichtiger Aspekt noch nicht angesprochen? Möchte Sie zu diesen Fragestellungen im Allgemeinen etwas ergänzen? III.2.2.1 Interviewdurchführung und -transkription
Die Interviews fanden in einem Zeitraum von vier Monaten statt. Für jedes Interview war inklusiv Begrüssung, nochmalige Aufklärung der Befragten über die Studie und ihre Ziele, rund eine Stunde veranschlagt. Das Interview wurde anonym durchgeführt und ausgewertet. In der Erklärung an die Befragten lautete dies: • Der Dateiname der Interviews wird mit einer Interviewnummer und zusätzlich mit den Variablen Geschlecht und Datum der Interviewaufnahme versehen und so die Namensidentifizierung verunmöglicht. • Es werden keine Daten über die interviewte Person an die Öffentlichkeit gelangen, die eine Identifikation ermöglichen würden. Zum Beispiel werden Hinweise auf das Berufsfeld oder Personen bei vorliegenden Zitaten weggelassen. • Die Tonträger werden nach Beendigung der Studie von den zuständigen Personen gelöscht. • Die Interviewer sind an das (psychologische) Berufsgeheimnis gebunden. Alle Interviews wurden mit einem Minidisc-Gerät mit Mikrophon aufgezeichnet und anschliessend transkribiert. Die Transkription wurde wortwörtlich vorgenommen und nach festgelegten, einfachen Regeln durchgeführt: • Interviewer (2) und Befragte sind mit E, L und A gekennzeichnet. • Kurze Sprechpausen sind mit einen Bindestrich (-) versehen. • Füllwörter und Wiederholungen ohne sprachlichen Gehalt (eh, äh, hm…etc.) sind nicht schriftlich erfasst. Eine differenziertere Transkription wäre für diese Untersuchung nicht erkenntnissteigernd gewesen. Während dem gesamten Auswertungsprozess waren die Interviews nur für die befugten Personen zugänglich und konnten jederzeit abgehört werden, wenn Unklarheiten in der Datenanalyse vorhanden waren.
84 III.3
III Untersuchung
Stichprobe
Die Stichprobe aus 40 Kaderleuten besteht aus dem obersten Führungsbereich der Schweizer Wirtschaft und Verwaltung in Bildung und Politik. Der Adressatenkreis wurde dem Wirtschaftsmagazin „Cash“, der Wirtschaftszeitschrift „Bilanz“ und den Tageszeitungen „NZZ“ und „Tages-Anzeiger“ entnommen. Als Voraussetzung galt, dass die rekrutierten Personen in strategischer oder operativer Funktionen eine maximale Verantwortlichkeit für ein Unternehmen oder Unternehmensbereich, eine Institution oder Departement besitzen. Die Führungskräfte befinden sich im Alter zwischen 35 und 65 Jahren. Das Durchschnittsalter beträgt ca. 50 Jahre. Nur eine Person ist älter als 65 Jahre.
Abbildung 7: Altersverteilung der Stichprobe
Die Befragungsinhalte bezogen sich vorwiegend auf ihre gegenwärtige Arbeitstätigkeit. Die Teilnehmergruppe besitzt eine durchschnittliche Berufserfahrung von 12 Jahren in der derzeitigen Funktion oder im gegenwärtigen Berufsfeld. Die durchschnittliche effektive Arbeitszeit pro Woche umfasst 60 Stunden pro Woche. Nur eine Person arbeitet in einem Teilzeitpensum von 80%. Ausser einer Person leben alle in einer Partnerschaft oder sind verheiratet. 62% leben in einer Familie mit Kindern (80 % der Männer und 38 % der Frauen). Die Adressaten der Stichprobe wurden für ein 45-minütiges Interview und für ein vorgängiges Ausfüllen eines Fragebogens mit einer ungefähren Bearbeitungsdauer von 15 Minuten schriftlich angefragt.
III.2 Erhebungsinstrumente
85
Abbildung 8: Berufserfahrung der untersuchten Stichprobe
Abbildung 9: Angaben der Arbeitsstunden (pro Woche)
Gesamthaft wurden 55 Personen angeschrieben. Davon erteilten 40 Personen eine Zusage, 7 Personen eine Absage und 8 Personen antworteten nicht. Insgesamt wurden mehr Frauen (51%) kontaktiert als Männer (49%), allerdings sagten nur 38% der Frauen nach einer ersten Anfragerunde zu, im Gegensatz zu beinahe 100% der Männer. Mit einer Ausnahme reagierten alle angefragten männlichen Personen
86
III Untersuchung
auf die Anfrage. Erst nach einer zweiten Anfragerunde erreichte die Anzahl der Frauen im Sample mit 40% eine angemessene Höhe (vgl. Tab. 8). Je vier Männer und Frauen wurden im ersten Durchgang über persönliche Kontakte angefragt, die restlichen verliefen ohne jede Anbindung. Die Tatsache, dass weit über 50% der angefragten Personen sich für ein Interview zur Verfügung stellten, spricht für ein Interesse an der Thematik. Tabelle 8: Vorgehensweise bei den Anfragen in absoluten Zahlen und in Prozentwerten Frauen
Männer
Zusagen Absagen Keine Antwort
16 6 5 5
19 18 1 0
Zusagen Absagen Keine Antwort
12 10 0 2
8 6 1 1
1. Runde Anfragen:
2. Runde Anfragen:
Anfragen Zusagen Absagen Keine Antwort
Total Frauen
Total Männer
28 16 5 7
27 24 2 1
Tabelle 9: Stichprobenzusammensetzung in Absoluten Zahlen und in Prozentwerten Frauen
Männer
Verwaltung Exekutivbehörde in Politik, eidgenössisch relevant Bildung: Rektoren von Gymnasien und Hochschulen CEO Kultur
2 5 1
2 5 0
Wirtschaft CEO und VRP von börsenkotierten SPI/SMI Firmen Unternehmensberater/Innen (CEO, PartnerIn)
3 5
13 4
Total Frauen
Total Männer
Verwaltung
8
7
Wirtschaft
8
17
III.5 Auswertungsmethoden
87
Die meisten Interviewteilnehmer (63%) sind in der Wirtschaft tätig. Davon befinden sich 64% in einer Position als CEO oder im Verwaltungsratspräsidium. Mit 36% sind Kaderleute aus Unternehmensberatungen in der Stichprobe vertreten. Von den 37% in der Verwaltung angestellten Personen sind 67% Rektoren oder Rektorinnen an Hochschulen, Fachhochschulen oder Gymnasien. Eine Minderheit bildeten mit 27% Mitglieder von politischen Exekutivbehörden. Nur eine Person ist CEO im Kulturbereich.
III.4
Datenmaterial
Die Datenbasis besteht einerseits aus 40 Fragenbogen und andererseits aus 40 halbstandardisierten Interviews bzw. aus 80 Datensätzen ohne missing values. Die Fragebogen wurden ca. vier Wochen vor dem Interviewtermin den Teilnehmer/innen zum Ausfüllen zugesendet. Von jeder der 40 Personen liegen ein Fragebogen und ein Interview vor und konnten ohne Ausnahme alle in das Sample einbezogen werden. Die Datengrundlage beruht auf Nominaldaten.
III.5
Auswertungsmethoden
III.5.1
Quantitative Auswertung
Die erhobenen quantitativen Daten wurden mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows korrelativ ausgewertet. Es ist jedoch anzumerken, dass für eine vollständig valide statistische Aussage die Stichprobe mit n = 40 zu klein ist. Darum wurde auch das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse gewählt (vgl. Kp. II.5.2). Mit Hilfe der korrelativen Auswertung sollen ergänzende Informationen für die weitere quantitative Auswertung gewonnen und in Erfahrung gebracht werden, ob die gewonnen Ergebnisse mit denen aus der Forschung vergleichbar sind. III.5.2
Qualitative Auswertung
III.5.2.1 Bestimmung der qualitativen Auswertungsmethode
Die Analyse der Interviews bedurfte eines Verfahrens, das einerseits den interindividuellen Vergleich zwischen weiblichen und männlichen Teilnehmern ermöglichte, andererseits die differenzierten Aussagen im Sinne von Zitaten berücksichtigte, da besondere Aufmerksamkeit der sprachlichen Äusserung galt.
88
III Untersuchung
Die Inhaltsanalyse bietet die Möglichkeit, diesen Anforderungen hinsichtlich des qualitativen Datenmaterials gerecht zu werden. Dazu meint Mayring (2003, S. 11): „Ziel der Inhaltsanalyse ist, … die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt“ Bei Früh (1991, S. 24) gilt folgende Definition: „Die Inhaltsanalyse ist eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen.“ Mayring (2003, S. 13) meint: „Zusammenfassend will die Inhaltsanalyse • • • • • •
die Kommunikation analysieren; fixierte Kommunikation analysieren; dabei systematisch vorgehen; das heisst regelgeleitet vorgehen; das heisst auch theoriegeleitet vorgehen; mit dem Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen.“
Dies bedeutet für das vorliegende qualitative Vorgehen: • dass auf eine exakte Transkription geachtet wird • dass das systematische und regelgeleitete Vorgehen transparent beschrieben ist und somit die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit ermöglicht wird • die Ergebnisse theoriegeleitet interpretiert werden Zur systematischen Auswertung sind verschiedene Verfahren möglich. Dabei unterscheidet Mayring (2000, zitiert nach Haab, 2003, S. 54) vier inhaltsanalytische Vorgehensweisen. Es sind dies: 1. 2. 3. 4.
Zusammenfassende Inhaltsanalyse Induktive Kategorienbildung Explizierende Inhaltsanalyse Strukturierende Inhaltsanalyse
Aufgrund des vorliegenden Datenmaterials schien eine Kombination aus der strukturierenden Inhaltsanalyse und der induktiven Kategorienbildung angemessen. Dabei ist nach Mayring (2000, zitiert nach Haab, 2003) folgendes unter der strukturierenden Inhaltsanalyse zu verstehen: Die strukturierende Inhaltsanalyse ist ein deduktives Verfahren: zum Vornherein festgelegte Kriterien werden an das Datenmaterial herangetragen. Nach der Bestimmung der Codiereinheit als erster Arbeitsschritt werden die Ordnungskriterien (Kategorien) benannt, mit Ankerbeispielen illustriert und mit Codierregeln versehen. Bei der strukturierenden Inhaltsanalyse können Schwerpunkte durch die Konzentration auf formale, inhaltliche, typisierende oder skalierende Aspekte des Datenmaterials gesetzt werden. (S. 54)
III.5 Auswertungsmethoden
89
Mayring (2000, S. 75) beschreibt die induktive Kategorienbildung folgendermassen: „Eine induktive Kategoriendefinition (…) leitet die Kategorien direkt aus dem Material in einen Verallgemeinerungsprozess ab, ohne sich vorab auf formulierte Theorienkonzepte zu beziehen.“ Weiter kann zwischen qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse unterschieden werden (Haab, 2003). Die vorliegenden Forschungsergebnisse sind in erster Linie qualitativ ausgewertet. Dabei wurden aber zur Unterstützung der Konkretheit und Aussagekraft quantitative Ergebnisse generiert, indem Häufigkeiten nominaler Daten ermittelt und meist in Relationsangaben dargestellt wurden (deskriptive Statistik). III.5.2.2 Vorgehen bei der Auswertung
Bei der systematischen Textanalyse handelte es sich um eine computergestützte Inhaltsanalyse, die unter Zuhilfenahme des Textanalyseprogramms MAXQDA, Software for Qualitative Data Analysis, (Kuckartz, 1999) erfolgte. Die Transkripte wurden in MAXQDA importiert. Dadurch standen sie für eine Analyse direkt bereit. Die eigentliche Arbeit am Material bildete die Erkundung der Daten. Einen Überblick über die Interviews wurde durch das Lesen der Transkripte geschaffen. Die Analyse der Daten verlief in einem spiralförmigen Prozess, da das Kategoriensystem in einem deduktiv-induktiven Verfahren entwickelt wurde (vgl. Kp. III.5.2.3). Einerseits ging es um eine detaillierte Analyse einzelner Interviews bzw. Interviewausschnitte, andererseits wurden die Daten einer generalisierenden und abstrahierenden Betrachtung des Ganzen aus der Distanz unterzogen, bei der alle Interviews, Fragestellungen und theoretisches Vorwissen mitbeinbezogen wurde. Ziel dieses Prozesses war die Zuordnung von Textstellen zu einer Kategorie3. In einem weiteren Schritt wurden die einzelnen Textstellen in jeder Kategorie gesichtet und inhaltlich zusammenfassend als Ergebnisse beschrieben. Wie schon im Kapitel III.5.1 erwähnt, erfolgte teilweise eine Benennung von Häufigkeiten. Konkrete Fragen wie zum Beispiel, „Wie viele Personen zählen Sie zu ihrem vertrauten, engeren sozialen Kreis?“, suggerierten Antworten, die eine Häufigkeitsangabe zur Folge hatten. Zum Teil wurden zudem die Anzahl Äusserungen zu einer Kategorie festgehalten. Somit konnte bestimmt werden, welcher Stressor beispielsweise am prominentesten rückgemeldet wurde. Die erstellte Rangreihenfolge wurde neben der qualitativen Auswertung der einzelnen Interviewantworten aufgeführt. 3
Die Beschreibung der Kategorien, Kategorisierungsregeln und die Ankerbeispiele sind im Anhang aufgeführt.
90
III Untersuchung
III.5.2.3 Entwicklung der Kategorien
Durch Abstrahierung und Ausdifferenzierung der Daten wurde ein Kategoriensystem entwickelt. Das Codieren stellt innerhalb dieser Datenanalyse einen wichtigen Schritt dar. Dabei wurden relevante Aspekte, Begrifflichkeiten und Phänomene, die sich im Text zeigten, identifiziert und benannt, indem sie einer Kategorie untergeordnet wurden. Ziel dieses Prozesses war es, zu einer Abstraktion zu kommen und relevante Stressoren- und Ressourcenkategorien zu entdecken und herauszuarbeiten. Die folgende Aufzählung stellt die Entwicklung der Kategorienliste dar: 1. Zuerst wurden die Interviews gesichtet und aufgrund der Fragestellungen und dadurch angesprochenen Themen erste Kategorien benannt. Dabei kam das deduktive Vorgehen zum Zug. 2. Kategorisierung der Interviewaussagen; dadurch entstanden Ideen zur Generierung neuer Kategorien. Es folgt die weitere induktive Entwicklung des datenbegründeten Kategorienbaums. Konkret sah dies so aus, dass alle relevanten Antwortaspekte einer Kategorie mit dem zentralen Begriff zugewiesen wurden. 3. Parallel wurden Memos geschrieben, die eine klare Abgrenzung der einzelnen Kategorien sicherstellen sollen. Die Überprüfbarkeit der Auswertungskategorien soll insofern gewährleistet sein, indem eine ausführliche Dokumentation und Darlegung der einzelnen Kategorien vorliegt4. 4. Auf der Basis des Vergleichs wurde der Kategorienbaum immer wieder überprüft, verändert und verdichtet, indem zum Beispiel verschiedene Kategorien einer Hauptkategorie untergeordnet wurden. Zusammengefasst wurden die Kategorien aufgrund folgender Varianten entwickelt: 1. Direkt aus dem Datenmaterial, indem zum Beispiel die Frage an den Text gestellt wurde: „Was ist in der Tätigkeit für die interviewte Person sinnstiftend?“; Kategorie „innere Sinngebung“. 2. Prägnante Begriffe, die die Interviewten selbst für bestimmte Phänomene verwendeten, wie zum Beispiel bei der Kategorie „Einsamkeit an der Spitze“. 3. Aufgrund von theoretischem Vorwissen: Bestimmte Konzepte wurden aufgrund der Fragestellung direkt erhoben, wie zum Beispiel bei der Kategorie „Trennen von Arbeit und Freizeit“. Schlussendlich konnten definitive Hauptkategorien und Subkategorien (Kategorie erster und zweiter Ordnung) generiert werden. Eine zweite Person überprüfte die er4
Die Beschreibung der Kategorien, Kategorisierungsregeln und die Ankerbeispiele sind im Anhang aufgeführt.
III.5 Auswertungsmethoden
91
stellten Haupt- und Subkategorien, deren zugrundeliegenden Definitionen und Ankerbeispiele bezüglich ihrer Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit. In einem Stichprobeverfahren wurde zudem die Zuordnung der Textstellen zur jeweiligen Kategorie überprüft. Da sich nur wenige Abweichungen ergaben, kann auf eine gute Interraterreliabilität geschlossen werden. Die vollständige Darstellung des Kategoriensystems, die Beschreibung der Kategorien und die zugehörenden Ankerbeispiele finden sich im Anhang.
IV
Ergebnisse
Im zweiten Kapitel wurden für die Untersuchung relevante Themen aufgrund des derzeitigen Wissensstandes beschrieben. Das methodische Vorgehen wird im dritten Teil dargestellt. Nun folgen die Ergebnisse der Fragebogenauswertung und der Interviewanalyse.
IV.1
Ergebnisse der Fragebogenanalyse
Aufgrund der quantitativen Auswertung kann aufgeführt werden, in welchem Zusammenhang die Variablen Sport, soziale Unterstützung, Belohnung (Wertschätzung, Karrieremöglichkeiten und materielle Entlöhnung), Sinnhaftigkeit und Overcommitment mit den Burnoutfaktoren (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) stehen. Da die Normalverteilung bei manchen Skalen und Dimensionen innerhalb des Fragebogens nicht gegeben ist [z. B. Reward tot, Umfeld tot (rechtsschiefe Verteilung)], wurde der vorliegende Datensatz nonparametrisch ausgewertet. Die Korrelationen sind nach Spearman’s rho berechnet. Frage 1: Steht die Variable „Sport“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Die vorliegenden Korrelation zeigen, dass bei Personen, welche häufiger und schon seit längerer Zeit Sport treiben, weniger hohe Werte in „emotionaler Erschöpfung“ (MBI) zu verzeichnen sind (r = –.482, p < .01). Somit steht die Variable „sportliche Betätigung“ mit der Dimension der „emotionalen Erschöpfung“ in einem signifikant negativen Zusammenhang. Frage 2: Steht die Variable „soziale Unterstützung“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Je mehr „soziale Unterstützung“ erfahren wird, desto weniger ausgeprägt ist die Dimension der „Depersonalisierung“ (MBI) (r = –.484, p < .01) und die der „reduzier-
94
IV Ergebnisse
ten persönlichen Leistungsfähigkeit“ (MBI) (r = –.605, p < .01). Ingesamt wird deutlich, dass Personen mit „sozialer Unterstützung“ tiefere Werte im Maslach Burnout Inventory zeigen. Frage 3: Steht die Variable „Belohnung“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Die Variable „Belohnung“ steht mit keiner Dimension des Burnout Maslach Inventory in einem signifikanten Zusammenhang. Frage 4: Steht die Variable „Sinnhaftigkeit“ mit mindestens einer Dimension des Burnout Maslach Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, redu-
Belohnung Overcommitment (OVC)
-
Sport
-
Sinnhaftigkeit (SOC)
.335(*)
.420(**)
-
.399(*)
-.338(*)
-
.495(**)
-
-
-
-
-
-
-
.551(**)
.482(**)
.418(**)
-
Soziale Unterstützung Anzahl geleistete Arbeitsstunden Emotionale Erschöpfung MBI (MBI) Depersonalisierung
(MBI) MBI
-
-
-
-
-
-
.479(**)
-
Subjektive Leistungseinbusse (MBI) MBI
-
n = 40; **: p < .01; *: p <.05
-.334(*)
.484(**)
-
-
.482(**)
.605(**)
-
.401(*)
-
.374(*)
.372(*)
einbusse (MBI) MBI
Subjektive Leistungs-
Depersonalisierung
(MBI) MBI
fung MBI (MBI)
Emotionale Erschöp-
Arbeitsstunden
Anzahl geleistete
Soziale Unterstützung
Sinnhaftigkeit (SOC)
Sport
(OVC)
Belohnung
Overcommitment
Tabelle 10: Spearman-Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen und den Dimensionen des MBI (Emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, subjektive Leistungseinbusse)
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
95
zierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem negativen Zusammenhang und kann somit als Ressource bestätigt werden? Die Variable „Sinnhaftigkeit“ korreliert negativ mit den Dimensionen der „emotionalen Erschöpfung“ (MBI) (r = –.418, p < .01), der „Depersonalisierung“ (MBI) (r = –.334, p < .05) und der „reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit“ (MBI) (r = –.482, p < .01). Frage 5: Steht die Variable „Overcommitment“ mit einer Dimension des BurnoutMaslach-Inventory (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit) in einem positiven Zusammenhang und kann somit als Risikofaktor bestätigt werden? Es zeigt sich, dass die Variable „Overcommitment“ (ERI) positiv korreliert einerseits mit der „emotionaler Erschöpfung“ (MBI) (r = .551, p < .01) und andererseits mit der „reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit“ (MBI) (r = .479, p < .01). „Overcommitment“ steht somit mit zwei Dimensionen des Burnout Maslach Inventory in einem signifikant positiven Zusammenhang.
IV.2
Ergebnisse der Interviewanalyse
Ressourcen und Stressoren bilden den Schwerpunkt für die Beschreibung und Evaluation der vorliegenden Ergebnisse. Diese werden in den nachfolgenden Teilkapitel (vgl. Kp. IV.2.1–IV.2.5) zur Beantwortung der fünf Forschungsfragen aufgeführt. Zum besseren Verständnis ist jeweils zu Beginn eines Teilkapitels eine kurze Erklärung zur Ressource oder Stressor aufgeführt. Bei der Beschreibung der Resultate stehen Häufigkeitsangaben nicht im Zentrum, da es sich hier in erster Linie um eine qualitative Auswertung handelt. Je nach Frage können aber trotzdem Zahlen genannt werden, etwa bei der Angabe der Anzahl Personen, die jemand zu seinem engen sozialen Kreis zählt. Wenn es zur Aussagekraft eines Ergebnisses beiträgt, werden zudem Angaben gemacht, wie viele Personen sich zu einer bestimmten Kategorie (Stressoren bzw. Ressourcen) geäussert haben. Zum Beispiel soll durch die Angabe der relativen Häufigkeit der jeweiligen Stellungnahmen ein weiterer Unterschied zwischen Männern und Frauen einsichtig werden. Häufigkeitsangaben werden in Klammern beigefügt, meist in Form von Relationsangaben. Es ist aber anzumerken, dass diese Zahlen nicht einer standardisierten Datengrundlage entstammen. Mit Unterstützung dieser Angaben soll es möglich sein, das ungefähre relative Gewicht einer Ressourcenart und/oder deren Aspekte anderen gegenüberzustellen.
96
IV Ergebnisse
Aufgrund der qualitativen Auswertung mit dem computerunterstützten Inhaltsanalyseprogramm (MAXQDA) sind die einzelnen Ressourcen und Stressoren als Kategorien aufgeführt. Eine Kategorie kann als Thema gelten. Die Zitate sind aus dem Schweizerdeutschen ins Hochdeutsche übersetzt und wurden aber nicht in die indirekte Rede gesetzt, sondern absichtlich mit direktem Wortlaut wiedergegeben, da diese einen eigenen Wert besitzen und darum einen zentralen Teil der Ergebnisdarstellung bilden. Es wurden möglichst typische Antwortzitate ausgewählt. In den Zitaten selber sind Wortwiederholungen und die wenigen Tippfehler entfernt und stilistische Unkorrektheiten für die bessere Lesbarkeit geändert. Zudem wurden Hinweise auf das Berufsfeld oder nähere Personenangaben weggelassen (…), damit die Anonymität der Interviewteilnehmer/innen weiterhin sichergestellt bleibt. Im Kapitel IV.2.1–IV.2.3 werden ausschlaggebende Ressourcen beschrieben, welche aufgrund der Interviewantworten eruiert werden konnten. Drei grosse Ressourcendimensionen sind der Reihe nach aufgeführt. Es sind dies: innere Sinngebungen, Belohnungen und persönliche Strategien. Weitere Ressourcen und erlebte Stressfaktoren werden im Kapitel IV.2.4 bzw. IV.2.5 umfassend dargestellt. Die Ergebnisse aus dem Geschlechtervergleich sind im Anschluss unter der jeweiligen Fragestellung beschrieben. Die vollständige Darstellung des Kategoriensystems, die Beschreibung der Kategorien und die zugehörenden Ankerbeispiele finden sich im Anhang.
IV.2.1
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 1
IV.2.1.a Welche innere Sinngebung verfolgen die Führungskräfte?
Die Frage an die teilnehmenden Personen lautete: „Welche Lebenseinstellungen bzw. Lebensgrundsätze haben Sie?“ Im Überblick zeigen sich drei Hauptkategorien, in welche die Rückmeldungen eingeteilt werden können: Philosophische Grundsätze, humanistische/religiöse Grundsätze und Lebensprinzipien. Unter der Kategorie „humanistische/religiöse Grundsätze“ sind ethisch-moralische Ansichten vertreten, die etwas über die Haltung im Kontakt mit anderen Menschen aussagen wie zum Beispiel „ich versuche zu allen fair zu sein“. Unter den philosophischen Grundsätzen wurden Aussagen wie „carpe diem“, „im Jetzt leben“ usw. eingeordnet. Dabei handelt es sich um allgemeingültige Lebensansichten. Als Abgrenzung dazu sind die Lebensprinzipien festzuhalten, welche sich nicht so umfassend über das Leben äussern wie die philosophischen Grundsätze sondern sich stärker auf die Arbeit beziehen wie „zuerst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen“ und „ich suche immer die Herausforderung“ usw.
97
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
In den Stellungnahmen zeigt sich eine Antworthäufigkeit im Bereich der Philosophischen Grundsätze. An zweiter Stelle und dritter Stelle folgen die Lebensprinzipien und die humanistisch/religiösen Grundsätze, dabei wurden in diesen zwei Bereichen ähnlich viele Aussagen gezählt. Oft wurden mehrere Aussagen zur Frage der persönlichen Lebenseinstellung bzw. Lebensprinzipien in einem Interview gemacht. Im anschliessenden Teil werden zuerst die Ergebnisse zu den philosophischen Grundsätzen beschrieben, dann zu den humanistisch/religiösen und schliesslich zu den geäusserten Lebensprinzipien. Tabelle 11: Kategorien der Ressource „Innere Sinngebung“
I
Ressource
Kategorie (1. Ebene)
Kategorie (2. Ebene)
Innere Sinngebung
Philosophische Grundsätze
– persönliches Wachstum (Personal Growth) – Einflussnahme/Gestaltung – Bewusstheit der Endlichkeit – Verantwortung
Humanistische/religiöse Grundsätze
– – – –
Respekt und Toleranz humanistische/religiöse Werte Beitrag an die Gesellschaft Zusammensein mit anderen
Lebensprinzipien
– – – – –
Unabhängigkeit (Autonomie) sich einer Sache ganz widmen Pflichterfüllung/Disziplin Erfolg/Macht Spass haben
Kategorie: Innere Sinngebung, „philosophische Grundsätze“
Die Interviewpersonen nehmen zusammenfassend zu folgenden Subkategorien Stellung: Personal Growth, Einflussnahme/Gestaltung, Bewusstheit der Endlichkeit (im Jetzt leben/sich auf das Wesentliche besinnen) und Verantwortung. Die meisten Aussagen konnten der Subkategorie Personal Growth (persönliches Wachstum) untergeordnet werden. Diese umfasst das Bedürfnis, sich persönlich weiterzuentwickeln, Neues zu erfahren und lebenlanges Lernen: „So dieses Life-Long-Learning, das ist mir sehr, sehr wichtig.“ Eine weitere Person meint: „Es ist dieser Wunsch, der Wille der eigenen Entwicklung.“ Für diese Spitzenführungskraft ist es wichtig, dass es zu keinem Stillstand kommt und es im Leben immer weitergeht. Im Vordergrund steht nicht die geistige Entwicklung und nicht die berufliche Karriere: „Für mich ist zum Beispiel das permanente Weiterkommen, nicht karrieremässig, das permanente Weiterkommen im Sinne von Wissen aneignen, das ist für
98
IV Ergebnisse
mich nach wie vor ein sehr grosser Antriebsmotor. Ich denke, wer heute einfach stehen bleibt und nichts mehr macht, dann ist das ein Rückschritt.“ Oder: „Irgendwann zurückschauen und sagen zu können, ich bin nicht stehen geblieben, es ist immer weitergegangen.“ Eine weitere Stellungnahme dazu, dass Herausforderungen im Leben sehr wichtig sind: „Und von Kierkegaard gibt es eine grandiose Aussage, die umwerfend ist: Man muss das Leben an den Punkt treiben, wo es scheitern könnte, denn wenn es nicht scheitern kann, was bedeutet dann gelingen?“ Im Weiteren wird deutlich, dass für viele Personen ein Grundantrieb ist, Einfluss auf die Welt bzw. auf das Leben zu nehmen und einen Beitrag zur Verbesserung und Veränderung der Lebenswelt zu leisten. Im Gegensatz zur Subkategorie „Personal Growth“ handelt es sich hier nicht um die persönliche Entwicklung sondern um jene der Aussenwelt: „Ich habe Freude, wenn etwas entsteht. Wenn ich vier Jahre zurückschaue und ich weiss, dort ist einfach eine Wiese gewesen und da haben wir jetzt eine Fabrik gebaut und das sind jetzt so und so viele Arbeitsplätze, das hat eine ökonomische Wirkung…. Ich meine, das ist toll, wenn man sieht, wie sich das entwickelt, dann habe ich Freude. Und das Gestalterische, etwas bewirken und etwas gestalten und am Schluss ein Produkt sehen, an dem ich Freude habe.“ In weiteren Aussagen wurde die Endlichkeit des Lebens und das bewusste Leben angesprochen: „Ich meine, ich lebe nur einmal und dann mache ich mir doch das einzige Leben, was ich habe, so schön wie möglich. Und die Tage gehen schnell vorbei, man wird nicht jünger und eigentlich bringt jeder Tag wieder was Neues und Aufregendes und da freue ich mich drauf.“ Diese Tatsache nimmt Einfluss auf das Alltagsleben: „Irgendwo am Schluss von diesem Leben sagen zu können, doch, du hast es soweit vernünftig und fair gemacht. Und das ist eigentlich eine Zielsetzung, in welchem Bereich auch immer, also nicht nur im Beruf.“ Auf der Grundlage dieses Bewusstseins versuchen die Personen im „Jetzt zu leben“: „Vielleicht noch mehr im Jetzt leben, dass das Jetzt stimmt und nicht dann mal stimmen muss.“ Oder: „Ich probiere so gut wie es geht, im Augenblick zu leben. Wenn ich jetzt mit Ihnen dieses Interview mache und Ihnen diese Antworten gebe und 20, 30, 40, 50, 60 oder 70%, ich weiss nicht, wie viel mich da noch belastet, gleichzeitig noch an etwas anderes denke, wie viel rede ich dann mit Ihnen? 20, 30%. Also, das heisst, meine Fragen oder meine Antworten sind nicht soviel wert. Sie haben sich diese Zeit für nichts genommen und Sie machen diese Arbeit, dann kann die Qualität ja nicht so hoch sein. Und es ist egal, was ich mache, ob ich ein Interview gebe, ob ich mit einem Mitarbeiter rede, ob ich eine Strategie ausarbeite, ob ich eine Vision von einem Unternehmen anpeile, ob ich eine Kultur ausarbeite, das ist völlig egal. Ich probiere voll bei dem dabei zu sein, und zwar zu 100%, wo ich bin, als gäbe es nachher nichts mehr, keine Welt, einfach ewige Ferien oder was auch immer. Und ich glaube, das ist der Trick vom Ganzen. Und ich glaube, dann ist man viel leistungsfähiger und auch belastungsfähiger.“
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Die interviewten Personen versuchen zudem über den Dingen zu stehen: „Ein Ziel, über den Dingen und nicht in den Dingen stehen“. Zudem nehmen sie sich vor, immer wieder aufs Grundsätzliche zurückzukommen und sich nicht im Unwesentlichen zu verlieren: „Und ich finde, dass wir immer wieder mal auf diese Grundsätze zurückkommen müssen. Ich habe Mühe mit so einer Tagespolitik, ich habe Mühe mit dem den Trends Nachrennen. Und ich sage auch meinen Leuten immer wieder, überlegt euch mal, was ist denn der Grundsatz, was ist denn die Ursache überhaupt, also, warum haben wir das so geregelt. Und dann muss man wie nochmals zurückgehen und sich nochmals überlegen, was ist es denn gewesen und warum soll das alles plötzlich nicht mehr gelten. Also, das finde ich sehr spannend und dies in die… hineinzutragen, das finde ich wichtig. Also, wir sind so von der Tagesaktualität getrieben und dem möchte ich gerne etwas entgegenhalten in der Organisation von unserem Zusammenleben. Und das ist, glaube ich, das, was mich so in diesem Geschäft hält.“ Oder: „Was ist die Grundidee? Und das prägt natürlich auch meine liberale Haltung, die ich habe. Man kann nicht Gesetze [erfinden], und immer wieder ein neues darauf bauen, sondern irgendwann musst du doch auch wieder zurück und sagen, was ist denn eigentlich der Grundsatz und braucht es denn etwas mehr oder würde es denn nicht reichen, wenn wir in diesem Grundsatz leben oder uns in diesem Grundsatz organisieren.“ Selbstverantwortung bzw. Verantwortung für sein Leben und das der anderen zu übernehmen, bildet eine weitere Subkategorie aus den Stellungnahmen: „Eines von den Leitprinzipien ist, dass man, solange man lebt, enorm dankbar sein, dass man lebt. Und ich glaube, eine der grössten Verantwortungen, die man hat, ist sein eigenes Leben lebenswert zu machen.“ Und die Verantwortung gegenüber anderen: „Der zweite Aspekt ist, man hat, ob man Hausbesitzer ist oder ob man irgendwo eine Verantwortung hat oder ob man irgendwo eine Rolle spielt, immer nur eine temporäre Rolle. Es wird Nachfolger geben und man bereitet sich besser darauf vor und übrigens auch die Organisation darauf vor.“ Diese Personen sind der Meinung, dass man das Leben selber gestalten kann und soll, auch in der Überzeugung, dass man dem Leben und dem Lebensschicksal nicht einfach ausgeliefert ist: „Ein Stück weit, ist das Leben da, um etwas daraus zu machen. Und etwas daraus zu machen heisst, man muss seinen eigenen Beitrag leisten und nicht warten, bis einem etwas auf dem Tablett serviert wird, sondern eher als Aufgabe, als Aufforderung, sich selbst hineinzugeben.“ Kategorie: Innere Sinngebung „humanistische/religiöse Grundsätze“
In den humanistischen/religiösen Antworten wurden zahlreiche Grundsätze über das Zusammenleben mit anderen Menschen und soziale Motive zum Ausdruck gebracht. Folgende Hauptthemen wurden in den Interviewantworten thematisiert:
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IV Ergebnisse
Schätzen von Andersartigkeit im Sinne von Toleranz und Respekt dem Leben gegenüber, Humanistische und religiöse Grundwerte wie Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Optimismus, und Vertrauen, Beitrag an der Gesellschaft, das Zusammensein mit Menschen und der Kontakt zu Familie und Freundeskreis. Am häufigsten wurde dabei der Grundsatz von Respekt und Toleranz gegenüber Andersartigkeit der Menschen angesprochen: „Ich bin der Überzeugung, jeder Mensch ist es wert, dass er ernst genommen wird. Wertschätzung, echte Wertschätzung dem Menschen ist wichtig und nicht der Person gegenüber wegen dem Status, wegen dem Job, den er hat oder wegen dem Geld, sondern wirklich dem Menschen gegenüber…. Ich weiss, das tönt kitschig, vor allem in der Geschäftswelt. Und trotzdem, es ist das.“ Oder: „In jedem Leben findest du Sachen, die dir absolut Respekt abverlangen.“ Und grundsätzlich: „Der Respekt, der Respekt vor der Persönlichkeit. Für mich ist der Respekt etwas wahnsinnig Wichtiges.“ Dabei wurde diese respektvolle Haltung auch in Bezug zur Unternehmungskultur deutlich gemacht. In wenigen Interviewantworten wird zudem der Respekt zur eigenen Person angesprochen, im Sinne von „sich selbst bleiben“: „…als Motor, als Motor für alle Aufgaben, die man macht, die Welt ernst nehmen und sich selbst ernst nehmen, die Mitarbeiter ernst nehmen, die Umwelt, mit der man zu tun hat, ernst nehmen.“ Weitere Antworten umfassen die grundsätzliche Haltung gegenüber anderen. Dabei wird ab und zu das positive Menschenbild deutlich: „Ich habe eine ganz bestimmte Art, die ich halt aus der Theologie noch weiss. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass man grundsätzlich jedem gegenüber einen guten Willen zutraut. Man erlebt natürlich Enttäuschungen, das ist klar, aber ich behaupte, man erlebt weniger Enttäuschungen, als wenn man es umgekehrt macht.“ Weitere humanistische/religiöse Grundhaltungen und Werte werden genannt: „Und ich bin ein Mensch, den diese Situation nicht kalt lässt, wie die Menschen miteinander umgehen. Weil für mich ist das das A und das O. Und in dem Ganzen drin habe ich die Grundhaltung, dass ich den Leuten nicht primär sagen muss, du musst anders sein, sondern das, was mir wichtig ist, versuchen täglich selbst zu leben. Und dann warten, bis die einen anfangen darauf einzusteigen, halt auch akzeptieren, wenn es Menschen gibt, die gar nicht darauf einsteigen wollen.“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Ich habe ein extremes Gerechtigkeitsbewusstsein. Ich glaube das, was mich antreibt, sind die Werte, was ich manchmal vielleicht fast ein bisschen extrem habe. Ich habe sehr klare Vorstellungen was recht ist und was nicht recht ist. Ich kann es nicht haben, wenn jemand nicht ehrlich ist. Also, diese Grundwerte sind mir extrem wichtig.“ In weiteren Rückmeldungen wird der Beitrag an der Gesellschaft bzw. das soziale Motiv thematisiert: „Das ist das, was ich eingangs gesagt habe, also, mit Leuten zu tun zu haben, mit verschiedensten Arten von Leuten. Ich habe zum Teil auch in der Psychiatrie oder mit Behinderten gearbeitet oder mit schwer dissozialen Ju-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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gendlichen. Das ist natürlich schon spannend und das habe ich auch wirklich gerne gemacht. Also, so diese anderen Welten und Einstellungen kennen zu lernen. Auch von Leuten, die sich schlecht wehren können. Und das ist sicher auch eine Triebfeder meines Handelns, der Schutz von Leuten, die sich selber nicht so wehren können.“ Dazu eine weitere Stellungnahme: „Ich habe Freude gehabt, mit den Patienten zu sein, ich habe Freude gehabt zu zuhören, ich habe Freude gehabt zu verstehen, ich habe Freude gehabt verstehen zu helfen, zu begleiten und aber auch zu intervenieren.“ In diesem Beispiel wird der Sinn der Arbeit auf den Punkt gebracht: „Sinn ist immer dann, wenn es der Gemeinschaft schlechter ginge, wenn diese Arbeit nicht gemacht würde. Das ist für mich ein bisschen der Sinn.“ Der gesellschaftliche Beitrag steht bei bestimmten Tätigkeiten im Mittelpunkt: „Ich habe jetzt das Gefühl, das ist etwas Nützliches für die Gesellschaft, was ich jetzt mach. Bildung, da finde ich eigentlich, da kann man gut dahinterstehen. Bildung für junge Menschen und denen das zu ermöglichen, dass sie wirklich gute Chancen haben…. Es ist für das Wohlergehen der Gesellschaft nützlich.“ Eine weitere Subkategorie bildet der Kontakt und das Zusammensein mit anderen Menschen sowie das Zusammensein mit Freunden und Familie: „Ja, für mich ist das Zusammensein und der Austausch zwischen den Mensche sehr wichtig. Das ist für mich etwas absolut Zentrales“. Eine weitere Aussage dazu: „Was am Schluss zählt, sind die Organismen, wo wir drin sind. Das ist vielleicht auch ein Lebensbild oder ein Lebensprinzip, das einem enorm hilft zur Stressbewältigung oder eine Stressprophylaxe ist…. Wir sind wie eine Zelle eines menschlichen Organs oder ein Organ im menschlichen Organismus. Man ist Teil von etwas.“ Kategorie: Innere Sinngebung „Lebensprinzipien“
Die meisten Aussagen können wiederum drei Subkategorien zugeordnet werden. Das häufigste Lebensprinzip ist Eigenständigkeit (Autonomie) zu erhalten. Als zweites zahlreich angesprochenes Lebensprinzipien gilt „sich einer Sache ganz widmen“ und als drittes der Lebensgrundsatz der Pflichterfüllung und Disziplin. Weitere Lebensprinzipien betreffen den Humor bzw. „Spaß haben“ und „Macht und Erfolg anstreben“. In den folgenden Zitaten wird die Autonomie im Sinne von Selbstbestimmung besonders deutlich hervorgehoben. Einerseits wird dabei die finanzielle Unabhängigkeit betont: „…was ich immer gewollt habe, ist gut zu verdienen, dass ich diese Unabhängigkeit etablieren kann.“ Andererseits geht es darum die Individualität leben zu können, selber zu bestimmen bzw. sein eigener Chef zu sein und sich nicht nach anderen richten zu müssen: „Das habe ich mir nie vorstellen können, dass ich unter einem Chef arbeiten müsste. Und in diesem Sinne geht man ja weiter. Aber die-
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IV Ergebnisse
se Motivation, dass ich einfach auch Autonomie haben will, das ist eigentlich schon immer gewesen.“ „Eine Sache ganz oder gar nicht machen“ umfasst ein weiteres Lebensprinzip: „Irgendwo ist es vermutlich schon eine Idee von: Wenn man etwas macht, dann kann man es gerade recht machen, sonst kann man es auch bleiben lassen.“ Dazu passt auch die folgende Aussage: „Es ist kein Spiel, und da kommt manchmal auch der Vorwurf, du nimmst alles so ernst. Aber das ist als Motor vielleicht auch einer der Momente, was du machst, das machst du richtig.“ Oder: „Da hat sich nicht viel verändert. Ich würde sagen, das ist etwas, was ich immer probiert habe zu machen und etwas vom ersten gewesen, was ich gemacht habe, so im Sinne von Vollblutindianer, wenn ich etwas mache, das habe ich mir auch geschworen, dann ist es 100% ja und sonst ist es ein Nein. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es ganz oder sonst gar nicht.“ Mehrfach wird erwähnt, dass Pflichterfüllung und Disziplin wichtige Lebensmaximen sind, die von den Eltern anerzogen wurden: „Was ich mitgebracht habe von der Erziehung ist die Disziplin und halt eben heute erledigen, was man heute machen kann und nicht auf morgen verschieben.“ Eine Subkategorie umfasst das Lebensprinzip „Spass und Freude an dem zu haben, was man macht“: „Es muss grundsätzlich Spass machen.“ Zudem scheint „Lachen können“, auch über sich selber, ein wesentlicher Begleitfaktor im Leben und bei der Arbeit zu sein: „Das ist einfach, dass man auch zusammen lachen kann, dass man nicht einfach nur stur auf seinen Kennzahlen ist und auch noch sieht, um uns herum geht auch noch etwas.“ Es wird deutlich, dass „Macht und Erfolg haben“ als Lebensprinzip nur in einzelnen Aussagen angesprochen wird: „Und immer auch die Freude am Erfolg, der Ehrgeiz, glaube ich. So einen relativ ausgeprägten Ehrgeiz. Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für die Sache. Alles so gut wie möglich zu machen. Möglichst der Beste sein.“ Eine weitere Stellungnahme zeigt, dass dieser Erfolg von anderen erkannt werden soll: „Meine Arbeit soll sehr gut sein, mein Ruf soll für Qualität und Mut stehen und einfach das, was ich bin und das bin ich schon seit Jahren und das ist mein Sinn.“ IV.2.1.b Unterscheiden sich Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Lebensgrundsätze bzw. Lebensprinzipien? Kategorie: Innere Sinngebung „philosophische Grundsätze“
Männer (87%) nehmen besonders häufig Bezug auf die Lebensendlichkeit und „im Jetzt leben“. Mehrmals wird die eigene temporäre Rolle im Leben angesprochen und der Versuch, über den Dingen zu stehen: „Ja, auf jeden Fall. Also, es ist ja so, dass es nicht auf den Beruf ankommt, sonst würden ja alle in den Beruf gehen, wo
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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man findet, das ist am meisten, das ist mir am gesündesten oder so, es ist eben nicht berufspezifisch, sondern es hat sehr stark mit der Person zu tun, ob diese jetzt einfach gerade in dieses Umfeld passt und was sie dort rausnehmen kann. Und das ist letztlich überall möglich.“ Eine andere männliche Führungskraft meint: „Also, es ist viel, viel schwieriger das Einfache zu erkennen als das Komplexe. Das ist viel, viel schwieriger. Und von dort her, sind das die Kernfragen. Aber das hat mit meinem Job letztlich nicht viel zu tun. Es ist jetzt einfach so, dass dieser Job für den Weg, den ich gehen will, offenbar geeignet ist. Aber an sich, ist das nicht jobspezifisch.“ Unter den lebensphilosophischen Grundsätzen sind für die Frauen (75%), ebenso wie für die Männer vor allem folgende Begriffe wichtig: Lebenslanges Lernen, persönliches Wachstum, Eigenverantwortung übernehmen, Endlichkeit des Lebens und im Jetzt leben. Nur Frauen äusserten den Lebengrundsatz, die Welt verbessern zu wollen: „Ich denke, die Welt verändern, die Welt verbessern, das ist eigentlich primär eine Eigenaufgabe von sich selbst.“ Zahlreicher wurde die Sinnhaftigkeit der Arbeit und deren Nützlichkeit angesprochen. Dazu eine weibliche Führungskraft: „Also, die Sinnhaftigkeit, die ist sehr im Zentrum.“ Kategorie: Innere Sinngebung „humanistische/religiöse Grundsätze“
42% der Männer haben Antworten gegeben, welche als humanistische/religiöse Grundsätze gelten können. Im Gegensatz zu den Frauen wurden in den Aussagen Begriffe wie „guten Willen zutrauen“, „positives Menschenbild“, „Glaube an das Gute“ genannt: „Ja, zuerst mal den Leuten positiv zutrauen und dann bis zum Beweis des Gegenteils mal sagen….“ Dabei wird „sich selbst bleiben“ als weiterer Grundsatz erwähnt: „Sich selbst bleiben. Das ist ganz wichtig, ja.“ Genauso wie bei den weiblichen Interviewpartnern werden der Respekt und die Toleranz gegenüber anderen als zentraler Aspekt betont. Ungefähr gleich viele Äusserungen der Frauen (44%) können als humanistische/religiöse Grundsätze bezeichnet werden. Im Unterschied zu den „männlichen“ Antworten sind Begriffe wie „Zusammensein“ und „gemeinsam etwas erreichen“ auffällig oft vorhanden, welche bei den Männern in diesem Kontext nicht geäussert wurden: „Das Schönste ist es, mit den Menschen zusammen etwas Sinnvolles zu machen. Und Sinn ist, wenn es zum positiven Nutzen von Menschen ist.“ Kategorie: Innere Sinngebung „Lebensprinzipien“
33% der Männer nehmen Stellung zu Lebensprinzipien. Zahlreich genannt wird „Spass und Freude an der Sache haben“. Darunter wird verstanden, dass man auch mal „über sich lachen kann“, „alles nicht so ernst nehmen soll“, im Sinne von
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IV Ergebnisse
Selbstreflexion und einer gesunden Distanz zu sich selber: „Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man haben muss. Gut, ich meine jetzt, dass ich diese habe, das ist vielleicht auch ein bisschen eine Überschätzung, über sich selber ein bisschen nachdenken können und mal ein bisschen lachen zu können. Es gibt sehr viele Leute, die das nicht können. Man muss einfach eine gewisse Distanz zu sich haben und sagen können, ja, das ist lächerlich, wie habe ich mich aufgeregt oder benommen.“ Als relevanter Antrieb wird „Mitgestalten“, „etwas vorantreiben“ und „neue Herausforderungen annehmen“ genannt. Dabei möchte man auch etwas erreichen. Im Gegensatz dazu nehmen 56% der befragten Frauen zu Lebensprinzipien Stellung. Auch sie äussern sich dahingehend, dass „etwas vorantreiben“ und „mitgestalten“ sehr wichtig sei. Zusätzlich wird der Aspekt „Spass und Freude an der Sache haben“ wie auch bei den Männern als wichtiger Grundsatz genannt. Mehrere Antworten sind dahingehend zu verstehen, dass die Tugend „Pflichtbewusstsein“ als Lebensgrundsatz verfolgt wird: „Ich habe ein äusserst hohes Pflichtgefühl. Es sollte immer sehr gut gemacht werden und das befriedigt dann auch.“ Überblickt man die Antworten zur Frage „Welche Lebenseinstellungen bzw. Lebensgrundsätze haben Sie?“, zeigt sich, dass zahlreiche fundamentale Überlegungen formuliert und differenzierte Aussagen gemacht wurden. Offensichtlich wird, dass sich die interviewten Personen zum Teil sehr stark mit lebensweltlichen Aspekten auseinandersetzen. Trotz den vielen Antworten konnten einheitliche Kategorien gebildet werden, die etwas über die Relevanz der angesprochenen Aspekte aussagen. Daraus folgt, dass lebensphilosophische Aspekte wie das persönliche Wachstum (Personal Growth) im Sinne von „eigener Entwicklung“, „neue Erfahrungen machen“ und „lebenlangem Lernen“ einerseits und die Einflussnahme (Gestaltung der Lebenswelt) für das Individuum andererseits wichtige persönliche Grundanliegen sind. Als Lebensprinzip spielt die Selbstbestimmung (Autonomie) eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich bei dieser Autonomie nicht nur um die finanzielle Unabhängigkeit sondern um die persönliche Freiheit bzw. sein eigener Chef zu sein. Zudem offenbaren die Antworten, dass humanistische/religiöse Grundwerte eine bedeutende Rolle spielen, sei es in der Freizeit oder an der Arbeit. Insbesondere stehen das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen und das Zusammensein mit der Familie für die Spitzenführungskräfte im Vordergrund. Die Motive sind also keineswegs nur eigennützig, der Gesellschaft wird grosse Bedeutung beigemessen. Im Ressourcenbereich innere Sinngebung äussern sich 87% der Männer zu lebensphilosophischen Grundsätze im Gegensatz zu 75% der Frauen. Zu allgemeinen Lebensprinzipien nehmen mehr Frauen (56%) als Männer (35%) Stellung. Dabei betonen Frauen viel häufiger „das Zusammensein“, „gemeinsam etwas erreichen wollen“ und „die Welt verbessern“ als Grundsatz. Auch der Begriff „Pflichtbewusst-
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IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
sein“ fiel mehrmals. Für die männlichen Interviewteilnehmer hingegen sind Grundsätze wie „ein positives Menschenbild besitzen“, „guten Willen zutrauen“ und „Glaube an das Gute“ zentral. Zudem wird in mehreren Aussagen die Lebensendlichkeit angesprochen etwa im Willen „im Jetzt leben zu wollen“. IV.2.2
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 2
IV.2.2.a Welches sind die ausschlaggebenden Belohnungsfaktoren?
Es wurden Belohnungsaspekte eruiert, welche die Interviewpersonen auf die Frage „Was ist ihnen als Gegengewicht zum Stress, zur Arbeitsbelastung von besonderem Nutzen?“ formulierten. Es gilt zu präzisieren, dass hier nicht das Ziel der Studie war, zu erheben, ob und wie sich die Teilnehmenden selber belohnen, sondern welche Aspekte aus ihrer Sicht als Belohnung zur Arbeitbelastung wahrgenommen werden. Die Interviewantworten werden in zwei Hauptkategorien aufgeführt: materielle und ideelle Belohnungsarten. Meist zählte eine Person mehrere Belohnungsaspekte auf. Im Verhältnis erhielten die ideellen Belohnungen viel mehr Gewicht als die materielle Belohnung. Nachfolgend werden Ergebnisse zum Aspekt der materiellen Belohnung aufgeführt und anschliessend die in Unterkategorien zusammengefassten Antworten zur ideellen Belohnung beschrieben. Tabelle 12: Kategorien der Ressource Belohnung
II
Ressource
Kategorie
Belohnung : Materielle Belohnung
– Einkommen
Ideelle Belohnung
– – – – – – –
Anerkennung (Erfolg) Macht (Einflussnahme) Unabhängigkeit (Autonomie) Vielseitigkeit (interessante Arbeit) Befriedigung (Freude) Herausforderung (Lernzuwachs) Arbeitsklima (Wertschätzung)
Kategorie: Materielle Belohnung „Einkommen“
Unter materieller Belohnung wurden Antworten mit den Stichworten „Einkommen“, „privilegiertes Leben führen“, „sich Gutes tun“, zusammengefasst. Zur Entlöhnung wurde eine Zusatzfrage gestellt: „Welchen Stellenwert nimmt der Lohn für
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IV Ergebnisse
sie ein? Welche Auswirkungen hat dieser für sie? Hier zeigt sich, dass das Einkommen einen sehr unterschiedlichen Stellenwert im Leben dieser Personen einnimmt. Etwa bei einem Drittel der Spitzenführungskräfte hat der Lohn eine große Bedeutung, ein Drittel sagt, dass der Lohn eine Bedeutung besitzt und bei einem weiteren Drittel wird dem Lohn keine Bedeutung beigemessen. Durch die Antworten wird zusätzlich deutlich, dass das Einkommen zwar nicht eine prioritäre Stellung einnimmt, aber angemessen zur Arbeitstätigkeit sein sollte: „… aber ich muss sagen, der Lohn muss doch in einer gewissen Relation stehen zur Belastung, die man hat.“ Eine weitere Aussage dazu: „Und darum ist es für mich einfach wichtig, dass ich das Gefühl habe, es ist eine anständige Belohnung für die Leistung, die ich erbringe, dass man einen entsprechenden Lohn bezahlt kriegt.“ Vereinzelt wurde nicht direkt das Einkommen als Belohnung genannt, sondern dessen indirekte positive Auswirkungen. Einerseits vermag man dadurch ein privilegiertes Leben zu führen, man kann sich etwas leisten: „Ich habe jetzt mein erstes Luxusprojekt, das ist ein Haus. Und das wird tatsächlich teuer. Aber es ist das erste Mal im Leben, wo ich das Gefühl habe, das ist jetzt wirklich Luxus. Also, das ist der eine Belohnungsaspekt.“ Andererseits wird dadurch die finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht: „Also, was sicher auch ein gewisser Anreiz ist, ist die materielle Unabhängigkeit, die ist sicher auch, wenn man die Belohnung anschaut. Aber jetzt nicht im Sinn von Geld per se, sondern einfach vom Wissen her, materiell unabhängig zu sein, das ist toll, muss ich schon sagen, das ist gut.“ Es geht nicht nur um die eigene finanzielle Unabhängigkeit, sondern darum, mindestens der nächsten Generation eine materielle Sicherheit zu schaffen: „Mit ist es immer wichtig gewesen, Wohlstand schaffen zu können und absolute Unabhängigkeit und möglichst auch noch für Folggenerationen.“ Offensichtlich wird zudem, dass der Stellenwert des Lohnes im Laufe des Berufslebens an Bedeutung verlieren kann: „Ich muss so sagen, er hat vielleicht ein bisschen abgenommen über diese Jahre. Mir ist immer wichtig gewesen, Wohlstand schaffen zu können und absolute Unabhängigkeit und möglichst auch noch für die Folgegenerationen.“ Ideelle Belohnungen werden sehr unterschiedlich erfahren. Die angesprochenen Belohnungsaspekte aus den Interviews umfassen sieben Unterkategorien. Kategoriee: Ideelle Belohnung „Anerkennung (Erfolg)“
Anerkennung im Sinn von „Sozialprestige erhalten“, „Recht bekommen“, „Anerkennung durch Zielerreichung und Leistung“ und der Erfolg selber ist die meistgenannte ideelle Belohnung. Insbesondere „Erfolg haben“ ist der am häufigsten genannte Belohnungsaspekt.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Im Zentrum steht nicht nur die eigene Person sondern auch der Erfolg mit einem Team oder einer Arbeitsgruppe: „Ich glaube schon, das Wichtigste ist der Erfolg und das Gefühl zu haben, ja, man hat etwas bewegt, man entwickelt sich mit einer Equipe.“ Ausserdem wird Erfolg nicht nur per se relevant. Durch den Erfolg kann man sich etablieren und sich bewähren: „Es wäre sicher sehr, sehr schwierig, wenn man in so einer Position wäre und einfach keine Resultate hätte. Man macht das schon fünf Jahre und man kommt nirgendwo hin. Ich weiss nicht, wie man da überlebt, wie man das macht. Da würde ich jetzt nicht tauschen wollen.“ Es geht auch um den Erfolg für das Unternehmen und die Institution: „Sicher ist Erfolg ein Faktor, wenn man ein Projekt gut zu Ende bringt, wenn man einen Preis für gute Lehre bekommt, wenn das Institut plötzlich besser dasteht.“ Anerkennung als Belohnung muss nicht direkt aus dem Arbeitsfeld erfahren werden, sondern kann auch von externen Personen etwa aus der Familie erfolgen: „Anerkennung ist eine Belohnung. Diese Anerkennung kommt bei mir aber sehr aus dem familiären Umfeld, Stichwort Grosskinder.“ Oder: „Sicher ist Anerkennung eine Belohnung. Ich habe viel ausserhalb zu tun durch Vorträge. Es ist natürlich schön, wenn die Leute sagen, hey, das war aber sehr interessant, spannend und können wir das mal haben oder können Sie bei uns auch mal vortragen, was auch immer.“ Ein weiteres Beispiel dazu: „…wenn Leute überraschend etwas zu einem sagen, …, das finde ich manchmal positiver, Personen, die gar nicht zur Organisation gehören, dass man irgendwie merkt, man hat sich Leuten verständlich gemacht, wo man eigentlich nicht damit hat rechnen können.“ Im Allgemeinen wird Anerkennung oft indirekt als Lob widerfahren, zum Beispiel im Sinne von Recht bekommen: „Und dann geben einem auch noch viele recht. Dann hat man noch das Gefühl, man habe recht (lacht).“ Weiter wurde aufgenommen, dass erfahrene indirekte Anerkennung einen ähnlich grossen Stellenwert einnimmt. Führungspersonen müssen zum Teil auf diese indirekte Anerkennung zurückgreifen, da sie meist keinen Vorgesetzten besitzen (vgl. Kp. IV.2.5, Stressoren), der ihnen gegenüber diese direkte Anerkennung ausspricht, wie das folgende Zitat verdeutlicht: „Viele Leute empfinden einen als in einer hierarchisch über ihnen angesiedelten Position, also sind sie daran gehindert, Ihnen bestimmte Anerkennung zu geben, deshalb ist manchmal wichtiger, was die Leute so nebenbei zu einem sagen.“ Zudem finden sich in den Aussagen Hinweise, dass Anerkennung wiederum eine motivierende Wirkung auf die arbeitstätige Person besitzt: „Dann bin ich auch nicht ganz gegenüber diesen Anerkennungsäusserungen abgeneigt, das habe ich natürlich manchmal, wenn es gut läuft, das ist dann eine weitere Motivation, so genannte Streicheleinheiten, sei es von wem auch immer.“
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IV Ergebnisse
Kategorie: Ideelle Belohnung „Macht (Einflussnahme)“
Die zweithäufigste ideelle Belohnungsart ist die Belohnungskategorie Macht (Einflussnahme). Unter Einflussnahme wird hier auch die Weiterentwicklung verstanden (vgl. Kp. IV.2.1, Innere Sinngebung), in dem man „etwas bewegen, etwas verändern oder neu schaffen kann “ sei es in der Firma, in der Institution oder beim Produkt: „…weil ich immer das Gefühl habe, ich kann hier das machen, was ich gerne mache, und die Ideen, die ich habe, egal ob sie verrückt sind, umsetzen kann.“ Die Belohnung kann auch dahingehend verstanden werden, dass man etwas Bestehendes schafft, etwas gestaltet, was längerfristig sinnstiftenden Wert besitzt: „Also, diese Art von Belohnung, dass man einfach im Rampenlicht steht und dauernd applaudiert wird, das ist gefährlich. Dann gibt es die andere Art von Belohnung, wo man merkt, man hat etwas erreicht, man hat etwas gestalten können, etwas Längerfristiges, das hält, das sinnstiftend ist. Das braucht man schon, das ist dann ein wichtiges Feedback.“ Oder: „Also, das Gestalterische, das ich erwähnt habe, das ist ganz wichtig. Mit dem natürlich auch ein Glaube daran, dass das, was man macht, sinnvoll ist, dass es sinnschöpfend ist, dass es gut ist. Dass es gut ist für die Firma, dass es gut ist für die Mitarbeiter, die hier arbeiten, im Allgemeinen gut.“ In einigen Äusserungen kommen Macht und Einflussnahme als belohnendes Element zum Ausdruck, die im direkten Zusammenhang mit der Weiterentwicklung stehen. Sie beziehen sich darauf, dass man wichtige Sachen selber festlegen und Einfluss auf Prozesse und Personen ausüben kann: „…auch ein wesentlicher Teil ist Macht und Einfluss, ich denke, ich kann relativ viel sagen und ich kann viel bestimmen, oder ich kann etwas in die Wege leiten oder ich kann etwas einfach nicht in die Wege leiten oder ich kann etwas auf die lange Bank schieben. Also, die Einflussmöglichkeit ist relativ hoch, das ist schon eine Belohnung.“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Ich habe einfach immer Einfluss haben wollen, etwas zu sagen haben. Und ich bin auch bereit gewesen, dafür zu arbeiten.“ In den Aussagen zur Einflussnahme werden die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten angesprochen: „Organisieren, etwas zu bewegen, zu gestalten, das ist natürlich bei einem Posten, wie ich ihn habe, etwas sehr Gutes.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Unabhängigkeit (Autonomie)“
Unabhängigkeit (Autonomie) als Belohnung bezieht sich grundsätzlich darauf, dass autonom Entscheidungen getroffen werden können und viele Freiheitsgrade in der Arbeitstätigkeit vorhanden sind: „Und die ganze Autonomie, die du hast auf diesem Niveau hast, und natürlich je höher du kommst, je grösser ist diese.“ Oder: „Ja, für mich ist diese Unabhängigkeit (ein Belohnungsaspekt) und sagen können, ich mache jetzt das und nicht das.“ Dieser Belohnungsaspekt wurde von verschiedenen Personen
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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geäussert, gehört aber aufgrund der Anzahl Interviewantworten nicht zu den zwei wichtigsten Belohnungsarten. In den Aussagen werden unterschiedliche Freiheitsgrade angesprochen wie zum Beispiel den Berufsalltag selber zu gestalten, die Art der Tätigkeit zu bestimmen, Arbeitsplatz und Mitarbeiter zu wählen: „Ich habe aber gute Freiheitsgrade, mir meinen Berufsalltag gestalten zu können. Und das ist ja ein seltenes Privileg. Da zieht man natürlich auch viel Motivation heraus.“ Eine ähnliche Aussage dazu lautet: „Die Freiheit, die in der Wissenschaft in Kooperation mit der Wirtschaft in den Publikationstätigkeiten, in den journalistischen Tätigkeiten, in der Forschung natürlich vor allem, die ich mache, drinnen liegt, diese Freiheit ist viel mehr Wert als das Geld.“ Die autonome Einteilung der Arbeit führt zu einer Stressreduktion und kann somit als Ressource gelten, wie diese Aussage verdeutlicht: „Ich habe sicher weniger Stress wie wenn ich vergleiche mit Kollegen, die jetzt auf einem tieferen Niveau sind, weil ich einfach mehr Autonomie habe, weil ich natürlich einen gewissen Rhythmus geben kann, der eine gewisse Struktur in die Tage und in die Wochen bringen kann.“ Ebenfalls wurde geäussert, dass bereits schon das Wissen, Freiheiten und Optionen zu besitzen, eine Belohnung darstellt: „Dass man sich nie in die Ecke gestellt fühlt, also, in der Ecke bedrängt von allen Seiten, quasi. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, ein Mitarbeiter, der 20 Jahre lang in der Fabrik arbeitet und vor der Werkzeugmaschine gestanden ist und plötzlich heisst es, sein Job wandert weg. Sein Handlungsportfolio ist extrem beschränkt und es ist völlig überraschend, dass das passiert und er hat sich das Einfamilienhäuschen hoch verschuldet, sprich, er hat keine Optionen. Und das macht das Leben sehr schwierig, wenn man keine Optionen hat. Wenn irgendwas passiert in der Umwelt und man kann nicht darauf reagieren, man ist eingeschränkt. Und das habe ich mir von Anfang an gesagt, das wird mir nicht passieren. Ich muss so leben können, dass ich immer Optionen habe. Dann kann ich mich selbst sein und muss mich nicht verkleiden, ich muss mich nicht verstellen. Und wenn es irgendwo aus irgendwelchen Gründen nicht mehr passt, dann ziehe ich die Konsequenzen und wende mich anderen Optionen zu. Punkt.“ Eine weitere Aussage dazu: „Das könnte ich mir vorstellen, das ist ein grosser Unterschied, wenn ich laufend in einer Situation bin, wo ich mit Leuten zu tun habe, die ich mir nicht aussuchen kann, wo ich der Ausgesuchte bin, das Opfer bin. Das ist sicher eine andere Situation. Also, die engste Umgebung, das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die man selbst aussucht, die aus einer mitgeprägten Umgebung kommen. Und das hilft schon sehr viel.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Vielseitigkeit (interessante Arbeit)“
Dieser Belohnungsaspekt wurde meist im Zusammenhang mit anderen Belohnungsarten genannt. Die spannende Tätigkeit, die interessante Arbeit und die Vielseitigkeit in der Berufsrolle wir als Belohnung gewertet: „In meinen Job ist es mir nie langweilig. Das ist ein grosses Geschenk, das man hat. Der Tag vergeht wie im Flug.
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IV Ergebnisse
Man kann Sachen machen, die man gerne macht.“ Oder: „Es ist einfach viel arbeiten, aber im Arbeiten drin, da hat es einfach sehr viel Spannendes. Und das ist letztlich auch eine Belohnung…. Wir haben hier drinnen spannende Sitzungen, wo ich immer denke, das ist interessant, diese zu leiten. Das mache ich einfach gerne.“ Die Vielseitigkeit ergibt sich aus unterschiedlichen beruflichen Aspekten wie die immer andere Tagesgestaltung, die Arbeit an verschiedenen Projekten und Produkten und der Kontakt mit unterschiedlichen Menschen und Kulturen: „Die Kontakte mit all den verschiedensten Funktionen, Behörden intern, extern. Das ganze Fädenziehen, Drahtziehen permanent, das Koordinieren, das Moderieren, das Organisieren. Ich habe…, fast keine Routineaktivitäten.“ Oder: „Die Vielseitigkeit. Das Switchen zwischen den Themen und zwischen den Ansprechpartnern. Das ist in der Politik extrem. Und das spricht mich völlig an, das finde ich total gut. Also, es ist ein Führen, es ist das Organisieren, es ist sehr viel Kommunikation, es ist ein bisschen Fight. Es sind verschieden Ansprechpartner, vom Ausland über die nationale Exekutive, über die Parlamente bis zu den Gemeinden und den Bürgern. Das ist total spannend.“ Auch wenn man schon länger den Beruf ausübt, wird die Arbeit nicht weniger spannend: „Sie beginnen zu merken, wie Sachen funktionieren, es gibt einen merkwürdigen Effekt. Ich bin immer vom Aberglauben ausgegangen, je länger man mit einer Organisation vertraut ist, desto weniger [interessant] ist die Arbeit. Das Gegenteil, das wirkliche Gegenteil ist wahr. Je vertrauter Sie mit einer Organisation sind, desto mehr beginnen Sie zu merken, wo die Hebel sind, wo die Schwächen sind, wo das Interessante ist, wo das ist, was Sie speziell interessiert, und je mehr beginnen Sie einzutauchen.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Befriedigung (Freude)“
Darunter werden Aussagen zusammengefasst, welche explizit die Freude an der Arbeit und die Befriedigung zum Beispiel durch Identifikation mit der Arbeit ansprechen: „Die Befriedigung in der Arbeit ist für mich wirklich die grösste Belohnung.“ Freude an der Arbeit kann gewissermaßen auch als ein überall zugrundeliegender Belohnungsaspekt gesehen werden im Sinne von „Freude durch interessante Arbeit“, „Freude durch Erfolg bei der Arbeit“ usw., wie dies zum Teil bei den anderen Belohnungsarten zum Ausdruck kommt. Aus diesem Grund kann dem Aspekt Befriedigung (Freude) als Belohnung nicht ein definitiver Stellenwert in der Rangfolge der ideellen Belohungsaspekte zugewiesen werden. Kategorie: Ideelle Belohnung „Herausforderung (Lernzuwachs)“
Im Interview wurden mehrfach die Herausforderung (Lernzuwachs) als Belohnungsart erwähnt: „Belohnung, dass man sich sehr stark auch vom Arbeitsgebiet her weiterentwickelt.“ Da Lernzuwachs meist auf neuen Erfahrungen basiert und diese
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mit neuen Herausforderungen in engem Zusammenhang stehen, wurden Rückmeldungen zu Herausforderung und Lernzuwachs gemeinsam unter dieser Kategorie zusammengeführt. Dabei äusserten sich die Teilnehmenden grundsätzlich über die Horizonterweiterung, indem man neue Dinge kennenlernt: „Das Gegengewicht (Belohnung) ist die Horizonterweiterung.“ Oder: „Und ehrlich gesagt in diesem Learning by Doing, in dieser Aufgabe, da ziehe ich soviel für mich raus. Ich muss nicht ständig auf irgendwelchen Kursen sein, die mir noch was anderes beibringen. Ich bin hier in einem permanenten Kurs drinnen. Ich habe ja die ständige Chance, neue Dinge in meinem Berufsalltag zu lernen. Das ist ja toll.“ Herausforderungen können auch Anreiz sein: „Man hat eine neue Herausforderung, man lanciert ein neues Projekt mit neuen Problemen. Es ist immer ein Gegengewicht, wenn es neu ist, wenn man neu anfangen kann, wenn man neu beginnen kann.“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Ja. Nicht nur gestalten, sondern so wie wenn man vor einer Felswand steht und überlegen muss, wie man da jetzt rauf kommt. Und dann wirklich einen Weg suchen.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Arbeitsklima (Wertschätzung)“
Ein gutes Arbeitsklima und Wertschätzung durch die Mitarbeitenden konnte als weiterer Belohnungsaspekt aufgenommen werden. Wertschätzung wird folgendermassen von Anerkennung (vorangehender beschriebener Belohnungsaspekt) folgendermaßen abgegrenzt: Anerkennung durch Erfolg, wenn man etwas erreicht hat. Dieser Aspekt der ideellen Belohnung nimmt einen hohen Stellenwert bei den befragten Personen ein. Unter dem hier beschriebenen Belohnungsaspekt ist nicht Wertschätzung gemeint, welche aufgrund einer Zielerreichung erfolgt, sondern Wertschätzung, welche in der Zusammenarbeit im Arbeitsalltag erfahren wird: „Das ist etwas, was man bei Mitarbeitern gegenseitig spürt, man kann durchaus auch mal anderer Meinung sein, das ist nicht das Thema, aber man schätzt den Menschen. Und das gilt für die Vorgesetzten wie für die Mitarbeiter und auch für mich, also gegenseitig…. Und das brauche ich, um mich gut zu fühlen.“ Ein weitere Zitat dazu lautet: „Ein Angestellter kam zu mir und hat mir gesagt (mit dem ich zum ersten Mal zusammengearbeitet habe in einen Projekt, wo es darum ging, neue Kunden zu gewinnen), ich habe einen riesigen Spass gehabt im Team, mir hat es unheimlich Spass gemacht, mit dir zusammen zu arbeiten. Und das sind eigentlich die Bestätigungen, finde ich, die einem dann wirklich wahnsinnig Gegenwicht oder Belohnung geben.“ Die Wertschätzung der Mitarbeitenden steht zudem in einem engen Zusammenhang mit einem positiv erlebten Arbeitsklima: „Für mich ist auch eine Belohnung, eine gute Stimmung. Wenn ich das Gefühl habe oder wenn ich merke, ich komme gerne in das Institut, weil andere auch gerne kommen. Und wenn es Kommunikation
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IV Ergebnisse
gibt, wenn die Leute zusammen stehen und auch mal ein Glas Wein zusammen trinken und gut zusammen spielen, also, wenn das Gefühl stimmt, wenn das interne Klima stimmt.“ Oder: „Da bekomme ich viel zurück von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben ein herzliches Verhältnis zueinander. Ich habe noch nicht einen Tag gehabt, an dem ich nicht gerne hier zur Direktion gekommen bin.“ Weitere Faktoren werden angesprochen und mit einem guten Arbeitsklima in Zusammenhang gebracht wie zum Beispiel der Humor bei der Arbeit: „Ein gutes Verhältnis, jetzt rede ich immer von der Arbeit, mit den Kollegen. Wir schauen, dass wir viel lachen können, auch in den Sitzungen, dass man sagt, ja, gut, es ist nicht immer nur alles so todernst, es kann auch mal einer einen Witz erzählen und einfach zusammen Spass haben.“ IV.2.2.b Welche unterschiedliche Bedeutung besitzen diese Belohnungsaspekte bei Männern und Frauen?
Der Vergleich erfolgt aufgrund der verschiedenen Belohnungsaspekte (Kategorien), indem jede Belohnungsart der Reihenfolge nach beschrieben wird. Gemäss der vorangehenden Analyse konnten zwei Belohnungsarten eruiert werden: die materielle und ideelle Belohnung. Der Vergleich beginnt mit der materiellen Belohnung. Kategorie: Materielle Belohnung „Einkommen“
Auffällig ist, dass nur eine Frau (6%) sich zur der Entlöhnung als direkte Belohnung äussert. Dabei fällt auch die Bemerkung, dass sie immer wieder erstaunt sei, wie viel sie verdiene. Hingegen sehen 26% der Männer den Lohn als direkte Belohnung für die Arbeitsbelastung bzw. als Gegengewicht. Dabei werden Begriffe wie „finanzielle Unabhängigkeit“ und „Wohlstand schaffen“ zentral genannt, wie aus den Zitaten deutlich wird: „Einerseits muss es eine Belohnung geben, die ist Einkommen oder Ertrag, also, diese Präsenz in einer Form, zeitlich, emotional, was auch immer, die, die muss belohnt werden.“ Und ein weiteres Beispiel: „Aber es ist, was ich immer gewollt habe, ist gut zu verdienen, dass ich diese Unabhängigkeit etablieren kann.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Anerkennung (Erfolg)“
In 20 Interviews (87%) wurde Anerkennung und Erfolg als Belohnungsaspekt von Männern angesprochen. Dieser wird oft an erster Stelle genannt. Folgendes Zitat verdeutlicht dies: „Am wichtigsten ist sicher Erfolg zu haben. Also, wir sagen hier immer, wenn wir keinen Erfolg haben, dann müssen wir irgendwas finden, wo wir wieder sagen können, hier haben wir wieder Erfolg.“ Wurden Beispiele für den Erfolg genannt, so standen diese oft in Zusammenhang mit der Firmenbilanz: „Die
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Richtung stimmt, die Entwicklung stimmt und wenn sich das dann eben auch materialisiert, wissen sie, mit dem Erfolg der Firma…. Das ist natürlich auch noch ein wichtiger Punkt.“ Im Verhältnis nehmen etwa gleich viele Frauen (81%) wie Männer Stellung zur Belohnung „Anerkennung (Erfolg)“. Dabei wird „Erfolg haben“ meistens in einem anderen Kontext geäussert, zum Beispiel, indem man eine schwierige Situation überwindet oder ein gesetztes Ziel erreicht: „Die kleinen Glücksgefühle, die grossen sind natürlich, wenn man einen Abschluss hat, wenn man einen speziellen (Anlass) gut gemeistert hat.“ Weniger wird hingegen der Erfolg der Firma oder Institution betont. Im Zusammenhang mit den „Erfolgsäusserungen“ fällt auf, dass „Respekt erhalten“ auch als Erfolg gewertet wird: „…dass ich gemerkt habe, meine Meinung ist akzeptiert worden.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Macht (Einflussnahme)“
Von 87% der Männer wird Macht bzw. Einflussnahme als Belohnung genannt. Dabei ist die Rede von „etwas bewegen, selber entscheiden und einen Prozess steuern“. „Etwas bewegen wollen“ wird im Zusammenhang mit „Erfolg haben“ geäussert. Zudem werden in den Aussagen Leistungsansprüche deutlich, wie zum Beispiel „wettbewerbsfähige Firma machen“: „Was sicher Freude macht ist die Möglichkeit zu gestalten, dass sie Resultate haben.“ Oder: „…diese jetzt zu einer wettbewerbsfähigen Firma zu machen, das ist eine Herkulesarbeit von einer Generation wahrscheinlich. Und ein Teil ist jetzt unter meiner Führung, und es geht eigentlich sehr gut vorwärts, und das ist natürlich schon etwas Schönes.“ 68% der Frauen werten Macht (Einflussnahme) als Belohnung. Dabei können auch hier Aussagen notiert werden wie „Einfluss haben wollen“ und „selber Entscheidungen treffen können“. Macht wurde in keiner Aussage explizit erwähnt. Die Aussagen dazu sind indirekter formuliert: „Der Kontakt mit den Leuten, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sachen zu erreichen. Ich ziehe, ganz ehrlich gesagt, ganz gerne ein bisschen und ich entscheide auch gerne.“ In den Äusserungen der Frauen fällt auf, dass sie oft das Team erwähnen, im Sinne von „mit dem Team Einfluss nehmen können“: „Ja, und ich sehe, dass es den Leuten jetzt gut geht und dass sie zufrieden sind. Also, dort haben wir jetzt eine ganze Reorganisation gemacht und eine neue Arbeitskultur eingeführt. Und ich sehe es, es geht ihnen gut.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Unabhängigkeit (Autonomie)“
48% der Männer und 44% der Frauen erwähnen Unabhängigkeit (Autonomie) als Belohnung. Männer äussern sich dahingehend, dass sie die selbstbestimmte Arbeitplanung und Wahl der Tätigkeit sehr zu schätzen wissen: „Es ist spannend, ich muss mich
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IV Ergebnisse
nicht um technische Details kümmern, ich kann mich um die grossen Dinge kümmern, ich kann aber auch beliebig in ein Detail runtersteigen, wenn ich will.“ In diesem Zusammenhang wird mehrmals die finanzielle Unabhängigkeit als Belohnung genannt. Frauen sehen die Vorteile besonders darin, nicht auf andere Rücksicht nehmen zu müssen und der eigene Chef zu sein. Dabei wird auch die Unabhängigkeit als Frau angesprochen, wie das folgende Zitat eindrücklich zeigt: „…ich wollte eigentlich immer selbständig sein, von Anfang an. Ja, meine Eltern sind geschieden. Die verstehen sich überhaupt nicht miteinander und mein Vater hat eine etwas ungewöhnliche, oder sagen wir veraltete Einstellung über Frauen, dass eben Frauen mit Männern zusammen sind, um sich so den Lebensunterhalt zu verdienen. Und das wollte ich halt wahrscheinlich immer beweisen, dass das bei mir nicht der Fall ist, dass ich selbständig sein kann, dass ich auf niemand anderes angewiesen sein muss. Und das war vielleicht ein bisschen der Driver im Hintergrund für mich.“ Kategorie: Ideelle Belohnung „Vielseitigkeit (interessante Arbeit)“
Vielseitigkeit und interessante Arbeit ist für 61% der Männer und 63% der Frauen ein bemerkenswerter Belohnungsaspekt. Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Aussagen wurden keine festgestellt. Kategorie: Ideelle Belohnung „Befriedigung (Freude)“
Befriedigung und Freude wird im Zusammenhang mit anderen Belohnungsaspekten indirekt genannt. Explizite Aussagen zu Befriedigung und Freude durch die Arbeit als Belohnung werden von 43% der Männer und 37% der Frauen notiert. Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden in dieser Stichprobe nicht deutlich. Kategorie: Ideelle Belohnung „Herausforderung (Lernzuwachs)“
Herausforderung bei der Tätigkeit und Lernzuwachs wird von 48% der Männer und 31% der Frauen als Belohnung wahrgenommen. Relevante Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind in dieser Stichprobe keine festzustellen. Kategorie: Ideelle Belohnung „Arbeitsklima (Wertschätzung)“
35% der Männer und 56% der Frauen nennen ein positives Arbeitsklima als Belohnungsaspekt. Besonders die weiblichen Interviewteilnehmerinnen sprechen spezifisch die Wertschätzung der Mitarbeitenden als Belohnung an: „Ja, einfach im Umgang, eben in der Wertschätzung von der Person. Wenn man einfach spürt, man ist akzeptiert an sich, so nach dem Motto: ich bin okay, du bist okay. Ich meine, das ist gegenseitig.“
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IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
Um die verschiedene Belohnungsarten in ihrer Bedeutung und Vielfältigkeit zu eruieren, wurden einerseits zwei Hauptkategorien, materielle und ideelle Belohnungen, gebildet, andererseits kristallisierten sich bei den ideellen Belohnungsarten sieben Unterkategorien heraus. Am häufigsten konnten Interviewantworten dem Begriff Anerkennung (Erfolg) zugewiesen werden. Anerkennung und Erfolg nicht nur für sich selber, sondern auch für das Team oder für die Sache. Am zweithäufigsten wird Macht (Einflussnahme) als Belohnungsaspekt angesprochen. Insbesondere geht es darum, dass man sich in einer Sache, einem Projekt oder Unternehmen einbringen und etwas nach seinem Sinne verändern kann. Eher weniger Rückmeldungen, gemessen an der Gesamtzahl der Antworten, wurde bei „Arbeitsklima (Wertschätzung)“ als Belohnung verzeichnet. Trotz dem Versuch, eine Rangfolge der Belohnungen aufgrund der eingegangenen Antworten zu erstellen, können nur vage Rückschlüsse auf die relative Bedeutung der einzelnen Aspekte im gegenseitigen Vergleich gezogen werden. Unumstritten bleibt, dass für die befragten Personen die aufgeführten Belohnungsaspekte in ihrer Vielfalt eine bedeutende Rolle im Ausgleich zur Arbeitsbelastung spielen. Der grosse Unterschied in der Stellungnahme zur materiellen Belohnung bzw. Entlöhnung besteht darin, dass sich nur eine Frau dahingehend äussert, dass das Einkommen einen wichtigen Belohnungsaspekt darstellt, im Gegensatz zu mehreren Stellungnahmen von Männern. Zur immateriellen Belohnung kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die meisten Männer sich zu „Macht (Einflussnahme)“ und „Annerkennung (Erfolg)“ als Belohnung äussern, während bei den Frauen in dieser Hinsicht „Anerkennung (Erfolg)“ allein an erster Stelle steht. Erstellt man eine Rangliste bei den Männern (Anzahl Personen, die zu einem Belohnungsaspekt Stellung bezogen), so sieht dies folgendermassen aus: Tabelle 13: Häufigkeitsauswertung5 der ideellen Belohnungsfaktoren bei den Männern Rang
Belohnungsaspekt
Anteil
1.
Macht (Einflussnahme) Anerkennung (Erfolg) Vielseitigkeit (interessante Arbeit) Unabhängigkeit (Autonomie) Herausforderung (Lernzuwachs) Befriedigung (Freude) Arbeitsklima (Wertschätzung)
87% 87% 61% 48% 48% 43% 35%
2. 3. 4. 5.
5
Auszählung der Stellungnahmen pro Kategorie (24 Männer = 100%), Mehrfachnennungen möglich.
116
IV Ergebnisse
Wie bereits erwähnt, wird bei den Frauen ebenso „Anerkennung (Erfolg)“ als wichtigster Belohnungsaspekt deutlich. An zweiter und dritter Stelle zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Männern. Der Unterschied besteht darin, dass und „Arbeitsklima (Wertschätzung)“ bei den Frauen einen grösseren Stellenwert besitzt. Hingegen wird die Belohnung „Herausforderung (Lernzuwachs)“ von den weiblichen Teilnehmerinnen viel weniger genannt. Tabelle 14: Häufigkeitsauswertung6 der ideellen Belohnungsfaktoren bei den Frauen Rang
Belohnungsaspekt
Anteil
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Anerkennung (Erfolg) Macht (Einflussnahme) Vielseitigkeit (interessante Arbeit) Arbeitsklima (Wertschätzung) Unabhängigkeit (Autonomie) Befriedigung (Freude) Herausforderung (Lernzuwachs)
81% 68% 63% 56% 44% 37% 31%
Wesentliche Unterschiede in den immateriellen Belohnungsaspekten bestehen wie folgt: • Macht (Einflussnahme): Wesentliche Unterschiede sind hier keine wahrzunehmen. Bei Männern und Frauen gilt dieser Belohnungsaspekt als einer der wichtigsten. Einzig die Begrifflichkeiten in den Interviewaussagen sind unterschiedlich gewichtet. Männern betonen mehr die Leistungsansprüche, Frauen mehr das Team. • Arbeitsklima (Wertschätzung): Frauen äussern sich hier zahlreicher. Zudem betonen Frauen in ihren Interviewantworten besonders die erhaltene Wertschätzung als Belohnung. • Anerkennung (Erfolg): Dieser Belohnungsaspekt steht bei den Frauen alleine an erster Stelle. Unterschiede in den Aussagen bestehen dahingehend, dass sich Männer zahlreicher auf den Erfolg der Firma/Institution beziehen, während Frauen mehr auf ihren persönliche Erfolg und Anerkennung Bezug nehmen. • Unabhängigkeit (Autonomie): Während von Männern die finanzielle Unabhängigkeit thematisiert wurde, nennen die weiblichen Teilnehmerinnen ihre Unabhängigkeit als Frau und „nicht auf anderen Rücksicht zu nehmen“ als zentral. 6
Auszählung der Stellungnahmen pro Kategorie (16 Frauen = 100%), Mehrfachnennungen möglich.
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IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
IV.2.3
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 3
IV.2.3.a Welche persönlichen Strategien (Copingstrategien) verfolgen die Führungspersonen im Umgang mit Arbeitsbelastungen?
Den befragten Personen wurde folgende Interviewfragen gestellt: „Wo holen Sie sich Ihre Energie? Gibt es zusätzliche Strategien, die sie verfolgen, wenn Sie von der Arbeit her unter starkem Druck stehen oder in einer Stresssituation sind? Welche?“ Nachfolgend werden zuerst die Ergebnisse zu den Freizeitaktivitäten dargestellt. Anschliessend folgen zusammenfassende Stellungnahmen zum Arbeitsstil/-haltung. An dritter und vierter Stelle werden Interviewantworten zur sozialen Unterstützung und zur Trennung von Freizeit und Arbeitszeit näher beschrieben. Tabelle 15: Kategorien der persönlichen Strategien (Copingstrategien)
III
Ressource
Kategorie (1. Ebene)
Kategorie (2. Ebene)
Persönliche Strategie (Copingstrategie)
Freizeitaktivitäten
– Sport treiben – Kultur
Arbeitsstil/-haltung
– Aufmerksamkeitslenkung (Konzentration) – Delegieren – Ressourcen gezielt einsetzen – Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten – Zeitgefässe während der Arbeit schaffen – Gute Planung/Organisation – Prioritäten setzen (Zielorientierung)
Soziale Unterstützung
– emotionale Unterstützung – fachliche Unterstützung – praktische Unterstützung
Trennen Freizeit/ Arbeitszeit
– – – –
physische Distanzierung mentale Distanzierung soziale Distanzierung emotionale Distanzierung
Kategorie: Copingstrategie „Freizeitaktivitäten“
Ein Hobby wie Sport oder Kultur kann eine wichtige persönliche Strategie sein, um einen Ausgleich zur Arbeitsbelastung herzustellen oder sich einer grösseren Belastung über längere Zeit ohne gesundheitliche Einbussen aussetzen zu können. Zuerst werden die eingeholten Antworten im Bereich Sport dargestellt, anschliessend folgt die Beschreibung der Ergebnisse zur Kultur als Freizeitaktivität.
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IV Ergebnisse
Bereits im Fragebogen wurden Angaben zur Häufigkeit7 der sportlichen Betätigung gemacht. Darin berichtete nur eine kleine Anzahl an Personen (5%), dass sie keinen Sport treiben. Ein Teil der Befragten treibt nur wenig Sport (45%). Genauso viele treiben oft (40%) oder sehr oft Sport (10%). Demnach widmet sich die Hälfte aller befragten Spitzenführungskräfte (50%) oft oder sehr oft einer sportlichen Aktivität. Unter sportlicher Tätigkeit werden hier einerseits Äusserungen zu Sport in der Freizeit, andererseits zur Bewegung im Alltag zugeordnet. Bleibt wenig Zeit für die sportliche Aktivität, wird bewusst versucht, Bewegung in den Alltag zu integrieren, indem man zum Beispiel ins Büro marschiert oder mit dem Velo zur Arbeit fährt. Sport treiben wird als sehr sinnvolle Ressource bewertet. Diese Tatsache wurde gemäss den erhobenen Aussagen mehrmals bestätigt: „Also, ich bin relativ stur. Im Minimum einmal in der Woche muss es einfach sein. Das ist meistens am Sonntag, einfach von der Zeit her und sonst halt am Samstag. Samstag oder Sonntag, das ist zwingend. Und lieber zweimal, mal noch an einem Abend oder so, aber es geht nicht immer.“ Wenn die Frage nach Sport im Fragebogen mit Ja beantwortet wurde, wurde im Interview folgende Zusatzfrage gestellt: „Welches ist Ihre Hauptmotivation sich körperlich aktiv zu betätigen?“ Zur Ausübung der sportlichen Aktivität gibt es ganz unterschiedliche Beweggründe8: • • • • •
Mentale, emotionale Hauptmotivation (Abschalten)(63%) Physische Hauptmotivation (48%) Eigene Grenzen testen (13%) Ausgleich (10%) Gesellschaftliches Zusammensein (5%)
Gemäß den Aussagen scheint die physische Komponente nicht der Hauptbeweggrund zu sein, sportlich aktiv zu sein. Viel wichtiger sind mentale, emotionale Motive wie zum Beispiel das Abschalten. Weitere Aussagen betreffen die Motive „gesellschaftliches Beisammensein“, „eigene Grenzen testen“ und der „Ausgleich“. Folgende Beispielaussagen untermauern die zusammengefassten Motivationsgründe: Mentale, emotionale Hauptmotivation (Abschalten): „Wenn Sie aber genügend lange joggen, dann merken sie plötzlich, wie das Hirn abschaltet, weil der Körper die Energie braucht, um sozusagen an das andere Ende zu kommen. Das ist eben der 7 8
Auszählung der Stellungnahmen (40 Personen = 100%). Auszählung der Stellungnahmen pro Kategorie (40 Personen = 100%), Mehrfachnennungen möglich.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
119
Punkt. Es ist unterschiedlich lange. Es kann sein, dass ich fünf Minuten jogge und dann denke ich nichts mehr und es gibt Situationen, in denen mich etwas wirklich wahnsinnig beschäftigt, dann laufe ich eine Stunde und plötzlich, ich merke es dann gar nicht aktiv, hat das Hirn abgeschaltet.“ Physische Hauptmotivation (im Sinne von gesund bleiben und etwas Sinnvolles für den Körper tun): „Ich habe gelernt, dass es gut ist für mich, mich zu bewegen, weil ich einfach weiss, dass das gesund ist und weil ich weiss, dass ich vielleicht nicht noch schwerer sein sollte. Und in diesem Sinne sehe ich das durchaus positiv und finde es wichtig, mit unserem Hund am Wochenende rennen zu gehen. Aber das ist ein bewusster Entscheid. Zu allererst einmal ist es sinnvoll, dass ich das mache.“ Gesellschaftliches Zusammensein: „Und irgendwann merkt man, wie man das Körpergefühl verliert. Und ich fand, so geht das nicht. Zum Glück habe ich eine Freundin, die das auch findet, nicht drei Mal in der Woche, aber zumindest einmal in der Woche machen wir etwas zusammen. Das ist so ein bisschen der Antrieb gewesen.“ Eine weitere Zusatzfrage lautete: „Was bewirkt diese körperliche Aktivität?“ Folgende Auswirkungen konnten zusammenfassend notiert werden: • • • • •
körperliches Wohlbefinden psychischer Ausgleich grössere Belastbarkeit gesundheitliche Prävention mentale Müdigkeit wird verringert
Folgende Zitate untermauern die genannten positiven Auswirkungen sportlicher Aktivität: Psychischer Ausgleich: „Und da gibt es verschiedene Erfahrungen. Das habe ich schon erlebt, dass du nicht weisst, wie etwas weitergehen soll. Dann beanspruchst du wirklich den Körper und gehst eine halbe Stunde rennen. Und dann tut sich das ganze psychische Gefüge wieder völlig verändern.“ Oder: „Also, die Bewegung, wenn ich das nicht mache, dann schlägt mir das auf das Gemüt.“ Auswirkung der grösseren Belastbarkeit: „Aber ich glaube, ich ertrage mehr. Ich ertrage mehr, wenn etwas an mich herankommt….“ Gesundheitliche Prävention: „Wenn ich nichts mache, dann kriege ich auch Probleme mit dem Rücken. Da muss ich auch schauen.“ Nicht alle interviewten Personen treiben Sport in ihrer Freizeit. Als eine weitere Unterkategorie wird Kultur als Freizeitaktivität angegeben. Zwei Beispielaussagen dazu: „Es ist so etwas Schönes. Ich gehe viel Jazz hören. Das ist schon noch etwas, was für mich ein angenehmer Ausgleich ist.“ Und: „Ich kann es vielleicht so sagen, wenn
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IV Ergebnisse
ich in eine Oper gehe, was ich hier in Zürich kann, dann ist das ein Belohnungsmoment sicher, oder auf jeden Fall eine Möglichkeit für das, was man das Abschalten nennt.“ Kategorie: Copingstrategie „Arbeitsstil/-haltung“
Unter Arbeitsstil/-haltung als persönliche Strategie sind Aussagen gesammelt, welche Instrumente, Ansichten, Gewohnheiten ansprechen, die zu einer Arbeitserleichterung führen wie „ich versuche meinen Tag gut zu planen“ und „Konzentration auf das Wesentliche“ usw. Folgende Unterkategorien haben sich aus den Antworten ergeben: • • • • • • •
Aufmerksamkeitslenkung (Konzentration) Delegieren Ressourcen gezielt einsetzen Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten Zeitgefässe währende der Arbeit schaffen Gute Planung/Organisation Prioritäten setzen (Zielorientierung)
Die folgenden Zitate sind stellvertretend für die Aussagen der jeweiligen Unterkategorie. Die Aufmerksamkeitslenkung (Konzentration) beinhaltet, dass man alles Unwichtige ausblenden kann: „Und natürlich ein konzentriert Sein, also, noch weniger Bereitschaft sich ablenken zu lassen von dritter Seite.“ Eine weitere Unterkategorie stellt das Delegieren dar. Damit ist gemeint, dass man auch Loslassen kann und nicht meint, alles kontrollieren zu müssen: „Ja. Und als Prinzip sicher das Delegieren, das ist sicher ein Punkt. Nicht dass man meint, man müsse alles selber machen.“ Zur Kategorie Arbeitsstil/-haltung gehört auch, dass man die Ressourcen gezielt einsetzt: „Ich glaube, das ist wichtig. Aber das kann vielleicht von mir persönlich etwas sein, ich bin nicht derjenige, der dauernd den Kampf sucht. Ich suche eher den Ausgleich und ich bin dort wahrscheinlich auch eher opportunistisch und sage, ja, du kannst jede Person wieder treffen. Ich werde nicht mit einer Person, wenn es nicht sein muss, einen riesigen Krieg vom Stapel reissen oder wenn es um Sachthemen im Unternehmen geht, da absolute Religionskriege ausüben. Ich glaube, ich lasse mich auch mal von etwas überzeugen, wenn ich falsch liege. Wo ich mir dann aber wieder einen grossen Aufwand mache, wenn ich das Gefühl habe, es sei ein wirklich wichtiges Thema, dann mache ich den Arbeitsaufwand und lese mich ein, so dass ich dann in der Diskussion entsprechend stark bin.“ Und weiter: „Ich bin dort, ja, man kann
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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sagen, opportunistisch oder effizient, ich schaue darauf, wo es mir was bringt und wo nicht. Und der Beruf ist einfach ein Vehikel, einfach fundamental, wenn man seine Talente entfaltet, dann ist das ein Vehikel um deine Kräfte zu entwickeln und entfalten.“ Eine weitere Unterkategorie beinhaltet die Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten. Dazu gehört auch, dass man sich die richtigen Leute auswählt, die einen entlasten: „Ja, das gehört sicher dazu. Ich glaube, ich habe eine glückliche Hand im Wählen von meinem Umfeld. Ich probiere schon sehr, die Motivation zu erkennen von den Leuten, Antrieb, Integrität, Loyalität.“ Die Unterkategorie Zeitgefässe während oder neben der Arbeit schaffen umfasst die Strategie oder Arbeitshaltung, Arbeitszeiten effizient zu nutzen. Diese wirkt der zeitlichen Überlastung entgegen: „Das sieht so aus, dass ich in der Regel so um sechs, halb sieben morgens anfange zu arbeiten, da ich ein absoluter Frühaufsteher bin. Und ich hasse es, wenn ich am Morgen schon jemanden im Büro habe. Durch das, dass ich dann früh bin, kann ich dann die erste Stunde, eineinhalb Stunden relativ viel schon mal abarbeiten, den Leuten die Dinge wieder zurückgeben, den Leuten die Dinge weiterleiten und Dinge anschauen und so.“ Oder: „Ich stehe am Morgen relativ früh auf und dann erledige ich ein paar Sachen, die ich in Ruhe machen kann. Da hat man Telefone und jenes, dann kommt der eine, dann kommt der andere. Das ist die tägliche Hektik, dass sie sich nicht mehr zurücklehnen können und Zeit haben, etwas durchzudenken. Sie kommen vom Denken zum Handeln. Und ich bin zum Handeln hier, nicht zum Denken. Und das ist ein bisschen ein Problem, wo aber jedermann damit umgehen können muss. Was ich mache ist, ich stehe am Morgen relativ bei Zeiten auf und lese das Zeugs durch. Dann habe ich mal Ruhe. Das mache ich am Abend auch. Ich mache das am Wochenende. Ich habe sehr viel Wochenendpost. Und dann tue ich mich dann ein bisschen vertiefen in das.“ Eine gute Planung bzw. Organisation wird als weitere Unterkategorie erkannt: „…durch eine relativ starke Organisation, Selbstorganisation, aber auch Organisation im Unternehmen. Organisation ist für mich ein wichtiges Thema, sei das jetzt im Sinne von Arbeitsstrukturierung von meinem eigenen Arbeitstag, aber auch von meiner Assistentin. Die Zusammenarbeit mit ihr, also die Arbeit zu strukturieren, dass man so effizient und effektiv arbeiten kann ohne dass man Zeit verliert, in dem man irgendwas sucht oder so, weil diese Zeit eigentlich nicht da ist. Auch indem ich soweit wie möglich delegiere, das hat auch etwas mit Organisation zu tun.“ Eine weitere Subkategorie umfasst die Prioritätensetzung (Zielorientierung). Es gilt, Mut zur Lücke zu haben. Zudem müssen die anstehenden Aufgaben immer wieder neu gewichtet bzw. priorisiert werden: „Also, das eine ist ganz sicher, klare Listen zu machen, was mache ich, was hat Priorität, das Ganze linear zu machen. Das probiere ich und das mache ich auch. Dann sehe ich, was halt vom Tisch fällt,
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IV Ergebnisse
dieses kalkulierte Risiko eingehen.“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Man muss einen ganz klaren Fokus haben, man kann nicht tausend Sachen gleichzeitig machen. Die Prioritäten ganz klar setzen und für das die Kraft auch einsetzen, wo man spürt, dass es wesentlich und entscheidend ist.“ Kategorie: Copingstrategie „soziale Unterstützung“
Abzugrenzen ist die Frage nach sozialer Unterstützung von den Stellungnahmen zum sozialen Netzwerk (siehe Kp. IV.2.4, weitere Ressourcen). Die Ressource soziale Unterstützung ist unter der Kategorie „Persönliche Strategien“ aufgeführt, da jemand diese Unterstützung persönlich und aktiv in Anspruch nehmen muss (zum Beispiel Coach), während Stellungnahmen zum sozialen Netzwerk eine weitere Ressourcen bilden, da diese Kategorien Rückmeldungen beinhaltet, die nicht auf eine aktive Inanspruchnahme des sozialen Netzwerkes im Sinne von expliziter emotionaler, fachlicher oder praktischer Unterstützung durch das Individuum schliessen lassen. Im Interview wurden zum Aspekt der sozialen Unterstützung folgende Fragen gestellt: „Wo hilft Ihnen ihr Umfeld?“ „Wo können Sie auftanken?“ „Mit wem sprechen Sie über Fragen bezüglich Ihrer Arbeit bzw. über daily hassles?“ Aus den Stellungnahmen wird deutlich, dass praktische, fachliche oder emotionale Unterstützung gesucht wird. Diese Unterstützung wird durch die Familie, durch das soziale Umfeld (auch Arbeitsumfeld) oder durch einen Coach eingeholt. Dabei spielen der Austausch mit Personen aus der Familie oder dem Freundeskreis eine zentrale Rolle. Fachliche Unterstützung wird oft bei Arbeitskollegen oder bei vertrauten Personen, weniger aber im engen Familienkreis eingeholt. Aufgrund der verschiedenen Äusserungen wird deutlich, dass die Familie eine bedeutende Ressource darstellt. Der emotionale Austausch steht im Zentrum. Dies wird im folgenden Zitat zum Ausdruck gebracht: „Wenn ich nach Hause komme, dann ist es wichtig, dass ich mit meinem Mann zuerst ein bisschen abarbeite, zuerst ein bisschen erzähle, was gelaufen ist, die weniger schönen und die schönen Sachen.“ Wichtig scheint zudem das Bewusstsein, dass einem jemand Halt gibt, „Und dann ist es ganz wichtig, dass man eben noch etwas anderes hat und nicht in ein Loch fällt. Also, man fällt sowieso in ein gewisses Loch, aber wichtig ist, die Familie gibt einem dann Halt.“ Das Vorhandensein einer Vertrauensperson, mit der man sich versteht und von der man sich angenommen fühlt, wird mehrfach betont: „Ich habe jetzt nie geredet von meiner Partnerin. Das ist so eine Vertrauensperson, mit der ich natürlich schon noch hie und da etwas bespreche. Das ist nicht ganz selbstverständ-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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lich. Sie ist auch berufstätig in einer Kaderfunktion. Und durch das tauschen wir uns aus. Wir kennen auch das Umfeld voneinander und das ist dann auch, ja, wie soll ich sagen, Druck oder Stress abbauend, wenn man das kann.“ Oder: „Es gibt wirkliche Vertrauenspersonen, im persönlichen Bereich ist es meine Tochter, eine enorme, zentrale Figur in meinem Leben …wo es ein unglaubliches gegenseitiges Verhältnis gibt.“ Zudem wird die Toleranz und Akzeptanz für die Berufsrolle als hilfreich beschrieben: „Ich habe für meinen Weg den idealen Partner. Das ist so. Erstens hat er mich das alles machen lassen und er hilft so gut er kann. Wir haben ja auch drei Kinder miteinander, die in der Zwischenzeit jetzt erwachsen sind. Aber das ist ganz wichtig. Und auch, dass man zu Hause erzählen kann, er hört das alles ab. Und er ist die Ruhe selbst, er kann unglaublich gut ausgleichen.“ Im Weiteren wird die praktische Unterstützung beschrieben: „Wenn es nötig gewesen ist, dann hat dieser Boden schon gehalten. Als ich meine Erkrankung gehabt habe, da ist zum Beispiel die eine Tochter, die hat mich immer hier abgeholt und hat mich in die Therapie begleitet.“ Nicht nur in der Familie wird soziale Unterstützung erfahren, sondern auch durch Freunde, Arbeitskollegen oder Personen im Bekanntenkreis. Teilnehmende berichten zum Teil über wenige, aber dafür sehr zuverlässige Kontakte: „Ich habe zwei, drei Leute, wo ich immer hingehen kann und sagen kann, jetzt beschäftigt mich das.“ Oder: „In der Lebensgestaltung gibt es seit der Studienzeit einen Freund, der sehr entscheidend ist. Was ich damit signalisiere, ist, es gibt vielleicht ein oder zwei Menschen für alles und dann gibt es für einzelne Lebensbereiche und einzelne funktionale Bereiche spezielle, wirkliche Vertrauensstützen.“ Oft wird bei der Arbeit um einen berufsspezifischen Rat gebeten. Dies betrifft besonders die fachliche Auseinandersetzung und Meinung, die ausgetauscht und eingeholt wird: „Ich bin selber nicht Jurist, aber es hat hier viele Juristen. Diese zu fragen, du wie ist das, wie macht man das. Ich gehe oft fragen. Und das ist, weil ich interessiert und neugierig bin, was findest du zu dem, wie könnte man das machen, findest du nicht auch und so. Und wenn die das alle auch ein bisschen finden, dann kann man sich überlegen, ob das ein Weg wäre.“ Nicht immer können Sachverhalte in Berufsumfeld diskutiert werden. Daher sind auch Meinungen des ausserberuflichen Umfeldes hilfreich: „Dann habe ich einen engsten oder auch einen erweiterten Freundeskreis, in dem sehr viele drin sind, die thematisch wirklich anschlussfähig sind und als … arbeiten, auch in der Wissenschaft sind. Auch wenn die das konkrete Problem nicht kennen, die dann verstehen, worum es geht und wo man dann eigentlich auch ganz gute Einschätzungen bekommt.“ Nicht zuletzt wird erfahrene Anteilnahme sehr geschätzt. Viele der interviewten Personen sind sich bewusst, wie wichtig ein Freundes- und Bekanntenkreis ist. Dieser wird daher gepflegt und ein Umfeld geschaffen, in welchem man nach Bedarf auf Unterstützung zählen
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IV Ergebnisse
kann: „Und da ist es wichtig, dass sie eine Kultur pflegen, wo sie eben auch Kritik und andere Meinungen hören.“ Der soziale Austausch in einem Club, Verband oder sonstigen Interessengemeinschaften wird als hilfreich beschrieben: „…ich habe einen ausserordentlich begrenzten sozialen Ehrgeiz. Was ich sehr angenehm finde, ist eine Art von Freundeskreis zu haben, der relativ klein ist, aber wo doch ein Austausch möglich ist. Für mich ist jetzt „Rotary“ etwas ausserordentlich Angenehmes, wo einfach ein Austausch möglich ist.“ Die Stellungnahmen zum Coaching beinhalten in erster Linie Aussagen zur sozialen Unterstützung, die ausserhalb des Familien- und Freundeskreises und des Arbeitsumfeldes in Anspruch genommen wird. Eine Zusatzfrage im Interview lautete: „Gibt es eine neutrale Person in Ihrem Leben, die ausserhalb des engeren sozialen Kreises und ausserhalb des beruflichen Kreises steht, die Sie als Coach (MentorIn/ SparringspartnerIn) ansehen? Welche Bedeutung messen Sie dieser Person zu? Woran erkennen Sie ihre Wichtigkeit? Welche Bedeutung hat diese Person im Rahmen der Stärkung der Ressourcen?“ Zusammenfassend gesehen, haben einige Personen einen Coach in Anspruch genommen. „…ich finde es nicht besonders lustig nach Hause zu kommen und meine Partnerin mit dem ganzen Zeugs „zue z’mülle“. Ich gehe eben seit vielen Jahren schon, seit etwa drei, vier Jahren, alle zwei Wochen in ein Coaching.“ Und: „Dort kann man im Prinzip zielgerichtet abladen und man weiss auch, es kommt in zwei Wochen wieder. Man kann auch gewisse Sachen diskutieren, nicht, dass ich das meinem Partner nicht zutraue, dass man das mit ihm diskutieren könnte, aber ich selbst finde es langweilig, mit meinem Partner immer über das Gleiche zu reden.“ Dabei wurden kaum negative Erfahrungen gemacht. Verschiedene Führungspersonen berichteten über ein informelles Coaching mit einer Person im nahen oder erweiterten Arbeitsumfeld, die nicht offiziell als Coach zur Seite steht, aber als wichtige beratende oder konstante Stütze wirkt: „Im Arbeitsumfeld habe ich auch noch einen Kollegen, der jetzt dann 65 wird, der im Endeffekt [als Coach wirkt], der hat keine Linienfunktion mehr. Ihn brauche ich viel, um ihm einfach etwas zu erzählen. Manchmal gibt er seine Meinung dazu, aber oft geht es einfach nur darum, dass man etwas formulieren kann und er hört zu, fragt vielleicht noch etwas und dann weiss man eigentlich, durch das, dass man es erklärt hat, schon relativ genau, wo es durch sollte.“ Kategorie: Copingstrategie „Trennung von Freizeit/Arbeitszeit“
Die bewusste Trennung von Arbeit und Freizeit kann als persönliche Strategie, als Ressource wirken. Die Führungskräfte sind hohen zeitlichen Belastungen ausgesetzt. Um so wichtiger sind Strategien zur Abgrenzung bzw. zur Distanzierung. Aussagen dazu konnten aufgrund der Interviewfrage „Können sie die Arbeit von an-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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deren Lebensbereichen trennen (Hintergrund Abschalten, Distanzierfähigkeit)? In welchen Situationen erreichen sei ein gutes Abschalten von der Arbeit?“ gesammelt werden. Besonders interessant war, ob sich grundsätzlich eine Mehrheit der Führungskräfte für eine Vermischung oder eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit aussprechen. Die Äusserungen wurden entweder als positive, negative oder neutrale Bewertung eingestuft. Ein grösserer Teil der Führungskräfte beurteilt eine Vermischung von Arbeit und Freizeit positiv und nehmen nimmt keine bewusste Trennung von Arbeit und Freizeit vor. Sie hätten kein Bedürfnis ganz abzuschalten. Die Arbeit gehöre zu ihrem Leben und dieses sollte ein Ganzes sein: „Ja, wissen sie, diese Unterscheidung, die ist irgendwie wirr. Diese Entscheidung zwischen Freizeit und Arbeit, wenn diese im Vordergrund steht, dann ist es wirr. Weil sie dann quasi sagen, das ist jetzt der Pflichtteil und jetzt kommt der Kürteil, und jetzt geniessen wir es doch! Dann passiert gar nichts….“ Oder: „Die Frage von der Freizeit oder von der Arbeit ist keine eine relevante Unterscheidung. Diese Unterscheidung ist übrigens eine ganz merkwürdige Unterscheidung des 20. Jahrhunderts. Die hat vorher auch nie stattgefunden. Wenn sie vor ein paar hundert Jahren einen Bäckermeister in der Stadt nach seiner Freizeit gefragt hätten, hätte der sie wahrscheinlich ganz komisch angeschaut und gesagt, ich habe nur mein Leben. Ich arbeite, ich mache, das gehört alles zu meinem Leben. Was ist da Freizeit?“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Gut, es gibt Leute, die mir sagen, du hast jetzt einfach überhaupt keine Freizeit mehr, jetzt arbeitest du einfach nur noch. Freunde, Kollegen, die das nicht verstehen, dass ich am Sonntagnachmittag an irgendeinem Dossier rumturnen kann. Ich empfinde es nicht so, es ist im gesamten Leben eingebettet. Es ist im gesamten Ablauf eingebettet. Es ist, würde ich sagen, so fast harmonischer. Das Verbinden zwischen dem, was man macht, also dem Beruf und dem, was man sonst macht, dass das schlussendlich das Gleiche mit verschiedenen Gewichtungen ist, das ist wichtiger. Ich empfinde es als viel harmonischer heute. Wobei viele Leute sagen, du spinnst.“ Argumentiert wird auch, dass eine konsequente Trennung wiederum zu einer Stresssituation führen kann. Einerseits, indem man sich zum Beispiel vornimmt, an bestimmten Tag nicht zu arbeiten und dann dies nicht einhalten kann: „Das kann ich grundsätzlich nicht machen. Es ist alles ineinander verflochten, mit gewissen Schwergewichten. Aber nein, das mache ich seit längerer Zeit nicht mehr, eine Trennung. Und ich versuche es auch nicht verkrampft zu machen, jetzt ist Sonntag, jetzt musst du einfach stressig schauen, dass du nicht arbeitest. Dann hast du noch mehr Stress, weil es dich stresst, dass du arbeitest. Und auch in den Ferien oder über Ostern einen Stress aufbauen, man sollte jetzt irgendwo ans Meer. Nein, es ist alles ineinander hinein verwoben. Arbeit und so genannte Freizeit, das ist das Leben. Und das Leben hat verschiedene Facetten, es hat Facetten von Abend, eine Facette von Ferien, von Wochenende und vom Arbeiten.“ Andererseits lasse ein stetiges Abarbeiten keine Berge
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IV Ergebnisse
von Arbeit entstehen, die wiederum Zeitdruck verursachen können. Mehrere Personen erklären, dass die Wochenendarbeit dazu führe, dass sie am Montag viel entspannter ins Büro fahren. Das Wissen, eine „rund um die Uhr“ Erreichbarkeit zu gewährleisten, hätte eine beruhigende Wirkung auf sie. Führungskräfte, welche die Vermischung als negativ betrachten, argumentieren in diesem Sinn, dass kein Mensch unersetzlich sei. Es sei ein Trugschluss zu glauben, der Fortbestand einer Firma hänge von einer Person ab. Oft würde man sich dabei zu wichtig nehmen. Zudem sei es sehr hilfreich, auch mal loslassen zu können. Einige Führungskräfte versuchen, Eigenzeiten im geplanten Tagesablauf einzubauen, sei es mit einem Mittagessen oder einer Arbeitspause. Besonders in Zeiten hoher Stressbelastung wird eine bewusste Auszeit genommen: „In einer Zeit hoher Belastung, die sich über Wochen oder vielleicht sogar Monat erstrecken kann, dann muss ich mir halt meine Insel irgendwie verschaffen. Das heisst zum Beispiel, dass ich am Morgen lieber eine Stunde früher aufstehe und in der Badewanne noch ein Buch lese, als möglichst maximal zu schlafen….“ Hier wird deutlich, dass eine Abgrenzung von beruflichen Belangen gelernt werden kann: „…da muss man sich abgrenzen. Aber das lernt man auch. Das hat dann nichts mehr mit Lohn zu tun. Wissen Sie, auch ich habe ein Privatleben. Ich glaube, es ist übertrieben zu sagen, dass jemand wirklich zwölf Stunden pro Tag produktiv sein kann. Das stimmt einfach nicht.“ Diese Personen bedienen sich verschiedener Strategien: physische Distanzierung, mentale Distanzierung, soziale Distanzierung und emotionale Distanzierung. Strategien zur Distanzierung wurden bereits im Zusammenhang mit anderen Ergebniskategorien indirekt angesprochen. So kann die Ausübung von Freizeitaktivitäten wie Sport auch eine gute Strategie zum Abschalten sein. Trotzdem wurde versucht, unter diesen Kategorien die genannten Abgrenzungsstrategien explizit zu beschreiben. Die physische Distanzierung umfasst zum Beispiel eine räumliche Trennung von Arbeitsort und Wohnort: „Es ist eine räumliche Distanz und bei diesem Job, den ich mache mit sehr viel Öffentlichkeit, viel Wirksamkeit. Hier in Z. kennt mich niemand, in L., ja. Das bringt schon mal viel für mich.“ Oder: „Am Morgen diese zwanzig Minuten, das ist für mich eine sehr humane Art, wie ich umstelle, oder, wenn ich von zu Hause, vom Privaten eigentlich, hier dem See entlang fahre, eigentlich der längere Weg. Ich mache das beschaulich und bereite mich auf den Arbeitstag vor. Und beim Zurückfahren ist es eigentlich gleich, das schafft eine Zäsur.“ Diese physische Distanz kann aber auch durch Auslandaufenthalte und besonders Ferien erreicht werden: „Wenn ich in den Ferien bin, dann denke ich nicht gross an das Arbeiten. Dann sind dann Ferien, und auch dort gibt es Telefone, aber sehr selten.“ Die physische Distanzierung erfordert, Mass zu halten und die Arbeit auch mal zu beenden: „Und ich habe mich immer bemüht diejenigen, die zu lange bleiben woll-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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ten, nach Hause zu schicken, weil ich gesehen habe, da kommt nichts mehr. Und diese wollen dann demonstrieren, dass sie um zehn immer noch im Büro gewesen sind. Ich habe das immer für ein Symptom von schlechtem Gewissen gehalten, aber ich habe gesehen, die Tendenz ist etwa bei 95% zu Überstunden als Legitimation bleiben zu dürfen. Und ich habe mir früh antrainiert, meine Leistung als gegeben zu nehmen und die ist am höchsten, wenn ich regeneriert bin. Also, das ist eine reine Kalkulation. Ich habe den Leuten jeweils, um sie zu motivieren, nach Hause zu gehen, eine Grafik gezeigt und gesagt, wenn du Null Stunden arbeitest, dann hast du auch Null Output. Aber wenn du 24 Stunden arbeitest, dann hast du auch Null Output. Und sobald du das so verstehst, nimmst du deine Regeneration todernst.“ Mentale Distanzierung als weitere Subkategorie wurde oft angesprochen. Wie schon bei den Freizeitaktivitäten aufgeführt, kann diese gut bei sportlicher Tätigkeit (Abschalten) erreicht werden oder bei anderen Tätigkeiten: „Und ich habe mir das zur Gewohnheit gemacht, das ist übrigens auch ein Gegengewicht gegen Stressfaktoren. Ich lese jeden Tag etwa eine halbe Stunde vor dem Einschlafen. Das hat nichts mit dem Beruf zu tun. Es ist Belletristik oder es sind Sachbücher, die mich einfach interessieren. Und das merke ich, das ist etwas, was mir relativ gut gelingt, auch wenn ich Sachen habe, Pendenzen habe. Aber diese Momente am Abend vor dem Einschlafen, so diese halbe Stunde, da habe ich den Eindruck, das ist Zeit, die mir selbst gehört. Ich freue mich auch auf das.“ Auch Schlaf kann eine wichtige Strategie sein abzuschalten: „Wenn ich mich eindecken lasse von den Geschäften, dann bin ich überhaupt nicht mehr da für alle anderen. Das tut mir nicht gut und es hilft nicht. Das Wissen, dass meine Probleme am anderen Morgen immer noch die gleichen sind, auch wenn ich die ganze Nacht nicht schlafe, das trainiert mich darauf, am Abend zu sagen, so, und jetzt schläfst du, dann hast du am Morgen wenigstens wieder die Kraft, das zu tragen.“ Eine weitere Unterkategorie ist die soziale Distanzierung. Verschiedene Möglichkeiten werden genutzt. Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang mit Kommunikationsmitteln: „Es kommt auch von den ganzen technischen Möglichkeiten her, dass man sich natürlich heute fast zwingen muss, dass man nicht alle zwei Stunden die Emails anschauen geht, sondern sagt, am Abend oder so mache ich dann diese Mails. Oder, dass man mit dem Handys chaut, dass man, nicht absolut dauernd erreichbar ist. Ich würde meinen, es sind eher die technischen Faktoren, die das mit sich gebracht haben. Ich weigere mich gegenwärtig, einen BlackBerry zu haben. Die Mails noch auf dem Handy zu haben, da habe ich mich bisher erfolgreich gewehrt dagegen. Ja, also, ich verbringe doch hie und da drei Stunden im Zug ohne Mailkontakt.“ Zur sozialen Abgrenzung gehört auch, dass man sich seine Anwesenheitspflicht einteilt, sofern dies möglich ist: „Und dann im Übrigen meide ich, was ich kann an sozialen Anlässen, weil ich genug Pflichtanlässe habe, die zum Teil fürchterlich langweilig sind.“
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IV Ergebnisse
Emotionale Distanzierung bildet eine zusätzliche Unterkategorie. Der Umgang mit dem eigenen Energiehaushalt ist wichtig, indem man sich emotional abzugrenzen vermag. Einerseits indem versucht wird, das Positive zu sehen: „Ich denke, die Strategie ist im Prinzip vielleicht dann das, was belastet, nicht das Einzige im Leben sein zu lassen. Auch in diesen Phasen gibt es noch anderes, auch wenn das dann vielleicht sehr komprimiert ist.“ Andererseits in dem man versucht, die Dinge objektiv zu betrachten oder zu ignorieren: „Und ich weigere mich zu frieren und zu schwitzen. Es gelingt mir nicht immer, aber fast. Ich finde, es nützt nichts, wenn ich mir dauernd vorstelle, wie kalt es mir jetzt ist und wie ich jetzt friere. Es ist jetzt in Gottes Namen manchmal kalt in den Kleidern, in denen wir auftreten müssen, also weigere ich mich, dies überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.“ IV.2.3.b Unterscheiden sich Männer und Frauen hinsichtlich der Copingstrategien? Kategorie: Copingstrategie „Freizeitaktivitäten“
In dieser Kategorie zeigen sich keine deutlichen Geschlechterunterschiede. Männer wie Frauen zählen Kultur und Sport zu ihren Freizeitaktivitäten. Zur sportlichen Tätigkeit wurden Häufigkeit, Motivation und Auswirkungen der beiden Geschlechter erhoben. Dabei hat sich gezeigt, dass beide Geschlechter etwa gleich häufig Sport treiben. Bei beiden Geschlechtern ist die Hauptmotivation zur Ausübung sportlicher Aktivitäten die mentale, emotionale Komponente im Sinne von „Abschalten“. An zweiter Stelle folgt das Motiv „körperlich fit bleiben“. Auch die Aussagen zu den positiven Auswirkungen von Sport unterscheiden sich kaum. So berichten Männer von einem sich besseren psychischen und physischen Wohlfühlen, während Frauen sich durch die sportliche Aktivität belastbarer fühlen. Der einzige Unterschied: Männer suchen stärker ausserordentliche sportliche Leistungen. Dabei ist die Rede von Marathonläufen oder vierwöchigen Wanderungen: „Ich bin bis vor drei oder vier Jahren pro Woche sechzig bis siebzig Kilometer gerannt, also jeden Tag zehn Kilometer.“ Oder: „Und ich habe das jetzt ein bisschen ersetzt, indem ich normalerweise den ganzen Monat Mai querfeldein in irgendeinen Teil von Frankreich marschiere …, da bin ich dann vier Wochen unterwegs.“ Kategorie: Copingstrategie „Arbeitsstil/-haltung“
Allgemein nehmen Männer viel öfter Stellung zum Arbeitsstil bzw. Arbeitshaltung. Besonders zahlreich wird eine „gute Selbstorganisation“ und „Zielorientierung“ im Sinne von „Prioritäten setzen“ als wichtigen Arbeitsstil genannt. An zweiter Stelle folgt die „Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten“. Dabei sagen Männer häufiger,
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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dass es wichtig sei, die richtigen Leute zu wählen: „Man muss selbstverständlich die richtigen Leute haben.“ Interessant ist ausserdem, dass männliche Interviewpartner meinen, es sei hilfreich, „Entscheidungen zu treffen“ und diese nicht zu hinterfragen: „Wenn ich etwas mache, dann sage ich immer, es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben. Aber jetzt habe ich so entschieden und jetzt mache ich es auch so.“ Solche Aussagen wurden von Frauen nicht gemacht. Ähnlich wie bei den Männern wird der Arbeitsstil „Zeitgefässe schaffen“ und eine „gute Selbstorganisation“ prioritär auch bei den Frauen genannt. Im Gegensatz dazu kann nur eine Aussage zu „Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten“ festgehalten werden. Zum Arbeitsstil „Zielorientierung“ wurden, im Gegensatz zu den zahlreichen männlichen Aussagen, keine Rückmeldungen von Interviewteilnehmerinnen registriert. Kategorie: Copingstrategie „soziale Unterstützung“
70% der Männer und 88% der Frauen äussern sich zu sozialer Unterstützung durch die Familie. Frauen erwähnen häufiger als Männer, wie wichtig der Austausch mit dem Partner ist. Zudem berichten sie über die praktische Unterstützung, wie im folgenden Zitat: „Wenn das Aupair-Mädchen krank gewesen ist, dann ist meine Mutter angerauscht. Also, wirklich ganz, ganz gut.“ Soziale Unterstützung durch das Umfeld (Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen) können nach Aussage männlicher Interviewteilnehmer in einem organisierten beruflichen Netzwerk gefunden werden, indem Leute aus verschiedenen Berufszweigen aufeinandertreffen. Dort werden der Austausch und das Zusammensein gepflegt. Männer berichten über soziale Unterstützung nicht nur durch Freunde, sondern auch durch Arbeitskollegen. Darüber hinaus wird Vertraulichkeit und Diskretion beim Austausch als wichtig erachtet: „…aber ich würde sagen, alles Personen, mit denen ich solche Probleme erläutern kann und auf Vertraulichkeit hoffen kann, das ist gut.“ Oder: „Wir gehen hin und wieder zusammen Mittag essen und tauschen uns aus, wie findest du das, wie siehst du das. Und dort geht es eigentlich weniger um Anerkennung als um einen Gesprächspartner, mit dem man über solche Sachen reden kann. Weil ich nicht gut mit jemandem von aussen, von der Direktion, vom Amt über beispielsweise personelle Probleme reden kann. Tabu ist der Vorgesetzte, das ist klar. Und einfach der Anspruch an die Diskretion ist sehr, sehr hoch.“ Frauen berichten hingegen kaum über die Teilnahme in organisierten Berufsnetzwerken. Wie schon in der Familie wird durch den emotionalen Austausch bei Freunden oder Bekannten soziale Unterstützung erfahren. Im Unterschied zu den Männern äussern sie sich zudem vermehrt über berufsspezifische Unterstützung, indem Arbeitskollegen oder Fachleute am Arbeitsplatz um Hilfe gebeten werden.
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IV Ergebnisse
44% der Frauen und 26% der Männer haben bisher eine professionelle Beratung in Anspruch genommen und positive Erfahrungen gemacht. 74% der Männer berichten von einem informellen Coaching durch einen älteren Kollegen, den Chef oder weitere Personen aus dem Berufsfeld. Der fachliche Austausch wird dabei geschätzt auch weil damit das Berufsgeheimnis gewahrt wird. Der informelle Coach ist bei den Frauen öfter der Chef (wenn einer vorhanden). Ein Vertrauensverhältnis wird auch von ihnen als grundlegend betrachtet. Frauen äussern sich dahingehend, dass Sie selber für andere Personen als Coach zur Seite stehen, selber aber keinen benötigen würden: „Ja, ja, ich bin für viele Personen der Coach, aber ich selbst habe keinen gehabt, nein.“ 74% der Männer und 56% der Frauen besitzen keine Erfahrung mit professionellem Coaching. Als Grund dafür nennen beide Geschlechter in erster Linie Zeitmangel. Zudem geben Männer an, kein Bedürfnis zu haben, sich mit einer Person ausserhalb des beruflichen Umfeldes über bestehende Probleme auszutauschen, wie folgendes Zitat zum Ausdruck bringt: „Das weiss ich. Aber ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich einen Coach brauche. Ich möchte nicht einen institutionellen Coach. Ich will Leute, die ich um mich herum habe, mit denen ich reden kann und fragen, was meinst du und so weiter. Aber den Rest brauche ich eigentlich nicht.“ Weiter konnte aufgrund der Interviews eruiert werden, welche Unterstützung weibliche und männliche Personen suchen. Dabei fällt auf, dass Frauen (63%) viel mehr über praktische Unterstützung im Alltag berichten als Männer (26%). Auch die emotionale Unterstützung (81%) und die fachliche Unterstützung (50%) werden von den Frauen vermehrt in Anspruch genommen als von den Männern, (61%, bzw. 39%). Insgesamt ist davon auszugehen, dass Frauen sich mehr der sozialen Unterstützung bedienen.
Kategorie: Copingstrategie „Trennen von Freizeit/Arbeitszeit“
Die Trennung von Arbeit und Freizeit kann eine persönliche Strategie im Umgang mit Arbeitsbelastungen sein. Dabei kann aber keine grundsätzliche Aussage darüber gemacht werden, ob eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit förderlicher im Umgang mit Arbeitsbelastungen ist, als eine Vermischung. In der Folge soll verglichen werden, wie viele Männer und Frauen eine Vermischung bzw. Trennung von Arbeit und Freizeit vorziehen und welche Vorteile sie darin sehen. Gemäss den zahlreichen Rückmeldungen bewerten viel mehr Männer eine Vermischung von Arbeit und Freizeit als im Gegensatz zu den Frauen. Grund: vollumfängliche Präsenz und Erreichbarkeit müsse in gewissen Positionen einfach ge-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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währleistet sein. Zudem sei kein Bedürfnis vorhanden, eine strikte Trennung vorzunehmen: „Ich habe eigentlich gar keine Lust gedanklich abzuschalten.“ Darüber hinaus wird berichtet, dass man sich in der Freizeit „automatisch“ für bestimmte Themen interessiere, welche eng mit der Arbeitstätigkeit in Verbindung stehen, wie zum Beispiel über die Zeitung Aktualitäten im Wirtschaftsbereich einholen. Keine Aussagen werden in diesem Zusammenhang zur Familie und Partnerschaft gemacht. Nur wenige Männer bewerten eine Vermischung als negativ. Frauen begründen die positive Sichtweise der Vermischung von Arbeit und Freizeit insofern, dass es mit einer Trennung von Arbeit und Freizeit gar nicht möglich wäre, alles unter einen Hut zu bringen: „Für mich ist es so, ich habe einfach 24 Stunden zur Verfügung. Ich mache bei dieser Aufgabe, die ich seit 12 Jahre habe, keine grossen Unterscheidungen zwischen Freizeit oder Hobby oder Arbeit, sondern ich habe einfach ein Leben. Und in diesem Leben hat es 24 Stunden pro Tag. Und einmal hat es von dem mehr Platz und einmal von jenem. Ich finde es extrem stressig, wenn man das alles aufteilt und in Schubladen tut, das habe ich eigentlich nie gemacht. Es ist einfach eine Aufgabe, das Leben ist eine Aufgabe.“ Weniger Männer als Frauen finden eine Trennung positiv. Gründe dafür werden die gleichen genannt, nämlich dass so dem Privatleben, insbesondere der Familie, genügend Zeit eingeräumt werden kann: „Ja, sehr stark. Eben, wie gesagt, mein Freundeskreis ist völlig getrennt vom geschäftlichen Leben, völlig. Der ist seit dreissig Jahren gleich, das sind alle meine Freunde aus der Studienzeit, die ich noch habe. Und diese haben mit meinem Berufsleben gar nichts zu tun. Das ist auch ein Schutz, weil man dann von einem gewissen Moment an nicht mehr unterscheiden kann, wer ist wirklich ein Freund und wer nicht.“ Vier Kategorien von Antworten sind auf die Fragen nach den Copingstrategien auszumachen: Freizeitaktivitäten, Arbeitsstile/-haltungen, soziale Unterstützung und Trennen von Freizeit und Arbeitszeit. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigen, dass bewusste und unbewusste Strategien hinsichtlich der Arbeitstätigkeit und deren Belastung eingesetzt werden. In der 1. Kategorie wird ersichtlich, dass alle Teilnehmenden Freizeitaktivitäten ausüben. In den Fokus gerückt werden Sport und Kultur. Für viele der befragten Personen ist Sport eine beliebte Freizeitaktivität. Dabei werden unterschiedliche Beweggründe ersichtlich, einer sportlichen Aktivität nachzugehen: Gesellschaftliches Zusammensein, eigene Grenzen testen, emotionale, mentale und physische Hauptmotivation und Ausgleich zur Arbeit. Zudem konnten relevante Aussagen zur Wirkung von sportlicher Aktivität beschrieben werden. In einer 2. Kategorie werden Arbeitsstile/-haltung zusammenfassend erläutert. Daraus ergeben sich 7 Untergruppen wie „Aufmerksamkeitslenkung“ (Konzentra-
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IV Ergebnisse
tion), „Delegieren“, „Ressourcen gezielt einsetzen“, „Arbeitsumgebung vorteilhaft gestalten“, „Zeitgefässe währende der Arbeit schaffen“, „gute Planung/Organisation“ und „Prioritäten setzen“ (Zielorientierung). Die Aussagen zur sozialen Unterstützung als persönliche Strategie werden der 3. Kategorie untergeordnet. Durch Zusatzfragen wurde eruiert, dass einerseits soziale Unterstützung in der Familie, im Umfeld oder bei einem Coach gesucht wird. Je nach dem wird andere Hilfe angefordert. So stellt sich heraus, dass bei Kollegen im Arbeitsumfeld vermehrt um fachlichen Rat gebeten wird, während es in der Familie häufig darum geht, jemandem vom Arbeitsalltag erzählen zu können (emotionale Unterstützung) oder um praktische Unterstützung im Lebensalltag. Einige Personen nehmen einen professionellen Coach in Anspruch. Zudem wird von manchen Teilnehmenden berichtet, dass sie im nahen Umfeld einen sogenannten „informellen Coach“ zur Seite haben. Die 4. Kategorie von persönlichen Strategien zeigt, dass eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit keineswegs bei allen positiv bewertet wird. Für einige aber ist Abgrenzung bzw. Distanzierung von der Arbeit eine persönliche Strategie. Zusätzlich kristallisieren sich verschiedene Arten von Abgrenzung heraus: Abgrenzung in Form von physischer, mentaler sozialer und emotionaler Distanzierung. Über alle vier Kategorien zu persönlichen Strategien wird deutlich, dass gewisse Themen immer wieder angesprochen werden. So zum Beispiel spielt das soziale Umfeld eine wichtige Rolle, um sich Unterstützung zu holen oder sich von der Arbeit abzugrenzen. Dabei werden Aspekte dieser Art nicht nur innerhalb der persönlichen Strategien thematisiert, sondern kommen auch bei anderen Ressourcen wie z. B. bei der Belohnung zum Ausdruck. Persönliche Strategien in den vier untersuchten Kategorien (Freizeitaktivitäten, Arbeitsstil/-haltung, soziale Unterstützung, Trennen von Arbeitszeit/Freizeit) werden von Männern und Frauen mehr oder weniger genutzt. Zur Gesamtübersicht sind nochmals die wichtigsten Aspekte aufgeführt: • Alle genannten Motive und Auswirkungen hinsichtlich der sportlichen Betätigung und deren Häufigkeiten sind bei Männern und Frauen ähnlich. Die grösste Diskrepanz besteht darin, dass Männer über ausserordentliche Leistungen im sportlichen Bereich berichten, während Frauen keine solche nannten. • Viel häufiger melden Männer das Vorhandensein sogenannter Arbeitsstile/-haltungen. • Zielorientierung, im Sinne von Prioritäten setzen und eine gute Selbstorganisation wird von den männlichen Interviewteilnehmern am meisten genannt, während Frauen sich zur Zielorientierung nicht äussern. Zudem betonen Männer, dass die
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Arbeit erleichtert werden kann, wenn man die richtigen Leute einsetzt, denen Aufgaben delegiert werden können. Dazu nehmen Frauen kaum Stellung. Weiter berichten Männer, dass ab und zu Entscheidungen getroffen werden müssen, die nicht hinterfragt werden sollen. Auch in diese Richtung wird von weiblicher Seite keine Aussage gewonnen. • Soziale Unterstützung durch die Familie oder durch das Umfeld wird von beiden Geschlechtern als wichtig eingeschätzt. Frauen bringen stark zum Ausdruck, dass für sie der Austausch mit dem Partner einen zentraleren Stellenwert besitzt. Männer können die soziale Unterstützung in ihrem Umfeld, in einem beruflichen Netzwerk finden, während Frauen den Austausch mit einer anderen vertrauten Person bevorzugen. Männer betonen, dass sie Diskretion und Verschwiegenheit sehr schätzen. Informelles Coaching wird von den Männern häufiger wahrgenommen. Insgesamt ist festzuhalten, dass Frauen mehr soziale Unterstützung in Anspruch nehmen. • Beide Geschlechter sehen positive Aspekte einerseits in einer Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, andererseits in einer Vermischung. Insgesamt bewerten mehr Männer als Frauen eine Vermischung als positiv.
IV.2.4
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 4
IV.2.4.a Werden zusätzliche Faktoren zur Bewältigung der hohen Arbeitsbelastung genannt, welche nicht explizit erfragt (Sinngebung, Belohnungsfaktoren, persönliche Strategien) wurden?
Die folgenden Faktoren wurden, ausser einer Zusatzfrage9 zum sozialen Netzwerk, nicht spezifisch im Interview erfragt und konnten nicht den bestehenden Ressourcenbereichen (Innere Sinngebung, Belohnung, persönliche Strategien) untergeordnet werden. Sie wurden im Zusammenhang mit der allgemeinen Frage: „Wie halten sie ihre persönliche Waage in einem guten Gleichgewicht? Was ist Ihnen besonders von Nutzen?“ erhoben. Vier Ressourcen wurden aus den zahlreichen Stellungnahmen eruiert und werden nachfolgend näher beschrieben.
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Hinsichtlich des sozialen Netzwerkes wurde eine Zusatzfrage gestellt: „Wie viele Personen zählen Sie zu Ihrem vertrauten, engeren sozialen Kreis?“, und in die Auswertung miteinbezogen. Diese wurde aber ursprünglich im Rahmen der Ressource „Soziale Unterstützung“ erhoben.
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IV Ergebnisse
Tabelle 16: Kategorien der zusätzlich genannten Ressourcen Kategorie IV
Weitere Ressourcen
Erfahrung Soziales Netzwerk Biologische Konstitution Persönlichkeitseigenschaften
Kategorie: „Erfahrung“
Spontan, d. h. ohne explizite Zusatzfragen oder einer aufgrund der theoretischen Auseinandersetzung im Voraus vermuteten Ressourcenkategorie, wurde mehrfach der Aspekt der Erfahrung erwähnt: „Aber ich muss sagen, ich habe den Eindruck, wenn ich so schaue, wie Leute reagieren und wie ich reagiere oder wie ich über gewisse Sachen nachdenke, dann ist natürlich die berufliche Erfahrung und die Analyse, eine grosse Ressource gibt. Und vieles ist für mich prägend gewesen.“ In diesem Zusammenhang kann festgehalten werden, dass gemachte positive und negative Berufserfahrungen und deren Analyse durch die Akteure auf die aktuelle Arbeitssituation Einfluss haben. Die Personen sagen, Erfahrung mache sie gelassener, besonders in schwierigen Situationen: „Da kommt mir vielleicht auch noch die Krisenerfahrung zugute. Das klingt ein bisschen arrogant, aber wenn man schon viele Schlachten geschlagen hat, dann gibt es gewisse Narben ins Gewebe. Es bringt einen nicht alles so schnell auf hundert. Haben wir schon gesehen, ist nicht so schlimm.“ Oder: „Ich denke, man wird gelassener, wenn man nicht mehr um die nächste Beförderung bangen und denken muss, in zwei Monaten werde ich besprochen und jetzt ist der Kunde nicht zufrieden, jetzt ist alles aus. Und wie immer, wenn man mal, was weiss ich, 27 Projekte gemacht hat und es passiert etwas, dann ist das einfacher, als wenn es beim ersten Projekt passiert. Weil man weiss, das kann vorkommen, das ist jetzt nicht das Ende oder man fängt nicht an, an sich selbst zu zweifeln. Man sagt nicht, ich habe jetzt ein Projekt gemacht und schon geht es schief, sondern man sagt, das ist jetzt einfach normal, dass das passiert … .“ Erfahrung steigere das Grundvertrauen, Probleme bewältigen zu können: „[Erfahrung] in der Beurteilung auch, wie lange ich für etwas brauche und so. Sie haben auch eine gewisse Sicherheit. Doch, das ist zwar ein riesiges Problem dort, aber irgendwie bringen wir das schon noch hin. Und das hat einem noch vor zehn Jahren sehr nervös gemacht, wenn man nicht sicher ist, kann man das machen.“ Erfahrung ermögliche zudem, die eigenen Stärken und Schwächen besser zu erkennen und einzuschätzen. Weiter wurde betont, dass man weniger auf direkte Anerkennung angewiesen sei und somit unabhängiger werde.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Kategorie: „Soziales Netzwerk“
Besonders viele Rückmeldungen konnten im Zusammenhang mit der Ressource soziales Netzwerk gesammelt werden. Daraus ist zu folgern, dass diese eine wichtige Ressource im Leben eines Menschen darstellt. Darunter wurden nicht Aussagen bezüglich sozialer Unterstützung (siehe Ressource persönliche Strategie) zusammengeführt, sondern Aussagen zum Kontakt mit anderen Menschen (Zusammenarbeit, Geselligkeit). Das Zusammensein und Wissen um Freundschaft und Kontakt ist hier bedeutend. Die Abgrenzung zur Ressource Belohnung (Arbeitsklima/Wertschätzung) ergibt sich aufgrund der spezifischen Aussagen zur Zusammenarbeit bzw. Teamarbeit, Geselligkeit und den Kontakt mit anderen Menschen, während bei den Belohnungsaspekten allgemeine Aussagen zu einem guten Arbeitsklima und Aussagen zur Wertschätzung durch Arbeitskollegen untergeordnet wurden. Mit der Zusatzfrage: „Wie viele Personen zählen Sie zu Ihrem vertrauten, engeren sozialen Kreis?“, konnte eruiert werden, dass die meisten der befragten Personen über einen inneren Kreis von 4-6 Personen verfügen. Nur eine einzige Person berichtete über einen engsten Freundeskreis, welcher mehr als 10 Personen umfasst. Indem man mit der Familie und im Freundeskreis Zeit verbringt, gelingt einem das Abschalten von der Arbeit besser. Man wird abgelenkt und kann in eine andere Welt eintauchen. „Ich gucke schon, dass ich regelmässig meinem Vater, meine Schwestern mit Familie besuche, was immer mit Aufwand verbunden ist, weil ich da auch wieder nach Deutschland fliegen muss. Aber das versuche ich schon, weil es entspannend ist. Dort ein Tag zu sein, das ist dann irgendwie eine ganz andere Welt und ich fühle mich danach gut und ich freue mich, sie zu sehen.“ Mehrmals wird erwähnt, dass die Auseinandersetzung mit Menschen motivierend wirkt und neue Energie daraus gewonnen werden kann: „Ich hole die Energie, wenn überhaupt durch Taten, durch Auseinandersetzung mit Menschen.“ Dabei ist ein intaktes und stabiles Umfeld sehr wichtig für das allgemeine Gleichgewicht: „Ganz sicher in meiner Familie, in meiner Beziehung, das ist entscheidend. Dass ich eine Beziehung habe, die absolut solide ist, dass ich ein super Verhältnis habe zu meiner Frau. Wir sind jetzt dieses Jahr dreissig Jahre zusammen. Da muss ich schon sehen, da habe ich natürlich im Vergleich zu Kollegen einen enormen Vorteil. Ich habe während meiner Karriere nie, nie Probleme gehabt in dieser Beziehung und das macht enorm viel aus. Und da schaue ich auch drauf, wenn ich Leute auswähle, im Führen von Leuten. Solche, die keinen stabilen Hintergrund haben, sind für gewisse Posten je nachdem ein Risiko.“ Konstante Beziehungen zum Beispiel in Form von langjährigen Freundschaften sind geschätzt und werden aktiv gepflegt: „Das habe ich auch ganz bewusst gepflegt, auf Sparflamme. Ich habe noch Freundschaften aus meiner Jugendzeit, die haben das alles überlebt.“ Für viele Teilnehmende
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IV Ergebnisse
steht die Familie im Zentrum: „Also, die Familie ist das A und das O. Und ich sage darum immer, wenn ich mit meinem Mann Streit hätte wegen der …, dann würde ich sofort aufhören, weil das nicht ginge. Das weiss ich, das kann ich mit dem Willen nicht mehr beeinflussen.“ Oder: „Und wichtig ist, dass sie im Privatleben eine Balancesituation haben und dass es dort einigermassen funktioniert. Für mich ist die Familie zum Beispiel sehr wichtig. Ich, mein Umfeld und die Familie.“ Eine weitere Aussage dazu lautet: „Ein Wochenende ohne Verpflichtung, voll Family, das ist wirklich sehr, sehr energieschöpfend. Und ich freue mich dann am Montag, endlich zu arbeiten.“ Aber auch das Zusammensein mit Freunden und Mitarbeitern, zum Beispiel in Form einer Teamarbeit, wird als Energiequelle erlebt. Kategorie: „Biologische Konstitution“
Als weitere Ressource neben Erfahrung und sozialem Netzwerk kann die biologische Konstitution festgehalten werden. Wenige, aber eindeutige Äusserungen zur persönlichen Gesundheit und dem individuellen Energieniveau wurden aufgenommen: „Und da meine ich, dass die Gesundheit, der ganze Metabolismus und die ganze Konstitution sehr viel mitspielen. Ich habe Kollegen um mich herum gehabt, die haben auf dem Magen ein Problem gehabt, das habe ich alles nicht. Ich bin eine relativ gesunde Natur.“ Zur Gesundheit gehört aber auch ein gesunder Lebensstil: „Ich trinke praktisch keinen Alkohol. Ich nehme zwar auch ein Glas, wenn alle ein Glas nehmen, stosse auch an und nippe dann ein bisschen daran, und dann ist aber fertig. Ich finde, das belastet meinen Körper, das tut mir nicht gut. Also lasse ich es sein. Das braucht sehr viel Disziplin.“ Oder: „Also, das ist eine Disziplin- und eine Willensübung, meine ich. Ich habe das sehr früh lernen müssen. Ich bin früher auch sehr viel krank gewesen. Ich habe schon immer sehr viel mit dem Willen gemacht. Vor allem in der Zeit, als ich wirklich sehr schwer krank gewesen bin, da habe ich mich willensmässig sehr diszipliniert und gesagt, ich will und ich muss meine Gesundheit so beeinflussen, dass es wieder gut kommt. Und ich habe das effektiv trainiert.“ Die Rückmeldungen belegen ausserdem, dass einige der interviewten Personen gemäss Selbsteinschätzung ein hohes Energieniveau besitzen: „Nein, ich würde es anders sagen. Ich zum Beispiel habe wahnsinnig viel Energie. Ich muss eher schauen, dass diese manchmal weggeht. Oder zum Beispiel jetzt, eigentlich hat der Tag für mich immer ein paar Stunden zu wenig, weil, dann kommt man nach Hause, dann will ich noch die Zeitung lesen und dann habe ich noch ein gutes Buch. Dann muss ich aber wieder um halb sechs aufstehen.“ Die Energie kann zugleich Ambition sein: „Und dann glaube ich aber auch, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen arrogant oder darwinistisch, ich glaube tatsächlich, dass die Menschen ein unterschiedliches Energieniveau haben. Natürlich kann man das beeinflussen, man kann es blockieren oder man kann es fördern, man hat das mal beschrieben so quasi wie ein Stausee mit
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Wasser und das ist die Energie. Bei den einen fliesst es schnell raus und ist aber auch schnell vorbei, bei den anderen ist es ein Rinnsal, bei den anderen kommt ein stetiger Strom. Energie ist letztlich die Ambition, die ist bei mir immer da gewesen.“ Weiter wird eine schnelle Regeneration als Vorteil beschrieben: „Ich regeneriere sehr schnell.“ Kategorie: „Persönlichkeitseigenschaften“
Persönlichkeitseigenschaften, welche eine Person besitzt, können als Ressource im Arbeitsalltag wirken, und nehmen einen Einfluss darauf, ob und inwiefern eine Anforderung als Belastung erlebt wird. Folgende Persönlichkeitseigenschaften kommen in den Äusserungen vor: Selbstvertrauen, Neugierde, Ehrgeiz, Optimismus, Selbstdisziplin, Durchhaltewillen, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Begeisterungsfähigkeit und Flexibilität. Positives Denken und ein positive Grundstimmung sind von Vorteil, Dinge anzupacken und zu bewältigen: „…also, ich bin sicher ein sehr optimistischer Mensch. Gewisse Kollegen sagen mir sogar ich sei ein „indécrotable optimiste“, also ein Optimist, der unheilbar ist. Und das ist sicher ein Punkt….“ Konkreter wird es in dieser Aussage: „…aber einfach so der Wille, die Lösungsorientierung, der Optimismus, sagen, ach was, jetzt komm, gehen wir was trinken zusammen, reden über was anders. Einfach so diese Fähigkeit, oder auch die Fähigkeit zu sagen, ich sehe eine Lösung….“ Zudem braucht es Ausdauer, schwierige Situationen durchzustehen: „Es braucht einen sehr langen Atem, man sieht es nicht immer unmittelbar. Es kann zum Beispiel sein, dass man unterwegs dreimal verliert bis man endlich gewinnt. Es braucht manchmal einen ziemlich langen Atem. Gerade im…, wenn die Politiker mitreden. Dann haben sie gewisse…, die einfach so gehen. Und darum braucht es viel Ausdauer.“ Und Vertrauen, dass es zu einem guten Ende kommt: „Auch bei schlimmsten beruflichen Situationen, da hab ich immer das Vertrauen, dass ich da wieder herauskomme.“ Die Persönlichkeitseigenschaft Selbstsicherheit (hier synonym gebraucht mit Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein) wurde zahlreich angesprochen: „Klar ist es gut, wenn etwas läuft und wenn man etwas bekommt und man hört von jemandem, das hast du gut gemacht. Das ist schön. Aber bei diesem Job, den ich hier habe, ist das relativ selten. Und mir ist das auch nicht so wahnsinnig wichtig. Ich weiss eigentlich, dass ich es gut mache.“ Durch Selbstsicherheit kann gelassener auf einen Misserfolg oder auf Schwierigkeiten reagiert werden: „Das Wissen darum, dass ich das kann, dass mir eigentlich nichts passiert, da habe ich letztlich sehr viel Sicherheit….“ Eine weitere Aussage zum Selbstwert: „Ich will damit illustrieren, man müsste früh zu einem Selbstwert kommen, der einem in die Lage versetzt, den anderen das zu zumuten, was man ihnen eigentlich zumuten kann. Im Grunde genommen ist das eine Selbstwerdungsübung. Wenn du einer geworden bist, den du
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brauchen kannst, dann funktioniert es. Und wenn du eine „zerschüttete“ Person bist, dann geht alles nicht.“ Oder: „Der Selbstwert geht durch alles hindurch.“ Oft steht diese Persönlichkeitseigenschaft in engem Zusammenhang mit der Berufserfahrung. Durch Erfahrung gewinnt man an Selbstsicherheit. Trotz der inhaltlichen Nähe zur Ressource Erfahrung wurden eindeutige Aussagen zu Selbstsicherheit in Verbindung mit der Arbeitstätigkeit unter dieser Ressource separat aufgeführt. In den folgenden Rückmeldungen wird Selbstsicherheit explizit in den Zusammenhang mit der Berufserfahrung gestellt: „Ja, durch Erfahrung und damit auch das Selbstvertrauen zu wissen, dass ich immer noch ein bisschen mehr erreiche.“ Oder: „Die Selbstsicherheit ist enorm gestiegen gegenüber früher. Ich meine nicht, dass es Arroganz ist, sondern Selbstsicherheit in einem Vertrauen, dass die Sachen schon nicht so saublöd arrangiert sind, wie man manchmal in den schlimmsten Träumen annimmt. Und diese Selbstsicherheit, das hat auch etwas mit Ruhe zu tun. Es gibt eben auch beim Antriebsmotor ein anders Fundament, das ist eigentlich ein Widerspruch in sich, das ist die Antriebsruhe.“ IV.2.4.b Welche unterschiedliche Bedeutung habe diese bei Männern und Frauen? Kategorie: „Erfahrung“
Bei 87% der Männer und 50% der Frauen wird Erfahrung als positiver Aspekt angesprochen. Aufgrund der Aussagen kann für beide Geschlechter festgehalten werden, dass diese oft im Zusammenhang mit dem Begriff Selbstbewusstsein geäussert wird. Ein Unterschied ist insofern festzustellen, dass viel mehr Männer als Frauen „Erfahrung“ als Ressource nennen. Kategorie: „Soziales Netzwerk“
Auf die Frage „Wieviele Personen zählen zu ihrem innersten Kreis“, ist festzuhalten, dass bei den Männern die ausgezählten Häufigkeiten keine Auffälligkeit ergeben. Das heisst, dass etwa gleich viele Männer sagen, 1–3 Personen im innersten Kreis zu besitzen, wie 4–6 und 7–10 Personen. Nur eine männliche Person sagt, er zähle mehr als 10 Personen zu seinem innersten Kreis. Frauen zählen am häufigsten 4–6 Personen zum innersten Kreis. 57% der Männer nehmen Stellung zu Freunden und Bekannten ausserhalb des Geschäftes. Besonders oft wird über langjährige Freundschaften im Sinne auch von sozialer Kontinuität berichtet, welche einen besonderen Stellenwert besitzen: „Und dann gibt es aber auch andere, die du dann ganz bewusst pflegst. Wo ich mir sage, das gehört jetzt einfach zu meinem Leben. Das sind übrigens oft auch ältere Freude.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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Ich mache oft die Erfahrung, dass das für die Lebensqualität und vielleicht auch für die Arbeitsfähigkeit sozialen Kontinuität hast. Meine besten Freunde sind Freunde, die ich seit zwanzig, dreissig Jahren habe.“ Etwas weniger Frauen (50%) äussern sich zu einem sozialen Netzwerk ausserhalb der Arbeit. Kategorie: „Biologische Konstitution“
Zur Ressource „Biologische Konstitution“ sind keine Geschlechterunterschiede festzuhalten. Eine Frau betonte, dass sie sehr schnell regeneriere und ausserordentlich viel Energie besitze. Männer äussern sich zur gesunden Natur als Ressource und über das Energieniveau, welches bei den Personen unterschiedlich sei. Die Ressource wird gleich häufig erwähnt. Kategorie: „Persönlichkeitseigenschaften“
Von 52% der Männer und 50% der Frauen wurden diverse Persönlichkeitseigenschaften als Ressourcen festgehalten. „Neugierde“ äusserten männliche Interviewteilnehmer mehrmals. „Optimismus“ und „einen langen Atem besitzen“ wurde dagegen öfter von Frauen genannt. Viele Aussagen betreffen das Selbstbewusstsein (Selbstsicherheit). Männer äusserten sich zum Selbstbewusstsein meist im Zusammenhang mit der Arbeitserfahrung. Frauen hingegen sehen sich durch das gewonnen Selbstbewusstsein weniger verletzbar und empfänglicher für Kritik. Ein Ziel in der vorliegenden Untersuchung war es, weitere relevante Ressourcen zu finden. Vier wichtige Ressourcenkategorien wurden eruiert. Es sind dies: • • • •
Erfahrung soziales Netzwerk biologische Konstitution Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Selbstvertrauen)
Den hier zusammengefassten Ressourcen ist gemein, dass sie nicht sofort aktiv von der Person eingesetzt werden können, wie zum Beispiel die Copingstrategien, sondern sie wurden über längere Zeit erworben. Es handelt sich dabei auch nicht um bei der Arbeit erhaltene Belohnungen. Ausserdem ist festzuhalten, dass Erfahrung und Selbstbewusstsein in einem engen Zusammenhang stehen, da sie meist gemeinsam genannt wurden. Wenige, aber sehr deutliche Rückmeldungen konnten der Ressource biologische Konstitution untergeordnet werden, in dessen Inhalt besonders die Vorteile von „viel Energie be-
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IV Ergebnisse
sitzen“ zum Ausdruck gebracht wird. Aufgrund der zahlreichen Antworten zum sozialen Netzwerk wird ein weiteres Mal deutlich, welche bedeutende Rolle der Kontakt und Austausch mit anderen Menschen für das Individuum spielt. Im Geschlechtervergleich lassen sich bei den „weiteren Ressourcen“ (Erfahrung, soziales Netzwerk, biologische Konstitution, Persönlichkeitseigenschaften) nur kleine Unterschiede feststellen. Keine Unterschiede werden aufgrund der vorliegenden Datenmenge bei der Ressource „biologische Konstitution“ wahrgenommen. IV.2.5
Ergebnisse mit Antwortzitaten zur Forschungsfrage 5
IV.2.5.a Welche sind die entscheidenden Faktoren, die bei einer weiblichen oder männlichen Führungsperson zu subjektiv empfundenem Stress führt?
Aussagen zu diesem Forschungsaspekt wurden in den Interviews aufgrund der folgenden Fragen gewonnen: „Was verursacht Ihnen Stress? Welche Situationen kommen Ihnen dabei in den Sinn?“ Dabei konnten zwei Hauptkategorien gebildet werden: Private Stressoren einerseits, wie zum Beispiel in der Familie, und Stressoren bei der Arbeit andererseits. Die beruflichen Stressoren zeigen sich sehr vielfältig, was in den eruierten Unterkategorien zum Ausdruck gebracht wird: Arbeitsüberlastung, Zielkonflikt, zwischenmenschliche Konflikte, Misserfolg, Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit), Einsamkeit an der Spitze, Reisen, Verantwortung, fehlende Anerkennung, externe Tabelle 17: Kategorien der eruierten Stressfaktoren Stressoren
Kategorie
I
Private Stressoren
II
Arbeitsstressoren
– – – – – – – – – – – – –
Persönliche Probleme Familie, Umfeld Arbeitsüberlastung (quant./qual.) Zielkonflikte Zwischenmenschliche Konflikte Misserfolg Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit) Einsamkeit an der Spitze Reisen Verantwortung Fehlende Anerkennung Externe Einflüsse Geschlecht
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
141
Einflüsse und Geschlecht. Oft meldeten die befragten Personen mehrere Stressoren zurück. Keine Person nannte ausschliesslich private Stressoren. Nachfolgend werden zuerst die Ergebnisse zu den privaten Stressoren, anschliessend zu den Arbeitsstressoren beschrieben. Zum Ende folgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse und die wichtigsten Aspekte zum Geschlechterunterschied. Aus den Rückmeldungen zu den privaten Stressoren ergaben sich zwei Unterkategorien. Zu persönlichen Problemen wie zum Beispiel „gesundheitliche Beeinträchtigungen“ konnte, im Gegensatz zum Bereich der „Familie, Umfeld“, nur eine Aussage vermerkt werden. Trotzdem wurde aufgrund der inhaltlichen Andersartigkeit eine eigene Kategorie als sinnvoll erachtet. Kategorie: Private Stressoren „Persönliche Probleme“
Diese Aussage bezieht sich darauf, dass private Probleme oder gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht direkt Stressursache sind, eine Person aber anfälliger dafür macht, weitere Stressoren zu erleben: „…zu Stress führen tut es nicht, aber man empfindet Stress vielleicht eher, wenn man persönlich irgendwelche Probleme hat oder wenn man gesundheitlich angeschlagen ist.“ Kategorie: Private Stressoren „Familie, Umfeld“
Die Familie und/oder das Umfeld kann zeitweise als Stressor wahrgenommen werden, wie dies in den folgenden Rückmeldungen deutlich wird. Eine Gruppe von Stressoren bezieht sich auf die Doppelbelastung von Beruf und Familie: „Ich möchte eigentlich gerne mehr bei meiner Familie sein, aber es ist ein bisschen schwierig, das hin zu bekommen und alles unter einen Hut zu bringen.“ Oder: „…damit ist natürlich klar, dass ich da immer unter Druck stehe, dass ich meinen Ansprüchen entsprechend der Familie genügend Zeit zur Verfügung stellen kann.“ Zudem werden die erlebten Schuldgefühle, nicht allen gerecht zu werden, auch als stressend erlebt: „Die Frage von Schuldgefühlen kommt natürlich schon. Und das ist sicher etwas gewesen, was mich auch belastet hat. Vor allem wenn ich gesehen habe, dass sich ein Kind eine Weile lang im Leben schwer getan hat. Dabei stellt sich die Frage der Mitbeteiligung. Das ist vielleicht als Mutter immer ein Thema. Aber da hat es handfeste Möglichkeiten gegeben, wo man sich das hat fragen können. In einem Teil ist es wahrscheinlich so gewesen. Das muss man gar nicht schönreden. Es hat alles seine Schattenseiten. Und so ein Engagement in einem beruflichen Leben hat auf den privaten Teil seine Schattenseiten. Anders ist das gar nicht möglich.“ Für viele Personen sind Schwierigkeiten im privaten Umfeld mindestens genauso belastend wie im Beruf: „Das ist einfach so. Die [beruflichen Probleme] sind für mich auf jeden Fall weniger belastend als diejenigen im privaten Umfeld. So unerledigte private Situationen sind für mich fast schwieriger.“
142
IV Ergebnisse
Private und berufliche Probleme können sich gegenseitig beeinflussen: „[Stress ist,] wenn im Privatleben verschiedene Sachen laufen, die einen sehr starken Einfluss haben und die einen dann sehr stark ablenken von der Arbeit.“ Eine weitere Führungskraft meint: „Was ich auch bemerke, ist, dass das, was ausserhalb der Arbeit passiert, auch die Arbeit belastet. Ich habe immer das Gefühl gehabt, das muss man irgendwie trennen können. Das kann ich nicht. Ich weiss nicht, wie andere damit umgehen. Bei mir wirkt sich das auf das Arbeiten aus.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Arbeitsüberlastung (quantitativ/qualitativ)“
Viele Rückmeldungen galten der hohen Arbeitsbelastung (quantitativer/qualitativ): „[Stress ist]…die Spitzenbelastung, wie in einem Restaurant, wenn alle um acht Uhr kommen und essen wollen.“ Eine weitere Person meint dazu: „Stress kann ich erleben, wenn ich über die verschiedenen Medien, persönliches Gespräch, Telefon, Email, zwei drei Stunden erlebe, wo einfach alles gleichzeitig kommt und sich dann vorne so eine Bugwelle aufbaut, die immer grösser wird.“ Unter der quantitativen Arbeitsbelastung werden die hohe Präsenz und zu viel Arbeit in relativ kurzer Zeit verstanden: „Stress macht mir, wenn ich morgens ins Büro komme und 120 Emails habe. Ich habe abends um sieben das letzte Mal reingeschaut und trotzdem sind es wieder 120. Das passiert gelegentlich. Das verursacht Stress, weil man zeitlich berechnen kann, dass man mindestens eine Stunde braucht, das zu regeln und man dann auf nichts wirklich tiefgründig reagiert hat. Das finde ich anstrengend.“ Oder: „Zum Teil ist es, wenn die Termine zu dicht gestaffelt sind und wenn man dann einen Termin überzieht. Dann ist man zu spät beim nächsten. Dann kommt man schon zum nächsten mit einem schlechten Gewissen rein. Und dann versucht man das auszugleichen, indem man diesen Termin auch überzieht. Und dann kommt man wieder in den nächsten rein. Man hetzt sozusagen den ganzen Tag hinter seinen Ansprüchen hinterher. Das ist schon stressig.“ Dies hat zur Folge, dass die Konzentration auf eine Arbeit nur bedingt möglich ist. In den Rückmeldungen wird die „Dauerpräsenz“ aufgrund der zahlreichen Arbeitsstunden, ausgebuchten Terminkalender, Ausfall von Mittagessen und Pausen im Arbeitsalltag besonders deutlich: „Wenn man drei Wochen lang jeden Abend ein Nachtessen hat, jeden Abend erst um halb zwölf nach Hause kommt und am Wochenende auch noch. Dann wird es manchmal viel.“ Diese Dauerpräsenz zeigt sich auch, indem wenig Zeit für private soziale Kontakte bleibt und auch an den Wochenenden und im Urlaub gearbeitet werden muss: „Und wenn man mit schwierigen Themen während des Urlaubs buchstäblich belästigt wird. …da reicht alle zwei Tage ein Anruf. Das reicht, um den gesamten Urlaub buchstäblich kaputt zu machen.“ Mit Arbeitsbelastung qualitativer Art sind der hohe Leistungsdruck und die hohen Anforderungen (z. B. Umgang mit schwierigen komplexen Situationen) im
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
143
beruflichen Geschehen gemeint: „Ich bin extrem ausgelastet, in diesem Sinne auch belastet mit schwierigen Situationen, mit herausfordernden Situationen.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Zielkonflikte“
Unter dem Stressor „Zielkonflikt“ werden innere Konflikte beschrieben. Die Person muss gegen ihre persönliche Natur handeln, weil es die Position oder das Unternehmen (Firmeninteresse) verlangen: „Du bist nicht unabhängig von jemandem und auch nicht direkt durch deine Leistung. Du musst ihnen gefallen. Wie gefällst du denen? Du musst raushören, was diese gerne hören. Das ist leider so. Das ist nicht Korruption, aber wenn Du in einer Firma durchkommen willst, dann musst Du dieses Lied singen…. Und insofern hast Du einen Stressfaktor, da das, was Ihnen gefällt, und das, was Dir gefällt, vielleicht nicht übereinstimmend ist. Und wenn der Widerstand zu gross ist, dann kann es explodieren.“ Auch bei Entlassungen wird der innere Konflikt zwischen sozialer Gesinnung und Firmeninteresse deutlich, indem die bevorstehende Kündigung eines Mitarbeiters als unmenschlich und dennoch als notwendige Massnahme empfunden wird. „Es hat ein paar Situationen gegeben, vielleicht fünf, sechs, wo ich wirklich massiv auf jemanden habe Druck machen müssen. In denen ich gewusst habe, das ist meine Pflicht, ich muss das machen. Man wird dann von aussen zum Teil mit Vorwürfen konfrontiert. Die gleichen Vorwürfe würden aber auch kommen, wenn man es nicht machen würde.“ Weiter innere Konflikte werden in Bezug auf die verschiedenen Rollen, als Mutter, Partnerin und Berufsfrau, erlebt und deren Prioritätensetzung (vgl. private Stressoren/Familie,Umfeld): „…aber dann auch zeitlich, natürlich dieses ganze Gleichgewicht. Ich habe eine Familie, ein kleines Kind und eine Partnerschaft. Da ist es immer ein Suchen, wo setze ich die Priorität. Das ist das, was mich im Moment stresst.“ Kategorie: Arbeitsstressor „externe Einflüsse“
Externe Einflüsse als Stressoren gehören auch in die Gruppe der grössten Arbeitsbelastungen. Ähnliche Aspekte werden auch in der Kategorie „Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit)“ aufgeführt. Unter dieser Kategorie werden aber ausschliesslich stresserzeugende Situationen zusammengefasst, welche durch Medien, Politik und Öffentlichkeit entstanden: „Grosser Stress ist für mich Öffentlichkeit. Schon die Tatsache, auf einer öffentlich sichtbaren Bühne zu sein, ist für mich Stress, der dann noch durch die Unmöglichkeit verstärkt wird, jetzt rede ich tendenziös, in der Öffentlichkeit einen wirklichen Dialog zu führen.“ Insbesondere dieses „Ausgeliefertsein“ wird mehrmals als Stressaspekt erwähnt: „Wenn sie mal Teil einer öffentlichen De-
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IV Ergebnisse
batte sind, dann läuft sie nicht mehr nach Argument und Gegenargument, sondern sie läuft in einem Irrationalen, das von den Medien diktiert wird und nicht von ihnen.“ Besonders Angriffe auf der persönlichen Ebene belasten: „Dann habe ich vierzehn Tage lang meinen Ruf verteidigt.“ Und eine weitere Spitzenführungskraft meint: „…da hat man am Sonntagmorgen gefürchtet, die Sonntagszeitung auf zu tun. Da sind ganz unschöne Sachen dringestanden.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Misserfolg“
Viele der Befragten beschreiben „Misserfolg erleben“ bzw. „das Nichterreichen von Zielen“ als Stressor. Dies ist insofern logisch, als Erfolg eine wichtige Ressource darstellt. Zudem wurde oft das Streben nach Erfolg als Lebensprinzip (vgl. Kp. IV.2.1, Ressource „Innere Sinngebung“) genannt. Unter Misserfolg werden besonders Situationen erwähnt, in denen eigenen Erwartungen oder Erwartungen von anderen nicht erfüllt werden können: „Einerseits wenn man merkt, dass man Erwartungen nicht erfüllen kann. Wenn die Kundenerwartungen zum Beispiel nicht erfüllbar werden, wenn es von dort her einen Druck gibt.“ Oder wie diese Führungskraft beschreibt: „Ich habe eine gewisse Erwartung von mir an die Arbeit. Seien es Entscheide, die ich fällen muss, sei es, dass ich etwas selbst erarbeiten muss, indem ich Analysen mache. Wenn ich das nicht so machen kann, wie ich mir das vorstelle, das stresst mich am meisten. Das hat aber auch damit zu tun, dass meine Erwartungen sehr hoch sind.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Zwischenmenschliche Konflikte“
Verschiedene Aussagen konnten unter dem Stressor „Zwischenmenschliche Konflikte“ subsummiert werden. Soziale Kontakte (gutes Arbeitsklima) gelten einerseits als eine wichtige ideelle Belohnung, andererseits können sie als Belastung wahrgenommen werden: „Das ist, wenn es unter den Leuten nicht gut geht. Wenn man im Team ein Problem hat, wenn man mit einem Mitarbeiter ein Problem hat, wenn man…, das sind die Stressfaktoren. Es ist die zwischenmenschliche Problematik, die sie laufend immer wieder haben.“ Eine weitere Person meint dazu: „Stress ist nur ein Symptom von Unangemessenheit. Es geht dabei primär um personelle Spannungen.“ Solche Situationen werden auch mit mehreren Jahren Berufserfahrung als schwierig empfunden: „Ich finde, die personellen Probleme im Führungsalltag sind immer das am meisten Belastende. In all diesen Jahren finde ich das am schwierigsten, geht es oder geht es nicht mehr.“ Konkret gemeint sind Probleme mit Mitarbeitenden, Konflikte im Arbeitsteam oder personelle Aufgaben. Besonders Entlassungen von Mitarbeitern belasten sehr stark: „Mühsame Leute, mühsame Kollegen, mühsame Situationen mit Leuten. Ich
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
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habe das in letzter Zeit immer wieder gehabt. Man hat gewusst, da muss man sich wahrscheinlich von jemandem trennen. Man weiss nicht, ob man soll. Das ist ein extremer Stress. Wahrscheinlich der grösste, vor allem von dem Moment an, in dem man zu zweifeln beginnt, bis zum Moment, in dem man sagt, jetzt müssen wir uns trennen.“ Weiter wird aufgeführt: „Vielfach sind es nicht die üblichen Aufgaben nach unten, das Managen nach unten, was zu Stress führt. Die schlimmsten Sachen, die dort passieren können, sind im zwischenmenschlichen Bereich. Indem man Entscheide fällen muss, von denen jemand betroffen ist, sprich zum Beispiel eine Entlassung. Das beschäftigt mich schon. Dann muss man einen guten Glauben haben an das, was man macht, dass es richtig ist. Sonst bringt einen das um. Und solche Sachen wiederholen sich immer wieder im Geschäftsleben. Je nachdem, ob man in der Karriere vorwärts macht. Dann wird es eine andere Stufe, aber es ist die gleiche Frage im Grundgehalt, die immer wieder kommt.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Geschlecht“
Drei Viertel der Frauen (75%) betrachtet ihre Rolle als weibliche Spitzenführungskraft in der Zusammenarbeit mit Männern mehr oder weniger als Belastung: „Ganz eindeutig mit den Männern in den Sitzungen. Es ist wirklich ganz eindeutig. Aber natürlich nicht mit Männern, die mir untergeben sind, das geht noch, aber mit denjenigen, die auf gleicher Ebene sind oder meinen, sie müssen befehlen. Ganz eindeutig. Das ist der grösste Stressfaktor.“ Insbesondere gehören zu diesen Schwierigkeiten, dass in solchen Positionen die Frauen in der Minderheit sind und ihre Akzeptanz nicht gewährleistet ist: „Ja, ich bin die einzige Frau. Die Männer schliessen sich relativ schnell zusammen und sind sich relativ schnell einig, dass man irgendwie schwierig ist. Die tun sich auch schnell zusammen bei Geschäften, die schwierig sind.“ Eine weitere Frau berichtet dazu: „Natürlich gibt es Situationen, wo ein Mann einen blöden Spruch macht. Mir hat schon einer gesagt: „Rasieren Sie mit BRAUN oder PHILIPS?“ Und dann sagte ich: „Wie bitte!“ Dann sagte er: „Mit was rasieren Sie die Haare auf den Zähnen?“ Zudem werde einer weiblichen Führungskraft oft weniger zugetraut: „Vielleicht noch die Frage, inwieweit traut man den Frauen solche Kaderfunktionen zu. Das ist schon meine Erfahrung, dass man das den Frauen klar weniger zutraut und auch viel kritischer immer wieder diese Autoritätsfrage stellt. Das kann eine zusätzliche Belastung sein. In diesem Bereich stelle ich immer wieder fest, dass man Autorität dem Männlichen zuordnet und nicht dem Weiblichen. Und es ist eine grosse Herausforderung, die eigene Weiblichkeit zu behalten und gleichzeitig eine Kraft zu entwickeln, dass man dem eine Antwort geben kann.“ Diese Tatsache führe ausserdem dazu, dass die Frauen kompetenter sein müssen: „Aber es ist schon viel brutaler, wenn man sich als Frau in einer Männerwelt behaupten will. Man muss kompetenter sein, man muss sich besser durchsetzen können, man
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IV Ergebnisse
muss brillant sein im schnellen, linearen Denken, sich ausdrücken. Ich glaube, das ist ganz eindeutig.“ Weiter meint eine weibliche Führungskraft dazu: „Einer hat bei Verhandlungen gesagt: „Ah, kochen können Sie auch. Also, eine gescheite Frau und kochen können Sie auch?“ Und ich habe gesagt: „Ich schon, Sie auch?“ Dann ist es sofort vorbei gewesen. Natürlich kann man sagen, solche Situationen oder Sachen, darf man nicht allzu ernst nehmen.“ Zudem müsse man sich immer wieder aufs Neue beweisen: „Sie muss in vielerlei Hinsicht noch beweisen, dass sie es auch kann. Das ist schon ein bisschen so. In der Zwischenzeit bekomme ich das nicht mehr zu spüren. Aber jedes Mal, wenn ich wieder eingestiegen bin, dann haben irgendwelche Vorgesetzte das Gefühl, kann die das oder kann die das nicht? Und irgendwann kommt das Feedback, ja, ich habe mich getäuscht, ich bin überrascht. Und das ist eigentlich komisch. Warum soll ich das nicht gleicht gut können, wie ein Mann es kann?“ Eine Frau sagt, ihre Rolle als Frau bedeute nicht direkt Stress. Sie gehe aber davon aus, dass manches als Mann leichter zu handhaben wäre: „Nein, es gibt Situationen, in denen ich denke, es wäre leichter, wäre ich ein Mann. In gewissen Situationen gehört man nicht ganz dazu. …man hat das Gefühl, das passiert, weil man eine Frau ist. Aber das ist nicht Stress.“ Zusammenfassend sind die Aussagen so zu verstehen, dass Frauen vermehrt in Frage gestellt werden, einer anderen Wahrnehmung bzw. Beurteilung unterliegen, einer „weiblichen“ Meinung weniger Gewicht beigemessen wird und sie zugleich in ihrer Leistung besser sein sollten, um die gleichen beruflichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen zu erhalten. Kategorie „Verantwortung“
Als Belastung wurde von einigen befragten Personen die grosse Verantwortung erwähnt, welche als Führungsperson allein getragen werden muss. „Wenn die Verantwortungsfragen kommen, dann heisst es dann nicht mehr, das ist der „Primus inter Pares“, sondern dann kommt dann die ganze Verantwortung in voller Wucht auf einen zu.“ Insbesondere bei schwierigen und wichtigen Entscheiden bekommt eine Führungskraft die Last der Verantwortung zu spüren: „…am Schluss sind sie ganz alleine. Wir haben … einen Fall gehabt. Wir haben eine grössere … machen wollen. Ganze Stäbe von Beratern und Leuten haben sich das angeschaut. Wir haben gigantische Sitzungen gehabt und Stösse von Papier gebracht und Verhandlungen geführt. Und irgendwann sind wir zum Schluss gekommen, irgendetwas stimmt nicht an diesem Fall. Aber niemand in dieser ganzen Traube von Leuten hat sich getraut, das so zu formulieren. Wir sind auf dem falschen Weg, die ganze Maschine stopp und zurück. Dann sind sie ganz alleine und können mit niemandem reden. Sie haben den Input von der ganzen Welt gehabt, von den besten Spezialisten. Aber diesen Entscheid [zu treffen], sich mit dem auseinander zu setzen und sich dabei sicher sein, si-
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
147
cher, das sind sie nie, und dann den Entscheid trotzdem tragen, da sind sie absolut alleine. Sie haben laufend solche Situationen. Das ist Stress. In diesen Momenten, bevor sie den Entscheid treffen, wenn sie wissen, jetzt habe ich tatsächlich nur noch eine Stunde, dann muss es fallen.“ Bei den folgenden vier Stressoren konnten, im Gegensatz zu den anderen Stressorkategorien, jeweils nur wenige Aussagen erhoben werden. Da aber mindestens zwei oder mehr thematisch zur selben Kategorie gehörende Interviewantworten vorkamen, wurden jeweils eigene Kategorien gebildet. Kategorie „Einsamkeit an der Spitze“
Als Spitzenführungskraft in einer Institution oder in einem Unternehmen hat man kaum weitere Personen in der gleichen Position und keine Personen auf einer übergeordneten Hierarchieebene: „Wenn es übergeordnet ist, dann ist es sehr einsam. Wenn man zuoberst an der Spitze ist, dann hat man nicht einen Sparringpartner oder was auch immer, …, dann hat man links und rechts niemanden und man hat auch oben niemanden. Es ist recht einsam.“ Diese Tatsache führt dazu, dass ein gleichberechtigter und somit offener Austausch fehlt: „Und sonst ist es so, dass natürlich dieser Job relativ einsam ist, weil ich nicht mit Leuten reden kann, wie findest du das, wie findest du jenes.“ Oder: „Es gibt in Extremfällen Situationen, wo sie am Schluss selbst [schauen müssen], wo das Problem am Schluss bei Ihnen ist. Und Sie können nicht mehr vorwärts oder zurück. Sie können weder delegieren, sie können es aber auch nicht besprechen. Sie können auch nicht mit Drittpersonen reden, weil diese zu wenig nahe dran am Problem sind. Sie können eine Meinung holen. Es gibt Situationen, in denen sie total alleine sind.“ Kategorie „Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit)“
Unter diesem Stressor werden Situationen beschrieben, die von den Führungskräften nicht vollständig kontrolliert werden können. Die Fremdbestimmung ist vorhanden, indem sie nicht einfach handeln können, wie sie es für richtig halten oder sie sich aufgrund der gegebenen Voraussetzungen nicht durchsetzen können: „Es gibt Situationen, dass Du unter dringendem Handlungsbedarf stehst und etwas dringend machen musst, und gleichzeitig lässt man ich nicht, weil es aus irgendwelchen Gründen nicht geht. Und das ist so ein rasender Stillstand. Das finde ich eine relativ unangenehme Situation.“ Die Fremdbestimmung zeigt sich aber auch in der mangelnden Verfügbarkeit der eigenen Zeit: „Die Fremdbestimmung wird eigentlich immer grösser, je höher die Position, weil alle Ansprüche haben an die Zeit und an die Verfügbarkeit.“
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
149
empfunden wird. Damit ist das soziale Prestige gemeint, sich in einem bestimmten Umfeld zu bewegen, in dem bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden sollen, um akzeptiert zu sein. Frauen thematisieren besonders oft die Rolle als Familienfrau und die Schwierigkeiten, „alles unter einen Hut zu bringen.“ Dabei werden Schuldgefühle, nicht allem gerecht zu werden, auch als Stressor erlebt. Zudem wird geäussert, dass sich private Probleme auf die Arbeit auswirken würden. Kategorie: Arbeitsstressor „Arbeitsüberlastung (quantitativ/qualitativ)“
Am Stressor „Arbeitsüberlastung (qualitativ/quantitativ)“ ist für die Männer besonders der Zeitdruck (zu viele Termine in zu kurzer Zeit) und die grosse Präsenz problematisch. Belastend ist zudem die Erreichbarkeit „rund um die Uhr“, auch in den Ferien. Ausserdem werden die hohen Leistungsstandards und der Druck, konstant eine gute Leistung zu zeigen, als belastend erlebt. Frauen empfinden die grosse Präsenz und der Zeitdruck gleichermassen als belastend. Qualitative Aspekte benennen sie direkter als die Männer, etwa die fachliche Überforderung und schwierige Situationen mit hohen Anforderungen. Im folgenden Zitat wird dies deutlich: „Mir hat es nicht gefallen, als ich neu Managerin geworden bin. Das ist gewesen, als ich etwa acht Jahre im Beruf war und nicht mitgekommen bin. Ich bin fachlich komplett überfordert gewesen. Ich bin zu schnell befördert worden.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Zielkonflikte“
Folgende „Zielkonflikte“ werden von den Männern genannt: Konflikte zwischen eigenen Interessen und denjenigen der Firma, zwischen jenen der Gewerkschaften und jenen der Unternehmung. Dabei handelt es sich hauptsächlich um inhaltliche Zielkonflikte an der Arbeit. Frauen berichten mehr von Zielkonflikten in Verbindung mit dem privaten Umfeld. Darüber hinaus wird zu Rollenkonflikten Stellung genommen, wobei Frauen viel häufiger in emotionale Konflikte geraten als Männer. Einen inhaltlichen Zielkonflikt erleben insbesondere weibliche Spitzenführungskräfte, wenn zu viele Themen gleichzeitig nebeneinander existieren: „…dass es zwischendurch schmerzlich gewesen ist, dass manchmal zu wenig Zeit blieb. Ich denke, die Kinder haben an die Mutter einen Wunsch, was ein völlig legitimer Wunsch ist, dass diese Mutter da ist und zwar dann, wenn man das Bedürfnis hat und nicht irgendwie theoretisch und abstrakt oder so schnell im Sinne von „du hör, ich muss gerade wieder gehen“. Das hat immer etwas Zurückweisendes oder etwas Verletzendes. Das kann man intellektuell verstehen, aber das heisst nicht, dass man das emotional toll findet.“
148
IV Ergebnisse
Kategorie „Reisen“
Die übermässige Reisetätigkeit wird als Stressfaktor wahrgenommen. Dabei wirkt nicht in erster Linie die Reise selbst stresserzeugend, sondern deren negativen Auswirkungen. Durch die vielen Wartezeiten am Flughafen, kann nicht wie gewünscht produktiv gearbeitet werden. Diese unproduktive Zeit führt zu aufgeschobenen Arbeiten, die nach der Rückkehr zu Zeitdruck führen können: „Wenn man innerhalb von einer Woche vier Flüge an acht bis elf Stunden hat, das ist Stress.“ Kategorie „Fehlende Anerkennung“
Die befragten Spitzenführungskräfte agieren auf oberster Hierarchieebene. Daher „fehlt“ oft eine weitere Person auf derselben Führungsebene oder eine übergeordnete Führungskraft oder Instanz, die Rückmeldung in Form von Anerkennung geben könnte: „Es sind wenige, die den Überblick haben. Von denen hört man das manchmal, oder ein „Danke“. Manchmal merkt man es im Zusammenhang mit anderen Schulen oder so, wenn es gut ist.“ In der Beziehung zu den Mitarbeitern der unteren Hierarchieebenen existieren Abhängigkeiten. Daher kann die Spitzenführungskraft von dieser Seite nicht von einem neutralen und ehrlichen Feedback ausgehen: „Wenn Sie eine Leitungsfunktion haben, dann müssen Sie selbst sagen, was richtig und was falsch ist. Ihre Mitarbeiten tun Sie schonen oder Ihnen Lob geben, weil sie sich mit Ihnen natürlich gut stellen wollen.“ IV.2.5.b Unterscheiden sich Frauen von Männern hinsichtlich ihrer erlebten Stressoren? Kategorie: Privater Stressor „Persönliche Probleme“
Zu den persönlichen Problemen werden im Zusammenhang mit Stressoren keine Aussagen der männlichen Teilnehmer notiert. Nur eine Frau spricht ein gesundheitliches Problem an, welches als Stressor erlebt wird. Es können daher keine validen Aussagen gemacht werden. Kategorie: Privater Stressor „Familie, Umfeld“
Männer nennen die Familie zwar oft als Ressource, gleichzeitig stellt diese eine Belastung dar, auch wenn keine grösseren familiären Probleme vorhanden sind. Allein schon die Tatsache, den zeitlichen Ansprüchen zu genügen, wird als Stressor erlebt. Für Männer sind zudem private Probleme oftmals schwieriger als berufliche Probleme. Eindrücklich wird dokumentiert, dass der soziale Druck auch als Belastung
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IV Ergebnisse
Kategorie: Arbeitsstressor „Externe Einflüsse“
Männliche Interviewteilnehmer berichten über Politik, Gewerkschaft, Verwaltungsrat und Öffentlichkeit. Allgemein wird es als schwierig empfunden, wenn sich jemand einmischt, der „nichts von der Sache“ versteht. Frauen dagegen nennen selten externe Stressoren. Kategorie: Arbeitsstressor „Misserfolg“
Sehr viele Spitzenführungskräfte erwähnen „Misserfolg“ als Stressor. Berichtet wird dabei von schlechten Ergebnissen aufgrund eines Börsensturzes: „Wenn es gewisse Entwicklungen gibt, wie an der Börse kürzlich. Dass man da natürlich sofort beginnt zu rechnen, ja wie könnte das aussehen, was passiert, wenn wir 25% runtergehen, wie sieht der Jahresabschluss aus.“ Oder es fallen Sätze wie „ungeplanten Hindernisse, die sich plötzlich auftun“, „wenn es nicht so läuft, wie man denkt“, „wenn Erwartungen nicht erfüllt werden können“ und „wenn etwas misslingt, dass die eigene Stufe erreicht“. Belastend ist zudem, wenn andere nicht dieselbe Auffassung von der persönlichen Leistung besitzen. Frauen berichten von Misserfolgserlebnissen in Verbindung mit Kunden und öfters im Zusammenhang mit der eigenen Leistungsunzufriedenheit, wie die folgenden Zitate zeigen. Dabei gehen sie stärker auf die eigene Unzulänglichkeit ein als die Männer: „Es ist für mich ein bisschen stressig, weil ich mit mir selbst noch nicht zufrieden bin. Ich habe mir selbst hohe Ziele gesteckt und die habe ich persönlich noch nicht erreicht.“ Eine weitere weibliche Führungskraft meint dazu: „Wenn ich etwas nicht so machen kann, wie ich mir das vorstelle. Das stresst mich am meisten.“ Kategorie: Arbeitsstressor „Zwischenmenschliche Konflikte“
Stellungnahmen zu den „zwischenmenschlichen Konflikten“ sind bei den Männern zahlreicher zu verzeichnen. Als Konflikte werden besonders Probleme mit den Kunden oder Mitarbeitern und Schwierigkeiten bei Entlassungen berichtet. Konflikte mit hohem emotionalem Gehalt werden als belastender erlebt. Wie auch bei den Männern, erfahren Frauen zwischenmenschliche Konflikte, besonders im Umgang mit Mitarbeitenden, als belastend. Zusätzlich genannt werden Wertschätzungsprobleme und Schwierigkeiten im Umgang mit Mobbing. Unabhängig vom Geschlecht ist festzustellen, dass zwischenmenschliche Differenzen eine grössere Belastung bedeuten als zum Beispiel fachliche Probleme. Kategorie: Arbeitsstressor „Verantwortung“
Hier sind zwischen Männer und Frauen keine relevanten Unterschiede zu verzeichnen.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
151
Kategorie Arbeitsstressor „Einsamkeit an der Spitze“
Unter diesem Stressor wird von männlichen Teilnehmern der fehlende Austausch als Belastung aufgeführt. Auch Frauen sehen die Einsamkeit an der Spitze darin, dass ein Sparringpartner fehlt und Entscheide nicht mitgetragen werden. Zwischen den Geschlechtern sind keine gravierenden Unterschiede zu verzeichnen. Kategorie: Arbeitsstressor „Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit)“
Spezifisch belastende Faktoren bei der „Fremdbestimmung“ von Seite der Männer ist zum Beispiel die Politik, welche schon im Zusammenhang mit externen Faktoren genannt wurden. Darüber hinaus werden genannt: keine Kontrolle, keine Beeinflussung zum Beispiel über die Tageseinteilung, keine Vorhersehbarkeit von Ereignissen und die allgemeine Beeinflussung im Geschehen durch andere. Die Frauen berichten in einem vergleichbaren Zusammenhang über die mangelnde persönliche Tageseinteilung und unerwartete Ereignisse. Hier sind kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verzeichnen. Kategorie: Arbeitsstressor „Reisen“
Ein Mann äussert sich zum Stressor „Reisen“, insbesondere die Zeitverschiebung und der daraus entstandene Jetlag wird als belastend empfunden. Frauen haben diesbezüglich keine Angaben gemacht. Es können daher keine validen Aussagen generiert werden. Kategorie: Arbeitsstressor „Fehlende Anerkennung“
Hierzu wurde jeweils eine Aussage festgehalten. Dabei konnten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. In den Interviews wurden zahlreiche Stressoren eruiert und unterschiedlich bewertet. Viele Rückmeldungen zu privaten Stressoren finden sich im Bereich von Familie und Umfeld. Bei der Arbeit wurden insbesondere Arbeitsüberlastungen (quantitativ und qualitativ) sowie Zielkonflikte aufgrund der zahlreichen Aussagen als „Hauptstressoren“ ins Zentrum gerückt. Insgesamt konnten 11 Kategorien zu den Stressoren am Arbeitsplatz gebildet werden. Im Geschlechtervergleich kann zusammenfassend festgehalten werden, dass bei den Männern viele Aussagen zu den Stressoren „Arbeitsüberlastung“, „Zielkonflikte“ und „zwischenmenschliche Konflikte“ zu verzeichnen sind. Auch für die Frauen ist die Arbeitsüberlastung der grösste Stressfaktor. Bereits an zweiter Stelle, im Unterschied zu den Männern, wird Misserfolg als Stressor ge-
152
IV Ergebnisse
Tabelle 18: Häufigkeitsauswertung10 der Stressfaktoren bei den Männern Rang
Stressfaktor
Anteil
1. 2.
Arbeitsüberlastung (quantitativer/qualitativer Art) Zielkonflikte Zwischenmenschliche Konflikte Misserfolg externe Einflüsse Verantwortung Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit) Einsamkeit an der Spitze Reisen Fehlende Anerkennung
65% 57% 57% 52% 44% 30% 26% 17% 13% 4%
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Tabelle 19: Häufigkeitsauswertung11 der Stressfaktoren bei den Frauen Rang
Stressfaktor
Anteil
1. 2. 3.
Arbeitsüberlastung (quantitativer/qualitativer Art) Misserfolg Verantwortung Zielkonflikte Zwischenmenschliche Konflikte externe Einflüsse Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit) Fehlende Anerkennung Reisen
69% 44% 31% 31% 31% 25% 19% 6% –
4. 5. 6. 7.
nannt. Gemeinsam ist beiden Geschlechtern, dass das Reisen und die fehlende Anerkennung im Vergleich zu den anderen Stressfaktoren nicht oder selten angesprochen wurden. Da das Geschlecht als Stressor zusätzlich erfragt wurde, ist dieser nicht in der Rangfolge aufgeführt. Gesamthaft betrachtet ist festzustellen, dass Männer und Frauen dieselben Stressfaktoren erleben und sich diesbezüglich keine erheblichen Geschlechterunterschiede zeigen. Auch die Relevanz der Stressoren im Vergleich (siehe Rangreihen10
Auszählung der Stellungnahmen pro Kategorie (24 Männer = 100%), Mehrfachnennungen möglich. 11 Auszählung der Stellungnahmen pro Kategorie (16 Frauen = 100%), Mehrfachnennungen möglich.
IV.2 Ergebnisse der Interviewanalyse
153
folge) unterscheidet sich wenig. Bei den Stressfaktoren „Fremdbestimmung“, „Einsamkeit an der Spitze“, „Verantwortung“, „fehlende Anerkennung“, „externe Einflüsse“ sind gemäss inhaltlicher Analyse keine Unterschiede zwischen Männer und Frauen eruiert worden. Unterschiede in den Stellungnahmen zu den einzelnen Stressoren konnten in sechs Stressorenthemen notiert werden: • Private Stressoren (Familie, Umfeld): Frauen betonen viel öfters den Rollenkonflikt zwischen Familienfrau und Führungskraft. In diesem Zusammenhang wird von Schuldgefühlen berichtet und der Stress „nicht alles unter einen Hut zu bringen“. Männer dagegen sagen seltener etwas zu Themen wie Doppelrolle, Doppelbelastung oder Schuldgefühle. • Arbeitsüberlastung: Frauen äussern sich viel direkter und im Verhältnis häufiger zur qualitativen Arbeitsüberlastung. Dabei werden direkt die grosse Belastung durch schwierige Situationen und hohe Anforderungen genannt. Eine Einzelaussage bezieht sich auf eine Überforderungssituation. • Zielkonflikte: Im Zusammenhang mit dem Stressor „Zielkonflikte“ werden bei Frauen öfter Rollenkonflikte zwischen Familie und Arbeit angesprochen (vgl. private Stressoren/persönliche Probleme), während Männer Zielkonflikte rund um die Arbeit nennen. • Zwischenmenschliche Konflikte: Beide Geschlechter berichten von zwischenmenschlichen Konflikten als Stressor. Deutlich wird bei den Frauen von Wertschätzungsproblemen berichtet, welche im Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld erlebt werden. • Misserfolg: Misserfolg wird bei den weiblichen Teilnehmerinnen öfters im Zusammenhang mit eigenen Unzulänglichkeiten aufgeführt, während bei den Männern die Ursachen für Misserfolge meist extern sind. • Geschlecht: Die Mehrheit der weiblichen Spitzenführungskräfte sieht ihr Geschlecht mehr oder weniger als belastend an, insbesondere bezüglich der gesellschaftlichen Beurteilung und ihrer Rolle als Frau, in der beruflichen Zusammenarbeit mit Männern.
V
Diskussion
V.1
Diskussion der Ergebnisse
Die vorliegende Arbeit untersucht Ressourcen bei Spitzenführungskräften in Wirtschaft und Verwaltung, die sich günstig auf die physische und psychische Gesundheit auswirken bzw. einem Burnout entgegenwirken. Einerseits geht es um Faktoren aus dem Reward-Imbalance-Modell von Siegrist (1996) wie Einkommen und Wertschätzung. Andererseits wurden weitere Faktoren im Bereich der inneren Sinngebung, der Belohnung und der Copingstrategien analysiert und einige Stressfaktoren in Erfahrung gebracht. Aufgrund der offenen Fragestellungen konnten zusätzliche Ressourcen generiert werden, welche nicht mit den erfragten Bereichen erhoben wurden und ebenfalls eine stressmindernde Wirkung besitzen. Dabei wurde im Speziellen danach gefragt, ob Männer und Frauen unterschiedliche Stressoren und Ressourcen erleben, indem sie zum Beispiel andere Copingstrategien anwenden. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse diskutiert, mögliche Erklärungsansätze generiert und zu den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Beziehung gesetzt. In einem ersten Teil geht es sich um die Ergebnisse aus der quantitativen Untersuchung, danach folgen die qualitativen Ergebnisse und zum Schluss werden Probleme und Grenzen der Studie beschrieben.
V.1.1
Diskussion der Ergebnisse der quantitativen Untersuchung
Soziale Unterstützung und sportliche Betätigung werden insofern als Ressource bestätigt, als dass sie die Variablen „Depersonalisierung“, „reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit“ und „emotionale Erschöpfung“ positiv beeinflussen. Alle drei genannten Aspekte ergeben zusammen einen sogenannten Bournoutindex im Maslach Burnout Inventory (MBI). Je höher die Werte der sportlichen Betätigung, desto tiefer sind die Werte der emotionalen Erschöpfung. Somit schützt sportliche Betätigung vor emotionaler Erschöpfung. Dieses Ergebnis deckt sich mit bereits bestehenden Forschungsergebnissen, wonach Sport eine präventive Wirkung auf das physische und psychische Wohlbefinden besitzt (Bartmann, 2005; Broocks, 2003; Lanz, 2005; Reimers, 2003). Soziale Unterstützung wirkt auf zwei der drei Dimensionen des Maslach Burnout Inventory (MBI), indem sie in einem negativen Zusammenhang mit der Depersonalisierung und der reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit steht. Soziale
156
V Diskussion
Unterstützung wirkt somit als Ressource (Antonovsky, 1979; Cobb, 1976; Fengler, 1994; Hartmann & Richner, 1997; Holahan & Moos, 1981). Zudem steht soziale Unterstützung auch in einem positiven Zusammenhang mit der Sinnhaftigkeit. Dabei geht es hier nicht um einen absoluten vorgegebenen Wert an sozialer Unterstützung, sondern um die subjektive empfundene Unterstützung, welche eine Person erfährt. Es ist möglich, dass eine Person von aussen betrachtet objektiv mehr soziale Unterstützung erhält als eine andere Person, diese Unterstützung aber trotzdem als weniger gross empfindet. Somit spielt das individuelle Gefühl, genügend soziale Unterstützung zu bekommen, eine massgebliche Rolle. Die Variable Belohnung (Einkommen, Wertschätzung, Karrieremöglichkeiten) weist keinen signifikanten Zusammenhang zu den Dimensionen des Burnout Maslach Inventory auf und kann daher nicht als Ressource bestätigt werden. Sinnhaftigkeit steht mit allen drei Dimensionen von Burnout in einem signifikant negativen Zusammenhang und wird als Ressource bestätigt (Antonovsky, 1979, 1997; Kernen, 2005; Loehr & Schwartz, 2003; Raubichaud, 2004). Darüber hinaus steht die Sinnhaftigkeit in einem positiven Zusammenhang mit der sozialen Unterstützung. Im Weiteren haben Udris & Rimann (2000) festgestellt, dass die Variablen soziale Unterstützung und Sinnhaftigkeit, als Teil des Kohärenzgefühls nach Antonovsky, in einem positiven Zusammenhang stehen. Je höher die emotionale Erschöpfung und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit, desto höher ist das Overcommitment der Person. Aufgrund dieser vorliegenden Ergebnisse zeigt sich Overcommitment als verhaltensbezogener Risikofaktor für die Gesundheit (Siegrist et al., 2004; Vrijkotte et al., 1999). Die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung bestätigen zu einem grossen Teil bereits schon vorhandene Forschungsbefunde. Die Variablen sportliche Betätigung, soziale Unterstützung, Sinnhaftigkeit werden als Ressourcen, und die negative Verhaltensweise „Overcommitment“ wird als Risikofaktor eruiert. Das bedeutet auch, dass es sich hier in Bezug auf die untersuchten Variablen, um keine aussergewöhnliche Stichprobe handelt. V.1.2
Diskussion der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung
V.1.2.1
Innere Sinngebung
„Moment, was soll der Sinn meines Lebens sein, wieso bin ich hier, wieso mache ich das alles, wieso stehe ich auf? Und auch diese Klarheit von Lebenszielen, von Engagement, wofür stehe ich am Morgen auf, wofür will ich mich einsetzen? Diese ganz kristallene Klarheit, das gibt mir Kraft.“
Unter innerer Sinngebung (Glaubenssätze) wird der Antriebsmotor bzw. die Antriebsenergie (Energie für die tägliche Arbeit) verstanden. Nur wer Sinn in der Arbeit
V.1 Diskussion der Ergebnisse
157
sieht, hat die nötige Energie, diese auch auszuführen. Sie gilt somit als Grundlage für das Erleben von Arbeitsbelastung und Belohnung. Dazu schreibt Schmid (2004) „Menschen können mit vielem Leben, aber nicht mit dem Nichts, das bei der Auflösung von Zusammenhängen zurückbleibt. Ein Leben, in dem die Erfahrung der Sinnlosigkeit überhand nimmt, da es keine Zusammenhänge mehr kennt, könnte zum Scheitern verurteilt sein“ (Schmid, 2004, S. 366). Die Bedeutung der inneren Sinngebung wird in dieser Untersuchung eruiert, indem nach Glaubensätzen gefragt wurde. Die Antworten der Personen in der untersuchten Stichprobe führen zu drei Hauptkategorien: philosophische Grundsätze, humanistische/religiöse Grundsätze und allgemeine Lebensprinzipien. Besonders viele Antworten fallen in den Bereich der „philosophischen Grundsätze“. Anhand ihrer differenzierten und ausführlichen Stellungnahmen wird erkennbar, dass sich die Führungskräfte grundlegend über ihre Rolle, über ihr Dasein im Leben und über den Sinn und Zweck ihrer Arbeit nachdenken. Die Glaubenssätze verfolgen sie mehr oder weniger bewusst. Dabei scheint bei den meisten nicht die Arbeit allein der Lebensmittelpunkt zu sein. In den Grundsätzen wie „lebenlanges Lernen“, um persönlich zu wachsen, und „Wille nach steter persönlicher Entwicklung“ wird Offenheit, Neugierde und der Wunsch nach Veränderung und Dynamik zum Ausdruck gebracht. Im Bestreben „Verantwortung für sein Leben übernehmen“ wird auch das Bedürfnis nach Autonomie deutlich. Diesen Personen ist es wichtig, genügend Handlungsoptionen zu besitzen, verbunden mit viel Abwechslung. Aus Grundsätzen wie „sich im Leben auf das Grundsätzliche besinnen“ oder „im Jetzt leben“ kann gefolgert werden, dass die Führungskräfte sich der Endlichkeit des Lebens bewusst sind. Auffällig ist zudem, dass in vielen Aussagen eine hohe „Selbstwirksamkeitserwartung“ (Bandura, 1997) bzw. ein „Selbstwirksamkeitsglaube“ zum Ausdruck gebracht wird. Damit ist die Erwartung gemeint, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich ausführen zu können. Eine Komponente dieser Selbstwirksamkeitserwartung ist die Annahme, man könne als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen. Darüber hinaus fassen Büssing und Glaser (1998) die hohe internale Kontrollüberzeugung an sich als personenbezogene Ressource auf, „die in einem engem Zusammenhang mit erlebter Selbstwirksamkeit und dem zielgerichteten Handeln steht“ (Schwarzer, 2000, zitiert nach Busch & Steinmetz, 2002, S. 393). Eine erfolgreiche Führungstätigkeit erfordert soziale Kompetenz. Diese umfasst die Fähigkeit und die Bereitschaft, mit anderen Menschen effektiv und effizient zusammenzuarbeiten und das Handeln anderer Menschen zu verstehen bzw. sich in sie hineinzuversetzen (Empathie) (Baldegger, 2007). Daher überrascht es nicht, dass sich zahlreiche Führungspersonen von „humanistischen-religiösen Grundsätzen“ leiten lassen. In diesen werden besonders ethisch-moralische Prinzipien im Verhal-
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V Diskussion
ten gegenüber anderen Personen deutlich. Diese Personen streben nach Beziehungen, die von Respekt, Toleranz und Vertrauen getragen werden. Allgemein steht das soziale Bedürfnis im Vordergrund, welche die menschliche Interaktion, das Zusammensein mit anderen und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe umfasst. Insbesondere ist es diesen Personen auch wichtig, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, indem sie sich in den Dienst von anderen stellen, sei es mit ihrer persönlichen Haltung, die sich auf die Unternehmenskultur auswirkt oder konkreten Firmen- oder Institutionstätigkeiten, die dem Allgemeinwohl zugute kommen. Die aufgeführten Lebensprinzipien, wie zum Beispiel „sich einer Sache ganz widmen“ und die Lebensmaxime der Pflichterfüllung und Disziplin sind eher pragmatischer Art und zielen darauf, die alltägliche Herausforderung leichter bewältigen zu können. Einige der befragten Personen meinen, dass diese Aspekte ihnen bereits schon in ihrer Kindheit anerzogen wurden. Bei den Spitzenführungskräften spielt die Macht nicht nur in Form von Prestige oder Status eine Rolle, sondern auch in Form gesellschaftlicher Anerkennung. Grundsätzlich fällt auf, dass die berufliche Tätigkeit für die befragten Personen in hohem Masse sinnstiftend ist und somit eine wesentliche Ressource darstellt. Dass „innere Sinngebung“ als Ressource ein Burnout verhindern kann (vgl. Loehr & Schwartz, 2003), wird gestützt durch bereits vorhandene Befunde (Antonovsky, 1987; Kernen, 2005; Loehr & Schwartz, 2003). Zudem fällt auf, dass viele der genannten Lebensgrundsätze bzw. Lebensprinzipien klare Lebensmotive beinhalten, welche bei der Frage nach der Belohnung erneut zum Ausdruck gebracht werden, wie zum Beispiel das persönliche Wachstum, Einflussnahme, Zusammensein mit anderen, Autonomie, Erfolg und Macht. Lebensgrundsätze bzw. die darin enthaltenen Motive werden als Belohnung erlebt und beeinflussen die Gesundheit positiv. In dieser Untersuchung wird in Einklang mit Loehr und Schwartz (2003) darauf geschlossen, dass die innere Sinngebung ein entscheidender Schutzfaktor vor Stresserkrankung sein kann, sofern die beruflichen Handlungen und Entscheide mit ihr in Einklang stehen (Loehr & Schwartz, 2003). V.1.2.2
Belohnungsfaktoren
„Also, es ist schön, gutes Geld, einen guten Lohn zu verdienen für alles, was ich mit Engagement tue. Meine Wahrnehmung ist, dass es eine Art Glücksgrenze gibt bei dem, was man eigentlich verdienen kann. Und das ist ja auch ganz interessant.“
Aus dieser Untersuchung geht „Belohnung“ bzw. „Belohnung erhalten“ als eine der wichtigsten Ressourcen hervor. Es ergeben sich zwei „Belohnungskategorien“: die materielle und ideelle Belohnung.
V.1 Diskussion der Ergebnisse
159
In Bezug auf die materielle Belohnung wird deutlich, dass das Salär eine direkte und indirekte positive Wirkung hat. Einerseits gilt der Lohn für sich als Belohnung, im Sinne persönlichen Prestiges. Andererseits werden die indirekten positiven Auswirkungen des Salärs sehr geschätzt, indem ein Lebensstil möglich wird, der als privilegiert gilt. Überdies werden die finanzielle Unabhängigkeit und die existenzielle Sicherheit als positive Konsequenz eines hohen Einkommens beschrieben. Demgegenüber kann ein als unangemessen empfundenes Entgelt zu einem Stressor werden, wenn also das Verhältnis von Einkommen und Arbeitsaufwand in der Wahrnehmung der Person in einem Ungleichgewicht steht. Hier wirkt die Gerechtigkeitstheorie (vgl. Kp. II.2.3.2), die davon ausgeht, dass jede Person eine persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellt und dabei die subjektive Lohnzufriedenheit der entscheidende Aspekt ist. Insgesamt besitzt der Lohn bei zwei Dritteln der Führungskräfte keinen sehr hohen Stellenwert. Deshalb geht die Autorin im Gegensatz zu anderen Studien (Kernen, 2005; Lazarus & Launier, 1981; Semmer et al., 2003) davon aus, dass das Entgelt keine relevante Ressource in der Arbeitstätigkeit darstellt. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das Resultat verzerrt wurde durch die eher geringe Zahl von Antworten und die „soziale Erwünschtheit“. Darunter versteht man die Tendenz von Befragten, ihre Antworten danach auszurichten, was innerhalb des normativen Systems ihrer Bezugswelt als sozial anerkannt und erwünscht gilt. In der Zeit, als die Interviews geführt wurden, standen die hohen Saläre der Führungskräfte in der öffentlichen Kritik. Eine weitere Erklärung für das vorliegende Ergebnis könnte sein, dass die befragten Personen über ein derart hohes Einkommen verfügen, dass dieses keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die wahrgenommene Zufriedenheit bzw. das Wohlbefinden besitzt (Frey & Stutzer, 2002). Dass ein hohes Entgelt auch ein Stressor sein kann, dafür lieferte diese Untersuchung keine Hinweise. In keinem Interview wurde das Gefühl geäussert, wegen hohem Lohn besonders viel Einsatz und Aufwand leisten zu müssen (vgl. Kp. II.2.3.2.1). Ein Motiv für den persönlich hohen Arbeitseinsatz besteht eher in der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden und der Institution bzw. der Firma. Als ideelle Belohnungen in der Führungstätigkeit werden „Macht (Einflussnahme)“ , „Arbeitsklima (Wertschätzung)“, „Anerkennung (Erfolg)“, „Unabhängigkeit (Autonomie)“, „Herausforderung (Lernzuwachs)“, „Vielseitigkeit (interessante Arbeit)“ und „Befriedigung (Freude)“ wahrgenommen. Ingesamt kann die Kategorie Anerkennung (Erfolg) als wichtigster Belohnungsfaktor gewertet werden. Auch im Effort-Reward-Imbalance-Model von Siegrist (1996) ist Anerkennung (im Sinne von Wertschätzung) eine wichtige Variable im Verhältnis zum erbrachten Effort. Ohm und Strom (2001) haben festgestellt, dass Erfolgserlebnisse eine der bedeutendsten Ressourcen sind. Dieser Befund kann in der vorliegenden Untersuchung bestätigt werden.
160
V Diskussion
Dass Einfluss und Macht ebenfalls eine Belohnung darstellen, wird dadurch das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit (vgl. 5.1.1.1 Ressource „Innere Sinngebung“) deutlich. Aufgrund der Belohnungskategorie „Befriedigung (Freude)“ bei der Tätigkeit und des Befundes, dass das Einkommen als Belohnung keine relevante Rolle spielt, kann davon ausgegangen werden, dass die befragten Führungskräfte eine hohe intrinsische Motivation besitzen. Diese intrinsische Motivation kann besonders in dieser Stichprobe ein weiterer Schutzfaktor sein, der die befragten Personen trotz hoher Arbeitsbelastung vor einer Burnouterkrankung schützt. Insgesamt lässt sich zur Belohnung als Ressource schlussfolgern, dass die materielle Belohnung nicht als relevanter Faktor bestätigt werden kann. Umso wichtiger sind die Faktoren „Anerkennung durch Erfolg“ sowie „Macht (Einflussnahme)“ und „Unabhängigkeit (Autonomie)“, die ein wichtiges Gegengewicht zur Arbeitsbelastung darstellen. Diese genannten Belohnungsfaktoren sind von verschiedenen Autoren bereits als gesundheitsfördernd beschrieben worden (vgl. zum Beispiel Kernen, 1997; Siegrist, 1996, 2002). Wie diese psychosozialen Aspekte die Gesundheit beeinflussen, müsste aber noch weiter untersucht werden. V.1.2.3
Copingstrategien
„…immer dann, wenn der Druck grösser wird, sich ein bisschen Zeit zu schaffen, nicht zu schnelle Entscheidungen treffen, nicht dem ersten Impuls folgen…dann reagiere ich so, dass ich sage, jetzt musst du halt damit bis morgen warten, du musst dir das bis dann überlegen.“
Copingstrategien sind entscheidend dafür, wie sich Arbeitsanforderungen bzw. Arbeitsbelastungen auf das Individuum auswirken und in welchem Mass Belastungen erlebt und bewältigt werden (vgl. Kp. II.5.4.1). Die befragten Führungskräfte wissen, wo und wie sie „Energie tanken“ können, ein gutes Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung erhalten (Work-Life-Balance) und wie sie sich abgrenzen können, kurz gesagt eine effektive Selbstregulation (Homöostase) erreichen. In der Untersuchung wird gut ersichtlich, dass Copingstrategien nicht erst beim Auftauchen von stresserzeugenden Situationen zum Einsatz kommen. Copingstrategien besitzen deshalb auch eine präventive Wirkung. Die zahlreich genannten persönlichen Strategien konnten in die vier Bereiche Freizeitaktivitäten, Arbeitsstil/-haltung, soziale Unterstützung und Trennen von Freizeit und Arbeitszeit gruppiert werden. Damit stehen besonders psychosoziale Ressourcen im Vordergrund. Hinsichtlich der von Lazarus und Launier (1981) vorgeschlagenen Kategorisierung des problem- und emotionsorientierten Copingverhaltens können Freizeitaktivitäten, wie Sport oder Kulturanlässe, als emotionsorientiertes Copingverhalten taxiert werden. Das Suchen sozialer Unterstützung, das Verfolgen bestimmter
V.1 Diskussion der Ergebnisse
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Arbeitsstile und das Trennen von Arbeit und Freizeit gelten als problemorientiertes Coping. Dass in dieser Untersuchung mehr problemorienterte Copingstrategien geäussert wurden, könnte damit zusammenhängen, dass in den Interviews stärker nach konkreten Aktivitäten der Stressreduktion gefragt wurde. Als Ausgleich von der Arbeit und als Möglichkeit abzuschalten, werden besonders Freizeitaktivitäten intensiv genutzt. Sport steht dabei im Vordergrund. Trotz der langen Arbeitszeiten treiben rund ein Drittel der Befragten oft oder sehr oft Sport. Zudem bewegt sich die Hälfte aller Führungskräfte nach eigenen Angaben regelmässig. Sie üben zum grössten Teil Sportarten aus, die keine grossen Vorbereitungen benötigen, wie Jogging, Wandern, Fitnesstraining oder Fahrradfahren. Kaum jemand misst sich im Wettbewerb und nur wenige suchen im Sport ausserordentliche Höchstleistungen. Bereits Rimann & Udris (1993, S. 26) halten fest, dass „manche Freizeitaktivitäten – im Sinne von habitualisierten Verhaltensweisen im ausserberuflichen Bereich – als personale Ressourcen zur Belastungsbewältigung mehr oder weniger bewusst eingesetzt werden (Gesundheitsverhalten) oder unbewusst als personale Gesundheitsressourcen wirken“. Dieser bewusste und unbewusste Einsatz spiegelt sich auch in den Antworten wieder, warum Sport getrieben wird und welche Wirkung die sportliche Tätigkeit besitzt. Beim Sport will man sich erholen. Das körperliche Wohlbefinden und das Abschalten von der Arbeit stehen im Vordergrund. Weitere Beweggründe sind: eigene Grenzen testen, die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Beisammensein und zum Ausgleich. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Führungskräfte das Ziel haben, gesund zu bleiben und aufzutanken. Man spricht gar von einem neuen Gesundheitsbewusstsein in der Elite: „Bei den Spitzenkräften reift die Einsicht, dass ihr Körper ein wesentliches Kapital darstellt“ (Penk, zitiert nach Müller, 2008, S. 234). Diese positive Beziehung zwischen körperlicher Aktivität, Spannungsbewältigung und positiver Stimmung wird bereits von Bös et al. (1998) festgestellt. Auch Broocks (2003) eruierte, dass ausreichend intensive körperliche Aktivität die psychische und physische Gesundheit positiv beeinflussen kann. Bei gesunden leistungsfähigen Personen führt regelmässiges Training zu einer signifikanten Verbesserung des psychischen Wohlbefindens und zu einer verbesserten Stresstoleranz. Caflisch (2006) untersucht in ihrer Studienarbeit spezifisch das Laufen und deren Auswirkungen auf die Psyche. Sie kommt zum Ergebnis, dass Laufen eine umfassende Veränderung der körperlichen Befindlichkeit bewirkt. Überdies zeigt sich, dass „Laufen eine erfolgreiche spannungsreduzierende Bewältigungsstrategie ist, welche dem natürlichen Stressregelmechanismus wieder zu einem physiologischen Gleichgewicht verhilft und als ein Element der Prophylaxe bei verschiedenen Stresserkrankungen eingesetzt werden kann“ (Caflisch, 2006, S. 59). Diese Verbesserung der körperlichen Befindlichkeit und die entspannende mentale Wirkung werden auch in der vorliegenden Studie von den Führungskräften
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V Diskussion
beschrieben, besonders von jenen, die Ausdauersportarten wie Jogging regelmässig betreiben. Allgemein bestätigt sich, dass Freizeitaktivitäten, insbesondere körperliche Betätigung, positive Wirkungen auf Körper und Psyche besitzen und wichtige Ressourcen darstellen. In einer weiteren Untersuchung könnte danach gefragt werden, wann Freizeitbeschäftigungen auch eine Belastungen darstellen. Als eine weitere Copingstrategie gilt ein effektiver und effizienter Arbeitsstil (bzw. eine effektive und effiziente Arbeitshaltung). Dieser beinhaltet gute Organisation und Planung, Konzentration, den gezielten Einsatz von Ressourcen, der bewusste oder unbewusste Einsatz von Arbeitsstrategien wie das Setzen von Prioritäten, das Delegieren und die vorteilhafte Gestaltung der Arbeitsumgebung. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse steht fest, dass ein guter Arbeitsstil/-haltung einen indirekten Einfluss auf das Stresserleben bzw. die Arbeitsbelastung ausübt, indem daraus ein Gewinn an Zeit resultiert und ein schonendes Energiemanagement möglich wird. Bisher hat keine Studie den Arbeitsstil autonom als Copingstrategie und deren Wirkung auf die Gesundheit untersucht. Fischer (2007) beschreibt lediglich, dass Arbeitstrategien Vorteile bei der Bearbeitung von Arbeitsaufträgen gewähren. Sie ermöglichen einen souveränen Umgang, zum Beispiel bei limitierten Zeitressourcen, und tragen zu einer effizienten Bewältigung bei situativ auftretenden und stressauslösenden Schwierigkeiten bei. Wie ein effektiver und effizienter Arbeitsstil genau mit Arbeitsstress bzw. Stressbewältigung in Zusammenhang steht und welche Rolle der Arbeitsstil im Verhältnis zu anderen Copingstrategien einnimmt, könnte Bestandteil einer weiteren Untersuchung sein. Mit der Copingstrategie soziale Unterstützung bringen die Befragten ein hohes Mass an sozialen Ressourcen zum Ausdruck. Die Tatsache, dass 70% der Männer und 88% der Frauen sich zur sozialen Unterstützung äussern, unterstreicht die Relevanz der sozialen Unterstützung als Ressource bei arbeitsbezogenen Belastungen. Auch Cooper, Kirkcaldy & Furnham (1995) halten fest: Das soziale Umfeld kann in schwierigen Zeiten Manager und Mangerinnen unterstützen, indem durch die erhaltene Hilfe schwierige Situationen weniger belastend erlebt werden. Diese soziale Unterstützung besteht durch die Familie, durch das soziale Umfeld wie Freunde und Bekannte oder durch einen Coach. In den Aussagen wird der Befund von Höpflinger (2002) bestätigt, die aufgrund einiger Studien davon ausgeht, dass soziale Unterstützung durch Freunde und Angehörige ebenso bedeutsam sein kann wie eine partnerschaftliche Unterstützung. Die überwiegende Anzahl der in der Untersuchung erwähnten Unterstützungsarten können den Bereichen praktische (instrumentelle), fachliche (informationale) und emotionale Unterstützung zugeordnet werden. Dabei ergeben sich Parallelen hinsichtlich der konzipierten Kategorien von House (1981, S. 39), der instrumentelle, evaluative/informationale und emotionale Unterstützung unterscheidet. Für die
V.1 Diskussion der Ergebnisse
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Mehrheit der Befragten spielen die Kommunikation und der Austausch mit anderen Personen eine zentrale Rolle. Die Hilfe durch Unterstützungspersonen im beruflichen Bereich konzentriert sich vornehmlich auf arbeitsspezifische Aspekte. Auch Zuber-Manetsch ist der Meinung, dass „insbesondere der Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen und der offenen Kommunikation und konstruktiven Konfliktbewältigung“ eine herausragenden Bedeutung zukommt (Zuber-Manetsch, 2002, S. 99) und die Ressource soziale Unterstützung den negativen Einfluss von Belastungen zu dämpfen vermag. Dies kann mit der vorliegenden Untersuchung bestätigt werden. Überdies hält Kernen (1997) fest, dass das Wissen um wirksame soziale Unterstützung burnoutprophylaktische Wirkung besitzt. Trotz dieser positiven Auswirkung der sozialen Unterstützung wäre es interessant zu untersuchen, inwieweit diese auch zu einem Stressor werden kann. Kirkcaldy und Furnham (1994) meinen, dass sie einerseits einen Stresspuffer darstellen, andererseits selbst zu einem Stressor werden kann. Als Beispiel führen sie den Anspruch an das Individuum auf, der sich aus der Reziprokität der sozialen Unterstützung ergibt, „…denn je mehr Hilfe man erfährt, um so mehr wird auch erwartet“ (Kirkcaldy & Furnham, 1994, zitiert nach Cooper et al., 1995, S. 1798). Ob eher eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit oder eine Durchmischung der beiden Bereiche eine ressourcenfördernde Wirkung besitzt, ist bis anhin in der Forschung kaum untersucht. In dieser Arbeit spricht sich der grössere Teil von Personen gegen eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit aus. Besonders im Management erschweren die realen Arbeitsbedingungen diese rigorose Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Offenbar ist gar nicht mehr klar, was Arbeitszeit und was Freizeit ist. Was als Arbeit empfunden wird, hängt von subjektiven Bewertungen ab: „Bei mir ist das Leben ein Ganzes. Ich ernähre mich nicht nur von Vitaminen oder Spurenelementen, Kohlenhydraten, ich muss alles haben.“ Verschiedene Gründe für die „Nichtrennung“ wurden genannt: Einerseits wird das Leben als Ganzes wahrgenommen und eine Trennung von Arbeit und Freizeit wäre erzwungen. Andererseits wäre eine strikte Trennung in dieser Position gar nicht möglich und würde weitere Stresssituationen verursachen. Entgegen der gängigen Meinung (Kernen, 1997; Kypta, 2006; Loher & Schwartz, 2003) wird hier somit der Verzicht auf eine Trennung von Arbeit und Freizeit mehrheitlich als positiv und als weniger stresserzeugend beurteilt. Jedoch können Unterbrechungen, in Form von Auszeiten, bei hoher Belastung als erholendes Moment genutzt werden. Bereits schon Franz von Sales12 meinte zu Beginn des 17. Jahrhunderts: „Nimm dir jeden Tag eine Stunde zur Stille, ausser 12
Franz von Sales (1567–1622): Bischof von Genf/Annecy, Ordensgründer, Kirchenlehrer, Patron der Schriftsteller und Journalisten.
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V Diskussion
wenn Du zu viel zu tun hast, dann nimm Dir zwei.“ Dieses Zitat weist auf die wohltuende Wirkung von arbeitsfreien Gefässen hin, in dem man sich Eigenzeit schafft, die in Zeiten von starker Belastung umso wichtiger werden. Verschiedene Strategien zur Abgrenzung wurden ermittelt, die einem möglichen Overcommitment entgegenwirken können. Man verschafft sich physische Distanz, indem man sich örtlich verschiebt, zum Beispiel durch den Arbeitsweg oder in den Urlaub verreist. Mentale Distanzierung wird erreicht, indem man sich durch andere Aktivitäten ablenkt (vgl. Copingstrategie Freizeitaktivitäten). Weitere Möglichkeiten zur besseren Distanzierung vom beruflichen Geschehen sind: bewusst auf bestimmte soziale Anlässe verzichten, zur Ruhe kommen, die Arbeit rationalisieren und objektiv statt subjektiv emotional beurteilen. V.1.2.4
Weitere Ressourcen
„Ja, ich habe mir bewusst versucht anzueignen, zu leben wie die Naturvölker. Die schlafen dann, wenn keine Gefahr ist. Und wenn Gefahr ist, dann sind sie rund um die Uhr wach. Sie essen dann, wenn sie ein Tier erlegt haben. Und wenn sie zwei Wochen keines erlegen, dann essen sie halt eben nicht.“
Als Erfahrung bezeichnet Mittelstrass (1980) zweierlei, nämlich „im Einzelfall ein bestimmtes Erlebnis eines Menschen in Form eines von ihm selbst erlebten und damit selbst wahrgenommenen Ereignisses, oder allgemein – und dann im Sinne von „Lebenserfahrung“ – die Gesamtheit aller Erlebnisse, die eine Person jemals gehabt hat, ggf. einschliesslich ihrer mehr oder weniger realitätsadäquaten Verarbeitung“ (S. 569). In den vorliegenden Ergebnissen ist von der Lebenserfahrung bzw. Berufserfahrung die Rede. Um Lebenserfahrung zu bewerten, berücksichtigt Baltes (1989, zitiert nach Peier, 2006, S. 45) fünf Kriterien: „Faktenwissen über sich und die menschliche Natur, strategisches Wissen für den Umgang mit schwierigen Lebenssituationen, Denken in Kontexten, relativierendes Denken sowie Erkennen und Bewältigen von Ungewissheit.“ Wer diese Kriterien im Berufsleben einsetzen kann, verfügt über eine grosse Ressource. In den Interviews werden verschiedene Erfahrungsaspekte deutlich. Zum Beispiel wird das strategische Wissen im Umgang mit schwierigen Arbeitssituationen beschrieben. In erster Linie gelten aber die Auswirkungen der Erfahrung als Ressourcen nicht die Erfahrungen selber: Mit der erworbenen Routine wird man gelassener, weil man Situationen mit einer grösseren Distanz einzuschätzen vermag. Durch den zusätzlichen Gewinn an Selbstsicherheit gelingt der Umgang mit neuen Herausforderungen besser. Je umfangreicher und breiter Erfahrungen vorhanden sind, desto grösser ist auch die Wirkung dieser Ressource. Auch Fischer (2007) bestätigt die Berufserfahrung
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als Ressource, die sie bei älteren Führungskräften untersuchte. Erfahrung stellt einen wichtigen Leistungsparameter dar. Genauer ist Erfahrungswissen eine wesentliche Grundlage für kompetentes berufliches Handeln. Erfahrung und berufliche Leistungsfähigkeit stehen in einem engen Zusammenhang. Nicht zuletzt darum lautet das Sprichwort: „Erfahrung ist Gold wert!“. Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen stellt das soziale Netzwerk eine zusätzliche Ressource dar, die in einem engen Zusammenhang zur bereits diskutierten Copingstrategie soziale Unterstützung (vgl. Kp. V.1.2.3) steht. Ein intaktes und stabiles Umfeld ist für die persönliche Balance von grosser Bedeutung, dies hat die Untersuchung deutlich gezeigt. Freundschaften werden bewusst gepflegt. Für die befragten Spitzenführungskräfte bedeutet ein solides soziales Netzwerk Ablenkung, zum Beispiel durch familiäre Aktivität, Energiegewinn durch das Zusammensein mit anderen und ein gutes Wohlbefinden, durch das Gefühl der Zugehörigkeit und Akzeptanz. Darüber hinaus ergeben sich Hinweise, dass das Bestehen eines sozialen Netzwerkes vor dem verhaltensbezogenen Risikofaktor Overcommitment schützt. Die Trennung dieser beiden sehr ähnlichen Ressourcen ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Ressource. Soziale Unterstützung als Copingstrategie muss aktiv eingefordert werden, „da eine Person von sich aus Hilfeleistung evozieren, mobilisieren, gewinnen, aufrechterhalten, annehmen, abweisen oder selbst anderen geben kann“ (Udris et al., 1992, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 21). Das soziale Netzwerk dagegen wächst über längere Zeit und steht dem Individuum über einen längeren Zeitraum zur Verfügung. Gemäss empirischen Untersuchungen wird zudem der Ausdruck soziales Netzwerk häufiger objektiv und soziale Unterstützung im subjektiven Sinn verwendet (Frischi, 1991). Auch Keupp (1987) plädiert dafür, dass soziale Netzwerke und soziale Unterstützung als analytisch unabhängige Konzepte aufgefasst werden sollen. Laut Schwarzer & Leppin (1989) wird der Begriff soziales Netwerk für strukturelle Beziehungen zwischen den Personen gebraucht und auch in der vorliegenden Studie in diesem Sinn verstanden. „Soziale Beziehungen haben einen direkten positiven Einfluss auf das seelische Wohlbefinden und die physische Gesundheit und bilden eine wesentliche Ressource bei der Bewältigung belastender Herausforderungen und Lebensumstände“ (Badura & Feuerstein, 2001, S. 370). Dieser Befund wird mit den vorliegenden Ergebnissen vollumfänglich bestätigt. Im Bereich der präventiven, gesundheitsförderlichen Wirkung von sozialen Netzwerken wurden insbesondere vergleichende Studien zwischen Personen in langjährigen (ehelichen) Partnerschaften und Alleinstehenden durchgeführt. Dass „Verheiratete gesünder und länger leben als Nichtverheiratete und Männer in erster Linie von den positiven Wirkungen einer Ehe profitieren“ ist der Kern einer jahrzehntealten These, die allerdings auch wissenschaftliche Skepsis
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V Diskussion
ausgelöst hat (Höpflinger, 2002). Die weitere Forschung müsste dieser These und den unterschiedlichen Wirkungen von sozialen Netzwerken nachgehen. Ob auch die Anzahl der Personen im engeren Freundeskreis eine wichtige Rolle spielen, weiss man nicht. Auch hier böte sich ein Ansatzpunkt für weitere empirische Erhebungen. Unter der biologischen Konstitution wurde die positive Einschätzung der eigenen körperlichen und psychischen Verfassung als weitere Ressource in dieser Untersuchung aufgenommen. Bereits schon Kernen (2005) hält die körperliche Konstitution als interne (personale) Ressource (Loher & Schwartz, 2003) fest, die burnoutprophylaktisch wirkt. Im Gegensatz zu ihm wird in dieser Arbeit der Begriff der biologischen Konstitution verwendet, der verdeutlichen soll, dass nicht nur die körperliche sondern auch die psychische Gesundheit eingeschlossen ist. In den Antworten handelt es sich einerseits um die Einschätzung der eigenen Gesundheit, also der subjektiv wahrgenommenen Gesundheit als Ressource. Darunter soll das eigene Wohlbefinden, das seelische Gleichgewicht und die eigene Beschwerdenfreiheit verstanden werden. Die Personen empfinden eine gute Gesundheit als Privileg und gleichzeitig als Grundlage, um ihre Tätigkeit in der geforderten Intensität ausüben zu können. Eine robuste Gesundheit bringt ganz praktische Vorteile im Arbeitsalltag mit sich. Überdies wird in den Interviews deutlich, dass Gesundheit nicht als selbstverständlich aufgefasst wird und sie durch einen gesunden Lebensstil beeinflussbar ist. Andererseits berichten die Teilnehmenden über den Vorteil, ein „hohes Energieniveau“ zu besitzen, das als biologisch gegeben beschrieben wird. Die positiven Auswirkungen wie „wenig Schlaf zu brauchen“ und „eine kurze Regenerationszeit zu benötigen“ treten besonders in Zeiten von hoher Arbeitsbelastung als günstige Faktoren in Erscheinung. Insgesamt deuten die Antworten darauf hin, dass nicht die objektive Gesundheit des Individuums eine Rolle spielt, sondern das Ausmass der subjektiven Gesundheitseinschätzung entscheidend ist. Mit den beschriebenen Persönlichkeitseigenschaften aus dieser Untersuchung konnten weitere interne (personale) Ressourcen definiert werden. Dabei sind diese methodisch nicht direkt messbar und werden über Beobachtungen oder Beschreibungen durch Selbsteinschätzung (Eigenbild) oder durch Fremdeinschätzung (Fremdbild) zu erfassen versucht (Peier, 2006). In den Interviews nennen die Spitzenführungskräfte folgende Persönlichkeitseigenschaften: Selbstvertrauen, Neugierde, Ehrgeiz, Optimismus, Selbstdisziplin, Durchhaltewillen, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Begeisterungsfähigkeit und Flexibilität. In der Literatur wird eine ganze Reihe von Persönlichkeitseigenschaften genannt. Cooper, Kirkcaldy & Furnham (1995) erwähnen, dass verschiedene individuelle Faktoren Personen mehr oder weniger anfällig für Stress machen. Folgende individuellen Dispositionen haben unter anderem besondere Relevanz gefunden: Stabilität, Kontrollüberzeugung, Optimismus, Robustheit und Ausdauer. Hornung &
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Gutscher (1994) beschreiben in ihrem Ressourcentransaktionsmodell sogenannte psychische innere Ressourcen, wie zum Beispiel das deklarative Wissen bzw. das Faktenwissen. Als Beispiele für solche Formen führen sie auf: Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeit, Zuversicht und Optimismus. Ein Teil der genannten Eigenschaften werden in dieser Arbeit bestätigt. Besonders Optimismus und Ausdauer als positive Eigenschaft decken sich mit den genannten individuellen Dispositionen (vgl. Cooper et al., 1995; Hornung & Gutscher, 1994). Auch in den Interviews wird explizit beschrieben, dass Optimismus ein Puffer gegen Stress sei, da Situationen positiver interpretiert würden. Im Weiteren nehmen Optimisten im Unterschied zu Depressiven andere Attribuierungen vor, indem sie Erfolge sich selbst zuschreiben und Misserfolge anderen (Cooper et al., 1995). Noch einen Schritt weiter gehen Riolli & Savicki (2003), die in einer Studie feststellen, dass Optimismus als Persönlichkeitsattribut einen moderierenden Effekt in der Beziehung von Ressourcenwirkung und Burnout besitzt. Überdies zeigen sich in den eruierten Persönlichkeitseigenschaften Parallelen zum Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Big Five) von McCrae und Costa (1990, zitiert nach Pervin, 2000, S. 254). Dieses beinhaltet folgende fünf Variablen: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Liebeswürdigkeit und Gewissenhaftigkeit. Dabei können die in dieser Arbeit aufgeführten Eigenschaften Selbstvertrauen, Neugierde und Begeisterungsfähigkeit unter Extraversion subsummiert werden. Unter diesem wird die Quantität und Intensität zwischenmenschlicher Interaktionen, der Grad an Aktiviertheit, das Bedürfnis nach Stimulation und die Fähigkeit, sich zu freuen verstanden (Pervin, 2000, zitiert nach Peier, 2006, S. 34). Extraversion steht in zahlreichen Untersuchungen mit positiven Aspekten, wie zum Beispiel mit Wohlbefinden, in engem Zusammenhang (Peier, 2006). Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie kann nicht beschrieben werden, wie genau Persönlichkeitseigenschaften einen ressourcenfördernden Einfluss besitzen. Bereits Beutel (1988) hat den Versuch unternommen, ausgewählte Persönlichkeitsvariablen im Zusammenhang mit Ressourcen aufzulisten. Zudem versuchte er zu bewerten, wie diese als Moderatoren auf den Bewältigungsprozess Einfluss nehmen. Diese Aufstellung ist aber empirisch nicht hinreichend abgesichert und gibt nur Hinweise auf einen bestehenden Einfluss von ausgewählten Persönlichkeitsvariablen. Hobfoll et al. (1994) beschreiben in seiner Untersuchung, dass Persönlichkeitszüge eine Rolle beim Copingverhalten spielen. Auch Bossong (1999) meint, dass Persönlichkeitsfaktoren im Bewältigungsprozess eine moderierende Wirkung besitzen, „indem sie das Auftreten spezifischer Bewertungen, Emotionen und Bewältigungsformen entweder begünstigen oder erschweren“ (Bossong, 1999, S. 7). Aufgrund dieser unterschiedlichen empirischen Befunde kann vermutet werden, dass Persönlichkeitseigenschaften indirekt wirken, indem sie das Wahrnehmen, Denken und Erleben und somit das Verhalten von Individuen beeinflussen. Dabei
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V Diskussion
gilt allerdings zu beachten, dass nicht nur bestimmte Persönlichkeitseigenschaften als Ressource taxiert werden können, sondern auch die Möglichkeit, sich in seiner gesamten Persönlichkeit einzubringen. Auch Ruch (2008) stellt fest, dass Personen, die ihre markantesten Charakterstärken im Arbeitsumfeld einbringen können, über eine grössere Arbeitszufriedenheit verfügen. Diese kann wiederum als Schutzfaktor Einfluss auf den Stressprozess nehmen, was in der weiteren Forschung untersucht werden müsste. V.1.2.5
Ressourcen: Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Männer verfolgen eine andere Innere Sinngebung im Leben als Frauen. Frauen betonen viel häufiger „das Zusammensein“, „gemeinsam etwas erreichen zu wollen“ und „die Welt zu verbessern“ als Grundsätze. Dies kann ein Ausdruck dafür sein, dass sie sozialen Aspekten einen höheren Stellenwert beimessen, mehr helfen wollen und allenfalls auch idealistischere Vorstellungen in sich tragen. Dies könnte einer der Gründe sein, warum in der Regel mehr Frauen in sozialen Berufen tätig sind. Bei der Belohnung zeigt sich ein bemerkenswerter Geschlechterunterschied: Im Gegensatz zu den Männern spielt für Frauen die Entlöhnung keine grosse Rolle (Dabei muss man natürlich auch den allgemein hohen Lohn einer Spitzenführungskraft berücksichtigen). Derselbe Unterschied zeigt sich auch beim Belohnungsfaktor Unabhängigkeit (Autonomie). Die Männer thematisieren dabei die finanzielle Unabhängigkeit, während Frauen die persönliche Unabhängigkeit beschreiben. Erklären könnte diesen Unterschied, dass der Mann nach wie vor die Rolle des Ernährers in der Familie einnimmt und somit die finanzielle Absicherung gewährleistet. Die persönliche Unabhängigkeit ist für sie selbstverständlich und deshalb kein Thema. Nicht so bei den Frauen, die dies als Belohnung explizit zum Ausdruck bringen. Dass Frauen sich an Menschen orientieren und nicht an Dingen, sagt auch Pinker (2008). Dabei ist ihnen die Selbstbestimmung wichtiger als Status und Lohn. Bei den immateriellen Belohnungsfaktoren messen Männer und Frauen den einzelnen Belohnungsarten vergleichbare Bedeutung zu. Dennoch gibt es Unterschiede: Weibliche Führungskräfte nennen nie explizit den Begriff Macht, Männer schon. Frauen betonen dagegen stärker das Team oder die Teamarbeit als Männer. Männern äussern häufiger Leistungsansprüche, denken also wettbewerbsorientierter als Frauen, deren soziale Gesinnung auch hier deutlich wird. Dies bestätigt den Befund von Pinker (2008) sowie von Mazumder und Wanzenried (2007, S. 150). Diese ziehen aus 12 Porträts von Führungsfrauen die Schlussfolgerung, dass „Macht, Ansehen und materielle Werte für Männer tendenziell wichtiger sind“. Die grosse Bedeutung sozialer Faktoren für Frauen kommt auch in den Stellungnahmen zu den Belohnungs-
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aspekten Arbeitsklima (Wertschätzung) und Anerkennung (Erfolg) zum Ausdruck. So zeigt sich in den Ergebnissen, dass weibliche Führungskräfte dem Arbeitsklima und der Wertschätzung im Allgemeinen einen grösseren Stellenwert beimessen als Männer. Frauen „legen auch mehr Wert auf ein harmonisches Umfeld und Wohlbefinden und sind weniger bereit, für die Karriere jeden Preis zu bezahlen“, sagen auch Mazumder und Wanzenried (Mazumder & Wanzenried, 2007, S. 150). Frauen sind möglicherweise vermehrt auf Feedback angewiesen und orientieren sich darum weniger unabhängig an ihrem Umfeld. Zu untersuchen wäre hier die Sozialisation, also ob die Erziehung der Mädchen stärker auf eine gesellschaftliche Rolle hinzielt und weniger Raum für Individualität lässt als bei Knaben. Brizendine (2007) hält in ihrem Buch „Das weibliche Gehirn“ fest, dass Mädchen ihr Selbstwertgefühl aus Umweltreaktionen beziehen und entsprechend einfühlsam sind. Die Funktion der weiblichen Einfühlungsgabe liegt in „Beziehungen herstellen“ und „Harmonie aufrechterhalten“. Die Gründe dafür sieht die Wissenschaftlerin aber in der unterschiedlichen hormonellen Ausstattung von Männern und Frauen. Kaum Unterschiede zeigen sich in der Copingstrategie Freizeitaktivitäten, ausser dass Männer häufiger ausserordentliche sportliche Leistungen erwähnen. Daraus kann aber nicht auf ein geschlechterspezifisches Merkmal geschlossen werden. Im Bereich der Copingstrategie Arbeitsstil/-haltungen kann aus den männlichen Aussagen interpretiert werden, dass diese den bewussten Einsatz von bestimmten Arbeitsstrategien zu nutzen wissen. In ihren Aussagen wird eine grosse Zielorientiertheit deutlich. Daraus kann gefolgert werden, dass Männer bestimmte Ziele konsequent verfolgen, indem sie zum Beispiel Prioritäten setzen und diese auch klar formulieren können. Zudem halten Männer es für wichtig, dass die richtigen Leute eingestellt werden, denen Arbeiten delegiert werden können. In Aussagen wie, „es ist wichtig Entscheidungen zu treffen und diese nicht zu hinterfragen“, erscheint die männliche Führungskraft als bestimmter Stratege und Einzelkämpfer. Natürlich nutzen Frauen genauso den Einsatz von Arbeitstrategien, in ihren Aussagen kommen eine gute Selbstorganisation und die Schaffung von Zeitgefässen deutlich zum Ausdruck. Trotzdem könnten die fehlenden Stellungnahmen zu einigen der von Männern genannten Arbeitsstilen ein Hinweis darauf sein, dass Frauen in dieser Hinsicht anders funktionieren, indem sie Arbeitsstile weniger bewusst nutzbringend einsetzen oder Ziele weniger konsequent und strategisch verfolgen. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich in der Copingstrategie soziale Unterstützung. Gemäss den vorliegenden Befunden räumen Frauen nicht nur der Unterstützung durch den Partner einen höheren Stellenwert ein als Männer, sondern bedienen sich im Allgemeinen mehr der sozialen Unterstützung. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen aus anderen Studien (Etzion & Pines, 1986; Greenglass, Burke & Ondrack, 1990; Ptacek et al. 1992). Zudem wird aus
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V Diskussion
den vorliegenden Antworten der weiblichen Teilnehmerinnen deutlich, dass sie gleichzeitig selber mehr soziale Unterstützung leisten. Dieser Befund kann ein weiteres Mal Ausdruck ihrer stärkeren sozialen Gesinnung sein (vgl. Kp. V.1.2.3). Bereits in früheren Studien wurde festgestellt, dass Frauen eine grössere Aktivität zeigen, um sich die soziale Unterstützung von anderen zu sichern (Greenglass et al., 1990; Ptacek et al., 1992; Skues & Kirkby, 1995). Auch bei Burke & Greenglass (1989) berichten mehr Frauen als Männer davon, ihr soziales Umfeld in Anspruch zu nehmen. Entsprechend vermissen sie es auch stärker, wenn es nicht verfügbar ist (Burke & Greenglass, 1989). In einer korrelationsanalytischen Untersuchung von Holahan & Moos (1981) steht die fehlende soziale Unterstützung bei der Arbeit in engem Zusammenhang mit Depressionen bei Frauen. Dass Frauen allgemein mehr soziale Unterstützung, insbesondere emotionale soziale Unterstützung in Anspruch nehmen, kann gemäss der Autorin auf die geschlechtsspezifische Sozialisation und das rollenstereotype Verhalten zurückgeführt werden. Durch die komplexen Anforderungen an die weibliche Geschlechtsrolle sind Frauen möglicherweise psychisch stärker belastet. Dies hat zur Folge, dass sie stärker der sozialen Unterstützung bedürfen und diese auch stärker aktiv suchen als Männer (Merbach et al., 2002). Zudem fällt es Frauen offensichtlich leichter, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Diese Tatsache ist auch ein Grund für die höhere Depressionsrate bei Frauen gegenüber den Männern: Indem sie eher Hilfe aufsuchen, werden sie eher erfasst (Sieverding, 2000; Gijsbers van Wijk & Kolk, 1997). Unterschiede werden auch in der Art der sozialen Unterstützung deutlich: Weibliche Führungskräfte berichten mehr über praktische (instrumentelle) Unterstützung, wie zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Dies impliziert, dass bei Frauen ein grösserer Bedarf an dieser Art von Unterstützung besteht. Emotionale Unterstützung erfahren Frauen nicht nur in der Familie, sondern auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Männer wissen mehr Unterstützung einzuholen, indem sie sich zum Beispiel in beruflich organisierten Netzwerken treffen. Wie bereits Hartmann & Richner (1997, S. 100) beschreiben, deuten diese Befunde an, dass Frauen persönlichere und emotionaler Beziehungen pflegen als Männer, welche „ein lockeres, dafür umso grösseres Beziehungsnetz zu haben scheinen“. Möglicherweise räumen sie beruflichen Beziehungen die höhere Priorität ein und verstehen es besser, berufliche Netzwerke zu pflegen und zu nutzen. Bereits in den 12 durchgeführten Porträts mit Führungsfrauen von Mazumder & Wanzenried (2007, S. 151), wird festgestellt, dass „Männer Netzwerke anders und insbesondere intensiver nutzen und pflegen als Frauen“. Dazu meinen Sander & Hartmann (2009), dass Frauen wie Männern gleich gut gelinge, informelle Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, was die Anzahl Beziehungen anbelangt, männliche Manager aber mehr Unterstützung von ihren Netzwerken erhalten als Frauen von ihren Netzwerken. Zudem führt die schlechte
V.1 Diskussion der Ergebnisse
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Integration von Frauen in wichtige männerdominierte Netzwerke zu einer verstärkten sozialen Isolation und es fehlt an sozialer (beruflicher) Unterstützung (Sander & Hartmann, 2009). Der sozialen Unterstützung durch einen Coach stehen Männer und Frauen grundsätzlich offen gegenüber. Es fällt aber auf, dass mehr Frauen einen professionellen Coach zur Unterstützung hinzugezogen haben. Dagegen berichten viele Männer von einem Coach in Form eines älteren Berufskollegen. Dass sich hingegen Frauen häufiger an offizielle Fachpersonen wenden, wurde bereits schon von Nestman und Schmerl (1992, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 99) beschrieben. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Frauen weniger auf die Hilfe von informellen Coaches (z. B. älterer Berufskollege) zählen können und weniger häufig auf ein berufliches Netzwerk zurückgreifen. Ein weiterer Grund könnte auch hier sein, dass Frauen durch ihre Sozialisation und rollenstereotypen Vorstellungen weniger Mühe haben, offizielle Hilfe und Ratschläge zu suchen und anzunehmen. Männer halten mehr von sich bzw. sind selbstbewusster und suchen darum weniger Rat bei anderen. Den entgegengesetzten Befund halten Hartmann & Richner (1997) in ihrer Studie fest, dass Männer sich häufiger an Fachpersonen wenden als Frauen. Um diese Differenz zu klären, müsste allerdings genauer definiert werden, was unter Fachpersonen verstanden wird. Genaugenommen könnten auch ältere Berufskollegen als Fachpersonen gelten, und somit würden sich die Ergebnisse mit denen von Hartmann & Richner (1997) decken. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse, dass Frauen unabhängig von der Quelle insgesamt mehr über emotionale Unterstützung, praktische und fachliche Unterstützung berichten. Männer nehmen in erster Linie fachliche Unterstützung in Anspruch. Ob sie diese im Allgemeinen auch mehr erhalten, könnte Bestandteil einer weiteren Erhebung sein. In der Frage, ob man Freizeit und Arbeit trennen sollte, bevorzugen mehr Männer als Frauen, die beiden Bereiche zu vermischen. Gründe dafür sieht die Autorin darin, dass weibliche Führungskräfte mit Familie nicht die Möglichkeit besitzen, rund um die Uhr für die Arbeit präsent zu sein. Zur genauen Analyse dieser Vermutung wäre es notwendig, eine vergleichende Studie mit arbeitstätigen Müttern und Vätern durchzuführen. Die zusätzlich eruierten Ressourcen Erfahrung und biologische Konstitution zeigen keine nennenswerten Diskrepanzen im Geschlechtervergleich. Hingegen wird in den Stellungnahmen zur Ressource soziales Netzwerk deutlich, dass für Frauen der emotionale Austausch relevant ist, während für Männer längjährige stabile Freundschaften besonders wichtig sind. Hier bestehen eindeutig Parallelen zu den geschlechterspezifischen Unterschieden in den Copingstragien (vgl. Kp. V.1.2.3), in denen Frauen emotionale soziale Unterstützung viel stärker in Anspruch nehmen als Männer.
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V Diskussion
Persönlichkeitseigenschaften sehen beide Geschlechter als Ressource. Weibliche Führungskräfte schätzen allerdings Selbstbewusstsein anders ein als Männer. Für Frauen geht es darum, weniger verletzbar zu sein und Kritik besser annehmen zu können. Männern nützt das Selbstbewusstsein im Umgang mit schwierigen Situationen, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Insgesamt zeigen sich bei den Ressourcen wenige, signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Verallgemeinern lässt sich, dass Frauen stärker in sozialen Kategorien und Männer eher in Machtkategorien denken. V.1.2.6
Stressfaktoren und Geschlechterunterschiede
Stress ist, „…die Spitzenbelastung, wie in einem Restaurant, wenn alle um acht Uhr kommen und essen wollen.“
Neben zahlreichen Ressourcen wurden auch die Stressoren der Führungskräfte systematisch eruiert. Die Ergebnisse zeigen, dass mehrere Stressoren bei allen befragten Personen auftreten. Dabei konnten Stressoren sowohl im beruflichen wie auch im privaten Alltag von weiblichen und männlichen Führungskräften festgestellt werden. Im Berufsbereich wurde eine grössere vielfältigere Anzahl an Stressoren erhoben. Dies kann damit zusammenhängen, dass sich die Teilnehmenden – wenn auch unbewusst – stärker auf den Beruf konzentrierten, da der Forschungsschwerpunkt den beruflichen Stressoren galt und die Fragen daher hauptsächlich in diesem Bereich angesiedelt waren. Ein anderer Grund kann die grössere Hemmschwelle sein, Angaben über das Privatleben zu machen oder dass „der Privatbereich – im Gegensatz zum Berufsbereich – häufig als Ort der Erholung gilt und dadurch wenige belastende Situationen zu beinhalten scheint“ (Hartmann & Richner, 1997, S. 14). Allerdings: private Probleme werden grundsätzlich als schwieriger erlebt, als berufliche Probleme. Bei beiden Geschlechtern beeinflussen sich private Stressoren und Arbeitsstressoren gegenseitigen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Berufs- und Privatleben komplex miteinander verbunden sind und nicht unabhängig voneinander existieren und betrachtet werden können. Dieses Ergebnis bestätigt die Feststellung von Cooper et al. (1995, S. 1799), dass die Arbeit Einfluss auf die Privatsphäre nimmt, indem „Zeit- und Loyalitätskonflikte zwischen den Anforderungen des Privat- und Berufslebens“ resultieren. Im Vergleich mit dem Reward-Imbalance-Modell von Siegrist (1996) werden die Arbeitsüberbelastung bzw. die zeitliche Belastung und die hohe Verantwortung auch als Stressfaktoren genannt. Keine Aussagen wurden zu den beschrieben Stressfaktoren Überstunden aus dem Reward-Imbalance-Modell gemacht. Es ist aber anzunehmen, dass dieser Stressfaktor bereits mit der Kategorie der quantitativen Arbeitsüberlastung in dieser Studie erfasst wurde.
V.1 Diskussion der Ergebnisse
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Weiter zeigt der eruierte Stressfaktor Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit) eine inhaltliche Nähe zur Variable geringe Handlungskontrolle aus dem Anforderungs-Kontroll-Modell nach Karasek (1979). Dort werden Tätigkeiten mit niedrigem Handlungs- und Kontrollspielraum und hohen Belastungen besonders gesundheitsschädlich beschrieben (vgl. Kp. II.3.6). Frauen und Männer erleben, mit Ausnahme der drei Stressfaktoren Geschlecht, Reisen und persönliche Probleme, dieselben Arbeitsbelastungen. Übereinstimmend werden Arbeitsüberlastungen, Misserfolge, Zwischenmenschliche Konflikte und Zielkonflikte am häufigsten als belastend empfunden. Weitere Stressfaktoren sind Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit), Einsamkeit an der Spitze, Verantwortung, fehlende Anerkennung, externe Einflüsse. Diese Resultate sind teilweise übereinstimmend mit denen von Hartmann & Richner (1997), die ebenso die Faktoren Zeitdruck (hier unter quantitativer Arbeitsüberlastung eingeordnet) und Zwischenmenschliche Konflikte als die grössten Belastungen im Arbeitsbereich eruierten. Persönliche Probleme als Stressoren wurden von männlichen Teilnehmern keine genannt. Die Autorin vermutet, dass die Durchführung der Interviews durch die weiblichen Forscherinnen einen Einfluss auf die Stellungnahmen der Teilnehmer besass. Möglicherweise wollten Männer suggerieren, dass bei ihnen alles in Ordnung sei. Reisen als Stressfaktor wurde nur von männlicher Seite berichtet. Es gibt aber keinen Grund diesem Unterschied grosse Bedeutung beizumessen. Vermutlich wählen Frauen, aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen bzw. den an sie gerichteten Rollenerwartungen (vgl. Kp. II.5.4), weniger häufig berufliche Positionen, welche mit ausgiebigen Reisen verbunden sind. Der grösste Unterschied zeigt sich im Stressor Geschlecht, welcher ausschliesslich von Seite der Frauen zahlreich genannt wurde. Der Beruf der Managerin gilt heute noch als „typisch männlich“ (Korabik & Van Kampen, 1995, zitiert nach Hartmann & Richner, 1997, S. 90). Wie schon Hartmann & Richner (1997) vermuten, kann angenommen werden, dass aufgrund dieser atypischen Berufsrolle Frauen vielen Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Auch Davidson & Cooper (1984, zitiert nach Parkin & Hearn, 1995, S. 1984) stellen fest, weibliche Führungskräfte seien beachtlichem sozialem Druck ausgesetzt und würden dadurch zusätzlichen Stress erfahren. Sander und Hartmann (2009) sprechen in diesem Zusammenhang von einem „token-women“-Phänomen (Einzelfall-Phänomen). Durch den Umstand, dass die weibliche Führungskraft einen Minderheitenstatus besitzt und in einem von Männern dominierten Bereich tätig ist, fühlt sie sich unter besonderer Beobachtung. Zusätzlich würden in diesem „Status auch vermehrt die geschlechtsspezifischen stereotypen Erwartungen aktiviert“, indem die Frau an einem Geschlechterrollenstereotyp gemessen wird. (Sander & Hartmann, 2009, S. 8). Die weibliche Führungskraft befindet sich in einem Dilemma. Einerseits soll sie sie weiblich sein, andererseits soll
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V Diskussion
sie sich an die vorherrschende männliche Kultur anpassen. Es besteht eine kleine Bandbreite von richtigem Verhalten. Dies und der Umstand, dass sie nicht richtig zu den Männern gehört, verursachen einen starken Druck auf die Frauen. Obwohl männliche und weibliche Führungskräften zum grössten Teil dieselben Arbeitsstressoren wahrnehmen, unterscheiden sie sich in deren Erklärung. Im Vergleich der Rückmeldungen zu den privaten Problemen zeigt sich, dass im Bereich der Familie die Belastungen unterschiedlich sind, obwohl für beide Geschlechter die Familie und das Umfeld gleichermassen eine wichtige Ressource darstellen (vgl. Copingstrategie „soziale Unterstützung“). In bestimmten Situationen können sie aber auch zu einem Stressor werden, insbesondere wenn es darum geht, den beiden Bereichen, Beruf und Familie, gleichermassen gerecht zu werden. Ähnliche Stressoren wurden in der Studie von Jacobshagen, Amstad, Semmer und Kuster (2005) bestätigt. Die Forschergruppe untersuchte das Topmanagement hinsichtlich verschiedener Ressourcen und Stressoren in der Arbeit und deren Zusammenhang mit Befindensparametern. Der Konflikt Familie-Arbeit übt einen direkten und indirekten Einfluss auf das Befinden der Führungskräfte aus. Darüber hinaus stellen auch Cooper et al. (1995) fest, dass eine der Stressursachen im Arbeitskontext Rollenkonflikte und Ambiguität ist und zu einer verminderten Zufriedenheit führen. In der vorliegenden Untersuchung wurde besonders bei den weiblichen Führungskräften mit Kindern der Rollenkonflikt deutlich. Die Herausforderung besteht darin, die Berufstätigkeit mit der traditionellen Rolle als Mutter (und als Hausfrau) zu vereinbaren. Frauen erfahren hier mehr Belastungen. Diese grössere Belastung durch die Doppelrolle Haushalt und Beruf konnten bereits schon Kirkcaldy, Thomé & Thomas (1986) bestätigen. Darüber hinaus meinen sie, „dass besonders bei Führungkräften ernste Konflikte zwischen beruflichen und privaten Anforderungen erwartet werden können, wenn sich kein Bereich dem anderen gegenüber tolerant oder gar unterstützend erweist…“ (Kirkcaldy, Thomé & Thomas, 1986, zitiert nach Cooper et al., 1995, S. 1799). Ein entgegengesetzter Befund wird von Höpflinger (2002) festgehalten, indem sie auf rollentheoretisch orientierte Längsschnittuntersuchungen hinweist, die Anhaltspunkte geben, dass multiple Rollenkonfigurationen die weibliche Gesundheit eher positiv beeinflussen. Bereits Greenhaus und Beutell (1985) definieren Konflikte zwischen Lebensbereichen als „eine Form von Interrollenkonflikten“. Dabei seien die Rollenanforderungen des Arbeits- und Familienbereichs meist gegenseitig inkompatibel. Aus diesen Befunden zieht die Autorin den Schluss, dass Frauen mehr unter der Doppelrolle Arbeit und Familie leiden als Männer. Diese Feststellung, dass Männer weniger anfällig für Rollenkonflikte seien und eine grössere Rollensynergie erleben, konnte bereits Barnett (1993) bestätigen. Auch Nunner-Winkler (2001) beschreibt, wie immer mehr Frauen frühere Männerrollen (und umgekehrt) übernehmen und dadurch
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Geschlechterstereotypen an Einfluss verlieren. Trotzdem besitzen solche Stereotypen immer noch genug Macht, um hauptsächlich Frauen in gravierende Rollenkonflikte zu stürzen. Diese Tatsache wird in dieser Erhebung ein weiteres Mal unter dem Stressor Zielkonflikt deutlich. Für Führungskräfte ist erforderlich, dass sie nicht nur verschiedene Rollen ausüben, sondern auch schnell zwischen diesen hin und her wechseln können. Männer nennen hier Konflikte rund um die Arbeit, während Frauen die bereits erwähnten Rollenkonflikte zwischen Familie und Arbeit ansprechen. Genauer betrachtet, erleben männliche Führungskräfte in erster Linie innere Interessenkonflikte. Diese Stressoren werden bereits von Ohm und Strohm (2001) in ihrer Studie erwähnt, die das Umsetzen von problematischen Konzernvorgaben ebenfalls als Belastung bei Managern eruierten. Die Tatsache, dass ausschliesslich Frauen Erziehungs- oder Zeitprobleme verbunden mit Schuldgefühlen im Umgang mit den eigenen Kindern rückmelden, unterstreicht, dass sich in erster Linie Frauen für die Erziehung und Versorgung der Kinder verantwortlich fühlen. Arbeitüberlastung als Stressor qualitativer oder quantitativer Art wurde bei Männern und Frauen erhoben. Eine quantitative Überlastung liegt vor, wenn in einem bestimmten Zeitraum ein Arbeitmass vorliegt, das kaum zu bewältigen ist. Dieser Umstand führt zu verlängerten Arbeitszeiten mit zahlreichen Überstunden. In dieser Studie arbeiten die Führungskräfte durchschnittlich 60 Stunden pro Woche. Diese langen Arbeitszeiten werden als belastend erlebt (Ohm & Strohm, 2001). Zudem gilt der kontinuierliche Termindruck als weitere Belastung und wurde in anderen Studien auch als Stressor bestätigt (z. B. Ohm und Strom, 2001; Büssing & Glaser, 1998, zitiert nach Busch und Steinmetz, 2002). Im Bereich der qualitativen Überlastung geht es darum, dass die verlangten Aufgaben die eigenen Fähigkeiten übersteigen. Dabei berichten Frauen offener über schwierige Situationen, hohe Anforderungen und Überforderung als Männer. Der persönliche Umgang mit der Belastung wird hier offenkundig. Die Autorin vermutet ein geschlechtsstereotypes Verhalten, indem Männer weniger auf der persönlichen Ebene Zugeständnisse machen und sich weniger stark in Frage stellen. Diese Tatsache wird auch beim Stressor Misserfolg erleben deutlich. Frauen suchen die Ursache des Misserfolgs oft bei sich selber, während Männer auf externe Faktoren verweisen. Dieser Umstand weist auf ein unterschiedliches geschlechtsspezifisches Attributionsmuster hin. Männer neigen dazu, den Misserfolg eher extern zu attribuieren, während Frauen internal attribuieren. Daraus kann gefolgert werden, dass Männer im Durchschnitt über ein grösseres Selbstbewusstsein verfügen, während Frauen mehr an sich zweifeln. Dieser Befund wird auch von Sander und Hartmann (2009) unter dem Phänomen der Kausalattribution genannt und beschreibt hier aber den Umstand der externen Beurteilung, dass man bei einem bei
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V Diskussion
Frauen eher dazu neigt, mangelnde Fähigkeiten dafür verantwortlich zu machen (internal, stabil), während dies bei Männern eher auf externe Umstände wie unglückliche Rahmenbedingungen zurückgeführt (extern, variabel) wird. Umgekehrt ist diese unterschiedliche Ursachenzuschreibung auch bei Erfolg zu beobachten. Zwischenmenschliche Konflikte werden von Männern wie Frauen als bedeutsame Stressoren genannt. Als Beispiel gelten Entlassungen von Mitarbeitern, die als unmenschliche und doch notwendige Massnahme empfunden werden. In solchen Momenten scheint es zu einem inneren Konflikt zwischen sozialer Gesinnung und Firmeninteresse (auch ein Zielkonflikt) zu kommen, der als Stressor erlebt wird. Hingegen erfahren weibliche Führungskräfte mehr Wertschätzungsprobleme. Die Autorin sieht dafür zwei mögliche Erklärungen: Entweder erfahren Frauen in dieser Position tatsächlich weniger Wertschätzung durch ihre Umgebung oder Frauen zeigen ein grösseres Bedürfnis nach Anerkennung. Gemäss der Studie von Sander & Hartmann (2009) dürfte die erste Erklärung stimmen: „Weibliche Führungskräfte müssen sehr viel mehr um die Anerkennung ihres Führungspotenzials kämpfen, was sich … in einem Mangel an Anerkennung und mehr sozialen Spannungen zeigt“ (Sander & Hartmann, 2009, S. 13). Dazu auch Cromme & Frank (2009): „Am stärksten wird bei weiblichen Managern das Bedürfnis nach Achtung und Wertschätzung frustriert“ (Cromme & Frank, zitiert nach Hartmann & Sander, 2009, S. 13). Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Männer und Frauen ähnliche Belastungsfaktoren erleben, dennoch aber das Geschlecht einen entscheidenden Einfluss auf das Stresserleben besitzt. Diese Ergebnisse wurden bereits in zahlreichen anderen Studien bestätigt (vgl. Antoniou & Cooper, 2005; Sander & Hartmann, 2009). Beide Geschlechter stehen mit den aufgeführten Arbeitbelastungen häufig in einem Spannungsverhältnis zu den Bereichen Familie, Freizeit und soziale Beziehungen. In der Literatur wird dieser Aspekt als „Double-Squeeze“ diskutiert. Er bringt zum Ausdruck, dass „Manager häufig in widersprüchliche, sich tendenziell ausschliessende Selbst- und Fremdansprüche geraten“ (Ellguth, Liebold & Trinczek, 1998, zitiert nach Ohm & Strohm, 2001, S. 53). In den Antworten fällt zudem auf, dass Frauen differenzierter zu ihrer eigenen Rolle Stellung nehmen (vgl. private Probleme „Familie, Umfeld“ und „Zielkonflikte“) und sich allgemein häufiger kritisch gegenüber sich selber äussern.
V.2
Probleme und Grenzen der Studie
Die Methode dieser Studie hat zwar Resultate geliefert, sie hätte aber noch aussagekräftiger ausfallen können. Rückblickend würde die Autorin einige Interviewfragen weniger spezifisch formulieren insbesondere zu den Themen Entlöhnung, Trennen
V.2 Probleme und Grenzen der Studie
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von Freizeit/Arbeitszeit, Sport und sozialem Netzwerk bzw. alle Fragen zu den einzelnen Ressourcen gleichermassen offen stellen. Nicht zuletzt deshalb, weil in bestimmten Bereichen nur wenige Angaben gemacht wurden, in anderen Bereichen wiederum eine erhöhte Anworttendenz festzustellen ist. Die Ursache dafür könnte auch sein, dass es sich zum Teil um sehr persönliche Themen handelt. Um dazu mehr Informationen zu erhalten, genügt aber wohl ein einmaliges und eher kurzes Interview nicht, um die nötige Vertrauensbasis herzustellen. Dem könnte entgegengewirkt werden, wenn bestimmte heikle Fragen in einem anonymen Fragebogen vorgelegt würden. Zu einigen Ressourcen ist nur wenig Literatur vorhanden, etwa bei den Geschlechterunterschieden. Die Interpretationen in dieser Arbeit basieren deshalb fast ausschliesslich auf den eigenen Befunden. Soziale Unterstützung gehört gemäss der Kategorisierung in der Literatur meistens zu den äusseren Ressourcen (vgl. Rimann & Udris, 1993, Schwarzer & Leppin, 1989), während Copingstrategien den inneren Ressourcen zugeordnet werden. In dieser Studie geht es unter anderem um soziale Unterstützung, was als Copingstrategie und somit als innere Ressource aufgeführt wurde. In Zukunft müsste allerdings die Definition von sozialer Unterstützung überdacht werden, um den Vergleich mit den bestehenden Forschungsresultaten zu erleichtern. In Untersuchungen wie dieser können den für wissenschaftliche Studien geforderten Kriterien einer Zufallsstichprobe oft nicht Rechnung getragen werden. Einerseits müssen Untersuchungspersonen gefunden werden, die die notwendigen Merkmale aufweisen, andererseits müssen sie gewillt sein, an der Erhebung teilzunehmen. Somit hat dies zur Folge, dass eine nicht vollständig repräsentative Stichprobe zur Verfügung steht. Obwohl die Stichprobe bezüglich der gewählten qualitativen Erhebungsmethode genügend gross war, lag in Bezug auf die geschlechterspezifischen Fragestellungen ein relativ kleiner Datensatz vor, um in jeder Hinsicht valide Aussagen zu generieren. Zudem konnten nicht gleich viele Männer wie Frauen für die Erhebung gewonnen werden. Im Weiteren handelt es sich in den Antwortergebnissen immer um Selbstbeschreibungen bzw. um subjektive Aussagen. Das führt zu verschiedenen Problemen, wie etwa der sozialen Erwünschtheit, der Tendenz zur Mitte oder verzerrten Erinnerungen. Diese Faktoren beeinträchtigen die Validität der Untersuchungsergebnisse. Durch den Einsatz von weiteren objektiven Beobachtungsdaten könnten Wahrnehmungsverzerrungen der Teilnehmenden überprüft und deren Subjektivität besser kontrolliert werden. Zusätzlich ist festzustellen, dass möglicherweise das Geschlecht der Interviewerinnen einen Einfluss auf die Antworttendenzen der interviewten Personen besass. Durch den Einsatz einer weiblichen und männlichen Interviewperson könnte diesem
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V Diskussion
Umstand Rechnung getragen werden. Zudem besteht bei einem halbstandardisiertes Interview die Gefahr, Suggestivfragen zu stellen, unterschiedlich nachzufragen und das Gegenüber durch eine nonverbale Kommunikation zu beeinflussen. Darüber hinaus darf angenommen werden, dass die Personen der untersuchten Zielgruppe aufgrund ihrer beruflichen Position über aussergewöhnliche Persönlichkeitsattribute, Fähigkeiten und eine robuste Gesundheit verfügen, die nicht repräsentativ für eine grössere Grundgesamtheit sind. Obwohl die genannten Begrenzungen vorliegen, steht fest, dass die notwendigen Rahmenbedingungen und Kriterien der gängigen Forschung bei der Stichprobe und dem methodische Vorgehen eingehalten wurden, so dass die generierten Ergebnisse gerechtfertigt sind.
V.3
Weiterführende Überlegungen
Theoretischer Ausgangspunkt dieser Studie bildete das Effort-Reward-ImbalanceModell von Siegrist (1996). Weil die Untersuchung zahlreiche weitere Belastungs(Effort) und Belohnungsfaktoren (Reward) zu Tage gefördert hat, wäre zu überlegen, wie damit das Reward-Imbalance-Modell erweitert werden könnte. Hinzugefügt werden müssten die Stressfaktoren „Zielkonflikte“, „zwischenmenschliche Konflikte“, „Misserfolg“, „Fremdbestimmung“, „fehlende Annerkennung“ und „Geschlecht“. Die eruierten Belastungsfaktoren „Reisen“, „externe Einflüsse“ und „Einsamkeit an der Spitze“ sind weniger geeignet, da es sich um stichprobenspezifische Faktoren (Spitzenführungskräfte) handelt. Demzufolge würde es auch Sinn machen, die Belohnungsfaktoren um „Macht“, „Unabhängigkeit“, „Vielseitigkeit“, „Befriedigung“, „Herausforderung“ und „Arbeitsklima“ zu erweitern. In Anbetracht der Fülle dieser Faktoren wäre es übersichtlicher, diese zu Oberkategorien zusammenzufassen wie zum Beispiel: Belohnung durch Arbeitsqualität (Vielseitigkeit, Befriedigung, Unabhängigkeit, Herausforderung), Soziale Belohnung (Wertschätzung, Arbeitsklima), Persönliche Belohnung (Einkommen, Karrieremöglichkeiten, Erfolg und Macht). Bei den Copingstrategien müsste man aufgrund der vorliegenden Resultate prüfen, inwiefern diese persönlichen Strategien, neben dem persönlichen Risikofaktor Overcommitment, einen moderierenden positiven Einfluss zwischen der EffortReward-Imbalance und der Gesundheit besitzen. Überdies wäre zu genauer zu untersuchen, welche Auswirkung die innere Sinngebung auf den Zusammenhang zwischen Effort und Reward besitzt. Für zukünftige Erhebungen sollte zudem die Wahl der Kaderstufe überdacht werden. Möglicherweise ergeben sich bei der Untersuchung von solchen Forschungsfra-
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V.3 Weiterführende Überlegungen
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Abbildung 10: Erweitertes Effort-Reward-Imbalance-Modell
gen wie im vorliegenden Bereich, insbesondere bei der Erhebung von Stressoren, bei Führungspersonen im mittleren Management weitere Erkenntnisse. Spezifisch zu untersuchen wäre, ob Personen, die nicht in solch hohen Kaderfunktionen tätig sind, eher für eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit plädieren und welche Bedeutung Strategien zu besseren Distanzierfähigkeit besitzen. Zusätzlich wäre ein Vergleich mit einer Stichprobe aus sozialen Berufen aufschlussreich. Ein besonderes Augenmerk könnte dort auf die innere Sinngebung gerichtet werden, die möglicherweise einen anderen Stellenwert besitzt. Weiter könnte man fragen: Sind bestimmte moralische Grundsätze in der Führungsfunktion bzw. in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen von Vorteil und wirken diese ressourcenfördernd? Sind bestimmte Lebensprinzipien wegweisend für eine erfolgreiche Berufslaufbahn? Das Interesse an solchen Fragen ist bei den Führungskräften durchaus vorhanden, das hat diese Studie gezeigt. Für die Geschlechterforschung wäre es notwendig, weitere Erkenntnisse zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten zu gewinnen, um Massnahmen zur Umsetzung im gleichberechtigten Führungsalltag zu generieren. Würde sich zum Beispiel der Verdacht bestätigen, dass weibliche Führungskräfte ein anderes persönliches Attributionsmuster verfolgen, könnte weiter gefragt werden, welche Faktoren dem zugrunde liegen. Darüber hinaus wäre es spannend zu untersuchen, ob sich in Bran-
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V Diskussion
chen, in denen mehr Frauen in Führungspositionen tätig sind, die gleichen Unterschiede zeigen. Dazu wäre die Entwicklung eines Fragebogens von Nutzen, der die bestehenden Differenzen aufnimmt und die ursächlichen Faktoren spezifisch zu erfassen versucht. Die Arbeitstätigkeit und die persönlichen Voraussetzungen stehen in engem Zusammenhang, indem zum Beispiel die innere Sinngebung in der beruflichen Tätigkeit verfolgt werden kann. Daher ist es in der Beratung von Einzelpersonen (Coaching) besonders wichtig, das Augenmerk auf die Passung von Person und Umwelt zu richten. Das Thema der ressourcenorientierten Stressprävention, insbesondere mit Blick auf die Geschlechterunterschiede, ist sowohl im Führungsalltag als auch in wissenschaftlicher Hinsicht längst nicht ausgeschöpft. Mit den sich verändernden Arbeitsanforderungen einerseits und einer Zunahme von Frauen in Führungspositionen andererseits wird das Thema weiterhin an Bedeutung gewinnen.
VI
Schlusswort
Arbeit kann krank machen. Eine hohe Arbeitsbelastung kann aber auch dazu motivieren, die eigene Leistung zu steigern. Zentral ist dabei der Umgang mit Schutzfaktoren, den sogenannten Ressourcen. Sie beeinflussen das Wohlbefinden und die Gesundheit des Einzelnen und können vor Stresserkrankungen wie Burnout schützen. Die vorliegende Arbeit nimmt diese Stressoren und Ressourcen im Führungsalltag in den Blick. Sie geht von einem salutogenetischen Ansatz aus und untersucht, wo sich Geschlechtsunterschiede zeigen. Gut untersucht ist in der Forschung der Umstand, dass Männer und Frauen unterschiedliche Gesundheitsprobleme haben und sich unterschiedlich verhalten. Gut untersucht ist auch, dass Frauen in Führungspositionen nicht nur in der Schweiz eine Seltenheit sind. Theoretischer Ausgangspunkt bildet das Effort-Reward-Imbalance-Model nach Siegrist (1996). Neben den in diesem Modell enthaltenen Belohnungsfaktoren wie Einkommen, Wertschätzung und Karrieremöglichkeiten und dem verhaltensbezogenen Risikofaktor Overcommitment, war es auch Ziel, Stressfaktoren zu eruieren und weitere Schutzfaktoren zu untersuchen, die sich günstig auf die psychische Gesundheit auswirken bzw. burnoutprophylaktischen Einfluss besitzen Die Daten wurden einerseits durch eine schriftliche Befragung und andererseits durch halbstrukturierte Einzelinterviews mit 16 Frauen und 24 Männern aus dem obersten Führungsbereich erhoben. Der Fragebogen diente dazu, neben den personenspezifischen Angaben zur Beschreibung der Stichprobe, weitere relevante Informationen für die im Zentrum stehende qualitative Untersuchung zu erhalten. Mit der quantitativen Erhebung konnten zudem die Zusammenhänge verschiedener Faktoren wie Sport, soziale Unterstützung oder Belohnung geklärt, im Vergleich mit den drei Dimensionen des Maslach Burnout Inventory korrelativ aufgedeckt und als Ressourcen bestätigt werden. Einige dieser Faktoren spielen in der qualitativen Studie eine wichtige Rolle. Die Auswertung der verbalen Daten, die in verschiedenen Schritten durchgeführt wurde, basiert auf dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse. Aus dem vorliegenden Datensatz wurden vorallem interne (personalen) Ressourcen thematisiert, also die innere Sinngebung, Copingstrategien und Persönlichkeitseigenschaften im Gegensatz zu den externen Ressourcen (wie Belohnungsfaktoren und allgemeine arbeitsplatzbezogene Bedingungen), die ebenfalls sehr wichtig sein können. In den drei Ressourcenkategorien „Innere Sinngebung“, „Belohnung“ und „Copingstrategien“ konnten wenige, aber deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden.
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VI Schlusswort
Die innere Sinngebung stellt eine wichtige Ressource dar. Die Ergebnisse zeigen, dass die Führungskräfte Sinn in ihrer Arbeit sehen. Zahlreiche Lebensgrundsätze bzw. Lebensprinzipien wurden genannt in denen verschiedene Lebensmotive zum Ausdruck kommen. Können diese mit der Arbeit in einen Zusammenhang gestellt werden, so scheint sich diese positiv auf die Gesundheit auszuwirken. Ausserdem verfolgen Frauen und Männer unterschiedliche Lebensgrundsätze. Weibliche Führungskräfte nennen häufiger soziale Motive, in denen das „Zusammensein mit anderen Menschen“ und „gemeinsam etwas erreichen“ stärker im Zentrum steht. Neben den untersuchten Variablen Einkommen, Wertschätzung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten aus dem Effort-Reward-Imbalance Model konnten weitere ideelle Belohnungsfaktoren eruiert werden. Dabei wird das Einkommen von nur einem kleiner Teil der befragten Spitzenführungskräfte als sehr wichtig betrachtet. Umso mehr Bedeutung erhalten die Belohnungsaspekte „Anerkennung“ in Verbindung mit „Erfolg“, „Macht“ im Sinne von „Einflussnahme“ und die „persönliche Unabhängigkeit“. Das Einkommen ist für die weiblichen Spitzenführungskräfte nur von marginaler Bedeutung. Frauen sprechen zudem dem Arbeitsklima und der Wertschätzung durch die Mitarbeitenden einen höheren Stellenwert zu als ihre männlichen Kollegen. Die Copingstrategien lassen sich in die vier Kategorien „Freizeitbeschäftigung“, „Arbeitsstil/-haltung“, „soziale Unterstützung“ und „Trennen von Freizeit/Arbeitszeit“ einteilen. Dabei erhält die Copingstrategie Inanspruchnahme sozialer Unterstützung besonders Gewicht, in Form von emotionaler, praktischer und fachlicher Unterstützung, die man von der Familie, Freunden, Arbeitskollegen oder Fachpersonen (Coach) erhält. Verschiedene genannte Arbeitsstrategien ermöglichen Zeitgewinn und unterstützen bei der Bewältigung der täglichen Arbeit. Obwohl „Overcommitment“ als verhaltensbezogener Risikofaktor gilt, nehmen die meisten der Spitzenführungskräfte keine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit vor. Für viele wäre der Versuch einer Trennung zusätzlicher Stress. Sie empfinden auch die Arbeit als Leben und erleben nicht nur die Freizeit als Genuss- und Erholungsort. Überdies wurden verschiedene Möglichkeiten zur besseren Distanzierfähigkeit thematisiert. So dienen sportliche Aktivitäten in erster Linie nicht nur der körperlichen Ertüchtigung, sondern dem emotionalen und mentalen Abschalten und Ausgleich. Obwohl beide Geschlechter der sozialen Unterstützung in Familie und im Freundes- und Bekanntenkreis grosse Bedeutung beimessen, unterscheiden sie sich am stärksten im Bereich der Copingstrategien. Weibliche Führungskräfte nehmen im Allgemeinen mehr soziale Unterstützung in Anspruch. Männer nutzen dagegen mehr die spezifische Unterstützung durch Vorgesetzte oder erfahrene ältere Kollegen in der Funktion eines Mentors und sind in der Regel besser beruflich vernetzt.
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Als weitere Ressourcen konnten in dieser Untersuchung die Faktoren „Erfahrung“, „soziales Netzwerk“, „biologische Konstitution“ und „Persönlichkeitseigenschaften“ eruiert werden. Erfahrung bringt Gelassenheit gegenüber Krisensituationen mit sich und vermindert das allgemeine Stressempfinden. Zudem steht die Ressource Erfahrung in engem Zusammenhang mit dem Selbstbewusstsein und erhöht den Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit, schwierige Situationen bewältigen zu können. Als positiv für die Stressprävention wird auch eine gute Regenerationsfähigkeit erwähnt. Der zusammenfassende Befund für die Stressoren bestätigte die bisherige Forschung, insbesondere Faktoren wie „Arbeitsüberlastung“, „Misserfolg“ und „Zwischenmenschliche Konflikte“. Der Vergleich zwischen Frauen und Männern ergab folgendes Bild: Nur die Frauen erfahren ihr Geschlecht als Stressor oder sehen es zumindest mit mehr Nachteilen verbunden, da sie als weibliche Spitzenführungskräfte nach wie vor einen Minderheitenstatus einnehmen. Sie fühlen sich zudem stärker Rollenkonflikten zwischen Familienarbeit und Beruf ausgesetzt. Darin äussert sich die Mehrfachbelastung von weiblichen Führungskräften mit Kindern. Obwohl sich das Rollenverständnis in den letzten zwei Jahrzehnten geändert hat, besitzen gesellschaftlich zugeschriebene Geschlechterrollen an der Arbeit noch immer einen entscheidenden Einfluss. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden zudem in der Art der Stellungnahmen festgestellt: Frauen nehmen differenzierter zu ihrer Rolle Stellung und äussern sich häufiger kritisch sich selber gegenüber, Männer dagegen argumentieren sachorientierter. Grundsätzlich ist in dieser Studie festzustellen, dass es diesen Spitzenführungskräften zu gelingen scheint, trotz hoher Arbeitsbelastung gesund zu bleiben bzw. sich vor einem Burnout zu schützen.
„Ich glaube, was über dem Ganzen stehen muss, ist, dass man am Schluss an dem, was man macht, Spass hat. Dass wenn ich am Morgen aufstehe und in den Tag hinein plane, dass ich trotz den Stressfaktoren, die ich sehe, es noch etwas gibt, an dem ich Spass habe. Ich sehe viele Leute in allen möglichen Positionen, die nicht Spass haben. Das ist die eigentliche persönliche Strategie. Ich habe diese bis jetzt immer verfolgt. Wenn ich keinen Spass habe, dann höre ich auf mit einem Dossier. Dann mache ich etwas anderes. Und das als Motor, als Strategie oder als Gegengewicht zum Stress, den es gibt und der teilweise gigantisch ist.“ VR-PRÄSIDENT, 50
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Anhang
A1: Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A2: Interviewleitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 A3: Darstellung des Kategoriensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 A4: Richtlinien Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 A5: Beschreibungen ausgewählter Codes mit Ankerbeispielen . . . . . . . . . . . . 212
199
Anhang A1
Fragebogen Wir möchten Sie bitten, die nachfolgenden Fragen zu beantworten. Sie helfen uns damit, ein besseres wissenschaftliches Verständnis der Zusammenhänge zwischen dem modernen, erfolgreichen Berufsleben und der Gesundheit zu gewinnen. Vielen herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit!
Fragen zur Statistik
Bitte zutreffendes ankreuzen oder Anzahl eintragen!
Geschlecht:
weiblich
männlich
Alter:
Angabe in Jahren
Zivilstand:
In Partnerschaft lebend
Keine Partnerschaft
Anzahl Kinder
Berufserfahrung
Wie lange sind Sie schon in Ihrem Beruf tätig? Anzahl Jahre:
Durchschnittliche effektive Arbeitsstunden pro Woche
Anzahl Stunden
200
Anhang A1
Fragen zur Beruflichen Situation Bitte kreuzen Sie die Aussage an, welche für Sie passt. Beispiel: Ich erhalte in schwierigen Situationen angemessen Unterstützung. Ja Nein, und das belastet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark
X
Ich erhalte in schwierigen Situationen angemessen Unterstützung. Ja Nein, und das belastet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark Ich erhalte von meinen Kollegen die Anerkennung, die ich verdiene. Ja Nein, und das belastetet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark Meine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sind schlecht. Nein Ja, und das belastetet mich gar nicht Ja, und das belastet mich mässig Ja, und das belastet mich stark Ja, und das belastet mich sehr stark Wenn ich an meine Ausbildung denke, halte ich meine berufliche Position für angemessen. Ja Nein, und das belastet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark
201
Anhang A1
Wenn ich an all die erbrachten Leistungen und Anstrengungen denke, halte ich meine Entlöhnung für angemessen. Ja Nein, und das belastet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark Wenn ich an all die erbrachten Leistungen und Anstrengungen denke, halte ich die erfahrene Anerkennung für angemessen. Ja Nein, und das belastetet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark Wenn ich an all die erbrachten Leistungen denke, halte ich meine persönlichen Chancen in der beruflichen Entwicklung für angemessen. Ja Nein, und das belastetet mich gar nicht Nein, und das belastet mich mässig Nein, und das belastet mich stark Nein, und das belastet mich sehr stark Bitte kreuzen Sie an, in welchem Mass Sie der jeweiligen Aussage zustimmen oder sie ablehnen. Antwortformat
Stimme
Stimme
gar
eher
nicht zu
nicht
Stimme
Stimme
eher zu
voll zu
Beim Arbeiten komme ich leicht in Zeitdruck.
Es passiert mir oft, dass ich schon beim Aufwachen an Arbeitsprobleme denke. Wenn ich nach Hause komme, fällt mir das Abschalten von der Arbeit sehr leicht. Diejenigen, die mir am nächsten stehen sagen, ich opfere mich zu sehr für meinen Beruf auf. Die Arbeit lässt mich selten los, das geht mir abends noch im Kopf rum Wenn ich etwas verschiebe, was ich eigentlich heute hätte getan haben müssen, kann ich nachts nicht schlafen.
202
Anhang A1
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207
Anhang A2
Interview-Leitfaden
I.
Berufliche Situation: Einstiegsfrage
1. Welche Situationen machen Ihnen Freude an der Arbeit? Wir legen dem Interview ein Bild zu Grunde. Es handelt sich um diese Waage hier. Auf der linken Seite sind die „Belastungen“, die durch die Arbeit entstanden sind, die einen grossen Effort (Aufwand) an Kraft und Energie und Einsatz verlangen.
Hintergrund: Effort-Reward-Imbalance-Modell ,' ' Arbeitsbelastung / 6 ! Stressfaktoren
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6! -, ' Sinnhaftigkeit/Antrieb 9 6 Persönliche Strategien
2. Was verursacht Ihnen Stress? Welche Situationen kommen Ihnen dabei in den Sinn? 3. Woran erkennen Sie, dass Sie Stress haben? Emotion / Körper / Denken/ Verhalten
208 II.
Anhang A2
Berufliche Situation Wie halten Sie Ihre persönliche Waage im Gleichgewicht?
1. Was setzen Sie auf die rechte Seite der Waage? Was ist Ihnen besonders von Nutzen? 2. Gibt es Dinge, die Ihnen heute mehr nützlich sind als früher? 3. Lohn kann auch einer der Gegenwerte (Belohnungen) sein. Welcher Stellenwert nimmt dieser für Sie ein? Welche Auswirkungen hat dieser für Sie? 4. Inwiefern ist der Lohn für Sie auch Verpflichtung? Zum Beispiel bezogen auf den zeitlichen Arbeitsaufwand, Präsenzzeiten, gedanklichen Beschäftigungszeiten Overcommitment / (auch während Wochenenden und Ferien) ( Undercommitment) 5. Können Sie die Arbeit von anderen Lebensbereichen trennen (Hintergrund: Abschalten, Distanzierungsfähigkeit) ? In welchen Situationen erreichen sie ein gutes Abschalten von der Arbeit? 6. In welchen Momenten bei der Arbeit vergessen Sie rundherum alles (Zeit, Raum, Anwesenheit anderer)? Kommt das häufig vor?
III.
Sinnfrage Haben Sie bestimmte Leitprinzipien in Ihrem Leben?
1. Viele Menschen haben grundlegende Lebenseinstellungen oder Lebensgrundsätze. Welche haben Sie? Fallen Ihnen Situationen ein, in denen Ihr Handeln Ihre Leitprinzipien besonders gut zum Ausdruck bringt?
Anhang A2
IV.
209
Copingstrategien Wo holen sie sich ihre Energie?
1. Gibt es zusätzliche Strategien, die Sie verfolgen, wenn Sie von der Arbeit her unter starkem Druck stehen oder in einer Stresssituation sind? Welche?
Sport Nur wenn genannt bzw. im Fragebogen mit JA angegeben:
1. Welches ist Ihre Hauptmotivation sich körperlich aktiv zu betätigen? Sportart (Leistungssport)
2. Was bewirkt diese körperliche Aktivität? 3. Gibt es auch Zeiten, in denen Sie sich weniger körperlich betätigen treiben? Was ist dann der Unterschied zu den Zeiten, in denen Sie sich vermehrt köprerlich betätigen?
Soziales Umfeld 1. Wieviele Personen zählen Sie zu Ihrem vertrauten, engeren sozialen Kreis? 2. Wo hilft Ihnen ihr Umfeld? Wo können sie auftanken? -
Inwiefern spielen diese Menschen eine entlastende Rolle? (Gespräche führen, Informativ. Ablenkung, Zeitunterstützung / Haushalt)
Supervision- und Coachingaspekt 1. Mit wem sprechen Sie über Fragen bezüglich Ihrer Arbeit bzw. über daily hassles? 2. Gibt es eine neutrale Person in Ihrem Leben, die sich ausserhalb des engeren sozialen Kreises und ausserhalb des beruflichen Kreises steht, die Sie als MentorIn / SparringspartnerIn ansehen? Welche Bedeutung messen Sie dieser Person zu? Woran erkennen Sie ihre Wichtigkeit? Welche Bedeutung hat diese Person im Rahmen der Stärkung der Ressourcen? Schlussfrage: Wurde etwas noch nicht angesprochen?
210
Anhang 3
Darstellung des Kategoriensystems Insgesamt wurden 76 Kategorien erstellt und 1945 Textstellen markiert, die den jeweiligen Kategorien zugewiesen wurden. Anschliessend ist die Ansicht der Ober- und Unterkategorien (1. Ordnung) zu ersehen. Ressourcen: Innere Sinngebung Philosophische Grundsätze Humanistische/religiöse Grundsätze Lebensprinzipien Ressourcen: Belohnung Materielle Belohnung Einkommen Ideelle Belohnung Anerkennung (Erfolg) Macht (Einflussnahme) Unabhängigkeit (Autonomie) Vielseitigkeit (interessante Arbeit) Befriedigung (Freude) Herausforderung (Lernzuwachs) Arbeitsklima (Wertschätzung) Ressourcen: Persönliche Strategien (Copingstrategien) Freizeitaktivitäten Arbeitsstil / -haltung Soziale Unterstützung Trennen Freizeit / Arbeitszeit Weitere Ressourcen Erfahrung Soziales Netzwerk Biologische Konstitution Persönlichkeitseigenschaften Stressoren: Private Stressoren Persönliche Probleme Familie, Umfeld Stressoren: Arbeitsbelastung Arbeitsüberlastung (quant./qual.) Zielkonflikte Zwischenmenschliche Konflikte Misserfolg Fremdbestimmung (Unkontrollierbarkeit) Einsamkeit an der Spitze Reisen Verantwortung Fehlende Anerkennung Externe Einflüsse Geschlecht
211
Anhang A4
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212
Anhang A5
Beschreibungen ausgewählter Codes mit Ankerbeispielen:
Wie bereits in Kapitel III beschrieben, erfolgte das textanalytische Vorgehen unter Zuhilfenahme des Textanalyseprogramms MAXQDA (Kuckartz, 1999). Nachfolgend wird die Bedeutung der Kategorien mit Ankerbeispielen illustriert. Ressource: Innere Sinngebung Hier soll untersucht werden, welche Glaubenssätze als Sinngrundlage (im erweiterten Bezug als Antrieb) und somit als Ressource dienen.
Kategorie
Erklärungen
Lebensprinzipien
Bemerkungen zu Lebensprinzipien äussern sich nicht so umfassend auf das Leben, wie die Bemerkungen zu philosophischen Grundsätzen und beziehen sich im Gegensatz dazu eher auf die Arbeit. Weitere Lebensprinzipien betreffen den Humor bzw. Spaß haben und Macht und Erfolg anstreben.
Humanistische / religiöse Grundsätze
Philosophische Grundsätze
Ankerbeispiele •
„Also, der rote Faden, der durch mein bisheriges Leben und Berufsleben geht, ist ja alles was mit Medien und Kommunikation zu tun hat. Das ist ja ein Antrieb, weil ich da einfach einen Riesenspass und ein Rieseninteresse daran habe und das auch gerne selbst umsetze. Das ist der eine Punkt.“
•
„Das habe ich umgekehrt im Sinne eines Pflichtbewusstseins.“
•
„Es muss grundsätzlich Spass machen.“
Leitlinien, die einen Menschen durch das Leben begleiten, die Haltung und das Motiv in Bezug auf anderen Menschen beschreiben z.B. fair sein, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Respekt und Toleranz, mit anderen zusammensein.
•
„…als Motor, als Motor für alle Aufgaben, die man macht, die Welt ernst nehmen und sich selbst ernst nehmen, die Mitarbeiter ernst nehmen, die Umwelt, mit der man zu tun hat, ernst nehmen.“
•
„Der Respekt, der Respekt vor der Persönlichkeit. Für mich ist der Respekt etwas wahnsinnig Wichtiges.“
Leitlinien, Lebensgrundsätze, die einen Menschen durch das Leben begleiten, wie z.B. im Jetzt leben, Bewusstheit der Endlichkeit, Verantwortung und persönliches Wachstum.
•
„Irgendwo am Schluss von diesem Leben sagen zu können, doch, du hast es soweit vernünftig und fair gemacht. Und das ist eigentlich eine Zielsetzung, in welchem Bereich auch immer, also nicht nur im Beruf.“
•
„Ein Ziel, über den Dingen und nicht in den Dingen stehen.“
213
Anhang A5
Ressource: Belohnung (materielle und ideelle) Hier geht es nicht darum, ob und wie sich die interviewten ihrer Arbeit ansehen (Belohnung am Arbeitsplatz). Kategorie
Erklärungen
Materielle Belohnung / Einkommen
Unter materieller Belohnung wurden Aussagen im Zusammenhang mit dem Einkommen aufgenommen.
Ankerbeispiele •
„Und die finanziellen Sorgen in diesem Sinnen nicht zu haben, das ist natürlich absolut wunderbar.“
•
„Ich muss so sagen, es hat vielleicht ein bisschen abgenommen über diese Jahre. Mir ist es immer wichtig gewesen, Wohlstand schaffen zu können, absolute Unabhängigkeit und möglichst auch noch für die Folgegenerationen.“
214
Anhang A5
Kategorie
Erklärungen
Ideelle Belohnung / Macht (Einflussnahme)
Äusserungen zum Aspekt Macht (Einflussnahme). Unter „Einfluss nehmen können“ wird im erweiterten Sinn auch Weiterentwicklung bzw. Gestalten, Vorwärtstreiben von Projekten, Firmen oder Institutionen verstanden. Abgrenzung zur Kategorie Lernzuwachs: Mit Weiterentwicklung ist hier nicht die persönliche Weiterentwicklung im Sinne von Lernzuwachs gemeint.
•
„Aber die wichtigen Sachen, die lege ich fest. Das ist auch ein bisschen eine Honorierung.“
•
„Ich habe immer Einfluss haben wollen, etwas zu sagen haben. Und ich bin auch bereit gewesen, dafür zu arbeiten.“
Bemerkungen zu einem guten Arbeitsklima und insbesondere die Wertschätzung durch die Mitarbeitenden
•
„Wenn man einfach merkt, die Atmosphäre stimmt, allgemein, wenn viele positiv mitarbeiten.“
•
„Ja, ich meine, wenn man durchaus mit Mitarbeitern gegenseitig spürt… man schätzt den Menschen. Und das gilt für die Vorgesetzten wie für die Mitarbeiter und auch für mich, also, gegenseitig.“
Angaben zur Anerkennung im Sinn von Sozialprestige erhalten, Recht bekommen, Anerkennung durch Zielerreichung, Leistung, insbesondere im Zusammenhang mit Erfolg, Abgrenzung zu Wertschätzung: Anerkennung durch Erfolg, wenn man etwas erreicht hat; Wertschätzung durch das Arbeitsumfeld steht im Zusammenhang mit dem Arbeitsklima.
•
„Ja, und dann gibt es eben mehr subjektive oder externe Anerkennung von wichtigen Stimmen aus der Wissenschaft, aus der eigenen Industrie oder von Analysten, beziehungsweise von Medienseiten, wo man Respekt hat dafür.“
•
„Es ist Erfolg. Man hat etwas erreicht. Nicht unbedingt persönlich, aber die Unternehmung oder die Leute oder das Team. Man hat ein Problem gelöst, man hat lange an dem geturnt und plötzlich ist es gelöst. Man hat ein Projekt fertig und es ist gut geworden.“
Ideelle Belohnung / Unabhängigkeit (Autonomie)
Notierte Aussagen zu Autonomie und Unabhängigkeit als Belohnung wie zum Beispiel autonom Entscheidungen treffen können und viele Freiheitsgrade besitzen.
•
„Und die ganze Autonomie, die du auf diesem Niveau hast, und natürlich je höher du kommst, je grösser ist diese.“
Ideelle Belohnung / Herausforderung (Lernzuwachs)
Angaben zu Herausforderungen, die überwindet werden müssen und die damit verbundenen neuen Erfahrungen im Sinne von Lernzuwachs.
•
„Aber das Entscheidende ist, dass man das zur Umsetzung bringt, zum Umbruch bringt und das, was mich vor allem interessiert, das ist der Lernprozess im Ganzen. Es gibt keinen Tag, wo ich nicht etwas gelernt habe.“
•
„Das Gegengewicht ist die Horizonterweiterung.“
Ideelle Belohnung / Arbeitsklima (Wertschätzung)
Ideelle Belohnung / Anerkennung (Erfolg)
Ankerbeispiele
215
Anhang A5
Kategorie
Erklärungen
Ideelle Belohnung / Vielseitigkeit (interessante Arbeit)
Angaben zum Belohnungsaspekt interessantes Leben, interessante und spannende Tätigkeit, Vielseitigkeit und keine Langeweile, die aufkommt.
Ideelle Belohnung / Befriedigung (Freude)
Äusserungen, in denen Befriedigung und Freude in der Arbeit als Belohnungsaspekt explizit genannt werden.
Ankerbeispiele •
„Die kommen eine halbe Stunde zu mir und da hat man die Wissenschaft in ihrer ganzen Breite, von dem Veterinärwesen bis zur Theologie aus erster Hand. Das ist hochinteressant.“
•
„Also, es ist unheimlich vielseitig. Es gibt eigentlich keinen Tag, wo ich denke, es ist flau oder langweilig gewesen.“
•
„Also, für mich ist es eine Befriedigung, die ich trotz allem darin finde. Die Befriedigung in der Arbeit ist für mich wirklich die grösste Belohnung.”
•
„Die Leute müssen doch irgendwie das Gefühl haben, der glaubt doch auch ein bisschen an das, was er erzählt und der hat selber auch Freude. Und ich, ich habe Freude an dieser Unternehmung. Ich finde das eine tolle Unternehmung.“
216
Anhang A5
Ressourcen: Persönliche Strategien (Copingstrategien) Darunter sind Verhaltensweisen aufgeführt, welche eine Person zur Bewältigung von Arbeitsbelastungen anwendet (in der Situation selber oder allgemein als präventiver Schutz). Kategorie
Erklärungen
Arbeitsstil / Arbeitshaltung
Die Kategorie umfasst Bemerkungen zum Arbeitsstil / Arbeitshaltung. Genauer gesagt sind darunter Aussagen gesammelt, welche Instrumente, Ansichten, Gewohnheiten ansprechen, die zu einer Arbeitserleichterung führen.
Soziale Unterstützung
Trennen Freizeit/Arbeitszeit
Darunter sind Antworten zu finden, die die Inanspruchnahme soziale Unterstützung (fachlicher, emotionaler, praktischer) zum Ausdruck finden.
Angaben zur Trennung von Arbeitszeit/Freizeit oder Vermischung von Arbeitszeit/Freizeit und in welcher Form die Abgrenzungen bzw. Distanzierung stattfindet.
Ankerbeispiele •
„Und jetzt habe ich eine Assistentin und in der Unternehmensentwicklung einen Stabsmitarbeiter, die ich mir jetzt selber ausgesucht habe, die beide so positive, lösungsorientierte, aktive, temperamentvolle Menschen sind. Und das ist für mich…, es geht mir besser.“
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„Und als Prinzip sicher das Delegieren, ja, das ist sicher ein Punkt. Nicht dass man meint, man müsse alles selber machen.“
•
„Also, ohne einen solchen Austausch wäre es natürlich schwierig. Das ist schon klar. Und mein Partner hat viel Erfahrung mit Leitungsfunktionen und im Bildungswesen.“
•
„Ich habe mit sehr viel Technik gelernt, die Gedanken dann auch nicht mehr weiter schweifen zu lassen, sondern ich mache viel Yoga, autogenes Training, Meditation. Nein, das geht eigentlich recht gut. Es geht nicht immer, aber ich würde sagen, es geht gut.“ „Erstens mal, indem ich nicht zu Hause arbeite, aus Prinzip nicht, sondern das Einzige, was mit mir nach Hause darf, das ist mein Handy. Aber ich sitze nicht zu Hause am Computer. Und schon alleine das schafft eine grosse Trennung. Und ich habe keinen Blackberry. Das heisst, mein Telefon gibt mir meine Mails nur, wenn ich danach frage.“
•
217
Anhang A5
Weitere Ressourcen Diese Ressourcen tragen zur Beantwortung der Forschungsfrage bei: Werden zusätzliche Ressourcen zur Gesunderhaltung bzw. Burnoutprophylaxe der Führungskräfte trotz hoher Arbeitsbelastung genannt, welche nicht explizit erfragt wurden? Alle diese Ressourcen können nicht sofort aktiv vom Individuum eingesetzt werden, wie zum Beispiel die Copingstrategien, sondern sie sind über längere Zeit erworben. Es handelt sich dabei auch nicht um Belohnungen. Kategorie
Erklärungen Erklärungen
Erfahrung
Äusserungen zu gemachten positiven und negative Berufserfahrungen oder die Erfahrung als Ressource im Sinne von Alter oder Vertrautheit mit der Materie.
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Je vertrauter sie mit einer Organisation sind, desto mehr beginnen sie zu merken, wo die Hebel sind, wo die Schwächen sind, wo das Interessante ist, wo das ist, was sie speziell interessiert und je mehr beginnen sie einzutauchen.
Soziales Netzwerk
Angaben zum Kontakt mit anderen Menschen, zum Gefühl der Zughörigkeit, Geselligkeit und Stabilität im sozialen Umfeld. Es handelt sich hier nicht um Äusserungen, die eine aktive Inanspruchnahme soziale Untersützung beinhalten (siehe Ressource persönliche Strategie, soziale Unterstützung).
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„…dass man irgendwo ein Umfeld hat, das eine gewisse Stabilität hat.“
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„Ich habe einen sehr guten Freundeskreis, der nichts mit dem Geschäft zu tun hat, überhaupt nicht, von viel früher.“
Bemerkungen zur eigenen Gesundheit und zum persönlichen Energieniveau.
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„…das meine ich, dass die Gesundheit und der ganze Metabolismus und die ganze Konstitution sehr viel mitspielt. Also, ich habe Kollegen um mich herum gehabt, die haben auf dem Magen ein Problem gehabt, das habe ich alles nicht. Ich bin eine relativ gesunde Natur.“
•
„Energie ist letztlich die Ambition, das ist bei mir immer da gewesen.“
Biologische Konstitution
Ankerbeispiele
218
Anhang A5
Kategorie
Erklärungen Erklärungen
Persönlichkeitseigenschaften
Diese Kategorie enthält Aussagen zu Persönlichkeitsattributen wie Teamorientierung, Optimismus, Durchhaltewillen, Leistungsorientierung, Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit, Neugierde und Offenheit
Ankerbeispiele •
„Es braucht einen sehr langen Atem, man sieht es nicht immer unmittelbar. Es kann zum Beispiel sein, dass man unterwegs dreimal verliert bis man endlich gewinnt. Es braucht manchmal einen ziemlich langen Atem….“
•
„…es braucht eine gewisse Zuversicht, weil man den Erfolg nicht unmittelbar sieht.“
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„Ich bin überzeugt, dass man das kann. Es braucht einen starken Willen. Und das sagt man von mir auch…“
219
Anhang A5
Stressoren Kategorie
Erklärungen
Private Stressoren / Familie, Umfeld
Angaben zu Problemen im Bereich Familie, Umfeld.
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„…wenn eben im Privatleben verschiedene Sachen laufen, die einen sehr grossen Einfluss haben und die dann sehr stark ablenken von der Arbeit.“
Arbeitsstressoren / Arbeitsüberlastung (quant./qual.)
Angaben zu hoher Präsenz, Verfügbarkeit, Leistungsdruck, hohen Anforderungen.
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„Also, der Hauptbelastungsfaktor ist eigentlich meistens diese Zeitbelastung.“
•
„Und dann ist noch der Zeitdruck, dann sind 16 Baustellen, 15 Baustellen offen. Und man weiss, es kommt dann zusammen.“
Darunter sind innere Konflikte gemeint, wie zum Beispiel verschiedenen Ansprüchen zu genügen oder wenn gegen die persönliche Natur gehandelt werden muss (äusseren Rollen gerecht werden).
•
„Auch das Gefühl, 16 Baustellen offen zu haben und immer gerade das zu lösen.“
•
„Es gibt natürlich Situationen, wo du in Interessenskonflikten drinnen bist. Dann musst du wirklich für deine Interessen einstehen und dann sind dessen Interessen gegenüber. Dann musst du schauen, dass du deine Interessen durchsetzen kannst.
Diese Kategorie umfasst Bemerkungen zu Konflikten mit Mitarbeitern.
•
„Mühsame Leute, mühsame Kollegen, mühsame Situationen mit Leuten. Ich habe das in letzter Zeit immer wieder gehabt, man hat gewusst, da muss man sich wahrscheinlich von jemandem trennen, man weiss nicht, ob man soll. Das ist ein extremer Stress, wahrscheinlich der grösste, vor allem von dem Moment, in dem man zu zweifeln beginnt, bis zum Moment, in dem man sagt, jetzt müssen wir uns trennen.“
•
„Auch Mobbingsituationen oder was auch immer.“
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„Also, wenn etwas schief läuft und man sagt, hätte ich doch da nochmals drüber geschaut, dann hätte ich es gesehen.“
Arbeitsstressoren / Zielkonflikte
Arbeitsstressoren / Zwischenmenschliche Konflikte
Arbeitsstressoren / Misserfolg
Mit dieser Kategorie werden Äusserungen belegt, die Misserfolge ansprechen, auch im Sinne von Erwartungen nicht erfüllen (eigene an andere, von anderen an sich selbst, von sich an sich selbst).
Ankerbeispiele
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Anhang A5
Kategorie
Erklärungen
Ankerbeispiele
Arbeitsstressoren / Einsamkeit an der Spitze
Äusserungen, welche explizit den Begriff Einsamkeit enthalten oder umschreiben (Abgrenzung zur Kategorie „Verantwortung“).
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„Das ist okay, wenn das gut läuft. Und sonst ist es so, dass natürlich dieser Job relativ einsam ist, weil ich ja nicht mit Leuten reden kann, wie findest du das, wie findest du jenes.“
Arbeitsstressoren / Verantwortung
Bemerkungen, die sich auf die grosse Verantwortung als Führungsperson und deren Entscheidungskonsequenzen beziehen.
•
„Es gibt in Extremfällen Situationen, wo das Problem am Schluss bei ihnen ist. Und Sie können nicht mehr vorwärts oder zurück. Sie können weder delegieren, sie können es aber auch nicht besprechen. Sie können auch nicht mit Drittpersonen reden, weil diese zu wenig nahe dran am Problem sind. Sie können keine Meinung einholen. Es gibt Situationen, in denen sie total alleine sind und entscheiden müssen, soll ich jetzt diesen oder jenen Weg wählen.“
Arbeitsstressoren / Externe Einflüsse
Diese Kategorie umfasst externer Stressfaktoren wie Medien, Politik, Öffentlichkeit und Reputation.
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„…da hat man am Sonntagmorgen gefürchtet, die Sonntagszeitung auf zu tun, weil da ganz unschöne Sachen dringestanden sind.“
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„Dann habe ich vierzehn Tage lang meinen Ruf verteidigt.“
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„Grosser Stress ist für mich Öffentlichkeit. Schon die Tatsache auf einer öffentlich sichtbaren Bühne zu sein, ist für mich Stress, der dann noch verstärkt wird durch, jetzt rede ich tendenziös, die Unmöglichkeit, in der Öffentlichkeit einen wirklichen Dialog zu führen.“