Ulrike Baumöl Change Management in Organisationen
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Ulrike Baumöl
Change Management in Or...
229 downloads
1731 Views
2MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Ulrike Baumöl Change Management in Organisationen
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Ulrike Baumöl
Change Management in Organisationen Situative Methodenkonstruktion für flexible Veränderungsprozesse
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Robert Winter
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Habilitationsschrift Universität St. Gallen, 2005
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Britta Göhrisch-Radmacher Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0905-9
Geleitwort Die Gestaltung organisatorischer Veränderungen und die Steuerung komplexer Veränderungsprojekte gehören zu den zentralen Herausforderungen des Managements. Eine Vielzahl von Studien weist darauf hin, dass dem Veränderungsmanagement zwar eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg zukommt, dass jedoch gleichzeitig die Steuerbarkeit von Veränderungsprojekten und die methodische Unterstützung des Veränderungsmanagements als unbefriedigend angesehen werden. Da ein präzises und umfassendes Begriffsverständnis organisatorischer Veränderung fehlt, existieren keine umfassenden Beschreibungsmodelle für Veränderungsvorhaben. Wenn umfassende Beschreibungsmodelle fehlen, können Methoden zur optimalen Steuerung von Veränderungsprojekten nicht systematisch konstruiert und validiert werden. Diesem Beitrag liegt die Habilitationsschrift der Autorin am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen zugrunde. Die Arbeit schliesst die genannten Lücken, indem x
eine breit fundierte Klärung der Begrifflichkeiten rund um Veränderungsprojekte aus Managementsicht erfolgt,
x
daraus eine Systematik für die Beschreibung von Veränderungsprojekten abgeleitet wird,
x
auf dieser Grundlage eine Systematik für die für Veränderungsprojekte relevanten Aktivitäten vorgeschlagen wird sowie
x
schliesslich ein Verfahren zur Konstruktion eines situativen, auf die jeweiligen Verhältnisse abgestimmten Vorgehensmodells mit „passenden“ Aktivitäten vorgestellt wird.
Das uneinheitliche Begriffsverständnis von Veränderung und Veränderungsprojekten wird überwunden, indem eine Vielzahl von Ansätzen aus Literatur und Unternehmenspraxis in ein Koordinatensystem mit den Dimensionen „Steuerungsverständnis“, „System-/ Organisationstheorie“, „Prozessvision“ und „Denkschule“ eingeordnet wird. Die Auslöser und Ansatzpunkte für Treiber von Veränderungsprozessen werden analysiert. Ein Bezugssystem mit den Dimensionen „Grundsatzphilosophie“, „konstituierende Elemente und deren Beziehungen“, „Steuerbarkeit“ und „spezifische Elemente für die Unterstützung der Veränderung“ wird begründet, auf dessen Grundlage zunächst das neue St. Galler Managementmodell und die Business Engineering-Landkarte dargestellt werden. Diese Beschreibung führt zu einem integrierten, sechs Ebenen umfassenden Bezugsrahmen, aus dem mit „Architektur- und Prozesssicht“, „umfassende Unternehmensbeschreibung“ und „Eignung für das Thema organisationale Veränderung“, drei Bewertungsaspekte abgeleitet werden, hinsichtlich derer ergänzend weitere Managementmodelle vergleichend beschrieben und hinsichtlich ihrer Eignung für die Lösung der Forschungsfragen bewertet werden. Aus dem integrierten Bezugsrahmen wird ein zyklisches, neun Phasen umfassendes Vorgehensmodell abgeleitet.
VI
Geleitwort
Um Methoden zur Steuerung von Veränderungsvorhaben zu konstruieren, die der jeweiligen Situation angemessen sind, müssen zunächst entsprechende Situationen systematisiert werden. Auf Grundlage von 52 Interviews in verschiedenen Unternehmen, 14 Fallstudien und 23 Methoden bzw. Erklärungsmodellen wird sehr systematisch und ausführlich abgeleitet, durch welche Beschreibungsparameter sich Veränderungsprojekte beschreiben lassen. Auf Grundlage des Bezugsrahmens werden mit „Fachlichkeit“, „Umfeld“, „Kultur und Emotionen“ sowie „Steuerung“ vier konzeptuelle Klassen von Beschreibungsparametern abgeleitet und für jede dieser Klassen ein repräsentativer Beschreibungsparameter – sozusagen als Klassenmittelpunkt - festgelegt. Dies erlaubt dann die transparente Zuordnung von allen übrigen Beschreibungsparametern zu einer der vier Klassen. Als Ergebnis kann ein Klassifikationsmodell für alle relevanten Beschreibungsparameter präsentiert werden. Da in der empirischen Basis nicht nur Beschreibungsparameter, sondern auch wichtige Aktivitäten von Veränderungsprojekten beschrieben sind, kann mittels eines kritischen Grenzwerts die Menge der Standardaktivitäten (d.h. in 75% der Fälle genannte Aktivitäten) bestimmt werden. Zu diesen Standardaktivitäten kommt für jedes Veränderungsprojekt dann eine bestimmte Menge von situativen Ergänzungsaktivitäten hinzu. Um diese zu bestimmen, werden die Veränderungsprojekte einer Clusteranalyse unterzogen. Es ergeben sich fünf Themencluster und zwei Aktivitätencluster, aus denen die Aktivitäts-Grundmuster „Analyse“, „Definition“ und „Konstruktion“ abgeleitet werden. Die so gewonnenen Regeln zur Spezifikation von Standard- und Ergänzungsaktivitäten werden auf Grundlage eines generischen Vorgehensmodells exemplarisch auf ein Praxisbeispiel angewandt. Damit wird die Methodenkonstruktion nicht nur illustriert, sondern auch die Machbarkeit des Konstruktionsverfahrens gezeigt. Zur Validierung des Ansatzes werden drei Fallstudien beschrieben, für die tatsächlich benutzte Beschreibungsparameter und tatsächlich zur Anwendung gekommene Aktivitäten den im Methodenkonstruktionsvorschlag spezifizierten Beschreibungsparametern und den jeweils durch die Methodik generierten Aktivitäten gegenüber gestellt werden. Mit diesem Werk liegt ein Beitrag vor, der Veränderungsmanagement und insbesondere die Steuerung von Veränderungsvorhaben nicht aus einer bestimmten Perspektive oder mit einem bestimmten Erfahrungshorizont untersucht, sondern ein umfassendes Beschreibungsmodell entwickelt. Der Vielgestaltigkeit von Veränderungsvorhaben wird mit einem Klassifikationsansatz begegnet, der die situationsgerechte Konstruktion von Steuerungsansätzen erlaubt. Die Tatsache, dass sich die Methodenengineering-Community der IFIP in ihrer dritten weltweiten Tagung nach 1996 und 2002 in diesem Jahr dem Schwerpunktthema „Situative Methodenkonstruktion“ widmet, zeigt auf, dass mit diesem Beitrag ein wichtiges Problemfeld in richtungweisender Form adressiert wurde. Ich wünsche diesem Beitrag deshalb breite Rezeption und vor allem aktive Umsetzung in der Unternehmenspraxis.
St. Gallen, im September 2007
Prof. Dr. Robert Winter
Vorwort Die Anpassungsfähigkeit einer Organisation an ein verändertes Umfeld ist die überlebenskritische Kompetenz im Kanon des verfügbaren Handlungsspektrums. Das ist wahrscheinlich auch der Grund für die umfangreiche Auseinandersetzung der Literatur und Praxis mit diesem Thema. Überaschend ist, dass trotz der vielen Erklärungs- und Lösungsversuche noch kein dominanter Ansatz zur Steuerung einer Anpassung der Organisation, also für den Prozess des „organizational change“, gefunden wurde. Auch dieses Buch präsentiert ihn nicht. Vielmehr wird ein Lösungsansatz vorgestellt, der das situative Momentum eines jeden Veränderungsprozesses, also seine Individualität, aufnimmt. Die systematische Veränderung einer Organisation soll auf einer möglichst individuellen Methode beruhen. Diese Aussage wirft im gleichen Atemzug die Frage nach der Effizienz eines solchen Vorgehens auf: kann eine individuelle, das heißt situativ konstruierte Veränderungsmethode überhaupt noch Effizienzkriterien genügen? Sie kann – aber nur, wenn die Methodenkomponenten standardisiert werden. Veränderungsprojekte aus der täglichen Realität der untersuchten Unternehmen in der Schweiz, Deutschland, Österreich sowie dem Silicon Valley und der Bay Area in Kalifornien, Fallstudien zu Veränderungsprojekten sowie Methoden und Erklärungsmodelle dienen als Basis für die Entwicklung der Methodenkomponenten. Diese Komponenten sind Aktivitäten, die in den Projekten, Methoden und Modellen zum Einsatz gekommen sind und standardisiert definiert werden. Entstanden ist daraus das „Change Method Engineering“, das auf den Methodenkomponenten aufsetzt, die anhand einfacher Regeln dem situativen Umfeld der Organisation entsprechend zusammengesetzt werden. So trägt der Ansatz der Forderung nach Effizienz (durch Standardisierung) bei höchstmöglicher Flexibilität (durch Kombination) Rechnung. Ein solches Werk ist immer eingebettet in ein stützendes Umfeld, ohne das es nicht entstehen könnte. Deshalb kommt nun der wichtigste Teil dieses Abschnitts – der Dank. Mein größter Dank gilt meinem Partner, Professor Reinhard Jung, ohne den dieses ganze Vorhaben nicht hätte zum Erfolg werden können. Dank gebührt aber auch unserer Familie sowie unseren Freunden Marion, Matthias und Luca – sie alle haben mit großer Geduld und Zuneigung unsere fluktuierenden Erscheinungen, Bücherstapel und Schreibattacken ertragen und immer dafür gesorgt, dass es ein Leben jenseits des Schreibtisches gab. Ein wichtiges Umfeld war das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Allen voran danke ich Professor Robert Winter, der mich im Denk- und Schreibprozess der Arbeit immer mit kreativen, aber auch strukturierenden Ideen, Geduld und viel Engagement begleitet hat. Professor Hubert Österle danke ich für den „Kick“ zur richtigen Zeit und die große Unterstützung. Für die Förderung und den Rat insbesondere in der Anfangsphase danke ich auch Professor Rolf Dubs sehr herzlich. Meiner Kollegin, Professorin Susanne Leist-Galanos, und ihrem Mann Stelios Galanos danke ich für die vielen netten und unbeschwerten gemeinsamen Stunden in St. Gallen, und Susanne zusätzlich für die wertvolle Zusammenarbeit und Unterstützung.
VIII
Vorwort
Ein wichtiger Teil der Arbeit war der Blick „über den Teich“ nach Kalifornien. Dass dieser Blick überhaupt mit Erkenntnis verbunden war, verdanke ich Dr. Christian Jenny, der mit seiner Erfahrung und seinen Einblicken viele Ideen ermöglicht hat. Das Eintauchen in die vielfältige Kultur und das „Zwiebelschalenmodell“ sind dabei nur zwei der vielen Dinge, die ich von ihm gelernt habe. Der Erkenntnissuch- und -findeprozess im Silicon Valley und der Bay Area im Verlauf der Forschungsarbeit wäre aber ohne Professor Homa Bahrami und Dr. Stuart Evans unmöglich gewesen. Mein tief verbundener Dank gilt den beiden für ihre herzliche Aufnahme und Freundschaft, die Unterstützung beim Finden der Interviewpartner und die vielen höchst inspirierenden Diskussionen über Ergebnisse und Implikationen. Mein Dank gilt darüber hinaus Professor Barry Posner, der mir eine „homebase“ in Kalifornien gegeben hat, und George Sollman, der das Vorhaben ebenfalls unterstützt hat. Ein zweiter, wichtiger Teil des Forschungsprozesses war die Mitarbeit in der Forschungsgruppe „Technologie und Gesellschaft“ der heutigen Daimler AG. Hier danke ich vor allem Stefan List, der die Basis für diesen Schritt geschaffen hat, aber auch Professor Eckard Minx für seine Unterstützung und Dr. Frank Ruff für sein Vertrauen und die inspirierende Begleitung. Gute Daten können nur erhoben werden, wenn Menschen sich Zeit nehmen und für Interviews zur Verfügung stehen. Das haben viele selbst angesichts dichtgefüllter Terminkalender getan. So habe ich eine Fülle wertvoller Informationen erhalten, die die Grundlage meiner Arbeit sind. Einen großen Dank gilt an dieser Stelle allen Interviewpartnern. Die Inspiration für das Thema und die Fragestellungen sind in der Zeit mit den Business Engineers des Executive Master of Business Engineering an der Universität St. Gallen entstanden. Ob in den spannenden und ideengeladenen Diskussionen im Unterricht oder bei den Anlässen (z.B. beim Wine mit und ohne Dine oder auch bei Beachpartys) außerhalb der Uni, ohne dieses Umfeld würde diese Arbeit hier nicht so vorliegen. Liebe Business Engineers: herzlichen Dank! Darüber hinaus gibt es viele weitere Menschen, die einen direkten und indirekten Anteil an diesem Werk haben. Mein Dank geht an alle, die mich auf dem Weg begleitet und unterstützt haben. Und nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Britta Göhrisch-Radmacher bedanken, die als Lektorin die Umsetzung des Manuskripts sehr nett und professionell begleitet hat.
Hagen, im September 2007
Prof. Dr. Ulrike Baumöl
Inhaltsübersicht 1
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben ............................................................. 1 1.1 Zielsetzung und Relevanz der Untersuchung ...................................................... 6 1.2 Erkenntnistheoretische Grundlagen ................................................................... 13 1.3 Anforderungen an die Untersuchung ................................................................. 16 1.4 Thematische Einordnung der Arbeit.................................................................. 17 1.5 Gang der Untersuchung ..................................................................................... 17
2
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion ................................................................................................ 21 2.1 Themengebiete im Rahmen der organisationalen Veränderung........................ 21 2.2 Wirtschaftliche und informationstechnische Einflussfaktoren auf Veränderungsvorhaben ...................................................................................... 23 2.3 Definition eines integrierten Bezugsrahmens auf der Grundlage von Management-Modellen ...................................................................................... 28 2.4 Methodenkonstruktion als Steuerungsgrundlage für die organisationale Veränderung ...................................................................................................... 58 2.5 Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Definition und Implementierung von Veränderungsvorhaben .................................................. 63 2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................... 67
3
Begriffliche und theoretische Grundlagen .................................................................. 69 3.1 Definition des Begriffs „Veränderung“ und Definitionsrahmen für das Konzept „organisationale Veränderung“ ........................................................... 69 3.2 Der Projektbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung ................. 133 3.3 Der Modellbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung ................. 140 3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 145
4
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens ............................ 149 4.1 Anforderungen an die situative Methodenkonstruktion .................................. 149 4.2 Entwicklung einer Klassifikationstheorie als Grundlage für die Methodenkonstruktion ..................................................................................... 153 4.3 Definition der Regelbasis für die Methodenkonstruktion ............................... 219 4.4 Entwicklung von Konstruktionsgrundmustern als Basis für die situative Methodenkonstruktion ...................................................................... 234 4.5 Anwendungsbeispiel Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau eines internen IT Service Providers .......................................................................... 238 4.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 250
5
Validierung des Lösungsansatzes für die situative Methodenkonstruktion .............. 255 5.1 Aufbau und Struktur der Fallstudienuntersuchung .......................................... 255 5.2 Fallstudie Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau und Integration einer neuen Organisationseinheit zur Koordination von Fachbereich und Informationstechnologie ........................................................................... 256
X
Inhaltsübersicht
5.3 5.4 5.5 6
Fallstudie Transportindustrie: Einführung eines neuen RevenueManagement-Systems ...................................................................................... 273 Fallstudie Dienstleistungsindustrie: Integration eines Unternehmens zur Ergänzung und Erweiterung bestehender Kompetenzen ........................... 286 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 296
Schlussbetrachtung.................................................................................................... 301 6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 301 6.2 Bewertung der Ergebnisse und des Vorgehens ............................................... 305 6.3 Ausblick ........................................................................................................... 308
Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 313 Anhang ............................................................................................................................. 331 Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... 335
Inhaltsverzeichnis 1
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben ............................................................. 1 1.1 Zielsetzung und Relevanz der Untersuchung ...................................................... 6 1.2 Erkenntnistheoretische Grundlagen ................................................................... 13 1.3 Anforderungen an die Untersuchung ................................................................. 16 1.4 Thematische Einordnung der Arbeit.................................................................. 17 1.5 Gang der Untersuchung ..................................................................................... 17
2
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion ................................................................................................ 21 2.1 Themengebiete im Rahmen der organisationalen Veränderung........................ 21 2.2 Wirtschaftliche und informationstechnische Einflussfaktoren auf Veränderungsvorhaben ...................................................................................... 23 2.3 Definition eines integrierten Bezugsrahmens auf der Grundlage von Management-Modellen ...................................................................................... 28 2.3.1 Der Begriff „Management-Modell“ ...................................................... 29 2.3.2 Das neue St. Galler Management-Modell und die Business Engineering Landkarte als Grundlage für den integrierten Bezugsrahmen ....................................................................................... 31 2.3.2.1 Neues St. Galler Management-Modell .................................... 32 2.3.2.2 Business Engineering Landkarte ............................................. 35 2.3.2.3 Zusammenführung der beiden Management-Modelle zu einem integrierten Bezugsrahmen ...................................... 36 2.3.3 Vergleich des integrierten Bezugsrahmens mit ausgewählten betriebswirtschaftlichen Management-Modellen .................................. 49 2.4 Methodenkonstruktion als Steuerungsgrundlage für die organisationale Veränderung ...................................................................................................... 58 2.5 Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Definition und Implementierung von Veränderungsvorhaben .................................................. 63 2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................... 67
3
Begriffliche und theoretische Grundlagen .................................................................. 69 3.1 Definition des Begriffs „Veränderung“ und Definitionsrahmen für das Konzept „organisationale Veränderung“ ........................................................... 69 3.1.1 Der Begriff „Veränderung“ ................................................................... 70 3.1.2 Das Konzept „Organisationale Veränderung“ ...................................... 83 3.1.3 Die Gestaltungsdimension „Denkschule“ ............................................. 86 3.1.4 Die Gestaltungsdimension „Organisationstheorie“ ............................... 89 3.1.4.1 Neue Institutionenökonomie ................................................... 91 3.1.4.2 Strukturationstheorie nach Giddens ........................................ 97 3.1.4.3 Prozesstheorie nach Weick .................................................... 104 3.1.4.4 Klassische und konstruktivistische Systemtheorie ............... 107 3.1.5 Die Gestaltungsdimension „Steuerungsverständnis“ .......................... 111 3.1.6 Die Gestaltungsdimension „Prozessvision“ ........................................ 122
XII
Inhaltsverzeichnis
3.2 3.3 3.4 4
Der Projektbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung ................. 133 Der Modellbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung ................. 140 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 145
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens ............................ 149 4.1 Anforderungen an die situative Methodenkonstruktion .................................. 149 4.2 Entwicklung einer Klassifikationstheorie als Grundlage für die Methodenkonstruktion ..................................................................................... 153 4.2.1 Grundmuster als prozessorientierte Strukturierungshilfe für die Methodenkonstruktion ........................................................................ 154 4.2.2 Grundlagen der Klassifikation ............................................................ 161 4.2.3 Theoriebildung für die Klassifikation zur Methodenkonstruktion ........................................................................ 165 4.2.4 Klassifikation von Beschreibungsparametern ..................................... 167 4.2.4.1 Identifikation der Beschreibungsparameter .......................... 168 4.2.4.1.1 Identifikation der Beschreibungsparameter für BE-Projekte .......................................................... 170 4.2.4.1.2 Identifikation von Beschreibungsparametern der Aktivitäten aus Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen ....................................... 177 4.2.4.2 Integration der identifizierten Beschreibungsparameter ....................................................... 182 4.2.4.2.1 Beschreibungsparameter für die Phase „Input“ .... 182 4.2.4.2.2 Beschreibungsparameter der Phase „Output“....... 193 4.2.5 Definition der konzeptuellen Klassen ................................................. 203 4.2.6 Bevölkerung und Fundierung der konzeptuellen Klassen................... 204 4.2.7 Ableitung der Standardaktivitäten des Change Method Engineering ......................................................................................... 216 4.3 Definition der Regelbasis für die Methodenkonstruktion ............................... 219 4.3.1 Ausgangslage und Hypothesen ........................................................... 220 4.3.2 Analyse der Datenbasis ....................................................................... 221 4.3.3 Ableitung der Grund-, Detail- und Ergänzungsregeln für die situative Methodenkonstruktion .......................................................... 228 4.4 Entwicklung von Konstruktionsgrundmustern als Basis für die situative Methodenkonstruktion ...................................................................... 234 4.4.1 Entwicklung des Grundmusters „Analyse“ ......................................... 235 4.4.2 Entwicklung des Grundmusters „Definition“ ..................................... 237 4.4.3 Entwicklung des Grundmusters „Konstruktion“ ................................. 238 4.5 Anwendungsbeispiel Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau eines internen IT Service Providers .......................................................................... 238 4.5.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt ........ 240 4.5.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase nach dem Grundmuster „Analyse“ ...................................................................... 240 4.5.3 Identifikation der Aktivitäten für die zu konstruierende situative Methode nach dem Grundmuster „Definition“..................... 243 4.5.4 Entwurf der Methode nach dem Grundmuster „Konstruktion“ .......... 244 4.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 250
Inhaltsverzeichnis
XIII
5
Validierung des Lösungsansatzes für die situative Methodenkonstruktion .............. 255 5.1 Aufbau und Struktur der Fallstudienuntersuchung .......................................... 255 5.2 Fallstudie Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau und Integration einer neuen Organisationseinheit zur Koordination von Fachbereich und Informationstechnologie ........................................................................... 256 5.2.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt ........ 256 5.2.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase ............................... 257 5.2.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I .................. 267 5.2.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs ...................................................................................... 273 5.3 Fallstudie Transportindustrie: Einführung eines neuen RevenueManagement-Systems ...................................................................................... 273 5.3.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt ........ 273 5.3.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase ............................... 276 5.3.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I .................. 278 5.3.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs ...................................................................................... 284 5.4 Fallstudie Dienstleistungsindustrie: Integration eines Unternehmens zur Ergänzung und Erweiterung bestehender Kompetenzen ........................... 286 5.4.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt ........ 286 5.4.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase ............................... 287 5.4.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I .................. 289 5.4.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs ...................................................................................... 291 5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 296
6
Schlussbetrachtung.................................................................................................... 301 6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 301 6.2 Bewertung der Ergebnisse und des Vorgehens ............................................... 305 6.3 Ausblick ........................................................................................................... 308
Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 313 Anhang ............................................................................................................................. 331 Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... 335
Abkürzungsverzeichnis AC
Abteilungschef
AG
Aktiengesellschaft
AMD
Advanced Micro Devices
BE
Business Engineering
BIK
Business-IT-Koordination
BIS
Betriebliches Informationssystem
BMW
Bayerische Motorenwerke
BPR
Business Process Reengineering
BSC
Balanced Scorecard
bspw.
Beispielsweise
CA
California
CEO
Chief Executive Officer
CIO
Chief Information Officer
CSC
Computer Sciences Corporation
d. h.
das heißt
DIN
Deutsche Industrie Norm
EBIT
Earnings Before Interests and Taxes
ERP
Enterprise Resource Planning
et al.
et alii
etc.
et cetera
EVP
Executive Vice President
HP
Hewlett Packard
HR
Human Resources
IBM
International Business Machines (Corporation)
IKT
Informations- und Kommunikationstechnologie
IMG
The Information Management Group
IPO
Initial Public Offering
IT
Informationstechnologie
KPI
Key Performance Indicator
Mass.
Massachusetts
M&A
Mergers and Acquisitions
ORG
Organisation
XVI
Abkürzungsverzeichnis
ROI
Return on Investment
SBU
Strategic Business Unit
SBV
Schweizerischer Bankverein
SLA
Service Level Agreement
SWOT
Strength, Weaknesses, Opportunities, Threats
TQM
Total Quality Management
UBS
Union Bank of Switzerland
US
United States (of America)
USP
Unique Selling Proposition
u. v. m.
und viele mehr
vgl.
vergleiche
VP
Vice President
WI
Wirtschaftsinformatik
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
z. B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre
Zfbf
Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Einstellungen in Veränderungsprozessen bei erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projekten ................................................................ 2
Abbildung 2:
Bedeutung von Change Management in den Jahren 2003 und 2008......... 4
Abbildung 3:
Bedeutung von Change Management im Jahr 2003 geordnet nach Branchen .................................................................................................... 4
Abbildung 4:
Begriffsverständnisse im Rahmen der Veränderung ............................... 12
Abbildung 5:
Thematische Einordnung der Arbeit ........................................................ 18
Abbildung 6:
Aufbau der Arbeit .................................................................................... 19
Abbildung 7:
Systematisierung der Themengebiete organisationaler Veränderung und beispielhafte Zuordnung von verbundenen Disziplinen ................... 23
Abbildung 8:
Treibende Kräfte für die Veränderung nach Kotter ................................. 25
Abbildung 9:
Auslöser und Ansatzpunkte für Treiber von Veränderungsprozessen .... 29
Abbildung 10: Das neue St. Galler Management-Modell ............................................... 34 Abbildung 11: Die Business Engineering Landkarte....................................................... 36 Abbildung 12: Die modifizierte Business Engineering Landkarte .................................. 41 Abbildung 13: Das Entwurfsmodell für eine im Rahmen des Methoden Engineering konstruierte Methode .......................................................... 43 Abbildung 14: Themenbereiche des Aspekts „Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppen“ .................................................................................... 45 Abbildung 15: Konsequenzen der verschiedenen Steuerungsbegriffe ............................ 47 Abbildung 16: Der integrierte Bezugsrahmen ................................................................. 48 Abbildung 17: Einordnung der Teilplanungskomplexe eines Planungs- und Kontrollsystems in die Gestaltungsobjekte des Unternehmens ............... 51 Abbildung 18: Das 7-S Modell von McKinsey ................................................................ 53 Abbildung 19: Modell einer Gesamtarchitektur von Managementsystemen .................. 54 Abbildung 20: Integration der Administrationssysteme, Struktur und Kultur im Rahmen des strategischen Managements ................................................ 55 Abbildung 21: Die fundamentalen Elemente des strategischen Managements nach Hax und Majluf ........................................................................................ 56
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 22: Der General Management Navigator und seine zentralen Fragestellungen ........................................................................................ 57 Abbildung 23: Anforderungen an Methoden ................................................................... 63 Abbildung 24: Vorgehensmodell zur Definition und Implementierung eines Veränderungsvorhabens .......................................................................... 67 Abbildung 25: Abgrenzung der Begriffe „Veränderungsvorhaben“, „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ .............................. 82 Abbildung 26: Definitionsrahmen für das Konzept „Organisationale Veränderung“ ..... 85 Abbildung 27: Auswahl der diskutierten Organisationstheorien ..................................... 91 Abbildung 28: Aspekte des Handlungsbegriffs in der Strukturationstheorie .................. 98 Abbildung 29: Ebenen des Bewusstseinsbegriffs in der Strukturationstheorie ............... 99 Abbildung 30: Wechselbeziehung zwischen Struktur und Strukturmomenten (Strukturen, z. B. Handlungen) .............................................................. 100 Abbildung 31: Strukturierungsmodalitäten.................................................................... 101 Abbildung 32: Routinisierung im Kontext von Handlung ............................................. 102 Abbildung 33: Die drei Kontextschichten ..................................................................... 103 Abbildung 34: Ansatzpunkte für die Analyse des Wirkungsbereichs einer Veränderung in der Schicht des internen Kontextes ............................. 104 Abbildung 35: Das Organisationsprozessmodell nach Weick ....................................... 106 Abbildung 36: Klassische und konstruktivistische Systemtheorie ................................ 110 Abbildung 37: Überwachungs- und Durchsetzungssysteme im Rahmen von Vertragsverhältnissen ............................................................................ 116 Abbildung 38: Zweischichtiges Steuerungsverständnis ................................................ 117 Abbildung 39: Kooperationsformen in Organisationen ................................................. 118 Abbildung 40: Betrachtungsobjekte und Dimensionen für die Entwicklung einer Veränderungsprozessvision ................................................................... 129 Abbildung 41: Einordnung des Begriffsverständnisses der vorliegenden Arbeit in die Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen .................................... 132 Abbildung 42: Übersicht über Projektarten und Projekterscheinungsformen ............... 137 Abbildung 43: Dimensionen der Modellkonstruktion ................................................... 141 Abbildung 44: Stufen der Abbildung von Realwelt zu Modell und Metamodell .......... 145 Abbildung 45: Aufgabendiagramm mit Ergebnissen und Datenspeicher zur Spezifizierung des Vorgehens bei der modularen und situativen Methodenkonstruktion ........................................................................... 152
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildung 46: Modellierung des Parameters „Entscheidung“ im Rahmen der Ermittlung des Kontexts ........................................................................ 156 Abbildung 47: Modellierung des Parameters „Situation“ im Rahmen der Ermittlung des Kontexts ........................................................................ 157 Abbildung 48: Modellierung der Definition des Kontextes für die Methodenkonstruktion ........................................................................... 158 Abbildung 49: Kontext-spezifischer Modellierungsansatz am Beispiel der Entwicklung eines ER-Modells ............................................................. 160 Abbildung 50: Das Grundmuster „CME-Klassifikation“ .............................................. 162 Abbildung 51: Die drei Ebenen der Klassifikationsentwicklung .................................. 165 Abbildung 52: Schematischer Zusammenhang zwischen empirischer und konzeptueller Basis der Klassifikation .................................................. 168 Abbildung 53: Schematischer Zusammenhang zwischen Klassen, ihren Standardobjekten und den zuzuordnenden Beschreibungsparametern ...................................................................... 207 Abbildung 54: CME-Klassen und zugeordnete Beschreibungsparameter..................... 215 Abbildung 55: Verteilung der Basisaktivitäten auf die vier Klassen des CME............. 219 Abbildung 56: Entstehung von BE-Methoden durch die zielgerichtete Kombination von Aktivitäten aus Veränderungsmethoden ................... 221 Abbildung 57: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Interviews ............................ 224 Abbildung 58: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Fallstudien ........................... 225 Abbildung 59: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle .......................................................................... 226 Abbildung 60: Grundmuster zur Ableitung der Regelbasis ........................................... 230 Abbildung 61: Grundmuster „Analyse“......................................................................... 236 Abbildung 62: Grundmuster „Definition“ ..................................................................... 237 Abbildung 63: Grundmuster „Konstruktion“................................................................. 239 Abbildung 64: Für das Projekt zu verwendende Beschreibungsparameter ................... 242 Abbildung 65: Übersicht über die Aktivitäten der zu konstruierenden Methode .......... 244
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Vergleich des abbildungstheoretischen und konstruktivistischen Paradigmas ............................................................................................... 14
Tabelle 2:
Definitionsansätze des Begriffs „Veränderung“ ...................................... 78
Tabelle 3:
Vergleich der drei neoinstitutionalistischen Organisationstheorien ........ 93
Tabelle 4:
Mögliche Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen des Konzepts „Organisationale Veränderung“............................................................. 131
Tabelle 5:
Struktur der Stichprobe .......................................................................... 171
Tabelle 6:
Identifikation von Beschreibungsparametern aus den durchgeführten Interviews ..................................................................... 173
Tabelle 7:
Analysierte Fallstudien .......................................................................... 175
Tabelle 8:
Identifikation von Beschreibungsparametern aus konkreten Veränderungsprojekten in der Literatur ................................................ 176
Tabelle 9:
Analysierte Veränderungsmethoden bzw. Erklärungsmodelle.............. 180
Tabelle 10:
Identifikation von Beschreibungsparametern aus Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen ................................. 182
Tabelle 11:
Begründung der ontologischen Distanz zwischen den Standardobjekten ................................................................................... 213
Tabelle 12:
Die Aktivitäten der CME-Basis ............................................................. 218
Tabelle 13:
Nummerierung der Fallstudien für die Clusteranalyse .......................... 225
Tabelle 14:
In den Clustern der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle auftretende Kombinationen von Nicht-CME-Basisaktivitäten.............. 228
Tabelle 15:
Grund- und Detailregeln für die Methodenkonstruktion ....................... 233
Tabelle 16:
Ergänzungsregel und Ergänzungen für die Methodenkonstruktion ...... 235
Tabelle 17a:
Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block I) ................................ 246
Tabelle 17b:
Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block II) ........................ 247
Tabelle 17c:
Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block III) ....................... 248
Tabelle 17d:
Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block IV) ....................... 249
XXII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 18a:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block I) .................................................................................. 263
Tabelle 18b:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block II) ................................................................................ 264
Tabelle 18c:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block III) ............................................................................... 265
Tabelle 18d:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block IV) ............................................................................... 266
Tabelle 19a:
Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block I) ....................................................................................... 269
Tabelle 19b:
Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block II)..................................... 270
Tabelle 19c:
Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block III) ................................... 271
Tabelle 19d:
Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt "Implementierung BIK" (Block IV) ................................... 272
Tabelle 20a:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block I) ............................................. 279
Tabelle 20b:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block II) ....................... 280
Tabelle 20c:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block III) ..................... 281
Tabelle 20d:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts "Einführung Revenue Management-System" (Block IV) ..................... 282
Tabelle 21:
Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Integration eines Dienstleistungsunternehmens“ .............................................................. 290
Tabelle 22a:
Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block I).................................................................................. 292
Tabelle 22b:
Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block II) ................................................................................ 293
Tabelle 22c:
Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block III) ............................................................................... 294
Tabelle 22d:
Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block IV) ............................................................................... 295
1 Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben Die systematische Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben ist eine elementare Voraussetzung für ihre erfolgreiche Durchführung. Bisher sind die beobachtbaren Erfahrungen und Ergebnisse jedoch so, dass zwar Methoden und Techniken zur Verfügung stehen, die eine entsprechende Systematisierung des durch das Vorhaben ausgelösten Veränderungsprozesses suggerieren, deren Ergebnisse aber sind doch eher zufällig denn deterministisch. Diese Methoden sind zahlreich und vielfältig: von strikten und bis zuweilen starr strukturierten Reengineering-Vorgehensweisen bis zu eher wenig strukturierten Methoden, die vornehmlich auf die emotionalen Komponenten der Veränderung abzielen, ist nahezu jede denkbare Variante verfügbar. Darüber hinaus gibt es eine große Zahl von Beratern und Beratungshäusern, die sich in diesem Bereich spezialisiert haben. Aber immer noch ist die Erfolgsquote bei Veränderungsvorhaben vergleichsweise gering.1 Das zentrale Ergebnis der ILOI-Studie zeigt die Hauptgründe dafür auf: Die Veränderungsvorhaben scheitern in der Regel nicht an betriebswirtschaftlichen oder technischen Problemen, sondern in der Regel an mentalen und kulturellen Barrieren, die nicht überwunden werden können. In den Projekten, die weniger als 60 % ihrer Zielsetzungen erreichen, sind zum einen Gründe, wie z. B. die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter, der Grad der Eigenverantwortung sowie die Vertrauens- und Konfliktkultur, signifikant schwächer ausgeprägt als bei Unternehmen, die einen 80 %-igen und höheren Zielerreichungsgrad haben. Zum anderen sind bei den erstgenannten Unternehmen bestimmte Einstellungen vorherrschend, die z. B. postulieren, dass „Menschen sich ab einem gewissen Alter nicht mehr ändern können“ oder „Bewährtes nicht in Frage gestellt werden sollte“. Diese Punkte ergänzend werden als weiterer Faktor die kürzeren Projektlaufzeiten unter höherem Druck angeführt, die keine Zeit für eine Auseinandersetzung mit den emotionalen Faktoren einräumen. Im Rahmen der Change Management-Studie 2003/2008 wird ein Interviewteilnehmer mit den folgenden Worten zitiert: „Der Erfolg oder Misserfolg hängt vom Verhalten und der Einstellung der Beteiligten ab. Deshalb ist den weichen Faktoren mindestens genauso viel Bedeutung beizumessen wie den Fakten.“ In Abbildung 1 sind die unterschiedlichen Einstellungen in Veränderungsprozessen bei erfolgreichen (Zielerreichungsgrad über 80 %) und weniger erfolgreichen (Zielerreichungsgrad unter 60 %) Veränderungsprojekten einander gegenübergestellt.
1
Vgl. hier und im Folgenden Classen, M. et al.: Veränderungen erfolgreich gestalten: Change Management 2003/2008, Bedeutungen, Strategien, Trends, in: Studie des Handelsblatts (Deutschland), des Standards (Österreich), der Handelszeitung (Schweiz) mit Cap Gemini und Ernst & Young: http://www.ch.cgey.com/servlet/PB/menu/1004221_l1/index.html (Zugriff am 11.02.2004); ILOI Studie: Management of Change: Erfolgsfaktoren und Barrieren organisatorischer Veränderungsprozesse, München 1998.
2
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
trifft nicht zu
trifft zu
Veränderung
Menschen ab einem gewissen Alter können sich nicht mehr ändern Bei uns wird sich sowieso nichts ändern Früher war alles besser Man sollte Bewährtes nicht in Frage stellen Solange man erfolgreich ist, braucht man nichts zu ändern
Eigenverantwortung
Ohne hierarchische Macht, sind Sachargumente nichts wert Mitarbeiter können Vorgesetzte nicht ändern Solange vom Topmanagement keine Impulse kommen, können wir nicht aktiv werden Die „da oben“ tun sowieso was sie wollen Ohne besondere Beziehungen kann man hier nichts bewegen
Vertrauen
Unseren Vorgesetzten können wir niemals all das sagen, was wir wirklich denken Bei uns ist jeder sich selbst der Nächste Der Ehrliche ist bei uns meist der Dumme Im Grunde kann man sich nur auf sich selbst verlassen Wie es wirklich bei uns aussieht, erfahren wir sowieso nicht Offenheit wird letztlich doch nur ausgenutzt
Konflikte
Bei Konflikten wird es immer Gewinner und Verlierer geben Was ich hier mach interessiert doch eh Keinen
Leistung
Gute Leistung zahlt sich immer aus Lernen ist ein ganz wichtiger Teil der Arbeit Wir machen aus allem das Beste Es gibt kein Problem, mit dem wir nicht fertig werden können
Gegenseitiger Umgang
Meinem Chef kann ich es nie recht machen Wenn man Mitarbeiter zu weich anfasst, tanzen sie einem nur auf der Nase herum erfolgreich weniger erfolgreich
Abbildung 1: Einstellungen in Veränderungsprozessen bei erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projekten2 Weitere Ursachen für die immer wieder genannte schlechte Erfolgsquote könnten außer den genannten Gründen darin liegen, dass eine unzureichende Vision über die Ziele und zukünftige Organisation besteht, und dass oftmals keine umfassende Sicht auf alle Aspekte des Veränderungsvorhabens eingenommen wird, sondern bestimmte Perspektiven überbetont und andere ganz ausgeblendet werden.3 Ergänzend dazu lässt sich feststellen, dass weder der Begriff des „Veränderungsvorhabens“ noch der Begriff der „organisationalen Veränderung“ in einer umfassenden und ganzheitlichen Form betrachtet wird, sondern auch hier in der Regel Schwerpunkte auf Teilaspekte gelegt werden. Dieser Versuch, das oftmals umfangreiche und unüberschaubare Vorhaben beherrschbar zu gestalten, schlägt sich auch in einer üblicherweise unvollständigen Beschreibung nieder, die dazu führen kann, dass wichtige Aspekte vergessen bzw. übersehen werden. Es fehlt an einer Möglichkeit, ein Veränderungsvorhaben zielorientiert und pragmatisch, aber trotzdem so ganzheitlich wie möglich zu erfassen. Methoden, die auf einem zwar korrekten, aber unvollständigen Begriffsverständnis und einer zwar schnell erstellten, aber ebenso unvollständigen Beschreibung aufsetzen, können aber nur in Ausnahmefällen zu vorhersehbaren und guten Ergebnissen führen. Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, 2 3
Entnommen aus: ILOI Studie: Management of Change: Erfolgsfaktoren und Barrieren organisatorischer Veränderungsprozesse, S. 4. Vgl. dazu z. B. Tichy, N. M.: Managing Strategic Change: Technical, Political, and Cultural Dynamics, New York et al. 1983, S. 3-35.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
3
dass bis heute in Veränderungsprojekten mit Methoden gearbeitet wurde, die nicht der Problemstellung angemessen sind, weil sie auf der Basis von „starren“ Vorgehensweisen erfolgen. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus den Ergebnissen der Change Management 2003/2008-Studie, bei der nur 34 % der Befragten angegeben haben, dass sie eine bestimmte Methode bzw. eine Kombination aus Methoden einsetzen. Von diesem Anteil haben 38 % ausgesagt, dass sie diese Methode bzw. Methoden nur als gedankliches Grundgerüst verwenden, 38 % mussten die Methode leicht modifizieren und 24 % mussten die Methode erheblich adaptieren. Berücksichtigt man die Tatsache, dass Veränderungsvorhaben in der Regel in Bezug auf den Kontext (nicht so in Bezug auf die Zielsetzung, z. B. Fusion mit einem anderen Unternehmen), in den sie eingebettet sind, einmalig und unwiederholbar sind, lässt sich die Problematik von allzu unflexiblen Schablonen und „Kochrezepten“ sehr schnell erkennen. Ungeachtet der Probleme, die sich offenbar im Zusammenhang mit der Zielerreichung und dem Methodeneinsatz in Veränderungsvorhaben ergeben, wird ihre Bedeutung aber als hoch und weiter ansteigend eingeschätzt. Die oben erwähnte Studie von 91 Unternehmen, hauptsächlich angesiedelt in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hat ergeben, dass 89 % der befragten Führungskräfte bereits im Jahr 2003 dem Management von Veränderungen eine wichtige bis sehr wichtige Bedeutung beigemessen haben; dieser Anteil steigt für das Jahr 2008 gemäß der Einschätzung der Führungskräfte sogar auf 97 % (vgl. Abbildung 2).4 Die von den befragten Führungskräften wahrgenommene Bedeutung von Managementaufgaben im Bereich der Veränderung heute und auch in Zukunft ist also erheblich. Die zentralen Fragen, die sich demzufolge stellen, sind erstens, warum sich Veränderungsvorhaben bisher als so wenig steuerbar erwiesen haben und zweitens, warum die verfügbaren Methoden und Vorgehensweisen sich nur als bedingt zielführend herausgestellt haben.
4
Vgl. für die Ergebnisse in Abbildung 1 und Abbildung 2: Classen, M. et al.: Veränderungen erfolgreich gestalten: Change Management 2003/2008, Bedeutungen, Strategien, Trends, S. 13, wobei für Abbildung 2 darauf verwiesen wird, dass die Ergebnisse Chemie/Pharma/Life Sciences, Elektronik/High-Tech/IT/Software/Telekommunikation sowie Energie/Versorger nicht signifikant sind. Dennoch geben sie natürlich eine Tendenz wieder. Der Begriff Change Management wird hier für die beiden Abbildungen aus der Studie übernommen und gleichgesetzt mit Aufgaben im Bereich der organisationalen Veränderung.
4
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
70 % 60 % 60 % 50 % 49 % 40 % 40 % 37 %
30 % 20 % 10 %
11 % 3%
0% „Sehr wichtig“
„Wichtig“
Bedeutung von Change Management:
2003
„Weniger wichtig“ 2008
Abbildung 2: Bedeutung von Change Management in den Jahren 2003 und 2008 Auch bei einer Untersuchung der Bedeutung des Managements der Veränderung in Bezug auf die verschiedenen Branchen hat sich gezeigt, dass in sämtlichen Branchen die Bedeutung als hoch angesehen wird (vgl. Abbildung 3). Energie/Versorger Banken/Versicherungen Transport/Logistik Handel/Konsumgüter Automotive/Metallindustrie/ Maschinenbau Elektronik/HighTech/IT/ Software/Telekommunikation Chemie/Pharma/Life Sciences Andere 0%
20 % = „weniger wichtig“
40 % = „wichtig“
60 %
80 %
100 %
= „sehr wichtig“
Abbildung 3: Bedeutung von Change Management im Jahr 2003 geordnet nach Branchen Die besondere Herausforderung, die sich im Umgang mit der organisationalen Veränderung stellt, liegt in den Eigenschaften des sozialen Systems „Unternehmen“. Die Interaktion der Menschen im Kontext „Unternehmen“ und ihre Konstruktion der alltäglichen Geschehnisse fordern eine Abkehr von allzu mechanistisch-objektivistischen Vorgehens-
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
5
weisen und eine Entwicklung von Handlungsoptionen, um die Energie im Sinne des Veränderungsvorhabens wirken zu lassen. Zugleich muss auf die Dynamik des täglichen Geschehens und die individuellen Anforderungen, die aufgrund der Einmaligkeit eines jeden Veränderungsvorhabens entstehen, eingegangen werden können. Die Betrachtungs- bzw. Analyseobjekte im Rahmen der organisationalen Veränderung bestehen aber nicht nur aus den direkt und indirekt beteiligten Menschen und ihren Beziehungen und Wirklichkeiten, sondern auch aus den Organisationsstrukturen, Prozessen und natürlich den eingesetzten Produktions- und Informationssystemen. Nicht zu vernachlässigen ist schließlich eine detaillierte Untersuchung des Kontexts, in dem das Veränderungsvorhaben angesiedelt ist, um die Freiheitsgrade, aber auch die Restriktionen zu verstehen. Das Gesamtsystem „Unternehmen“ umfasst demnach eigentlich zwei verschiedene Teilsystemwelten, in die sich die Betrachtungsobjekte einordnen: Auf der einen Seite ist das die Welt der Produktionssysteme sowie des betrieblichen Informationssystems, und auf der anderen Seite die Sphäre des sozialen Systems. Als Ausschnitt dieser Gesamtwelt muss also das Veränderungsvorhaben mit den Anforderungen dieser beiden Teilsysteme umgehen, insbesondere wenn es darum geht, zunächst ein Steuerungsverständnis zu entwickeln und darauf aufbauend einen effektiven und effizienten Steuerungsprozess zu etablieren.5 Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist also, ob ein so vielschichtiges Gesamtsystem, wie es durch ein Veränderungsvorhaben entsteht, überhaupt durch vordefinierte und starre Methoden gesteuert werden kann. Die Indizien weisen vielmehr in Richtung einer Flexibilisierung der Vorgehensweise und einer Flexibilisierung der Methodenkonstruktion, um auf die spezifischen Herausforderungen eingehen zu können.6 Zum Handwerkszeug eines Veränderungsarchitekten7 muss also einerseits eine Vorgehensweise gehören, die eine möglichst vollständige Beschreibung des Veränderungsvorhabens unterstützt, damit darauf aufbauend entschieden werden kann, nach welchen Regeln die einzusetzende Methode konstruiert werden muss. Andererseits muss der Veränderungsarchitekt aber mit einem gewissen Grundbestand an Handlungsmöglichkeiten ausgestattet sein, um entscheidungsfähig zu bleiben bzw. zu werden – diese Kernfähigkeiten oder Kernaktivitäten gilt es pragmatisch und flexibel einzusetzen sowie durch weitere, situationsspezifisch angemessene Aktivitäten zu ergänzen.8 Kanter et al. stellen auch noch einmal heraus, dass die größte Herausforderung erfolgreicher Veränderung darin besteht, die Menschen zu überzeugen und „mitzunehmen“.9 Die Aussicht auf Veränderung unterliegt aus der Perspektive der beteiligten Menschen den unterschiedlichsten Interpretationsmustern. Die Konnotationen reichen von einer mehr 5 6
7 8
9
Ähnliche Überlegungen hat bereits Forrester angestellt: vgl. Forrester J. W.: Principles of Systems, Cambridge Mass. 1968. Vgl. hier noch einmal Classen, M. et al.: Veränderungen erfolgreich gestalten: Change Management 2003/2008, Bedeutungen, Strategien, Trends, S. 16-17, die darauf verweisen, dass bei zwei Dritteln der befragten Unternehmen gar keine Methode zum Einsatz kommt und bei den restlichen Unternehmen, die eine Methode zur Unterstützung verwenden, immerhin bei 24 Prozent erhebliche Anpassungen erforderlich sind und nur bei jeweils 38 Prozent leichte bzw. keine Modifikationen vorgenommen werden müssen. In der vorliegenden Arbeit wird kein geschlechtsspezifischer Unterschied bei der Bezeichnung von Personen vorgenommen. Es sind immer beide Geschlechter gleichberechtigt einbezogen. Vgl. dazu auch Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge im Business Engineering, in: Österle, H., Winter. R. (Hrsg.): Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 87-118, hier S. 88. Vgl. Kanter, R. M. et al.: The Challenge of Organizational Change, New York et al. 1992, S. 3-18.
6
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
oder weniger begründeten Furcht vor den Konsequenzen der Veränderung bis hin zu dem Gefühl des „endlich“ und dem aktiven Herangehen an das Vorhaben. Wie so oft wird das am häufigsten entstehende Gefühl irgendwo in der Mitte liegen. Der chinesische Begriff „Krise“ (weiji) drückt diese Empfindungen sowie auch das Spannungsfeld, in dem sich Veränderungsvorhaben bewegen, treffend aus: er setzt sich zusammen aus den Schriftzeichen „Gefahr“ und „Chance“. Hier liegen auch die Herausforderungen für Veränderungsarchitekten.
1.1 Zielsetzung und Relevanz der Untersuchung Aufgabe und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, den Anteil der Unsicherheit in Bezug auf die erfolgreiche Durchführung von Veränderungsvorhaben zu verringern, die damit einhergehende „Gefahr“ zu reduzieren und die Aspekte der „Chance“ zu verstärken. Das geschieht durch die Verfolgung des zentralen Forschungsziels: Unterstützung der Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben und - zu diesem Zweck Entwicklung einer methodischen Grundlage für diese Steuerung. Auf Basis dieses Forschungsziels lassen sich die folgenden weiteren Zielsetzungen und Forschungsfragen für die vorliegende Arbeit ableiten: x
Entwicklung eines ganzheitlichen Begriffsverständnisses: Damit die Kommunikation und Orientierung im Rahmen des Veränderungsvorhabens möglich wird, muss ein umfassendes und ganzheitliches Begriffsverständnis sowohl erstens für den Begriff des „Veränderungsvorhabens“, der die Begriffe „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ einschließt, als auch zweitens für die „organisationale Veränderung“ entwickelt werden. Forschungsfrage 1: Auf der Basis welcher Dimensionen müssen die begrifflichen Konzepte definiert werden, damit ein präzises und umfassendes Verständnis, eine klare Interpretierbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse gewährleistet ist?
x
Definition einer möglichst vollständigen Beschreibungsgrundlage: Die möglichst vollständige Beschreibungsgrundlage für Veränderungsvorhaben ist eine zentrale Basis, um darauf aufbauend über das weitere Vorgehen entscheiden und eine Einschätzung der Situation vornehmen zu können. Forschungsfrage 2: Mit welchem theoretischen Konstrukt lässt sich eine möglichst vollständige Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes „Veränderungsvorhaben“ erreichen? Welche Beschreibungsparameter müssen dazu herangezogen werden?
x
10
Ableitung eines Vorgehens für die situative Methodenkonstruktion: „Die organisationale Veränderung findet im Rahmen von Projekten statt.“ Das ist eine der Grundaussagen, die dieser Arbeit zugrunde liegen.10 Der Methodeneinsatz für die
Vgl. Kapitel 4.2.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
7
Steuerung eines solchen Veränderungsprojekts soll möglichst individuell auf dessen besondere Charakteristika angepasst sein. Dazu muss ein Vorgehen abgeleitet werden, das eine situationsspezifische und damit flexible, aber trotzdem pragmatische Methodenkonstruktion unterstützt. Forschungsfrage 3: Wie muss eine situative Methodenkonstruktion für ein Veränderungsprojekt aufgebaut werden, damit eine Steuerung optimal unterstützt wird? Der Gang der Untersuchungen zur Umsetzung dieser Zielsetzungen wird im Kapitel 1.4 vorgestellt. Wie bereits eingangs erwähnt, zeigen Studien und Untersuchungen, dass es nur eine geringe Erfolgsquote im Rahmen von Veränderungsprojekten gibt. Aufgrund dieser Feststellung lässt sich die praktische Relevanz für die vorliegende Arbeit ableiten: offenbar besteht großer Bedarf an Verbesserungen und Weiterentwicklungen der zur Verfügung stehenden Methoden und damit an einer Erweiterung der Handlungsoptionen. Das zeigt sich auch an Fällen, die in jüngerer Zeit in der betriebswirtschaftlichen Praxis zu beobachten waren: Die Fusion der Daimler-Benz AG mit der Chrysler Motor Corp. im Jahr 1998 war für beide Unternehmen mit erheblichen Restrukturierungen und Kosten verbunden. Veränderungen auf allen organisatorischen Ebenen wurden erforderlich, von der Strategie über die Geschäftsprozesse und die technologische Infrastruktur bis schließlich hin zur Annäherung zweier völlig unterschiedlicher Unternehmenskulturen. Bis heute kann diese Fusion nicht als erfolgreich bezeichnet werden: der Börsenwert des Großunternehmens DaimlerChrysler AG hat sich nicht nachhaltig verbessert, die Unternehmenskulturen sind nach wie vor nicht harmonisiert, und dadurch lassen sich betriebswirtschaftlich korrekt entwickelte Prozesse nicht so implementieren, dass sie die gewünschten Ergebnisse erzielen. Das endgültige Scheitern dieses Integrationsversuchs wird durch die Trennung der beiden Unternehmen gekennzeichnet und die Umbenennung des ehemaligen Kernunternehmens Daimler Benz AG zu Daimler AG. Dieses Beispiel zeigt wiederum, dass nicht betriebswirtschaftliche oder technische Probleme die erfolgreiche Durchführung solcher Veränderungsprozesse behindern, sondern eine Übergewichtung von Aspekten, die als „sicher“ und „bekannt“ erscheinen, die in einem durch ingenieurmäßiges Vorgehen getriebenen Unternehmen in der Regel durch die fachliche Komponente repräsentiert werden.11 Ähnliche Beobachtungen lassen sich für die Akquisition von Rover durch die BMW AG aus dem Jahr 1994 machen. Obwohl dieser Schritt durch die Verdoppelung des Umsatzes zunächst positive Ergebnisse für die BMW AG einbrachten, ist die längerfristige Beurteilung des Erfolgs negativ. Die Integration des britischen Herstellers in den Konzern verlief nämlich aufgrund der wirtschaftlichen Situation, einer ungünstigen Entwicklung von Währungskursen sowie scheinbar unüberwindbarer kultureller Barrieren, nicht wie gewünscht. Die Schwierigkeiten bei diesem Projekt, der Verlust von 9 Mrd. DM und die 11
Vgl. z. B. o. V.: DaimlerChrysler: Fünf Jahre nach der Fusion, in: Stuttgarter Zeitung vom 29.04.2003 (http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/414393, Zugriff am 10.03.2004); Blasko, M. et al.: The DaimlerChrysler merger: short term gains, long-run wealth destruction?, in: Nail, L. A. (Hrsg.): Issues in international corporate control and governance, Bd. 15, Amsterdam 2001, S. 299329.
8
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
daraus erwachsende Belastung für das Ergebnis der BMW AG führten nach sechs Jahren zu einer Auflösung des Engagements durch den Verkauf von Rover. Schewe et al. stellen fest, dass das Scheitern dieser Akquisition trotz der günstigen Voraussetzungen nicht nur auf die externen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist, sondern dass die Strategie nicht konsequent verfolgt sowie keine umfassende und die Herausforderungen berücksichtigende Methode eingesetzt wurde.12 Die Fusion des Schweizerischen Bankvereins und der UBS Schweizerische Bankgesellschaft zur Union Bank of Switzerland (UBS AG) im Jahr 1998 ist ein weiteres prominentes Beispiel für ein Veränderungsvorhaben, das durch Schwierigkeiten gekennzeichnet ist. Nicht nur die Kosten von geschätzten 3 Mrd. CHF haben in der Öffentlichkeit für Fragen gesorgt, sondern auch der als übermäßig empfundene Abbau von 13.000 Stellen, der sogar zu Klagen geführt hat. Eine auf die strategischen Ziele abgestimmte Kommunikationsstrategie, die als Teil einer umfassenden Methode zum Einsatz kommen kann, hätte hier gegensteuernd wirken können. Zusätzlich zu den Schwierigkeiten, die durch die externe Kommunikation entstanden sind, entwickelten sich durch das Aufeinandertreffen von zwei unterschiedlichen Kulturen erhebliche Probleme. Der Einsatz der als unterlegen empfundenen technologischen Plattform ABACUS ist z. B. bis heute bei den von dem Prozess betroffenen Mitarbeitern ein Thema in der UBS. Auch in diesem Beispiel wurden nicht betriebswirtschaftliche oder technische Unzulänglichkeiten für den schwierigen Integrationsprozess als Hauptgründe gesehen, sondern die kulturellen Barrieren, die aus einer nicht darauf abgestimmten Methode resultierten.13 Eine Akquisition im Bankenbereich, die als nur bedingt erfolgreich angesehen werden kann, ist die der britischen Investmentbank Morgan Grenfell durch die Deutsche Bank AG im Jahr 1989. Als zentrale Gründe für die erheblichen Schwierigkeiten, die sich bei dieser Akquisition ergaben, wurden die unterschiedlichen Entlohnungssysteme für die zwischen den Beschäftigten an den Standorten London und Frankfurt a. M. genannt. Diese Unterschiede führten bei den deutschen Mitarbeitern zu einer so erheblichen Unzufriedenheit, dass viele kündigten. Dieser Punkt ist nur ein Teil der kulturellen Gegensätze, die in diesem Veränderungsvorhaben nicht bewältigt werden konnten. Ein weiterer Aspekt war das mangelnde Wissensmanagement, das einerseits zu einer weiteren Barriere zwischen den britischen und den deutschen Mitarbeitern und andererseits zu einem Verlust wichtigen Wissens bei der Abwanderung der Mitarbeiter geführt hat.14 Die Liquidation des 1931 gegründeten schweizerischen Traditionsunternehmens Swissair, das zuletzt als Konzern unter dem Namen SAirGroup firmiert hat und die darauf basierende Neugründung der Swiss International Air Lines Limited (Swiss) ist ein weiteres Beispiel für die Probleme, die sich bei radikalen Veränderungen ergeben können. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist der versuchte Turnaround ein durch Krisen geschütteltes Veränderungsvorhaben, das noch keinen erfolgreichen Abschluss finden konnte. Die Haupt12
13
14
Vgl. z. B. Schewe, G. et al.: Post-Merger-Integration: Der Fall BMW, Rover, in: Arbeitspapier des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation, Personal und Innovation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, No. 11, 2000; o. V.: Rover-Engagement kostet 9 Milliarden Mark, in: Das Handelsblatt vom 20.03.2000, S. 18. Vgl. z. B. Brenner, B.: Die Megafusion und der Sinn für das Mass: Viele offene Fragen nach dem Schulterschluss von SBV und UBS, Neue Zürcher Zeitung vom 13.12.1997; Majdik, Z.: Change Management in der UBS, Referat im Executive Master of Business Engineering, St. Gallen, 16.05.2000. Vgl. z. B. Bickmann, R., Beyes, T.: Chance: Identität. Impulse für das Management von Komplexität, Berlin et al. 1999, S. 352-362.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
9
gründe für den Zusammenbruch der SAir-Gruppe lagen in einer gescheiterten Unternehmensstrategie, der so genannten „Hunter Strategie“ eines Beratungshauses mit Fokus auf strategische Themen, die sich auf der Akquisition von sanierungsbedürftigen Fluggesellschaften abstützte, einer daraus folgenden Überschuldung und damit Illiquidität des Unternehmens. Der Rettungsversuch basiert auf einem Zusammenschluss mit der vormaligen inländischen Konkurrenzfluggesellschaft auf Kurz- und Mittelstrecken Crossair, dem Verkauf der Operation Swissport und dem Duty Free-Geschäft Nuance sowie massiven Entlassungen. Der Start der neuen Fluggesellschaft Swiss war begleitet von politischen Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten bei der Finanzierung; zudem treffen bei der Integration der früheren Swissair und der Crossair zwei vollkommen unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander, deren Inkompatibilität eine Manifestation z. B. in dem Pilotenstreit im Jahr 2003 findet. Bis heute ist noch keine reibungslose Operation möglich: immer neue Entlassungen, nicht durchführbare Strategien, wie die Gründung der Billig-Fluggesellschaft „Swiss Express“, der Beinahe-Beitritt zu einer für die Swiss mit Nachteilen behafteten Allianz, ein erneuter Führungswechsel und die immer noch nicht gesicherte Finanzierung lähmen die Mitarbeiter. Auch die kulturellen Barrieren scheinen noch immer nicht überwunden zu sein.15 An diesem Beispiel zeigt sich erstens, dass die Auslöser für ein Veränderungsvorhaben und deren eingehende Analyse eine wichtige Rolle spielen, denn die missglückte Strategie, der Vertrauensverlust und der Vorwurf des „Filzes“, die im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch in den Medien diskutiert wurden, haben einen nachhaltigen Imageverlust, sowohl in der Öffentlichkeit als auch aus der Sicht der Mitarbeiter, hinterlassen. Ein Veränderungsvorhaben muss diese Punkte als wichtigen Teil der „Geschichte“ einbeziehen. Zweitens wird deutlich, dass die betriebswirtschaftlichen Grundlagen stimmen müssen, denn auch wenn sie als nicht zentraler Erfolgsfaktor gelten, sind sie doch unabdingbare Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung. Drittens wird noch einmal bestätigt, dass die kulturellen Prädispositionen unbedingt als Bestandteil in die Veränderungsmethode einfließen müssen, soll das Vorhaben steuerbar werden. Die Forderung nach einer umfassenden und zugleich auf die individuellen Bedürfnisse angepassten Methode wird hier so deutlich wie bei keinem anderen Fall. Durch diese Beispiele und die zuvor genannten Studien zeigt sich, dass in der praktischen Behandlung des Themas ein Bedarf an Vorgehensweisen besteht, die die Steuerung eines Veränderungsvorhabens ganzheitlich und zugleich individuell unterstützen. Aber auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung scheint Bedarf nach einer Ordnung und Weiterentwicklung der bestehenden Systematik einerseits und andererseits der verfügbaren Begriffsverständnisse zu bestehen. Hier stellt sich für die Relevanz der vorliegenden Arbeit die Frage, anhand welcher Indizien sich erarbeiten lässt, welche Lücke einerseits zwischen den anwendungsorientierten Anforderungen und den bestehenden Konzepten existiert und andererseits, wo das wissenschaftliche Bedürfnis nach Systematik und Ordnung noch nicht befriedigend erfüllt ist. Eine Analyse eines Ausschnitts der
15
Vgl. z. B. o. V.: Der Absturz der „fliegenden Bank“ – eine Chronik, in: manager magazin online vom 23.09.2003, http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,160189,00.html (Zugriff am 10.03.2004); Flammer, D.: Swissair-Niedergang: Die Untersuchungen werden bis 2005 abgeschlossen, in: Neue Zürcher Zeitung am Sonntag vom 18.01.2004 sowie das Swissair Dossier unter http://www.nzz.ch/dossiers/2001/swissair/index_fall-swissair.html (Zugriff am 10.03.2004).
10
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
Literatur, die sich wissenschaftlich-konzeptionell mit der Veränderung beschäftigt, ergibt folgende Ausprägungen in Bezug auf das Begriffsverständnis:16 Die Organisationstheorie und in diesem Zusammenhang insbesondere das „Organisationsproblem“, das durch die Informationsasymmetrie und das Motivationsproblem begründet wird, ist der Ausgangspunkt der Begriffsauffassung von Picot et al.17 Aufbauend darauf stellen die Autoren die Frage der Steuerbarkeit von Organisationen, indem sie das „Wirtschaften“ untersuchen und mit den Organisationskonzepten einen Lösungsansatz für dessen Mängel diskutieren. Die organisatorische Veränderung wird thematisiert und spielt dabei aber vornehmlich eine begleitende Rolle. Der Schwerpunkt des hier vorherrschenden Begriffsverständnisses liegt also auf der Organisationstheorie und der Frage der Steuerung im Sinne der Koordination und Motivation. In dem (sozialen) System „Organisation“ als Gestaltungsobjekt ist auch der Veränderungsbegriff von Müller-Stewens und Lechner verankert. Sie untersuchen die Gestaltbarkeit des „Wandels“ und beziehen sich dabei auf die fundamentale Veränderung der Organisation in ihren zentralen Funktionsweisen, also einerseits den Denkweisen, Einstellungen, Interaktionsmustern, Regeln und andererseits den Geschäftsprozessen. Die strategische Veränderung selber wird als Prozess aufgefasst, z. B. im Kontext des Übergangs zwischen zwei organisationalen Epochen. Damit ist die Prozessperspektive, und hier vor allem die „Prozessvision“, als Ziel für die organisationale Veränderung ein wichtiger Bestandteil des Begriffsverständnisses dieser Autoren, und sie wird deshalb als weitere Dimension der Begriffsverständnisse aufgenommen.18 Die Prozessperspektive spielt auch eine wichtige Rolle in dem Begriffsverständnis von Österle und Winter. Sie drückt sich in dem Begriff der „Transformation“ aus, die durch Veränderungen im Kontext des Unternehmens ausgelöst wird. Ähnlich wie MüllerStewens und Lechner orientiert sich die Begriffsauffassung an der Organisation als Gestaltungsobjekt und ist ebenfalls in der Systemtheorie verankert. Doch liegt der thematische Schwerpunkt hier auf dem Prozess bzw. der Prozessentwicklung auf Basis der Prozessvision, die eine organisatorische Veränderung, im Sinne der vorliegenden Arbeit verstanden als einerseits das Ergebnis eines Veränderungsprozesses und andererseits als die Abfolge von Handlungen, die zu dem Ergebnis führt, systematisiert und treibt.19 Die Dimensionen „System- bzw. Organisationstheorie“, „Prozessvision“, aber auch die zugrunde zu legende „Denkschule“ bestimmen das Begriffsverständnis von Rüegg-Stürm. Im Rahmen eines gemäßigten Konstruktivismus ist der Prozess der Veränderung als ein System von Ereignissen in der Organisation angesiedelt mit dem Ziel der Anpassung der 16 17 18
19
Vgl. dazu auch noch einmal ausführlich Kapitel 3.1.1. Vgl. hier und im Folgenden Picot, A. et al.: Organisation – Eine ökonomische Perspektive, 2. Aufl., Stuttgart 1999, S. 1-25. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 543-565. Auch in der anglo-amerikanischen Begriffswelt findet sich als zentrale Bestimmungsgröße für die „Veränderung“ die Prozessperspektive wieder; vgl. hier z. B. Mintzberg, H.: The structuring of organizations: a synthesis of the research, Englewood Cliffs 1979 und Mintzberg, H. et al.: The Strategy Process: concepts, contexts, cases, 4. Aufl., Harlow 2003.; Schein, E. H.: Planning and Managing Change – a reader, Cambridge (Mass.) 1988; Lewin, K.: Field Theory in Social Science, New York 1952. Vgl. Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, in: Österle H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 319. Zum Begriffsverständnis der vorliegenden Arbeit vgl. ausführlich Kapitel 3.1.1.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
11
Voraussetzungen für das erfolgreiche Weiterbestehen eben dieser Organisation.20 Das Thema Veränderung ist bei den Überlegungen von Rüegg-Stürm von zentraler Bedeutung, was sich auch in der Einordnung in Abbildung 4 widerspiegelt. Der Veränderungsbegriff bei Weick wiederum ist auf der einen Seite auf den Prozess bzw. die Prozesse, die zur Veränderung einer Organisation führen, fokussiert und auf der anderen Seite in einer spezifischen Denkschule verankert. Die Prozesse hier sind sozialer Natur und bestehen aus einem Netzwerk von Verhaltensweisen und Interpretationen, die durch bestimmte Regeln geführt werden. Ereignisse, die diese Regeln verändern, führen zu einer Re-Interpretation und schließlich zu organisationaler Veränderung. Diese für Weick spezifische Denkweise in Verbindung mit der Auffassung, dass Organisieren ein Prozess ist, sind die Grundlagen und Charakteristika seines Begriffsverständnisses.21 Analysiert man die Grundlagen der Begriffsauffassung bei Willke, so fällt hier die Verankerung in der Systemtheorie als Organisationsperspektive sowie die Konzentration auf die Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten in Bezug auf das soziale System im Rahmen der Veränderung auf. Ein weiterer Aspekt, der aber nicht direkt thematisiert wird, sondern durch Referenzen indirekt in die Überlegungen hineinspielt, ist der Einfluss der Denkschule auf das Steuerungsverständnis. Willke bezieht sich hier hauptsächlich auf die Luhmann’sche „Denkschule“ und seine Auffassungen. Wie schon zuvor beobachtet, spielt die Veränderung eine wichtige Rolle, wird aber nicht als zentrales Analyseobjekt betrachtet.22 In den Arbeiten von Luhmann, Giddens, Scharpf und Mayntz findet sich eine ähnliche Schwerpunktsetzung in Bezug auf den Begriff der Veränderung, wie bei Willke. Sie decken die Spannbreite zwischen einer spezifisch thematisierten „Denkschule“, dem Steuerungsverständnis, das z. B. im Fall von Scharpf und Mayntz auf den Erklärungsansätzen der Spieltheorie basiert, und einer Fundierung in der Systemtheorie ab. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit der Veränderung liegt aber hier, anders als bei Willke, auf der Steuerbarkeit, oder im Falle Luhmanns auch der „Nicht-Steuerbarkeit“, die ihre Begründung in einer bestimmten „Denkschule“ findet.23 Während Picot et al., ähnlich wie auch Müller-Stewens und Lechner oder Österle und Winter die betriebswirtschaftliche bzw. durch die Grundsätze der Wirtschaftsinformatik geprägte Perspektive einnehmen, vertreten die zuletzt genannten Autoren einen auf das gesellschaftliche und politische System ausgerichteten Standpunkt. Diese Sichtweise wurde zur Abrundung und Ergänzung der betriebswirtschaftlichen Auffassung aufgenommen.
20 21 22 23
Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel – Eine theoretische Erkundung aus konstruktivistischer Sicht, Wiesbaden 2001, S. 364. Vgl. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, Frankfurt a. M. 1998, S. 12-13. Vgl. Willke, H.: Systemtheorie I: Grundlagen, 6. Aufl., Stuttgart 2000, S. 5-50 und 189-245. Vgl. Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1987; Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt und New York 1988; Scharpf, F. W.: Interaktionsformen: Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Stuttgart 2000; Mayntz, R.: Soziale Dynamik und politische Steuerung: theoretische und methodologische Überlegungen, Frankfurt a. M. 1997.
12
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
Abbildung 4 verdeutlicht die Ergebnisse der Analyse noch einmal grafisch und zeigt, dass im Rahmen der verschiedenen Dimensionen24, innerhalb derer man die Veränderung positionieren kann, kein umfassendes Begriffsverständnis existiert. Um organisationale Veränderungsprozesse steuerbar zu gestalten, sollte der Veränderungsbegriff aber umfassend definiert sein. Nur so können alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden (vgl. auch die Fallbeispiele aus der Praxis). Die Achsen der Abbildung stellen die vier identifizierten Dimensionen dar, innerhalb derer sich das Begriffsverständnis bewegen kann. Der jeweilige Achsenabschnitt repräsentiert in einem Kontinuum die inhaltliche Nähe entweder zum Thema Veränderung oder zur jeweiligen Dimension. Die Positionierung der untersuchten Begriffsverständnisse der Autoren erfolgt also aufgrund der inhaltlichen Schwerpunkte und wird einerseits repräsentiert durch die Nähe (dargestellt durch den Abstand des Kürzels zur Achse) zur entsprechenden Dimension und andererseits durch den Abstand des Kreisbogens zum Ursprung, der die inhaltliche Bezugnahme in den Ausführungen zum Thema Veränderung widerspiegelt. Liegen zwei Kürzel auf einer Linie, so beschäftigen sich die betreffenden Autoren mit ähnlichen oder sogar gleichen inhaltlichen Themen und unterscheiden sich z. B. in ihren inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Dimensionen. Steuerungsverständnis
NLU AGI FSC RMA
HWI PDF
System-/ Organisationstheorie
Veränderung
„Denkschule“
Begriffssphäre der Arbeit GMS/CLE KWE JRS HOE/RWI
Prozessvision Legende: PDF (A. Picot, H. Dietl, E. Franck) HWI (H. Willke) GMS/CLE (G. Müller-Stewens/C. Lechner) HOE/RWI (H. Österle/R. Winter) JRS (J. Rüegg-Stürm)
KWE (K. Weick) NLU (N. Luhmann) AGI (A. Giddens) FSC (F. Scharpf) RMA (R. Mayntz)
Abbildung 4: Begriffsverständnisse im Rahmen der Veränderung
24
Unter dem Begriff „Dimension“ wird in der vorliegenden Arbeit ein Ordnungsparameter verstanden, der eine spezielle Sicht auf einen Ausschnitt des Unternehmens systematisiert und durch Kombination verschiedene Aspekte zu einem Gesamtbild vereint; vgl. http://www.net-lexikon.de/ Dimension.html (Zugriff am 12.03.2004).
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
13
Aufgrund dieser Lücke in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenbereich werden im Verlauf der vorliegenden Arbeit erstens die Dimensionen und ihre Ausprägungen begründet, welche die Domäne für das Begriffsverständnis aufspannen, und zweitens wird der Forderung nach einem umfassenden Begriffsverständnis Rechnung getragen, indem ein solches entwickelt wird.25 Weiterhin ist für eine klarere Systematisierung der Bedarf für die Entwicklung einer nachvollziehbaren und umfassenden Klassifikationstheorie im Bereich der Veränderungsprojekte und -methoden festzustellen, denn es konnten keine vergleichbaren Ansätze identifiziert werden. In den für den Aufbau der empirischen Datenbasis geführten Interviews jedoch wurde immer wieder die Bedeutung einer möglichst umfassenden Beschreibung betont. Für die Herleitung der dynamischen Methodenkonstruktion wird auf die Arbeiten von Gutzwiller zurückgegriffen, die eine fundierte Grundlage für die weitere wissenschaftliche Betrachtung bieten.26 Mit den zuvor diskutierten Lücken und Zielsetzungen kann ein wissenschaftlicher Beitrag im Rahmen einerseits der Theorienbildung und andererseits der Weiterentwicklung der begrifflichen Basis sowie der Entwicklung eines neuen Verfahrens der Methodenkonstruktion geleistet werden.
1.2 Erkenntnistheoretische Grundlagen Wissenschaft dient einerseits der Ordnung bestehenden Wissens mit der Zielsetzung, andere, neuartige Perspektiven zu ermöglichen, sowie andererseits der Gewinnung neuer Erkenntnisse und damit „neuen“ Wissens. Über die Art und Weise, wie diese Wissensordnung sowie der Wissenserzeugungsprozess zu geschehen hat und wie valide die Ergebnisse sind, gibt es eine Vielzahl von Meinungen und einen umfangreichen wissenschaftlichen Diskurs. Für die vorliegende Arbeit soll keine grundlegende Diskussion über Erkenntnisgewinnung geführt werden; dennoch soll eine kurze Einordnung in die bestehenden Wissenschaftsmeinungen erfolgen, damit die Aussagen und Ergebnisse nachvollziehbar und interpretierbar werden.27 Es werden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Forschungsauffassungen unterschieden: das abbildungstheoretische und das konstruktivistische Paradigma (vgl. Tabelle 1). Die Zielsetzung im Rahmen des erstgenannten Paradigmas ist es, die beobachtete Welt möglichst genau und vollständig zu erfassen und abzubilden. Der Beobachter und der beobachtete Ausschnitt der Welt sind dabei unabhängig und getrennt voneinander, so dass eine objektive Beobachtung möglich ist. Das erarbeitete Wissen ist wahr, weil es die Wirklichkeit im Idealfall genau abbildet, und es besitzt damit eine universelle Gültigkeit, oder im nicht vollständig idealen Fall existieren klare Wenn-Dann-Bedingungen. Individuelle Ausprägungen von Realitäten kann es in diesem Paradigma nicht geben. Das konstruktivistische Paradigma repräsentiert nahezu das Gegenteil dieser Überlegungen. Hier 25 26 27
Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3 und die dort angegebenen Quellen. Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, Heidelberg 1994. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Erkenntnisgewinnung und dem wissenschaftlichen Wissensmanagement vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel – Eine theoretische Erkundung aus konstruktivistischer Sicht, S. 15-71. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf seinen Überlegungen.
14
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
herrscht die Überzeugung der Autoren verschiedener Ausprägungen des Konstruktivismus vor, dass es keine objektive Wahrheit geben kann. Bardmann bemerkt treffend, „…, dass die Gewissheit einer „natürlich“ bzw. „objektiv“ gegebenen, vom handelnden und erkennenden Subjekt unabhängigen Wirklichkeit aufgegeben werden muss. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass Wirklichkeit „gemacht“ bzw. „erfunden“ wird.“28 Abbildungstheoretisches Paradigma
Konstruktivistisches Paradigma
„Transzendentale Ontologie“ bzw. „Ontologie des Seins“:
„Konstitutive Ontologie“ bzw. „Ontologie des Werdens“:
Es besteht eine vom beobachtenden Subjekt unabhängige Welt (Realität).
Es gibt keine vom beobachtenden Subjekt unabhängige Welt.
Epistemologie
Erkennen (Wissensakkumulation) heißt Abbilden der Wirklichkeit in Begriffssysteme auf der Grundlage formaler Sprachen.
Erkennen (Wissensakkumulation) heißt (verkörpertes) Inszenieren von Wirklichkeit durch sprachliche Interaktion in sozialen Kontexten.
Sprachverständnis
Begriffe und Sätze repräsentieren die Welt („Logozentrismus“).
Sprache ist ein kontext-abhängiger und zugleich kontext-transformierender Prozess des In-derSprache-Seins, der die Welt inszeniert.
Komplexität im Forschungskontext
Einfache Probleme und Probleme unorganisierter Komplexität.
Komplexe, kontext-abhängige Probleme von organisierter Komplexität „Nicht-triviale“ Phänomene
Ontologie
„Triviale“ Phänomene Methodologie
Methoden
Objektivistischer Szientismus
Interpretative Ko-Ontogenese durch Ko-Produktion von Wissen
Positivismus (logischer Empirismus) und kritischer Rationalismus
Hermeneutik Ethnomethodologie
Quantitative, objektivierende Methoden
Qualitative, interpretierende Methoden
Tabelle 1: Vergleich des abbildungstheoretischen und konstruktivistischen Paradigmas29 Das alltägliche Geschehen in sozialen Systemen wird also durch die Wahrnehmung, Interaktion, Interpretation sowie die Bedeutung, die Dingen und Ereignissen beigemessen wird, immer wieder rekursiv konstruiert. Damit ist sie subjekt- und zeitabhängig und kann nicht zu einem universell gültigen Wissen führen. Die Epistemologie der vorliegenden Arbeit beruht auf der Grundlage, dass die Betrachtungsobjekte „Veränderungsvorhaben“, „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ mit objektivierbaren Anteilen, aber darüber hinaus auch mit solchen Elementen ausgestattet sind, die nicht objektivierbar sind und im Kontext immer wieder neu geschaffen werden. Die Beobachtung der Veränderungsprozesse und -projekte im Rahmen der Interviews scheint eine objektivierbare Wirklichkeit zu erzeugen. Da bspw. die Befragten aber ihre 28 29
Bardmann, T. M.: Wenn aus Arbeit Abfall wird: Aufbau und Abbau organisatorischer Realitäten, Frankfurt a. M. 1994, S. 45. Vgl. ebenda, S. 23.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
15
eigene Wirklichkeitskonstruktion mit ihren Aussagen vermitteln, wäre eigentlich jeder Fall unter diesem Aspekt zu betrachten und streng genommen nur in diesem Moment gültig. Eine Wiederholbarkeit der Ergebnisse ist nur dann möglich, wenn genau derselbe oder dieselbe wieder von derselben Beobachterin, die ihre Interpretation der Wirklichkeit ebenfalls mit in die Befragung und die Ergebnisse einbringt, befragt würde – und selbst dann könnten aufgrund von Erfahrungen und Einstellungsänderungen die Antworten und die Ergebnisse anders ausfallen. Der logische Empirismus der Naturwissenschaften versagt also. Die Frage, die sich offensichtlich unmittelbar stellt, ist, ob dann überhaupt valide Aussagen getroffen werden können. Sie kann einerseits mit der grundlegenden Zielsetzung dieser Arbeit sowie andererseits mit der Zielsetzung der Sozialforschung beantwortet werden: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Aufgabenstellungen (der systematischen Beschreibung und Steuerung der organisationalen Veränderung), die in der unternehmerischen Praxis auftreten und nicht bzw. nur teilweise gelöst sind. Somit wird nach Kubicek ein pragmatisches Wissenschaftsziel verfolgt, mit dem ein Beitrag zur anwendungsorientierten Managementlehre geleistet werden soll.30 Damit ist der Unterschied zu vollständig objektivierbaren Aussagen, wie sie bspw. in den Naturwissenschaften erzielt werden sollen, deutlich: Es geht darum, verständnisfördernde Aspekte für die Definition von Problemstellungen aufzuwerfen sowie zur Lösung beitragende Fragen und Interpretationsmuster bereitzustellen.31 Somit können die Aussagen und Ergebnisse insofern gültig und sinnvoll sein, als dass sie einen Lösungsansatz für ein reales Problem oder eine Klasse von Problemen bieten und die kritische Auseinandersetzung mit dem Problem ermöglichen. Sie können keine allumfassende und endgültige Lösung liefern, mit dem durch die Methodenkonstruktion, ähnlich der Konstruktion eines Flugzeugs, der Erfolg oder die deterministische Steuerung eines Veränderungsvorhabens garantiert wäre. Dennoch muss die Erkenntnisgewinnung auf einer soliden und nachvollziehbaren Basis stehen, was in der vorliegenden Arbeit mit der Untersuchung von 89 Fällen und Herangehensweisen angestrebt wird. Die Zielsetzung der Klassifikation, die Bildung von Basisaktivitäten für Veränderungsprojekte und Regeldefinition für die situative Konstruktion von Veränderungsmethoden auf der Basis einer qualitativ ausgewerteten empirischen Datenbasis, bedingt eine Positionierung der Erkenntnisgewinnung in der vorliegenden Arbeit im konstruktivistischen Paradigma. Das liegt darin begründet, dass das Haupterkenntnisobjekt im sozialen System liegt und durch Interaktion, Beobachtung und Reflektion immer wieder neu erschaffen wird, wenn auch basierend auf einer bereits bestehenden, konstruierten Ausgangslage und nicht vollkommen willkürlich. Trotzdem werden gewisse Charakteristika der Abbildungstheorie natürlich integriert, indem erstens bei der Klassenbildung und Regeldefinition versucht wird, eine „nachvollziehbare“ Grundlage zu 30
31
Vgl. hier und im Folgenden Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 18-20; von Kardorff, E.: Qualitative Sozialforschung – Versuch einer Standortbestimmung, in: Flick, U. et al. (Hrsg.): Handbuch der qualitativen Sozialforschung, München 1991, S. 3-8; Kubicek, H.: Heuristische Bezugsrahmen und heuristisch angelegte Forschungsdesigns als Elemente der Konstruktionsstrategie empirischer Forschung, in: Köhler, R. (Hrsg.): Empirische und handlungstheoretische Forschungskonzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1977, S. 3-30; Ulrich, H.: Management, Bern et al. 1984, S. 130-137. Mit diesem Argument sollte auch eine Abgrenzung von dem in der Praxis oft vertretenen „Rezeptbuch“-Denken stattfinden. Die anwendungsorientierte Forschung dient nicht dem Schreiben von Rezeptbüchern, sondern der Aufklärung, Ausbildung, Beratung und Kritik im Rahmen eines praxisrelevanten Themas.
16
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
schaffen. Zweitens werden Erkenntnisobjekte des klassischen Systemverständnisses (z. B. Informationssysteme) untersucht, die dem „res extensa“ nach Descartes entsprechen und kein Wissen über sich selber haben, auf das sie wiederum beeinflussend wirken könnten.32 Das radikale konstruktivistische Paradigma kann also nicht uneingeschränkt eingehalten werden. Aus diesem Grund wird eine gemäßigt konstruktivistische Denkrichtung verfolgt. Würde man den Grundsatz der Paradigmeninkommensurabilität aufheben, was bei einer konsequenten Weiterverfolgung der Integration der Systemwelten nach Forrester logisch wäre, könnte man sogar von einem „rationalen Konstruktivismus“ sprechen.33
1.3 Anforderungen an die Untersuchung Die zuvor diskutierten Zielsetzungen der Arbeit sowie ihre wissenschaftlichen Grundlagen bilden die Basis für die Anforderungen an die durchzuführende Untersuchung. Nachfolgend werden diese Anforderungen erarbeitet und später in den entsprechenden Kapiteln vertieft. x
Die vielleicht wichtigste und anspruchsvollste Anforderung ist die Einhaltung der epistemologischen Grundsätze, die für die Arbeit zugrunde gelegt werden. Sobald das soziale System betroffen ist, sollen keine objektivistischen Aussagen getroffen, sondern soll die kontextabhängige Relativität der Ergebnisse berücksichtigt werden.
x
Die Fokussierung auf die organisationale Veränderung und die entsprechende Begriffshierarchie von Veränderungsvorhaben bis Veränderungsprojekt müssen in Einklang mit der Forderung nach einem umfassenden Begriffsverständnis stehen.
x
Die Methodenkonstruktion muss auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und wiederholbaren Vorgehens erfolgen.
x
Die Datenbasis muss aufgrund der Forderung nach einem Beitrag zur angewandten Managementforschung durch Auswahl relevanter Fälle und Veränderungsmethoden konstituiert werden. Die Auswahl der Datenquellen muss hinreichend begründet werden, und die Analyse der Ergebnisse muss nachvollziehbar sein.
x
Die Grundlagen der Theoriebildung und Theorieentwicklung müssen stringent und logisch sein. Aufgrund der Tatsache, dass eine qualitative Untersuchung erfolgt, ist es unabdingbar, dass die Klassenbildung sowie die Population der Klassen mit größtmöglicher Sorgfalt erfolgt.
32 33
Vgl. Descartes, R.: Meditationes de prima philosophia – Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, in: Heffernan, G. (Hrsg.), 3. Aufl., Hamburg 1992. Kuhn argumentiert in eine ähnliche Richtung und betont die Wahlfreiheit und die Bedeutung des Diskurses sowie die „guten Gründe“ bei der Wahl eines Paradigmas oder beim Wechsel in ein anderes, Kuhn, T. S.: The Structure of Scientific Revolutions, 3. Aufl., Chicago und London 1996, S. 198-204.
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
17
1.4 Thematische Einordnung der Arbeit Die Methodenkonstruktion ist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre ein vornehmlich in der Wirtschaftsinformatik eingesetztes Vorgehen und dient üblicherweise der Planung und Entwicklung von Anwendungssystemen.34 Methoden sollen die Komplexität der Anwendungsdomäne reduzieren und das Vorgehen systematisieren. Die Anwendung von Methoden und Konstruktionsprinzipien müssen aber nicht auf das genannte Gebiet beschränkt bleiben, denn auch in anderen Bereichen stellen sich die Forderungen nach Komplexitätsreduktion und Systematisierung, genauso wie nach Flexibilität und einer der Situation angemessenen Vorgehensweise. Das zeigen die Bemühungen in Bezug auf die Entwicklung von Methoden bspw. in organisationalen Veränderungsprojekten, aber auch in anderen Bereichen, wie z. B. der Qualitätssicherung oder dem Projektmanagement. Diese Aussage verdeutlicht bereits, dass die Beschäftigung mit der Methodenkonstruktion nicht auf ein einziges Themengebiet beschränkt bleiben muss, sondern dass Synergien mit anderen Gebieten genutzt werden können. Das gilt auch für das zweite Hauptthema der vorliegenden Arbeit, der organisationalen Veränderung. Mit der angestrebten Zielsetzung, die Steuerbarkeit von Veränderungsprojekten zu gestalten und optimieren, bietet sich die Übertragung der Vorgehensweisen und Prinzipien der Methodenkonstruktion an. Denn wie die oben bereits diskutierten Ergebnisse der Studien zeigen, fehlen gerade in Bezug auf die zielgerichtete und erfolgreiche Führung und Steuerung von Veränderungsvorhaben adäquate, d. h. flexible und an die spezifischen Anforderungen der individuellen Projekte anpassbare Vorgehensweisen. Somit kann die thematische Einordnung der Arbeit auf der Nahtstelle zwischen der Wirtschaftsinformatik und hier im Speziellen dem Themengebiet der Anwendungssystementwicklung sowie der betriebswirtschaftlichen Disziplin der Organisationsentwicklung und hier der anverwandten Disziplinen, wie z. B. der Prozessentwicklung, erfolgen. Die Thematik fällt damit vollumfänglich in die Disziplin des St. Galler Business Engineering (vgl. Abbildung 5), das die systematische Veränderung von Unternehmen zum Ziel hat.35
1.5 Gang der Untersuchung Um die zuvor präzisierten Ziele der Arbeit zu erreichen, wird folgendes Vorgehen gewählt: Um eine Positionierung der behandelten Themengebiete und die Darstellung ihrer Beziehungen zueinander verdeutlichen zu können, dient Kapitel 2 der Herleitung eines Bezugsrahmens. Dazu sind verschiedene Management-Modelle zu untersuchen, die als mögliche Grundlage für den hier zum Einsatz kommenden Ansatz dienen können. Das Ergebnis dieser Überlegungen muss ein integrierter Bezugsrahmen sein, der die am besten geeigneten Prinzipien und Grundsätze der untersuchten Modelle für den Lösungsansatz der zugrunde liegenden Problemstellung aufnimmt. In Kapitel 2.4 erfolgt zum Abschluss des zweiten Kapitels eine weitere Präzisierung der Schwerpunkte der vorliegen34
35
Vgl. z. B. Brinkkemper, S.: Method Engineering: Engineering of Information Systems Development Methods and Tools, in: Information and Software Technology 38 (1996), S. 275-280; Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, passim. Vgl. hier und auch für die Abbildung: Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 13-14.
18
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
den Arbeit. Aufbauend auf dem Bezugsrahmen werden in Kapitel 3 die begrifflichen Grundlagen entwickelt und die theoretischen und praktischen Arbeiten erörtert, die einerseits zu einem angemessenen Begriffsverständnis führen und andererseits einen Überblick über die bereits zu diesem Themenbereich entstandenen Arbeiten in der Literatur geben. Der zuvor geäußerten Forderung nach einem umfangreichen Begriffsverständnis der „Veränderung“ wird dadurch Rechnung getragen, dass ein begriffliches Konzept der „organisationalen Veränderung“ hergeleitet wird.
Managementaspekt
Organisationslehre Methodenkonstruktion für die organisationale Veränderung
Wirtschaftsinformatik
Business Engineering
Technologiemanagement
Informatik Technikaspekt Informatik
BWL
Abbildung 5: Thematische Einordnung der Arbeit Der konkrete Lösungsansatz für die aufgeworfenen Forschungsfragen wird schließlich in Kapitel 4 entwickelt. Das Vorgehen basiert auf der Entwicklung von so genannten „Grundmustern“, die eine systematische Basis sowohl für die Klassifikationsentwicklung als auch den gesamten Methodenkonstruktionsprozess bilden. Aufgrund der fehlenden Möglichkeiten, Veränderungsvorhaben zu klassifizieren, wird zunächst eine entsprechende Klassifikationstheorie entworfen, die die Grundlagen für die geforderte, möglichst vollständige Beschreibung von Veränderungsprojekten schafft. Die Datenbasis für die daraus abgeleitete Klassifikation wird durch zu diesem Zweck durchgeführte Interviews sowie die Analyse von Fallstudien aus der Literatur gebildet. Darüber hinaus erfolgt eine Analyse von bereits existierenden Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen aus der Literatur, die damit die Grundlage für die verfügbaren Aktivitäten zur Durchführung und Steuerung von Veränderungsprojekten liefern. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung erfolgt die Ableitung der so genannten Aktivitätenbasis für Veränderungsprojekte, d. h. der Standard-Handlungsoptionen, über die jeder Veränderungsarchitekt verfügen sollte. Die flexible und situationsspezifische Methodenkonstruktion basiert auf der Ergänzung der Aktivitätenbasis um weitere, für das Projekt relevante Aktivitäten. Damit diese Zuordnung möglich wird, müssen nun erstens typische Grundsituationen für Veränderungsprojekte identifiziert sowie zweitens Regeln definiert werden, nach denen die nicht zur Basis gehörenden Aktivitäten zu dem spezifischen Veränderungsprojekt zu ergänzen sind. Das fünfte Kapitel dient der Validierung der gewonnenen Erkenntnisse anhand von Fallstudien sowie der kritischen Evaluation der vorgestellten Lösungsansätze. Dazu werden
Die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben
19
strukturierte Experteninterviews geführt, die einen Rückschluss auf die Anwendbarkeit der Ergebnisse liefern sollen. Das sechste Kapitel schließt die vorliegende Arbeit mit einer Zusammenfassung und kritischen Bewertung der Ergebnisse und des Vorgehens sowie mit Überlegungen zu den verbleibenden Herausforderungen und weiteren Entwicklungen ab. Abbildung 6 verdeutlicht den logischen Aufbau der Arbeit noch einmal grafisch. Kapitel 1: Die Steuerung von Veränderungsprozessen
Kapitel 2: Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Kapitel 4: Entwicklung der Klassifikationstheorie, Ableitung der Aktivitätenbasis, Grundlagen für die situative Methodenkonstruktion
Kapitel 3: Begriffliche und theoretische Grundlagen
Anhang: Datenbasis und Auswertungen Literatur
Kapitel 5: Validierung der Ergebnisse
Kapitel 6: Zusammenfassung und Ausblick
Abbildung 6: Aufbau der Arbeit
2 Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion Veränderungen in einem organisationalen Kontext umfassen nahezu das gesamte Spektrum der betriebswirtschaftlichen, rechtlichen, organisationspsychologischen, ethischen und informationstechnischen Themenstellungen. Nachfolgend werden deshalb kurz die relevanten Themengebiete angerissen und als Betrachtungssichten systematisiert. Ein weiterer Schritt in diesem Kapitel ist die Herleitung eines Bezugsrahmens, der die Positionierung der behandelten Themen und Abbildung ihrer Wechselwirkungen erlaubt. Dazu werden zunächst zwei bestehende Management-Modelle ausgewählt und für die Verwendung in Bezug auf die hier vorliegende Aufgabenstellung integriert. Danach werden einige weitere, bekannte Management-Modelle kurz vorgestellt und mit dem integrierten Bezugsrahmen verglichen, um Ergänzungen vorzunehmen bzw. seine Vor- und Nachteile abzuwägen. Darüber hinaus werden mit Blick auf die zentrale Zielsetzung der Arbeit die Grundlagen der Methodenkonstruktion untersucht und für die vorliegende Problemstellung, die von dem ursprünglichen Einsatzgebiet der Methodenkonstruktion abweicht, diskutiert. Darauf aufbauend erfolgt anhand eines allgemeinen Veränderungsprozesses eine Eingrenzung auf die für die Arbeit zentralen Themenbereiche und damit zugleich eine Eingrenzung der zu behandelnden Gebiete.
2.1 Themengebiete im Rahmen der organisationalen Veränderung Das Ziel einer Systematisierung der für die organisationale Veränderung relevanten Themengebiete ist die Schaffung eines Beschreibungsansatzes, der durch die Definition von Betrachtungssichten36 einen Überblick über die zu behandelnden Inhalte gewährt. Dazu gehören auch deren thematische Einordnung sowie die Analyse der inhaltlichen Schwerpunkte zum besseren Verständnis der Konsequenzen der geplanten Veränderung. Dabei gilt es zu beachten, dass die Sichten nicht orthogonal voneinander abgrenzbar sind, sondern sich in den inhaltlichen Ausschnitten, die sie betrachten, überlappen können. Eine thematische Gliederung der für die Veränderung relevanten Gebiete kann z. B. in die Sichten „Projektmanagement und Projekt-Controlling“, „Originäre betriebswirtschaftliche Funktionen“, „Strategisches Management“ und „Technologiemanagement“ vorgenommen werden. Weitere Sichten, die in Bezug auf die organisationale Veränderung denkbar wären, sind z. B. „Umfeldmanagement“ oder „Corporate Governance“. Das „Umfeldmanagement“ würde bspw. die Koordination der und Kommunikation mit den Stakeholdern fokussieren sowie den Umgang mit rechtlichen Aspekten der Veränderung umfassen, z. B. der Einfluss des Wettbewerbs- und Kartellrechts bei einer Fusion. Die 36
Eine „Sicht“ ist in diesem Zusammenhang ein Modell des Betrachtungsobjekts. Unterschiedliche Sichten erlauben durch Orientierung auf einen spezifischen Modellierungszweck die Fokussierung auf bestimmte Aspekte des Betrachtungsobjekts; vgl. z. B. Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge im Business Engineering, S. 87-118, hier S. 93.
22
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Sicht „Corporate Governance“ würde die rechtlichen und ethischen Vorgaben zur Steuerung des Unternehmens aufgreifen und im Zusammenhang mit der Veränderung untersuchen. In der vorliegenden Arbeit liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf den betriebswirtschaftlichen, organisationspsychologischen und informationstechnischen Themen, die durch die organisationale Veränderung betroffen sind. Deshalb sind zunächst solche Sichten relevant, die diese Themengebiete aufgreifen und analysierbar machen. Die oben genannten vier Sichten „Projektmanagement und Projekt-Controlling“, „Originäre betriebswirtschaftliche Funktionen“, „Strategisches Management“ und „Technologiemanagement“ unterstützen diese Forderung und können deshalb für eine Systematisierung zugrunde gelegt werden. Die Differenzierung und Definition dieser vier Betrachtungssichten unter Vernachlässigung der beiden oben genannten weiteren Sichten erfolgt auf Basis der Überlegungen, dass x
Veränderungen immer in Form von Projekten umgesetzt werden.37 Dazu zählen dann auch solche Themenbereiche, wie z. B. die Methoden- und Modellkonstruktion, das Systems Engineering als mögliche strukturgebende Komponente oder auch das Kommunikationsmanagement, das z. B. sicherstellt, dass die Ziele des Projekts klar sind und damit einen Beitrag zur Stabilisierung für die an der Veränderung Beteiligten leistet.
x
viele der betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen, wie z. B. das Prozessmanagement, die Personalentwicklung und die Investitionsrechnung, für die Initiierung bzw. Umsetzung der Veränderung eine wichtige Rolle spielen.38
x
das strategische Management eine wichtige Gestaltungsfunktion für das Veränderungsprojekt übernimmt.39 Insbesondere die zu dieser Sicht zählenden Themenbereiche der Unternehmensführung, der Organisationsgestaltung, aber auch der Bereich der Organisationspsychologie40 leisten einen zentralen Erfolgsbeitrag.
x
schließlich das Technologiemanagement als eine relevante Sicht zu zählen ist, weil einerseits die Technologie ein Auslöser bzw. Treiber für den Veränderungsprozess sein kann und anderseits die organisationale Veränderung nur mit der entsprechenden (informations)technologischen Unterstützung erfolgreich umgesetzt werden kann.41 Hier sind wichtige Disziplinen z. B. das Informationsmanagement, das Innovationsmanagement, das Medienmanagement und die Mediengestaltung.
Abbildung 7 systematisiert die obigen Ausführungen, d. h. die vier Sichten und ihre inhaltlichen Schwerpunkte, grafisch.
37 38 39 40 41
Vgl. Österle, H.: Business Engineering: Prozess- und Systementwicklung, 2. Aufl., Berlin et al. 1995, S. 23-24. Vgl. Hilb, M.: Integriertes Personal-Management: Ziele – Strategien – Instrumente, 10. Aufl., Neuwied 2002 und Spremann, K.: Finanzanalyse und Unternehmensbewertung, München 2002. Vgl. z. B. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 377-392. Vgl. Manella, J.: Der relationale Mensch, Zürich 2003. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 20-22.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
23
Strategisches Management Thematischer Schwerpunkt z.B. auf:
Organisationsgestaltung Organisationspsychologie Thematischer Schwerpunkt z.B. auf:
Thematischer Schwerpunkt z.B. auf:
Prozessmanagement
Informationsmanagement
Investition und Finanzierung Personalmanagement
Organisationale Veränderung
Marketing
Innovationsmanagement Medienmanagement und Mediengestaltung
Kostenrechnung
Technologiemanagement
Originäre betriebswirtschaftliche Funktionen
Unternehmensführung
Thematischer Schwerpunkt z.B. auf: Systems Engineering Methoden- und Modellkonstruktion Kommunikationsmanagement Projektmanagement und Projekt-Controlling
Abbildung 7: Systematisierung der Themengebiete organisationaler Veränderung und beispielhafte Zuordnung von verbundenen Disziplinen Organisationale Veränderungsvorhaben stellen durch ihre Multidisziplinarität hohe Anforderungen an einen adäquaten Bezugsrahmen, denn er muss umfassend und integriert, aber dennoch in seiner Komplexität überschaubar und damit nutzbringend einsetzbar sein. Damit ein solcher Bezugsrahmen ausgewählt oder konstruiert werden kann, müssen zunächst die relevanten Einflussfaktoren auf Veränderungsvorhaben untersucht werden.
2.2 Wirtschaftliche und informationstechnische Einflussfaktoren auf Veränderungsvorhaben Die Einflussfaktoren in Bezug auf Veränderungsvorhaben lassen sich im Wesentlichen durch zwei Typen repräsentieren: Zum einen sind es die Auslöser von Veränderungsvorhaben, also diejenigen Ereignisse oder aber auch Visionen und Ideen, die dazu führen, dass ein Veränderungsvorhaben in Angriff genommen wird. Zum anderen sind die Treiber eines Veränderungsvorhabens wesentliche Einflussfaktoren, denn sie unterstützen und „treiben“ das Vorhaben, können eine Steuerung ermöglichen und wirken damit zielführend. Die primären Auslöser von Veränderungsprojekten spielen eine herausragende Rolle bei der Frage danach, wie solche Projekte geplant und aufgesetzt werden sollen. Der Grund
24
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
dafür ist, dass diese Auslöser maßgeblich den Kontext für das Projekt mitbestimmen.42 In der Regel lassen sich drei Hauptkategorien von Auslösern identifizieren: erstens betriebswirtschaftliche Auslöser, zweitens Auslöser, die einen volkswirtschaftlichen Hintergrund aufweisen, und drittens Auslöser, die durch informationstechnische Einflussfaktoren bestimmt sind. Während die volkswirtschaftlichen Auslöser hauptsächlich externe Faktoren sind, die auf die Unternehmung wirken, müssen die betriebswirtschaftlichen sowie auch die informationstechnischen Faktoren in interne und externe Auslöser untergliedert werden. Eine weitere Untergliederung, die hier eingeführt wird, ist die nach den primären und den sekundären Auslösern. Primäre Auslöser sind solche, die nicht durch einen anderen Vorfall (direkt oder auch indirekt) verursacht worden sind, wohingegen für sekundäre Auslöser in der Regel ein „Vor-“ereignis identifiziert werden kann. Ein typisches Beispiel ist die Kostenstruktur im Unternehmen: Normalerweise werden zu hohe Kosten als Grund angeführt, um eine bestimmte Veränderung, wie z. B. die Freisetzung von Mitarbeitern, zu rechtfertigen. Eine suboptimale Kostenstruktur kann natürlich aufgrund von gezielt durchgeführten Analysen ein primärer betriebswirtschaftlicher Auslöser für Veränderungsprojekte sein. Oftmals wurde diese Analyse der Kostenstruktur aber durch einen Umsatz- oder Gewinnrückgang ausgelöst, der auffällig genug war. An diesem Beispiel lässt sich bereits erkennen, wie wichtig eine genauere Analyse der auslösenden Faktoren für den Kontext des Veränderungsprojekts ist. Denn nur die primären Auslöser sollten als Ansatzpunkt für die konkrete Definition des Veränderungsprozesses dienen. Ansonsten droht die Gefahr des „Kurierens am Symptom“. Nachfolgend werden die Auslöser systematisiert und mögliche Ausprägungen kurz diskutiert. Primäre Auslöser für Veränderungen von Organisationen entstehen häufig im Rahmen volkswirtschaftlicher „Ereignisse“, wie z. B. bei Kotter, Vollmann oder auf Basis der Change Management 2003/2008-Studie deutlich wird.43 Ein Vorgehen für die Analyse lässt sich insbesondere bei Kotter gut nachvollziehen, weil er nicht, wie es z. B. bei Vollmann oder in der Studie der Fall ist, primäre und sekundäre Auslöser sowie Treiber, die später noch Gegenstand der Diskussion sein werden, vermischt. Wie Abbildung 8 zeigt, geht er dabei von vier zentralen Auslösern aus, die aus einer extern Perspektive auf die Organisation wirken. Die durch die technologische Veränderung, internationale, volkswirtschaftliche Integration, die Sättigung von Märkten in Industrieländern und den Fall kommunistischer und sozialistischer Regime hervorgerufenen Konsequenzen lösen schließlich Anpassungsreaktionen in Form von entsprechenden Veränderungsvorhaben aus. Aufbauend auf diesen vier Auslösern könnte man Innovationen auf den Kapitalmärkten, wie z. B. die Entwicklung einer Venture Capital Kultur und die daraus entstehende Attraktivität für Ausgründungen von Unternehmensbereichen, das vermehrte Entstehen kleinerer, dynamischer Wirtschaftseinheiten, die Veränderung von gesellschaftlichen Werten und damit die Entstehung neuer Kundenprofile sowie neue oder veränderte juristische Rahmenbedingungen ergänzen.
42 43
Vgl. hierzu auch Eisenhardt, K. M., Brown, S. L.: Competing on the Edge – Strategy as Structured Chaos, Boston 1998, S. 6-7. Vgl. Kotter, J. P.: Leading Change, Boston 1996, S. 18-20; Vollmann, T.: The Transformation Imperative, Boston 1996, S. 115-139; Classen, M. et al.: Veränderungen erfolgreich gestalten: Change Management 2003/2008, Bedeutungen, Strategien, Trends.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Technologische Veränderung
Internationale, volkswirtschaftliche Integration
• Schnellere und bessere Kommunikationsmedien • Schnellere und bessere Transportwege und Logistik
Sättigung von Märkten in Industrieländern
Fall kommunistischer und sozialistischer Regime
• Weniger Zölle und Steuern
• Langsameres Inlandswachstum
• Durch „floating“ verbundene Wechselkurse
• Aggressivere Exporteure
• Mehr Länder, die dem kapitalistischen System verbunden sind
• Umfangreichere globale Kapitalflüsse
• Höherer Grad an Deregulation
25
• Mehr Privatisierungen
• Mehr Informationsnetzwerke, die Menschen weltweit verbinden
Globalisierung von Märkten und Wettbewerb
Grössere Gefahren
Mehr Chancen
• Mehr Wettbewerb
• Grössere Märkte
• Höhere Geschwindigkeit
• Geringere Barrieren
Mehr umfangreiche Veränderungsvorhaben in Organisationen Unternehmen müssen sich im Wettbewerb besser positionieren, um Gefahren zu vermeiden und Chancen nutzen zu können. Typische Vorgehensweisen umfassen: • Reengineering
• Mergers & Acquisitions
• Restrukturierung
• Strategische Veränderung
• Qualitätsprogramme
• Kulturelle Veränderung
Abbildung 8: Treibende Kräfte für die Veränderung nach Kotter44 Allerdings fehlt in diesem Erklärungsansatz die Differenzierung in betriebswirtschaftliche und informationstechnische Auslöser aus einer internen Perspektive. Die Identifikation und Analyse dieser Auslöser ist für die Definition und Planung des Veränderungsvorhabens aber ebenso relevant, wie die Kenntnis der externen Auslöser. Die primären, betriebswirtschaftlichen Auslöser, die aus einer internen Perspektive Veränderungen erzeugen können, sind z. B. x
Führungswechsel: Die Veränderungen durch eine neue Führung bzw. ein neues Führungsteam können aufgrund neuer, anderer Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen ausgelöst werden.
x
Umsatzrückgang und/oder Gewinnrückgang: Die Gefahr eines entstehenden Verlustes oder sogar der Illiquidität durch einen Rückgang von Umsatz und/oder Gewinn ist ein zentraler Auslöser für organisationale Veränderungen.
x
Veränderung von Mitarbeiterprofilen und Kernkompetenzen: Durch Mitarbeiterfluktuation können sich die im Unternehmen vorhandenen Mitarbeiterprofile und die damit verbundenen Kompetenzen verändern, was mittel- bis langfristig auch eine Verschiebung der Kernkompetenzen des Unternehmens zur Folge haben kann.45 Eine
44 45
Entnommen und aus dem Englischen übertragen aus Kotter, J. P.: Leading Change, S. 19. Ein typisches Beispiel dafür sind im Bereich der Informationstechnologie Fähigkeiten in bestimmten Programmiersprachen, wie z. B. COBOL. Sind nur wenige oder sogar keine Mitarbeiter mehr verfügbar, die über bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen, kann das Unternehmen unter Umständen bestimmte Dienstleistungen nicht mehr anbieten.
26
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Analyse der Kompetenzprofile und möglicherweise frühzeitiges Eingreifen kann entweder den „Verlust“ von Kernkompetenzen verhindern und würde sich in einem veränderten Einstellungs- oder Ausbildungsprozess niederschlagen, oder eine andere Möglichkeit wäre, dass der Abbau bestimmter Kompetenzen ganz bewusst in Kauf genommen wird und resultiert in einer Neuausrichtung des Unternehmens. x
Innovationen im Produkt- und Dienstleistungsbereich: Innovationen in diesem Bereich können die Entwicklung neuer Kundensegmente, den Aufbau neuer Geschäftsbereiche und den Eintritt in neue Märkte ermöglichen. Damit diese Entwicklungsschritte erfolgreich vollzogen werden können, müssen in der Regel in der Organisation Anpassungen erfolgen, sei es in der Neuausrichtung der Prozessarchitektur, der Entwicklung und Einführung entsprechender Informationstechnologien oder der „Missionierung“ veränderter Verhaltensweisen, wie es z. B. bei der Privatisierung von staatlichen Unternehmen zu beobachten ist.
Sekundäre Auslöser aus einer internen betriebswirtschaftlichen Sicht können z. B. folgende Faktoren sein: x
Kostenstruktur: Eine veraltete und nicht den herrschenden Erfordernissen angepasste Kostenstruktur, aber auch fachliche Entwicklungen im Rechnungswesen, wie z. B. die Entstehung der Prozesskostenrechnung, können Anpassungsmaßnahmen auslösen.
x
Positionierung in der vernetzten Wirtschaft: Die Positionierung eines Unternehmens ist oftmals „historisch“ gewachsen und hat einen erheblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit einerseits und die Aktionsfähigkeit andererseits. Stellt sich diese Positionierung als nicht mehr angemessen heraus, z. B. weil die Vernetzungserfordernisse in der Wirtschaft zugenommen haben und damit eine vielleicht eher isolierte Position nachteilig ist, wird sich diese Neupositionierung in Veränderungsvorhaben niederschlagen.
x
Veränderte Machtstrukturen: Machtstrukturen können sich im Verlauf der Zeit aus verschiedenen Gründen verschieben. Diese Veränderungen können wiederum zu neuen Schwerpunktsetzungen in der thematischen Ausrichtung führen oder die Fluktuation der Mitarbeiter begünstigen. Werden die Auswirkungen dieser Verschiebungen, z. B. in der Effizienz der Leistungserstellung spürbar, kann das als Anpassungsreaktion zu entsprechenden organisationalen Veränderungsvorhaben führen.
x
Innovationen im Prozessbereich: Neue Möglichkeiten und Ideen im Bereich der Prozessentwicklung, wie z. B. die Umsetzung kollaborativer Prozesse, kann zu umfangreichen Veränderungsvorhaben führen, wenn z. B. eine Ausrichtung auf die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erfolgen soll.
Externe Auslöser aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht können z. B. Impulse sein, die durch die betriebswirtschaftliche Forschung entstehen, wie sich am Beispiel der Balanced Scorecard, die zu einer erheblichen Veränderung der Messsysteme geführt hat, zeigen lässt. Aber auch Benchmarking-Studien oder die Verhaltensänderung und das Innovationsverhalten von Zulieferern und Konkurrenten können Auslöser für entsprechende organisationale Veränderungen sein. Die dritte Kategorie von Auslösern entsteht im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Ein primärer Faktor, der sich hier aus einer internen Perspektive identifizieren lässt, ist z. B. die Veraltung und/oder der Ausfall einer Applikation: Die
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
27
Datenstrukturen, die in einer Applikation umgesetzt worden sind, können im Zeitablauf veralten, z. B. die Struktur von Adressdaten, wenn sich die Postleitzahl ändert oder Namenszusätze und -erweiterungen berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus kann eine Applikation aufgrund der Betriebsdauer und der zugrunde liegenden Technologie anfälliger für Ausfälle werden, so dass hier eine Substitution oder allenfalls ein Outsourcing erwogen werden muss. Sekundäre Auslöser in diesem Bereich können z. B. die veränderten technischen Anforderungen an die Datenintegration sein. Sie entstehen durch veränderte Anforderungen aus den Fachbereichen, die z. B. bemüht sind, eine Prozessinnovation umzusetzen, so dass Anpassungen in der Infrastruktur oder den Applikationen vorgenommen werden müssen. Die Möglichkeit, Nutzungspotenziale bestehender Technologien auszuschöpfen, z. B. durch neue, gelockerte gesetzliche Regelungen im Datenschutz, kann ein externer Auslöser für Anpassungen in diesem Bereich sein, die wiederum in technologisch getriebenen Veränderungsvorhaben münden können. Auf Basis der vier grundlegenden Kräfte für Veränderungen von Kotter und der vorgenommenen Ergänzungen entsteht also ein beispielhaft gefülltes Analyseraster, das durch die Identifikation der relevanten Auslöser die zielgerichtete und dem tatsächlichen Veränderungsthema angemessene Definition des Veränderungsvorhabens unterstützt. Oftmals findet sich in diesem Zusammenhang auch der Begriff „Treiber“, ohne dass diese beiden Begriffe hinreichend voneinander abgegrenzt wären.46 Eine Differenzierung ist aber erforderlich, weil durch diesen Schritt eine weitere Entscheidungshilfe zur Auswahl des in dem gegebenen Kontext wirksamsten Methoden- und Instrumenteneinsatzes für das Veränderungsprojekt zur Verfügung gestellt wird. Ist der identifizierte Auslöser beispielsweise die veränderte Wertehaltung in der Bevölkerung, müssen im Rahmen der ersten Analysen der möglicherweise veränderte Kundenprozess und die Auswirkungen auf das Unternehmen untersucht werden. Der Treiber, der es dem Unternehmen ermöglicht, eine aktive Anpassung an das veränderte Werteverhalten vorzunehmen, ist z. B. die klare Bekenntnis der Unternehmensführung zur Kundenorientierung und das Vorleben dieser Zielsetzung als Teil der Führungsmethodik. Nachfolgend erfolgt deshalb jeweils eine kurze Definition und mit diesem Schritt auch eine klare Abgrenzung der beiden Begriffe. Unter einem Auslöser versteht man in einem betriebswirtschaftlichen Kontext den ursächlichen Grund für das Auftreten eines bestimmten Ereignisses oder das nachfolgende Ablaufen einer Ereigniskette. Der Auslöser steht am Anfang des Einzelereignisses oder der Kausalkette und hat danach keinen aktiven Einfluss mehr auf den Ablauf bzw. die Zielsetzung des Anpassungsprozesses. Unter einem Treiber versteht man hingegen die nach dem Auftreten des Auslösers den Anpassungsprozess aktiv beeinflussenden und begleitenden Methoden, Instrumente, Verhaltensweisen, aber auch bestimmte Subjekte, wie z. B. die Stakeholder eines Unternehmens oder eines Projekts. Während die Subjekte zwar einen aktiven Einfluss auf den Pro46
Vgl. z. B. Vollmann, T.: The Transformation Imperative, S. 115-139, der interne und externe Diskontinuitäten sowie Erwartungen als Treiber bezeichnet. Hier findet gemäß der in dem darunter stehenden Absatz aufgeführten begrifflichen Abgrenzung eine Vermischung von Auslöser und Treiber statt. Ein neues Management-Team ist dabei als Treiber zu bezeichnen, der den Veränderungsprozess initiiert und weiter begleitet, eine Fusion ist ein typischer Auslöser, der die Veränderung verursacht, aber den Anpassungsprozess nicht direkt unterstützt, die russische Dumping-Preispolitik wiederum ist ein Auslöser für eine Anpassung an diesen Marktfaktor.
28
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
zess ausüben können, werden sie in diesem Zusammenhang aber als unmittelbar nichtlenkbare Treiber aufgefasst. Die relevanten Methoden, Instrumente und Verhaltensweisen sollten hingegen dabei unterstützen, den Prozess zielorientiert zu gestalten. Sie werden deshalb als lenkbare Treiber bezeichnet.47 Wenn also im Rahmen der vorliegenden Arbeit von einem Treiber gesprochen wird, ist damit die aktive Beeinflussung (nicht-lenkbare Treiber) und zielorientierte Steuerung (lenkbare Treiber) eines Veränderungsprozesses durch Subjekte, Methoden, Instrumente und Verhaltensweisen gemeint. Im Gegensatz dazu ist ein Auslöser ein originäres Ereignis, das wiederum weitere Ereignisse oder Kausalketten auslösen kann, aber darüber hinaus keine aktive Rolle mehr einnimmt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kann man als einfache „Navigationshilfe“ einen Baum verwenden, der die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Arten von Auslösern sowie die Ansatzpunkte für Treiber in Abhängigkeit von ihrer Position im Baum visualisiert (vgl. Abbildung 9). Die Analyse der Auslöser, die in der Abbildung grau hinterlegt sind, sowie auch die Umsetzung der Anforderungen, die in einem Veränderungsvorhaben durch sie entstehen, kann durch die entsprechenden Treiber, wie z. B. den General Management Navigator oder Technologiemanagement-Methoden, unterstützt werden. Welche Treiber angemessen sind und auch wie sie im konkreten Anwendungsfall eingesetzt werden müssen, hängt von den dominierenden Kontextfaktoren, wie den Interessen der Stakeholder oder den Erwartungen des Marktes oder auch der Mitarbeiter, ab. Sie sind beispielhaft an den Rändern der Abbildung als sie eingrenzende Größen dargestellt.
2.3 Definition eines integrierten Bezugsrahmens auf der Grundlage von Management-Modellen Die Festlegung eines Bezugsrahmens bzw. eines Denkmodells48 sowie die Einordnung der verschiedenen Aspekte des behandelten Themenbereichs sind unabdingbare Schritte für die Positionierung und die Untersuchung dieses Bereichs. Die Einordnung erfüllt die Hauptfunktionen der Reduktion von Komplexität, der Kommunikation bestimmter Inhalte sowie der Validierung von Aussagen und Zusammenhängen innerhalb des gegebenen Modells, z. B. für die Entwicklung einer Klassifikationstheorie. Das der Arbeit zugrunde liegende Thema, das in den Themenbereich „Management“ bzw. präziser „Führung der Veränderung“ eingeordnet werden kann, impliziert die Verwendung eines „Management-
47
48
Die Idee der „Lenkbarkeiten“ bzw. „Nicht-Lenkbarkeiten“ ist in Anlehnung an Gomez, P., Probst, G. J. B.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, 2. Aufl., Bern et al. 1999, S. 116-125, aus dem Gebiet des Problemlösens übernommen worden. Auch für diesen inhaltlichen Zusammenhang wurde die Abgrenzung so vorgenommen, dass unter Nicht-Lenkbarkeiten diejenigen Elemente verstanden werden, die für den Akteur auf dieser Ebene nicht direkt beeinflussbar oder veränderbar sind (S. 117). Im Gegensatz dazu lassen sich Lenkbarkeiten unmittelbar beeinflussen (S. 121). An dieser Stelle sei kurz auf den Begriff „Denkmodell“ eingegangen: Es soll nach Steiner ein Modell sein, „das eine allgemein gültige, durch Abstraktion gewonnene Vorstellung vermittelt“. Dagegen dient z. B. ein Betriebsmodell der Darstellung von konkreten Abläufen und Einsatzweisen im Unternehmen. Steiner, G. A.: Top Management Planung, München 1969, S. 63.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
29
Modells“ als Basis für den Bezugsrahmen (und nicht z. B. der Einsatz eines Modells für die Systementwicklung, weil dann nur ein kleiner Teil der Problematik erfasst würde). z.B. Erwartungen
Intern
Sekundär
Primär
Extern
Intern
Sekundär
Extern
z.B. General Management Navigator
z.B. Technologiemanagement-Methoden
Betriebswirtschaftliche Auslöser
Informationstechnische Auslöser z.B. Prognoseverfahren
z.B. Interessen der Stakeholder
z.B. Kontextgerechte Führungsmethodik
Primär
Volkswirtschaftliche Auslöser
Abbildung 9: Auslöser und Ansatzpunkte für Treiber von Veränderungsprozessen Nachdem die Basisüberlegungen zu Veränderungen in Organisationen angestellt worden sind, muss nun der Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit entwickelt werden, der eine Positionierung der zu behandelnden Themen unterstützt.
2.3.1 Der Begriff „Management-Modell“ Um Klarheit und Eindeutigkeit in der verwendeten Begriffswelt sicherzustellen, ist nun eine geeignete Definition für den Begriff „Management-Modell“ auszuwählen bzw. festzulegen. In der Literatur finden sich verschiedene Auffassungen, die einerseits den Begriff „Modell“ und andererseits den Begriff „System“ verwenden. Eine Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen „Management-Modell“ und „Management-System“49 kann in Anlehnung an Kirsch erfolgen, der definiert: „Mit den Begriffen „Management“ und „Managementsysteme“ bezeichnen wir Phänomene, die in der Realität vorkommen [...]“ sowie „Wenn man solche Systeme beschreibt, dann formuliert man ein Modell des jeweiligen Systems (oder einer ganzen Architektur solcher Systeme).“50
49
50
Aus Konsistenzgründen werden die beiden Begriffe in der vorliegenden Arbeit mit einem Bindestrich getrennt, obwohl in der Literatur verschiedene Schreibweisen vorherrschen. In direkten Zitaten wird die Schreibweise aus der entsprechenden Quelle übernommen. Vgl. Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, München 2001, S. 170.
30
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Nachfolgend werden nun die unterschiedlichen Auffassungen zusammengetragen. Danach werden die zentralen Aspekte kurz zusammengefasst, um die geforderte Definition ableiten zu können.51 x
Bleicher definiert die Funktion von Managementsystemen in Bezug auf die Erfüllung und Ausgestaltung der Regeln in der Organisation und die Entwicklung der Kommunikation: „Managementsysteme unterstützen und füllen die Rahmenbedingungen der durch die Organisation festgelegten strukturellen und prozessualen Regelungen. Durch sie werden die kommunikativen Beziehungsnetze zur Kooperation und Kommunikation zwischen organisatorischen Einheiten, die aufgrund von Arbeitsteilung entstanden sind, entwickelt.“52
x
Müller-Stewens und Lechner verwenden den Begriff des „Management-Systems“, fokussieren dessen Steuerungsfunktion und integrieren dabei auch den Aspekt der Informationslogistik: „Managementsysteme dienen der Diagnose, Planung und Kontrolle betrieblicher Aktivitäten. Sie bilden unternehmensinterne und externe Vorgänge ab und bereiten die dabei gewonnenen Daten als Information, d. h. als zweckbezogenes Wissen auf.“53
x
Rüegg-Stürm legt bei seiner Begriffserklärung, wie auch schon Bleicher, einen Schwerpunkt auf die Kommunikation und hier das Partialziel der Aufmerksamkeitssteuerung. In diesem Zusammenhang betont er die strukturierenden Eigenschaften eines Management-Modells, indem er definiert: „Ein Modell dient – wie jedes Managementkonzept und Führungsinstrument – der Strukturierung organisationaler Kommunikation. Es dient insbesondere der Aufmerksamkeitssteuerung, indem es die Aufmerksamkeit der Akteure wiederholt auf bestimmte Phänomene lenkt.“54
x
Kirsch vertritt eine ähnliche Begriffsauffassung, wie Müller-Stewens und Lechner, indem er auf die Steuerung und Führung der Organisation abhebt: „Unter dem Oberbegriff „Managementsystem“ subsumieren wir eine ganze Reihe unterschiedlicher Systeme zur Unterstützung der Führung: Planungs- und Kontrollsysteme, Kostenrechnungssysteme, Anreizsysteme, Bildungssysteme sind nur einige Beispiele.“55
x
Als Vertreter der amerikanischen Terminologie unterstreicht Ansoff ebenfalls die Steuerungsfunktion, aber auch die Bedeutung der Bausteine eines Management-Systems und ihres Zusammenspiels für die Erfüllung dieser Funktion „... formal management systems, which are explicit arrangements for guiding and controlling the work of complex goal-seeking organizations.”56
x
Schließlich findet sich bei Tropman noch die Vernetzungsfunktion eines Management-Systems, wobei er den Begriff “organizational system” anstelle von Management-System verwendet: „Organizational systems are those features of an entrepre-
51 52 53 54 55 56
Der Begriff des Modells wird noch einmal ausführlich im Rahmen des zu entwickelnden Konzepts der organisationalen Veränderung erarbeitet. Vgl. Kapitel 3.4. Vgl. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt und New York 1991, S. 239. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 456. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz, Bern et al. 2002, S. 14. Hervorhebungen aus der Originalquelle. Vgl. Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, S. 168. Vgl. Ansoff, I., McDonnell, E.: Implanting Strategic Management, New York et al. 1990, S. 305.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
31
neurial venture that link the substructures together and make the organization a whole. Metaphorically speaking, they represent the blood and nerves of the organization.”57 Die verschiedenen Definition ergeben also drei zentrale Funktionen, die mit den Begriffen „Management-Modell“ und „Management-System“ verbunden werden: erstens die Steuerungsfunktion einschließlich der Berücksichtigung der konstituierenden Bausteine, zweitens die Funktion der Kommunikation bzw. Entwicklung von Kommunikationsnetzwerken und drittens die Vernetzungsfunktion. In Verbindung mit den Definitionen der Begriffe „Modell“ und „System“ aus Kapitel 3, wird folgende Definition des Begriffs „Management-Modell“ hergeleitet und der Arbeit zugrunde gelegt: Als Management-Modell wird ein zielgerichtetes Abbild realer ManagementSysteme bezeichnet, das erstens der Darstellung der organisatorischen Bausteine und deren Beziehungen zueinander, zweitens der Entwicklung der Steuerungsfunktion und drittens der Strukturierung der Kommunikation dient. Auf Basis dieser Definition und bestehender Modelle zur Führung von organisationalen Veränderungen wird nachfolgend ein Management-Modell als Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit entwickelt.
2.3.2 Das neue St. Galler Management-Modell und die Business Engineering Landkarte als Grundlage für den integrierten Bezugsrahmen Für die Positionierung der Themen von organisationalen Veränderungen sowie deren Konsequenzen und Ansatzpunkten sollte ein Bezugsrahmen gewählt werden, der diese unterschiedlichen Bausteine adäquat berücksichtigt. Die Zielsetzungen, die mit einem solchen Bezugsrahmen verfolgt werden, sind, neben der bereits erwähnten Positionierung, die Systematisierung des Veränderungsvorhabens sowie die Fundierung und Etablierung einer Grundlage für die Kommunikation. Die Anforderungen für einen Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit sind folgendermaßen zu definieren: x
Die Auslöser für eine organisationale Veränderung müssen berücksichtigt werden. Diese Forderung ist zentral, weil nur die Identifikation und Analyse der primären Auslöser zu einer korrekten Schlussfolgerung in Bezug auf das Thema, den Umfang und die potenziellen Konsequenzen des Veränderungsvorhabens zulassen.58
x
Der relevante Kontext, in dem das Veränderungsvorhaben eingebettet sein soll, muss berücksichtigt werden. Der Kontext ist, in Ergänzung zu den Auslösern, ein wichtiges Betrachtungsobjekt, damit die Spielräume und Restriktionen des Vorhabens eingeschätzt werden können. Deshalb muss diese Forderung für die Entwicklung des Bezugsrahmens integriert werden.
57 58
Vgl. Tropman, J. E., Morningstar G.: Entrepreneurial systems for the 1990s, Westport 1989, S. 9. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.
32
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
x
Die Ansatzpunkte in Bezug auf die Organisation müssen als konstituierende Komponenten individuell identifizierbar und damit analysierbar sein. Diese Anforderung fokussiert das zentrale Gestaltungsobjekt des Veränderungsvorhabens: die Organisation. Nur wenn die „betroffenen“ Komponenten individuell untersucht und gestaltet, aber dennoch für die Einschätzung der Konsequenzen in ihren wechselseitigen Bezug zueinander gesetzt werden können, kann ein systematischer Veränderungsprozess implementiert werden.
x
Der Steuerungsaspekt muss als individueller Bestandteil integriert sein. Diese Anforderung zielt auf eine der grundlegenden Funktionen von ManagementModellen ab, die als Basis für den zu entwickelnden Bezugsrahmen dienen: die Führungs- bzw. Steuerungsfunktion. Damit wird sichergestellt, dass die Steuerbarkeit des Veränderungsvorhabens explizit adressiert wird und entsprechende Steuerungsgrößen und –systeme definiert werden.
Für die systematische Führung von Unternehmen und auch für die Steuerung von Veränderungsvorhaben existieren verschiedene Modelle, die in Bezug auf die formulierten Zielsetzungen und Anforderungen geeignet sind. Für die vorliegende Arbeit werden daraus das neue St. Galler Management-Modell, das in der allgemeinen Managementlehre verankert ist, und die Business Engineering Landkarte, die der Disziplin Business Engineering als Bezugsrahmen dient, ausgewählt. Die Auswahl erfolgt zum einen aufgrund der ganzheitlichen und integrierten Abbildung des Unternehmens und seiner Gestaltungselemente sowie der Abbildung sowohl der Architektur- als auch der Prozesssicht, die für die Analyse des Zusammenspiels von Struktur und Abläufen relevant ist. Zum anderen bietet sich auf Basis dieser beiden Modelle die Möglichkeit, die betriebswirtschaftliche, organisationspsychologische und informationstechnische Perspektive der organisationalen Veränderung zu integrieren. Die beiden Modelle werden nachfolgend zunächst kurz vorgestellt und daran anschließend zu einem integrierten Bezugsrahmen zusammengeführt. Diese Integration basiert auf den Komponenten der Modelle, die auf die organisationale Veränderung fokussiert sind und darüber hinaus die zuvor formulierten Anforderungen für den zu entwickelnden Bezugsrahmen erfüllen.
2.3.2.1Neues St. Galler Management-Modell Das Postulat einer systemischen Sicht auf das Konstrukt Unternehmen ist traditionell in der Managementlehre der Universität St. Gallen verankert und schlägt sich dementsprechend in den verwendeten Denkmodellen nieder. Das zentrale Denkmodell ist in diesem Fall das neue St. Galler Management-Modell, das im Jahr 2002 das von Ulrich und Krieg begründete „St. Galler Management-Modell“59 abgelöst hat. Die Hauptzielsetzung des neuen St. Galler Management-Modells ist die ganzheitliche Unterstützung der Unternehmensführung bei ihren Aufgaben der Unternehmensgestaltung, -steuerung und -weiterentwicklung. Es versteht sich somit als Orientierungsrahmen für Fragen des Managements von Unternehmen. Seine Konstruktion erfolgt auf der Basis eines systemisch-konstruktivistischen Managementansatzes.60 Die Bausteine und Gestal59 60
Vgl. Ulrich, H., Krieg, W.: St. Galler Management-Modell, Bern et al. 1972/1974. Vgl. hier und im Folgenden: Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
33
tungsobjekte des Modells sind entsprechend umfassend: Es erfolgt eine Abbildung der externen und internen Einflussfaktoren sowie auch der internen Gestaltungsobjekte, die in Form von konstituierenden Grundkategorien dargestellt werden (vgl. Abbildung 10). Die führenden Grundkategorien des Modells sind: x
Umweltsphären: Sie stellen die externen Einflussfaktoren auf die unternehmerischen Aktivitäten und den Handlungsspielraum dar. Eine Analyse dieser Faktoren erlaubt die Identifikation wichtiger Trends, die wiederum Auslöser für eine organisationale Veränderung sein können.
x
Anspruchsgruppen (Stakeholder): Je nach Interpretation des Begriffs der Anspruchsgruppe, sind das diejenigen Personenkreise, die von der unternehmerischen Aktivität direkt oder indirekt betroffen sind. Aus der Sicht der Veränderung sind das alle, die direkt oder indirekt von den kurz- bis langfristigen Konsequenzen der Veränderung betroffen sind.
x
Interaktionsthemen: Unter Interaktionsthemen werden die Anliegen und Interessen der Anspruchsgruppen verstanden, die sie unter der Maßgabe bestimmter Normen und Werte geltend machen. Sie manifestieren sich in den Inhalten der Kommunikationsprozesse zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen. Darüber hinaus umfassen sie die Entscheidungen, mit welchen Ressourcen die unternehmerische Wertschöpfung erfolgen soll. Im Kontext eines Veränderungsprozesses müssen also erstens die zugrunde liegenden Normen und Werte expliziert, zweites die Anliegen und Interessen der identifizierten Anspruchgruppen erhoben und dokumentiert sowie schließlich Entscheidungen getroffen werden, mit welchen Ressourcen die Veränderung nachhaltig zu implementieren ist.
x
Ordnungsmomente: Sie stellen die Elemente dar, die das tägliche Geschehen zielorientiert ausrichten, d. h. ihm ein Ziel (was), eine Struktur (wie) und einen Sinn (warum, wozu) geben. Damit sind die zentralen Themen dieser Grundkategorie die Strategieentwicklung und -implementierung, die Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Erfassung und Bewusstmachung des gemeinsamen Sinnhorizonts in Form der Unternehmenskultur. Ordnungsmomente sind in der Veränderung von zentraler Bedeutung, denn sie stellen die „Leitplanken“ und damit Ankerpunkte dar, die den Beteiligten als stabilisierende Elemente in einem Umfeld dienen können, das sich durch Destabilisierung und Unsicherheit auszeichnet. Im Veränderungsprojekt klar definiert, geben sie unter anderem Antwort auf die Fragen: „Wie sieht das Unternehmen nach der Veränderung aus?“, „Wie ist mein Umfeld, meine Arbeit davon betroffen?“, „Wer ist für was verantwortlich?“, „Wie werden Entscheidungen getroffen?“, „Wie sehen die Abläufe aus?“, „Wie darf ich mich verhalten, wie verändern sich die Regeln?“, „Wie gestaltet sich mein Beziehungsnetzwerk?“, „Was ist mein Nutzen?“.
x
Prozesse: Die Orientierung an den Abläufen des Unternehmens hat zu einer radikalen Veränderung des Organisationsverständnisses geführt. Die Entwicklung ist weg von einer an den betrieblichen Funktionen orientieren Aufbauorganisation hin zu einer horizontalen, an der Durchgängigkeit und an Problemlösungen (z. B. für die Kunden) orientierten Ablauforganisation verlaufen. Damit rückt zugleich der Prozess der Wertschöpfung in den Vordergrund der Betrachtung. Diese Erkenntnis ist auch der Kern für die Untersuchung der organisationalen Veränderung, denn in der Regel setzt
34
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
diese an der Wertschöpfung des Unternehmens an. Das bedeutet, dass einerseits die entsprechenden Prozesse in den Veränderungsprozess einbezogen werden müssen und dass andererseits, basierend auf der angestrebten Soll-Ablauforganisation der Wertschöpfung, die gesamte Prozessarchitektur auf ihre Validität überprüft werden muss. x
Entwicklungsmodi: Die Entwicklungsmodi sind die Kernelemente für die Art und Weise des organisationalen Wandels. Hier ist unter anderem das Ausmaß aller Aktivitäten im Rahmen der Unternehmensentwicklung von Bedeutung: Handelt es sich bei der Veränderung um eine revolutionäre oder evolutionäre Entwicklung und mit welchen Konsequenzen geht sie einher. Im Rahmen der Fokussierung auf die organisationale Veränderung werden alle anderen Elemente des neuen St. Galler Management-Modells auf der Basis der Analyseergebnisse dieser Grundkategorie untersucht. Gesellschaft Natur Technologie Wirtschaft
Konkurrenz
ue ne Er
ur Kult
ng ru
ier tim Op
e tegi truktur S Stra Managementprozesse
Kapitalgeber
Kunden
g un
Lieferanten Geschäftsprozesse Unterstützungsprozesse
Staat
Ressourcen Normen und Werte Anliegen und Interessen
Mitarbeitende
Öffentlichkeit NGOs
Prozesse
Anspruchsgruppen
Ordnungsmomente
Umweltsphären
Entwicklungsmodi
Interaktionsthemen
Abbildung 10: Das neue St. Galler Management-Modell61 Das neue St. Galler Management-Modell bildet die Ist-Situation des Unternehmens und die potenziellen Entwicklungsmöglichkeiten als Grundlage für die ganzheitliche Unternehmensführung umfassend ab. Darüber hinaus können die konstituierenden Komponen61
Übernommen aus Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz, S. 22.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
35
ten auch im Rahmen von Überlegungen zu einem wünschenswerten Soll-Zustand als Soll-Modell abgebildet werden. Eine Abbildung bzw. Definition des Veränderungsprozesses, also des Überganges vom Ist- zum Soll-Zustand, wird allerdings nicht zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang ist aber insbesondere die Berücksichtigung des Unternehmensumfelds in Form der Umweltsphären auch für die Betrachtung von organisationalen Veränderungsprojekten ein relevanter Faktor, der durch das Modell berücksichtigt wird. In Bezug auf die weitere Verwendung in der vorliegenden Arbeit ist die Abbildung der strukturgebenden Dimensionen (Ordnungsmomente) der Aufbauorganisation sowie die Elemente der Ablauforganisation (Prozesse) ein weiterer wichtiger Baustein dieses Modells. Die explizite Berücksichtigung der informations- und kommunikationstechnischen Infrastruktur, die einerseits in der organisationalen Veränderung eine unterstützende Funktion einnimmt und andererseits auch als restringierende Komponente wirken kann, fehlt allerdings in dieser Betrachtungsweise. Das neue St. Galler Management-Modell dient also der allgemeinen Unternehmensführung und ist damit umfassend angelegt. Die nachfolgend kurz vorgestellte Business Engineering Landkarte als Modell des Business Engineering fokussiert hingegen auf die Systematisierung und Führung der organisationalen Veränderung und gleicht dadurch einige der zuvor genannten Schwachpunkte wieder aus.
2.3.2.2Business Engineering Landkarte Business Engineering als Disziplin umfasst drei Hauptelemente: erstens das zugrunde liegende Denk- bzw. Management-Modell, die Business Engineering Landkarte, zweitens die Grundprinzipien des Business Engineering und drittens das Methoden Engineering. Es ist der zentrale Ansatz für die Konstruktion der Methoden auf den verschiedenen Gestaltungsebenen der Business Engineering Landkarte. Die Hauptzielsetzung des Business Engineering ist die methodische Transformation von Unternehmen des Industriezeitalters in Unternehmen des Informationszeitalters.62 Als Evaluationsgrundlage für die zu treffende Auswahl wird im Folgenden die Business Engineering Landkarte verwendet, weil sie das Management-Modell des Business Engineering verdeutlicht. Die konstituierenden Elemente der Business Engineering Landkarte sind die Geschäftsstrategie, die Geschäftsprozesse, die Systeme der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und die Aspekte der emotional-kulturellen Ebene der Veränderung: Führung, Verhalten, Machtstrukturen und die Unternehmenskultur. Eine der Grundannahmen des Business Engineering ist, dass ein Auslöser, sei er volkswirtschaftlicher, betriebswirtschaftlicher oder technologischer Natur, idealerweise zunächst auf der Ebene der Geschäftsstrategie wirksam wird und hier einen Anpassungsprozess auslöst. Ist die Neuausrichtung des Unternehmens diskutiert und dokumentiert, müssen die entsprechenden Konsequenzen auf der Ebene der Geschäftsprozesse untersucht werden. Fragen, die sich stellen, sind z. B.: Welche Geschäftsprozesse sind von dieser Veränderung betroffen? Wie sieht die neue Prozessvision aus? Ist es erforderlich, die Geschäftsprozessarchitektur zu verändern? Sind die entstehenden Fragestellungen gelöst, wird die Ebene der IKT auf die erforderlichen Anpassungen untersucht. Geschäftsprozesse werden von bestimmten Applikationen unterstützt, und nun stellen sich konsequenterweise die Fragen, in welcher Weise die Applikationen betroffen und wie sie anzupassen sind bzw. ob die Integration neuer Applikationen erforderlich wird. Die vierte Ebene 62
Vgl. Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 7.
36
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
der Business Engineering Landkarte beschäftigt sich mit den Konsequenzen für die Unternehmensführung, die politischen Machtstrukturen, die Unternehmenskultur bzw. Unternehmenskulturen sowie entsprechend das Verhalten der Menschen in der Organisation (vgl. Abbildung 11).
IT und neue Wirtschaft
Transformation des Unternehmens
Geschäftsstrategie Führung Geschäftsprozesse
Verhalten Macht
Informations- und Kommunikationssysteme
Abbildung 11: Die Business Engineering Landkarte63 Das Business Engineering fokussiert auf die organisationale Veränderung mit ihren Auslösern und die Ebenen des Unternehmens, auf denen die Konsequenzen der Veränderung wirksam werden. Durch das Zueinander-in-Beziehung-Setzen der Ebenen mit Blick auf die angestrebte Veränderung wird auch die Thematik des Veränderungsprozesses aufgenommen. Darüber hinaus findet die Ebene der IKT explizit Berücksichtigung, was im Rahmen von heutigen Veränderungsprozessen von zentraler Bedeutung ist. Auch wenn der IKT nicht mehr die große strategische Bedeutung im Sinne der Ermöglichung völlig neuer Geschäftsmodelle zugesprochen wird64, so ist sie doch als entscheidende Infrastrukturkomponente unbedingt mit zu berücksichtigen. Im Business Engineering fehlt allerdings die explizite Betrachtung von Kontextparametern genauso wie von Aspekten der Steuerung. Nach der Einführung in die beiden zentralen Denkmodelle der vorliegenden Arbeit, gilt es nun, sie in den integrierten Bezugsrahmen zu überführen, um darauf aufbauend die Positionierung und Problemabgrenzung vorzunehmen.
2.3.2.3 Zusammenführung der beiden Management-Modelle zu einem integrierten Bezugsrahmen Aus den zuvor angeführten Punkten wird noch einmal deutlich, dass zum einen das neue St. Galler Management-Modell wegen seiner umfassenden und ganzheitlichen Konstruktion sowie der Abbildung der Beziehungen zwischen den konstituierenden Elementen als ein Teil des zu entwickelnden Bezugsrahmens geeignet ist. Zum anderen bietet sich die Business Engineering Landkarte an, die explizit die Aspekte der organisationalen Verän63 64
Entnommen aus: Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 12. Vgl. Carr, N. G.: IT doesn’t matter, in: Harvard Business Review, OnPoint Collection #3566, Mai 2003, S. 4-11.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
37
derung sowie der Technologie als Auslöser bzw. Treiber und Unterstützungsfunktion aufnimmt. Darüber hinaus ergänzen sich beide Modelle durch den Ausgleich der jeweils als fehlend identifizierten Aspekte und sind zudem von einem ähnlichen logischen Aufbau, so dass sie integrierbar sind. Damit eine Integration zu einem gemeinsamen Bezugsrahmen erfolgen kann, werden die beiden Modelle zunächst, beginnend mit dem neuen St. Galler Management-Modell (nachfolgend als SGMM bezeichnet), dann gefolgt von der Business Engineering Landkarte im Rahmen der Disziplin Business Engineering (im Folgenden mit BE bezeichnet), in den für die Zusammenführung wichtigen Parametern detaillierter beschrieben, sofern das noch nicht in der Kurzbeschreibung geschehen ist. Dabei wird die Zielsetzung verfolgt, einerseits diejenigen Aspekte der Modelle zu nutzen, die einen Lösungsansatz für die Aufgabenstellungen dieser Arbeit unterstützen, und andererseits eine Positionierung der behandelten Themen zu ermöglichen. Die folgenden Dimensionen sind zu diskutieren: x
Der Ursprung und die dem Modell zugrunde liegende Philosophie: Das Verständnis der Grundlagen eines Modells ist wichtig für die Interpretation der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen und der Zustände, die dieses Modell einnimmt.
x
Die konstituierenden Elemente und deren Beziehungen: Ohne eine detaillierte Auseinandersetzung mit den konstituierenden Elementen und ihren Beziehungen untereinander ist der Einsatz des Modells und dessen potenzielle Steuerung nicht möglich.
x
Die Steuerbarkeit der Modelle bzw. deren Elemente: Damit das Modell handhabbar wird, müssen die Möglichkeiten der Steuerung untersucht werden. Aus diesem Grund muss einerseits der zugrunde liegende Steuerungsbegriff bekannt sein. Andererseits müssen die Steuerbarkeit der beiden Modelle bzw. ihrer Elemente untersucht und Rückschlüsse für den zu entwickelnden Bezugsrahmen gezogen werden.
x
Die spezifischen Elemente, die die organisationale Veränderung unterstützen: Die organisationale Veränderung ist eines der beiden Basisthemen der vorliegenden Arbeit, und der Bezugsrahmen dient der Positionierung der in diesem Zusammenhang angesprochenen Themen.
Auf Basis der genannten Dimensionen erfolgt die Untersuchung der beiden ausgewählten Modelle. 1. Das neue St. Galler Management-Modell (SGMM) Das SGMM ist in der „systemisch-konstruktiven Managementlehre“ fundiert.65 Das bedeutet, dass das System „Unternehmen“ durch die Erfahrungen der mit ihm befassten Individuen und die Beziehungen zwischen den Individuen und zu den Objekten konstituiert wird. Die Konsequenz ist, dass die Schritte einer im Rahmen dieses Modells eingesetzten Methode zwar intersubjektiv nachvollziehbar sind, aber nicht unbedingt zu reproduzierbaren Ergebnissen führen. Die Strukturen und Handlungen entstehen durch Wechselwirkungen zueinander, wobei keine klare Dominanz der einen oder anderen Seite herrscht. Dadurch ist das Zusammenspiel der das Modell konstituierenden Elemente, die bereits in Kapitel 2.3.1 erläutert worden sind, durch ihre Beziehungen zueinander und mit dem In65
Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz, S. 16.
38
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
dividuum geprägt und somit immer relativ. Der Steuerungsbegriff in einem so fundierten Modell ist also eher durch eine „Steuerungsskepsis“ geprägt. Das bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass die Steuerung nicht direkt, sondern nur indirekt, z. B. durch Selbststeuerung oder eine kontextbezogene Steuerung, erfolgen kann.66 Im Extremfall könnte sogar ein „Steuerungspessimismus“ vorherrschen, der bezweifelt, dass eine Steuerung des Systems überhaupt möglich ist; diese Position wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht bezogen.67 Für den Einsatz von Kennzahlen, Kennzahlensystemen oder eines Steuerungsmechanismus’ wie der Balanced Scorecard bedeutet diese Grundannahme, dass die Maßnahmen und Messgrößen entsprechend gewählt, ihre Ergebnisse daran ausgerichtet interpretiert und die Maßnahmen angemessen definiert werden müssen. Die Bereiche, über die indirekt gesteuert werden kann, sind z. B. die Motivation, die Art der Aufbauorganisation (Hierarchie/Demokratie) oder das im Unternehmen vorhandene Wissen. In Bezug auf die zu überprüfende Dimension „Veränderung“ kann festgehalten werden, dass das SGMM keinen expliziten Veränderungsprozess beinhaltet. Es adressiert die Veränderungsthematik aber durch die Grundkategorie „Entwicklungsmodi“ und die verschiedenen, dazugehörigen Kategorien, die sich auf folgende, interdependente Themen beziehen:68 x
die Positionierung des Veränderungsthemas auf der Sach- bzw. der Beziehungsebene;
x
das Ausmaß der organisationalen Veränderung mit den Unterkategorien „Umfang (Breite) des Wandels“, „Tragweite (Tiefe) des Wandels“ und „Intensität (Geschwindigkeit) des Wandels“ und ihren wechselseitigen Abhängigkeiten;
x
die Art der angestrebten Veränderung mit den Ausprägungen „Optimierung“ bzw. „Erneuerung“;
x
die Beurteilung der Art der Veränderung durch die sechs Kategorien der Unternehmensentwicklung „kollektives Selbstverständnis“, „Unternehmenszweck/Leistungsangebot“, „Prozessarchitektur“, „Prozessmuster der einzelnen Prozesse“, „Formen der Führung und Zusammenarbeit“ und „Anspruchsgruppen/Interaktionsformen“. Je nachdem wie tiefgreifend die Veränderungen auf die Kategorien und ihre Abstimmung wirken und inwieweit z. B. auch der Erwerb neuer Fähigkeiten involviert ist, kann eine Einschätzung erfolgen, ob die Veränderung in die Kategorie „Optimierung“ oder „Erneuerung“ fällt.
Damit wird durch das SGMM sehr präzise das „Was“ der organisationalen Veränderung, d. h. die betroffenen Themenbereiche, behandelt, nicht jedoch das „Wie“ im Sinne eines Veränderungsvorgehens oder Veränderungsprozesses. In diesem Rahmen und in Ergänzung mit der Dimension der IKT ergeben sich die Synergiepotenziale mit dem Modell des BE.
66 67 68
Vgl. z. B. Willke, H.: Systemtheorie III – Steuerungstheorie, 2. Aufl., Stuttgart 1998, S. 1-16. Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 47-48. Vgl. ausführlich Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz, S. 80-87.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
39
2. Business Engineering Landkarte Die Grundlagen des BE liegen in den Ingenieurwissenschaften und hier im Speziellen zusätzlich in der Systementwicklung. Ingenieurmäßiges Vorgehen zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die im Folgenden kurz erläutert werden, damit die Grundannahmen, von denen in einem so geprägten Ansatz ausgegangen wird, deutlich werden. Ein Aspekt ingenieurmäßigen Vorgehens wird beschrieben als die „Erarbeitung kosteneffizienter Lösungen für praktische Probleme unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Techniken“69. Durch den Einsatz wissenschaftlicher Methoden und Techniken in der Praxis ist das Verständnis des Begriffs solchen Mutationen ausgesetzt worden, dass eine einheitliche Charakterisierung nahezu unmöglich erscheint. Schmitt70 nennt z. B. die folgenden Kriterien für ingenieurmäßiges Arbeiten: x
Für den Entwurf und die Erstellung von Produkten sowie zur Lösung von Problemen in diesem Zusammenhang existieren rationale, zuvor definierte und rückgekoppelte Prozesse.
x
Normen und Standards, die generell akzeptiert sind, stehen dem Problemlöser zur Verfügung.
x
Die mathematische Abbildung von Problemen und ihren Lösungen wird durch Maßstäbe und Metriken unterstützt.
x
Sowohl Theorie als auch praktische Erfahrung bilden die Basis für ein solches Vorgehen.
x
Wirtschaftliche und soziale Konsequenzen ingenieurmäßigen Arbeitens werden durch Kosten- und Nutzenvergleiche untersucht.
Mertens71 beleuchtet ingenieurmäßiges Arbeiten und ingenieurmäßige Denkweisen aus einem anderen Aspekt. Seine Ausführungen basieren auf der Feststellung, dass als Kern der Ingenieurdisziplinen die Konstruktionslehre anzusehen ist, mit den möglichen Ausprägungen der Architektur- und der Konfigurationslehre. Mertens weist darüber hinaus auf die unterschiedlichen Denkansätze hin, indem er feststellt, dass vor dem betriebswirtschaftlichen Hintergrund technische Aspekte eher unberücksichtigt bleiben und aus einer ingenieurgetriebenen Perspektive gerade die technischen Aspekte eine hohe Bedeutung haben, dafür betriebswirtschaftliche Erfordernisse aber oftmals vernachlässigt werden. Diesem Mangel wird im BE Rechnung getragen, indem sowohl technische als auch betriebswirtschaftliche Aspekte integriert betrachtet werden. Die Vorgehensweise in den Ingenieurwissenschaften und damit auch zu einem großen Anteil im BE, zeichnet sich dadurch aus, dass anhand von für die Problemstellung konstruierten Methoden vorgegangen wird. Die zugrunde liegenden Prämissen gehen davon aus, dass dadurch intersubjektiv nachvollziehbare Schritte möglich sind, die reproduzierbare Ergebnisse erzeugen. Darüber hinaus herrscht die Überzeugung vor, dass die durch die Methode gelegten Strukturen das Verhalten des Systems, also auch der Menschen, 69 70 71
Vgl. Shaw, M.: Prospects for an Engineering Discipline of Software, in: IEEE Software, 7 (1990) 7, S. 15-24. Vgl. Schmitt, D.: Was heißt denn ingenieurmäßig?, in: Informatik Spektrum 16 (1993), S. 300-301. Vgl. Mertens, P.: Ingenieurwissen und Ingenieur-Denken für Betriebswirte, in: Heinrich, L. J., Pomberger G., Schauer, R. (Hrsg.): Die Informationswirtschaft im Unternehmen, Linz 1991, S. 15-36.
40
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
bestimmen. Durch die etablierten Strukturen sind die Ergebnisse der Methode demnach durch Messgrößen direkt steuerbar. Dieses Denkmodell ist für den Einsatz bei der Entwicklung oder Anpassung von rein technischen Systemen valide und führt zu einer sowohl effektiven als auch effizienten Vorgehensweise. Geht es aber um das System „Unternehmen“, das in vielen Quellen auch als „Organismus“ bezeichnet wird72, kann diese deterministisch geprägte Denkweise nicht beibehalten werden. Die Metapher des „Organismus“ impliziert, dass dynamische Beziehungen zwischen den Bausteinen des Systems bestehen, die in ihrem Zusammenwirken zu einem gewissen Grad stochastisch sind. Diese Bausteine können dabei beliebig neue Verbindungen und Verhaltensweisen etablieren, die das eigene Überleben bzw. das des Systems sichern sollen. Aus diesem Grund hat in den letzten Jahren ein Wandel stattgefunden, und die systemisch-konstruktive Denkweise ist in die Weiterentwicklung des BE eingeflossen. Durch die explizite Aufnahme der Dimension „Unternehmenskultur“ wurde einerseits der Bedeutung dieser Thematik Rechnung getragen. Andererseits wurde durch die Auslegung dieser Dimension auch die dem SGMM zugrunde liegende Denkschule integriert, so dass eine Symbiose aus ingenieurmäßigen Grundsätzen und systemisch-konstruktiver Managementlehre entstehen konnte. In der ursprünglichen BE Landkarte ist diese Ebene rechts neben die fachlichen Aspekte gestellt worden.73 In Abbildung 12 erfolgt eine Modifizierung dieser ursprünglichen Sichtweise, weil die emotional-kulturellen Faktoren der organisationalen Veränderung mit jedem Aspekt der fachlichen Gestaltungsebenen in enger rekursiver Wechselwirkung stehen.74 Die strukturelle Verbindung der Ebenen erfolgt durch das Gestalten der Aufbauund Ablauforganisation nach zielführenden Grundsätzen der Organisationslehre.75 Darüber hinaus werden explizit die Aspekte der Unternehmenskultur aufgenommen, weil hier – zusammen mit den Komponenten Führung, Verhalten und Machtstrukturen - der Kontext für die organisationale Veränderung verankert ist. Man könnte die Wahl dieser abstrakten Begriffe für einen ohnehin bereits schwierig fassbaren Bereich kritisieren und fordern, dass explizite Beschreibungselemente, wie z. B. Artefakte, die als konkreter Ausdruck der Unternehmenskultur gelten76, aufgenommen werden. Aufgrund des Abstraktionsgrades des Modells sollen diese Beschreibungselemente aber bewusst nicht aufgenommen werden, weil dann die anderen Dimensionen ebenfalls um konkrete Beschreibungsmechanismen, wie z. B. Prozesslandkarten, ergänzt werden müssten.
72
73 74
75
76
Vgl. z. B. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens; Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1987; Maturana, H. R., Varela, F. J.: Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens, 11. Aufl., Bern und München 1987. Vgl. hierzu Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 11-13 sowie Abbildung 11. Dieser Schritt erfolgt mit Blick auf den zu entwerfenden Bezugsrahmen, der durch die Integration der Grundsätze des SGMM und BE entwickelt werden soll. Die stärkere Betonung der Aspekte der Unternehmenskultur im BE ist für diesen Zweck grundlegend. Vgl. z. B. Picot, A. et al.: Organisation – Eine ökonomische Perspektive; Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart 2001; Hatch, M. J.: Organization Theory, New York 1997, Mintzberg, H., et al.: The Strategy Process: concepts, contexts, cases. Vgl. z. B. Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, 2. Aufl., San Francisco 1992, S. 1718.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
41
IT und neue Wirtschaft
Transformation des Unternehmens
Geschäftsstrategie Führung Geschäftsprozesse
Verhalten Machtstrukturen Unternehmenskultur
Informations- und Kommunikationssysteme
Abbildung 12: Die modifizierte Business Engineering Landkarte77 Die Disziplin Business Engineering als Grundlage des Management-Modells basiert auf den folgenden Grundannahmen:78 x
„Die Transformation von Unternehmen erfordert ein ingenieurmäßiges, methodisches und modellbasiertes Vorgehen.
x
In erster Linie IT-Innovationen, aber auch veränderte Umweltbedingungen (z. B. Deregulierung) oder veränderte Kundenbedürfnisse bieten erhebliche Potenziale für neue, wirtschaftlich attraktive Geschäftslösungen.
x
Die Transformation zum Informationszeitalter ist durch vernetzte Geschäftsarchitekturen geprägt, die konsequent auf den Kunden ausgerichtet sind. Kunden können sowohl Endverbraucher wie auch andere Unternehmen sein.
x
Innovationen werden erst wirksam, wenn sie auf Strategie-, Prozess- und Systemebene umgesetzt wurden.
x
Die IKT setzt Restriktionen, die bei der Strategieentwicklung (und natürlich auch auf nachfolgenden Gestaltungsebenen) beachtet werden müssen.“
Zu diesen beiden Grundprinzipien sind im Kontext der vorliegenden Arbeit die folgenden Ergänzungen vorzunehmen: x
77 78
Die Ausrichtung der Geschäftsmodelle erfolgt nicht ausschließlich auf Kundenprozesse. Eine Ausbalancierung der Produktions- und Kundenprozesse ist erforderlich, weil nur durch eine gemeinsame Betrachtung der internen und externen WertIn Anlehnung an: Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 12. Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 12-13.
42
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
schöpfungspotenziale ein ganzheitlicher und nachhaltig erfolgreicher Veränderungsprozess stattfinden kann. Die Produktionsprozesse stellen die intern fokussierten Wertschöpfungspotenziale des Unternehmens dar. Die Kundenprozesse hingegen treiben die Ausrichtung der Wertschöpfung und bestimmen die Art der vernetzten Geschäftsarchitektur. Somit werden also gleichzeitig die internen Fähigkeiten und die externen Anforderungen berücksichtigt, um eine optimale Gestaltung des Systems „Unternehmen“ sicherzustellen. Das gilt für beide Entwicklungsmodi: Optimierung und Erneuerung. x
Innovationen, aber auch die Intention, mit der organisationale Veränderungsprozesse initiiert werden, sind nur dann wirklich wirksam bzw. nachhaltig, wenn sie auf allen Gestaltungsebenen des Business Engineering umgesetzt werden, und hier vor allem auf der Ebene der Unternehmenskultur und damit des individuellen und kollektiven Verhaltens.79
Auch wenn die Unternehmenskultur der zentrale kritische Ansatzpunkt für die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung einer Veränderung ist, so ist der endgültige Erfolg ohne das Postulat des ingenieurmäßigen, methodischen und modellbasierten Vorgehens nicht sicherzustellen. Hier gilt wiederum die Forderung, dass diese beiden kritischen Erfolgsfaktoren (Beachtung der Unternehmenskultur und methodisches Vorgehen) gemeinsam Beachtung finden müssen und zielorientiert zu treiben sind. Diese Tatsache ist bei der Integration der beiden Modelle von Bedeutung, weil sie z. B. auch den zugrunde zu legenden Steuerungsbegriff beeinflusst. Im Business Engineering dient das Methoden Engineering als Grundlage für die Methodenentwicklung. Damit repräsentiert es den grundlegenden Ansatz für die Sicherstellung der geforderten methodischen, modellbasierten Vorgehensweise im Rahmen von Veränderungsprozessen. Nachfolgend werden für die Zwecke der Problemabgrenzung und der späteren Verwendung für die Durchführung der Klassifikation der Veränderungsmethoden kurz die Grundannahmen sowie das Metamodell des Methoden Engineering vorgestellt. Die Grundphilosophie des Methoden Engineering basiert auf den Prinzipien der Informationssystementwicklung und -anpassung. Es ist ein prozessorientierter Ansatz, der den Methodenkomponenten und ihren Beziehungen eine Struktur gibt und sie damit systematisiert.80 Durch eine Generalisierung, die z. B. die Aufgabe, das Ergebnis und die Rolle als konstituierende Elemente definiert, lässt sich dieser Ansatz auch auf die Methodenentwicklung in einem betriebswirtschaftlich getriebenen Umfeld übertragen. In Abbildung 13 sind die grundlegenden Elemente einer Methode, die im Rahmen des Methoden Engineering konstruiert wird, aufgeführt. Von rechts oben nach links unten gelesen, beschreibt das Entwurfsmodell den folgenden Sachverhalt: Eine Rolle drückt die Zuständigkeit z. B. einer Person für die Ausführung von Aktivitäten aus. Die Aktivitäten sind in einer sach-logischen Sequenz geordnet, wobei eine Aktivität einerseits Ergebnisse verwendet und andererseits Ergebnisse erzeugt. Die Ergebnisse werden zur Verdeutlichung der Zusammenhänge in ein Informationsmodell eingeordnet. Schließlich werden
79 80
Vgl. hierzu z. B. Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, S. 363-373. Vgl. Heym, M.: Methoden Engineering: Spezifikation und Integration von Entwicklungsmethoden für Informationssysteme, Dissertation Universität St. Gallen 1993, S. 5.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
43
die Ergebnisse durch bestimmte, vordefinierte Techniken erstellt, die wiederum durch Werkzeuge unterstützt werden können. vorangehen
bestehen aus
Aktivität
Rolle ausführen
erzeugen, verwenden
Technik
Erstellung definieren
Ergebnis bestehen aus
Anwendung unterstützen
Werkzeug
Zusammenhänge darstellen
Informationsmodell
Abbildung 13: Das Entwurfsmodell für eine im Rahmen des Methoden Engineering konstruierte Methode81 Insbesondere das Element „Aktivität“ ist für die weiteren Betrachtungen von Bedeutung, weil die Aktivitäten zu den zentralen Bausteinen von Methoden – auch solchen, die nicht nach den Grundsätzen des Methoden Engineering entwickelt worden sind – gehören. Das Methoden Engineering dient also im Rahmen der Entwicklung eines Lösungsansatzes für die zugrunde liegenden Fragestellungen als Konstruktionshilfe. Die Forschungsfragen der Arbeit konzentrieren sich auf Veränderungsprojekte und -methoden. Aus diesem Grund wird als Verortungsbasis die BE Landkarte gewählt, und die relevanten Aspekte des SGMM werden in dieses Grundgerüst integriert. Dadurch entsteht der integrierte Bezugsrahmen mit den folgenden Ebenen82: x
Betriebswirtschaftliche und informationstechnische Themenstellungen: Im Vergleich zur Originalversion der BE Landkarte erfolgt hier eine Differenzierung in diese beiden konkreten Einflussfaktoren für Veränderungsprojekte. Damit wird die Grundkategorie „Umweltsphären“ des SGMM berücksichtigt. Die Einschränkung auf zwei Bereiche basiert auf der Untersuchung der Typen von Veränderungsprojekten, die in Kapitel 1 durchgeführt wurde. Hier hat sich herausgestellt, dass es im Wesentlichen zwei Haupttypen gibt: Veränderungsprojekte, die durch betriebswirtschaftlich fundierte Themen bestimmt sind, und solche, die durch informationstechnische Themen definiert werden. Eine Analyse der tatsächlichen Auslöser muss dann trotzdem entsprechend der in diesem Kapitel vorgestellten Systematik erfolgen. Beispiele für die grundlegenden Fragestellungen für diese Ebene des Bezugsrahmens sind:
81
82
In Anlehnung an: Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, S. 13. Gutzwiller verwendet den Begriff „Metamodell“, anstelle von „Informationsmodell“, weil er das Informationsmodell in das Metamodell integriert und damit konsistent die Techniksicht vertritt. Unter dem Begriff „Ebene“ wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die mathematische Definition, der Teilbereich eines „Raumes“ verstanden, der einen bestimmten, abgegrenzten Bereich dieses Raumes beschreibt und damit eine Positionierung in diesem Raum erlaubt; vgl. z. B. http://www.netlexikon.de/Ebene.html (Zugriff am 16.03.2004).
44
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
o Welche grundlegenden Themen bestimmen das Veränderungsprojekt? o Welche Auslöser und Trends liegen diesen Themen zugrunde, und welche Konsequenzen haben sie erstens für das Unternehmen und zweitens für das Projekt? o Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus für das Unternehmen? o Welche Stärken und Schwächen gibt es auf Unternehmens- und Projektebene in diesem Zusammenhang? x
Kontext: Diese Ebene beschreibt alle die Faktoren, die einerseits auf das Unternehmen und andererseits auf das Projekt wirken, ohne dass sie direkt Projektgegenstand sind. Der Kontext gibt also den Handlungsrahmen für das Projekt vor. Er grenzt sich zu den Auslösern und Treibern ab, indem die ihn definierenden Kontextfaktoren nicht für die Entstehung oder den strukturierten Fortgang des Projekts verantwortlich sind, sondern Rahmenbedingungen setzen. Aus dem SGMM werden dazu sämtliche Grundkategorien übernommen, allerdings nur in den Ausprägungen, die nicht direkt mit dem Veränderungsprojekt und dessen Themenstellung verknüpft sind. Beispiele für Fragestellungen auf der Kontextebene sind: o Welche der Kontextfaktoren sind relevant für das Veränderungsprojekt? o Welche Freiräume lassen die Kontextfaktoren zu? o Welche Restriktionen werden durch sie gesetzt? o Was sind „Lenkbarkeiten“83, um die Freiräume zu gestalten, und was sind explizit keine Lenkbarkeiten? o Ist es absehbar, dass sich der Kontext verändert (Diskontinuitäten, Trendbrüche)? Wann treten die möglichen Veränderungen potenziell auf: während der geplanten Projektdauer, so dass die Validität des Projektaufbaus und der Projektziele in Gefahr ist, oder nach Projektabschluss, so dass die Nachhaltigkeit des Projekts in Frage gestellt ist, oder sogar beides?
x
83 84
Unternehmenskultur, Führung und Verhalten, Machtstrukturen, Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppe: Hier werden die Aspekte und Ausprägungen der Unternehmenskultur angesprochen, die direkt mit dem Veränderungsvorhaben zusammenhängen. Aus dem SGMM kommen also die entsprechenden Interaktionsthemen (Normen und Werte, Anliegen und Interessen) und Ordnungsmomente (Strukturen und Kultur) zum Tragen. Die ursprüngliche BE Landkarte wird um das Element „Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppe“ ergänzt, um den Aspekt der Beziehung explizit in diese Ebene zu integrieren.84 In Abbildung 14 wird die Bandbreite der damit verbundenen Themen im Rahmen von Veränderungsprojekten und damit die Bedeutung dieses Aspekts verdeutlicht.
Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 19. Vgl. Manella, J.: Der relationale Mensch; Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Gruppenentscheidungen
Incentives Kollaborative Führung
Denkweisen Individuum
Manipulation
Kommunikationsstil und -verhalten Evaluationsprozesse
Macht“spiele“ Autoritäten
Beeinflussung
45
Gruppenprozesse Kommunikationsnetzwerke
Gruppe
Konflikte und Wettbewerb zwischen Gruppen
Gruppendruck
Abbildung 14: Themenbereiche des Aspekts „Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppen“ Eine kleine Auswahl beispielhafter Fragestellungen dieser Ebene ist: o Welche Konsequenzen haben die geplanten Veränderungen auf das Verhalten der Mitarbeiter? o Was ist die heutige Wahrnehmung der Situation durch die Mitarbeiter? o Welche Konsequenzen ergeben sich für die Funktions- und Arbeitsweise von Gruppen und Individuen? o Wie sieht die Zielorganisation aus, die während des Veränderungsprozesses entwickelt werden soll? o Welche Erfolgs-/Misserfolgsgeschichten werden das Verhalten beeinflussen? o Welche Erwartungen werden aus welchem Grund geweckt? o Welche Widerstände sind zu erwarten, und wie ist damit umzugehen? o Wie ist zu kommunizieren, damit Widerständen begegnet werden kann, Sicherheit geschaffen wird und die Konsequenzen klar werden? x
Geschäftsstrategie, Geschäftsprozesse, Informations- und Kommunikationstechnologie: Dieser Teil der Landkarte betrifft die fachlich-inhaltlichen und internen Themenbereiche der Veränderung. Hier sind daher auch die ursprünglichen Fragestellungen des Business Engineering positioniert. Für den Bereich der Geschäftsstrategie wird überprüft, inwiefern die bestehende Geschäftslogik von der Veränderung betroffen ist und sich z. B. Potenziale durch die Erweiterung der Geschäftstätigkeit in Form neuer Geschäftsfelder oder sogar neuer Geschäftsmodelle ergeben. Die Erkenntnisse auf dieser Ebene haben einen Einfluss auf die Geschäftsprozesse sowie die IKT85. Die Verbindung zum SGMM besteht erstens im Bereich der Ordnungsmomente, und hier explizit der Strategie sowie auch den Strukturen. Zweitens ist natürlich der gesamte Themenbereich der Prozesse relevant. Auch für diese Ebene gibt es viele relevante Fragestellungen, und nachfolgend wird eine kleine Auswahl vorgestellt: Bereich Strategie: o In welchen Bereichen werden die Veränderungen strategisch wirksam? Ist das gesamte Unternehmen betroffen (radikale Veränderung) oder sind es Teilbereiche, wie z. B. Divisionen oder Abteilungen (evolutionäre Veränderung)?
85
Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 17.
46
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Sind die Arbeitsgruppen betroffen oder das Individuum? Wie verändert sich die Aufbauorganisation? o Welche Konsequenzen haben die Veränderungen in Bezug auf das Außenund Innenverhältnis: Kunden, Mitarbeiter, Geschäftspartner? Wie ist die Position auf dem Markt und/oder im Netzwerk betroffen? o Welche strategischen Initiativen können abgeleitet werden? Bereich Geschäftsprozesse: o Welchen Veränderungen unterliegt die Prozessarchitektur? Welche Seiteneffekte entstehen? o Welche bestehenden Prozesse sind wie betroffen? Mit welcher Priorisierung müssen sie angepasst werden? o Ist eine Neuentwicklung von Prozessen erforderlich? o Wie soll die Einbeziehung der Mitarbeiter erfolgen, welche Rollen und Verantwortlichkeiten werden im Rahmen der Prozessentwicklung definiert, und wie werden die Mitarbeiter vorbereitet und geschult? Bereich IKT: o Welchen Einfluss haben die Veränderungen auf die IKT-Strategie? Wie kann eine Abstimmung erfolgen? o Welche Applikationen sind von der Veränderung der Prozessarchitektur bzw. der Anpassung und Neuentwicklung von Prozessen betroffen? Welche Anpassungen und Neuentwicklungen sind erforderlich? o Wie soll die Integration neuer Applikationen durchgeführt werden? Welche Konsequenzen hat das für die bestehende IKT-Architektur? o Wie und wann müssen die Benutzer einbezogen, vorbereitet und geschult werden? x
86
Steuerung: Die Ebene der Steuerung setzt sich mit der Definition und Anpassung geeigneter Steuerungsinstrumente sowie der Ableitung von Maßnahmen auseinander. An dieser Stelle muss deshalb auch erneut der Steuerungsbegriff aufgegriffen werden. Bereits früher wurde argumentiert, dass den beiden Modellen ein unterschiedlicher Steuerungsbegriff zugrunde liegt. Im Rahmen der Integration muss also auch eine Zusammenführung der Steuerungsbegriffe erfolgen, damit das entstehende Modell führbar wird. In der Literatur lassen sich im Wesentlichen drei Steuerungsbegriffe unterscheiden: der „Steuerungsoptimismus“, wie er z. B. in den Ingenieurwissenschaften vorherrscht, die „Steuerungsskepsis“, wie sie z. B. in der neueren Systemtheorie nach Willke zu finden ist, aber auch bei Giddens vertreten wird86, und schließlich der Vgl. Willke, H.: Systemtheorie III – Steuerungstheorie, S. 1-16; Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, S. 78-83: Giddens postuliert dort z. B., dass zwar die strukturellen Momente sozialer Systeme so weit in Raum und Zeit greifen, dass sie sich der Kontrolle eines jeden individuellen Akteurs entziehen, aber dennoch eine Steuerung durch menschliche Akteure erfolgen kann, weil sie fähig sind, ihre Aktivität und jene von Anderen in der Regelmäßigkeit des Alltagsverhaltens zu steuern. Darüber hinaus sind sie auf der Ebene des diskursiven Wissens sogar fähig, die „Steuerung zu steuern“. Damit unterstützen sowohl Willke als auch Giddens die Steuerungsmöglichkeit durch eine reflexive Selbstregulierung.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
47
„Steuerungspessimismus“, wie er z. B. im radikalen Konstruktivismus vorliegt.87 In Abbildung 15 werden die Konsequenzen für die Steuerbarkeit kurz zusammengefasst.
Steuerungsoptimismus Was
Konsequenz
Steuerungsskepsis
Steuerungspessimismus
Ein System ist direkt steuerbar.
Ein System ist nur indirekt steuerbar, und zwar durch Selbststeuerung oder den Kontext.
Ein System ist nicht steuerbar.
Kennzahlen, Kennzahlensysteme und Steuerungsmechanismen, wie die Balanced Scorecard, haben eine direkte Wirkung auf den Erfolg. Das Verhalten ist mehr oder weniger deterministisch.
Steuerungsmechanismen wirken nur indirekt, also müssen Kenngrössen und Messsysteme entwickelt werden, die dazu passen. Basierend z.B. auf: • Intervention, durch geeignete Mechnismen • Motivation • Wissen • Macht • Demokratie/Hierarchie/ Verhandlungen
Es kann keine Steuerungsmechanismen geben; alles, was passiert, ist stochastisch.
Abbildung 15: Konsequenzen der verschiedenen Steuerungsbegriffe Für die vorliegende Arbeit ist nun interessant, welcher Steuerungsbegriff für ein Modell bzw. einen Bezugsrahmen (und damit auch für die Arbeit) gelten soll, das bzw. der sich auf der einen Seite aus der Grundeinstellung des Steuerungsoptimismus und auf der anderen Seite aus der Steuerungsskepsis zusammensetzt. Ein möglicher Lösungsansatz liegt darin, beide Steuerungsverständnisse gleichberechtigt nebeneinander existieren zu lassen und gezielt für die jeweiligen Bereiche einzusetzen, die entweder eine direkte Steuerung zulassen, wie z. B. die Geschäftsprozesse und die IKT Infrastruktur, oder eher eine indirekte Steuerung, wie z. B. Strukturen und kulturelle Aspekte. Auf diese Weise ergibt sich für den Bezugsrahmen ein „dualer Steuerungsbegriff“.88 Steuerungsinstrumente und Maßnahmen können dabei sowohl quantitativen als auch qualitativen Ursprungs sein. Die quantitativen Steuerungsmechanismen werden hauptsächlich für die Führung der klassischen Business Engineering Bereiche eingesetzt und die qualitativen Steuerungsinstrumente für die Bereiche, die ihre Wurzeln im systemisch-konstruktiven Ansatz haben. Wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass in beiden Bereichen jeweils die eine oder andere Art von Steuerungsmechanismus zum Einsatz kommen, wenn es angemessen erscheint. Fragen, die sich für diese Ebene ergeben, können z. B. sein: o Existieren adäquate Metriken für die Steuerung der Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen? Welche Anpassungen und Neudefinitionen sind erforderlich, und welche Konsequenzen sind zu erwarten? 87
88
Vgl. hierzu z. B. von Förster, H.: Das Konstruieren einer Wirklichkeit, in: Watzlawick, P. (Hrsg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben, 9. Aufl., München 1995, S. 3960. Vgl. zu dem Begriff der Steuerung ausführlich Kapitel 3.1.5.
48
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
o Sind die zu erfüllenden Aufgaben mit den Metriken abgestimmt, und passt dieses zur dominanten Unternehmenskultur bzw. zur steuernden Subkultur? Oder werden für neue Aufgabenbereiche „alte“ Metriken verwendet? o Wissen die Mitarbeiter, welchen Beitrag sie individuell und als Gruppe z. B. zur Erreichung von Vorgaben leisten? o Ist das System zur Steuerung des Veränderungsvorhabens in das Steuerungssystem des Gesamtunternehmens eingebunden? o Welche Freiheitsgrade gewähren die Steuerungsmechanismen, d. h. wie flexibel ist das Steuerungssystem für kurzfristige Anpassungen? Was sind die Fixpunkte des Systems? Mit dieser letzten Ebene ist der Bezugsrahmen vollständig definiert. In Abbildung 16 erfolgt eine Darstellung aller Ebenen und ihrer Beziehungen zueinander. Die im Rahmen dieses Bezugsrahmens vorgestellten Fragestellungen dienen später wiederum als Grundlage für die Überprüfung der Beschreibungsdimensionen der zu definierenden Klassen für das BE. Nachdem die Entwicklung des integrierten Bezugsrahmens auf der Basis zweier ausgewählter Modelle zur Führung der organisatorischen Veränderung erfolgt ist, ist noch zu überprüfen, welche Unterschiede zu anderen Modellen existieren und inwiefern der integrierte Bezugsrahmen Vorteile gegenüber diesen Modellen aufweist. Ökonomische Situation Mergers & Acquisitions Veränderung der gesellschaftlichen Werte Innovationen in anderen Bereichen
Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie
Unternehmensstrategie
Unternehmenskultur Führung und Verhalten
Geschäftsprozesse
Machtstrukturen
Informations- und Kommunikationstechnologie
Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppe
Steuerung Kontext
Abbildung 16: Der integrierte Bezugsrahmen
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
49
2.3.3 Vergleich des integrierten Bezugsrahmens mit ausgewählten betriebswirtschaftlichen Management-Modellen In der Literatur existiert eine Vielzahl weiterer Management-Modelle, die sich mit der Führung von Unternehmen und im Speziellen von organisationalen Veränderungen auseinandersetzen. Die Frage, die sich unmittelbar stellt, ist, wie sich diese Modelle von dem zuvor entwickelten integrierten Bezugsrahmen unterscheiden, und warum sie nicht als Bezugsrahmen gewählt worden sind bzw. nicht in den Bezugsrahmen eingehen. Nachfolgend werden also kurz ausgewählte Modelle vorgestellt und dem integrierten Bezugsrahmen gegenübergestellt, um dieser Fragestellung Rechnung zu tragen. Aus dem vorhergehenden Kapitel wird ersichtlich, dass die Beschäftigung mit organisationaler Veränderung im Prinzip alle Bereiche des Unternehmens umfasst. Aus diesem Grund ist ein Denkmodell zu wählen, das ein Unternehmen aus einer ganzheitlichen, also systemischen Sicht betrachtet, d. h. explizit alle zu berücksichtigenden Bereiche und ihre Beziehungen umfasst sowie zugleich eine thematische Fokussierung, wie hier auf organisationale Veränderung, zulässt. Nicht alle unter der Bezeichnung „Management-Modell“ publizierten Denkmodelle eignen sich demzufolge für den hier beabsichtigten Einsatz, und so sind die Kriterien festzulegen, die für eine Gegenüberstellung des gewählten Modells und anderer, auf den ersten Blick geeigneter Modelle einsetzbar sind. Die folgenden Kriterien dienen als Grundlage für diese Gegenüberstellung: x
Abbildung sowohl der Architektursicht (Aufbau) als auch der Prozesssicht (Ablauf): Für die Untersuchung der organisationalen Veränderung sind diese beiden Sichten89 grundlegend und dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Deshalb ist dieses Kriterium für die Eignung des zugrunde zu legenden ManagementModells zentral und wurde auch bei der Auswahl der beiden Grundmodelle für den Bezugsrahmen angewendet.
x
Umfassende Beschreibung des Untersuchungsobjekts „Unternehmen“: Dieses Kriterium ergibt sich aus der oben bereits formulierten Forderung nach einer ganzheitlichen Abbildung des Unternehmens, um dem Themenspektrum der organisationalen Veränderung gerecht zu werden. Dazu gehört sowohl die umfassende betriebswirtschaftliche Sicht, die z. B. die Steuerungssysteme einschließt, als auch die Perspektive der Unterstützung durch die Informationstechnologie.
x
Eignung für die Themenstellung „organisationale Veränderung“: Ein Management-Modell, das für die organisationale Veränderung einsetzbar ist, muss nicht nur die zu gestaltenden Elemente abbilden, sondern auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen Elementen thematisieren. Nur so kann der eigentliche Veränderungsprozess in die Betrachtungen und vor allem die Planungen integriert werden. Das ideale Modell umfasst also sowohl die statische Perspektive, indem es
89
Der Begriff „Architektur“ wird hier verstanden als die Abbildung einer Gesamtstruktur, konstituiert aus verschiedenen Elementen, die in einer Beziehung zueinander stehen und damit das Gesamtbild definieren. Vgl. Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 2, Mannheim 1987, S. 82. DeMarco macht eine interessante Aussage zum Thema Architektur: „An architecture is a framework for the disciplined introduction of change.” Vgl. DeMarco, T.: On Systems Architecture, in: Proceedings of the 1995 Monterey Workshop on Specification-Based Software Architectures, US Naval Postgraduate School, Monterey, California, September 1995.
50
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
den Ist- und Soll-Zustand abbildet als auch die dynamische Perspektive durch die Berücksichtigung der Beziehungen und Abhängigkeiten der konstituierenden Elemente. Nachfolgend sind verschiedene, in der Literatur vertretene Management-Modelle zusammengestellt. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, ein relativ breites Spektrum abzudecken und sowohl Vertreter aus der deutschsprachigen Literatur zu wählen als auch solche der anglo-amerikanischen Sichtweise. Es war dabei nicht das Ziel, eine vollständige Übersicht über alle Modelle zu geben, sondern anhand von einigen Beispielen die Vorteile, aber auch Kritikpunkte oder möglichen Ergänzungen des entwickelten Bezugsrahmens aufzuzeigen. Die dazu herangezogenen Management-Modelle werden nachfolgend kurz hinsichtlich ihrer Hauptzielsetzungen und konstituierenden Elemente vorgestellt, ohne dass dabei eine umfassende Darstellung der Konzeptionen vorgenommen wird. Die kurze Gegenüberstellung mit dem Bezugsrahmen erfolgt anhand der oben genannten Kriterien. x
Planungs- und Kontrollrechnungs-Modell (PuK) von Hahn90:
Dieses Modell hat seine Wurzeln zwar in den 70er Jahren, wurde aber in wesentlichen Veröffentlichungen Mitte der 80er Jahre weiterentwickelt und 2001 in neuer Auflage publiziert. Diese Weiterentwicklungen sind relevant für die nachfolgenden Ausführungen. Eine der Hauptzielsetzungen des PuK ist die variantenbezogene Gestaltung des Planungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Führungstätigkeiten im Unternehmen als ein System von Regelkreisen. Die Planung ist dabei Mittel, um die Effektivität und Effizienz des Unternehmensgeschehens zu sichern. Die Kontrolle dient der erforderlichen Ergänzung der Planung und erfüllt damit den Zweck der Sicherstellung einer Umsetzung des Plans sowie der Verbesserung des Führungsprozesses.91 Das PuK ist in einen umfassenden Rahmen der Unternehmensführung integriert, wie Abbildung 17 zeigt. Der Fokus liegt jedoch auf der Planungsfunktion und dem Planungsprozess im Rahmen der Unternehmensführung. Damit fehlen in dem Bezugsrahmen die - in dem von Hahn gewählten Anwendungszusammenhang auch nicht erforderlichen - Bausteine für eine ganzheitliche Unternehmensbetrachtung. Für eine Anwendung im Rahmen der organisationalen Veränderung sollten jedoch, wie bereits oben ausgeführt, einerseits die Architektur- und die Prozessperspektive integriert sein und andererseits die in dem Bezugsrahmen relevanten Gestaltungsobjekte des Unternehmens differenziert sein. Beide Punkte sind in dem Modell nicht explizit ausgestaltet. Somit hat es einige grundlegende Nachteile im Vergleich zum integrierten Bezugsrahmen, der diese Punkte berücksichtigt. Der Aspekt der Planung jedoch ist in dem gewählten Bezugsrahmen wiederum nicht explizit enthalten und wäre eine wichtige Ergänzung zur Konkretisierung, vor allem mit Blick auf die finanzielle Planung und deren Einfluss auf den Entscheidungsprozess. Dieser Aspekt ist lediglich indirekt in der Gestaltungsebene Steuerung enthalten.
90 91
Vgl. Hahn, D., Hungenberg, H.: PuK: Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung: Wertorientierte Controllingkonzepte, 6. Aufl., Wiesbaden 2001. Vgl. Hahn, D., Hungenberg, H.: PuK: Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung: Wertorientierte Controllingkonzepte, S. 45-49.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
51
Unternehmenskultur Unternehmensphilosophie Unternehmenspolitik/ Generelle Zielplanung Strategische Planung (Programm- und Aktionsplanung mit Potenzial- bzw. Potenzialänderungsplanung)
Ergebnisund Finanzplanung
Projektplanung (zielorientierte, zeitlich begrenzte Aktionsplanung)
Operative Planung (Programm- und Aktionsplanung bei gegebenen Potenzialen)
Steuerung und Kontrolle
Durchführung
Führungsverhalten
Abbildung 17: Einordnung der Teilplanungskomplexe eines Planungs- und Kontrollsystems in die Gestaltungsobjekte des Unternehmens92 x
Strategy Process nach Chakravarthy und Lorange:
Ein für die Veränderungsthematik interessantes Management-Modell ist auch das Modell des Strategieprozesses von Chakravarthy und Lorange.93 Es geht auf die Arbeiten von Vancil und Lorange zurück und wurde von dem zuvor genannten Autorenteam weiterentwickelt.94 Die drei Hauptzielsetzungen des Modells sind erstens die Unterstützung bei der Identifikation der kritischen Elemente des Strategieprozesses, zweitens die kontextbezogene Ausgestaltung und Abstimmung der Gestaltungselemente der Managementsysteme und drittens die Unterstützung bei der Transformation von Unternehmen.95 Die Arbeiten weisen einen sehr hohen Prozessfokus auf und konzentrieren sich auf die strategische Planung in verschiedenen Kontexten. Die Architektursicht wird nur sehr implizit diskutiert, und eine umfassende Abbildung des Untersuchungsgegenstands „Unternehmen“ ergibt sich erst aus einer Anwendung und Umsetzung des Denkansatzes, aber nicht aus den vorgestellten Strukturen. Für eine Positionierung und methodische Bearbeitung der betroffenen Gestaltungsobjekte der Veränderung müssten sie aber explizit ausgestaltet sein. Der konsequente prozessorientierte Ansatz ist für die Veränderung jedoch wichtig und ist stärker ausgeprägt als im vorgeschlagenen Bezugsrahmen. 92
93 94 95
Mit leichten Modifikationen entnommen aus: Hahn, D., Hungenberg, H.: PuK: Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung: Wertorientierte Controllingkonzepte, S. 5. Vgl. Chakravarthy, B. S., Lorange, P.: Managing the Strategy Process, Englewood Cliffs 1991. Vgl. Jeschke, W.: Managementmodelle – Ein kritischer Vergleich, München 1992, S. 38-39. Vgl. Chakravarthy, B. S., Lorange, P.: Managing the Strategy Process, S. 1-94.
52
x
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
7-S von McKinsey:
Das Modell wurde von Peters und Waterman auf der Grundlage ihrer Beratungserfahrungen bei McKinsey & Company entwickelt.96 Die Hauptzielsetzung ist erstens die explizite Abbildung der so genannten harten (Strategie und Struktur) und weichen Faktoren (Systeme [und Prozeduren], Fähigkeiten, Menschen, Führungsstil und gemeinsame Werte) des strategischen Management sowie deren Beziehungen zueinander (vgl. Abbildung 18). Zweitens sollen Unternehmen mit Hilfe dieses Modells ihr Potenzial, Spitzenleistungen zu erbringen, ausschöpfen können. Zusätzlich nennen die Autoren acht Attribute, die sie in allen untersuchten Unternehmen beobachten konnten und die sie als grundlegend für die Fähigkeit erachten, Spitzenleistungen und Innovationen zu erbringen. Das Modell ist prozessorientiert aufgebaut und untersucht für jedes der „Atome“, wie es ausgestaltet und mit den anderen „Atomen“ koordiniert werden muss, damit das Unternehmen seine Leistungsfähigkeit bis hin zu Spitzenleistungen steigern kann. Eine Architektursicht wird nicht eingenommen, was dem üblichen Vorgehen bei anglo-amerikanischen Management-Modellen entspricht. Die Perspektive ist umfassend, weil alle Faktoren abgebildet werden, die das Unternehmen als Ganzes dazu befähigen, bessere Leistungen zu erbringen. Im Vergleich zum integrierten Bezugsrahmen sind sehr ähnliche Elemente berücksichtigt, fokussieren sie allerdings die Mikroperspektive auf das Unternehmen und vernachlässigen dabei z. B. den Einfluss des Kontexts. Ebenso spielen Steuerungsmechanismen keine Rolle bei den Überlegungen. Völlig unberücksichtigt bleiben der Bezug zum Veränderungsprozess und die tatsächlichen Wechselwirkungen zwischen den Bausteinen. Somit stellt der integrierte Bezugsrahmen ein wesentlich vollständigeres ManagementModell dar.
96
Vgl. hier und im Folgenden Peters, T., Waterman, R. H.: In Search of Excellence, New York et al. 1982.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
53
Structure
Strategy
Systems
Shared Values
Skills
Style
Staff
Abbildung 18: Das 7-S Modell von McKinsey97 x
Gesamtarchitektur nach Kirsch:
Die von Kirsch verfolgte Gesamtarchitektur ist in die Kategorie der Managementsysteme einzuordnen und dient den Ausführungen Kirschs zufolge der Unterstützung der Unternehmensführung.98 Eine Abbildung dieser Systeme erfolgt in einem Modell, das als Standardversion der Gesamtarchitektur bezeichnet wird.99 Dieses Modell dient auch als Grundlage für den Vergleich mit dem Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit (vgl. Abbildung 19). Der Fokus liegt bei der Gesamtarchitektur eindeutig auf Planungssystemen, die in die Gesamtsysteme des Unternehmens eingebettet sind. Die konkreten konstituierenden Elemente des Unternehmens und ihre Beziehungen zueinander, d. h. die Aufbaustruktur, werden nicht explizit aufgeführt und damit sowie auch mit der Einschränkung auf die Planungsperspektive erfolgt keine umfassende Abbildung des Unternehmens. Darüber hinaus wird der Veränderungsprozess, also der Übergang vom „Ist“ zum „Soll“ nicht explizit thematisiert. Wenn die Gesamtarchitektur auch nicht als Bezugsrahmen für die Steuerung von Veränderungsvorhaben dienen kann, so wäre sie doch eine gute Ergänzung der fachlichen Gestaltungsebenen und in diesem Zusammenhang geeignet für den Einbezug der Aspekte der Planung und Kontrolle der betroffenen Managementsysteme.
97 98 99
Entnommen aus: Peters, T., Waterman, R. H.: In Search of Excellence, S. 10. Vgl. hierzu Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, S. 170-205. Vgl. dazu sowie der Einschränkung, dass diese Standardversion nicht die Gesamtarchitektur als Ganzes verkörpert: Jeschke, W.: Managementmodelle – Ein kritischer Vergleich, S. 79.
54
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Philosophie des Strategischen Managements Strategische Managementsysteme
Strategische Programmplanung Anreiz- und Sanktionssysteme
Systeme des Management Development
Informations- und Dokumentationssysteme
Unternehmenspolitische Rahmenplanung
Projektplanung und -kontrolle Mitarbeiterbezogene Planung und Kontrolle
Investitionsobjektplanung und -kontrolle
Langfristige operative Planung und Kontrolle - Programme und/oder Bereiche Kurzfristige operative Bereichsplanung und -kontrolle Feinsteuerungssysteme Operative Managementsysteme
Abbildung 19: Modell einer Gesamtarchitektur von Managementsystemen100 x
Strategisches Management von Hax und Majluf:
Hax und Majluf entwickeln dieses Modell seit 1978, ausgehend von dem Prozess der strategischen Planung. Die hier zugrunde gelegte, wesentlich höhere und detaillierte Entwicklungsstufe basiert auf den Veröffentlichungen von 1984 und 1991.101 Die Hauptzielsetzung dieses prozessorientierten Management-Modells ist die Strukturierung des Prozesses des strategischen Management anhand des Planungsprozesses und der Integration in die Administrationssysteme, die Struktur und die Kultur des Unternehmens (vgl. Abbildung 20). Obwohl der Ansatz prozessorientiert ist, umfasst er auch Architekturaspekte. Die geforderte Integration der Systeme in die Organisationsstruktur sowie die Koordination mit 100 101
Entnommen aus Jeschke, W.: Managementmodelle – Ein kritischer Vergleich, S. 80. Vgl. Hax, A. C., Majluf, N. S.: Strategic Management: An Integrative Perspective, Englewood Cliffs 1984, Hax, A. C., Majluf, N. S.: The Strategy Concept and Process: A Pragmatic Approach, 2. Aufl., Englewood Cliffs 1996 und Hax, A. C., Majluf, N. S.: Strategisches Management: Ein integratives Konzept aus dem MIT, Frankfurt, New York 1991.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
55
den Ausprägungen der Unternehmenskultur stellt, gemäss der obigen Definition von „Architektur“, die Beziehungen zwischen diesen drei strukturellen Elementen dar, die das Gesamtbild des Unternehmens vermitteln. Eine Ausdifferenzierung der Elemente „Organisationsstruktur“ und „Unternehmenskultur“ findet jedoch nicht explizit statt. Führungskontrollsystem
Planungssystem
Organisationsstruktur
Kommunikationsund Informationssysteme
Motivations- und Belohnungssysteme
Strategische und operationale Modi Die menschliche Seite: - Individuen - Gruppen
Schaffung eines günstigen Klimas für: - die Erreichung der Unternehmensziele - die Befriedigung der individuellen Bedürfnisse
Die Unternehmenskultur
Abbildung 20: Integration der Administrationssysteme, Struktur und Kultur im Rahmen des strategischen Managements102 In einer Weiterentwicklung dieses Ansatzes erfolgt eine stärkere Fokussierung auf das strategische Management als umfassenderes Konzept. Das daraus entstehende Modell des strategischen Managements bildet die wesentlichen Elemente ab, die eine Umsetzung der Unternehmensvision unterstützen (vgl. auch Abbildung 21). Mit diesem Übergang von einer primär planungssystem-orientierten zu einer ganzheitlicheren Darstellung der zentralen Aspekte der Unternehmensführung und deren Beziehungen integriert sich der Ansatz in die hier betrachteten Management-Modelle. Das strategische Management nach Hax und Majluf beschreibt die wichtigen Systeme und Gestaltungsobjekte der Unternehmensführung, bezieht aber nicht die externen Einflussfaktoren, wie z. B. Stakeholder, in die Betrachtung mit ein. In der Weiterentwicklung heben die Autoren mit dem Modell stark auf die Verhaltensaspekte ab. Dadurch fehlt eine Ausgestaltung der fachlichen Dimensionen in Form der Strukturgestaltung sowie z. B. der Prozessarchitektur. Zudem werden in diesem Ansatz die tatsächlichen Beziehungen zwischen den Komponenten nicht berücksichtigt, somit erfolgt keine explizite Adressierung des Veränderungsprozesses. Aus diesen Gründen kann auch dieses Mana-
102
Entnommen aus: Hax, A. C., Majluf, N. S.: Strategisches Management: Ein integratives Konzept aus dem MIT, S. 94.
56
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
gement-Modell zwar der Ergänzung des integrierten Bezugsrahmens dienen, insbesondere in Bezug auf die verhaltensorientierten Bausteine, aber kann ihn nicht ersetzen. A Formal-Analytical Approach to Management Planning System
Management Control System Organizational Structure
Communication and Information Systems
The Vision of the Firm • • • • • •
Mission of the firm Business segmentation Horizontal strategy Vertical integration Corporate philosophy Special strategic issues
Strategic posture of the firm
Human Resources Management and Reward Systems
Appealing to the rational self to generate calculated reactions
The Culture of the Firm
A Power-Behavioral Approach to Management
Performance of the Firm • The achievement of organizational objectives • The satisfaction of individual work
Individual and group behavior
• Managing the informal organization and establishing relationships with its natural leaders • Political process addressing the creation, exercise retention, and transfer of power • Psychological mechanisms to affect behavior (managing expectations, reinforcing empathy, forced compliance, guilty feelings, etc.)
Appealing to the affective self to generate intuitive action
Abbildung 21: Die fundamentalen Elemente des strategischen Managements nach Hax und Majluf103 x
General Management Navigator nach Müller-Stewens und Lechner:
Ein weiterer Bezugsrahmen für das strategische Management ist der General Management Navigator (GMN), der von Müller-Stewens und Lechner vorgeschlagen wird.104 Die Hauptzielsetzung des GMN ist eine sowohl statische als auch prozessuale Konzeptualisierung des strategischen Managements. Im Hinblick auf die statische Perspektive werden die zentralen Bausteine des Untersuchungsfeldes in Form der Arbeitsfelder „Initiierung“, „Positionierung“, „Wertschöpfung“, „Veränderung“ und „Performance Messung“ dargestellt. Diese Arbeitsfelder enthalten wiederum den Bezug zu den entsprechenden Gestaltungsobjekten und spezifischen Aufgabenstellungen des Teilschrittes. Die prozessuale Perspektive wird durch die Anordnung der Arbeitsfelder erzielt, die – immer mit der Initiierung beginnend – je nach Zielsetzung, z. B. strategische Ausrichtung oder Mobilisierung, unterschiedliche Abarbeitungssequenzen unterstützen.105 Der GMN und die zentralen Fragestellungen, die jedes Arbeitsfeld bestimmen, sind in Abbildung 22 dargestellt.
103 104 105
Entnommen aus: Hax, A. C., Majluf, N. S.: The Strategy Concept and Process: A Pragmatic Approach, S. 206. Vgl. hier und im Folgenden Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management. Vgl. konkret Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 27-32.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Wie wollen wir strategische Initiativen und/oder ihren Kontext im Unternehmen gestalten? Wie bilden sich strategische Initiativen im Unternehmen?
57
Gestaltung
Wie wollen wir das Unternehmen gegenüber seinen Anspruchsgruppen positionieren? (Aussenverhältnis)
Reflexion
Wie positionieren sich Unternehmen gegenüber ihren Anspruchsgruppen? (Aussenverhältnis)
Genese
Positionierung Performance Messung
Veränderung
Inhalt (Was?)
Prozess (Wie?)
Initiierung
Wertschöpfung
Wirksamkeit Wie werden strategische Initiativen in Unternehmen wirksam und verändern sie? Wie wollen wir strategische Initiativen wirksam werden lassen und das Unternehmen verändern?
PM: Wie beobachten und beurteilen Unternehmen ihre strategischen Initiativen? PM: Wie wollen wir die strategischen Initiativen des Unternehmens beobachten und beurteilen?
Wie organisieren Unternehmen ihre Wertschöpfung? (Innenverhältnis) Wie wollen wir die Wertschöpfung des Unternehmens gestalten? (Innenverhältnis)
Abbildung 22: Der General Management Navigator und seine zentralen Fragestellungen106 Die Fokussierung dieses Management-Modells liegt auf der Veränderung von Unternehmen und behandelt damit alle betroffenen Gestaltungsobjekte. Damit ist der GMN nach Müller-Stewens und Lechner ein umfassendes Konzept zur Gestaltung, Durchführung und Steuerung von strategischen Initiativen und den damit einhergehenden Veränderungsprozessen. In dieser Form ist er eine wichtige Grundlage für die Identifikation von Beschreibungsdimensionen von Veränderungsprojekten und -methoden. Als Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit ist er jedoch zu umfangreich und bildet in diesem Kontext nicht direkt diejenigen Gestaltungsebenen sowie ihre Beziehungen zueinander ab, auf denen der Veränderungsprozess tatsächlich wirksam wird bzw. werden muss. Der Aspekt der strategischen Initiative sollte aber auf der Gestaltungsebene „Strategie“ einfließen, weil damit die Entstehung der Veränderung einbezogen werden kann. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich die konstituierenden Bausteine der verschiedenen Management-Modelle verhältnismäßig ähnlich sind und sich lediglich in Bezug auf die entsprechende Fokussierung, z. B. Abbildung der Planungssysteme oder des Strategieprozesses, unterscheiden. Mit dem integrierten Bezugsrahmen wird die Zielsetzung verfolgt, einerseits die Gestaltungsebenen der organisationalen Veränderung explizit sichtbar und damit steuerbar zu machen und andererseits den Veränderungsprozess zu adressieren. Somit ist er für die Aufgabenstellung und Zielsetzung der vorliegenden Ar-
106
Entnommen aus Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 30.
58
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
beit nicht nur gut, sondern in vielen Belangen auch besser geeignet als die vorgestellten Management-Modelle. Im nachfolgenden Kapitel wird die Methodenkonstruktion als wesentliche Grundlage für die Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben aufgegriffen und diskutiert.
2.4 Methodenkonstruktion als Steuerungsgrundlage für die organisationale Veränderung Genau wie viele andere Begriffe in der Betriebswirtschaftlehre oder auch der Wirtschaftsinformatik, ist der Begriff der „Methode“ noch nicht hinreichend und allgemeingültig definiert. Deshalb wird er für das Begriffsverständnis in der vorliegenden Arbeit aufgenommen in Bezug auf die organisationale Veränderung definiert. Allgemein und noch wenig spezifiziert wird unter dem Begriff „Methode“ ein systematisches, zielgerichtetes sowie mittel- und zweckgebundenes Vorgehen verstanden, das zur Reduktion von Komplexität und zur Erlangung von Informationen und damit Erkenntnisgrundlagen dient.107 Gadamer vertritt die Auffassung, dass Methoden in den Geisteswissenschaften durch den logischen Takt (vs. bewusstes Schließen) bestimmt werden. Bei der Entwicklung einer Methode muss eine Berücksichtigung der Vergangenheit (Tradition und Historie) erfolgen. Er setzt Methode darüber hinaus mit einem Verfahren gleich und beschreibt ein Methodenideal, bei dem jeder Schritt der Methode den Rückgang auf die Elemente sichert, auf denen die Erkenntnis aufgebaut wird. Die methodische Eindeutigkeit in der modernen Wissenschaft wird durch klassifikatorische Systematik hergestellt, und der moderne Methodenbegriff untersucht „was sein sollte“ im Gegensatz zu „was ist“ und „was immer geschieht“.108 Hesse et al. definieren mit Fokus auf ein systematisches Vorgehen: „Methoden sind planmäßig angewandte, begründete Vorgehensweisen zur Erreichung von festgelegten
107
108
Vgl. z. B. Cohen, L., Manion, L.: Research Methods in Education, London, New York 2000, S. 38; Brinkkemper, S.: Method Engineering with Web-enabled Methods, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Information Systems Engineering: State of the Art and Research Themes, London 2000, S. 123-133, hier S. 125; Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, Wiesbaden 1998, S. 177; Tolvanen, J.-P.: Method engineering: current research directions and implications for future research, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering - Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8 WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996, S. 296-317; Rossi, M., Brinkkemper, S.: Metrics in Method Engineering, in: Iivari, J. et al. (Hrsg.): Advanced Information Systems Engineering, 7th International Conference, CAiSE '95, Lecture Notes in Computer Science, Vol. 932, Jyväskylä, June 12-16, 1995, S. 200-216; Chroust, G.: Modelle der Softwareentwicklung, München 1992, S. 50-54. Vgl. Gadamer, H.-G.: Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 3. Aufl., Tübingen 1972, S. 266-267, 341, 435, 479, 484 und passim.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
59
Zielen (i. a. im Rahmen festgelegter Prinzipien). Methoden können fachspezifisch sein.“109 Stahlknecht formuliert sein Begriffsverständnis von Methoden ähnlich, indem er auf das Vorgehen und die Zielerreichung eingeht: Methoden sind „Vorschriften, wie planmäßig nach einem bestimmten Prinzip (oder einer Kombination von Prinzipien) zur Erreichung festgelegter Ziele vorzugehen ist.“110 Balzert fundiert seine Ausführung aus der Sicht der Software-Technik, bei der „Methoden“ als Oberbegriff von Konzepten, Notationen und Vorgehensweisen verwendet wird: „Methoden sind planmäßig angewandte, begründete Vorgehensweisen zur Erreichung von festgelegten Zielen (im Rahmen festgelegter Prinzipien).“111 Zelewski fokussiert ebenfalls auf die Perspektive der Zielerreichung und definiert eine Methode als ein intersubjektiv nachvollziehbares und systematisch beschriebenes Verfahren, das einerseits zur Lösung von Problemen und andererseits zur Erreichung von Zielen dient.112 Wirtz ist ein weiterer Autor, der die Zielerreichung in den Vordergrund stellt: „Unter einer Methode wird allgemein eine planmäßig angewendete, begründete Vorgehensweise zur Erreichung eines Zieles verstanden. Methoden enthalten Regeln oder Empfehlungen.“113 Teubner versteht unter einer Methode ein Verfahren, das auf einem Regelsystem aufbaut und Lösungen für einen bestimmten Typ von Problemen liefert.114 Gutzwiller fokussiert bei der Beschreibung des Begriffs „Methode“ deren Bausteine. Für ihn besteht eine Methode aus Komponenten, die miteinander in Beziehung stehen.115 Winter expliziert den Methodenbegriff sowie die eine Methode konstituierenden Komponenten detailliert, indem er ausführt, dass durch eine Methode ein Vorgehen in Form von Aktivitäten festgelegt wird. Er hält fest: „Eine Methode lässt sich somit durch ihr Aktivitätsmodell, (d. h. die Menge aller Aktivitätsspezifikationen), das Vorgehensmodell, das Ergebnismodell (d. h. die Menge aller Ergebnisspezifikationen), das Rollenmodell, die zu benutzenden Techniken sowie das Informationsmodell beschreiben.“116
109 110 111 112 113 114 115 116
Hesse, W. et al.: Software-Entwicklung - Vorgehensmodelle, Projektführung, Produktverwaltung, Handbuch der Informatik, Band 5.3, München 1992, S. 32. Stahlknecht, P.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 7. Aufl., Berlin et al. 1995, S. 239. Vgl. Balzert, H.: Einführung in die Softwareentwicklung, 2. Aufl., Heidelberg 2001, S. 36-37. Vgl. Zelewski, S.: Grundlagen, in: Corsten, H., Reiss, M. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., München und Wien 1999, S. 1-125, hier S. 34. Vgl. Wirtz, K. W.: Methoden und Werkzeuge für den Softwareentwurf, in: Kurbel, K., Strunz, H. (Hrsg.): Handbuch Wirtschaftsinformatik, Berlin et al. 1990, S. 323-343, hier S. 326. Vgl. Teubner, R. A.: Organisations- und Informationssystemgestaltung – Theoretische Grundlagen und integrierte Methoden, Wiesbaden 1999, S. 93. Vgl. Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, S. 11-17. Vgl. Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge im Business Engineering, S. 87-118, hier S. 88.
60
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Bei Österle, Österle und Blessing sowie Heym und Österle wird ebenfalls auf die Bestandteile einer Methode abgehoben. Genannte Komponenten sind dabei Aktivitäten, Rollen, Ergebnisse, das Informationsmodell, Techniken und Werkzeuge.117 Die Begriffsanalysen und Definitionen für den Begriff der Methode lassen sich unter drei zentralen Gesichtspunkten zusammenfassen: erstens, die Bedeutung als systematisches Vorgehen mit Blick auf die Zielerreichung, zweitens, die Verwendung von Prinzipien bei der Formulierung und Entwicklung der Methode sowie schließlich drittens die Zusammensetzung einer Methode aus verschiedenen Komponenten. Auf Basis der zuvor aufgeführten Begriffsverständnisse wird der Begriff „Methode“ für die vorliegende Arbeit folgendermaßen definiert: Eine Methode ist ein zielgerichtetes, systematisches Vorgehen, dessen Konstruktion auf der Basis von Komponenten erfolgt, deren Ausgestaltung intersubjektiv nachvollziehbare Prinzipien und Regeln zugrunde liegen. Die konstituierenden Komponenten einer Methode sind Aktivitäten, Rollen, Ergebnisse, Informationsmodell, Techniken, und Werkzeuge, wobei die Aktivitäten die führenden Definitoren sind. In Bezug auf die organisationale Veränderung und die Unterstützung der Zielerreichung von Veränderungsprojekten bedeutet diese Definition, dass ein systematisches Vorgehen auf der Basis von Aktivitäten entwickelt werden muss, das bestimmten Prinzipien und Regeln folgt. Die konstituierenden Komponenten müssen der Problemstellung angemessen ausgeprägt sein und definiert werden. Eine wichtige Eigenschaft ist die Transparenz des Konstruktionsprozesses. Für die Entwicklung bzw. Konstruktion von Methoden ist es also von zentraler Bedeutung, die Anforderungen zu kennen und zu berücksichtigen, damit die Qualität der Methoden sowie deren Akzeptanz in der Anwendung sichergestellt ist.118 In der Literatur werden die Anforderungen an die Qualität unter verschiedenen Schwerpunkten diskutiert. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die zentralen Perspektiven, die in Bezug auf die Anforderungen fokussiert werden. Ein situativer Ansatz für die Methodenentwicklung wird unter anderem von Grundy und Venable gefordert. Sie wollen damit die Flexibilität bei der Konstruktion erhöhen und ein auf die spezifischen Anforderungen angepasstes Vorgehen unterstützen. Damit diese Flexibilität gewährleistet werden kann, muss zudem ein Metamodell mit einer entsprechenden Notation eingesetzt werden.119 Dieser Ansatz ist für die Methodenkonstruktion im 117
118
119
Vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 2 und Abbildung 18, Kapitel 4.3 sowie Österle, H., Blessing, D.: Business Engineering Modell, in: Österle, H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering: Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, S. 65-85; Heym, M., Österle, H.: A Semantic Data Model for Methodology Engineering, in: Forte, G. et al. (Hrsg.): Proceedings of the Fifth CASE '92 Workshop, IEEE Computer Society Press, Montreal, 1992, S. 142-155. Zur Qualität bei der Methodenkonstruktion vgl. Becker, J. et al.: Konstruktion von Methoden: Vorschläge für eine begriffliche Grundlegung und domänenspezifische Anwendungsbeispiele, in: Arbeitsbericht Nr. 77 des Instituts für Wirtschaftsinformatik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Oktober 2001, S. 1-45. Vgl. Grundy, J. C., Venable, J. R.: Towards an Integrated Environment for Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, London et al. 1996, S. 45-62.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
61
Rahmen der organisationalen Veränderung von zentraler Bedeutung, denn ein situatives Vorgehen wird insbesondere für diesen Themenbereich und den spezifischen Projekttypus gefordert. Auch Baskerville stellt den situativen Ansatz heraus und bezieht darüber hinaus noch direkt die Anforderungen mit ein, die durch die organisationale Veränderung entstehen. Er diskutiert die Bedeutung von strukturellen Artefakten, die die organisationalen Voraussetzungen berücksichtigen, bei der Konstruktion von Methoden und betont die Bedeutung der Methodenkonstruktion „on-the-fly“.120 Mit dem Aspekt der situativen und flexiblen Methodenkonstruktion sowie zusätzlich der Integration organisationaler Anforderungen ist Baskervilles Ansatz ebenfalls grundlegend für die vorliegende Arbeit. Harmsen et al. sowie auch Grundy und Venable diskutieren zudem die Anforderung von modularen Methoden, die sich variabel kombinieren lassen, um eine höhere Flexibilität zu erzielen.121 Auch dieser Punkt ist für die Methodenkonstruktion für die organisationale Veränderung wichtig, weil damit der Einzigartigkeit der Projekte Rechnung getragen werden kann. Becker et al. führen schließlich noch die Bedeutung einer fundierten und zugleich flexiblen, d. h. nicht unbedingt vollständig automatisierbaren und damit kreative Akte zulassenden Regelbasis an. Die Regeln systematisieren den Konstruktionsprozess und erfüllen zugleich die Anforderung nach Nachvollziehbarkeit.122 Folgende Anforderungen können zusammenfassend formuliert werden: x
Verwendung eines Metamodells für die Konstruktion: Um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Transparenz bei der Methodenentwicklung sicherzustellen, sollte ein Metamodell für die Methodenkonstruktion verwendet werden. Das für die vorliegende Arbeit verwendete Metamodell ist das des Business Engineering.123
x
Höchste Flexibilität bei der Entwicklung von Methoden („Situational Method Engineering“): Die Zielsetzung dieser Anforderung ist die Möglichkeit der situativen Anpassung einer Methode bei der Konstruktion. Dabei wird die Konstruktion z. B. durch die Wiederverwendung von Elementen unterstützt sowie durch die flexible Ergänzung neuer Elemente durch die definierten Prinzipien und Regeln.
x
Repräsentation einer ganzheitlichen Sichtweise: Die Methodenentwicklung sollte nicht nur die informationstechnischen Perspektiven und Anforderungen berücksichtigen, sondern auch die Konsequenzen für die Organisation, z. B. durch entsprechende strukturelle Artefakte, integrieren.
120
121
122 123
Vgl. Baskerville, R.: Structural Artefacts in Method Engineering: The Security Imperative, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering: Principles of method construction and tool support, London et al. 1996, S. 8-28. Vgl. Harmsen, F. et al.: Situational Method Engineering for Information System Project Approaches, in: Verrijn-Stuart, A. A., Olle, T. W. (Hrsg.): Methods and Associated Tools for the Information System Life Cycle, Amsterdam 1994, S. 169-194; Grundy, J. C., Venable, J. R.: Towards an Integrated Environment for Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, S. 45-62. Vgl. Becker, J. et al.: Konstruktion von Methoden: Vorschläge für eine begriffliche Grundlegung und domänenspezifische Anwendungsbeispiele, hier insbesondere S. 5-7. Vgl. Kapitel 2, Abbildung 18 und die dazugehörigen Erläuterungen.
62
x
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Modularität von Methoden: Dieser Punkt hängt mit der Flexibilität bei der Entwicklung zusammen. Methoden sollten nicht rigide aufgebaut sein sondern modular, d. h., dass verschiedenste Aktivitäten aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Notationen zu einer Methode integriert werden können.
Mit Bezug zur Bewertung von Methoden auf der Basis von Modellen, die einerseits das Produkt von Methoden darstellen und andererseits eine mögliche Spezifikationsform sind, definiert Sinz die folgenden Anforderungen an Methoden, die auch für die vorliegende Arbeit relevant sind:124 x
Aufstellung umfassender Modelle: Unterstützung bei der Abbildung von Struktur und Verhalten von Systemen als umfassende Modelle.
x
Aufstellung richtiger Modelle: Unterstützung bei der Sicherstellung von Konsistenz und Vollständigkeit in Bezug auf das Begriffssystem sowie von Struktur- und Verhaltenstreue in Bezug auf die abgebildete Realität.
x
Aufstellung geeigneter Modelle: Der Modellierungszweck wird erfüllt.
x
Komplexitätsbewältigung bei Modellen: Einsatz von Verfahren, die die Komplexität von Modellen reduzieren, z. B. mehrstufige Verfeinerung, Außen- und Innensicht von Systemen sowie die Definition von Ebenen und Sichten.
Greiffenberg fasst die Anforderungen an Methoden wie in Abbildung 23 dargestellt grafisch zusammen.125 Die Methodenkonstruktion stellt eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Steuerungsmechanismen von Veränderungsprojekten dar, denn erst durch diese Systematisierung der „Interaktion“ der konstituierenden Bausteine des Veränderungsprojekts sowie auch des Projektablaufs entstehen geeignete Steuerungsansätze. Methoden sollen darüber hinaus, wie bereits angedeutet, die Definition und Anwendung von Modellen unterstützen. Zudem dienen Modelle – wie auch in der vorliegenden Arbeit – als Bezugsrahmen für die Reduktion von Komplexität und damit für die Unterstützung der Analyse von Realweltobjekten, die Orientierung und die Kommunikation. Aus den genannten Gründen erfolgt in Kapitel 3 im Rahmen der Begriffsdefinition eine Untersuchung des Modellbegriffs im Kontext der organisationalen Veränderung.
124
125
Vgl. Sinz, E. J.: Modellierung betrieblicher Informationssysteme – Gegenstand, Anforderungen und Lösungsansätze, in: Pohl, K. et al. (Hrsg.): Proceedings Modellierung betrieblicher Informationssysteme ’98, Angewandte Mathematik und Informatik, Koblenz 1998, S. 27-28. Mit leichten Modifikationen entnommen aus Greiffenberg, S.: Methoden als Theorien der Wirtschaftsinformatik, in: Uhr, W. et al. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik 2003 – Medien, Märkte, Mobilität, Band II, Heidelberg 2003, S. 947-967, hier S. 962. Folgende Modifikationen wurden in der hier verwendeten Abbildung vorgenommen: Greiffenberg hat erstens eine Anforderung mit „Konkurrenz“ benannt, die passender mit dem Begriff „Synchronisation“ bezeichnet würde und zweitens eine Anforderung mit „Gesundheit“ benannt, die hier mit „Korrektheit und Relevanz“ bezeichnet wird.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
63
Qualität von Methoden
Vollständigkeit Methode enthält alle notwendigen Elemente
Zweckbezug Methode ist für den Einsatz geeignet
Input/Output Methode beschreibt alle von den beschriebenen Prozessen benötigten und erzeugten Produkte Prozesse Methode beschreibt alle Prozesse, die ein beschriebenes Produkt erzeugen
Beziehungen Alle beschriebenen Produktfragmente stehen stets mit anderen Produktfragmenten in Beziehung
Konsistenz Alle Methodenelemente sind wechselseitig konsistent
Flexibilität, Wartbarkeit, Einfachheit Methode ist wirtschaftlich und effizient
Vorgehen Angabe einer korrekten zeitlichen Reihenfolge für Produktund Prozessfragmente
Aufbau Methode ist systematisch und klar aufgebaut mit Sichtenübergriff
Perspektive Produktfragmente sind konsistent gegenüber Prozessfragmenten; Konsistenz der Perspektiven im Methodenkontext
Sprachadäquanz Die von der Methode verwendete Sprache ist geeignet und richtig
Support Methode wird wechselseitig konsistent durch ein Werkzeug unterstützt.
Konstruktionsadäquanz Methode ist für die Probleme angemessen
Vergleichbarkeit Produkte der Methode sind überführ- und anpassbar
Anwendbarkeit Methode kann von den Entwicklern angewendet werden
Granularität Gleiche und konsistente Ebenen der Verfeinerung von Prozessund Produktfragmenten Synchronisation Methode synchronisiert parallele Aktivitäten Korrektheit und Relevanz Anforderungen an die Methode sind korrekt und bedeutsam Zuverlässigkeit Methode ist semantisch korrekt; ihre Beschreibung ist aussagekräftig
Abbildung 23: Anforderungen an Methoden Für die weitere thematische Eingrenzung der in der vorliegenden Arbeit zu untersuchenden Bereiche wird im folgenden Kapitel – basierend auf dem zuvor entwickelten Bezugsrahmen – ein Vorgehensmodell zur Definition und Implementierung von Veränderungsvorhaben entwickelt.
2.5 Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Definition und Implementierung von Veränderungsvorhaben Die methodische Definition und Implementierung eines Veränderungsvorhabens ist eine der Grundlagen für die Sicherstellung der Steuerbarkeit des Vorhabens in allen relevanten Aspekten. Aus diesem Grund muss es ein systematisches und dokumentiertes Vorge-
64
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
hen geben, das den Definitions- und Durchführungsprozessen eine Struktur gibt und sie damit unterstützt. Später sind dann noch die damit verbundenen Begriffe „Veränderungsvorhaben“, „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ zu definieren und voneinander abzugrenzen.126 Dieses Vorgehen ergibt sich einerseits auf der Grundlage der logischen Input-Output-Beziehungen und andererseits auf den Überlegungen verschiedener Autoren, die sich mit Veränderungsprozessen beschäftigt haben. Müller-Stewens und Lechner, Doppler und Lauterburg, Bahrami und Evans sowie Kotter und schließlich Hall und Hord definieren in verschiedenen Varianten den Veränderungsprozess jeweils als Sequenz der Schritte Erhebung, Dokumentation, Analyse, Auswahl und Einsatz von geeigneten Methoden oder Techniken sowie Messung des Erfolgs.127 Bei Bahrami und Evans wird explizit der Schritt der Rekalibrierung ergänzt, der eine Anpassung des Vorgehens an veränderte Umfeldbedingungen unterstützt.128 Ein weiterer Schritt, der nur bei Hall und Hord explizit erwähnt wird, ist die Überprüfung des Erfolgs zu einem Zeitpunkt, der weiter nach dem Abschluss des Vorhabens liegt.129 D. h. also, die Überprüfung der Nachhaltigkeit des Vorhabens und Integration in die Organisation. Bei der Betrachtung der Vorgehensweisen ist zu beachten, dass hier vor allem die „Datensicht“ eingenommen wird. Das bedeutet, dass die Vorgehensweisen unter dem Aspekt betrachtet werden, welche Daten in dem jeweiligen Schritt benötigt und verarbeitet werden und nicht z. B., welche Aktivitäten im Vordergrund stehen. Deshalb wird z. B. der Schritt der „Initiierung“, wie er z. B. im Vorgehen bei Müller-Stewens und Lechner existiert, nicht explizit berücksichtigt, sondern untersucht, was die Datensicht für diesen ersten Schritt wäre, nämlich die Identifikation der Auslöser und deren Einfluss auf die Aktivität. Die logische Sequenz der Schritte ergibt sich aus den für jeden Schritt benötigten Ergebnissen, d. h. dem Input, der vom vorhergehenden Schritt als Output übernommen wird. Aus diesem Grund entsteht ein zyklisches Vorgehen, das es erlaubt, nach einer erfolgten Überprüfung der Implementierungsergebnisse erneut in den Veränderungsprozess einzusteigen. In Anlehnung an die vorhergehende Diskussion und den zuvor definierten, integrierten Bezugsrahmen werden also die folgenden Schritte für das Vorgehen vorgeschlagen (vgl. auch Abbildung 24): 1. Identifikation von primären Auslösern: Für den gesamten Aufbau und die Definition der Vorgehensweise ist es wichtig, die tatsächlichen Auslöser und damit auch Beweggründe für das Veränderungsvorhaben zu kennen. 2. Analyse und Dokumentation des relevanten Kontexts: Der Kontext gibt die Rahmenbedingungen, Freiheitsgrade und Restriktionen für das Vorhaben vor. Diese Rahmenbedingungen müssen für das weitere Vorgehen eindeutig definiert sei.
126 127
128 129
Vgl. Kapitel 3.1.1. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 39-46; Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 106; Bahrami, H., Evans, S.: Strategy Making in High-Technology Firms: The Empiricist Mode, in: California Management Review, 31 (1989) 2, S. 107-128; Kotter, J. P.: Leading Change, S. 21; Hall, G. E., Hord, S. M.: Implementing Change: Patterns, Principles and Potholes, Boston et al. 2001, S. 1. Vgl. Bahrami, H., Evans, S.: Strategy Making in High-Technology Firms: The Empiricist Mode, S. 118. Vgl. Hall, G. E., Hord, S. M.: Implementing Change: Patterns, Principles and Potholes, S. 206-227.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
65
3. Analyse der Konsequenzen für die Organisation: Sobald die primären Auslöser identifiziert und die Rahmenbedingungen, die der Kontext definiert, bekannt und dokumentiert sind, muss eine Analyse der damit zusammenhängenden Konsequenzen erfolgen. Die Dimensionen der Analyse orientieren sich zum einen an den Ebenen des Bezugsrahmens, d. h., dass für die Ebenen „Geschäftsstrategie“, „Geschäftsprozesse“, „Informations- und Kommunikationssysteme sowie die „Unternehmenskultur“, und auch für die Aufbauorganisation, die Konsequenzen zu untersuchen sind. Zum anderen erfolgt die Analyse anhand der Kriterien „Zeit“, „Kostenwirksamkeit“ und „potenzieller Nutzen“. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen der Definition des Nutzens hier sowohl ein quantitativer als auch ein qualitativer Ansatz zur Anwendung kommen muss. Denn in diesem Themenbereich, wie z. B. auch in der Entwicklung und dem Einsatz von IKT, sind die Nutzenpotenziale nicht vollständig quantifizierbar. 4. Definition und Auswahl der geeigneten Methodenfragmente: In diesem Schritt liegt die Hauptaufgabe der Definitionsphase. In Abhängigkeit von den vorhergehenden Schritten werden auf Basis der Beschreibung des Veränderungsprojekts durch die in Kapitel 4 definierten Klassen und der ebenfalls in Kapitel 4 entwickelten Allokationsregeln die Methoden aus den entsprechenden Methodenfragmenten (Aktivitäten) zusammengestellt, die für das spezifische Projekt optimal geeignet sind. Die entstehende Methode ist dann nach den in demselben Kapitel in Abbildung 46 definierten Dimensionen zu untersuchen, und es sind die entsprechenden Festlegungen vorzunehmen, z. B. in Bezug auf den Aufwand: Welche Ressourcen müssen wo und mit welchem zeitlichen Horizont eingesetzt werden und wer trägt die Verantwortung für welchen Schritt bzw. welche Aktivität oder Aktivitätenbündel in der Methode? 5. Einsatz der Methode, inklusive Controlling: Der erste Schritt der Implementierungsphase ist der Einsatz der Methode im Projekt. Hier ist, neben der adäquaten Umsetzung der konstruierten Methode, eine der wichtigen zusätzlichen Aufgaben, die Metriken für die Steuerung des Projekts und der durch das Projekt betroffenen Bereiche, die bereits in der Definitionsphase festgelegt worden sind, richtig und zielorientiert einzusetzen. Das Controlling wird hier den Prozess begleitend eingesetzt und übernimmt sowohl proaktiv als auch reaktiv Steuerungsfunktionen. 6. Validierung und Verifikation: Die Überprüfung des Vorgehens und auch der Ergebnisse in regelmäßigen Abständen ist ein wichtiger Schritt. Nur so kann sichergestellt werden, dass auf der einen Seite keine so gravierenden Veränderungen im Umfeld stattgefunden haben, dass die geplanten Veränderungen nicht mehr relevant sind (Validierung). Auf der anderen Seite muss, wenn das Umfeld keine Änderungen bedingt, überprüft werden, ob die erzielten Ergebnisse den Anforderungen entsprechen (Verifikation). 7. Rekalibrierung der Inhalte bzw. der Methodenkonstruktion: Nach dem Überprüfungsprozess und bei Ergebnissen, die eine Veränderung bzw. Anpassung erforderlich machen, erfolgt die Rekalibrierung entweder der Inhalte und damit der Zielsetzungen des Veränderungsprojekts oder der konstruierten Methode bzw. der Art des Einsatzes. Dieses Vorgehen hat Auswirkungen sowohl in der Definitions- als auch der Implementierungsphase. Deshalb ist dieser Schritt auf der Schnittstelle zwischen diesen beiden Phasen positioniert.
66
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
8. Abschluss der ersten Implementierung: Die erste, wichtige Voraussetzung für den Erfolg des gesamten Veränderungsprojekts ist sein Abschluss unter Einhaltung der definierten Projektziele. Damit ist die Implementierung I erfolgt, die auf den erfolgreichen Abschluss des Projekts abzielt, und es sind die Grundlagen für die Verankerung der geplanten Veränderungen im Unternehmen gelegt.130 9. Umsetzung der zweiten Implementierung und Prüfung der Nachhaltigkeit: Der letzte Schritt bzw. die letzte Phase des Veränderungsvorhabens ist die Implementierung II und damit die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Maßnahmen.131 Die „Vorarbeiten“ für diesen Schritt müssen allerdings bereits sehr früh in der Definitionsphase beginnen, weil nur durch die frühe Festlegung von angemessenen Metriken auf die Nachhaltigkeit hingearbeitet werden kann. Das bedeutet folglich, dass die Festlegung der Steuerungsgrößen bereits in der Auswahlphase (Schritt 4), dort wo die Projektbeschreibung vorgenommen wird, zu erfolgen hat. Schließlich kann festgehalten werden, dass die Implementierung II zeitlich nicht eingeschränkt ist und nur durch die nächste Veränderungswelle, die wiederum an ähnlichen oder gleichen Veränderungsthemen ansetzt, abgelöst werden kann. Das wird in Abbildung 24 durch den „Wiedereintritt“ des Pfeils in die Definitionsphase deutlich, wodurch die erneute Initiierung eines Veränderungsvorhabens angezeigt wird. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt der thematische Schwerpunkt auf dem Definitionsteil des Vorgehensmodells und hier insbesondere auf dem Schritt der Definition und Auswahl und Integration der einzusetzenden Methodenfragmente (in Abbildung 24 fett gedruckter Teilschritt). Zu diesem Teilschritt gehört auch die systematische Beschreibung des Veränderungsprojekts, was methodisch durch die Entwicklung der Klassifikationstheorie in Kapitel 4 umgesetzt wird. Die Vorgehensweise bzw. das Regelwerk für die Auswahl und Zusammenstellung der einzusetzenden Methoden wird in Kapitel 4 entwickelt. Die anderen Elemente des Definitionsschritts werden in der vorliegenden Arbeit ebenfalls erwähnt. Dort, wo eine größere Vorgehenslücke festzustellen ist, werden entsprechende Vorschläge entwickelt.
130
131
Unter Implementierung I wird nachfolgend die Umsetzung der für das Projekt definierten kurzfristigen Ziele verstanden. Hier spielen vor allem Faktoren, wie z. B. die Realisierung des geplanten Ergebnisses (z. B. neues Produkt oder Dienstleistung; Prozessneuentwurf), die Einhaltung des Projektbudgets bzw. der geplanten Laufzeit sowie des sonstigen Ressourceneinsatzes eine Rolle. Vgl. dazu Ackermann, T., Emmenegger, P., Lehner, U.: Methoden zur nachhaltigen Implementierung von technologiegetriebenen Innovationen, Diplomarbeit Executive MBA in Business Engineering, St. Gallen 2003 sowie Kapitel 4. Unter Implementierung II wird die Umsetzung der mittel- bis langfristigen Zielsetzungen des Projekts verstanden, also z. B. die konsequente Verwendung einer Applikation oder die vollständige Integration und der reibungslose Ablauf eines neuen Prozesses. Vgl. dazu ebenfalls Ackermann, T., Emmenegger, P., Lehner, U.: Methoden zur nachhaltigen Implementierung von technologiegetriebenen Innovationen sowie Kapitel 4.
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
67
Definition
Identifikation von primären Auslösern
Analyse und Dokumentation des relevanten Kontexts
Analyse der Konsequenzen für die Organisation Definition und Konstruktion der geeigneten Methode
Rekalibrierung Umsetzung der zweiten Implementierung und Prüfung der Nachhaltigkeit Abschluss der ersten Implementierung
Einsatz der Methode, inklusive Controlling
Validierung und Verifikation
Implementierung
Abbildung 24: Vorgehensmodell zur Definition und Implementierung eines Veränderungsvorhabens
2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse Die organisationale Veränderung umfasst ein breites Spektrum an Themen. Dieses Spektrum muss strukturiert und geordnet werden, damit die thematische Bandbreite von Veränderungsvorhaben präzisiert werden kann. Das ist eine der Aufgaben dieses Kapitels. Die vier Betrachtungssichten sind (1) die originären, betriebswirtschaftlichen Funktionen, (2) das strategische Management, (3) das Technologiemanagement sowie (4) das Projektmanagement und -Controlling. Zusätzlich zur Systematisierung der relevanten Themenbereiche ist es erforderlich, die wirtschaftlichen und informationstechnischen Einflussfaktoren auf Veränderungsvorhaben zu kennen, damit die Grundlage für ein systematisches Vorgehen gelegt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die scheinbaren Auslöser oftmals nur sekundärer Natur sind und die primären Auslöser an anderer Stelle zu suchen sind. Die Identifikation der primären Auslöser ist aber ein wichtiger Schritt, um das eigentliche Veränderungsthema bestimmen und die „richtige“ Methode konstruieren zu können. Eine weitere wichtige Aufgabe zur Systematisierung des Themenbereichs ist die Entwicklung eines Bezugsrahmens, der eine Positionierung der relevanten Themen unterstützt. Die Herleitung eines solchen Bezugsrahmens ist auf der Basis der Analyse von ausgewählten betriebswirtschaftlichen Management-Modellen erfolgt. Als Grundlage dient dabei die ursprüngliche Business Engineering Landkarte, die um die relevanten
68
Grundlagen der organisationalen Veränderung und der Methodenkonstruktion
Komponenten aus dem neuen St. Galler Management-Modell ergänzt wird. Der Bezugsrahmen besteht aus den Ebenen „Betriebswirtschaftliche und informationstechnische Themenstellungen“, „Kontext“, „Unternehmenskultur, Führung und Verhalten, Machtstrukturen, Sozialkompetenz des Individuums und der Gruppe“, „Geschäftsstrategie, Geschäftsprozesse, Informations- und Kommunikationstechnologie“ und „Steuerung“. Die Methodenkonstruktion ist eine wichtige Basis, um geeignete Steuerungshebel in Veränderungsprojekten zu erzeugen. Doch müssen sowohl der Konstruktionsprozess als auch die entstehende Methode bestimmten Grundsätzen und Qualitätskriterien entsprechen. Dabei sind die wichtigsten Kriterien die Verwendung eines Metamodells, die situative Anpassbarkeit, die Ganzheitlichkeit der Sichtweise bei der Entwicklung und die Modularität sowie die Vollständigkeit, der Zweckbezug sowie die Konsistenz. Schließlich ist eine wichtige Voraussetzung für die thematische Fokussierung der vorliegenden Arbeit, dass eine Eingrenzung der behandelten Themen stattfindet. Um diese Eingrenzung sinnvoll vornehmen zu können, muss ein thematischer Rahmen existieren, der eine entsprechende Positionierung unterstützt. Dieser Rahmen ist ein Vorgehensmodell für die Definition und Implementierung von Veränderungsvorhaben. Das für die vorliegende Arbeit entwickelte Vorgehensmodell umfasst für die Definitionsphase die Schritte „Identifikation von primären Auslösern“, „Analyse und Dokumentation des relevanten Kontexts“, „Analyse der Konsequenzen für die Organisation“ sowie „Definition und Auswahl der geeigneten Methoden“. Für die Phase der Implementierung sind die Schritte „Einsatz der Methoden, inklusive Controlling“, „Validierung und Verifikation“, „Abschluss der ersten Implementierung“ sowie „Umsetzung der zweiten Implementierung und Prüfung der Nachhaltigkeit“ definiert worden. Im nachfolgenden Kapitel erfolgt auf der Grundlage des zuvor entwickelten Bezugsrahmens die Definition und Abgrenzung der Begriffe.
3 Begriffliche und theoretische Grundlagen Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und Abgrenzung der zentralen Begriffe und Konzepte für die vorliegende Arbeit. Im Mittelpunkt steht dabei einerseits der Begriff „Veränderung“ und andererseits das Konzept der „organisationalen Veränderung“. Aufbauend auf diesen Definitionen werden in Ergänzung der begrifflichen Abgrenzungen aus Kapitel 2 zwei weitere Begriffe im Rahmen der organisationalen Veränderung untersucht: der Projektbegriff und der Modellbegriff. Weitere relevante Begriffe, z. B. in Bezug auf Theorie und Theorienbildung, und der Begriff der „Klassifikation“ werden in dem entsprechenden Kapitel definiert und abgegrenzt. Dieses Vorgehen führt dazu, dass zunächst eine allgemeine Begriffsabgrenzung im Sinne der Entwicklung eines Grundvokabulars für das bessere Verständnis der weiteren Ausführungen stattfindet und die spezifischen Definitionen (später) in ihrem Kontext erfolgen können.
3.1 Definition des Begriffs „Veränderung“ und Definitionsrahmen für das Konzept „organisationale Veränderung“ Um den Begriff „Veränderung“ mit seinen verschiedenen Aspekten gerecht zu werden, sind zwei Schritte zu vollziehen. Zunächst muss der eigentliche Begriff geklärt und auf Basis seiner unterschiedlichen Verwendungsweisen untersucht werden. Im zweiten Schritt ist dann der Begriff zu einem Konzept, nämlich das der „organisationalen Veränderung“, zu erweitern. Für die Definition dieses Konzepts ist es erforderlich, einen entsprechenden Definitionsrahmen zu schaffen, der eine Beschreibungs- und Analysegrundlage aufspannt. Das kann nur durch eine Begriffsexplikation geleistet werden, die die verschiedenen Gestaltungsdimensionen berücksichtigt und damit auch der Anforderung nach einer sich aus dem Bezugsrahmen ergebenden, ganzheitlichen Betrachtungsweise gerecht werden. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit „Veränderung“ häufig verwendet wird, ist „Wandel“. In den meisten Quellen erfolgt keine Differenzierung zwischen den beiden Begriffen, sondern sie werden synonym verwendet. Im Englischen wird der Begriff „change“ sowohl mit Veränderung als auch mit Wandel übersetzt.132 Im deutschen Sprachgebrauch scheint es eine leichte, eventuell unbewusste Differenzierung zu geben, die Wandel eher aktiv verwendet, z. B. im Ausdruck „Wandel der Gesellschaft“, d. h. „etwas wandelt sich“, aber nicht „wird gewandelt“.133 Darüber hinaus findet man in Texten, die sich mit Veränderung beschäftigen, gelegentlich den Begriff „Transformation“. Dieser Ausdruck
132 133
Vgl. Link Everything Online: www.dict.leo.org und Merriam-Webster Online: http://www.m-w.com/ cgi-bin/dictionary?book=Dictionary&va=change, (Zugriff am 20.11.2003). Vgl. z. B. Gleich, M.: Web of Life – Die Kunst vernetzt zu leben, Hamburg 2002, S. 50-60.
70
Begriffliche und theoretische Grundlagen
wird in der Regel im Zusammenhang mit einer „radikalen Veränderung“ benutzt.134 Nachfolgend wird nur noch der Begriff „Veränderung“ verwendet, und alle damit zusammenhängenden Interpretationen und Ausdrücke werden unter ihm subsumiert.
3.1.1 Der Begriff „Veränderung“ Einige grundlegende Definitionen bzw. Beschreibungen des Begriffs „Veränderung“, ohne dass er einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin bzw. einem spezifischen Gestaltungsobjekt zugeordnet wird, sind die folgenden:135 x
„Eine Handlung durch die etwas anders wird.“ Hier wird die Aktivität, die etwas verändert, in den Vordergrund gestellt.
x
Veränderung ist der Vorgang oder der Prozess, durch den etwas anders wird. Bei dieser Begriffsbestimmung steht der Ablaufaspekt, also der Veränderungsprozess, im Vordergrund.
x
Veränderung ist das Ergebnis einer Handlung oder eines Vorgangs. Im diesem dritten Erklärungsansatz wird schließlich die Ergebnisperspektive hervorgehoben.
Darüber hinaus kann bei der Analyse des Verbs „verändern“ zwischen einem aktiven und einem passiven Aspekt unterschieden werden: Etwas oder jemand wird verändert oder etwas oder jemand verändert. Die Erkenntnistheorie oder auch Epistemologie beschäftigt sich, vereinfacht gesagt, mit der Suche nach der „verlässlichen Wahrheit“ bzw. „individuellen Wahrheit“ als „Gestaltungsobjekt“. Von Förster definiert treffend: „Ontologie erklärt die Beschaffenheit der Welt; Epistemologie erklärt die Beschaffenheit unserer Erfahrungen von dieser Welt.“136 Im Rahmen der Erkenntnistheorie ist die „Veränderung“ dementsprechend mit den persönlichen Erfahrungen und der Wahrnehmung verbunden, so dass eine Veränderung nur in Relation zum Betrachter interpretierbar wird. Ergänzend ist anzumerken, dass der Unterschied zwischen zwei Zuständen das ist, was als Veränderung wahrgenommen wird.137 Darüber hinaus kann die Veränderung z. B. in Bezug zu den sich verändernden Objekten aufgefasst werden: „Nun hat der Begriff der Veränderung gar keinen Sinn, wenn nicht etwas da ist, was sich ändert.“138 Hier wird also die Wahrnehmung der Veränderung durch die Person einerseits mit den sich verändernden Objekten andererseits in eine Beziehung gesetzt. In Bezug auf die Veränderung in Unternehmen bedeutet diese Aussage, dass jede Person nur die Veränderung wahrnimmt, die für sie im Rahmen ihrer Beziehun-
134
135 136
137 138
Vgl. z. B. Merriam-Webster Online Dictionary: http://www.m-w.com/cgi-bin/dictionary?book = Dictionary&va=change (Zugriff am 20.11.2003) oder auch Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, S. 4-6. Vgl. Microsoft Encarta 1999. von Förster, H.: KybernEthik, Berlin 1993, S. 23; vgl. auch Manella, J.: Der relationale Mensch, S. 2128; von Glasersfeld, E.: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in: Gumin, H., Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 7. Aufl., München 2003, S. 9-39 oder auch Bateson, G.: Geist und Natur – Eine notwendige Einheit, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 2000, S. 112. Vgl. von Glasersfeld, E.: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, S. 9-39. Vgl. Mauthner, F.: Veränderung, www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/fm/change.html (Zugriff am 19.11.2003).
Begriffliche und theoretische Grundlagen
71
gen zu Objekten (auch: anderen Personen) einen Unterschied zu einem zuvor beobachteten bzw. wahrgenommenen Zustand ausmacht. Im Rahmen der Untersuchung des Veränderungsbegriffs in der Psychologie kann man zwischen der klassischen Psychologie (mit Teildisziplinen, wie z. B. der Entwicklungspsychologie, der Gestaltpsychologie oder der klinischen Psychologie) und der Organisationspsychologie unterscheiden. Bei beiden Teilbereichen ist das „Gestaltungsobjekt“ bzw. Erkenntnisobjekt der Mensch. Die Entwicklungspsychologie, die hier in Bezug auf das Verständnis von „Veränderung“ herangezogen werden soll, geht von einem prozessorientierten Veränderungsbegriff aus. Dabei existieren verschiedene Ansätze, die entweder z. B. eine passive, evolutionäre Veränderung propagieren (z. B. Wachstums- und Formungstheorien)139 oder den menschlichen Entwicklungsprozess eher durch passive, aber revolutionäre Veränderungen geprägt sehen (Umbruchtheorien).140 Darüber hinaus gibt es eine Form der Entwicklungstheorie, die postuliert, dass Menschen eine aktive, mitgestaltende Rolle in ihrer Entwicklung haben (Gestaltertheorien).141 Die vorgestellten Begriffsverständnisse finden sich auch im Zusammenhang mit der Veränderung in Organisationen wieder und bilden damit ein wichtiges psychologisches Grundverständnis für den Veränderungsbegriff in diesem Gebiet. Eine für die vorliegende Arbeit relevante Ergänzung zu diesem psychologischen Grundverständnis findet sich bei Watzlawick et al., die auf das Spannungsfeld von Persistenz und Veränderung hinweisen und dabei die jeweiligen Zustände und nicht den Prozess fokussieren.142 Sie verweisen aber auch darauf, dass Veränderung einerseits bedeuten kann, dass ein System sich von einem Zustand in den nächsten bewegt, ohne dass sich das System als solches verändert (Veränderung der ersten Ordnung). Andererseits kann Veränderung bedeuten, dass sich die Art, wie diese Zustandsänderungen erzeugt werden, verändern kann. Damit würde zugleich eine Systemänderung hervorgerufen (Veränderung der zweiten Ordnung). Diese Differenzierung ist für das Begriffsverständnis im Rahmen der organisationalen Veränderung von Bedeutung: Denn hier wird in der Regel Veränderung der zweiten Ordnung betrachtet, also die Veränderung des Systems und seiner konstituierenden Elemente. In der Organisationspsychologie als ein weiteres Teilgebiet der Psychologie finden unterschiedliche Veränderungsbegriffe Anwendung, je nachdem, welcher Denkschule die Autoren jeweils verhaftet sind. Das Begriffsverständnis kann einerseits z. B. in der Erkenntnistheorie verhaftet sein, dann wird die Veränderung mit der Wahrnehmung des Unterschieds durch das Individuum in Beziehung gesetzt.143 Andererseits kann der Begriff auch in der Systemtheorie verankert sein. Dabei werden z. B. die Ansatzpunkte für Veränderungen an der „Aufgabe“, dem „Individuum“, der „Gruppe“ und der „Organisation“
139
140 141
142 143
Vgl. Krech, D., Benesch, H.: Grundlagen der Psychologie, Weinheim 1992; Durkheim, E.: Über soziale Arbeitsteilung. Studien über die Organisation höherer Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1988, Stern, W.: Die menschliche Persönlichkeit, 3. Aufl., Leipzig 1923. Vgl. z. B. Coleman, J. S.: Foundations of Social Theory, Cambridge Mass. 1990. Vgl. Spranger, E.: Psychologie des Jugendalters, Heidelberg 1960 und als weitere Vertreter z. B. Erikson, E. H.: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt 1966; Havinghurst, R. J.: Developmental Tasks and Education, New York 1972 sowie als Vertreter der „Selbstgestaltungstendenz“ z. B. Prigogine, I.: From Being to Becoming, San Francisco 1980. Vgl. hier und im Folgenden Watzlawick, P. et al.: Change – Principles of Problem Formation and Problem Resolution, New York 1974, S. 1-28. Vgl. z. B. Schein, E. H.: Organizational Psychology, S. 301-312; Coutu, D. L.: The Anxiety of Learning – An Interview with Edgar H. Schein, in: Harvard Business Review, March 2002, S. 1-8.
72
Begriffliche und theoretische Grundlagen
festgemacht und der Möglichkeiten, anhand dieser Hebel in das System einzugreifen.144 In Verbindung mit der Strukturationstheorie von Giddens bedeutet diese Überlegung, dass sich diese Ansatzpunkte in Handlung und Struktur gegenseitig beeinflussen und damit die Wahrnehmung und die Ausgestaltung zugleich Grundlage für die Veränderung sind.145 Veränderung kann nach den Auffassungen der Organisationspsychologie als Prozess gestaltet sein oder das Ergebnis einer Zustandsänderung sein, sie kann geplant oder ungeplant verlaufen, durch direkte oder indirekte Einflussnahme in das System Unternehmen.146 Die Systemtheorie geht, wie die Bezeichnung bereits impliziert, vom „System“ als Gestaltungsobjekt aus und betrachtet die Veränderung als den Übergang von einem Zustand zu einem anderen.147 Ausgelöst werden kann sie z. B. durch Interventionen in das System (aktiver Auslöser) oder Informationen (passiver Auslöser). Ansatzpunkt für die Veränderung des Zustandes z. B. in sozialen Systemen, ist die Interaktion von den vier Parametern „Bevölkerung“, „Organisationen“ (Fokus auf den sozialen Aspekt: eine Organisation kann in diesem Zusammenhang auch die Regierung sein), „Umfeld“ und „Technologie“.148 Die Zustandsänderung ist also immer ein Zusammenspiel zwischen das System konstituierenden Parametern und spezifischen Auslösern. Der Veränderungsbegriff wird demzufolge in der Systemtheorie in einem engen Zusammenhang mit Kausalketten verwendet. Die Veränderung des Zustands eines Systems kann dabei einerseits unter Aufrechterhaltung der definierenden Strukturen erfolgen (Erhaltung der Identität) oder aber mit der Zerstörung der Strukturen (Verlust der Identität) einhergehen.149 Diese Erkenntnis fügt der Ergebnisperspektive des Veränderungsbegriffs einen wichtigen Aspekt hinzu, nämlich den der „Reichweite“ einer Veränderung. Das ist insbesondere in Bezug auf die Veränderung von Organisationen eine wichtige Ergänzung, weil das Ergebnis der Erhaltung der Identität oder ihrer Zerstörung vollkommen unterschiedliche Maßnahmen und Verhaltensweisen im Umgang mit der Veränderung bedingt. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in diesem Zusammenhang Erwähnung findet, ist die „Endgültigkeit“ einer Veränderung, d. h., ob sie reversibel oder irreversibel ist.150 Die Einführung dieses Aspektes ist wiederum im Zusammenhang mit der organisationalen Veränderung von Bedeutung, denn insbesondere in diesem Kontext ist eine Veränderung oftmals irreversibel bzw. ist
144 145 146 147
148 149 150
Vgl. von Rosenstiel, L.: Grundlagen der Organisationspsychologie, 4. Aufl., Stuttgart 2000, S. 355. Vgl. Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge der Theorie einer Strukturbildung, Frankfurt a. M. 1988. Vgl. z. B. Weick, K. E., Quinn, R. E.: Organizational change and development, in: Annual Review of Psychology, 50 (1999) February, S. 361-386; Kotter, J. P.: Leading Change, S. 3-18. Dabei ist es unerheblich, welche Ausprägung der Systemtheorie man betrachtet: Vgl. z. B. Norlin, J. M. et al.: Human Behavior and the Social Environment – Social Systems Theory, 4. Aufl., Boston et al. 2003, S. 36-41; Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, S. 70-71 und 102-105; Willke, H.: Systemtheorie II - Interventionstheorie, 3. Aufl., Stuttgart 1999, S. 16-21 und 6591; von Bertalanffy, L.: General System Theory, New York 1968, S. 156-160; Wiener, N.: Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine, 2. Aufl., Cambridge Mass. 1965, S. 50-51. Vgl. Norlin, J. M. et al.: Human Behavior and the Social Environment – Social Systems Theory, S. 37. Vgl. Maturana, H. R., Varela, F. J.: Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens, S. 105-110. Vgl. dazu z. B. Luhmann, N.: Soziale Systeme, S. 71-74.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
73
ihre Reversibilität mit hohen Kosten, einem gewissen zeitlichen Aufwand und anderen Irreversibilitäten zu erkaufen.151 Die nachfolgenden Definitionen aus den Disziplinen Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Ingenieurwissenschaften basieren auf den Ansätzen der zuvor besprochenen Disziplinen, also z. B. der Systemtheorie. Sie unterscheiden sich einerseits natürlich durch das zugrunde liegende Gestaltungsobjekt und andererseits durch das Setzen bestimmter Schwerpunkte bzw. Spezialisierungen, auf die in den nachfolgenden Definitionen eingegangen wird. Dadurch ist auch die Auswahl der Autoren und Meinungen begründet: Aus der scheinbar unüberschaubaren Menge der Veröffentlichungen zum Thema „Veränderung“ wurden diejenigen ausgewählt, die verschiedene Facetten für den Überblick über das herrschende Begriffsverständnis beitragen. Außerdem wurden diejenigen Autoren gewählt, die eine Definition des Begriffs oder zumindest eine detaillierte Erläuterung ihres Begriffsverständnisses vornehmen. Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre und ihrem Gestaltungsobjekt „Unternehmen“ wird die Veränderung unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen. Die Autoren, die eine der fundiertesten Begriffs- und Verständniserläuterungen vornehmen, sind MüllerStewens und Lechner. Bei ihnen findet sich der Begriff des „Wandels“ anstelle von „Veränderung“. Hier ist der „Wandel“ das umfassendere Konzept, und die Veränderungen erscheinen eher als Ausprägungen, die Wandel ausdrücken. Der Wandelbegriff wird aus der Systemtheorie heraus erklärt und als bewusster oder unbewusster Eingriff in das soziale System Unternehmen und seine Interaktionsprozesse definiert.152 Die Autoren erwähnen die Zustandsänderung, die mit dem Wandel einhergeht, legen aber den Schwerpunkt nicht auf die Etablierung eines neuen „End“-Zustandes, sondern betonen den Prozessaspekt und hierbei die Tatsache, dass ein Übergang von einem stabilen zu einem instabilen Zustand erfolgt, der wiederum zu einem stabilen Zustand strebt. Darüber hinaus stellen die Autoren die verschiedenen Prozesstheorien bzw. Grundauffassungen vor, die in Bezug auf Veränderung eingenommen werden können:153 x
Teleologisch: In diesem Theorieverständnis wird Veränderung als die erforderliche Adaption der Organisation interpretiert, wobei die Erreichung eines auf Grundlage der Veränderungen im Umfeld außerhalb und innerhalb des Unternehmens definierten Zieles beabsichtigt wird.
x
Dialektisch: Veränderung entsteht hier aufgrund der Verschiebung von Interessen und Erwartungen der Akteure in einem sozialen System und der sich dadurch entwickelnden Spannungen und Konflikte.
x
Orientiert am Lebenszyklus und Wachstum: Wenn davon ausgegangen wird, dass Unternehmen einem bestimmten Lebenszyklus folgen, entsteht Veränderung schon aufgrund dieser Tatsache „natürlich“.
x
Evolutionär: Dieser Theorieansatz geht davon aus, dass das Unternehmen kontinuierlichen und inkrementellen Veränderungen unterliegt und so die tatsächliche Veränderung durch den schrittweisen Prozess der Zustandsänderung definiert wird.
151 152 153
Ebenda, S. 71. Vgl. die ausführliche Erläuterung in Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 543-681. Vgl. ebenda, S. 379-381.
74
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Die nachfolgenden Begriffsdefinitionen bzw. -erläuterungen werden, neben der kurzen Darstellung des Begriffsverständnisses, in diese vier Theorien eingeordnet. Rüegg-Stürm fokussiert auf die „Zustandsänderung“ und definiert den Begriff „Wandel“ und insbesondere den „organisationalen Wandel“ wie folgt: „Organisationaler Wandel heißt somit, dass die Form der Organisation, in der ein Unternehmen Verkörperung findet, in Bewegung gerät.“154 Er nimmt damit eine dialektische Haltung ein, so dass der Veränderungsprozess als Hauptansatzpunkt das Spannungsfeld zu analysieren hat. Picot et al. gehen von dem „Organisationsproblem“155 aus und ordnen die „Veränderung“ als die dynamische Komponente dieses Problems ein. Sie benutzen dazu den Begriff „Reorganisation“. Sie trennen dabei den Prozess und das Ergebnis „Reorganisation“. Aufgrund der von ihnen genannten Auslöser (Erfindung neuer Organisationsformen, Veränderung der relevanten Situationsmerkmale, Erfindung neuer Theorien) und Zielsetzungen (Lösung des Organisationsproblems durch Implementierung der jeweils effizientesten Organisationsform) einer Reorganisation kann ihr Verständnis in das der teleologischen Theorien eingeordnet werden. Kirsch spricht ebenfalls von „Wandel“ und fokussiert dabei auf die Kausalkette, indem er die „Folgeänderungen“ betont.156 Er legt einen eher teleologischen Theorieansatz zugrunde, weil die Veränderung durch z. B. wirtschaftliche Faktoren ausgelöst wird und das Unternehmen bestrebt ist, sich diesen neuen bzw. anderen Zielen anzupassen. Senge hingegen interpretiert den Begriff der Veränderung als den Endzustand, der nach einer Systemänderung erreicht werden soll. Obwohl auch er den dynamischen Aspekt des Veränderungsprozesses – „change initiative“ – berücksichtigt, ist die Veränderung als solche das Ergebnis des Prozesses.157 Im Rahmen des Veränderungsprozesses nimmt er den Standpunkt der evolutionären Veränderung ein, die sich kontinuierlich ausbreitet. Thom vertritt einen ganzheitlichen Veränderungsbegriff, der auf dem Konzept der Organisationsentwicklung basiert. Der Fokus liegt dabei auf Veränderungsprozessen in sozialen Systemen und dem Prozess vom Ausgangszustand zum gewünschten Zielzustand. Die organisationale Veränderung beginnt mit der Veränderung der Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen der Mitarbeiter, um dann den Veränderungsprozess für das Unternehmen als Ganzes zu initiieren. Dabei spielen auch hier das Spannungsfeld und die Entscheidungsprozesse bei der Umsetzung der radikalen und evolutionären Veränderung eine wichtige Rolle.158 Friedmann und Gyr definieren die Veränderung wiederum als den Prozess des Übergangs von einem Systemzustand zu einem anderen. Die Veränderungen können dabei in154 155
156 157 158
Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 364. Vgl. hier und im Folgenden Picot, A. et al.: Organisation – Eine ökonomische Perspektive, S. 1-10 und 379-398. Organisationsproblem: Organisationen existieren, weil die Knappheit von Gütern die Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen fordert, damit es zum Austausch und zur Abstimmung auf dem Markt kommen kann. Das entstehende Organisationsproblem wird durch das Koordinationsproblem (Informationsasymmetrie) und das Motivationsproblem konstituiert. Vgl. Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, S. 72-74, hier insbes. S. 73. Vgl. Senge, P. et al.: The Dance of Change – The Art of Sustaining Momentum in Learning Organizations, London 1999, S. 3-10 und 360-416. Vgl. Thom, N.: Management des Wandels – Grundelemente für ein differenziertes und integriertes Change Management, Bern et al. 1996, S. 1-16.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
75
krementell oder fundamental sein.159 Der methodische Veränderungsprozess wird dabei durch bestimmte Faktoren aus dem inneren und äußeren Umfeld des Unternehmens ausgelöst und hat zum Ziel, das Unternehmen an die veränderten Bedingungen anzupassen. Die Autoren legen damit also auch ein teleologisches Begriffsverständnis zugrunde. Kotter und Schlesinger verwenden, ebenso wie Picot et al., den Begriff der „Reorganisation“ und verstehen ihn als Reaktion auf Veränderungen im Umfeld des Unternehmens (z. B. neue Produkte, veränderte Gesetze, wachsender Wettbewerb, technologischer Fortschritt und eine sich verändernde Belegschaft).160 Dabei fokussieren sie allerdings in ihrem Begriffsverständnis den Veränderungsprozess und weniger das Ergebnis als neuen Zustand.161 Diese Auffassung entspricht wiederum dem teleologischen Ansatz. In einer anderen Quelle definieren Kotter und Cohen „Veränderung“ als die Adoption neuer Technologien und grundlegender strategischer Verschiebungen sowie die Herbeiführung einer veränderten Unternehmenskultur, d. h. eines veränderten Verhaltens.162 Hier steht also das Ergebnis im Mittelpunkt, und der Prozessaspekt tritt in den Hintergrund, obwohl ein dialektischer Ansatz in Bezug auf die Verhaltensänderung zu erkennen ist. Schein, der aus einer unternehmenskulturellen Perspektive heraus argumentiert, sieht in der Veränderung hauptsächlich den Prozessaspekt.163 Er vertritt eine dialektische Auffassung, die als einen Aspekt das Streben eines sozialen Systems nach einem Gleichgewicht („equilibrium“) beinhaltet. Seiner Meinung nach stellen die Bausteine der Unternehmenskultur, wie z. B. Werte, Wahrnehmungen, Meinungen und Annahmen, wichtige Faktoren dar, die das Gleichgewicht einer Organisation nach einem durch Spannungen erzeugten Ungleichgewicht (er spricht sogar von mehreren „Ungleichgewichten“) wieder herstellen können. In diesem Begriffsverständnis kommt recht deutlich die eher negativ geprägte Auffassung von der Tatsache „Veränderung“ zum Ausdruck, die ein Ungleichgewicht erzeugt, so dass alles Streben zum Gleichgewicht nur durch den Prozess „Veränderung“ unterstützt werden kann. Kanter lehnt sich mit ihrer Auffassung des Begriffs „Veränderung “ an die Idee der „Innovation“ an und definiert wie folgt: „Change involves the crystallization of new action possibilities (new policies, new behaviors, new patterns, new methodologies, new products, or new market ideas) based on reconceptualization of old ones, to make new, and hopefully more productive, actions possible.”164 Sie legt damit den Fokus auf eine bisher nahezu unbeachtete Perspektive der „Veränderung”, nämlich die Schaffung von neuen und innovativen Handlungsoptionen für das Unternehmen. Damit betont sie deutlich die aktive Rolle der Veränderung. Während sie hier also zugleich auf die Ergebnisdimension verweist, verwendet sie für die Prozessperspektive den Begriff der „organisationalen Veränderung“ („corporate change“ sowie auch „rebuilding“). Im Rahmen der Einordnung in die vier Theorieverständnisse nimmt sie eine Sonderposition ein, denn sie ist nicht vollständig dem teleologischen Verständnis zuzurechnen, weil dort davon ausgegangen wird, 159 160 161 162 163 164
Vgl. Friedman, L., Gyr, H.: The Dynamic Enterprise, San Francisco 1998. Vgl. Kotter, J. P., Schlesinger, L. A.: Choosing Strategies for Change, in: Harvard Business Review, March-April 1979, S. 4-11. Vgl. auch Kotter, J. P.: Leading Change, Boston 1996, S. 17-31. Vgl. Kotter, J. P., Cohen, D.: The Heart of Change, Boston 2002, S. ix. Vgl. hier und im Folgenden Schein, E. H.: Organizational Change and Leadership, S. 297-312. Vgl. hier und im Folgenden Kanter, R. M.: The Change Masters: Innovation and Entrepreneurship in the American Corporation, New York 1982, S. 278-306; wörtliches Zitat auf S. 279.
76
Begriffliche und theoretische Grundlagen
dass ein bestimmter Auslöser die Veränderung mit einem bestimmten Zweck bzw. Absicht anstößt und das Unternehmen aufgrund dieses „externen“ Impulses agiert, aber nicht aus eigener Kraft eine Veränderung auslösen kann. Kanter geht jedoch auch von der Möglichkeit aus, dass Veränderung von innen heraus durch die innovativen Potenziale des Unternehmens initiiert werden kann. Innovation aus eigener Kraft entspricht aber nicht unbedingt der Auffassung der Teleologie. Deshalb könnte man diese Art des Begriffsverständnisses in den Theoriebereich der „living systems“ nach Capra einordnen, der versucht, die Ideen des Vitalismus aufzunehmen und dabei die Gegensätze zwischen dem Mechanismus und der Teleologie zu überbrücken.165 Zusammenfassend lässt sich für den Veränderungsbegriff der Betriebswirtschaftslehre festhalten, dass er sich auf die Auffassungen der Erkenntnis- und Systemtheorie zurückführen lässt. In fast allen Fällen können die vier anfangs von Müller-Stewens und Lechner zusammengefassten Prozesstheorien zugrunde gelegt werden, wobei der Veränderungsbegriff aber zugleich auch die eher statische Auffassung der Ergebnisperspektive beinhaltet. In den Ingenieurwissenschaften existieren verschiedene Begriffsauffassungen, die einander ergänzen und dabei in der Systemtheorie verhaftet sind. Das ist eine logische Konsequenz des Gestaltungsobjektes bzw. Erkenntnisobjekts der Ingenieurwissenschaften, das mechanische, elektrische bzw. naturwissenschaftliche System, z. B. im Sinne des biologischen oder chemischen Systems. Es ist damit eine Spezialausprägung des allgemeinen „Systems“ aus der Systemtheorie, das auch ein soziales System sein kann. Zum einen verstehen die Ingenieurwissenschaften unter dem Begriff „Veränderung“ demnach den Übergang von Objekten oder Subjekten von einem Zustand in einen anderen Zustand. Veränderung wird in diesem Zusammenhang als aktive Anpassung, wie z. B. der Funktionsweise einer Maschine oder des Zusammenwirkens von Projektparametern, mit dem Ziel der Erreichung eines geplanten Zustands definiert.166 Darüber hinaus findet man, z. B. bei Daenzer und Huber, wiederum die Intervention als aktive Form der Veränderung, die sich in verschiedenen Strategien äußert: der punktuellen Verbesserung (Melioration), der Umgestaltung durch kleinere oder größere Veränderung und der Neugestaltung, d. h. die Ersetzung der alten Lösung durch eine neue.167 Auch in den Ingenieurwissenschaften können die vier Prozesstheorien (teleologisch, dialektisch, lebenszyklusorientiert und evolutionär) wieder erkannt werden, wobei der dialektische Ansatz eine eher nebengeordnete Bedeutung einnimmt. Veränderung ist in der Wirtschaftsinformatik ebenfalls in der Systemtheorie verankert und wird generell als Anpassung eines Systems aufgrund von veränderten Anforderungen oder des Auftretens von Fehlern definiert.168 Diese Anpassung kann planmäßig, aber auch unplanmäßig erfolgen. Das Gestaltungsobjekt der Wirtschaftsinformatik, also der Spezialfall des „Systems“, ist das betriebliche Informationssystem und seine konstituierenden Elemente, z. B. die informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur, 165 166 167 168
Vgl. Capra, F.: The Web of Life, New York 1996, S. 106-110. Vgl. z. B. Deming, W. E.: Out of the Crisis – Quality, Productivity and Competitive Position, Cambridge Mass. 1986, S. 1-96. Vgl. Daenzer, W. F., Huber, F. (Hrsg.) und Haberfellner, R. et al.: Systems Engineering, 11. Aufl., Zürich 2002, S. 121. Vgl. z. B. Pohl, K.: Change Management, in: Mertens, P. et al. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., Berlin et al. 2001, S. 92-94.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
77
aber auch die zugrunde liegenden Konzepte, z. B. Informationsprozesse.169 Hier liegt die thematische Konzentration, wenn über Veränderung gesprochen wird. Dennoch betrachtet auch die Wirtschaftsinformatik die Veränderung des Umfelds des betrieblichen Informationssystems, wobei wiederum die Zustandsänderung des Systems als Prozess, aber auch als Ergebnis relevant ist.170 Tabelle 2 fasst die verschiedenen Definitionsansätze zum Begriff „Veränderung“ zusammen. Disziplin
Definitionsansatz
Allgemein, ohne direkte Zuordnung zu einer Disziplin
Veränderung als Handlung, als Prozess und als Ergebnis; Veränderung kann aktiv und passiv erfolgen.
Erkenntnistheorie
Veränderung ist abhängig von der Erfahrung und Wahrnehmung der Person; Veränderung findet in Bezug zu Objekten statt; die Wahrnehmung des Unterschieds zwischen zwei Zuständen bestimmt die Wahrnehmung der Veränderung.
Psychologie (Organisationspsychologie)
Veränderung ist in der Entwicklungspsychologie der Prozess, wie sich ein Mensch in seinen inneren und äußeren Merkmalen weiterentwickelt. Veränderung kann einerseits aus internen Prozessen erzeugt werden, ohne dass sich das Gesamtsystem verändert (Veränderung erster Ordnung). Andererseits kann Veränderung die internen Prozesse selbst und damit das Gesamtsystem betreffen (Veränderung zweiter Ordnung). In der Organisationspsychologie hängt der Veränderungsbegriff von der Denkschule ab; er ist z. B. erkenntnistheoretisch oder systemtheoretisch fundiert. Dabei steht entweder der Prozess oder das Ergebnis im Vordergrund.
Systemtheorie
Ausgehend vom Systembegriff ist Veränderung der Übergang des betroffenen Systems von einem Zustand in einen anderen. Diese Zustandsänderung wird ausgelöst durch aktive oder passive Agenten und führt in Verbindung mit der je nach beobachtetem System unterschiedlicher Ansatzpunkte und deren Interaktion zu Ursache-Wirkungsketten. Relevante Aspekte sind die Zeit, in der die Veränderung stattfindet, der Veränderungsprozess, durch den der Übergang vom ten zum neuen Systemzustand erreicht wird, sowie die Frage der Reversibilität bzw. Irreversibilität der Maßnahmen.
169
170
Vgl. König, W. et al.: Die zentralen Forschungsgegenstände der Wirtschaftsinformatik in den nächsten zehn Jahren, in: Wirtschaftsinformatik, 37 (1995) 6, S. 558-569; Heinzl, A. et al.: Erkenntnisziele der Wirtschaftsinformatik in den nächsten drei und zehn Jahren, in: Wirtschaftsinformatik 43 (2001) 3, S. 223-233; Ferstl, O. K., Sinz, E. J.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., München, Wien 2001, S. 119. Vgl. z. B. Klein, A., Krcmar, H.: Electronic Meeting Systems Paradox – Hindernisse für den Einsatz funktionierender Technik und Ansätze zu ihrer Überwindung, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 4, S. 421-433; Goles, T.: Vendor capabilities and outsourcing success: A resource-based view, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 2, S. 199-206; Klepper, R., Hoffmann, N.: Assimilation of new information technology and organizational culture: a case study, in: Wirtschaftsinformatik, 42 (2000) 4, S. 339-346.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
78
Disziplin
Definitionsansatz
Betriebswirtschaftslehre
Veränderung ist in der Betriebswirtschaftslehre und dessen Gestaltungsobjekt „Unternehmen“, je nach Autor, entweder in der Erkenntnistheorie, der Psychologie oder der Systemtheorie verankert. Die vier Prozesstheorien (teleologisch, dialektisch, Lebenszyklus/Wachstum, evolutionär) stellen eine Grundordnung für den Veränderungsbegriff dar, der durch die Berücksichtigung des Ergebnisses als „statische“ Veränderung ergänzt wird.
Ingenieurwissenschaften
Die Ingenieurwissenschaften verstehen unter Veränderung die Anpassung eines technischen, chemischen oder biologischen Systems an veränderte Anforderungen. Der Begriff umfasst hier sowohl die Prozessperspektive einschließlich der Strategien, die für die Zielerreichung einsetzbar sind, als auch die Betrachtung des Endzustandes.
Wirtschaftsinformatik
Veränderung ist einerseits die Zustandsänderung im Umfeld des betrieblichen Informationssystems sowie der Applikationen und technischen Plattformen, die zu veränderten Bedingungen für das System führt. Andererseits ist es die planmäßige und unplanmäßige Anpassung des betrieblichen Informationssystems, der Applikationen und der technischen Plattformen an veränderte und neue Anforderungen durch die Umfeldveränderung. Das Begriffsverständnis umfasst dabei sowohl den Prozess der Veränderung als auch das Ergebnis des Prozesses – „die Veränderung“.
Tabelle 2: Definitionsansätze des Begriffs „Veränderung“ Bevor die Definition von „Veränderung“ für die vorliegende Arbeit entwickelt wird, muss zunächst noch kurz auf den Begriff der „Organisation“ eingegangen werden. Hier existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Auffassungen und Herangehensweisen, die im Folgenden nicht vollständig aufgearbeitet wird. Vielmehr stützt sich diese kurze Auseinandersetzung mit dem Begriff auf die Ausführungen von Picot et al. und nimmt dann die differenzierten Überlegungen von Rüegg-Stürm auf.171 Zunächst wird von der Grundlage ausgegangen, dass sich der Organisationsbegriff vor allem in zwei Grundauffassungen unterscheidet, die beispielsweise unterschiedlich in der anglo-amerikanischen und europäischen Literaturmeinung vertreten werden. Das instrumentelle Begriffsverständnis, das in Europa vorherrscht, sieht die „Organisation“ aus der Sicht der Organisationslehre auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen ausgerichtet und fokussiert das behandelte Grundproblem für die angemessene Strukturierung von Unternehmen. Mit Hilfe von Organisationsinstrumenten soll dem Unternehmen also eine möglichst angemessene Struktur gegeben werden. Die Grundaussage ist, dass Unternehmen eine Organisation haben. Im institutionellen Verständnis hingegen steht der Begriff der Institution (Unternehmen, 171
Vgl. hier und im Folgenden Picot, A. et al.: Organisation, S. 27-31; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 107-153, aber auch Dyllick, T.: Organisationstheorie, in: io Management Zeitschrift, 50 (1981) 9-11, S. 442-446, 565-569, 609-613; Scherer, A. G.: Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? – Wissenschaftstheoretische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart et al. 2001, S. 1-37; Busch-Walter, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, Amsterdam 1996, S. 1-25, hier insb. S. 24-25.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
79
öffentliche Verwaltung, Schulen, Verbände) im Mittelpunkt. Hier ist die Grundaussage demzufolge, dass solche Institutionen Organisationen sind. Ein dritter Aspekt ist funktional verankert und vertritt die Auffassung, die in der Systemtheorie wurzelt, dass die Organisation mit dem Ziel der Komplexitätsbewältigung eingesetzt wird.172 Damit ergibt sich die Aussage, dass Unternehmen organisiert werden. Auf Basis dieser Ausgangslage haben sich verschiedene Ansätze entwickelt, die unterschiedliche Schwerpunkte im Begriffsverständnis setzen und z. B. zwischen einer Aufgaben-, Motivations- bzw. Handlungsorientierung differenzieren oder aber der Aufteilung zwischen Handlungs- und Analyseperspektive folgen. Eine Erweiterung dieser traditionellen Grundlagen erfolgt durch die – nach Rüegg-Stürm – interpretativ-hermeneutische, prozessorientierte und polykontexturale Sichtweise der neuen Organisationstheorien.173 In diesen Theorien findet sowohl der institutionelle als auch der instrumentelle Organisationsbegriff Anwendung. Picot et al. konzentrieren sich auf die Lösung des Organisationsproblems und differenzieren den Begriff in den Prozess des Organisierens und dessen Ergebnis, nämlich das entstehende Regelsystem bzw. die Institutionen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff der „Organisationsstruktur“ hervorgehoben, der die Gesamtheit aller organisatorischen Regeln bezeichnet und in die drei Perspektiven formal (geplante Regelungen), faktisch (gelebte Regelungen) und subjektiv (wahrgenommene und interpretierte Organisationsstruktur) differenziert. Darüber hinaus unterscheiden die Autoren zwischen der Aufbau- und Ablauforganisation als einerseits Strukturkomponente, die die Beziehungen zwischen Aufgabenträger und Teilaufgaben abbildet, und andererseits als Bewegungskomponente, die auf verschiedene Prozesse fokussiert, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung ablaufen.174 Weiterhin ergänzen sie den traditionellen Organisationsbegriff, der unternehmensintern ausgerichtet ist, um den Aspekt des „Institutionenspektrums“, das sämtliche Institutionen, d. h. z. B. auch den Markt, umfasst und zu einem Teil des unternehmerischen Organisationsprozesses macht, der zuvor nur als interne Aufgabe ausgelegt wurde.175 Aufgrund der umfassenden Betrachtungsweise und des ganzheitlichen Begriffsverständnisses wird in dieser Arbeit in erster Linie dem Begriffsverständnis der „Organisation“ nach Picot et al. gefolgt und demzufolge ebenfalls auf den Begriff der Organisationsstruktur abgehoben sowie der Sichtweise der Innen- und Außenorientierung zur Lösung des Organisationsproblems entsprochen. Picot et al. vertreten konkret die folgende Begriffsauffassung:176 „In der Betriebswirtschaftslehre wird die Gesamtheit der organisatorischen Regeln eines Unternehmens als Organisationsstruktur bezeichnet. In der Terminologie der Institutionenforschung […] ist die Organisationsstruktur ein System von Institutionen. Sie soll den Handlungsspielraum der Unternehmensmitglieder einschränken und ihr Verhalten zielgerichtet steuern, um auf diese Weise Koordination und Motivation zu gewährleisten.“
172 173 174 175 176
Vgl. Gomez, P., Zimmermann, T.: Unternehmensorganisation – Profile, Dynamik, Methodik, 4. Aufl., Frankfurt a. M. und New York 1999, S. 16-19. Vgl. dazu Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 116-117 und die nachfolgenden Ausführungen zu ausgewählten Vertretern dieser Sichtweise S. 118-151. Vgl. Picot, A. et al.: Organisation, S. 29. Vgl. ebenda, S. 29-30. Picot, A. et al.: Organisation, S. 31.
80
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Diese Auffassung wird durch die Definition von Rüegg-Stürm ergänzt, die zusätzlich den Aspekt der „Weiterentwicklung“ integriert und damit auch die Perspektive der Veränderung einbezieht:177 „Unter Organisation im Kontext von Management werden all jene Strukturmomente und Strukturierungsprozesse verstanden, die in ihrem Zusammenwirken zu einer kompatiblen und kohärenten Weiterentwicklung von Wirklichkeitsordnung und Wirklichkeitskonstruktion einer arbeitsteiligen, zweckorientierten, sozialen Institution beitragen, so dass damit stets neu der Keim des Fortbestandes dieser Institution angelegt ist.“ Die Begründung für das gewählte Begriffsverständnis basiert auf der grundlegenden Fragestellung der vorliegenden Arbeit, die auf eine Steuerbarkeit von Veränderungsprozessen abhebt und dabei die systematische, projektgetriebene Veränderung und Entwicklung von Organisationsstrukturen zur Lösung des Organisationsproblems anstrebt. Unter „Organisation“ wird die Gesamtheit der internen und externen organisatorischen Regeln eines Unternehmens, die der Koordination und Motivation der Akteure dienen, verstanden. Dabei wirken Strukturmomente und Strukturprozesse so zusammen, dass eine Weiterentwicklung der Organisation als Geflecht verschiedener, aber vor allem der sozialen Institutionen gefördert wird. Nachdem die Grundlagen für die Begriffsbestimmung von „Veränderung“ für die Verwendung in der vorliegenden Arbeit gelegt sind, wird der Begriff erstens generell definiert und darüber hinaus in zwei Unterbegriffe differenziert, die einerseits auf das betriebliche Informationssystem (BIS), und dabei auch auf die Applikationen und die Plattformen abzielt (Veränderung BIS), und sich andererseits auf das soziale System „Organisation“ (ORG) und damit den Menschen in der Organisation bezieht (Veränderung ORG). Diese Differenzierung wird vorgenommen, damit gleichzeitig auch dem Veränderungsbegriff aus der Erkenntnistheorie Rechnung getragen werden kann, der auf wahrgenommene Unterschiede abhebt und aus diesem Grund eine allgemeingültige Aussage für sämtliche Veränderungen im Unternehmen nicht zulässt. Es muss also fallspezifisch festgelegt werden, welche Differenzierung des Veränderungsbegriffs zugrunde zu legen ist.
177
Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 7 (Hervorhebungen im Original).
Begriffliche und theoretische Grundlagen
81
So wird „Veränderung“ allgemein zunächst wie folgt definiert: Veränderung wird einerseits als das Ergebnis einer Handlung bezeichnet und andererseits als der aktiv oder passiv ausgelöste Prozess, der zu diesem Ergebnis führt (die Handlung), aufgefasst. Aufbauend auf dieser Basisdefinition wird die Differenzierung für die beiden Unterbegriffe wie folgt vorgenommen: x
Veränderung BIS: Veränderung auf der Ebene des betrieblichen Informationssystems, der Applikationen sowie der technischen Plattformen ist einerseits definiert als die Verschiebung von Bedingungen des Umfeldes, also der Rahmenparameter und andererseits als die planmäßige oder unplanmäßige Anpassung des Systems an veränderte Anforderungen. Diese Anforderungen können sich aufgrund der Veränderungen des Umfeldes (Validierung) ergeben oder aber Gründe in der Verifikation der Systemleistung haben. Die Veränderung manifestiert sich in der Zustandsänderung des Systems.
x
Veränderung ORG: Veränderung auf der Ebene der Organisation umfasst die Anpassung des sozialen Systems und seiner Institutionen an veränderte Umfeldbedingungen. Ein Aspekt der Veränderung ist dessen Auslösung bzw. Entstehung durch die Unterschiede, die aufgrund von Beobachtungen wahrgenommen werden. Ein weiterer Aspekt ist die Entstehung von Veränderung durch Intervention in das soziale System. Darüber hinaus hat die Veränderung in Bezug auf die Zielperspektive unterschiedliche Reichweiten und kann sich als Veränderung erster oder zweiter Ordnung ausdrücken.
Diese Definition schließt die Erhebung der unterschiedlichen Verständnisse der Begriffe „Veränderung“ und „Organisation“ sowie der Entwicklung einer Begriffsdefinition für die vorliegende Arbeit ab. Bevor nun im folgenden Kapitel das Konzept der „Organisationalen Veränderung“ untersucht und entwickelt werden kann, muss noch eine kurze Abgrenzung der drei Begriffe „Veränderungsvorhaben“, „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ erfolgen. Die detaillierte Positionierung und Definition des Begriffs „Veränderungsprojekt“ erfolgt in Kapitel 3.2, weil dort der Bezug zum Konzept der „Organisationalen Veränderung“ hergestellt werden kann. Der Begriff „Vorhaben“ ist eine allgemeine Bezeichnung für eine Idee bzw. einen Plan oder eine Absicht und einen damit verbundenen Vorgehensvorschlag im Sinne eines Konzepts.178 Er bezieht darüber hinaus den kreativen Teil der Ideengenerierung mit ein und kann mit dem Begriff der „Initiative“ in Verbindung gebracht werden. Hier ist in der Strategieentwicklung insbesondere der Begriff der „strategischen Initiative“ von Bedeutung. Müller-Stewens und Lechner definieren diesen Begriff wie folgt: 178
Vgl. die Begriffsdefinitionen unter http://www.dwds.de/cgi-bin/portalL.pl?search=Vorhaben, (Zugriff am 07.01.2004).
Begriffliche und theoretische Grundlagen
82
„Als strategische Initiative wird jeder „Impuls“ im Unternehmen verstanden, der dessen Entwicklung signifikant betrifft.“179 Aus einer strategischen Initiative kann also ein Veränderungsvorhaben entstehen. Erst durch die Erfüllung bestimmter Merkmale, wie z. B. nach DIN 69901, wird ein solches Vorhaben zu einem Projekt.180 Beim Übergang zum Projekt steht zunächst die Aufbauperspektive im Vordergrund der Betrachtung. Das Veränderungsprojekt wird also in seinen strukturellen Dimensionen beschrieben. Der Veränderungsprozess hingegen beschreibt die Ablaufperspektive des Veränderungsvorhabens. Er stellt eine interne Verbindung zwischen Vorhaben und Projekt her, indem die Phase der Ideenfindung bzw. Themenidentifikation mit einbezogen wird, die im begrifflichen Umfang des Veränderungsprojekts nicht enthalten ist, weil die Definition eines Veränderungsprojekts in der Regel nach Erkennen des Veränderungsbedarfs oder, im proaktiven Fall, der Vision für eine Veränderung erfolgt. Abbildung 25 zeigt diese begriffliche Abgrenzung noch einmal grafisch. Veränderungsvorhaben Veränderungsprojekt
Ideenfindung
Diskussion
Initiierung
Durchführung
Abschluss
Prüfung der Nachhaltigkeit
Veränderungsprozess
Abbildung 25: Abgrenzung der Begriffe „Veränderungsvorhaben“, „Veränderungsprozess“ und „Veränderungsprojekt“ Der in Abbildung 25 skizzierte Veränderungsprozess orientiert sich an dem thematischbasierten Verständnis des Ablaufs einer Veränderung nach Müller-Stewens und Lechner, Kotter, Doppler und Lauterburg, Vollmann oder Friedman und Gyr181 und weniger an den von einigen Autoren vertretenen Phasen und Varianten des „unfreeze“, „change“, „refreeze“.182 Mit diesem letzten Schritt zur Abgrenzung von grundlegenden Begriffen kann nun die Entwicklung und Definition des Konzepts der „Organisationalen Veränderung“ erfolgen.
179 180 181
182
Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 27-28. Vgl. DIN 69901: Projektwirtschaft, hrsg. vom Deutschen Institut für Normung e.V., Berlin 1987. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 26; Kotter, J. P.: Leading Change, S. 33-145; Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 106; Vollmann, T.: The Transformation Imperative, S. 89-114; Friedman, L., Gyr. H.: The Dynamic Enterprise, S. 33-54. Vgl. z. B. Schein, E.: Organizational Change and Leadership, S. 297-312.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
83
3.1.2 Das Konzept „Organisationale Veränderung“ Um die organisationale Veränderung über die reine Begriffsdefinition hinaus weiter zu systematisieren, können verschiedene Ordnungsparameter bzw. Dimensionen herangezogen werden. Dabei sind die Dimensionen herauszufiltern, die erstens die Zielsetzungen der Systematisierung und möglichst umfassenden Beschreibung erfüllen, zweitens dabei möglichst unabhängig voneinander sind, damit das Begriffsverständnis einen adäquaten Definitionsrahmen erhält, und sich drittens auf einem möglichst hohen Abstraktionsniveau befinden, damit die anderen Begriffe darunter einzuordnen sind. Das Ergebnis ist ein multidimensionales Koordinatensystem, das durch die Hauptdimensionen und ihre Ausprägungen, d. h. die möglichen Varianten unter dem Oberbegriff, definiert wird. Im ersten Kapitel sind bereits einige Quellen auf die verwendeten Beschreibungsansätze untersucht worden, und dabei haben sich vier mögliche Dimensionen herauskristallisiert: (1) die verfolgte und bevorzugte „Denkschule“, (2) die zugrunde gelegte „Organisationstheorie“, (3) die relevante bzw. angemessene „Prozessvision“ und schließlich (4) das verfolgte „Steuerungsverständnis“.183 Weitere Dimensionen, die in der Literatur diskutiert werden, sind z. B. (5) die Zielsetzungen und Konsequenzen der Veränderung184, (6) die Wertschöpfungsperspektive185, (7) die zu verfolgende Vorgehensweise bei der Veränderung, z. B. in Form des Projektmanagements bzw. der Projektsteuerung und der Vorgehensmethode186 oder auch (8) der Führungsstil und die kulturelle Verankerung187. Stellt man die insgesamt identifizierten Dimensionen einander gegenüber, so lässt sich feststellen, dass sich die Dimensionen (5) bis (8) unter die Dimensionen (1) bis (4) wie folgt einordnen lassen: die Dimensionen (5) und (6) fallen thematisch unter die Prozessvision, Dimension (7) kann sowohl unter die Prozessvision als auch unter die Organisationstheorie fallen, und die Dimension (8) hängt von der bevorzugten „Denkschule“ ab und sollte hier zugeordnet werden. Aus den verschiedenen Aspekten, die in die Begriffsverständnisse zur Organisation und Veränderung einfließen, ergeben sich also kondensiert die vier Gestaltungsdimensionen, die das Konzept „Organisationale Veränderung“ systematisieren (vgl. auch Abbildung 26): 1.
183 184
185 186 187
Die zugrunde liegende Denkschule: Die wichtige und grundlegende Gestaltungsdimension wird dadurch bestimmt, welche Philosophie bzw. Denkschule der InterpreVgl. Kapitel 1, S. 9-13. Vgl. z. B. Penzel, H.-G.: Post Merger Management in Banken - und die Konsequenzen für das ITManagement, in: Wirtschaftsinformatik 41 (1999) 2, S. 105-115 oder auch für die hauptsächlich organisationstheoretisch getriebene Sicht Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 103-110. Vgl. z. B. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, S. 422-426. Vgl. z. B. Österle, H.: Business Engineering, S. 23-24. Vgl. z. B. Doppler, K.: Der Change Manager, Frankfurt a. M. 2003.
84
Begriffliche und theoretische Grundlagen
tation und Anwendung des Begriffs „Veränderung“ zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang können z. B. der „radikale Konstruktivismus“ oder der „Objektivismus“188 genannt werden. Welcher Denkschule gefolgt wird, beeinflusst demzufolge auch die Ausgestaltung der anderen Gestaltungsdimensionen. Sie stellt die „erkenntnistheoretische Basis“ des Begriffsverständnisses dar. 2.
Das organisationstheoretische Verständnis: Ähnlich wie in Bezug auf die Wahl der „Denkschule“ können unterschiedliche organisationstheoretische Verständnisse zugrunde gelegt werden, z. B. die neue Institutionenökonomie, Max Webers Bürokratiemodell oder auch die Autopoiese nach Maturana und Varela. Diese Dimension repräsentiert die strukturelle Basis der Veränderung und bildet zusammen mit der Dimension „Denkschule“ die Grundlage für die kulturelle Verankerung der Veränderung.
3.
Das Steuerungsverständnis: Die Veränderung kann nur dann einen Wertschöpfungsbeitrag für das Unternehmen leisten, wenn sie steuerbar ist. Steuerbarkeit ist aber, wie frühere Ausführungen bereits gezeigt haben, wiederum davon abhängig, welcher Steuerungsbegriff zugrunde gelegt wird und welche Denkschule bzw. welches Organisationsverständnis vorherrschen. Die beiden extremen Ausprägungen dieser Dimension sind auf der einen Seite die vollständige Steuerbarkeit eines deterministischen Systems aus der klassischen Systemtheorie und auf der anderen Seite die absolute Nicht-Steuerbarkeit (hier in Bezug auf das soziale System), die z. B. in der Schule des radikalen Konstruktivismus vertreten wird. Das Steuerungsverständnis repräsentiert den Managementaspekt der organisationalen Veränderung.
4.
Die Prozessvision: Aufgrund der Definition des Begriffs „Veränderung“ mit einem zweiten Schwerpunkt auf dem Prozess, also der Ablauforganisation, ist die Prozessvision eine wichtige Gestaltungsdimension für die „Organisationale Veränderung“, denn nur durch sie entsteht ein Zielsystem für den Veränderungsprozess. Die konkrete Prozessvision kann einerseits durch die eher ingenieurmäßig getriebene Sicht der Möglichkeit der Definition eines, im Extremfall, radikal neuen Prozesses und der systematischen Implementierung dieses Prozesses in der Organisation geprägt sein, wie sie z. B. bei Österle zu finden ist. Andererseits kann sie z. B. durch Weicks Auffassung der rekursiven Entwicklung von Prozessen im sozialen System charakterisiert sein, die eigentlich keine Prozessvision im radikalen Sinne zulässt, sondern nur eine Prozessentwicklung, die in einem System aufeinander aufbauender Beobachtungen und Interpretationen „wächst“. Diese Dimension trägt der Forderung nach der Perspektive der Dynamik Rechnung, hier werden Ist- und Soll-Zustand abgebildet und der „Weg“ zwischen diesen beiden Zuständen definiert. Zusammen mit der Dimension „Steuerungsverständnis“ bildet sie die Basis für die Implementierung der Veränderung.
188
In Bezug auf die Denkschule, wird der Objektivismus auch zusammen mit dem Rationalismus bzw. dem Realismus geführt.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
85
„Denkschule“
Steuerungsverständnis
Organisationale Veränderung
Prozessvision
Organisationstheorie
Abbildung 26: Definitionsrahmen für das Konzept „Organisationale Veränderung“ Diese Gestaltungsdimensionen bzw. das Gesamtkonzept unterscheiden sich von Beschreibungsansätzen, wie sie z. B. bei Kotter, oder auch Giddens vorzufinden sind, dadurch, dass eine höhere Abstraktionsstufe gewählt wird. Diese Stufe umfasst alle möglichen Ausprägungen der Dimensionen, während bei konkreten Ansätzen die Ausprägungen bereits fest „gesetzt“ sind, weil sie einer bestimmten Philosophie folgen. Damit für ein Veränderungsprojekt bzw. einen Veränderungsprozess aber eine angemessene Grundlage entwickelt werden kann, müssen die Ausprägungen entsprechend dem gesamten Kontext sowie auch den dominierenden Meinungen und Glaubenssätzen untersucht werden. Wenn in dem Unternehmen eine „Command and Control“ Philosophie vorherrscht, wird eine Prozessvision, die auf „Unternehmern im Unternehmen“ und einem Steuerungsverständnis, das auf Selbststeuerung basiert, nicht erfolgreich sein können – auch wenn es in der zu dem Zeitpunkt aktuellen Managementlehre der scheinbar erfolgreichste Weg ist. Ein radikaler Konstruktivist wird nicht zu einem Rationalisten bekehrbar sein. Aus diesem Grund muss ein flexibler Rahmen vorgegeben werden, der den Bedürfnissen und Herausforderungen anpassbar ist. Mit dem nachfolgend vorgestellten Konzept der „Organisationalen Veränderung“ wird ein solcher Rahmen zur Verfügung gestellt. Die Gestaltungsdimensionen und ihre für die zu lösende Problemstellung relevanten Ausprägungen werden in den nachfolgenden Kapiteln erläutert und entwickelt. Dabei gilt es zu beachten, dass für das zu entwickelnde Verständnis die Dimensionen in der Reihenfolge „Denkschule“, „Organisationstheorie“, „Steuerungsverständnis“ und „Prozessvision“ beschrieben werden, die logische Verknüpfung der Ausprägungen aber beginnend mit „Denkschule“ im Uhrzeigersinn, wie in Abbildung 26 gezeigt, erfolgt. Dieses Vorgehen liegt darin begründet, dass im Rahmen der Entwicklung der Prozessvision bereits auf die Steuerung des Prozesses eingegangen werden muss und dafür die Grundlagen des Steuerungsverständnisses gelegt sein müssen. In der Logik des Begriffsverständnisses werden jedoch beginnend mit der „Denkschule“ die relevanten „Organisationstheorien“ erarbeitet, die sich wiederum in der Existenz und Definition der „Prozessvision“ niederschlagen, auf die sich dann das „Steuerungsverständnis“ bezieht. Die weitere Vernetzung zwischen den Achsen ist bereits im Rahmen der Begründung der Gestaltungsdimensionen
86
Begriffliche und theoretische Grundlagen
erläutert worden, so dass nun mit der Entwicklung dieser Dimensionen begonnen werden kann.
3.1.3 Die Gestaltungsdimension „Denkschule“ Mit dem Begriff „Denkschule“ bezeichnet man das grundlegende Verständnis, das in Bezug auf das „Funktionieren“ der Welt und damit auch dem Zusammenspiel von Mensch und Unternehmen vorherrscht. Rüegg-Stürm nennt diese „Denkschulen“ „Metatheorien“ und ihre konkreten Ausprägungen „Alltagstheorien“, die als Bezugsrahmen für die Vermittlung von Erwartungsgewissheit, Handlungsorientierung und Sinn dienen.189 Die Frage nach der Art und Weise, wie Erkenntnisse gewonnen und als Wissen entwickelt und verwendet werden, steht dabei im Mittelpunkt der Überlegungen. In der Entwicklung dieses Verständnisses haben sich zum Teil sehr gegensätzliche Theorien gebildet. Die grundlegenden Auffassungen wurden bereits bei der Untersuchung des Veränderungsbegriffs kurz erläutert. Sie werden nachfolgend wieder aufgegriffen und entsprechend vertieft bzw. ergänzt. Dabei sind diejenigen Theorieansätze ausgewählt worden, die einerseits die unterschiedlichen Standpunkte verdeutlichen und andererseits für die vorliegende Arbeit von Relevanz sind. Die jeweiligen Denkansätze sollen zumindest kurz erläutert werden, damit einerseits der Rahmen der Arbeit nicht gesprengt, andererseits aber ihrer Bedeutung für die zugrunde liegenden Interpretationsansätze dennoch Rechnung getragen wird. x
189 190 191
Positivismus: Hier wird zwischen dem klassischen Positivismus und dem Neo-Positivismus (auch logischer Positivismus oder logischer Empirismus) unterschieden. Der klassische Positivismus nach Comte (1798-1857) fordert eine reine Betrachtung von real existierenden Erscheinungen unter Außerachtlassung aller metaphysischen Erwägungen. Der Begriff „Positivismus“ verweist auf die Beschäftigung mit den Dingen, die bestimmbar, sicher und wirklich sind, im Gegensatz zu den Dingen der metaphysischen Welt, die nicht unmittelbar erkennbar sind. Streng nach Comte ist deshalb z. B. eine Wissenschaft der Psychologie unmöglich, weil sie sich mit nicht „wirklichen“ und metaphysischen Objekten auseinandersetzen müsste.190 Der Positivismus wurde weiterentwickelt und unter Carnap (1891-1970) als treibende Kraft im so genannten Wiener Zirkel zum Neo-Positivismus verfeinert. Aufbauend auf den Grundlagen des Positivismus spielen hier die Logik und die Sprache eine größere Rolle, und unter weiterhin bestehender Ablehnung der Metaphysik sollen Probleme ausschließlich durch Empirie und Logik gelöst werden. Wirklichkeiten werden durch eine physikalische Universalsprache ausgedrückt, die aus nicht weiter definierbaren und empirisch fundierten Grundbegriffen besteht. Alle Sätze, die nicht auf entweder analytischen (unabhängig von Erfahrungen existierende Wahrheiten) oder synthetischen Aussagen (abhängig von Erfahrungen im Sinne der Empirie) beruhen und sich so verifizieren lassen, sind Scheinsätze und damit sinnlos.191 In diesem Zusammenhang
Vgl. hierzu ausführlich Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 73-107 sowie die dort zitierten Quellen. Vgl. z. B. Wagner, G.: Auguste Comte zur Einführung, Hamburg 2001, S. 15 und S. 37-41. Vgl. Carnap, R.: Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft, in: Erkenntnis, 2 (1931), zitiert nach: http://www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/hist/carn1.html (Zugriff am 13.01.2004) und Carnap, R.: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Gardner M. (Hrsg.), 3. Aufl., München 1976.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
87
wird auch oft der Begriff „Instrumentalismus“ verwendet, der auf Ernst Mach, den Begründer des Wiener Zirkels, zurückgeht. Die Vertreter des Neo-Positivismus erkennen also nur die Dinge als wirklich an, die durch die Empirie oder die Logik verifiziert werden können, damit unterstellen sie auch, dass es eine objektive, für alle Individuen gleiche Wirklichkeit gibt. Dadurch ist z. B. die Frage nach dem „Sinn“ einer Sache bereits ausgeschlossen. x
Kritischer Rationalismus: Der Begriff des „kritischen Rationalismus“ wurde von Karl R. Popper begründet, der die strengen Restriktionen des Positivismus kritisiert. Seiner Auffassung nach können Aussagen „sinnvoll“ sein, auch wenn sie sich nicht verifizieren lassen. Mit seiner Aussage, dass jede Theorie nur eine Vermutung sei, zielt er auf die Erforderlichkeit der Falsifizierung von Aussagen ab und damit den finalen Beweis von Theorien durch wiederholt erfolglos durchlaufene Falsifizierungsschritte. Die endgültige Wahrheit entsteht aber auch so nicht. Falsifizierung kann aber nur durch Deduktion erfolgen, so dass die Anwendbarkeit der Induktion damit abgelehnt wird. Ein weiterer wichtiger Grundgedanke bei Popper ist, dass ein apriorisches Wissen existiert, das nicht durch Sinneswahrnehmung erklärt werden muss, und es damit eine objektive Realität gibt, die sich unabhängig vom Bewusstsein des Einzelnen manifestiert. Begrenzt wird die Erfassung der objektiven Welt jedoch durch die menschlichen Erfahrungsmöglichkeiten.192
x
Realismus/Relativismus: Der Realismus ist eine Weiterentwicklung des Rationalismus und keine eigene Theorie. Er wurde von einem Zeitgenossen und kritischen Anhänger von Popper mitbegründet: Paul Feyerabend. Im Realismus herrscht ebenfalls die Auffassung vor, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt und sie unabhängig von den Dingen um sie herum, also z. B. Menschen, existiert. Eine objektive Wahrheit kann aber aufgrund der existierenden Subjektivität, z. B. in einer wissenschaftlichen Vorgehensweise, nicht erlangt werden.193 Auch der Relativismus ist keine eigene Theorie; er vertritt eine ganz andere Strömung als der Realismus, denn er geht davon aus, dass die Wahrheit oder Falschheit einer Aussage von der Person oder einer gesellschaftlichen Gruppe abhängt.194 Die Bedeutung von Dingen oder Ereignissen entsteht erst durch die Beziehung der Dinge, Ereignisse oder auch Menschen zueinander. Damit kann keine absolute und objektive Wahrheit bestehen. Die Nähe zum Konstruktivismus ist hier bereits zu erkennen.
x
192 193
194
Konstruktivismus: Der Konstruktivismus untersucht die Art und Weise, wie Menschen ihre Wirklichkeit konstruieren. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen des Konstruktivismus, und es ist grundsätzlich zwischen dem Methodischen und dem Radikalen Konstruktivismus zu unterscheiden. Der Methodische Konstruktivismus vertritt die Auffassung, dass alle Wissenschaften strukturiert, widerspruchsfrei und meVgl. Nonaka, I., Takeuchi, H.: Die Organisation des Wissens, Frankfurt a. M. 1997, S. 33. Vgl. z. B. Searle, J. R.: Rationalismus und Realismus oder Was auf dem Spiel steht, in: Merkur – Deutsche Zeitschrift für Europäisches Denken, 48 (1994), S. 377-391 und auch Searle, J. R.: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Zur Ontologie sozialer Tatsachen, Hamburg 1997. Vgl. Bricmont, J., Sokal, A.: Eleganter Unsinn: Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München 1999, S. 69. Interessanterweise hat auch Feyerabend sich dem Relativismus eine zeitlang verschrieben, bis er ihn als „Blödsinn“ verwarf, vgl. http://www.quantum-chemistryhistory.com/Feyer_Dat/Feyerab-Interview.htm (Zugriff am 13.01.2004); das ändert dennoch nichts an der Existenz dieser Strömung, die auf den Konstruktivismus hinzielt.
88
Begriffliche und theoretische Grundlagen
thodisch begründbar sind. Diese Auffassung basiert auf dem Ansatz von Wittgenstein, dass Sprache und Wirklichkeit nicht trennbar sind.195 Eine kritische Rekonstruktion zieht deshalb immer eine Konstruktion ihrer Betrachtungsobjekte nach sich, was den Begriff des „methodischen Konstruktivismus“ begründet. Dieser scheinbare Absolutheitsanspruch für die Begründung wissenschaftlicher Erkenntnis ist prinzipiell kritisch zu hinterfragen, was hier aber nicht erfolgen soll, weil der Betrachtungsschwerpunkt auf dem zu Beginn begründeten rationalen Konstruktivismus als möglichen Erklärungsansatz für die organisationale Veränderung liegen soll. Die zweite, in der Literatur viel diskutierte Variante des Konstruktivismus, der Radikale Konstruktivismus, ist heute wesentlich verbreiteter als die methodische Spielart. Nachfolgend werden einige Zitate der führenden Autoren zu diesem Thema vorgestellt, mit dem Ziel, die Bandbreite der Begriffsauffassungen zu verdeutlichen: Paul Watzlawick: „Der Radikale Konstruktivismus begreift sich selbst als eine Konstruktion und nicht als eine letzte Wahrheit, er ist eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Für mich ist, dies kann ich auch mit Blick auf meine therapeutische Arbeit sagen, allein die Frage ausschlaggebend, welche Konstruktion sich als die nützlichste und menschlichste erweist.“196 Ernst von Glasersfeld: „What is radical constructivism? It is an unconventional approach to the problems of knowledge and knowing. It starts from the assumption that knowledge, no matter how it be defined, is in the heads of persons, and that the thinking subject has no alternative but to construct what he or she knows on the basis of his or her own experience. What we make of experience constitutes the only world we conciously live in.“197 Heinz von Förster: „Das, was Konstruktivismus genannt wird, sollte, so meine ich, schlicht eine skeptische Haltung bleiben, die die Selbstverständlichkeit des Realismus in Zweifel zieht.“198 Jürg Manella: „Unsere Beziehungen und Konstruktionen gelten so lange, bis sie sich als falsch erweisen und sie durch andere, zutreffendere und plausiblere ersetzt werden. Doch wir kommen nie ohne sie aus. Dabei handelt es sich um einen Akt unserer Vorstellung, unserer Erfahrungen, unseres Wissens, unserer Fantasien. Es hängt von uns ab, wie wir etwas sehen, deuten, interpretieren und welche Beziehungen und Bedeutungen wir unserem Sehen zuweisen.“199 Das Spektrum der Überzeugung reicht also von der totalen Erklärbarkeit aller beobachtbaren Ereignisse bis zur völligen Individualität und damit der Nicht-Existenz einer gemeinsamen Erlebens- und Erfahrenswelt. Die Steuerung von Unternehmen oder Veränderungsprojekten erfordert einen gewissen Pragmatismus in der Wahl der Weltanschauung, der eine Orientierung an Extremen nicht sinnvoll erscheinen lässt. So müssen gewisse Er195 196 197 198 199
Vgl. Wittgenstein, L.: Logisch-philosophische Abhandlung – Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt a. M. 2003, hier insbesondere ab S. 18, die Sätze 3 ff. Paul Watzlawick zitiert in: Pörksen, B.: Die Gewissheit der Ungewissheit, Heidelberg 2001, S. 222. von Glasersfeld, E.: Radical Constructivism – A Way of Knowing and Learning, London und Washington 1995, S. 1. Heinz von Förster, zitiert nach von Förster, H., Pörksen, B.: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, 4. Aufl., Heidelberg 2001. Manella, J.: Der relationale Mensch, S. 24.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
89
kenntnisse oder Wahrheiten vielleicht als „gegeben“ und sogar mehr oder weniger „allgemeingültig“ definiert werden, damit ein Hebel zur Steuerung und Veränderung entsteht. Dabei hilft die Erkenntnis, dass Menschen sich an bestimmten Erfahrungskonstruktionen und Rahmenbedingungen orientieren, die eine allgemeinere Gültigkeit besitzen als die vollkommen individuelle Konstruktion von Wirklichkeit.200 Dennoch darf die Tatsache, dass aufgrund von individuellen Erfahrungen die Wahrnehmung auch in einem individuellen Kontext interpretiert und als eigene Interpretationsmuster in die Wirklichkeitskonstruktion integriert werden, auf keinen Fall vernachlässigt werden. In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich in diesem Zusammenhang der Begriff des „sozialen Konstruktivismus“ gebildet, der eine Brücke zwischen den Disziplinen bauen soll.201 Der soziale Konstruktivismus ist aufgrund seiner Grundannahmen der Konstruktion der Wirklichkeit, aufgrund sozialer Beziehungen durch Interaktion sowie Wahrnehmung und Interpretation der Erfahrungen, näher am Radikalen Konstruktivismus als am Rationalismus oder Realismus angelehnt, was aber durchaus der Auffassung entspricht, dass das Unternehmen ein soziales System ist. Um aber auch den Bereich der Unternehmenssteuerung einzubeziehen, der einem bestimmten Maß an „Objektivierung“ unterliegt, wird hier, wie bereits in der Einleitung kurz diskutiert, der Begriff des „rationalen Konstruktivismus“ gewählt.
3.1.4 Die Gestaltungsdimension „Organisationstheorie“ Scherer stellt fest, dass Organisation nicht auf das betriebliche System von Regeln beschränkt ist, sondern dass jeder Mensch in den verschiedensten Lebensbereichen mit „Organisationen“ und „Organisation“ konfrontiert wird.202 So hat jeder ein „Alltagswissen“ über das Funktionieren von Organisationen, eine Tatsache, die den Ruf nach einer Systematisierung laut werden lässt. Diesen Schritt will die Organisationstheorie leisten, wobei je nach Autor unterschiedliche Perspektiven fokussiert werden und verschiedene Auffassungen sowohl über die Theorienentwicklung als auch die theoretischen Fundamente bestehen. Für die in diesem Kapitel diskutierten Ansätze wird sehr kurz ein Überblick über die wichtigsten Theorien gegeben.203 Für eine Auswahl der für den Gestaltungsrahmen relevanten Theorien soll auf die zuvor entwickelte Definition des Begriffs „Organisation“ zurückgegriffen und eine ökonomische Perspektive mit Schwerpunkt in der Veränderungsthematik eingenommen werden. In Abbildung 27 werden später dann die gesetzten Schwerpunkte hervorgehoben. 200 201
202
203
Vgl. Willke, H.; Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 87-108. Vgl. dazu z. B. Hänggi, H.: Sozialer Konstruktivismus als goldene Brücke - Zur jüngsten Theoriedebatte in der Disziplin der Internationalen Beziehungen, in: Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, 1/1998, S. 32-41; Gergen, K. J.: An Invitation to Social Construction, 1999 sowie Gergen, K. J.: Konstruierte Wirklichkeiten - Eine Hinführung zum sozialen Konstruktivismus, Stuttgart 2002. Vgl. hier und im Folgenden Scherer, A. G.: Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? – Wissenschaftstheoretische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, S. 1-3. Dabei wird im Wesentlichen auf vier Quellen (sowie der dort zitierten Literatur) zurückgegriffen, die sich strukturierend bzw. umfassend mit der Thematik auseinandergesetzt haben: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien; Walter-Busch, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick; Picot, A. et al.: Organisation; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel.
90
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Für eine Strukturierung der Ansätze ist es hilfreich, die verschiedenen Vorgehensweisen und Zuordnungen in den vier gewählten Literaturquellen kurz zu untersuchen: x
Kieser und die im Rahmen des Herausgeberwerkes vertretenen Autoren strukturieren die verschiedenen Theorien einerseits thematisch und anderseits zeitlich. Beginnend mit Webers Bürokratiemodell, nehmen sie die frühe Managementlehre, den Taylorismus und die Thematik der „Verwissenschaftlichung“ im Rahmen des Scientific Management auf. Danach besprechen sie die Ära der vornehmlich „objektbezogenen“ Theorien: Human Relations-Bewegung und Organisationspsychologie, verhaltenswissenschaftliche und situative Ansätze, die Institutionenökonomie sowie evolutionstheoretische, konstruktivistische und institutionalistische Ansätze. Zum Abschluss wird mit Giddens Theorie der Strukturierung noch einmal ein personengeleiteter Ansatz vorgestellt.
x
Walter-Busch geht sehr ähnlich vor und strukturiert ebenfalls zeitlich und thematisch, hierbei aber vornehmlich nach den Persönlichkeiten, die für eine Theorie stehen. Auch er beginnt mit Webers Bürokratiemodell, widmet sich daran anschließend der Managementlehre und diskutiert hier hauptsächlich Taylor und Fayol. Dann greift er die Human Relations-Modelle auf und untersucht dabei Lewin und de Man sowie Follett und Mayo. In diesem Zusammenhang geht er auch auf die Hawthorne Experimente ein. Im nächsten Schritt erläutert er die sozialwissenschaftliche Organisationsforschung und fasst hier die Ansätze von Barnard, Simon, Parsons und Luhmann zusammen. Darüber hinaus erörtert er mit den Kontingenz- und Institutionenmodellen die strukturvergleichenden Forschungsansätze und nimmt die Populationsökologie ebenfalls unter diesem Thema auf. Abschließend befasst er sich mit den wissenschaftlichen Ansätzen ab 1970, geht hier auf den Ansatz von Weick ein und erläutert kurz die Systemtheorie, den konstruktivistischen Ansatz sowie die neue Institutionenökonomie.
x
Picot et al. konzentrieren sich mit den neoklassischen und neoinstitutionalistischen Ansätzen auf die ökonomischen Organisationstheorien. Für den erstgenannten Bereich erläutern sie die Grundlagen sowie die Erweiterungen des ökonomischen Standardmodells, und für den zweiten Bereich nehmen sie die Property-Rights-Theorie, die Transaktionskostentheorie sowie die Principal-Agent-Theorie auf.
x
Rüegg-Stürm beschreibt verschiedene Herangehensweisen für die Systematisierung der Organisationstheorien und wählt dann im Vergleich zu den zuvor diskutierten Möglichkeiten einen leicht abweichenden Ansatz, um die Theorieansätze zu strukturieren. Er orientiert sich zum einen an Dyllick und unterscheidet im Bereich der Mikroebene in Aufgabenorientierung (z. B. Taylor und Fayol), Motivationsorientierung (z. B. Human Relations-Bewegung), Entscheidungsorientierung (hier vor allem verhaltenswissenschaftliche Ansätze, wie z. B. die von Simon, Heinen und Kirsch) und Systemorientierung (z. B. Kybernetik und Kontingenztheorie). Für die Makroebene nennt er die neue Institutionenökonomie und die Populationsökonomie. Schließlich diskutiert er die Erweiterung der Organisationstheorie durch konstruktivistisches Gedankengut.
Nach diesem Überblick werden nun auf Basis der oben genannten Kriterien die hier relevanten Theorien ausgewählt und kurz vorgestellt. Bei der Behandlung der verschiedenen Theorien ist unbedingt zu berücksichtigen, dass sie nicht unabhängig voneinander sind und sich so vollständig abgrenzen lassen. Der Entwicklungsprozess der Theorien ist viel-
Begriffliche und theoretische Grundlagen
91
mehr stetig aufeinander aufbauend erfolgt, und so vermischen sich bestehende Elemente und Erkenntnisse mit neuen Gedanken. Für die Berücksichtigung der ökonomischen Perspektive spielen die Theorien der neuen Institutionenökonomie eine wichtige Rolle. Es wird bewusst nicht weiter auf die neoklassischen Ansätze eingegangen, weil dem Kriterium der vollständigen Rationalität204 nicht gefolgt werden soll. Die Aspekte der sozialen Institutionen, ihrer Entwicklung, aber auch ihrer Strukturen sowie die Fragen des Handelns und Verhaltens in diesen Institutionen werden aufgegriffen, indem einerseits für die Berücksichtigung der materialisierten Strukturen die klassische und der immateriellen Strukturen205 die neue bzw. konstruktivistische Systemtheorie sowie andererseits die Ansätze von Giddens, Weick und schließlich indirekt auch Luhmann als Vertreter verschiedener Schwerpunkte einbezogen werden. Giddens Strukturationstheorie
Weicks Prozesstheorie Klassische und konstruktivistische Systemtheorie
Neue Institutionenökonomie Neoklassische Organisationstheorie
ORGANISATION
Institutionalistische Ansätze
Ökonomischer Kontext Webers Bürokratiemodell
Koordination und Motivation der Akteure
Soziale Institutionen
Evolutionstheoretische Ansätze
Situativer Ansatz Taylorismus und Scientific Management Human-RelationsBewegung
Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie
Abbildung 27: Auswahl der diskutierten Organisationstheorien Beginnend mit der ökonomischen Perspektive der Organisationstheorie werden nachfolgend die Teiltheorien der neuen Institutionenökonomie zusammengefasst.
3.1.4.1Neue Institutionenökonomie Picot et al. untersuchen zwei der Hauptströmungen der ökonomischen Theorien nach ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten: die neoklassische und die neoinstitutionalis204
205
Dieses Kriterium geht davon aus, dass das Wissen und die Informationsverarbeitungsmöglichkeiten des Akteurs unbegrenzt sind und er damit immer die Entscheidungen trifft, die für seine Bedürfnisse die objektiv besten sind. Vgl. Picot, A. et al.: Organisation, S. 39. Hier wird dem Begriffsverständnis von Rüegg-Stürm gefolgt, der unter den materialisierten Strukturen „ordnende Wirkmomente der Wirklichkeitskonstruktion“ versteht, „die physisch greifbar, zeitüberdauernd, und personenunabhängig, z. B. in schriftlichen Festlegungen, in Artefakten, in einer bestimmten Gestaltung des Arbeitsplatzes und in einer bestimmten Infrastruktur (Informationstechnologie, Produktionslayout, Maschinenpart u. s. w.) verkörpert werden.“ Eine immaterielle Struktur ist laut RüeggStürm „ein ordnendes Wirkmoment der Wirklichkeitskonstruktion […], das keine physische Verkörperung aufweist.“ Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 362.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
92
tische Organisationstheorie. Im Folgenden soll nur der Zweig der neoinstitutionalistischen Theorie näher beleuchtet werden, weil sie die Thematik der Entwicklung einer effizienten Aufbau- und Ablauforganisation im Rahmen von Veränderungen am besten strukturierbar macht. Es gelten zwei Grundannahmen: x
Methodologischer Individualismus: Organisationsstrukturen, d. h. Institutionen, entstehen aufgrund der Handlungen und Entscheidungen von Individuen. Das steht im Gegensatz zu der Annahme z. B. in der Soziologie, die davon ausgeht, dass sich Institutionen aus sozialen Systemen heraus emergent entwickeln.
x
Individuelle Nutzenmaximierung und Opportunismus: Diese Grundannahme geht auf die zentrale Überlegung der Ökonomie zurück, dass jedes Individuum eine Nutzenfunktion hat, in der seine Ziele hinterlegt sind und nach deren Maximierung ein Individuum strebt. Der Begriff „Opportunismus“ führt in diese Überlegung die individuelle Nutzenmaximierung ohne Rücksicht auf die mögliche Schädigung anderer Akteure ein. Es ist also die externe Sicht auf die Maximierungszielsetzung. Diese beiden Annahmen sind, in ihrer „originären Anwendung“, für die Gestaltung von Austauschvorgängen von erheblicher Bedeutung, damit Übervorteilung oder Betrug limitiert werden können. Überträgt man das auf die Veränderung von Organisationen, muss eine Regelung der Beziehungen im Rahmen des Veränderungsprozesses gefunden werden, die – aus der Sicht des Individuums – zu einer Maximierung (Optimierung) des individuellen Nutzens unter der Nebenbedingung des Schutzes der Interessen der anderen beteiligten Akteure führt. Man könnte hier auch von einem „ParetoOptimum“ der Veränderung sprechen. Ähnlich argumentiert auch Wolff, die auf Basis der Vertragstheorie argumentiert und die Entstehung einer effizienten Organisation mit dem Konsens der Beteiligten begründet. Die Beteiligten entscheiden aus der Sicht des individuellen Nutzenzuwachses und unterstützen somit das entstehende Organisationsdesign.206
Während diese Grundannahmen den bestehenden Theorien gemein sind und sich höchstens in ihrer Interpretation marginal unterscheiden, besteht ein grundlegender Unterschied zwischen den klassischen, neoklassischen und neoinstitutionalistischen Theorien in der Behandlung des Informationsniveaus von Akteuren. Im Rahmen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie und der drei grundlegenden Ansätze präsentieren Picot et al. einen strukturierten Vergleich der Property-RightsTheorie, der Transaktionskostentheorie und der Principal-Agent-Theorie anhand der relevanten Kriterien „Untersuchungsgegenstand“, „Verhaltensannahmen“, „Effizienzkriterium“, „Umweltbedingungen“, „Art der Gestaltungsempfehlung“ und „Aktionsvariable“ (vgl. Tabelle 3).
Untersuchungsgegenstand
206
Property-RightsTheorie
Transaktionskostentheorie
Principal-AgentTheorie
Property-RightsVerteilungen
Transaktion
Principal-AgentBeziehungen
Vgl. Wolff, B.: Organisation durch Verträge, Wiesbaden 1995, S. 28-30.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Verhaltensannahmen
x Beschränkte Rationalität x Individuelle Nutzenmaximierung
x Beschränkte Rationalität x Individuelle Nutzenmaximierung x Opportunismus
93
x Beschränkte Rationalität x Individuelle Nutzenmaximierung x Opportunismus x Risikoneigung der beteiligten Akteure
Effizienzkriterium
Summe aus Transaktionskosten und Wohlfahrtsverlusten aufgrund externer Effekte
Transaktionskosten
x Agency-Kosten x Signalisierungskosten x Kontrollkosten x Verbleibende Wohlfahrtsverluste
Umweltbedingungen
x Unsicherheit
x Hidden characteristics
x Hebeleffekte
x Spezifität/strategische Bedeutung
x Hidden action/Hidden information
x Eigentumssurrogate
x Häufigkeit
x Hidden intention
x Untrennbare Produktionsprozesse
x Transaktionsatmosphäre Art der Gestaltungsempfehlung
„Property-Rights so zuordnen, dass Trade off zwischen Wohlfahrtsverlusten aufgrund externer Effekte und Transaktionskosten ihrer Internalisierung optimiert wird!“
„Transaktion unter besonderer Berücksichtigung ihrer Umweltbedingungen in ihrer Vertragsform abwickeln, die ihre Transaktionskosten minimiert!“
„Anreizkompatibilität zwischen Principal und Agent erreichen bzw. Trade off zwischen Anreizsetzung und Risikoallokation optimieren!“
Aktionsvariable
Konzentration bzw. Verdünnung von Property Rights
Wahl von Verträgen mit unterschiedlicher Bindungsintensität
Instrumente zur Überwindung von Informationsasymmetrien, zur Interessenangleichung und zur Risikoallokation
Tabelle 3: Vergleich der drei neoinstitutionalistischen Organisationstheorien207 Für den thematischen Schwerpunkt „Veränderung“ scheinen sich die Prinzipien der Principal-Agent-Theorie, Aspekte der Property-Rights-Theorie und zwei der Ausprägungen der ökonomischen Vertragstheorie besonders für eine Übertragung anzubieten. Die organisatorische Veränderung kann wie folgt als Principal-Agent-Problem definiert werden:208 Die Unternehmensleitung übernimmt im Veränderungsvorhaben die Rolle des Principal, und die Mitarbeiter sind in der Rolle des „Agenten“. Vereinfacht und verkürzt erläutert, gibt der Prinzipal den Auftrag, die Ziele des Veränderungsvorhabens umzusetzen und gewährt dabei den Ausführenden, also den Agenten, einen Entscheidungsspielraum. Dabei nimmt er eine Überwachungs- und Koordinationsfunktion wahr. Diese wird erforderlich, weil einerseits die Handlungen der Agenten für den Principal nicht lückenlos beobachtbar sind und er damit nicht abschätzen kann, ob in seinem Sinn agiert wird 207 208
Entnommen aus Picot, A. et al.: Organisation, S. 131. Zu Beispielen von Principal-Agent-Problemen vgl. Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, 2. Aufl., Tübingen 1999, S. 163-185.
94
Begriffliche und theoretische Grundlagen
(„verstecktes Handeln“), und andererseits die Agenten im Rahmen der Umsetzung und aufgrund ihres Spielraums Entscheidungen treffen, die durch den Auftraggeber nicht überprüfbar sind und dessen zugrunde liegende Informationen ihm nicht unbedingt zugänglich sind („versteckte Information“). Es liegt damit also eine asymmetrische Information vor.209 Darüber hinaus wird angenommen, dass so genannte „exogene Schocks“, d. h. zufällige, nicht beeinflussbare Ereignisse, das Ergebnis des Handelns mitbestimmen, so dass Interpretationsspielräume bei der Leistungserfüllung entstehen können.210 Die Frage, ob der Agent im bestmöglichen Interesse des Principal handelt und wie die Motivation hergestellt werden kann, dies tatsächlich zu tun, stellt also einen der zentralen Punkte in der Diskussion zur Steuerung von Veränderungsvorhaben dar. Das beschriebene Problem gehört zum positiven Principal-Agent-Ansatz, der sich damit beschäftigt, wie die Überwachung und Koordination bei Verträgen und Organisationen zu erfolgen hat.211 Die organisationale Veränderung stellt eine Mischung aus den bei Richter und Furubotn erläuterten drei möglichen Vertragsarten bzw. Vertragstheorien dar: erstens der klassische Principal-Agent-Vertrag, der dadurch charakterisiert ist, dass er rechtlich durchsetzbar ist, zweitens die sich selbst durchsetzenden oder impliziten Verträge, die aufgrund von Vertrauen, Verhaltensnormen und Glaubwürdigkeit geschlossen werden, aber keine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit aufweisen, und schließlich die eng mit der vorhergehenden Vertragsart verbundenen relationalen Verträge, die zu einem erheblichen Teil auf Vereinbarungen basieren, die aufgrund von persönlichen Beziehungen entstanden sind und damit implizit, informell und nicht rechtsverbindlich sind.212 Das moralische Risiko, das auf die ungerechtfertigte Ausnutzung von Versicherungsleistungen zurückgeht, spielt auch in diesem Kontext eine wichtige Rolle, wie bereits der Punkt zur Berücksichtigung des Interesses des Principal ahnen lässt. Trotz aller Anreize und Bemühungen, sämtliche Stakeholder und ihre Erwartungen in das Veränderungsvorhaben einzubeziehen, kann es zu dem Versuch einer einseitigen Nutzenmaximierung kommen. So können einzelne Personen oder Gruppen das System und damit auch das Vertrauen, das ein zentraler Baustein der relationalen Verträge ist, ausnutzen, um Vorteile auf Kosten der anderen Vertragspartei zu erlangen. Dem kann nur begegnet werden, indem entsprechende Aktivitäten auf der Ebene Unternehmenskultur konsequent entwickelt und angewendet werden. Dazu gehören z. B. die Berücksichtigung der dominierenden Gruppendynamik, der Wirklichkeitskonstruktion und Wahrnehmung der Beteiligten sowie die Überprüfung der bestehenden Normen und Werte in Bezug auf die Ziele des Veränderungsvorhabens.213 Zwei wichtige Punkte sind im Zusammenhang mit der Übertragung auf Veränderungsvorhaben festzuhalten. Zum einen ist es die Auffassung von Fama, der das Unternehmen als einen „Komplex“ aus Verträgen interpretiert, bei dem die Risikotragung und Unter209 210 211 212 213
Vgl hierzu ausführlich Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 163. Vgl. Arrow, K. J.: The Economics of Agency, in: Pratt, J. W., Zeckhauser, R. J. (Hrsg.): Principals and Agents: The Structure of Business, Boston 1985, S. 37-51. Vgl. Jensen, M. C.: Organization Theory and Methodology, in: Accounting Review, 58 (1983) 2, S. 319-339. Vgl. hier ebenfalls Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 171-173. Vgl. dazu z. B. Kreps, D. M.: Corporate Culture and Economic Theory, in: Alt, J. E., Shepsle, K. A. (Hrsg.): Perspectives on Positive Political Economy, Cambridge et al. 1990, S. 90-143 und Denzau, A. T., North, D. C.: Shared Mental Models: Ideologies and Institutions, in: Kyklos, 47 (1994) 1, S. 331.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
95
nehmensführung getrennt sind.214 Auch Veränderungsvorhaben können als ein Netzwerk von Verträgen der verschiedenen, oben erwähnten Arten aufgefasst werden, und auch hier sind Risikotragung und Führung getrennt, so dass die gleichen Bedürfnisse nach Regelung und Kontrolle entstehen. Zum anderen ist es die von Fama und Jensen betonte Wichtigkeit des Entscheidungsprozesses, der in vier Schritte gegliedert wird:215 1. Anbahnung: Entwicklung von Entscheidungsalternativen zum Einsatz der Ressourcen und Ausgestaltung der erforderlichen Verträge; 2. Unterzeichnung: Auswahl einer Entscheidungsalternative. Dieser Begriff ist nicht nur wörtlich zu verstehen, sondern auch symbolisch, im Sinne der Entscheidung für eine bestimmte Alternative und damit der Explizierung des „commitment“. 3. Ausführung: Umsetzung der gewählten Alternative; 4. Überwachung: Überprüfung (Messung) der Leistung des Umsetzungsprozesses und hier insbesondere der „Entscheidungsbeauftragten“, d. h. der Agenten, und Durchführen ihrer Entlohnung; Die ersten beiden Schritte werden mit der Funktion „Entscheidungsmanagement“ bezeichnet und die letzten beiden Schritte mit der Funktion „Entscheidungskontrolle“. Diese Aufteilung kann direkt auf die Problematik der Steuerung von Veränderungsprojekten übertragen werden: Die unter dem Begriff „Entscheidungsmanagement“ subsumierten Aktivitäten „Anbahnung“ und „Unterzeichnung“ können unter Berücksichtigung des Bezugsrahmens wie folgt ausgestaltet sein: x
Anbahnung: Die Einbettung des Veränderungsprojekts in den gültigen Kontext sowie die Rahmenbedingungen, die durch das Unternehmen vorgegeben sind, werden untersucht. In einem zweiten Schritt erfolgt die Erarbeitung der Vorschläge, wie die verfügbaren Ressourcen in dem Projekt einzusetzen sind, und die Überprüfung, welche Restriktionen zu beachten sind. Schließlich erfolgt die Festlegung, wie die verschiedenen Verträge (Principal-Agent-Verträge, sich selbst durchsetzende und implizite Verträge, relationale Verträge) mit Blick auf die Unternehmens- und Projektziele zu gestalten sind, bzw. ist bei den letzten beiden Arten zu untersuchen, welche Verträge bereits bestehen oder entwickelt werden müssen und wie sie zu steuern sind. Hier spielt insbesondere die Ebene der Unternehmenskultur und damit die vorherrschende Denkschule eine wichtige Rolle. Aber auch die Ebene der Strategie ist betroffen, denn hier werden die Ziele festgelegt, die es mit dem Veränderungsprojekt zu verfolgen gilt.
x
Unterzeichnung: Im Sinne der Auswahl einer Alternative und der Herstellung des oft genannten „management commitment“ dient dieser Schritt der Beschreibung des Veränderungsprojekts einerseits in seinem fachlichen Rahmen, d. h. wie verändert sich die Strategie, welche Bereiche sind betroffen, welche Prozesse sind überhaupt betroffen, welche Prozesse müssen neu entwickelt werden, wie ist die technische Infra-
214 215
Vgl. Fama, E.: Agency Problems and the Theory of the Firm, in: Journal of Political Economy, 88 (1980) 2, S. 288-307. Vgl. hier und im Folgenden Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 167 sowie Fama, E., Jensen, M.: Separation of Ownership and Control, in: Journal of Law and Economics, 26 (1983) 2, S. 301-325.
96
Begriffliche und theoretische Grundlagen
struktur betroffen etc.216 Andererseits werden auch die Auswirkungen auf die Kultur und die sozialen Aspekte der Alternativen untersucht und dokumentiert: was ist der kommunizierbare Nutzen des Projekts für die Mitarbeiter, wo ist Unterstützung zu erwarten, aber auch welche Widerstände sind zu erwarten etc. Für die Entscheidungskontrolle mit den Unteraktivitäten „Ausführung“ und „Überwachung“ wäre die folgende Ausgestaltung im Rahmen von Veränderungsprojekten und auf der Basis des Bezugsrahmens denkbar: x
Ausführung: Zu diesem Schritt gehören alle Aktivitäten, die nach der Entscheidung für die Vorgehensweise anfallen und die zugleich einer mitlaufenden Steuerung bzw. Kontrolle unterliegen müssen, um die zielorientierte Umsetzung zu gewährleisten.
x
Überwachung: Wie bereits zuvor angedeutet, lässt sich dieser Schritt nicht trennscharf von der Ausführung abgrenzen, weil die Überwachung bereits bei der Ausführung beginnt bzw. beginnen sollte. Es scheint, als wäre eine Umbenennung dieses Schritts in „Steuerung“ sinnvoll, denn der Begriff „Überwachung“ hat einen reaktiven Charakter, der die proaktiven Komponenten vernachlässigt. Unter diesen Schritt fallen alle diejenigen Aktivitäten, die der Leistungsmessung im Veränderungsprojekt dienen, der Incentivierung der Mitarbeiter sowie auch der Sicherstellung der geforderten Nachhaltigkeit.
Aus diesem Grund werden diese beiden Funktionen in Kapitel 5 als Grundlage für die erste Ordnung der Beschreibungsdimensionen für Veränderungsprojekte verwendet und dabei zugleich noch erweitert. Nicht zu vernachlässigen ist darüber hinaus noch der Aspekt der „residualen Risikotragung“, d. h. der Haftung, die im Zusammenhang mit diesem komplexen Gebilde zu regeln ist. In der Theorie der Unternehmensorganisation wird unterschieden zwischen dem „klassischen Unternehmen“, das nur eine begrenzte Mitgliederzahl aufweist, und großen Unternehmen, z. B. großen, offenen Kapitalgesellschaften. Im ersten Fall tragen diejenigen, die die wichtigsten Entscheidungen treffen, auch das größte Risiko. Im Fall der großen Unternehmen werden Haftung und Entscheidungsmanagement in der Regel getrennt.217 Angewendet auf Veränderungsprojekte gilt ebenfalls der Fall der Trennung von Entscheidung und Kontrolle bzw. Haftung, weil im Rahmen des Veränderungsprozesses Entscheidungen, z. B. durch die Agenten oder das verantwortliche Mitglied der Unternehmensführung getroffen werden, die Haftung, d. h. die Risikotragung, aber z. B. durch die Stakeholder bzw. die gesamte Unternehmensführung übernommen wird. Ein weiterer wichtiger Punkt in dem zuvor argumentierten Rahmen ist die Zuordnung von Entscheidungs- und Handlungsrechten im Rahmen der organisationalen Veränderung. Picot et al. weisen darauf hin, dass eine Verteilung der Rechte nur dann effizient ist, wenn die Beteiligten die Folgen ihres Handelns, sowohl die positiven als auch die negativen Folgen selber zu tragen haben. Da diese vollständige Zuordnung in der Regel nicht möglich ist, muss mit Anreiz- und Controllingsystemen sowie mit dem Wettbewerb gearbeitet werden.218 Diese Erkenntnis ist grundlegend für die Einbindung der Mitarbei-
216 217 218
Vgl. dazu auch den Fragenkatalog des Bezugsrahmens in Kapitel 2 auf S. 43-47. Vgl. Fama und Jensen zitiert nach Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 168. Vgl. hierzu Picot, A. et al.: Management von Reorganisationen, Wiesbaden 1999, S. 98-99.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
97
ter in die organisationale Veränderung und die Erzeugung des „Commitments“ für die Maßnahmen.
3.1.4.2Strukturationstheorie nach Giddens Giddens hat die Theorie der Strukturierung, oder auch Strukturationstheorie, mit dem Ziel entwickelt, die in der Organisationstheorie bestehende Unverträglichkeit der Konzepte „Handlung“ und „Struktur“ zu überwinden.219 Das führende Konzept heißt in diesem Zusammenhang „Dualität von Struktur“, das man begrifflich auch zu „Dualität von Handlung und Struktur“ erweitern könnte. Es bedeutet, dass das Individuum nicht „machtlos“ in die gegebenen Strukturen, z. B. eines Unternehmens, eingebunden ist, sondern diese durch seine Handlungen reproduziert und mitgestaltet. Diese Strukturen geben aber dennoch gleichzeitig einen Rahmen für das Handeln des Individuums vor. Giddens formuliert seine zentralen Gedanken wie folgt:220 „The essential recursiveness of social life, as constituted in social practices: structure is both medium and outcome of social practices. Structure enters simultaneously into the constitution of the agent and social practices, and “exists” in the generating moments of this constitution.” Zudem bemüht sich Giddens, die verschiedenen Auffassungen, wie bereits in der Gestaltungsdimension „Denkschule“ beschrieben, einander „näher“ zu bringen, indem er mit seiner Theorie eine Brücke zu schlagen versucht. Folgt man den verschiedenen Kritiken an seiner Theorie, gelingt ihm das zwar nicht vollständig, der Ansatz wird jedoch honoriert.221 In verschiedenen Quellen wurde die Theorie bereits aufgearbeitet und kritisch hinterfragt.222 Aus diesem Grund werden hier nur noch die zentralen Punkte in Bezug auf das zu entwickelnde Konzept der organisationalen Veränderung herausgenommen, erläutert und kurz deren Bedeutung für das Konzept diskutiert. Dabei wird der Auffassung von Rüegg-Stürm gefolgt, der sich in Anlehnung an Neuberger auf das Potenzial der Theorie für die Behandlung bestimmter betriebswirtschaftlicher Fragestellungen konzentriert und nicht die vollständige Darstellung der Theorie sowie eine kritisch umfassende Auseinandersetzung sucht.223 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die von ihm entwickelten zentralen Theoriebegriffe aus Giddens’ Theorie224 und diskutieren sie kurz mit Blick auf das zu entwickelnde Konzept: x
219 220 221 222
223 224
Handlung: Der Handlungsbegriff in Giddens’ Theorie umfasst zwei sich nahezu diametral gegenüberstehende Aspekte: einerseits das intentionale Handeln, das das IndiVgl. Walgenbach, P.: Giddens’ Theorie der Strukturierung, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, S. 355-375. Giddens, A: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, S. 215262. Vgl. Walgenbach, P.: Giddens’ Theorie der Strukturierung, S. 369-375 und die dort zitierten Quellen. Vgl. beispielhaft Walter-Busch, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, Amsterdam 1996; DeSanctis, G. Poole, M. S.: Capturing the Complexity in Advanced Technology Use: Adaptive Structuration Theory, in: Organizational Science, 5 (1994) 2, S. 121-146; Bryant, C. G. A.: The Uses of Gidden’s Structuration Theory, Wien 1999. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 92-93 sowie dort Fußnote 224. Ebenda, S. 93-105. Insbesondere sei auf die ausführliche und kritische Diskussion der Begriffe und ihrer Grenzen verwiesen, die hier nicht noch einmal wiederholt werden soll.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
98
viduum oder der soziale Akteur bewusst und reflexiv vornimmt und potenziell auch begründen kann, und zwar sowohl in seinem Sinn als auch in seinen Konsequenzen; dieser Aspekt wird mit „Handlungsrationalisierung“ bezeichnet; andererseits ist in dem Handeln auch die Kontingenz menschlichen Handelns enthalten, die besagt, dass durch das Handeln unintendierte Effekte erzeugt werden, deren sich der Akteur nicht bewusst ist und die er deshalb auch nicht explizit in sein Kalkül einbezieht. Dieser Aspekt wird unter dem Begriff der „Handlungsmotivation“ subsumiert (vgl. auch Abbildung 28).
Handlungsrationalisierung Handlungsmotivation
unbeabsichtigte Handlungsfolgen
unerkannte Handlungsbedingungen
Reflexive Steuerung des Handelns
Abbildung 28: Aspekte des Handlungsbegriffs in der Strukturationstheorie225 Der Handlungsbegriff in seiner scheinbar „paradoxen“ Definition ist für die organisationale Veränderung von zentraler Bedeutung, weil gerade diese beiden Aspekte die Handlungen und entstehenden Strukturen (vgl. auch die Erläuterung des Strukturbegriffs) erklärbarer und damit interpretierbarer machen. Die Handlungen der Akteure in einer bestimmten Situation können intentional begründet sein, aber durch die jeder menschlichen Handlung innewohnende Kontingenz ist das Ergebnis nicht deterministisch bzw. vorhersagbar. Darüber hinaus können bestimmte nicht-intentionale Motivationen vorliegen, die sich nicht dem Diskurs, also der Erklärbarkeit und damit wiederum Interpretierbarkeit der Handlung beugen. Aus genau diesem Grund entsteht „Unsicherheit“ im Rahmen der organisationalen Veränderung. Durch die Analyse des Handlungsbegriffs entsteht allerdings ein besseres Verständnis für die beobachtbaren Ausprägungen und Effekte, die im Rahmen der Bemühungen, ein Veränderungsprojekt zu beschreiben, in Form von entsprechenden Parametern nutzbar und „greifbar“ gemacht werden können. x
225
Bewusstsein: Der Bewusstseinsbegriff bei Giddens beruht auf der bekannten Einsicht, dass der Akteur über ein reflexives und verbalisierbares Bewusstsein im eigentlichen Sinne dieses Wortes verfügt und darüber hinaus ein Bewusstsein über Handlungen besitzt, das nicht direkt verbalisierbar ist und die Handlungen vielmehr im „Unterbewusstsein“ steuert, ohne dass der Akteur diese Handlungen reflektiert oder eben bewusst steuert. Diese drei Ebenen des Bewusstseinsbegriffs sind in Abbildung 29 zueinander in Beziehung gesetzt.
Mit leichten Modifikationen entnommen aus Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 94.
Reflexive Unzugänglichkeit
Verbalisierbarkeit Reflexive Zugänglichkeit
Begriffliche und theoretische Grundlagen
99
Diskursives Bewusstsein (Lernen, „Entlernen“, Reflektion, Verarbeiten)
Praktisches Bewusstsein (Wissen, Kompetenzen, Routinen)
Unbewusste Motive/Wahrnehmung (Gedächtnis, Unterbewusstsein)
Abbildung 29: Ebenen des Bewusstseinsbegriffs in der Strukturationstheorie226 Der wichtigste Aspekt für die organisationale Veränderung ist dabei die Möglichkeit (aber auch die Herausforderung), die Kompetenz bzw. das Wissen, das im praktischen Bewusstsein gespeichert ist, wieder in das diskursive Bewusstsein „zurückzuholen“, um so eine bewusste Reflexion des Handelns im Veränderungskontext zu ermöglichen. Das führt im idealen Fall dann auch zu einer Lernsituation, in der die Akteure in die Lage versetzt werden, „altes“ und mit dem Veränderungsvorhaben vielleicht obsolet gewordenes Wissen zu „entlernen“ und dafür neues Wissen aufzubauen sowie ihre neue Situation zu verarbeiten. Darüber hinaus kann es erstrebenswert sein, auch das zu aktivieren, was Giddens als das „Gedächtnis“ bezeichnet, also unbewusste Motive, Handlungen und Wahrnehmungen. So können wichtige Informationen für Potenziale, Wirkungen und mögliche Konsequenzen von Aktivitäten im Rahmen des Veränderungsprojekts erzeugt werden. Wie schon bei den Überlegungen zum Handlungsbegriff besteht eine Herausforderung darin, entsprechende Beschreibungs„gefäße“ für diese Elemente zu entwickeln, die eine – im Rahmen des Möglichen – genaue Abbildung der Sachverhalte zulassen. x
226 227
Struktur: Der Strukturbegriff bei Giddens umfasst eigentlich vier zu trennende Begriffe: Struktur, soziale Systeme, Strukturen und Strukturierung. Struktur (auch mit „Strukturiertheit“ bezeichnet, nicht aber zu verwechseln mit dem Begriff „Strukturen“) ist dabei die Eigenschaft eines sozialen Systems, die sich in der rekursiven Wechselbeziehung von Handlung und Struktur immer wieder reproduziert und sich damit auch in dem bereits beschriebenen Konzept der „Dualität der Struktur“ wieder findet. Soziale Systeme mit ihrer Eigenschaft der „Strukturiertheit“ sind die Zusammenfassung der Aktivitäten und Praktiken in einem System und dienen der Reproduktion von Beziehungen. Strukturen sind Ausdruck einer „bestimmten aktuell gültigen Wirklichkeitsordnung“227, die sich aus rekursiv erzeugten Regeln und Ressourcen zusammensetzt. Auch hier manifestiert sich also die zentrale Figur der „Dualität von Struktur“. Zugleich ermöglichen Strukturen, quasi als Instanz von Struktur, die Erzeugung eines Orientierungsrahmens für das tägliche Handeln. Wie in Abbildung 30 In Anlehnung an Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft, S. 55-65, insb. S. 57. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 100.s
Begriffliche und theoretische Grundlagen
100
gezeigt, entsteht so eine rekursive Konstitution der organisationalen Wirklichkeit durch die Wechselbeziehungen zwischen der „stabilen“ Struktur und den immer wieder neu erzeugten Strukturen bzw. Strukturmomenten. Strukturell-kultureller Kontext Organisationale Veränderung erster Ordnung
Struktur Sprache Wissen Organisiertheit Wirklichkeitsordnung
Handlung/Prozess Sprechen Vergewisserung Organisieren Wirklichkeitskonstruktion
zeitresistent
zeitkontingent
Organisationale Veränderung zweiter Ordnung
Abbildung 30: Wechselbeziehung zwischen Struktur und Strukturmomenten (Strukturen, z. B. Handlungen)228 Für Veränderungsprojekte, die Veränderungen zweiter Ordnung hervorrufen229, liegt in dieser Erkenntnis der Rekursivität ein zentraler Punkt: Ein solches Projekt verändert den zeitresistenten Teil der rekursiven Beziehung und damit gleichzeitig die Grundlage für die Instanziierung durch die Strukturmomente. Mit anderen Worten ändert also das Veränderungsprojekt seinen eigenen Kontext. Als Konsequenz ändert sich die Wirklichkeitsordnung mit der Folge einer Destabilisierung des praktischen Bewusstseins aufgrund der fehlenden unmittelbar gültigen Vergewisserungsmöglichkeiten. Auf Basis dieser Gedankensequenz lassen sich Unsicherheit und auch Widerstände im Zusammenhang mit organisationaler Veränderung erklären. Auch aus diesem Grund ist die bereits erwähnte Rückführung des praktischen Bewusstseins in das diskursive Bewusstsein wichtig. x
228 229
Strukturierungsmodalitäten: Um eine Verbindung zwischen der Struktur sozialer Systeme und den Handlungen der Akteure herzustellen, hat Giddens so genannte Strukturierungsmodalitäten entwickelt. Sie beruhen auf der Erkenntnis, dass erst durch die Interaktion, also das Handeln, die Strukturen ihre „Wirklichkeit“ erhalten. In Abbildung 31 wird diese Wechselbeziehung deutlich: Erst die Deutungsschemata In Anlehnung an Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 100. Veränderungen zweiter Ordnung erzeugen Modifikationen des zugrunde liegenden Systems und seiner Bedingungen, wohingegen Veränderungen erster Ordnung lediglich Anpassungen innerhalb des Systems hervorrufen, ohne das System selber zu verändern, wie z. B. im Fall eines neuen Produktionsprozesses. Vgl. dazu Watzlawick, P. et al.: Change – Principles of Problem Formation and Problem Resolution, S. 1-12, sowie Kapitel 4, wo dieses Thema nochmals aufgegriffen wird.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
101
erlauben eine Kommunikation auf Basis der Interpretation der Signifikationselemente (Symbole, Mythen, Weltbilder). Die mit der Herrschaft verbundene Machtausübung entsteht durch den Einsatz entsprechender Mittel (Fazilitäten), und Sanktionen legitimieren sich durch Normen. Strukturdimension
Strukturierungsmodalitäten
Handlungsdimension
Signifikation (Symbole, Mythen, Weltbilder)
Herrschaft
Legitimation
Deutungsschemata
Fazilitäten (Mittel)
Normen
Kommunikation
Macht
Sanktionen
Abbildung 31: Strukturierungsmodalitäten230 Die Bedeutung der Strukturierungsmodalitäten für Veränderungsprojekte liegt darin, dass genau diese Verbindungsschicht im Zusammenhang mit der Veränderung der Struktur neu definiert werden muss, damit die Struktur- und die Handlungsdimension wieder „zusammenpassen“. Sie ist die Vermittlungsschicht für die veränderten Regeln und Verfügungsrechte über Ressourcen. x
230
Routinisierung: Die Routinisierung ist das stabilisierende Element in der gesellschaftlichen Ordnungsbildung; sie nimmt damit eine wichtige Rolle ein. Sie ist darüber hinaus auch ein Kennzeichen für den Übergang vom diskursiven Bewusstsein in das praktische Bewusstsein, das sich in gewohnheitsmäßigen Handlungen manifestiert. Durch die Routinisierung wird den Menschen ein bestimmtes Mass an „Vergewisserung“ und damit Sicherheit gegeben, das Richtige zu tun. Das Streben nach dieser Sicherheit allerdings kann und wird oft auch zur Folge haben, dass eine vollständige Stabilität gesucht wird und damit Widerstände gegen jegliche Neuerungen entstehen. Hier liegt die Herausforderung eines jeden ordnungsbildenden Prozesses.
Mit leichten Modifikationen entnommen aus Walgenbach, P.: Giddens’ Theorie der Strukturierung, S. 362.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
102
Kontext Unbewusste Motive/Wahrnehmung Praktisches Bewusstsein (Wissen = gültiges Bewusstsein durch Teilhabe an kontextspezifischen Strukturmomenten) Diskursives Bewusstsein Reflexive Steuerung des Handelns „eingebundene Bewusstheit“
Vollzug des Handelns Routinen
„Bruchstellen“ Diskontinuitäten
Ereignisstrom (= „Nährquelle des Kontexts“)
Abbildung 32: Routinisierung im Kontext von Handlung231 Nicht nur im Rahmen der Bildung von gesellschaftlichen Ordnungen, sondern auch in Veränderungsprozessen ist die Existenz von Routinen von existenzieller Wichtigkeit, denn nur wenn ein Mindestmaß an Bekanntem und Gewohntem vorhanden ist, kann der Mensch sich auf etwas Neues und Ungewohntes einlassen. Es ist also die viel zitierte Balance zwischen Stabilität und Erneuerung, die hier, wie bereits zuvor erwähnt, die große Herausforderung darstellt und deshalb explizit im Rahmen der Beschreibung von Veränderungsprojekten behandelt werden muss. Im Zusammenhang mit dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Bezugsrahmen wird durch die Ansätze der Strukturationstheorie auch die Ebene „Kontext“ gerechtfertigt: Giddens verweist auf die Bedeutung des Kontexts, um die Handlungen der Akteure, aber auch die bestehenden und entstehenden Strukturen interpretieren zu können.232 Unterschieden werden müssen verschiedene „Kontextschichten“ (vgl. auch Abbildung 33): x
Externer Kontext, d. h. das wirtschaftliche, technologische, ökologische, gesellschaftliche und gesetzliche Umfeld, in dem sich das Unternehmen bewegt.
x
Interner Kontext, d. h. die das unmittelbare Umfeld innerhalb des Unternehmens bestimmenden Rahmenbedingungen, z. B. gekennzeichnet durch das Managementsystem, den Strategieprozess, die Eigenkapitalausstattung, die dominante Unternehmenskultur oder auch das Steuerungssystem.
x
Projektkontext, d. h. das direkt das Projekt determinierende Umfeld mit Parametern, wie z. B. dem Budget, der Laufzeit und dem Ressourceneinsatz.
231 232
Mit leichten Modifikationen entnommen aus: Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 105. Vgl. Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, S. 123-125 und 335-338.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
103
Im Bezugsrahmen dieser Arbeit werden unter „Kontext“ alle die verschiedenen Kontextschichten bestimmenden Faktoren subsumiert. Damit wird die für die situative Methodenkonstruktion erforderliche Kontextmodellierung unterstützt. Die Parameter, die sich hauptsächlich auf den externen Kontext beziehen, werden zudem noch explizit unter dem Begriff des „Umfelds“ behandelt. Diese Aufteilung ist erforderlich, weil der Begriff des Kontextes für die präzise Beschreibung und Analyse der determinierenden Faktoren eines Veränderungsprojekts ansonsten zu grob gefasst wäre.
Externer Kontext Interner Kontext
Projektkontext
Abbildung 33: Die drei Kontextschichten Dennoch kann man den umfassenderen Kontextbegriff von Giddens im Rahmen der Basisanalyse eines Veränderungsprojekts instrumentalisieren. Es wäre beispielsweise denkbar, den internen Kontext zugrunde zu legen und eine Aufteilung in insgesamt vier Bereiche vorzunehmen, bei der zwei Bereiche jeweils korrespondieren:233 Einerseits kann man eine Aufteilung vornehmen nach der Gesamtunternehmenssicht auf der einen Seite und den einzelnen Bausteinen, also z. B. den Abteilungen oder Divisionen, den Teams oder dem Individuum auf der anderen Seite. Andererseits wäre eine Aufteilung nach den kulturellen Einflussfaktoren, repräsentiert durch den zentralen Faktor „Mensch“, und den fachlichen Einflussfaktoren, z. B. den Prozessen, Systemen und Technologien möglich. Das Ziel dieser Strukturierung ist die Analyse des Wirkungsbereichs eines Veränderungsprojekts. In Abbildung 34 ist dieses Vorgehen dargestellt. Mit dieser Kontextualisierung lässt sich nicht nur die Intention systematisieren, mit der eine Veränderung angestoßen wird, sondern es ist auch möglich, den Wirkungsbereich des Veränderungsprojekts zu positionieren. Damit wird zum einen präzisiert, mit welchem Schwerpunkt die einzusetzenden Methoden und Instrumente zu wählen sind, und zum anderen wird eine Prognose möglich, wo potenzielle Auswirkungen am stärksten zu spüren sein werden. Liegt der Wirkungsbereich des Projekts im Schnittpunkt der zwei Linien, sind die Auswirkungen des Veränderungsprozesses umfassend, und die Einordnung hat somit in der Kategorie eines strategischen Veränderungsprojekts zu erfolgen. Die Hauptkonsequenzen eines Veränderungsprozesses im linken Teil des Fadenkreuzes lie233
Vgl. zu dieser Art der Strukturierung z. B. Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, S. 315; Leavitt, H. J. et al.: Readings in Managerial Psychology, Chicago 1989; Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology: Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology – Managing Behavior in Organizations, 5. Aufl., Chicago 1988, S. 309-338.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
104
gen hauptsächlich im kulturell-emotionalen Bereich und für den rechten Teil im sachlichinhaltlichen Bereich. Sicherlich lassen sich die Auswirkungen nicht trennscharf voneinander abgrenzen, dennoch gibt eine solche Zuordnung gute Hinweise, worauf das Hauptaugenmerk bei einem anstehenden Veränderungsprozess zu richten ist. Damit wird gleichzeitig die Auswahl von angemessenen Methoden bzw. Aktivitäten für das Veränderungsprojekt unterstützt.
Strategie
Fachbereich
Menschen
Kultur
Unternehmen
Prozesse Systeme Technologien
Abteilung Team Individuum
Abbildung 34: Ansatzpunkte für die Analyse des Wirkungsbereichs einer Veränderung in der Schicht des internen Kontextes Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bedeutung dieser Theorie für das zu entwickelnde Konzept der organisationalen Veränderung in dem Versuch der Überwindung der Inkommensurabilität der verschiedenen organisationstheoretischen Auffassungen liegt. Auch wenn das in der Praxis nicht vollständig gelingen mag, trägt es doch dazu bei, ein besseres Verständnis der Effekte von Veränderungsvorhaben im Rahmen des Zusammenwirkens von Struktur und Handlung zu entwickeln.
3.1.4.3Prozesstheorie nach Weick Die Prozessperspektive in der Organisationstheorie ist zwar schon sehr früh, z. B. bei Weber, ein Bestandteil der Überlegungen gewesen, hat aber nie eine dominierende Rolle gespielt. Bei Giddens finden sich allerdings bereits Ansätze einer prozessorientierten Betrachtung, die von Bedeutung für die Interpretation organisatorischer Strukturen ist. Er sieht soziale Systeme als Ströme von Handlungen zur Aufrechterhaltung der sozialen Welt.234 Es gibt verschiedene Ansätze, die eine Prozessorientierung in die Organisationstheorie einbringen, exemplarisch sei hier das Werk von Weick herausgegriffen, der eine der ungewöhnlicheren und dennoch sehr vollständigen Theorien entwickelt hat, um das Organisationsverständnis zu erweitern.235
234 235
Vgl. Walgenbach, P.: Giddens’ Theorie der Strukturierung, S. 359. Vgl. zur ausgewählten Theorie sowie weiteren Theorien und Begründungen ausführlich Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 114-153.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
105
Die Prozesstheorie nach Weick greift weiter als vorhergehende Versuche, eine Prozessorientierung herzustellen. Rüegg-Stürm fasst die drei zentralen Grundauffassungen der Theorie wie folgt zusammen:236 x
Zielinterpretation versus Zielorientierung: Weick vertritt die Auffassung, dass in der Regel das Handeln der Formulierung von Zielen vorausgeht. Damit hebt er die traditionell „festgelegte“ Reihenfolge von Zielsetzung hin zu Zielumsetzung – also das klassische Verständnis von „Zielorientierung“ – auf und verkehrt sie sogar.237 Seiner Ansicht nach können das Verstehen einer Handlung und damit die Interpretation ihres Sinns erst erfolgen, nachdem sie beendet ist, also nicht vor oder während des Stattfindens. Das bedeutet auch, dass Prozesse der „Sinngebung“ basierend auf bereits erfolgten Handlungen den Kern eines jeden „Organisierens“ darstellen.
x
Stabile Entitäten versus prozesshafte Phänomene: Weick reinterpretiert alle im klassischen Verständnis als stabile Entitäten angesehenen Strukturen, z. B. Organisationen und die Umwelt, als Phänomene, die prozessual entstehen, also nicht einfach gegeben oder gar stabil sind.
x
Lineare versus zirkuläre Wirkungszusammenhänge: Weick strebt darüber hinaus danach, die linearen Denk- und Analysevorgänge in ein Denken in zirkulären, auf sich selbst wieder Rückbezug nehmende Wirkungszusammenhänge zu verwandeln.
Ergänzend und vor allem mit Bezug auf die organisationale Veränderung muss noch auf den für Weick und seine Theorie wichtigen Begriff der „Gestaltung“ („enactment“) hingewiesen werden. Damit betont er die aktive Rolle von Akteuren, die es ihnen erlaubt, ihre Umwelt zu gestalten, Veränderung zu erkennen, zu fokussieren und entsprechend zu handeln, wobei dadurch, ganz im Sinne der Zirkularität, wieder eine Veränderung hervorgerufen wird.238 Weick bedient sich der Evolutionstheorie, um den Gestaltungsprozess von Organisationen zu erläutern. Der Verlauf wird in Abbildung 35 verdeutlicht: Im Rahmen der Gestaltung werden verschiedene Varianten einer Organisation auf Basis des ökologischen Wandels (Veränderung, die im System oder von außen induziert auftritt) und der Gestaltung der möglichen Optionen erzeugt. Aus diesen Varianten wird durch Selektion eine Auswahl getroffen und im Verlauf von Zyklen durch so genannte Montageregeln instanziiert. Montageregeln sind im Bereich der Kognition angesiedelte Denkschemata, die zur Interpretation, „Verfertigung“ und damit „Gestaltgebung“ der Organisationsvarianten dienen.239 Die Minuszeichen haben folgende Bedeutung: Je geringer die Mehrdeutigkeit ausfällt, desto einfacher bzw. weniger komplex sind die Montageregeln, die zur Sinngebung eingesetzt werden müssen, und desto weniger Zyklen sind erforderlich, um den Prozess zu einem Ergebnis zu führen. Im Sinne der Evolutionstheorie sollen die Varianten, die erfolgversprechend, d. h. überlebensfähig sind, erhalten werden. Dementsprechend durch236 237 238 239
Ebenda, S. 133. Das wird sehr eindrücklich durch das Zitat „Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich sehe, was ich spreche?“ verdeutlicht. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, S. 196. Ebenda, S. 190-191. Bezüglich des Begriffs „Gestalten“, der hier u. a. für den englischen Begriff „enactment“ eingesetzt wird, sei auf die Anmerkungen von Rüegg-Stürm verwiesen, der die Unzulänglichkeit der Übersetzung bemängelt (Organisation und Organisationaler Wandel, S. 139). Aus diesem Grund finden sich hier auch die Synonyme „Verfertigung“ und „Gestaltgebung“, um der Kritik zu entsprechen. Später wird jedoch der Einfachheit halber nur noch von „Gestalten“ gesprochen.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
106
läuft der Teilprozess „Retention“ die gleichen Schritte und vollzieht dabei zwei Aufgaben: Erstens interpretiert er die bei der Selektion gewählte Variante für die „Vererbung“ der günstigen Eigenschaft und zweitens hinterfragt er dabei ihre Gültigkeit in Bezug auf den sich kontinuierlich vollziehenden Wandel des Umfelds. Das Hinterfragen der Gültigkeit von Selektion und Variantenbildung umfasst ein weiteres, für Weicks Theorie wichtiges Begriffspaar, nämlich „Vertrauen/Misstrauen“: Der gesamte Organisationsprozess ist durch eine permanente Entscheidung geprägt, der Gültigkeit der Variations- und Selektionsschritte zu vertrauen und unter den Bedingungen fortzufahren oder aber ihnen zu misstrauen und neue Variationen zu entwickeln und auszuwählen. Diese Auffassung von Weick wird auch durch die positiven (d. h. Vertrauen) bzw. negativen (d. h. Misstrauen) Vorzeichen im Rahmen der Interpretations- bzw. Gestaltungsentscheide deutlich. Der untere Teil von Abbildung 35 dokumentiert die zuvor angesprochene Sequenz von Zielorientierung und Zielinterpretation oder, anders ausgedrückt, von Denken und Handeln. Die Organisationsgestaltung durchläuft also nach Weicks Auffassung einen zirkulären interpretativen, selektierenden, hinterfragenden und gestaltenden Prozess der Sinngebung. (+, - : Gestaltungsentscheide) (+, - : Interpretationsentscheide) Gestaltung („enactment“)
Selektion
+ Ökologischer Wandel
Gestaltete Mehrdeutigkeit
Retention
Wahrgenommenes Ausmass an Mehrdeutigkeit im Input
+
Wahrgenommenes Ausmass an Mehrdeutigkeit im Input
+
+ -
-
Anzahl Zyklen
ich wir sie
Wie kann
Akteur
wissen, was
ich wir sie
denke(n) fühle(n) will/wollen
Retention
-
bevor
-
Montageregeln
ich wir sie
Anzahl Zyklen
sehe(n) was höre(n)
Selektion
-
ich wir sie
-
Montageregeln
spreche(n) tue/tun
Gestaltung
Abbildung 35: Das Organisationsprozessmodell nach Weick240 Die Bedeutung für das Konzept der organisationalen Veränderung ist bereits kurz hervorgehoben worden. Weicks Prozesstheorie lenkt das Denken im Zusammenhang mit Organisationen und ihrer Veränderung in Richtung einer kontinuierlichen Wechselwirkung von Handlungen und deren Interpretation, die wiederum in Handlungen resultieren. Ob die Reihenfolge von Handlung und Interpretation tatsächlich so rigide ist, wie Weick es 240
Entnommen aus Walter-Busch, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, S. 247, der die Einzelabbildungen aus Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, S. 193-196 zusammengeführt hat.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
107
postuliert, kann nicht eindeutig bewiesen werden, die Prozessperspektive ist jedoch ein wesentlicher Schritt für das Verständnis der organisationalen Veränderung. Das Veränderungsprojekt entsteht in einer bereits bestehenden Organisation und damit auch dem bestehenden Prozess von Gestaltung, Selektion und Retention. Es setzt also in diesem Fall tatsächlich auf bereits erfolgten Handlungen und Interpretationen auf, und damit ist der „Hinterfragungs- und Erneuerungszyklus“, vor allem im Zuge der Retention, so wie ihn Weick auch sieht, in Gang gesetzt. Die organisationale Veränderung erfordert einen aktiven Gestaltungsakt, der mit einem hohen Mass an Mehrdeutigkeit und Unsicherheit ausgestattet ist. Diese Mehrdeutigkeiten und Unsicherheiten sollen im Verlauf des Organisationsprozesses einerseits reduziert und andererseits in Klarheit und höhere Sicherheit transformiert werden. Das geschieht durch die Anwendung der oben erwähnten „Montageregeln“ bzw. Anleitungen. Nur eine ausgewogene Mischung zwischen Stabilisierung und Weiterentwicklung kann die erforderliche Stabilität herstellen, um den organisatorischen Wandel zu vollziehen.241 Weick interpretiert den Prozess der organisatorischen Veränderung darüber hinaus auch als Organisation von Wissen.242 Dieses Wissen wird in Frage gestellt, und so entstehen aktive, idealerweise auch kreative Gestaltungs- und Selektionsprozesse, die veränderte Verhaltens-, Wahrnehmungs- sowie auch Interpretationsmuster erzeugen, die neu in den Organisationsprozess eingebracht werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Weicks Prozesstheorie bei aller, auch berechtigter Kritik, doch einen wesentlichen Aspekt zum Verständnis des Vorgangs der Gestaltgebung von Organisationen und der Rolle des Individuums als Akteur beiträgt. Dieses Verständnis lässt sich dann später im Rahmen der Interpretation der Beschreibungsdimensionen für Veränderungsprojekte und der Entwicklung von Maßnahmen nutzbringend einsetzen.
3.1.4.4Klassische und konstruktivistische Systemtheorie Mit dem klassischen und konstruktivistischen Ansatz der Systemtheorie sollen die beiden Hauptentwicklungsrichtungen dieser Theorie erläutert werden. Die systemorientierte Managementlehre hat z. B. mit den Werken von Hans Ulrich und der Entwicklung des St. Galler Management-Modells Einzug in die Denkweise der Betriebswirtschaftslehre gehalten.243 Grundsätzlich wird zwischen offenen und geschlossenen Systemen unterschieden, wobei die geschlossenen Systeme durch eine positive oder negative Rückkopplung bestimmt sein können: Positive Rückkopplung bedeutet, dass ein System auf Aktionen reagiert und dadurch weitere, in der Regel umfangreichere Aktionen auslöst, die zu Wachstum oder Schrumpfung führen können. Negative Rückkopplung hingegen wird durch eine Abweichung und die Reaktion des Systems auf diese „Störung“ ausgelöst; diese Art von Rückkopplung ist also „zielsuchend“.244 Für die Anwendung im Rahmen von Veränderungsprozessen ist die Überlegung wichtig, dass die Extremausprägungen im 241
242 243
244
Vgl. dazu z. B. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, S. 293-319, insbesondere S. 309-311; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 143-147; Luhmann, N.: Soziale Systeme, S. 421-443. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, S. 192-193. Vgl. hier z. B. Dubs, R., Euler, D., Rüegg-Stürm, J.: Einführung in die Managementlehre, Bern et al. 2002; Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management: Visionen – Missionen - Programme, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 2001; Österle, H. et al.: Unternehmensführung und Informationssystem: Der Ansatz des St. Galler Informationsmanagements, 2. Aufl., Stuttgart 1992; Ulrich, H., Krieg, W.: St. Galler Management-Modell, Bern et al. 1972/1974. Vgl. Forrester, J. W.: Grundzüge einer Systemtheorie (Principles of Systems), S. 3-22.
108
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Rahmen der positiven Rückkopplungen zu Instabilität führen und durch gegenläufige Reaktionen gekontert werden sollten. Deswegen wird versucht, die rein dualistische Ausprägung zu vermeiden. Nachfolgend werden die beiden zentralen Denkansätze im Rahmen der Systemtheorie, die klassische und die konstruktivistische Systemtheorie, kurz vorgestellt und ihr Einsatz für das Konzept der organisationalen Veränderung diskutiert. Die klassische Systemtheorie fokussiert die klar gestaltbaren Elemente von Systemen und legt dabei einen Schwerpunkt auf ihre Steuerbarkeit, ohne dass sie völlig in der Kybernetik aufgeht. Nach von Bertalanffy bestehen Systeme aus Komponenten heterogener Technologien, die ein einzelner Spezialist nicht mehr beherrschen kann.245 Darüber hinaus spielen die Wechselwirkung zwischen Mensch und Maschine sowie die entsprechenden Konsequenzen für das Systemverhalten eine wichtige Rolle. Obwohl die gestaltbaren Komponenten des Systems im Mittelpunkt stehen, werden sie in der klassischen Systemtheorie als Ganzes im Zusammenspiel und ihrem Kontext gesehen und nicht als unabhängige Einzelteile. Das System weist so bestimmte Strukturen auf, die sich systemspezifisch, also für das System charakteristisch manifestieren. Innerhalb dieses Systems gibt es bestimmte, erlaubte Verhaltensweisen, die als systemeigene Ordnung aufzufassen sind. Jedes Abweichen von dieser Ordnung führt zu einer Störung des Systems und damit zu Anpassungsmechanismen. Bei aller Strukturiertheit gilt es dennoch zu beachten, dass das System nicht, wie etwa ein rein technisches System, deterministisch reagiert, sondern sich emergent entwickelt. Die Steuerung eines solchen Systems geschieht nach der Auffassung der klassischen Systemtheorie durch ein externes Führungssystem, das in das System eingreift (Intervention) und damit Veränderung induziert. Die neue oder auch konstruktivistische Systemtheorie stellt eine Weiterentwicklung des klassischen Ansatzes dar und basiert auf der Grundannahme, dass es keine allgemeingültige Instanziierung, d. h. eine für alle gleiche Ausprägung eines Systems gibt.246 Vielmehr wird die Wirklichkeit aufgrund individueller Wahrnehmungen und der Interpretation der spezifischen Prägungen eines jeden Systems in seinem Kontext konstruiert. Dabei spielen nun auch die Interaktions- und Kommunikationsprozesse eine zentrale Rolle, die zuvor nicht explizit berücksichtigt worden sind. Dabei ist festzuhalten, dass auch in der konstruktivistischen Sicht gewisse stabile und für verschiedene Individuen gleiche Charakteristika von Systemen entwickelt werden, die zur Vergewisserung dienen.247 Der Begriff der „Kontingenz“ steht in Verbindung mit der neueren Systemtheorie weitaus mehr im Vordergrund, indem er die Nichterfüllung von Erwartungen adressiert. Die „Steuerungseinheit“ wird darüber hinaus nicht mehr als externe Entität definiert, sondern ist ein integraler Bestandteil des Systems, so dass sie dessen Elemente beeinflusst und zugleich durch die Elemente beeinflusst wird.
245 246
247
Vgl. hier und im Folgenden von Bertalanffy, L.: General Systems Theory, S. 3-10. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Ausführungen von Kieser, A.: Konstruktivistische Ansätze, in Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, S. 287-318; Walter-Busch, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, S. 273-286; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 79-90; Willke, H.: Systemtheorie I: Grundlagen, S. 14-67 sowie der in der jeweiligen Quelle zitierten Literatur. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 143-147.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
109
Um die wichtigsten Annahmen der konstruktivistischen Systemtheorie zu verdeutlichen, werden sie nachfolgend anhand der zentralen Begrifflichkeiten dieser Theorie erläutert:248 x
Unterschiede bzw. Differenzen: Unterschiede bzw. Differenzen bezeichnen die kontinuierliche Bewegung in einem System. Die unterschiedlichen Systemzustände werden als Differenz wahrgenommen und dienen der Stabilisierung des Systems und zur Verarbeitung von „Störungen“.
x
Beobachtung: Die Beobachtung entsteht durch die Wahrnehmung und Interpretation der auftretenden Differenzen. Wie auch bei Giddens postuliert, kann eine Handlung erst dann beobachtet werden, wenn sie wahrgenommen wurde, die Aufmerksamkeit damit auf sie gelenkt werden kann und sie darauf basierend schließlich interpretiert wird. In der konstruktivistischen Systemtheorie entsteht eine Rekursivität von Beobachter und Beobachtetem, so dass das System mit seinen Elementen nicht mehr einfach als gegeben und damit „objektiv“ beobachtbar angesehen werden kann, sondern es verändert sich mit der Wahrnehmung des Beobachters.
x
Ereignis, Ereignissystem und Ereignisstrom: Die einzelnen Ereignisse in einem im Rahmen dieser Theorie konstruierten System sind z. B. Entscheidungen oder Handlungen, also nicht mehr gegebene und manifestierte Entitäten, wie in der klassischen Systemtheorie. Die Ereignisse sind miteinander vernetzt und bilden ein Ereignissystem zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Ereignisstrom ist eine Abfolge von Geschehnissen, die unabhängig vom System erfolgt, es handelt sich also mit anderen Worten um das Alltagsgeschehen.
x
Strukturen: Die miteinander vernetzten Ereignisse folgen in ihrem Ablauf einer bestimmten Logik bzw. Struktur, d. h. sie erfolgen nicht zufällig. Diese Strukturen werden z. B. bestimmt durch die Wertschöpfung im Unternehmen, sie folgen also einem bestimmten Ziel. Die Ereignisabläufe sind dadurch zu einem gewissen Grad stabil und stellen somit sicher, dass bestimmte Strategien zur Zielerreichung verfolgt werden können.
x
Prozesse: Die logische und zielgerichtete Abfolge von Ereignissen wird in Form von Prozessen zusammengefasst. Prozesse existieren aufgrund von Ereignissen; jeder Prozess ist demnach einmalig und irreversibel. Die Form der Prozesse, d. h. die Art und Weise wie sie durchgeführt werden, ist durch die Struktur bestimmt, damit ist die Grundform eines Prozesses (sein Typ) reversibel und wiederholbar.
x
Anschlussfähigkeit: Die sozialen Prozesse innerhalb eines Systems bauen in drei Dimensionen aufeinander auf: zeitlich (Position auf der Zeitachse), sachlich (bearbeitete Themen) und sozial (beteiligte Menschen). Anschlussfähigkeit bedeutet, dass die selektierten (aber nicht-zufälligen) Ereignisse die weitere Selektion von Ereignissen ermöglichen. Das bedeutet, dass das System „handlungsfähig“ bleibt und nicht aufgrund von entweder Beharrung auf Bekanntem und Erprobtem erstarrt oder per-
248
Hier gilt es zu beachten, dass die Begriffe wirklich theoriespezifisch erläutert werden, denn z. B. der Begriff „Prozess“ kann im Rahmen einer ingenieurgeprägten Theorie anders ausgelegt werden.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
110
manenter radikaler Innovation und entsprechender „Nichtakzeptanz“ vollkommen destabilisiert wird.249 x
Umwelt: Die Umwelt ist definiert als das „Äußere“ des Systems, also der Teil, der explizit nicht zum System selbst gehört (also das Umfeld im Sinne der vorliegenden Arbeit). Die Umwelt dient z. B. der Abgrenzung der Systeme und damit als Referenz für die Strukturen und Prozesse, die in dem System konstituiert werden.
x
Thema: Ein System ist, wie bereits erörtert, unter anderem dadurch definiert, dass es zur Umwelt abgrenzbar ist. Die Frage nach dem „Abgrenzungsgrund“ ist demnach nicht überraschend. Der Begriff „Thema“ ist für die Beantwortung ein hilfreiches Konstrukt: Das Thema, das „bearbeitet“ wird, ist die Begründung für die Perspektive und den Wirkungsbereich des Systems und liefert damit die Begründung für die Selektion der relevanten Ereignisse.
Die Zusammenhänge und Unterschiede zwischen den beiden Theorieansätzen werden in Abbildung 36 noch einmal grafisch verdeutlicht. Das System in der klassischen Theorie besteht aus Strukturen, die zeitunabhängig existieren und innerhalb derer sich die Beziehungen zwischen den verschiedenen, system-konstituierenden Entitäten (Personen, Technologien, Teams, Artefakten, Abteilungen etc.) entwickeln. Steuerung bedeutet hier eine von außerhalb der Systemgrenzen einwirkende Intervention, die nicht in rekursiver Beziehung zu den Elementen innerhalb des Systems steht. Demgegenüber entsteht das zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrnehmbare System der konstruktivistischen Theorie aus der Kommunikation, den Handlungen und Entscheidungen innerhalb des beobachteten Zeitabschnitts. Somit ist es innerhalb bestimmter Strukturen nur eine vergängliche Repräsentation der Wirklichkeit, die sich auf der Basis von anschlussfähigen sozialen Prozessen immer wieder neu konstituiert. Die Handhabung von Differenzen ist also der grundlegende Treiber bei der Reproduktion des Systems. Klassische Systemtheorie
Konstruktivistische Systemtheorie
Sicherstellung der Anschlussfähigkeit
Steuerung
Ereignisstrom Zeit
Steuerung
Abbildung 36: Klassische und konstruktivistische Systemtheorie Für das Konzept der organisationalen Veränderung enthalten beide Ansätze der Systemtheorie wesentliche Gestaltungsfaktoren. Zunächst ist die grundlegende Interpretation des Unternehmens als System, das sich durch bestimmte Themen von der Umwelt abgrenzen 249
Vgl. dazu die Abbildung 3-5 auf S. 83 bei Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
111
lässt, hilfreich in Bezug auf die Eingrenzung eines relevanten Betrachtungsraums. Darüber hinaus kann man diese Auffassung aufnehmen und die Subsysteme innerhalb der Systemgrenzen betrachten, hier also z. B. das Veränderungsprojekt als eigenständiges, durch ein bestimmtes Thema definiertes System. Dadurch erfolgt eine klare und explizite Eingrenzung des Wirkungsbereichs sowie eine Definition der relevanten Elemente und Ereignisse. Ausgehend von dem zugrunde liegenden Bezugsrahmen kann die Auslegung der klassischen Systemtheorie Hinweise darauf geben, aus welchen fachlichen, kulturellen und auch technologischen Komponenten, d. h. Entitäten, das System besteht und wie sich ihre Wechselwirkungen manifestieren. Der Steuerungsauffassung kann hier allerdings nicht gefolgt werden, wie im nächsten Kapitel noch zu zeigen sein wird. Der konstruktivistische Ansatz hingegen unterstützt die Analyse der relevanten Ereignisse in einem System und der möglichen Konsequenzen, die sich aus einer Interpretation der wahrgenommenen und auf das Veränderungsprojekt zurückführbaren Differenzen ergeben. Die Abstraktion von Entitäten und die Analyse der Kommunikation, der Entscheidungen und der Handlungen befähigt den Betrachter, eine prozessgetriebene und dreidimensionale Perspektive (zeitlich, sachlich, menschlich) einzunehmen, die Rückschlüsse auf die Konstruktion des aktuell gültigen Systems sowie auf die mögliche nächste Instanz zulässt. Hierbei spielt das Konzept der Anschlussfähigkeit eine zentrale Rolle. Denn das Veränderungsprojekt muss mit anschlussfähigen Ereignissen arbeiten, die es den Beteiligten ermöglichen, sich mit den unbekannten Ereignissen auseinanderzusetzen und ihre Legitimation zu einem gewissen Grad in den bekannten Ereignissen und den als „richtig“ erachteten Interpretationen zu finden. Die genaue Analyse und Definition, was anschlussfähige Ereignisse sind bzw. sein können, spielt also für den Erfolg250 des Veränderungsvorhabens eine zentrale Rolle. Mit den Ausführungen zur Systemtheorie ist die Gestaltungsdimension „Organisationstheorie“ abgeschlossen. Nachfolgend wird darauf aufbauend das Steuerungsverständnis für das Konzept der organisationalen Veränderung entwickelt.
3.1.5 Die Gestaltungsdimension „Steuerungsverständnis“ Die grundlegende Frage, die sich im Zusammenhang mit der Steuerung von organisationalen Veränderungsprojekten ergibt, ist die folgende: Wie kann das kollektive Handeln und damit die Stabilisierung des sich in der Veränderung befindlichen sozialen Systems über die Vielzahl der Akteure, Gruppen, Motive, Interessen, Werte und Wirklichkeitskonstruktionen etc. und der inhärenten Gegensätze und Widersprüchlichkeiten so koordiniert werden, dass ein nachhaltig erfolgreiches Ergebnis erzielt wird?
250
Der Begriff „Erfolg“ wird für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Erfolg ist die Umsetzung der definierten Projektziele und Projektergebnisse sowie deren Integration in die Unternehmenskultur und Organisationsstrukturen. Nur, wenn auch die nachhaltige Komponente der Verankerung der Zielsetzungen in beide Systemwelten erfolgt ist, kann von „Erfolg des Veränderungsvorhabens“ gesprochen werden.
112
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Daran schließen sich die Fragen an, wie diese Leistung ohne ständige Hinterfragung und neue Vergewisserung erbracht werden kann, und wie die Ordnung des Systems erhalten bzw. reproduziert und zugleich auf Störungen, d. h. sich verändernde Bedingungen reagiert werden kann. Das beinhaltet die Frage nach der grundlegenden Steuerbarkeit von Veränderungsprozessen und Veränderungsprojekten. Dieser Punkt wurde bereits in Kapitel 2 angesprochen und kurz diskutiert. Somit findet zu einem gewissen Grad ein Rückbezug auf diese Ausführungen statt, denn dort war die Steuerung bereits als eine Ebene bei der Entwicklung des Bezugsrahmens ein zentrales Thema. Die wichtigsten, dort angesprochenen Punkte werden nachfolgend an geeigneter Stelle noch einmal kurz aufgenommen und dann entsprechend ergänzt. Die möglichen Ausprägungen dieser Dimension sind nunmehr eingeschränkt durch die Auswahl der relevanten Organisationstheorien. Die Hypothese einer vollkommenen Unsteuerbarkeit der organisationalen Veränderung wird also z. B. durch die Wahl des „rationalen Konstruktivismus“ als führenden Denkansatz nicht berücksichtigt. Die Frage nach der Steuerbarkeit von Veränderungsprozessen erfordert zunächst die Definition des Begriffs „Steuerung“. In der Literatur herrschen je nach Denkrichtung des Autors unterschiedliche Begriffsverständnisse vor, die hier kurz dargelegt werden sollen. In einem ersten Schritt werden jedoch einige allgemeine Aspekte der Steuerung untersucht. Grundlegend wird Steuerung einerseits als Prozess zur Erreichung gewünschter Zustände aufgefasst251, andererseits wird Steuerung als Maßnahmenpaket zur Kontrolle eines Systems verstanden, so dass hier die Koordinationsfunktion im Vordergrund steht und weniger die intentionale Zielerreichung.252 Darüber hinaus muss Steuerung differenziert werden in Steuerungshandlung, also die Perspektive der Aktion, und Steuerungswirkung, die Perspektive der Konsequenzen bzw. Folgenabschätzung. Beginnend mit der Lehre der Kybernetik werden nachfolgend einige Definitionen und Begriffsexplikationen zur Steuerung von Systemen zusammengetragen. Sie dienen später als Grundlage für die Entwicklung des Steuerungsverständnisses der vorliegenden Arbeit. Eine der ersten und grundlegenden Definitionen findet sich bei Norbert Wiener, dem Begründer der Kybernetik253: Kybernetik ist die Wissenschaft von der Regelung und der Nachrichtenübertragung in Maschine und Lebewesen auf der Basis von Rückkopplung. Der Ursprung des Begriffs liegt im griechischen „kybernetes (N\EHUQHWHV)“ und bedeutet „Steuermann“. Diese Metapher zeigt deutlich zwei Dinge: zum einen, dass Wiener nicht von der Steuerung des technischen Systems ausgeht, sondern von Maschinen und Lebewesen, und zum anderen, dass die Steuerung eines (biologischen, sozialen) Systems nicht durch eine externe, zentrale Einheit geschieht, sondern einen Steuerungsmechanismus, der innerhalb des Systems angesiedelt ist, also Teil dessen ist, dort Impulse gibt, Wechselwirkungen auslöst und Dynamik erzeugt.254 Dennoch basiert die klassische Kybernetik, oder auch Kybernetik erster Ordnung sowie Kybernetik I genannt, auf dem Mo251 252
253 254
Vgl. z. B. Etzioni, A.: The Active Society, New York 1971 (Erstveröffentlichung 1968), S. 45. Vgl. z. B. Ackermann, C., Parsons, T.: Der Begriff „Sozialsystem“ als theoretisches Instrument, in: Jensen, S. (Hrsg.): Talcott Parsons: Zur Theorie sozialer Systeme, Opladen 1976, S. 69-84; Parsons, T.: Beiträge zur soziologischen Theorie, Neuwied und Berlin 1964. Vgl. hier und im Folgenden Wiener, N.: Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine, S. 11-13. Vgl. Vester F.: Die Kunst, vernetzt zu denken: Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität 5. Aufl., Stuttgart 2000, S. 124-125.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
113
dell der bereits genannten kontrollierbaren Rückkopplung und der Zielsetzung der Erreichung und Aufrechterhaltung des Systemgleichgewichts, d. h. der Homöostase.255 Die vorherrschende Auffassung ist also ein Steuerungsoptimismus.256 Die Frage, die an dieser Stelle aufgeworfen werden kann, ist, ob diese Betrachtungsweise den Anforderungen von sozialen Systemen genügt, zu denen Veränderungsprojekte zweifellos zählen. Der Steuermann ist zwar Teil des Systems, dennoch steuert er ähnlich wie eine „Maschine“, d. h. prinzipiell deterministisch und linear; die Prozesse zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts folgen bestimmten Regeln, die mehr oder weniger ähnliche Ergebnisse erzielen. Soziale Systeme hingegen sind emergent, kontingent, nichtlinear sowie komplex, im Sinne des Grades der Vielschichtigkeit, Vernetzung, Emergenz und verfügbaren Handlungsoptionen.257 Die Effekte eines Steuerungsimpulses sind also nicht vollständig determinierbar, und damit sind auch die Ergebnisse der Steuerung nicht grundsätzlich reproduzierbar. Dementsprechend stützt sich das Steuerungsverständnis der konstruktivistischen Systemtheorie, die auch als Kybernetik zweiter Ordnung oder Kybernetik II bezeichnet wird, einerseits auf Intervention zur Auslösung eines Veränderungsimpulses und andererseits auf die Selbststeuerung und die Kontextsteuerung. Damit verbunden ist folglich eine gewisse „Steuerungsskepsis“.258 Dieser Punkt ist später in der thematischen Auseinandersetzung mit Steuerung noch ausführlicher zu diskutieren. Eine weitere und sehr grundlegende Definition von Kybernetik stammt von Bateson, der sie als einen Zweig der Mathematik interpretiert, der sich mit den Problemen der Steuerung, der Rekursivität und der Information befasst.259 Vester definiert die Kybernetik als die „Erkennung, Steuerung und selbsttätige Regelung ineinander greifender vernetzter Abläufe bei minimalem Energieaufwand“.260 von Förster hat sich mit dem Begriff wie folgt auseinander gesetzt: „Wie im Allgemeinen bekannt ist, spricht man von Kybernetik, wenn Effektoren, wie z. B. ein Motor, eine Maschine, unsere Muskeln usw. mit einem sensorischen Organ verbunden sind, das mit seinen Signalen auf die Effektoren zurückwirkt.“261 Damit stellt er eine Beziehung zwischen Beobachter und dem beobachteten System her. von Glasersfeld definiert den Begriff so: „Cybernetics, thus, is metadisciplinary, which is different from interdisciplinary, in that it distils and clarifies notions and conceptual patterns that open new pathways of understanding in a great many areas of experience.“262 Er weicht damit von der Auffassung der anderen Autoren ab, indem er nicht den Steuerungs- oder den Informationsaspekt in den Vordergrund stellt, sondern die systematisierende Funktion der Kybernetik betont.
255 256 257
258 259 260 261 262
Vgl. dazu z. B. Bateson, G.: Geist und Natur, S. 34-85 Vgl. dazu Kapitel 2, S. 47. Vgl. zum Begriff der Komplexität Gomez, P., Probst, G. J. B.: Die Praxis ganzheitlichen Problemlösens, S. 22-26; Honegger, J., Vettiger, H.: Ganzheitliches Management in der Praxis, Zürich 2003, S. 17-23. Vgl. Kapitel 2, ebenfalls S. 47. Vgl. Bateson, G.: Geist und Natur, S. 128-137. Vester, F.: Die Kunst, vernetzt zu denken, S. 124. von Förster, H.: KybernEthik, S. 61. von Glasersfeld, E.: Radical Constructivism, S. 147.
114
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Beer schließlich versteht unter Kybernetik die „Wissenschaft der effektiven Organisation“.263 Dieses Verständnis verbindet schließlich die zuvor genannten Auffassungen und gibt ihnen eine Zielsetzung, nämlich die der Effizienz.
Diese Definitionen und Begriffserklärungen zielen auf ein Steuerungsverständnis ab, das auf der Basis von Wechselwirkungen Veränderungen und entsprechende Anpassungsreaktionen hervorruft, die innerhalb des betrachteten Systems sowie durch Impulse, die außerhalb des Systems entstehen, getrieben werden. Dabei stehen weniger thematische und auf ein bestimmtes Ziel orientierte Überlegungen im Vordergrund als vielmehr die personen- und damit Denkschulen-geprägten Meinungen. Aus diesem Grund müssen nachfolgend zur Ergänzung noch einige Definitionen des Begriffs „Steuerung“, die thematisch verankert sind und die den zuvor aufgeworfenen Aspekt der Steuerbarkeit wieder aufnehmen, untersucht werden: In diesem Zusammenhang ist die Kybernetik dritter und vierter Ordnung, oder auch Kybernetik III und IV, aufzugreifen, bevor ein Steuerungsverständnis im weiteren und engeren Sinn entwickelt wird.264 Die Kybernetik IV geht davon aus, dass ein System durch den Einfluss von Störungen in Richtung eines so genannten „Bifurkationspunktes“ strebt, an dem sich eine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Richtungen eröffnet, die wieder zu einem Gleichgewicht führen. Durch die Wahlmöglichkeiten und die Ungewissheit, welche Richtung das System ansteuert, wird sein Verhalten nichtlinear. Darüber hinaus gibt es keinen Weg, den alten Zustand wiederherzustellen, d. h. der Systemzustand ist irreversibel. Die Steuerung sollte an den Bifurkationspunkten erfolgen. Die Kybernetik der dritten Ordnung oder Kybernetik III ist dann erreicht, wenn es eine gleichzeitige negative und positive Rückkopplung in dem System gibt, das System sich durch interne Zielsetzung auf der Grundlage von symbolverarbeitenden Kontrollsystemen selbst steuern kann und ein zeitabhängiges Verhalten aufweist, d. h., dass es in Abhängigkeit von den getroffenen Entscheidungen verschiedene System zu verschiedenen Zeitpunkten gibt. Bis zu dieser Form der Kybernetik war die Gesellschaft als beeinflussender Faktor eines Systems noch nicht einbezogen. Mit dem Einbezug der Gesellschaft wurde eine Steuerung durch z. B. Normen und Gesetze erforderlich, um Konflikte zu vermeiden bzw. zu beheben. Nach Degele laufen in diesen Systemen Steuerungsprozesse durch Konflikt und Konsens, also im Rahmen von Mediationsprozessen ab. Das Konzept der dualen Kontrolle ist in diesem Zusammenhang das zu bevorzugende Steuerungssystem: Ein angestrebter Systemzustand wird durch Aktion und Reaktion und schrittweiser Abstimmung des entwickelten Systemmodells mit der Realität erreicht. In dieser Sichtweise erfolgt also eine Integration des klassischen Ansatzes des „kybernetes“ mit der Berücksichtigung der Selbststeuerung des Systems aus Sicht der Soziokybernetik, mit dem Ziel der kontinuierlichen Anpassung an die erzeugten Veränderungen. So werden die Veränderungen, die durch die Steuerung ausgelöst oder durch die vernetzten und nichtlinear handelnden Systemelemente (z. B. der Gesellschaft) zugefügt worden sind, in der nächsten Anpassungsschleife berücksichtigt und wieder in die Steuerungsreaktion aufgenommen. Die zuvor erarbeiteten Steuerungsansätze werden nachfolgend in die beiden Kategorien „Steuerung im weiteren Sinn“ und „Steuerung im engeren Sinn“ kondensiert. Dabei flie263 264
Vgl. Beer, S.: Decision and Control: The Meaning of Operational Research and Management Cybernetics, New York 1996 (Erstveröffentlichung 1966), S. 56-60 Vgl. hier und im Folgenden Degele, N.: Zur Steuerung komplexer Systeme – eine soziokybernetische Reflexion, in: Soziale Systeme, 3 (1997) 1, S. 81-99, die eine umfassende Untersuchung des Begriffs vorgenommen und die unterschiedlichen Auffassungen verdichtet hat.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
115
ßen für die Definition der ersten Kategorie die Auffassungen ein, die sich mit der Steuerung und der Steuerungswirkung sowie der Wechselwirkung von „Störung“ und „Anpassung“ auseinandersetzen, d. h. z. B. Bateson, Vester, von Glasersfeld und Beer sowie die Auffassung der Kybernetik III. Die Definition der zweiten Kategorie, also der „Steuerung im engeren Sinn“, konzentriert sich dagegen auf den Aspekt der akteursbasierten Steuerung und damit auf den Menschen und seinen Einfluss auf das System.265 Diese Auffassung findet sich z. B. bei von Förster und im Begriffsverständnis der Kybernetik IV. Steuerung im weiteren Sinn (i.w.S.): Steuerung i.w.S. wird als Integrationsmechanismus und zur Koordination funktional differenzierter sozialer Systeme definiert. Darüber hinaus manifestiert sich Steuerung i.w.S. durch zwei grundlegende Ausprägungen: interne Steuerung, d. h. Selbststeuerung, und externe Steuerung, d. h. Kontextsteuerung. Das bedeutet für die erste Ausprägung, dass durch die Steuerung die „unwahrscheinliche Selektion von verfügbaren Optionen“ unterstützt wird und damit in den „natürlichen“ Verlauf der Systemreproduktion eingegriffen wird. Diese so genannte „operative Steuerung“ erfolgt durch das System selbst, weil die Abläufe innerhalb des Systems manipuliert werden. Die zweite Ausprägung hingegen setzt Bedingungen im Rahmen des Kontexts und gibt somit externe Steuerungsimpulse für das System durch die Struktur.266
Aber zur Steuerung i.w.S. gehört auch noch die Steuerung durch Überwachungs- und Durchsetzungssysteme wie sie bei Verträgen der Principal-Agent-Theorie zum Einsatz kommen (vgl. auch Abbildung 37). Hier werden drei Steuerungssysteme unterschieden: x
der Markt bei beliebigen Frequenzen von Transaktionen und nicht-spezifischen Investitionsmerkmalen,
x
die dreiseitige Kontrolle, bei der die Hilfe Dritter für die Durchsetzung und Überwachung der vertraglichen Beziehungen im Rahmen von neo-klassischen (selbst erfüllenden) Verträgen in Anspruch genommen wird, die die Merkmale der gelegentlichen Häufigkeit und gemischte bis hochspezifische Investitionsmerkmale haben, und schließlich
x
die zweiseitige und vereinheitlichte Kontrolle im Rahmen von relationalen Verträgen. Bei der zweiseitigen Kontrolle und Steuerung sind die beiden autonomen Vertragspartner die steuernden Organe, und die Charakteristik ist hier, dass die Transaktionen wiederholt durchgeführt werden und die Investitionsmerkmale gemischt sind. Im Rahmen der vereinheitlichten Kontrolle geben die Vertragspartner ihre Autonomie auf und versuchen so die Vorteile der Integration zu nutzen, dabei den Gewinn zu
265
266
Dieser Aspekt wird vor allem in der „Rational-Choice-Theorie“ hervorgehoben und fokussiert das Spannungsfeld von intendierten und nicht-intendierten Handlungsfolgen, die für die Betrachtung der organisationalen Veränderung von Bedeutung sind. Vgl. z. B. Hill, P. B.: Rational-Choice-Theorie, Bielefeld 2002, S. 11-15. Vgl. dazu Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 180-181 sowie Mayntz, R.: Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme – Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma, in: Ellwein, T. et al. (Hrsg.): Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Band 1, BadenBaden 1987, S. 89-109 und Mayntz, R., Nedelmann, B.: Eigendynamische soziale Prozesse. Anmerkungen zu einem analytischen Paradigma, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 39 (1987) 4, S. 648-668.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
116
maximieren und die Flexibilität in Bezug auf Veränderungen zu steigern. Die Charakteristika dieser Verträge sind auf der einen Seite eine beliebige Frequenz von Transaktionen sowie auf der anderen Seite eine hohe Spezifität der Investitionsmerkmale. Investitionsmerkmale
Marktkontrolle (klassischer Vertrag)
gelegentlich wiederholt
Häufigkeit
nichtspezifisch
gemischt
hochspezifisch
dreiseitige Kontrolle (neoklassischer Vertrag)
zweiseitige Kontrolle
vereinheitlichte Kontrolle
(relationaler Vertrag)
Abbildung 37: Überwachungs- und Durchsetzungssysteme im Rahmen von Vertragsverhältnissen267 Hier zeigt sich, dass eine spezifischere Zusammenarbeit einen höheren Integrationsgrad attraktiv erscheinen lässt. Das ist wiederum interessant für die im Folgenden besprochenen Kooperationsformen in der Veränderung: bei einer sehr spezifischen Veränderung kann es vorteilhaft sein, weniger Autonomie zuzulassen und sich eher in Richtung Hierarchie oder arbeitsteilige Kooperation zu bewegen (vgl. auch Abbildung 39).268 Steuerung im engeren Sinn (i.e.S.): Die Steuerung i.e.S. basiert auf einem intentional handelnden Individuum, das über ein klar benennbares Steuerungsziel verfügt und zugleich Maßnahmen zur Zielerreichung ergreift.269 Der akteurbasierte Steuerungsbegriff berücksichtigt die Interessen und die Interaktion von Steuerungssubjekten und die Beziehungen zu den Steuerungsobjekten sowie die Auswirkungen auf das System.
Ausgehend von der Auffassung, dass sich Steuerung mit den Problemen der Koordination von Handlungen und Handlungsfolgen beschäftigt, soll der Steuerungsbegriff für die vorliegende Arbeit mit Rückbezug auf den Bezugsrahmen in zwei Schichten entwickelt werden (vgl. Abbildung 38). Die erste und innere Schicht fasst Steuerung im klassischen Sinn auf und zielt damit auf die Steuerung erster Ordnung der hauptsächlich deterministisch funktionierenden Systeme im Unternehmen ab, z. B. der Produktionssysteme oder der Applikationen. Die zweite, äußere Schicht fokussiert das soziale System „Verände267 268 269
Entnommen aus Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 183. Vgl. Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, S. 181-185. Vgl. Mayntz, R.: Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme – Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma, S. 89-109; Bühl, W. L.: Sozialer Wandel im Ungleichgewicht, Stuttgart 1990, S. 180; Busch, J. A., Busch, G. M.: Cybernetics IV, in: Lasker, G. E. (Hrsg.): Applied Systems and Cybernetics, Band III, New York 1981, S. 1238-1243.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
117
rungsprojekt“ im Rahmen der Organisation und damit die Steuerung oder Kybernetik zweiter Ordnung. Diese zweite Schicht wird entlang von vier Steuerungsdimensionen präzisiert, die sich mit den Steuerungspotenzialen und -grenzen im Rahmen sozialer Systeme auseinandersetzen, die nicht mehr durch einfache Regelkreise steuerbar sind.270
STEUERUNG
Steuerung erster Ordnung Technische Systeme, Produktionssysteme, Applikationen etc. -> deterministisches Verhalten und Steuerung durch Rückkopplung
Steuerung zweiter Ordnung Soziales System -> emergentes, kontingentes Verhalten Steuerung durch Prozesse, Selbststeuerung und Kontextsteuerung
Abbildung 38: Zweischichtiges Steuerungsverständnis Die vier Medien der Steuerung zweiter Ordnung können für Veränderungsprojekte in Anlehnung an Willke wie folgt entwickelt werden: x
Steuerung durch Corporate Governance: Die Corporate Governance eines Unternehmens, aber auch die daraus abgeleitete Governance für Teilbereiche des Unternehmens, wie z. B. Projekte, setzt die Rahmenbedingungen, d. h. im Sinne der Systemtheorie die Strukturen für Prozesse, für die Architektur des betrieblichen Informationssystems, Entscheidungen und Verhaltensweisen.271
x
Steuerung durch Organisationsstrukturen und Machtverhältnisse: Die Organisationsstrukturen eines Unternehmens oder auch eines Projekts stellen ein wesentliches Strukturierungselement und damit auch Steuerungsmoment dar. Je nach dem wie diese Strukturen definiert wurden und sich entwickelt haben, können die Steuerungsmedien (Macht, Geld und Wissen) wirksam werden. Denkbare Organisations- bzw. Kooperationsformen werden in Abbildung 39 kurz dargestellt.272 Die verschiedenen, heute bekannten und diskutieren Instanzen von Kooperationsformen sind dabei zum einen in die Dimension „Grad der formalen Verbindung“ mit den Ausprägungen „Au-
270
271 272
Die Grundidee für die Auswahl dieser Dimensionen ist bei Willke (Systemtheorie III: Steuerungstheorie) entnommen, der die Überlegungen zum einen für die Steuerung von „Gesellschaften“ bzw. Volkswirtschaften und zum anderen für Organisationen durch Demokratie, Hierarchie, Macht, Geld und Wissen anstellt. Er bezieht allerdings nur die Steuerung durch „Wissen“ auf Organisationen. Durch die Anpassung und Erweiterung der Begrifflichkeiten auf die charakteristischen Anforderungen von Veränderungsprojekten in Organisationen ist eine entsprechende Übertragung sehr gut möglich. Die Steuerungsform und das Steuerungsmedium werden hier nicht explizit getrennt; im Text jedoch wird kurz auf die Abgrenzung verwiesen. Vgl. zu grundlegenden Begriffen und Definitionen des Corporate Governance z. B. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 315-317. Vgl. hier und im Folgenden Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 87-141.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
118
(ungeregelte) Konkurrenz
?
Indifferenz
?
(formale) Demokratie
Diskurssysteme
Autonomie
Hierarchie
?
regulierte Anarchie
?
Vertrauen
Grad der emotionalen Beziehung
Misstrauen
tonomie“, „Lose Kopplung“ und „Abhängigkeit“ sowie zum anderen in die Dimension „Grad der emotionalen Beziehung“ mit den Ausprägungen „Vertrauen“, „Indifferenz“ und „Misstrauen“ eingeordnet. Die Fragezeichen bedeuten, dass entweder für das konkrete Feld der Neun-Feld-Matrix noch keine Instanz existiert oder sich in den Kreuzungen der Felder hybride Formen entwickeln, die zum heutigen Zeitpunkt zum Teil beobachtbar sind, aber noch keine Bezeichnung haben. Die zentralen und vielleicht am intensivsten beobachteten und diskutierten Formen der Kooperation, die Demokratie, die Hierarchie sowie die Netzwerke sind in der Abbildung hervorgehoben.
arbeitsteilige Kooperation
?
Netzwerke
Kommunitarismus
Lose Kopplung
Abhängigkeit
Grad der formalen Bindung
Abbildung 39: Kooperationsformen in Organisationen273 Die möglichen Kooperationsformen für Veränderungsprojekte kann man in Abhängigkeit vom Veränderungsthema auf die Ausprägungen der Felder im Bereich der „Losen Kopplung“ und der „Abhängigkeit“ eingrenzen. Für eine Veränderung, wie z. B. die Entwicklung eines völlig neuen Geschäftsbereichs, kann es sinnvoll sein, das Projekt durch lose Kopplung an das Unternehmen zu binden und entsprechend zu koordinieren. Bei Veränderungsthemen, die z. B. sehr eng an der Kernleistungserstellung angesiedelt sind, kann es wiederum sinnvoll sein, ein hohes Mass an Abhängigkeit zu definieren. Welche Ausprägung in der Dimension „Grad der emotionalen Beziehung“ realisiert werden kann, hängt natürlich von der dominierenden Ausprägung im Unternehmen und darüber hinaus der Beziehung der Akteure zueinander ab. Das Umfeld, in dem sich die Akteure bewegen, kann zudem indifferent, kompetitiv oder feindlich sein. Diese Differenzierung stammt aus der Spieltheorie, die davon ausgeht, dass Handlungsweisen auch davon abhängig sind, in welchem Interaktionsmodus sich Akteure bewegen:274 273 274
Entnommen aus Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 140. Vgl. für speziellere Formen Riechmann, T.: Spieltheorie, München 2002, S. 149-165 und für grundlegende Überlegungen zu Akteursbeziehungen z. B. Scharpf, F. W.: Interaktionsformen: Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, S. 84-122; Mayntz, R. (Hrsg.): Akteure – Mechanismen – Modelle: Zur Theoriefähigkeit makro-sozialer Analysen, Frankfurt a. M. 2002.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
119
x
Indifferent: Die Akteure orientieren sich nicht aneinander, sondern verfolgen ihre Zielsetzungen mehr oder weniger unabhängig.
x
Kompetitiv: Die Akteure orientieren sich aneinander und stehen in einem Wettbewerb, der anspornend wirkt.
x
Feindlich: Die Akteure orientieren sich aneinander und stehen in einem von eher destruktiven, auf Verdrängung ausgelegten Aktionen geprägten Wettbewerb.
Die wahrscheinlichsten Kooperationsformen für Veränderungsprojekte werden sich in dem Kontinuum der „arbeitsteiligen Kooperation“, dem „Netzwerk“, der „Hierarchie“ sowie der „regulierten Anarchie“, inklusive der hybriden, noch namenlosen Formen bewegen. Der Kommunitarismus als Kooperationsform im Veränderungsprojekt ist wahrscheinlich sehr selten anzutreffen, denn die Kombination volles „Vertrauen“ und gleichzeitig totale „Abhängigkeit“ kann zwar in der Familie existieren, aber in Veränderungsprojekten und der damit verbundenen Unsicherheit und Angst ist der wahrscheinliche Grad der emotionalen Beziehung in Zusammenhang mit der Beziehung „Abhängigkeit“ realistischerweise auf dem Kontinuum zwischen „indifferentem Vertrauen“ und „indifferentem Misstrauen“ anzusiedeln. Das Steuerungsmedium „Macht“ definiert sich demnach in Abhängigkeit von der dominierenden Kooperationsform: In der Hierarchie entsteht die Machtausprägung durch die Stufe, auf der sie angesiedelt ist. Im Netzwerk entsteht Macht durch Verträge, die eine der drei zuvor im Rahmen der Principal-Agent-Theorie diskutierten Formen annehmen können. In der Demokratie liegt die Macht auf der Seite der Mehrheit und der die Entscheidungen ausübenden Organe. Macht ist immer damit verbunden, dass Sanktionen – positiver oder negativer Art – greifen, wenn Abweichungen entstehen oder Entscheidungen nicht umgesetzt werden. Macht entsteht darüber hinaus durch eine gewisse Ordnung und die Position, die ein Individuum im Rahmen dieser Ordnung einnimmt.275 Je komplexer jedoch das System ist und je mehr es davon abhängt, dass jeder aus der eigenen Motivation heraus die Leistung zur Aufrechterhaltung der Stabilität und Förderung der Weiterentwicklung des Systems erbringt, desto weniger funktioniert Machtausübung aufgrund von Zwang, basierend auf Position oder Struktur. Bezieht man diese Erkenntnisse auf Veränderungsprojekte, so wird sehr deutlich, an welchen Stellen eine Machtposition entstehen kann, und wo potenzielle Schwierigkeiten verborgen sein können. Das nachfolgende Zitat von Barnard, der sich allgemein auf die Führungskraft bezieht, die Situation aber auch in Bezug auf die Führung der Veränderung verdeutlicht:276 „It is precisely the function of the executive to facilitate the synthesis in concrete action of contradictory forces, to reconcile conflicting forces, instincts, interests, conditions, positions, and ideals.” Die Steuerung in der Veränderung basiert also im Zusammenhang mit dem Medium „Macht“ auf der Rolle des „Facilitators“277 und nicht der dominierend-erzwingenden 275 276 277
Vgl. dazu ausführlich Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 142-179 sowie die dort zitierte Literatur. Barnard, C. I.: The Functions of the Executive, Cambridge Mass. 1950, S. 21. Der englische Begriff „Facilitator“ schließt die deutschen Begriffe „Moderator“, „Unterstützer“ und auch „Vermittler“ ein und ist somit umfassender als nur einer dieser Begriffe. Aus diesem Grund wird der englische Term im Text verwendet.
120
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Machtposition. Steuerung geschieht durch das Aufnehmen der verschiedenen Positionen, das Finden von Kompromissen, das Auslösen von Impulsen und die beteiligtenund situationsgerechte Entscheidung und deren Durchführung im richtigen Moment. Steuerung entsteht also durch die Balance aus (gewährter278) Fach-, Sozial- und Entscheidungskompetenz, die die fachlichen Anforderungen der Veränderung genauso berücksichtigt, wie die emotionalen Herausforderungen im Zusammenhang mit Unsicherheit und Angst. Mit dieser Erkenntnis tritt der nicht-triviale Charakter der Steuerung von Veränderungsprojekten deutlich zu Tage. Sie hängt ab von der Kooperation verschiedener, sich kontingent entwickelnder Systemelemente und bedarf deshalb eines Steuerungskonzepts aus verschiedenen, geeigneten Medien. Willke kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Macht als alleiniges Steuerungsmedium heute nicht mehr ausreicht und sie durch weitere Steuerungsmedien ergänzt werden kann und muss, wie der nächste Punkt auch in Bezug auf Veränderungsprojekte zeigen wird.279 x
Steuerung durch monetäre Anreize: Geld hat sich als effektives und effizientes Steuerungsmedium etabliert. Geld bzw. monetäre Anreize können, insbesondere im destabilisierenden Kontext von Veränderungsprojekten, sinnstiftend oder auch „zwecksetzend“280 sein, eine Funktion, die Macht nur dann erfüllen kann, wenn sie als Anreiz auf eine Person übertragen wird. Allerdings ist sie nur begrenzt verfügbar. Problematisch wird der Einsatz von Geld dann, wenn es sachlich „entzweckt“ wird und nur noch als Zweck in sich definiert wird. Damit wird die Intention der Steuerung pervertiert, die ja die Selektion von „unwahrscheinlichen“ Handlungsoptionen im Sinn der Sache, z. B. des Ziels des Veränderungsprojekts, verfolgt. Wenn aber nur noch nach Geld und den damit verbundenen Annehmlichkeiten gestrebt wird, kann der eigentliche Steuerungszweck sehr schnell verloren gehen.281
x
Steuerung durch Wissen: Wissen ist ein weiteres Steuerungsmedium, das mit der Zunahme der wissensbasierten Beschäftigungsprofile immer mehr an Bedeutung gewinnt.282 Unter dem Gesichtspunkt des Wissenszuwachses stellt sich zum einen die Frage, wie Wissen „portioniert“ werden kann, ohne dass es z. B. zu negativen Effekten aufgrund eines „Ausschlusses von Wissen“ kommt. Zum anderen stellt sich die Frage, ob das verfügbare Wissen, z. B. über die wichtigen Themen eines Veränderungsvorhabens, tatsächlich korrekt ist. Darüber hinaus ist Wissen im Sinne der zuvor diskutierten konstruktivistischen Systemtheorie ein wichtiger Bestandteil der „Vergewisserung“ und damit der Reproduktion und Entwicklung einer Organisation. Wissen ist damit ein Element der Selbststeuerung eines Systems und zugleich Ziel aller philo-
278
279 280
281
282
Hier liegt vielleicht einer der wichtigsten Unterschiede zu der früheren Machtauffassung und –ausübung: Die größte Fach- und Entscheidungskompetenz nutzt nur wenig, wenn die beteiligten Akteure diese nicht anerkennen und sich nicht entsprechend anschließen. Vgl. Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 175-179. Vgl. Simmel, G.: Philosophie des Geldes, in: Frisby, D., Köhnke, K. (Hrsg.): Gesamtausgabe Band 6, Frankfurt a. M. 1989, S. 261, der mit dieser Unterscheidung auf die Steuerung im Sinne der Selektion aus Handlungsoptionen abzielt. Vgl. hierzu wesentlich ausführlicher Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 180-226; aus seinen Ausführungen wurden nur die für das hier betrachtete Thema der Steuerung von Veränderungsprojekten relevanten Aspekte herausgegriffen. Vgl. z. B. Drucker, P. F.: Management Challenges of the 21st Century, New York 1999, S. 133-160; Etzioni, A.: The Active Society, S. 133-134.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
121
sophischen Grundfragen zum Thema „Wissen“, die sich auf die Subjektivität des Wissens aufgrund von Beobachtung und Erkenntnis beziehen. Für die vorliegende Arbeit sind diese Fragen kurz in der Einleitung erörtert worden und sollen hier nicht noch einmal aufgegriffen werden. Wissen ist hier im Zusammenhang mit der Steuerung eher klassisch definiert als die Informationen, die mit den Erfahrungen des Verwenders angereichert werden und damit zunächst eine individuelle und subjektive Prägung haben, die in einem zweiten Schritt aber auf die Organisation übertragen und nutzbar gemacht werden können, somit einen Objektivierungsprozess durchlaufen, in dem andere Individuen das Wissen für sich adaptieren.283 Für ein Veränderungsprojekt ist das Wissen ein elementares Steuerungsmedium, weil einerseits mit jeder Veränderung zwar Wissen geschaffen wird, aber auch individuelles Wissen durch die Abwanderung oder auch nur den Widerstand von beteiligten Mitarbeitern verloren geht. Für den Prozess der objektivierenden Wissensschaffung besteht darüber hinaus die Herausforderung, dieses Wissen gezielt zu dokumentieren und wiederauffindbar zu archivieren. Andererseits kann mit der Verbreitung oder der Zurückhaltung von Informationen und Wissen sehr viel Dynamik erzeugt werden, die auf der einen Seite positiv wirken kann, z. B. dadurch, dass sich Mitarbeiter privilegiert fühlen, damit einen hohen Grad an Unterstützung sowie positiver Energie entwickeln und andere, vielleicht zweifelnde Beteiligte auf diese Weise „mitnehmen“ können. Aber auf der anderen Seite kann sich eine fehlgeleitete Kommunikationspolitik sehr negativ auswirken, z. B. dadurch, dass aufgrund von zu wenig oder zu restriktiver Informationsbzw. Wissensweitergabe Gerüchte entstehen, die kontraproduktiv wirken, oder Mitarbeiter sich ausgeschlossen fühlen und das Veränderungsvorhaben boykottieren. Die Informations- oder auch Wissenspolitik im Zusammenhang mit dem Kommunikationsverhalten spielt demnach eine zentrale Rolle für die Steuerung des Veränderungsprojekts. Diese vier Steuerungsmedien sind nicht streng voneinander abzugrenzen, allerdings stehen sie zum Teil in einem paradoxen Beziehungsgeflecht zueinander: sie können sich sowohl komplementär ergänzen als auch konfliktär beeinflussen. Eine komplementäre Wirkung kann z. B. entstehen, wenn das im Unternehmen bestehende Wissen für eine verbesserte Corporate Governance zur Verfügung steht. Eine konfliktäre Wechselwirkung entsteht dann, wenn die bestehende Corporate Governance zu einer überzogenen Ausnutzung der monetären Anreize führt oder Wissen zu einer Machtmonopolisierung genutzt wird. In Bezug auf den Wirkungsbereich dieser vier Medien kann noch zwischen zwei weiteren Ebenen unterschieden werden: Im Rahmen der ersten beiden Medien wird durch strukturelle Festlegungen gesteuert, die eine globale Steuerung des Veränderungsprojekts unterstützen. Die zweiten beiden Medien hingegen zielen eher auf die individuelle Steuerung bzw. die Steuerung des Individuums ab. Für die Gestaltungsdimension „Steuerungsverständnis“ kann festgehalten werden, dass im Rahmen des Zwei-Schichten-Modells nur eine gut abgestimmte Mischung der vier 283
Zu der Definition des Begriffs „Wissen“ vgl. Polanyi, M.: The tacit dimension, Gloucester 1983 (Erstveröffentlichung 1966); Sveiby, K. E.: Wissenskapital: Das unentdeckte Vermögen, Landsberg a. L. 1998, S. 65. In dem Moment, in dem das individuelle Wissen auf die Organisation übertragen und nutzbar gemacht wird, kann man von organisationalem Lernen sprechen; vgl. hierzu Sattelberger, T. (Hrsg.): Die lernende Organisation: Konzepte für eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung, 3. Aufl., Wiesbaden 1996.
122
Begriffliche und theoretische Grundlagen
zentralen Steuerungsmedien innerhalb der für Veränderungsprojekte relevanten Steuerungsformen eine erfolgversprechende Steuerung zulassen.
3.1.6 Die Gestaltungsdimension „Prozessvision“ Die Veränderung in Unternehmen wird als Prozess begriffen, der sich, wie in Kapitel 2, bereits erwähnt, nicht allein auf das Veränderungsprojekt bezieht und dadurch begrenzt wird, sondern vielmehr als Grundlage für das aufzusetzende Veränderungsprojekt dient. Wie bereits zu Anfang ausgeführt, gewinnt die Prozessperspektive damit eine herausgehobene Bedeutung, denn nur wenn eine Vision des Veränderungsprozesses besteht, können Differenzen entstehen, Beobachtungen geschehen, Kommunikationsvorgänge, Entscheidungen und Handlungen erfolgen, Rahmenbedingungen geschaffen und Ziele formuliert werden; kurz gesagt: nur dann entstehen die Strukturen und Abläufe, die eine Veränderung ausmachen. Um den Begriff der „Prozessvision“ für die Veränderungsthematik zu entwickeln, muss zunächst der Prozessbegriff kurz analysiert und mit dem Ziel einer Arbeitsdefinition für die vorliegende Arbeit entsprechend erarbeitet werden. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Begriffs „Prozess“ aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die betrieblichen Abläufe nicht nur ebenenorientiert und damit horizontal ausgerichtet sind, sondern dass sie in der Regel gleichzeitig vertikal orientiert sind und damit als ebenenübergreifend angesehen werden müssen. Die betrieblichen Abläufe werden nunmehr in ihrer Gesamtheit betrachtet und nicht mehr in ebenenbezogenen Teilkomponenten; das gilt insbesondere auch für die Veränderung von Systemen und ihren Subsystemen. Diese Gesamtheit wird unter der Bezeichnung „Prozess“ subsumiert. Allerdings ist der allgemeine Begriff in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch nicht hinreichend gefestigt. Ein allgemeiner, aber für die vorliegende Arbeit interessanter Ansatz ist es, das Unternehmen zunächst einmal als System von Prozessen zu interpretieren.284 Die verschiedenen Prozesse werden dabei in drei Kategorien unterteilt: x
Managementprozesse, d. h. Prozesse, die der Führung und dem Setzen von Zielen und Vorgaben dienen,
x
Geschäftsprozesse, d. h. alle Prozesse, die der Leistungserstellung und direkten Wertschöpfung dienen (auch: Leistungsprozesse), sowie
x
Unterstützungsprozesse, d. h. Prozesse, die nicht unmittelbar an der Leistungserstellung beteiligt sind, aber eine wichtige Unterstützungsfunktion leisten, z. B. Personalverwaltung, rechtliche Belange etc.
Mit dieser Kategorisierung ist zwar ein erster Ansatz zur Ordnung geschaffen, aber der Begriff „Prozess“ noch nicht erfasst und definiert.
284
Vgl. Dubs, R., Euler, D., Rüegg-Stürm, J. (Hrsg.): Einführung in die Managementlehre, , S. 362-1044, hier insbesondere die Texte von Müller-Stewens, G.: Strategische Entwicklungsprozesse; Wunderer, R., Bruch, H.: Operative Führungsprozesse; Bieger, T.: Geschäftsprozesse.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
123
Eine klassische Definition wird im Rahmen der Produktionstheorie geliefert: Hier ist ein Prozess eine Aktivität, die Einsatzgüter in Ausbringungsgüter umwandelt.285 Der Umwandlungsvorgang ist die so genannte Gütertransformation286, die bei dieser Definition den Hauptaspekt darstellt.287 Die Definition beruht auf einer traditionellen Sichtweise, die die Produktion in den Vordergrund aller betrieblichen Abläufe stellt und „unterstützende Abläufe“, wie Planungs-, Verwaltungs- oder auch Controllingaktivitäten, vernachlässigt. Die Sichtweise der Produktionstheorie mit dem ausschließlichen Fokus auf die Produktion ist für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit zu eng, deshalb ist eine Erweiterung des Begriffsverständnisses erforderlich. Bea und Schnaitmann288 modifizieren die Definition, indem sie den Transformationsaspekt in zwei Komponenten unterteilen: die Tätigkeit, die für einen Prozess festlegt, welche Aktivitäten durchgeführt werden sollen, und die Transformationsressourcen, die z. B. in Form von Materialien (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Information), menschlicher Arbeit (körperlich und geistig) sowie Maschinenleistung in den Transformationsvorgang eingehen. Das Ergebnis der Transformation ist das Ausbringungsgut bzw. sind die Ausbringungsgüter. Die Ausbringungsgüter können wiederum in Hauptausbringungsgüter, Nebenausbringungsgüter und „unerwünschte Ausbringungsgüter“ unterteilt werden. Das Hauptausbringungsgut ist das Transformationsobjekt, das entweder selber als Einsatzgut in den Transformationsvorgang eingeht oder erst im Verlaufe des Vorganges entsteht. So kann z. B. menschliche Arbeit als Einsatzgut in den Transformationsvorgang eingehen und als Ergebnis entsteht ein neuer Produktentwicklungsprozess. Die Information, die während eines Transformationsvorganges erzeugt wird, kann als ein (immaterielles) Nebenausbringungsgut angesehen werden. Auch das Hauptausbringungsgut kann materiell oder immateriell sein: Der entwickelte Produktentwicklungsprozess ist ein immaterielles Hauptausbringungsgut, und die Dokumentation ist ein materielles Hauptausbringungsgut. Ein „unerwünschtes Ausbringungsgut“ ist z. B. der Ausschuss (sowohl materieller als auch immaterieller Art), der im Verlauf des Transformationsvorgangs entsteht. Ausschuss im Rahmen der Prozessentwicklung ist z. B. ein fehlerhafter Ablaufschritt oder eine falsche Aktivität, der bzw. die nur durch hohen Aufwand korrigiert werden kann und deshalb nicht mehr weiter verwendet wird. Diese ursprünglich auf materielle Hauptausbringungsgüter ausgerichtete Definition lässt sich relativ direkt auf das Thema „Veränderungsprozess“ übertragen: Die Inputgüter eines Veränderungsprozesses sind, wenn man in der in den vorhergehenden Dimensionen gewählten Terminologie bleibt, sämtliche Strukturen, Prozesse und Entitäten des zu verändernden Bereichs. Sie erfahren eine Transformation im Sinne der Neukonstruktion, Redefinition oder Terminierung. Die Ausbringungsgüter sind wiederum neue Strukturen, Prozesse oder Entitäten. Die Haupt- bzw. Nebenausbringungsgüter können, wenn das Ende einer Prozesskette noch nicht erreicht ist, als Einsatzgüter in den nächsten Prozess eingehen. Damit wird eine wesentliche Charakteristik von Prozessen beschrieben: Ein Prozess besteht in den 285 286
287 288
Vgl. Schweitzer, M., Küpper, H.-U.: Produktions- und Kostentheorie der Unternehmung, Reinbek bei Hamburg 1974, S. 26 und S. 31-35. Um Überschneidungen mit dem Begriff der Veränderung zu vermeiden, wird in diesem Teil der Arbeit immer dann von „Transformation“ gesprochen, wenn der „verändernde Teil“ im Rahmen des betriebswirtschaftlichen Prozessverständnisses gemeint ist. Vgl. Pohmer, D., Bea, F. X.: Produktion und Absatz, 3. Aufl., Göttingen 1994, S. 28-30. Vgl. hier und im Folgenden Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, in: WiSt, 21 (1995) 6, S. 278-282.
124
Begriffliche und theoretische Grundlagen
meisten Fällen aus Partialprozessen, die durch bestimmte logische Verknüpfungen miteinander verbunden sind. Diese logischen Verknüpfungen können auf sachlichen, zeitlichen oder räumlichen Gegebenheiten basieren. Ein Prozess ist durch die Art der Verknüpfung seiner Teilprozesse und die Orientierung an ablauforganisatorischen Bedingungen funktionsbereichsübergreifender Natur. Die Haupt- und Nebenausbringungsgüter sind verbindende Elemente der Teilprozesse.289 Unter zusätzlicher Einbeziehung der Ziele, die mit der Durchführung eines Prozesses verfolgt werden, und der organisatorischen Planung und Überwachung von Prozessen definieren Bea und Schnaitmann den Begriff „Prozess“ wie folgt:290 x
„Ein Prozess ist eine Tätigkeit zur Umwandlung von Einsatzgütern in Ausbringungsgüter (Transformationsaspekt).
x
Er lässt sich in mehrere miteinander verbundene Teilprozesse zerlegen (Verkettungsaspekt).
x
Zweck des Prozesses ist die Verwirklichung von sachlichen, formalen, sozialen und ökologischen Zielen (Zielaspekt).
x
Prozesse werden von Personen durchgeführt, kontrolliert und verantwortet. Ihr Verhalten lässt sich über die Organisationsstruktur beeinflussen (Organisationsaspekt).“
Eine andere, zugleich einfache und dennoch effektive Definition findet sich z. B. bei Davenport, der einen Prozess als eine strukturierte, bewertete Menge von Aktivitäten bezeichnet, die zusammengestellt werden, um einen zuvor spezifizierten Output für einen bestimmten Kunden oder einen bestimmten Markt zu erzeugen.291 Die Betonung bei dieser Definition liegt dabei darauf, wie etwas getan wird, im Gegensatz zu der Fragestellung, was getan wird. Hierbei wird auf die systematische Strukturierung von Abläufen abgehoben. Die Prozessstruktur als Abbildung von Vorgängen im Unternehmen ist die dynamische Betrachtungsweise der Wertschöpfung durch Prozesse. Im Gegensatz zur aufbauorganisatorischen Betrachtung ist es bei einer solchen ablauforganisatorischen Sichtweise möglich, Prozesse mit einem Mengen-, Wert- und Zeitgerüst zu hinterlegen.292 Die Wertschöpfung innerhalb eines Prozesses aus der Sicht des Kunden beschreiben Bea und Schnaitmann.293 Kunden werden charakterisiert als diejenigen Wirtschaftssubjekte, die das Ausbringungsgut eines Prozesses, also den Output, entweder weiterverarbeiten 289
290 291 292
293
Vgl. hierzu z. B. auch Striening, H.-D.: Prozess-Management. Versuch eines integrierten Konzeptes situationsadäquater Gestaltung von Verwaltungsprozessen, dargestellt am Beispiel in einem multinationalen Unternehmen, IBM Deutschland GmbH, Frankfurt a. M. et al. 1988, S. 57 oder auch Juran, J. M.: Handbuch der Qualitätsplanung, 2. Aufl., Landsberg a. L. 1990, S. 206 sowie Gaitanides, M.: Prozessorganisation. Entwicklung, Ansätze und Programme prozessorientierter Organisationsgestaltung, München 1983, S. 5 und insbesondere Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, S. 279. Bea, F. X.; Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, S. 280. Vgl. Davenport, T. H.: Process Innovation - Reengineering Work through Information Technology, Boston 1993, S. 5. Vgl. hierzu noch einmal Davenport, T. H.: Process Innovation - Reengineering Work through Information Technology, S. 6, aber genauso für den Strategieprozess auch Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 31-32. Vgl. hier und im Folgenden Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, S. 280-281.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
125
oder konsumieren. Der Begriff „Kunde“ bezieht sich nicht nur auf externe Wirtschaftssubjekte, sondern ebenfalls auf unternehmensinterne Beziehungen. Die Wertschöpfung ist, ausgehend von der Definition, dass der Wert derjenige Betrag ist, den ein Kunde subjektiv einem Wirtschaftsgut beimisst294, demnach die Wertsteigerung, die ein Einsatzgut durch den Transformationsprozess erfahren hat und die durch die Werteinschätzung des Kunden einen quantitativen Wert zugeschrieben bekommt: die Differenz zwischen Wert des Einsatzgutes und der Wertbemessung des Kunden.295 Aus dieser Sichtweise ergibt sich die Unterteilung eines Prozesses in unmittelbar wertschöpfende, mittelbar wertschöpfende und nicht wertschöpfende Prozesse. In einem unmittelbar wertschöpfenden Prozess wird das Transformationsobjekt direkt einer Wertschöpfung (im Sinne des Kunden) unterzogen. Die Unterstützung und Erhaltung dieser Prozesse erfolgt durch die mittelbar wertschöpfenden Prozesse, zu welchen z. B. die Informationsprozesse296 im Unternehmen oder auch logistische Prozesse gehören. Nicht wertschöpfende Prozesse hingegen werden durch Reibungsverluste und Koordinationsfehler hervorgerufen und müssen vermieden werden.297 Auch Österle bezieht die Perspektive der Kunden, der Wertschöpfung sowie zusätzlich der informationstechnischen Unterstützung in sein Prozessverständnis ein:298 „Ein Prozess ist eine Menge von Aufgaben, die in einer vorgegebenen Ablauffolge zu erledigen sind und durch Applikationen der Informationstechnik unterstützt werden. Seine Wertschöpfung besteht aus Leistungen an Prozesskunden. Der Prozess besitzt eine eigene Führung, die den Prozess im Sinne der Geschäftsstrategie anhand der daraus abgeleiteten Führungsgrößen lenkt und gestaltet. Ein Unternehmen konzentriert sich auf die wenigen Prozesse, die über seine Wettbewerbsfähigkeit entscheiden.“ Übertragen auf die bisher entwickelten Dimensionen des Konzepts der organisationalen Veränderung kann hier festgehalten werden, dass dieses Prozessverständnis für den Teil, der das klassische System, d. h. z. B. die Produktionssysteme, und damit verbunden die Kybernetik erster Ordnung betrifft, sehr gut übertragbar ist. Für die Bereiche des Konzepts, die durch das konstruktivistische Systemverständnis, d. h. das soziale System, und die Kybernetik zweiter Ordnung getragen werden, ist er nur zum Teil anwendbar. Nicht alle Prozesse des sozialen Systems können durch die Informationstechnik unterstützt werden, wobei diese Gruppe von Prozessen relativ klein ist, denn die Kommunikation, die Entscheidungsfindung, die Selektion aus der Menge an Optionen sowie auch die Handlungen können unterstützt werden. Aus dieser Betrachtung ausgenommen sind alle Prozesse der Wahrnehmung und Beobachtung sowie die individuelle Verarbeitung und 294 295 296
297 298
Vgl. dazu Porter, M. E.: Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Frankfurt a. M. et al. 1989, S. 64. Vgl. dazu auch Bea, F. X. et al.: Leistungsprozess, in: Bea, F. X. et al. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 3, 6. Aufl., Stuttgart 1994, S. 2. Unmittelbar wertschöpfende Prozesse können als „Prozesse erster Ordnung“ klassifiziert werden und mittelbar wertschöpfende Prozesse als „Prozesse zweiter Ordnung“. Der Begriff „Geschäftsprozesse“ umfasst sowohl Prozesse erster Ordnung als auch Prozesse zweiter Ordnung. Informationsprozesse hingegen fallen nicht unter die Geschäftsprozesse, sondern stellen eine eigenständige Untermenge der Prozesse zweiter Ordnung dar, die ein eigenes Mengen- und Wertgerüst bekommen. Vgl. dazu auch Fröhling, O., Baumöl, U.: Informationsprozess-Controlling, in: Berkau, C., Hirschmann, P. (Hrsg.): Kostenorientiertes Geschäftsprozessmanagement, München 1996, S. 141-164. Vgl. auch Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, S. 281. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 62-63; Hervorhebungen im Original.
126
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Wirklichkeitskonstruktion in diesem Zusammenhang.299 Während die Tatsache, dass ein Prozess eine eigene Führung besitzt, auf die Kybernetik zweiter Ordnung übertragen werden kann, ist die direkte Lenkbarkeit und Gestaltungsfunktion nur eingeschränkt übernehmbar. Hier greift die Steuerungsskepsis, die mit diesem Steuerungstypus verbunden ist. Die Standardisierung bzw. der Innovationsgrad von Prozessen kann als ein weiteres Kriterium zur Differenzierung herangezogen werden. Standardisierte Prozesse kommen immer wieder in betrieblichen Abläufen vor und sind stets gleich bleibend oder unterliegen nur geringfügigen Änderungen auf der Basis relativ einfacher Schemata; sie werden auch als repetitive Prozesse bezeichnet. Eine wesentliche Charakteristik repetitiver Prozesse ist die Möglichkeit, sie kostenmäßig zu erfassen und zu bewerten. Im Gegensatz dazu existieren innovative Prozesse, deren Ablauf nicht oder zumindest nur schwierig schematisiert werden kann und die deshalb einer permanenten Steuerung und Überwachung bedürfen. Aufgrund dieser Tatsache ist es auch nur mit relativ hohem Aufwand möglich, sie in ein Abrechnungsschema zu integrieren.300 Für die Veränderung kommen nur innovative Prozesse in Frage, weil kein Veränderungsthema, Wirkungsbereich oder auch nur die Rahmenbedingungen je gleich sein werden. Aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt sich für die vorliegende Arbeit die folgende Arbeitsdefinition des Begriffs „Veränderungsprozess“: Ein Veränderungsprozess besteht aus einer Menge von Aufgaben, deren Abfolge sich an der jeweiligen Zielsetzung und dem geplanten Ergebnis des Veränderungsvorhabens orientiert. Die Aufgaben sind als Teilprozesse zu interpretieren. Jeder Teilprozess besteht aus Inputfaktoren, einem Transformationsvorgang und Outputfaktoren, die ihrerseits wieder als Inputfaktoren in den darauf folgenden Teilprozess eingehen können. Der Output eines Veränderungsprozesses kann materiell oder immateriell sein. Die Inputfaktoren unterliegen einer mittelbaren oder sogar unmittelbaren Wertschöpfung. Der gesamte Prozessablauf wird darüber hinaus durch eine mittelbare Wertschöpfung begleitet. Die Instanz eines Veränderungsprozesses ist in der Regel innovativer Natur. Ein wichtiger Punkt, den es im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen zu berücksichtigen gilt, ist die „Intention“. Veränderungsprozesse können auch mehr oder weniger unbemerkt, d. h. schleichend, beginnen und ablaufen. Oftmals wird erst das Ergebnis sichtbar, und dann ist eine nutzbringende Steuerung bereits unmöglich geworden. Diese Art von Veränderung kann nicht verhindert werden, soll hier aber auch nicht berücksichtigt werden. Hingegen werden alle diejenigen Veränderungsprozesse fokussiert, die intentional gestartet und getrieben werden, was sich in der Definition insbesondere durch die Begriffe „Zielsetzung“ und „geplantes Ergebnis“ niederschlägt. Erst durch die trans-
299
300
Natürlich könnte man auch hier spitzfindig argumentieren, dass diese Prozesse informationstechnisch unterstützt werden können; diese höchst individuellen Prozesse und dabei auch zu einem großen Teil „intrapersonellen“ Abläufe sollen aber von dieser Sicht ausgenommen werden. Die Unterscheidung von repetitiven und innovativen Prozessen findet sich bei Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, S. 282 und bei Coenenberg, A. G., Fischer, T. M.: Prozesskostenrechnung. Strategische Neuorientierung in der Kostenrechnung, in: Die Betriebswirtschaft, 51 (1991) 1, S. 21-38, hier S. 25.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
127
parente Intention, die hinter einem Veränderungsvorhaben steht, kann ein Veränderungsprojekt entstehen.301 Auf der Grundlage dieser Begriffsbestimmung kann nun das Verständnis für die Prozessvision entwickelt werden. Die Prozessvision verfolgt laut Österle verschiedene Partialziele, die sich wie folgt auf das Thema der Veränderung anpassen lassen:302 x
Radikale Innovation: Bei der Entwicklung der Prozessvision werden entweder der bestehende Prozess und seine Bestandteile vollkommen hinterfragt und gegebenenfalls neu entwickelt, oder es wird ein ganz neuer Prozess entworfen.
Für den Veränderungsprozess bedeutet dieses Ziel, dass für jedes neu aufzusetzende Projekt der bestehende, vielleicht schon einmal eingesetzte Prozess hinsichtlich seiner Eignung hinterfragt werden muss. Da der Veränderungsprozess aufgrund seiner Rahmenbedingungen in der Regel innovativ ist, liegt in der Entwicklung einer Prozessvision, die durchaus auf der Basis eines bereits bestehenden Prozesses und der gewonnenen Erkenntnisse erfolgen kann, ein wichtiger Schritt zur Ordnung und Strukturierung des Veränderungsvorhabens. Dabei kann z. B. ein „Basisprozess“, wie in Abbildung 25 gezeigt, als Makroprozess auf höchster Verdichtungsstufe zugrunde gelegt werden, und dessen Verfeinerung kann die jeweils erforderliche Neuerung beinhalten. x
Verbindung von Strategie und Prozess: Die Prozessvision bezieht sich explizit auf die Strategie und leitet aus der Geschäftsstrategie die Ziele für den entsprechenden Bereich ab. Ein rekursives Überprüfen der Strategie und Einbringen neuer Ansätze im Rahmen der Strategieentwicklung ist dabei durchaus erwünscht.
Die Abstimmung des Veränderungsprozesses und seiner Ziele mit der Unternehmensstrategie ist unerlässlich. Ob die Rückkopplung auch greift, hängt vom Wirkungsbereich und der Reichweite des Veränderungsprozesses ab. x
Langfristige Orientierung: Die Prozessvision ist in Abhängigkeit vom Kontext des Unternehmens immer mindestens mittelfristig (drei bis fünf Jahre) angelegt.
An dieser Stelle wird die Grundannahme, dass Prozesse sich im Unternehmen mehrfach wiederholen und mit der Prozessvision ein Grundstein für diese Abläufe gelegt wird, aufgelöst. Der Veränderungsprozess ist für die Dauer des Veränderungsvorhabens angelegt und wird in dieser Form typischerweise genau einmal ablaufen. Dennoch stellt jede Prozessvision für Veränderungsprozesse eine Lernbasis dar, die eine effektivere und effizientere Durchführung des nächsten Entwicklungsschritts unterstützt. x
Nutzung der IT-Potenziale: Im Rahmen der Entwicklung einer Prozessvision werden die Potenziale für den entsprechenden Prozess sowie die Umgebung des Prozesses untersucht.
Dieser Punkt ist in Bezug auf den Veränderungsprozess bereits diskutiert worden. Dort wo es sinnvoll möglich ist, sollte dieses Ziel auf jeden Fall verfolgt werden. Beispiele für den sinnvollen Einsatz von IT im Rahmen von Veränderungsprojekten sind elektronische „Bulletinboards“, die den Kommunikationsprozess unterstützen, oder 301 302
Vgl. auch Kapitel 3.2. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 63 und 65.
128
Begriffliche und theoretische Grundlagen
gemeinsame elektronische Arbeitsumgebungen, die z. B. die Arbeitsabläufe und den Dokumentenaustausch verbessern. x
Gesamtsicht: Die Prozessvision sollte alle Aspekte, die für den Prozess von Bedeutung sind, berücksichtigen, d. h. eine ganzheitliche Sicht einnehmen. Dabei dient die Prozessvision nicht der Verfeinerung der entwickelten Vision.
Dieses Ziel ist insbesondere in Bezug auf die Vision für Veränderungsprozesse wichtig. Nur wenn hier eine ganzheitliche Sicht eingenommen wird, können die Wirkungen und potenziellen Kontingenzen des Prozesses abgeschätzt sowie Maßnahmen für den Fall von Abweichungen definiert werden. Aufgrund der zuvor getroffenen Aussagen kann also für die Prozessvision für Veränderungsprozesse festgehalten werden, dass ihre Entwicklung drei spezifische Charakteristika aufweist, die sie von der „klassischen“ Entwicklung einer Prozessvision unterscheidet: 1. Zeitliche Gültigkeit: Die Veränderungsprozessvision gilt nur für den Zeitraum, in dem das Veränderungsvorhaben abläuft. 2. Thematische Gültigkeit: Die Veränderungsprozessvision bezieht sich sehr stark auf das soziale System (im Gegensatz zum technischen oder hauptsächlich technischen System) und muss deshalb im Rahmen der Ablaufdefinition sowohl die das System konstituierenden Entitäten (strukturelle Komponenten des Systems) betrachten als auch die Kommunikationsvorgänge, Entscheidungen und Handlungen, die nicht mehr an Entitäten gebunden sind und im Verständnis von z. B. Willke die eigentlichen Prozesse konstituieren (funktionale Komponenten des Systems).303 Neben diesen Betrachtungsobjekten sind auch die drei Dimensionen des Systems „Sachlichkeit“, „Zeit“ und „Soziales“ zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Veränderungsprozessvision eine „Funktion“ der Komponenten und Dimensionen ist (vgl. auch Abbildung 40). Hier wird deutlich, dass der Veränderungsprozess im Zeitablauf für einen Systemzustand, konstituiert durch die strukturellen und funktionalen Komponenten, gültig ist, der in einer bestimmten Zeitspanne, eine gewisse sachlich begründete Zielsetzung verfolgt und eine spezifische soziale Ausprägung aufweist. 3. Steuerung: Durch den Schwerpunkt auf dem konstruktivistischen Teil des Gesamtsystems „Unternehmen“, kann nicht von einer unmittelbaren Steuerbarkeit durch Führungsgrößen ausgegangen werden (also im Sinne der klassischen Rückkopplungssteuerung). Stattdessen kommen hier die Steuerungspotenziale zum Einsatz, die in der Gestaltungsdimension „Steuerung“ dargelegt wurden, d. h. die Selbststeuerung und die Kontextsteuerung.
303
Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 93 sowie Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie, S. 142-168 und die dort zitierten Quellen, insbesondere Luhmanns Arbeiten.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Ideenfindung
Soziales
Diskussion
Initiierung
Durchführung
129
Str
System
K lle u re ukt
Fun
hk hlic Sac
Prüfung der Nachhaltigkeit
Abschluss
e pon om
K nale ktio
p om
n nte
n one
te n
eit
Zeit
Abbildung 40: Betrachtungsobjekte und Dimensionen für die Entwicklung einer Veränderungsprozessvision Für Veränderungsprojekte bedeutet dieses Begriffsverständnis darüber hinaus, dass der Initialisierungs- und Planungsphase eine hohe Bedeutung zukommt, denn hier werden die Strukturen gelegt, die das Veränderungsprojekt maßgeblich gestalten und damit auch die Steuerungspotenziale begründen. Eine Klassifikation für eine systematische Beschreibung des Veränderungsvorhabens, so wie sie in Kapitel 4 entwickelt wird, und die daraus abgeleitete Methodenbildung scheinen also zwei wichtige Eckpunkte für den Erfolg des Vorhabens zu sein. Tabelle 4 fasst die zuvor erarbeiteten Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen noch einmal zusammen. Gestaltungsdimension
Ausprägungen
„Denkschule“
Positivismus/Instrumentalismus: Nur die Dinge sind sinnvoll, die sich durch analytische und synthetische Aussagen beweisen lassen. Alle anderen Aussagen sind sinnlos und damit Scheinaussagen. Die Wirklichkeit konstruiert sich aus der Logik und dem Empirismus, also aus den Dingen, die „sichtbar“ sind, so dass es eine objektive Wirklichkeit gibt. Metaphysik ist irrelevant. (Comte, Carnap, Mach und der Wiener Zirkel) Rationalismus: Theorien sind nur beweisbar, wenn sie falsifiziert werden können. Der einzige Weg dahin ist die Deduktion. Aussagen können auch sinnvoll sein, wenn sie nicht zu falsifizieren sind, sie sind dann aber nicht wissenschaftlich. Die Wirklichkeit ist objektiv beobachtbar. (Popper) Konstruktivismus: Es gibt keine einzig wahre, für jeden gleiche Wirklichkeit und die endgültige Wahrheit, sondern die Wirklichkeit wird durch Wahrnehmung und Interpretation von jedem duum neu konstruiert. Mehr oder weniger stark ausgeprägte tionen sind der methodische, der soziale und der radikale tivismus. Die Metaphysik spielt eine zentrale Rolle in dieser schule (z. B. Bateson, Gergen, von Glasersfeld, von Förster, Watzlawick).
130
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Gestaltungsdimension
Ausprägungen
Organisationstheorien
Ökonomische Perspektive: Property-Rights-Theorie: Handlungs- und Verfügungsrechte zur Durchsetzung von Verhaltensbeziehungen zwischen ökonomischen Akteuren, basierend auf der Existenz von Gütern und deren Nutzung; Zuordnung von Handlungsrechten, so dass positive und negative Folgen vom Verursacher getragen werden. Transaktionskostentheorie: „Opfer und Nachteile“ (= Kosten) aller Austausch- und Abstimmungsbeziehungen (Transaktionen) zwischen Akteuren. Principal-Agent- und Vertragstheorie: Abstimmung der Auftragnehmer-Auftraggeber-Beziehungen in Bezug auf Wohlstand und Nutzen beider Parteien. Durchsetzung der Zielsetzungen von Akteuren durch vertragliche Gestaltung. Perspektive der sozialen Institutionen: Giddens Strukturationstheorie: Dualität von Struktur und Handlungen. Weicks Prozesstheorie: Die Organisationsentwicklung ist ein Gestaltungsprozess, bei dem Handlung in der Regel vor Beobachtung, Interpretation und Planung kommt. Systemtheorie allgemein: Es gibt offene und geschlossene Systeme; geschlossene Systeme können durch positive oder negative Rückkopplung bestimmt sein. Klassische Systemtheorie: Ein System besteht aus Entitäten und sie verbindenden Prozessen. Störungen führen zu Systemanpassungen. Konstruktivistische Systemtheorie: Ein System besteht aus Kommunikationsvorgängen, Entscheidungen und Handlungen. Das zu beobachtende System ist nur eine temporäre Instanz, die durch die Selektion von Ereignissen und deren Interpretation jeweils roduziert wird.
Steuerungsverständnis
Kybernetik I (Steuerungsoptimismus): Ein System ist durch Rückkopplung und externe Intervention steuerbar. Kybernetik II (Steuerungsskepsis): Ein System ist nur durch Selbststeuerung und Kontextsteuerung beeinflussbar. Es existiert keine direkte Steuerungsmechanik. Systeme verhalten sich nichtlinear und irreversibel. Kybernetik III (Steuerungsskepsis): Aufbauend auf der Steuerungssituation der Kybernetik II laufen nun positive und negative Rückkopplung gleichzeitig ab. Kybernetik IV (Steuerungsskepsis): Ergänzung der Dimension „Gesellschaft“, d. h. der sozialen Beziehungen. Die Komplexität in einem solchen System wird durch die duale Kontrolle, d. h. sens und Konflikt sowie Aktion und Evaluation, und damit den gleich von Realität und Modell gesteuert. Steuerung im weiteren Sinne: Systemsteuerung als Koordination von Handlungen und Handlungsfolgen. Steuerung im engeren Sinne: Akteursbasierte Steuerung auf der Basis von individuellen Zielen.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
131
Gestaltungsdimension
Ausprägungen
Prozessvision
Prozessdesign: Prozesse können auf Basis sachlicher Zielsetzungen aus dem gesamten Netzwerk der Prozesse und dabei zugleich auch dem sozialen System herausgelöst, überarbeitet und wieder integriert werden. Der Grad der Überarbeitung kann von Optimierung des bestehenden Prozesses bis zur Prozessneugestaltung reichen. Durch diese Auffassung ist die Entwicklung einer Prozessvision möglich. Im Zusammenhang mit der Veränderung ist es die des Transitionsprozesses. Prozessevolution: Ausgehend von der Auffassung, dass die zesse im Unternehmen auf ständiger Beobachtung, Reflexion, Interpretation und Adaption beruhen, ist eine Herauslösung und arbeitung einzelner Prozesse mit einem bestimmbaren Ergebnis nicht möglich. Eine Prozessvision kann zwar entwickelt werden, es ist aber nicht möglich, ein vorhersagbares Ergebnis zu bestimmen. Diese Auffassung fokussiert die sozialen Prozesse im Unternehmen, die auch Teil des Transitionsprozesses sind. Damit entsteht, ähnlich wie im Fall des Systems, eine zweischichtige Situation in Bezug auf die Veränderung: für die eher deterministischen Teile des rungsprozesses lässt sich eine Prozessvision entwickeln und zen, für die Teile des Prozesses, der sich auf die sozialen Aspekte bezieht, kann zwar eine Vision entwickelt werden, die Umsetzung ist aber nur mittelbar beeinflussbar.
Tabelle 4: Mögliche Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen des Konzepts „Organisationale Veränderung“ Damit lässt sich das Begriffsverständnis in der vorliegenden Arbeit wie folgt positionieren und grafisch systematisieren, so dass die unmittelbaren und mittelbaren Zusammenhänge zwischen den Gestaltungsdimensionen verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 41). Die Einordnung des Begriffsverständnisses in das Koordinatensystem lässt sich wie folgt beschreiben: x
Das Gesamtsystem „Organisation“ setzt sich aus zwei Systemelementen zusammen: dem technischen System und dem sozialen System. Es ist ein geschlossenes, durch eine positive, aber nicht dualistische Rückkopplung bestimmtes System.
x
Das technische System ist durch sein nahezu deterministisches Verhalten charakterisiert, und das soziale System ist durch die Beobachtung von Differenzen sowie der persönlichen Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion definiert.
x
Die Beziehungen in einem Veränderungsprojekt werden durch verschieden Arten von Verträgen geregelt (Principal-Agent- und Vertragstheorie).
x
Handlung und Struktur stehen in einem rekursiven Verhältnis zueinander (Giddens Strukturationstheorie).
x
Die Organisationsentwicklung ist prozessorientiert und basiert bei Veränderung auf der Erneuerung im Rahmen der Gestaltung und somit auf innovativen Prozessen (Weicks Prozesstheorie).
x
Die Prozessvision entsteht für das technische und das soziale System.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
132
x
Die zeitliche Gültigkeit ist beschränkt bis zur Neugestaltung der Organisation (oder ihrer Teilbereiche).
x
Die Steuerbarkeit und Steuerungspotenziale des Veränderungsprozesses richten sich nach dem Systemelement.
x
Die Steuerung des technischen Systems ist durch Rückkopplung möglich.
x
Die Steuerung des sozialen Systems ist durch Selbststeuerung und Kontextsteuerung möglich. „Denkschule“ radikaler Konstruktivismus sozialer Konstruktivismus „rationaler Konstruktivismus“ Rationalismus Positivismus
Steuerungsverständnis
Steuerung im weiteren Sinn
Steuerung im engeren Sinn
Organisationale Veränderung
Prozessevolution
Prozesdesign
Prozessvision
Neue Institutionenökonomie Strukturationstheorie Prozesstheorie (Weick) Allgemeine & klassische Systemtheorie Konstruktivistische Systemtheorie
Organisationstheorie
Abbildung 41: Einordnung des Begriffsverständnisses der vorliegenden Arbeit in die Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen Nachdem nun das Konzept der organisationalen Veränderung entwickelt worden ist, gilt es, zwei weitere, wichtige Begriffe für die vorliegende Arbeit im Rahmen dieses Konzeptes zu entwickeln und zu definieren: den Projektbegriff und - aufbauend auf dem zuvor entwickelten Methodenbegriff - den Modellbegriff.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
133
3.2 Der Projektbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung Der Begriff Projekt ist weder in der Literatur noch in der betriebswirtschaftlichen Praxis eindeutig definiert304, da im üblichen Sprachgebrauch eine vielfältige Verwendung dieses Terminus zu finden ist und durchaus unterschiedliche Auffassungen über eine Abgrenzung herrschen.305 Eine Definition findet sich in der DIN 69901, nach der ein Projekt definiert wird als „Vorhaben, das im wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. x
Zielvorgaben
x
zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen
x
Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben
x
projektspezifische Organisation.“306
Bei dieser Definition ist kritisch anzumerken, dass sie zirkulär ist, denn es wird bereits auf eine „projektspezifische Organisation“ eingegangen. Die Formulierung sollte geändert werden in „vorhabenspezifische Organisation“, wobei die Besonderheit darüber hinaus in der Spezifität hinsichtlich des Vorhabens und der temporären Begrenzung liegt. Weiterhin werden Projekte, um die Vielfalt möglicher Projektarten gegeneinander abgrenzen zu können, nach den Charakteristika unterschieden, die stets vorkommen, also den definitorischen Merkmalen, und solchen, die je nach Projekt mehr oder minder stark auftreten, den prägenden Merkmalen.307 Für eine möglichst vollständige Beschreibung des Veränderungsprojekts sind diese Merkmale von grundlegender Bedeutung und sollten sich in den Beschreibungsdimensionen wieder finden. Nachfolgend sind zunächst die definitorischen Merkmale aufgeführt, d. h. solche Merkmale, die für jede Art von Projekt relevant sind und auf ihr Vorhandensein und Umsetzung geprüft werden müssen: 304
305
306 307
Vgl. zum Begriff des Projekts Daenzer, W. F., Huber, F. (Hrsg.) und Haberfellner, R. et al.: Systems Engineering, S. 122; Hahn, D.: Planungs- und Kontrollrechnung. Integrierte ergebnis- und liquiditätsorientierte Planungs- und Kontrollrechnung als Führungsinstrument in Industrieunternehmen mit Massen- und Serienproduktion, 3. Aufl., Wiesbaden 1985, S. 32; Hay, P. H. et al.: Projektabrechnung, in: Handwörterbuch Rechnungswesen, Band 3, Stuttgart 1993, S. 1635-1643, hier Sp. 1635; Rüssberg, K.-H.: Systems Project-Management. Methodik - Planung - Durchführung - Instrumentarium – Systeme – praktische Erfahrungen, Landsberg a. L. 1985, S. 20. Bei Madauss, B. J.: Handbuch Projektmanagement, 5. Aufl., Stuttgart 1994, S. 493-497 findet sich eine Zusammenstellung verschiedener begrifflicher Abgrenzungen. Zum Teil wird in der Literatur diese Schwierigkeit zwar verneint, wie z. B. bei Frese, E.: Grundlagen der Organisation, 6. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 470-471, in anderer Literatur ist allerdings häufig genau das Gegenteil festzustellen: Häufig werden die beiden Begriffe „Projekt“ und „Auftrag“ synonym verwendet, wie z. B. bei Raps, A., Reinhard, D.: Projekt-Controlling im System der Grenzplankostenrechnung, in: Kostenrechnungspraxis, 36 (1993) 4, S. 223-232, hier insbesondere S. 223-224 oder auch VDMA: Projekt-Controlling, bei Anlagengeschäften, in: Abteilung Betriebswirtschaft im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (Hrsg.), 4. Aufl., Frankfurt a. M. 1985, S. 10: „so kann praktisch jeder ‚besondere’ Auftrag zum Projekt werden“. Vgl. DIN 69901: Projektwirtschaft, Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.), Berlin 1987, S. 1. Vgl. Hügler, G. L.: Controlling von Projektorganisationen, München 1988, S. 125-133 oder auch Pinkenberg, H. F. W.: Projektmanagement als Führungskonzeption in Prozessen tiefgreifenden organisatorischen Wandels, München 1980, S. 101.
134
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Definitorische Merkmale und Beschreibung: x
Definierte Zielsetzung: Mit dem Projekt wird ein definiertes Ziel verfolgt. Die konkrete Zielsetzung wird durch verschiedene Parameter beeinflusst. Relevante Einflussgrößen in diesem Zusammenhang sind Kosten, Leistungen, Qualität, Ressourcen und Termine. Diese Parameter werden durch Projektpläne (z. B. Projektstrukturplan) operationalisiert.
x
Außergewöhnlichkeit der Aufgabe: Diese Ausprägung bestimmt die Abgrenzung zu routinemäßigen Abläufen. Unter diesen Begriff fallen damit alle Aufgaben, die neuartig, einmalig oder durch spezifische Rahmenbedingungen gekennzeichnet sind.
x
Definierter Anfang und definiertes Ende: Projekte haben typischerweise einen festen und feststellbaren Beginn: entweder mit der Bewilligung der Ressourcen oder durch die Bildung eines Teams und Zuordnung von Aufgaben. Während der Zeitpunkt des Beginns variieren kann, ist das Ende zunächst fest durch die Erreichung des Projektziels definiert. Ausnahmen sind entweder der vorzeitige Abbruch des Projekts oder die Erweiterung, um z. B. die Nachhaltigkeitsüberprüfung als Projektphase definieren zu können.
x
Ressourcenbegrenzung: Die Realisierung eines Projekts ist nahezu immer von bestimmten Restriktionen abhängig. Diese können z. B. finanzieller, zeitlicher und personeller Art sein.308
x
Methodeneinsatz: Ein Projekt und seine Durchführung wird durch die Wahl der einzusetzenden Methoden stark beeinflusst.309 Das wird z. B. dadurch deutlich, dass jedes größere Unternehmen seinen eigenen Projektmanagement-Methodenwerkzeugkasten hat.
x
Realisierung durch ein Projektsystem: Ein Projekt wird in der Regel durch eine eigenständige Organisation realisiert, um Restriktionen aufgrund der existierenden Unternehmensorganisation auszuschalten oder zu vermeiden.310 Darüber hinaus können die zuvor in den Gestaltungsdimensionen beschriebenen Besonderheiten von Systemen genutzt werden, um eine zielführende Steuerung zu etablieren und die Interpretation des Systemverhaltens vorzunehmen. Es besteht im Rahmen dieser Entscheidung darüber hinaus die Möglichkeit, unterschiedliche Organisationsformen für das Projekt zu wählen.311 Die Mitarbeiter in einem Projekt sind immer als Team organisiert, wobei es Mitarbeiter gibt, die ausschließlich Projektarbeit leisten, und solche, die nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden.
308
309 310
311
Ein Beispiel für eine finanzielle Restriktion ist das design-to-cost Konzept, bei dem von Beginn des Projekts an feste Kostenziele vorgegeben werden, die es einzuhalten gilt; vgl. Madauss, B. J.: Handbuch Projektmanagement, S. 506. Aus diesem Grund muss insbesondere für Veränderungsprojekte der Begriff „Methode“ definiert und positioniert werden, vgl. deshalb Kapitel 2.4. Welge z. B. beschreibt die Tatsache, dass die Lösung komplexer Projektaufgaben einen zusätzlichen Koordinations- und Steuerungsaufwand bedingt, der von traditionell im Unternehmen verfolgten Organisationsformen nur unzureichend gedeckt werden kann; vgl. Welge, M. K.: Unternehmensführung, Band 2: Organisation, Stuttgart 1987, S. 550. Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Organisationsform vgl. Frese, E.: Grundlagen der Organisation, S. 460-461 oder auch Grün, O.: Projektorganisation, in: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 2102-2116.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
135
Die Charakteristika, die ein Projekt individuell bestimmen, damit auch individuell zu definieren bzw. erheben sind und damit von Projekt zu Projekt verschieden sind, die prägenden Merkmale, können wie folgt zusammengefasst werden: Prägende Merkmale und Beschreibung: x
Komplexität: Die Projektkomplexität hängt von den Basisvoraussetzungen der zu lösenden Projektaufgabe ab. Kriterien dafür sind z. B. die Neuartigkeit der Aufgabe312, die Anzahl der daran beteiligten Organisationseinheiten sowie der spezifische Projektumfang als Maßgröße für den Ressourcenverbrauch.313
x
Bedeutung: Mit diesem Merkmal wird die Bedeutung des Projekts im Hinblick auf die strategischen Unternehmensziele bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass dieses Merkmal oftmals unabhängig von Charakteristika wie z. B. der Komplexität oder dem Risiko ist.
x
Risiko: Das Risiko ist definiert durch „die Höhe des Schadens [...], der bei Nichterreichen des Projektziels für die Unternehmung entsteht“314. Dieses Merkmal ist mit der Komplexität des Projekts positiv korreliert. Formen des Projektrisikos können sein: Kostenrisiko, Zeitrisiko, Qualitätsrisiko, Realisierungsrisiko oder auch Verwertbarkeitsrisiko.315
x
Umfang: Der Gesamtumfang eines Projekts ist bestimmt durch die Teilprojekte, die durchzuführen sind. Darüber hinaus wird der Umfang durch die Höhe der Projektkosten bzw. die Gesamtdauer des Projekts bestimmt.
x
Innovationsgrad: Dieses Merkmal ist ebenfalls ein Risikomaßstab für ein Projekt und bezieht sich auf zwei Faktoren: Zum einen definiert es den Wirkungsbereich des Projekts und damit den Entwicklungsmodus im Sinne des neuen St. Galler Management-Modells. Es wird also untersucht, ob das Projekt eine Optimierung z. B. bestehender Prozesse verfolgt oder eine Entwicklung neuer Prozesse zum Ziel hat. Je radikaler die Veränderung ist, desto höher ist das potenzielle Risiko des Projekts. Zum anderen muss analysiert werden, auf welcher Entwicklungsstufe sich die im Projekt eingesetzte Technologie befindet. Hier gilt es abzuschätzen, welche Technologie das potenziell geringste Risiko für den Projekterfolg birgt.
x
Schwierigkeitsgrad: Der Schwierigkeitsgrad eines Projekts kann für die Einschätzung eines möglichen Fehlschlagrisikos verwendet werden. Diese Größe ist wiederum korreliert mit den Merkmalen Komplexität und Risiko. Das Fehlschlagrisiko ist
312
313 314 315
Vgl. Buch, J.: Entscheidungsorientierte Projektrechnung. Überlegungen zur Gestaltung eines ProjektControlling-Systems mit Hilfe der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung, Frankfurt a. M. 1991, S. 29-33, der mit Hinblick auf den Grad der Neuartigkeit (gering, mittel, hoch) ausführt, dass verschiedene Kriterien die Bestimmung der Neuartigkeit existieren: Wiederholbarkeit (erstmalige, modifizierte, identische Wiederholung), Art der Neuartigkeit (generell, für den Kunden, für den Hersteller, damit für den Markt als solchen) und Gegenstand der Neuartigkeit (Potentialfaktoren, Verfahren, Werkstoffe, Automatisierungsgrad). Vgl. Rinza, P.: Projektmanagement. Planung, Überwachung und Steuerung von technischen und nichttechnischen Vorhaben, Düsseldorf 1976, S. 8-9. Hügler, G. L.: Controlling in Projektorganisationen, S. 30. Zu Projektrisiken vgl. Zogg, A.: Systemorientiertes Projektmanagement, Zürich 1974, S. 15-16 oder auch Wischnewski, E.: Modernes Projektmanagement. Eine Anleitung zur effektiven Unterstützung der Planung, Durchführung und Steuerung von Projekten, 4. Aufl., Braunschweig 1993, S. 14-16.
136
Begriffliche und theoretische Grundlagen
umso höher, je enger die Restriktionen sind, je geringer die Erfahrung und der Kenntnisstand im Projektteam ist und je höher etwaige Widerstände im Unternehmen sind.316 Dieses Merkmal korreliert stark mit dem Innovationsgrad. Ein Beschreibungsmerkmal, das beiden Kategorien zugeordnet werden kann, ist die Projektsteuerung durch quantitative und qualitative Führungsgrößen sowie, wenn man in der Denkwelt der Steuerung sozialer Systeme bleibt, die Mechanismen der Selbst- und Kontextsteuerung. Zu den quantitativen und qualitativen Führungsgrößen können z. B. das Projektbudget, die Projektkosten, die Projektleistungen, die Projekttermine sowie die Qualitätssicherungsmaßnahmen mit den dazugehörigen Führungsgrößen und darüber hinaus auch die Mitarbeiterzufriedenheit gehören. Für die Definition des Begriffs „Veränderungsprojekt“ müssen alle aufgeführten definitorischen und prägenden Merkmale berücksichtigt sein, weil die Zielsetzung, die mit der Analyse der in der Literatur existierenden Merkmale verfolgt wird, eine möglichst umfangreiche und präzise Beschreibung von Veränderungsprojekten ist. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und auf Basis der DIN 69901, wird ein Veränderungsprojekt, im Folgenden definiert als ein individuelles Veränderungsvorhaben, das auf einer außergewöhnlichen, für die Organisation bedeutsamen Veränderungsaufgabe basiert, eine definierte Zielsetzung verfolgt, umfangreich, komplex, mit einem spezifischen Risiko behaftet ist sowie einen spezifischen Innovations- und Schwierigkeitsgrad aufweist, einen definierten Anfang sowie ein definiertes Ende besitzt, über eine bestimmte Ressourcenzuteilung verfügt, unter Einsatz einer Methode durchgeführt wird und in Form eines Projektsystems organisiert ist. In Abbildung 42 werden Projektarten unterschieden, die hinsichtlich ihrer Ziele, Erscheinungsformen bzw. Umweltabhängigkeiten differieren und anhand unterschiedlicher Kriterien zugeordnet werden317. Die einzelnen Kriterien können frei kombiniert werden und beschreiben dann das entsprechende Projekt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Eine Einordnung der Fusion der Daimler Benz AG und der Chrysler Corp. als Veränderungsprojekt könnte z. B. wie folgt vorgenommen werden: Es handelt sich um ein sachzielorientiertes, risikoreiches und internationales Einzel(veränderungs)projekt mit einem hohen Neuigkeitsgrad.
316 317
Vgl. dazu etwa Welge, M. K.: Organisation, S. 468 oder auch Pinkenberg, H. F. W.: Projektmanagement als Führungskonzeption, S. 121-122. Vgl. Frese, E.: Grundlagen der Organisation, S. 466-467; Groth, R. et al.: Projektmanagement in Mittelbetrieben. Planung und Durchführung einmaliger großer Vorhaben, Köln 1983, S. 11, die detailliert zu den möglichen Kriterien Stellung nehmen.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Projektarten
137
Projektcharakteristika • sachzielorientiert – prozessorientiert
• wissenschaftliche, ökonomische, technische, kulturelle oder politische Projekte
• hoher Neuigkeitsgrad - geringer Neuigkeitsgrad • extern beeinflusst - extern unbeeinflusst
• Einzelprojekte – Folgeprojekte • FuE-Projekte - Fertigungsprojekte
• kundenorientiert – produktorientiert • risikoreich – risikoarm • national - international
Mögliche Projektschwerpunkte: Innovationsschwerpunkte - Koordinationsschwerpunkte - Organisationsschwerpunkte
Abbildung 42: Übersicht über Projektarten und Projekterscheinungsformen318 Die in Abbildung 42 dargestellte Systematik unterstützt eine erste Kategorisierung von Projekten anhand ihrer groben Merkmale. Eine Übertragung auf Veränderungsprojekte ermöglicht eine erste Einschätzung, mit was für einem Projekttyp zu arbeiten ist, auf welche Weise eine Herangehensweise gestaltet sein könnte und wo – in Verbindung mit Abbildung 34 – ein thematischer Schwerpunkt liegen kann. Allerdings ist das obige Raster noch zu grob, um inhaltlich relevante Aussagen zu den thematischen Schwerpunkten machen zu können. Aus diesem Grund sollten die Projektarten noch um zwei Aspekte ergänzt werden. Ersten sollte die übergreifende thematische Einordnung der Projekte in entweder einen betriebswirtschaftlich oder informationstechnisch motivierten Schwerpunkt unterteilt werden. Der Grund für diese Zusammenfassung ist, dass Projekte, die informationstechnisch motiviert sind, einige Besonderheiten aufweisen, die bei der Beschreibung und Durchführung spezifischer Aufmerksamkeit bedürfen. Diese sind z. B. x
318
Potenzial: Hier müssen zwei Fälle unterschieden werden: Erstens der Einsatz einer neuen Informationstechnologie bzw. neuer Applikationen und zweitens die Anpassung der bestehenden IT-Infrastruktur an die Anforderungen einer sich verändernden Organisation. Die Integration einer neuen Informationstechnologie birgt eine doppelte Herausforderung für die Organisation: Einerseits muss das Wertschöpfungspotenzial abgeschätzt und später umgesetzt werden. Andererseits führt der Einsatz einer neuen Technologie gemäß der Philosophie des Business Engineering zu einer radikalen Veränderung, die umfangreiche Veränderungsprozesse auf allen Ebenen des Bezugsrahmens auslöst. Im Rahmen der Anpassung bestehender Technologien entsteht ein Eingriff in die bestehende Infrastruktur, dessen Konsequenzen durch die Wechselwirkungen oftmals schlecht abschätzbar sind. Aber auch der Widerstand der Mitarbeiter in Bezug auf z. B. veränderte Vorgehensweisen im Rahmen der IT Sicherheit kann eine Gefahr für die reibungslose Wertschöpfung darstellen. Der letzte Aspekt unterscheidet sich nicht wesentlich von den Herausforderungen eines betriebswirtschaftlich motivierten Projekts, kann aber in der IT andere Auswirkungen, z. B. im Bereich der Sabotage, haben.
Entnommen aus Baumöl, U.: Target Costing in der Softwareentwicklung, München 1998, S. 30.
138
Begriffliche und theoretische Grundlagen
x
Veränderungsgeschwindigkeit: Eine organisatorische Veränderung kann in relativ langen Zyklen verlaufen, bis die Ziele wirklich umgesetzt und verankert sind.319 Bei einigen Informationstechnologien können sich die Anforderungen an die Veränderungen aber sehr schnell verändern, so dass keine Zeit bleibt, z. B. die kulturelle Veränderung wirklich zu verankern, weil die nächste Kulturanpassung schon wieder erforderlich wäre. Das kann zu einer erfolgskritischen Destabilisierung führen und muss im Rahmen eines IT-motivierten Veränderungsprojekts berücksichtigt werden.
x
Technologieadaption: Dieser Punkt geht auf Giddens und die Arbeiten von DeSanctis und Poole zurück.320 Sie haben auf der Grundlage der Strukturationstheorie belegt, dass die Art und Weise, wie eine Technologie verwendet wird, vom kulturellen Hintergrund der Benutzer und der dominierenden Organisationsstruktur abhängt. Damit ist es nur schwierig vorhersehbar, ob die Intention, mit der das Veränderungsprojekt gestartet wurde, auch tatsächlich verwirklicht werden kann. Damit ist dieser Aspekt also ein weiterer, wichtiger Analysepunkt im Rahmen IT-getriebener Veränderungsprojekte.
x
Konsequenzen und Einfluss: Die Konsequenzen und der Einfluss, den eine neue oder veränderte Informationstechnologie auf die Organisation hat, ist bis heute noch nicht sicher prognostizierbar, was zu einer oftmals „vorauseilenden“ Verunsicherung und folglich zum Teil starken Ablehnung bei den betroffenen Mitarbeitern führt.321
x
Erfahrungen: Es gibt bis heute noch keine validen Fallstudien oder eine umfassende Wissensbasis für die Durchführung von IT-getriebenen Veränderungsprojekten. Aufgrund der bereits genannten Abhängigkeit von der tatsächlichen „Verwendung” der Applikationen sowie ihrer Komplexität und Konsequenzen entstehen immer wieder neue Erfahrungen, die nur selten dokumentiert werden. Das ist in klassisch betriebswirtschaftlichen Veränderungsprojekten, wie z. B. einer Fusion heute bereits anders, wie die umfangreiche Aufarbeitung in der z. B. im ersten Kapitel zitierten Literatur zeigt.
x
Wirtschaftlichkeit, Nutzen und Kenngrößen: Der Beitrag zur Wirtschaftlichkeit sowie der Nutzen der IT ist nach wie vor nicht eindeutig nachweisbar. Stickel hat z. B. unter der Bezeichnung „Produktivitätsparadoxon“ nachgewiesen, dass es Konstellationen geben kann, die bei einer Investition in die Informationstechnologie, bspw. mit dem Ziel der Erreichung von Wettbewerbsvorteilen, zu negativen Effekten führen können. Diese Effekte äußern sich dadurch, dass die Produktivität, z. B. ausgedrückt durch die Rentabilität, des Unternehmens sinkt und nicht, wie erhofft, steigt.322 Diese Tatsache hat nicht erst in letzter Zeit zu Akzeptanz- und Begründungsproblemen geführt, und die Diskussion wird auch gegenwärtig erneut ge-
319 320
321
322
Vgl. z. B. Murray, E. J., Richardson, P. R.: Fast Forward: A new framework for rapid organizational change, in: Ivey Business Journal, March/April 2003, S. 1-6. Vgl. Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge der Theorie einer Strukturbildung; DeSanctis, G. Poole, M. S.: Capturing the Complexity in Advanced Technology Use: Adaptive Structuration Theory, S. 121-146. Im Fall der Einführung eines neuen Supply Chain Management Systems bei einem untersuchten Unternehmen, kam es z. B. zu Widerständen bei den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften, weil sie fürchteten (ohne es im Vorhinein beweisen zu können), gegenüber der Zentrale an Macht zu verlieren. Vgl. dazu Stickel, E.: Wettbewerbsorientierte Informationssysteme und Produktivitätsparadoxon, in: Wirtschaftsinformatik, 37 (1995) 5, S. 548-557.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
139
führt.323 Auch das Problem der Steuerung durch valide Kenngrößen ist noch nicht vollständig gelöst, selbst wenn man die Applikationen als ein System im Sinne der klassischen Systemtheorie und der Kybernetik I versteht. Damit erfolgt eine Typisierung der oben genannten Projektarten (wissenschaftlich, ökonomisch, technisch, kulturell, politisch) so, dass die betriebswirtschaftlichen Typen die ökonomischen, kulturellen und politischen Projektarten umfassen und die informationstechnischen die technischen Projektarten. Die wissenschaftlichen Projektarten müssen genauer spezifiziert werden und können dann entweder betriebswirtschaftlich oder technisch motiviert sein. Wobei an dieser Stelle darauf hingewiesen sei, dass die hier betrachteten Veränderungsprojekte in den seltensten Fällen wissenschaftlich motiviert sind, sondern aufgrund eines konkreten marktlichen Drucks oder eines Innovationspotenzials zur Verbesserung der ökonomischen Situation entstehen. Zweitens kann noch eine weitere thematische Verfeinerung der Projekttypen im betriebswirtschaftlichen Bereich z. B. nach Kotter erfolgen:324 x
Mergers & Acquisitions
x
Restrukturierung (z. B. Entflechtung von Unternehmensteilen oder Veränderung der Aufbauorganisation)
x
Reengineering (z. B. durch Wachstum oder Schrumpfung)
x
Strategische Veränderung (z. B. durch die Entwicklung neuer Geschäftsfelder oder Produkte sowie durch einen Führungswechsel)
x
Kulturelle Veränderung
Im informationstechnisch motivierten Bereich können die beobachteten Veränderungsprojekte in zwei grundlegende Typen unterteilt werden: Erstens in die Projekte, die die Integration von neuen Applikationen zum Ziel hatten, und zweitens in solche, die bestehende Applikationen integrieren und damit konsolidieren wollen.325 Damit ist die Entwicklung des Projektbegriffs abgeschlossen. Für die weiteren Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass ein Projekt, dessen Steuerung und auch sein Erfolg wesentlich durch die Methoden und Modelle, die zum Einsatz kommen, bestimmt werden. Aus diesem Grund wird nachfolgend aufbauend auf dem Methodenverständnis, das in Kapitel 2.4 entwickelt wurde, der Modellbegriff im Rahmen des Konzepts der organisationalen Veränderung definiert und positioniert.
323 324 325
Vgl. z. B. Carr, N. G.: IT doesn’t matter, S. 4-11. Vgl. Kotter, J. P.: Leading Change, S. 19. Vgl. dazu Kotter, J. P.: Leading Change, S. 19, der zu einer ähnlichen Einteilung kommt, wie bereits in Kapitel 2 ausgeführt.
140
Begriffliche und theoretische Grundlagen
3.3 Der Modellbegriff im Rahmen der organisationalen Veränderung Modelle sind schon seit langem Hilfsmittel, um Wirkungszusammenhänge abzubilden, sei es mathematisch (z. B. Wettermodelle und ökonomische Modelle), grafisch (z. B. Datenmodelle und Landkarten) oder physisch (z. B. Modelle von Häusern und zu entwickelnden Produkten). Dabei dienen sie immer zwei grundlegenden Zielsetzungen: Erstens der Komplexitätsreduktion gegenüber der Realität und damit, wie bereits zuvor erwähnt, der Ordnung, Orientierung, Kommunikation und Entscheidungsunterstützung.326 Zweitens dienen sie der Informationsgewinnung und -überprüfung bezüglich des Untersuchungsobjekts. Eine grundlegende Differenzierung von Modellen kann demzufolge in drei Typen erfolgen: Beschreibungs-, Erklärungs- und Entscheidungsmodelle.327 Diese drei Typen unterscheiden sich in ihrer Reichweite dadurch, dass vorwiegend aus dem zweiten und dritten Typ Maßnahmen abgeleitet werden können, während der erste Typ keine unmittelbaren Erklärungsansätze liefert. Das Beschreibungsmodell hat zum Ziel, Sachverhalte und beobachtete Phänomene strukturiert, präzise und einfach verständlich darzustellen. Darüber hinaus wird dieser Typ in strukturell-beschreibende Modelle (z. B. Datenmodell, Organigramm) und den Ablauf beschreibende Modelle (z. B. Prozessablaufdiagramm, Datenflussplan) unterschieden. Das Erklärungsmodell dient der Interpretation und zeigt Wirkungszusammenhänge auf. Es basiert auf dem Beschreibungsmodell und erweitert es um die Möglichkeiten der Analyse. Das Entscheidungsmodell schließlich basiert auf den beiden zuvor genannten Typen und dient, wie der Name bereits suggeriert, als konkrete Entscheidungsgrundlage bzw. der Entscheidungsunterstützung, indem es alle diejenigen Informationen zur Verfügung stellt, die für die Lösung einer bestimmten Aufgabenstellung erforderlich sind.328 Im Rahmen von Veränderungsvorhaben kommen hauptsächlich Erklärungs- und Entscheidungsmodelle zum Einsatz, wie sich auch im Rahmen der analysierten Veränderungsmodelle und -methoden in Kapitel 4 zeigen wird. Modelle entstehen auf der Basis eines methodischen Vorgehens, dem Prozess der Modellierung,329 und werden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten konstruiert. Die nachfolgend kurz beschriebenen Dimensionen spannen den Rahmen für die Modellkonstruktion auf (vgl. Abbildung 43): 330 326
327 328 329 330
Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell, S. 11-16; Scheer, A.-W.: ARIS - Vom Geschäftsprozess zum Anwendungssystem, 4. Aufl., Berlin et al. 2001, S. 3; Rosemann, M., Schütte, R.: Multiperspektivische Referenzmodellierung, in: Becker, J. et al. (Hrsg.): Referenzmodellierung: State of the Art und Entwicklungsperspektiven, Heidelberg 1999, S. 21-44, hier S. 29; Becker, J., Schütte, R.: Handelsinformationssysteme, Landsberg a. L. 1996, S. 23-24; Frank, U.: Multiperspektivische Unternehmensmodellierung - Theoretischer Hintergrund und Entwurf einer objektorientierten Entwicklungsumgebung, München, Wien 1994, S. 12. Vgl. z. B. Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 6. Aufl., München 2001, S. 55-58. Vgl. Lehner, F. et al. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik – Theoretische Grundlagen, München und Wien 1995, S. 37-39. Vgl. Ferstl, O. K., Sinz, E. J.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, Band 1, S. 119. Vgl. dazu insbesondere und stellvertretend für viele Stachowiak, H.: Allgemeine Modelltheorie, Wien und New York 1973, S. 131-133. Darüber hinaus finden sich umfangreiche Ausführungen bei Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, S. 40-68; Teubner R. A.: Organisations- und Informationssystemgestaltung: theoretische Grundlagen und integrierte Methoden 1999, S. 14; Lehner, F.: Grundfragen und Positionierung der Wirtschaftsinformatik, S. 1-71, hier S. 27.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
141
x
Zieldimension: Der Anwendungs- bzw. Modellierungszweck determiniert, für welche Verwendung das Modell gestaltet wird, und ist damit eine wesentliche Grundlage für alle weiteren Dimensionen.
x
Abbildungsdimension: In Abhängigkeit von dem Ziel, das mit dem Modell verfolgt wird, muss erstens das Realweltobjekt bzw. das Original und zweitens der abzubildende Ausschnitt gewählt werden. Darüber hinaus ist der Faktor Zeit zu berücksichtigen, denn die Validität eines Modells wird erst dadurch überprüfbar, wenn der Adressat den Zeitpunkt der Erstellung und den „Gültigkeitszeitpunkt“331 kennt.
x
Adressatendimension: Der Adressat, der das Modell nutzt und interpretiert, muss bei der Wahl der Sprache und der Form des Modells berücksichtigt werden. Hier stellen sich die Fragen, zu welchem Zweck er das Modell benötigt, welche Perspektive er einnimmt und welche Interpretationsfähigkeiten er mitbringt.
x
Reduktions- bzw. Abstraktionsdimension: Diese Dimension kann verschiedene Interpretationsgrundlagen haben. Auf der einen Seite kann eine abbildungsorientierte Sichtweise vertreten werden, die eine möglichst genaue Abbildung der realen Welt in dem Modell fordert. Auf der anderen Seite existiert in der Literatur eine konstruktionsorientierte Perspektive, die nicht mehr auf der vollständigen Abbildung besteht und von der Realwelt als abzubildendes Objekt abgeht, sondern nur noch die Abbildung eines „Originals“ fordern.332 Es kann sich bei diesem Original z. B. auch um ein gedachtes Konstrukt (etwa einen Soll-Zustand) handeln. Zielsetzung: • Mit welcher Zielsetzung erfolgt die Modellkonstruktion? • Welche pragmatischen Zugeständnisse sollen an die Modellkonstruktion gemacht werden, damit das Modell seine Funktion erfüllt?
Reduktion/Abstraktion: • Welche relevanten Aspekte des Originals sollen abgebildet werden?
Modellkonstruktion
Abbildung: • Welches natürliche oder künstliche Original soll abgebildet werden?
Adressat: • Welchen Zweck verfolgt der Adressat zu welchem Zeitpunkt mit dem Modell? • Welche Perspektive hat der Adressat und welche Interpretationsfähigkeiten?
Abbildung 43: Dimensionen der Modellkonstruktion 331
332
Diese beiden Zeitpunkte können ja durchaus auseinander fallen, ohne dass die Validität des Modells beeinträchtigt wäre, z. B. ist ein Soll-Modell auch länger nach der Erstellung noch gültig, wenn sich die Modellierungsbedingungen nicht geändert haben. Vgl. z. B. Mertens, P., Holzner, J.: Eine Gegenüberstellung von Integrationsgegensätzen der Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik 34 (1992) 1, S. 5-25; Rothmaler, P.: Einführung in die Modelltheorie, Heidelberg 1995.
142
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Schließlich gilt es, noch zwei weitere Aspekte der Modellkonstruktion zu berücksichtigen: Einerseits das Metamodell und andererseits die Qualität des konstruierten Modells. Das Metamodell ist auf einer höheren Abstraktionsebene als das Modell angesiedelt und definiert die Komponenten und Regeln, nach denen ein Modell konstruiert wird. Es ist damit ein „Bauplan“, der die Modellkonstruktion intersubjektiv nachvollziehbar macht. Zwei für diese Arbeit geeignete Definitionen finden sich in allgemeiner Form bei Sinz und ähnlich, aber spezifischer für das Business Engineering bei Österle und Blessing: „Metamodelle spezifizieren die verfügbaren Arten von Bausteinen (Meta-Objekte), die Beziehungen zwischen den Bausteinen (Meta-Beziehungen) sowie Konsistenzbedingungen für die Verwendung von Bausteinen und Beziehungen.“.333 „Das Metamodell ist das Datenmodell des Business Engineering. Es beschreibt die einzelnen Gestaltungsobjekte (z. B. Prozess, Aufgabe, Kunde, Applikation) und die Beziehungen zwischen diesen.“334 Das in dieser Arbeit verwendete Metamodell ist das bereits in Kapitel 2 kurz erläuterte Metamodell des Methoden Engineering nach Gutzwiller.335 Der Aspekt der Qualität des Modells ist wichtig, weil nur so auch die Qualität der Ergebnisse aus der Modellverwendung sichergestellt werden kann. Ohne im Detail auf die Qualitätsdiskussion in der Literatur einzugehen,336 sollen nachfolgend einige relevante Qualitätskriterien aufgeführt werden. Zu den wichtigsten Qualitätskriterien zählen x
Konsistenz: Wird eine einheitliche Notation und Symbolik verwendet (interne Konsistenz) und stimmen z. B. die Anforderungsdefinition und Spezifikationen mit dem verfolgten Ziel und Zweck überein (externe Konsistenz)?
x
Verständlichkeit in Verbindung mit intersubjektiver Nachvollziehbarkeit: Sind das Modell und seine Komponenten intuitiv erfassbar und auch unabhängig vom Modellierer verständlich und interpretierbar?337
x
Vollständigkeit: Ist das Modell in Abhängigkeit vom Anwendungszweck und der erfolgten Anforderungsdefinition vollständig?
x
Testbarkeit: Lässt sich das Modell auf seine Anwendbarkeit/Korrektheit hin testen?
x
Kosten-Nutzen-Relation: Die Entwicklung des Modells muss in einer angemessenen Kosten-Nutzen-Relation stehen. Die Nutzenmessung muss aufgrund des „wahrgenommenen“ Nutzens des Anwenders erfolgen und ist somit ein verhältnismäßig
333 334 335 336
337
Sinz, E. J.: Architektur von Informationssystemen, in: Rechenberg, P., Pomberger, G. (Hrsg.): Informatik-Handbuch, München und Wien 1997, S. 875-887, hier S. 875. Österle, H., Blessing, D.: Business Engineering Modell, S. 81. Vgl. Kapitel 2.3.2. Vgl. dazu z. B. Madauss, B. J.: Handbuch Projektmanagement, S. 164; DIN 55350, Teil 11, Nr. 6, Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik. Grundbegriffe der Qualitätssicherung, Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) 1987; Garvin, D. A.: What does Product Quality Really Mean?, in: Sloan Managment Review, Fall 1984, S. 25-43 sowie auch Wallmüller, E.: Software-Qualitätssicherung in der Praxis, in: Schweiggert, F. (Hrsg.): Wirtschaftlichkeit von Software-Entwicklung und -Einsatz. Investitionssicherung, Produktivität, Qualität, Stuttgart 1992, S. 7-25, hier S. 7-8 und Rombach, H. D.: Software-Qualität und -Qualitätssicherung, in: Informatik Spektrum, 16 (1993) 5, S. 267-272. Auch wenn das Modell „intersubjektiv nachvollziehbar“ ist, wird die Interpretation immer subjektiv und vom Anwender abhängig sein.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
143
schwierig zu operationalisierendes Kriterium. Dennoch sollte diese Überlegung einbezogen werden, um eine Ausuferung von Modellierungsaktivitäten zu vermeiden. Das letzte Kriterium weist bereits auf die Herausforderungen bei der Qualitätsmessung von Modellen hin: Die eindeutige Feststellung der Qualität ist in diesem Zusammenhang schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, weil eine objektive Ermittlung oder Messung der Kriterien eigentlich nicht möglich ist. Abhilfe kann hier nur geschaffen werden durch einen Rückgriff auf den bereits erwähnten „wahrgenommenen“ Nutzen oder analog die „wahrgenommene“ Qualität und eine Fokussierung der Qualitätsbetrachtungen auf die Eignung für den Anwendungszweck und den Adressaten.338 Nachdem die grundlegenden Elemente von Modellen, die konstituierenden Dimensionen und wichtige Begriffe geklärt wurden, sollen nunmehr einige Definitionen präsentiert werden, die für die Begriffsbestimmung der vorliegenden Arbeit relevant sind. Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre gehen viele der Ausführungen auf die Arbeiten von Stachowiak zurück, der den Modellbegriff im Rahmen der in Abbildung 43 genannten Dimensionen grundlegend, wenn auch zum Teil rekursiv, definiert hat: x
„Modelle sind stets Modelle von etwas, nämlich Abbildungen, Repräsentationen natürlicher und künstlicher Originale, die selbst wieder Modelle sein können.“
x
„Modelle erfassen im Allgemeinen nicht alle Merkmale des Originals, sondern nur die, die relevant erscheinen.“
x
„Modelle sind ihren Originalen nicht per se eindeutig zugeordnet“.339
Stachowiak fokussiert damit den Abbildungs- bzw. Repräsentationscharakter von Modellen. Damit expliziert er eine der grundlegenden Funktionen von Modellen, die auch im weiteren Verlauf wieder aufgenommen wird. Es gilt jedoch zu beachten, dass zwischen dem von ihm zuletzt genannten Punkt und den ersten beiden Definitionsansätzen ein Konflikt auftreten kann. Er unterstreicht mit dem letzten Punkt den Zweck, der mit der Modellbildung verfolgt wird und schwächt damit die Forderung nach dem Bezug zum Original ab.340 Dieser Konflikt ist dem Modellbegriff inhärent und muss bei der Entwicklung des Begriffsverständnisses berücksichtigt werden. In den nachfolgend zitierten Quellen fällt auf, dass immer nur eine der beiden Auffassungen aufgegriffen wird und damit mit Wahl des Modellbegriffs der Konflikt umgangen wird. Grochla betont in seiner Definition den Aspekt der Zielorientierung und vernachlässigt die Anforderung nach einer eindeutigen Zuordnung von Original und Abbild: „Modelle sind demnach Abbildungen von Originalen, die nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet sind.“341
338
339 340
341
Vgl. zu diesen Überlegungen auch Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, S. 136 sowie Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement: das St. Galler Konzept, München 1996, S. 17-18 und Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge im Business Engineering, S. 89. Stachowiak, H.: Allgemeine Modelltheorie, S. 131, 132, 133. Vgl. dazu z. B. Schütte, R.: Realitätsbezug von Informationsmodellen - Detaillierte Erwiderung auf Kritik, EMISA Forum, 2000, http://www.pim.uni-essen.de/mitarbeiter/aktivitaet.cfm?name=pimresc&name_kurz=Schütte&aktivitae t=Publikationen (Zugriff: 01.02.2004). Grochla, E.: Modelle als Instrumente der Unternehmensführung, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF), 21 (1969), S. 382-397.
144
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Eine weitere Perspektive wirft Horváth auf, der Modelle als eine besondere Systemart interpretiert, die selbst wiederum eine Abbildung realer oder gedachter Systeme leisten.342 Ähnlich definieren Alpar et al. „Ein Modell ist eine Abbildung eines Systems“.343 Hier wird ein wichtiger Punkt aufgeworfen, indem sowohl das Abbildungsobjekt als auch das Abbildungsergebnis als System spezifiziert wird, denn damit werden nicht nur die konstituierenden Komponenten von Original und Abbild einbezogen, sondern auch die Systemgrenzen in beiden Fällen – also der Gültigkeitsbereich explizit integriert. Schütte integriert mit dem „Modellierer“, dem Anwender und der zugrunde liegenden Modellsprache weitere Aspekte in seine Definition: „Ein Modell ist das Ergebnis einer Konstruktion eines Modellierers, der für Modellnutzer eine Repräsentation eines Originals zu einer Zeit als relevant mit Hilfe einer Sprache deklariert.“344
Die verschiedenen Ansätze zur Definition von Modellen greifen also einige zentrale Perspektiven auf, die in die für die organisationale Veränderung zu entwickelnde Definition zu integrieren sind: Die Abbildungsfunktion des Modells, der Zweck bzw. die Zielorientierung, die mit der Modellbildung verfolgt werden, die Definition des Modells als System und damit die Integration der konstituierenden Komponenten und Schnittstellen im Rahmen der Systemgrenzen sowie die Rolle des Modellierers und der Modellierungssprache. Im Rahmen des Konzepts der organisationalen Veränderung nimmt der Modellbegriff eine zentrale Rolle ein, weil das gesamte Veränderungsvorhaben auf der Basis eines dynamischen Modells abgebildet, erklärt und durchgeführt wird. Deshalb wird der Modellbegriff für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Ein Modell ist ein auf einen Adressaten oder eine Adressatengruppe ausgerichtetes, zielorientiertes Abbild von natürlichen und künstlichen Systemen, die als Original dienen. Es verfolgt einen definierten Zweck und kann dazu auch einen nicht vollständigen Teilausschnitt des Originals abbilden. Ein dell ist das Ergebnis eines durch einen Modellierer bestimmten Konstruktionsvorgangs, hat darüber hinaus einen definierten Zeitbezug und nutzt eine bestimmte Sprache. Seine Konstruktionselemente und -prinzipien werden durch ein Metamodell festgelegt. Nach diesen begrifflichen Abgrenzungen und Definitionen stellt sich nun die Frage, wie sich die beiden Begriffe „Methode“ und „Modell“ voneinander abgrenzen lassen. Eine Methode wird verwendet, um ein Modell zu konstruieren. Das bedeutet, dass Methoden Modelle als Ergebnisdokumente verwenden. In Abbildung 44 sind noch einmal die Zusammenhänge zwischen dem Original bzw. der realen Welt, der Methoden- und Modellkonstruktion sowie dem Entwurf des Metamodells dargestellt. Mit dieser letzten Begriffspositionierung kann dieses Kapitel nun mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse abgeschlossen werden.
342 343 344
Vgl. Horváth, P.: Controlling, 6. Aufl., Stuttgart 1996, S. 91-92. Alpar, P. et al.: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik, 3. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 20. Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, S. 59.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Abstraktion der 3. Ebene
Methoden Engineering Entwurf des Metamodells
Abstraktion der 2. Ebene
Methode Entwurf des Modells
Abstraktion der 1. Ebene
Modell Abbild der realen Welt
145
Reale Welt
Abbildung 44: Stufen der Abbildung von Realwelt zu Modell und Metamodell
3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Um die Reichweite und Konsequenzen der organisationalen Veränderung verstehen zu können, ist ein klares und umfassendes Begriffsverständnis erforderlich. Aufgrund der verschiedenen Auffassungen in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Lehrmeinungen war es die zentrale Zielsetzung dieses Kapitels, für die verschiedenen begrifflichen Konzepte der organisationalen Veränderung die existierenden Begriffsverständnisse zu identifizieren und zu einer für die vorliegende Arbeit geltenden Definition zu kommen. Dazu war es zunächst erforderlich, den Begriff der Veränderung zu untersuchen und in den Kontext der Disziplinen zu setzen. Die dabei berücksichtigten wissenschaftlichen Bereiche sind die Erkenntnistheorie als Grundlage, dann die Psychologie zusammen mit der Organisationspsychologie, die Systemtheorie, die Betriebswirtschaftslehre, die Ingenieurwissenschaften sowie schließlich die Wirtschaftsinformatik. Dieses Spektrum an Disziplinen wurde gewählt, weil Veränderungsvorhaben in der Regel auf einer breiten thematischen Basis abgestützt sind und diese Themenbereiche mehr oder weniger umfassend anschneiden. Um daraus ein Begriffsverständnis für die vorliegende Arbeit abzuleiten, wurde im nächsten Schritt der Begriff der „Organisation“ untersucht. Organisation umfasst für die vorliegende Arbeit die Gesamtheit der internen und externen organisatorischen Regeln eines Unternehmens. Diese dienen der Koordination und Motivation der Akteure. Außerdem wird die Organisation als Geflecht verschiedener Institutionen interpretiert, die durch das Zusammenwirken von Strukturmomenten und Strukturprozessen weiterentwickelt werden.
146
Begriffliche und theoretische Grundlagen
Aufbauend auf diesem Begriffsverständnis konnte nun auf der Basis einer zunächst allgemeinen Definition der zweiteilige Begriff der Veränderung definiert werden: Zum einen die Veränderung, die sich auf das betriebliche Informationssystem konzentriert, d. h. Veränderung BIS, und zum anderen diejenige Veränderung, die das soziale System „Organisation“ fokussiert, d. h. Veränderung ORG. Ein weiterer, ordnender Schritt wurde mit der Systematisierung der Begriffe Veränderungsvorhaben, Veränderungsprozess und Veränderungsprojekt vollzogen, wobei das Veränderungsvorhaben das die anderen beiden Elemente umfassende begriffliche Konzept darstellt. Veränderungsprozesse berücksichtigen die Ablaufperspektive, das Veränderungsprojekt bzw. die Veränderungsprojekte zielen hingegen auf die strukturelle Perspektive der Veränderung ab. Mit diesen begrifflichen Grundlagen wurde die Basis gelegt, um das umfassende Konzept der organisationalen Veränderung zu entwickeln. Denn wie bereits im ersten Kapitel diskutiert, mangelt es vor allem an einem ganzheitlichen Begriffsverständnis. Das Konzept der organisationalen Veränderung spannt sich durch vier Gestaltungsdimensionen auf: die Denkschule, das zugrunde liegende organisationstheoretische Verständnis, die Prozessvision sowie das vorherrschende Steuerungsverständnis. Diese vier Dimensionen wurden auf ihre möglichen Ausprägungen hin untersucht, und daraus wurde das Begriffsverständnis für die vorliegende Arbeit abgeleitet: Es existieren technische und soziale Systeme, und das Gesamtsystem „Organisation“ besteht aus beiden Systemwelten und ist ein geschlossenes, durch positive Rückkopplung bestimmtes System, das aber nicht durch die dualistischen Positionen geprägt ist, sondern in dem die Steuerung immer wieder ausgleichend wirksam wird. Die Organisation besteht aus einem Geflecht verschiedener Verträge; Handlung und Struktur in dem System stehen in einem rekursiven Verhältnis zueinander, und die Entwicklung der Organisation ist prozessorientiert im Sinne Weicks. Die verfolgte Prozessvision entsteht für beide Systemwelten und hat eine zeitliche Beschränkung, die Steuerbarkeit des Veränderungsprozesses richtet sich danach, welches der beiden Systemelemente betroffen ist. Steuerung kann durch einfache Rückkopplung erfolgen oder durch positive Rückkopplung im Sinne der Selbst- und der Kontextsteuerung. Im Anschluss an diese Begriffsdefinition war es erforderlich, zwei weitere für die vorliegende Arbeit zentrale Begriffe im Rahmen des Konzepts der organisationalen Veränderung zu positionieren und zu entwickeln: den Projektbegriff und aufbauend auf dem Methodenbegriff aus Kapitel 2.4 den Modellbegriff. Projekte sind dabei individuelle Veränderungsvorhaben, die auf einer außergewöhnlichen Veränderungsaufgabe basieren, umfangreich und komplex sind sowie typische Projektmerkmale aufweisen und schließlich auf der Basis eines Projektsystems organisiert sind. Methoden im Rahmen der organisationalen Veränderung sind zielgerichtete Vorgehensweisen zur Unterstützung der Erreichung der mit dem Veränderungsprojekt beabsichtigten Ergebnisse auf der Basis von Aktivitäten. Das im folgenden Kapitel entwickelte Vorgehen für die Methodenkonstruktion muss sich an den formulierten Anforderungen an Methoden orientieren und daran gemessen werden. Ein Modell ist schließlich ein auf einen Adressaten oder eine Adressatengruppe ausgerichtetes, zielorientiertes Abbild von natürlichen und künstlichen Systemen. Sie verfolgen einen definierten Zweck, haben einen klaren zeitlichen Bezug und nutzen eine bestimmte Sprache.
Begriffliche und theoretische Grundlagen
147
Damit sind die Grundlagen geschaffen, um die Klassifikationstheorie für das CME zu entwickeln und darauf aufbauend die Regeln und Prinzipien für die Methodenkonstruktion im Rahmen der organisationalen Veränderung abzuleiten.
4 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens Die „methodische Grundlage“ ist eine wesentliche Voraussetzung für die Herstellung der Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben. Diese Grundlage besteht aus drei Komponenten: Zunächst muss eine Klassifikationstheorie entwickelt werden, um auf dieser Basis situative Methoden konstruieren zu können. Die so entstehenden Klassen sollen eine möglichst vollständige Beschreibung von Veränderungsvorhaben durch entsprechende Beschreibungsparameter unterstützen und damit die Vielzahl von Ansätzen, die dieses Ziel mehr oder weniger systematisch verfolgen, ordnen und dabei systematisieren. Die Bildung der Klassen erfolgt aufbauend auf dem zuvor hergeleiteten integrierten Bezugsrahmen dieser Arbeit. Die zweite Komponente dieser Grundlage ist die Herleitung von so genannten „Standardaktivitäten“ oder auch „Basisaktivitäten“, die die zentralen Aktivitäten für die zu konstruierenden Methoden zusammenfassen und damit zugleich die inhaltliche Grundlage für die Fähigkeiten eines Veränderungsarchitekten darstellen. Schließlich ist als dritte und zentrale Komponente die Definition des Vorgehens für die Methodenkonstruktion zu nennen. Die Methoden werden auf Basis noch genauer in den nachfolgenden Kapiteln zu spezifizierender Vorgehensweisen des Methoden Engineering zusammengesetzt und darüber hinaus situationsspezifisch angelegt, so dass sie den individuellen Anforderungen eines Veränderungsprojekts Rechnung tragen können. Der Fokus des Konstruktionsverfahrens liegt auf der Identifikation der in dem entsprechenden Veränderungsprojekt durchzuführenden Aktivitäten, denn damit werden, der Logik des hier verwendeten Ansatzes des Methoden Engineering folgend, zugleich die Rollen, die von den Akteuren erfüllt werden müssen, die Techniken, die zum Einsatz kommen, sowie die zu erzeugenden Ergebnisse definiert. Die eigentliche Methodenkonstruktion erfolgt einerseits auf der Basis von bestimmten Grundmustern, so genannten „patterns“, wie sie aus der Softwareentwicklung bekannt sind, und andererseits geleitet durch Regeln, die es durch eine entsprechende Analyse der Interviews, Fallstudien und Veränderungsmethoden, die als Datenquellen dienen, zu entwickeln gilt. Die Entwicklung eines Methodenkonstruktionsverfahrens ist also der für die vorliegende Arbeit relevante Ausschnitt des Themengebiets „organisationale Veränderung“. Sie wird nachfolgend mit „Change Method Engineering (CME)“ bezeichnet. Als Grundlage für die Erarbeitung der drei inhaltlichen Komponenten sind im nächsten Schritt zunächst die Anforderungen an die situative Methodenkonstruktion darzulegen. Danach kann dann ein entsprechender Lösungsansatz entwickelt werden.
4.1 Anforderungen an die situative Methodenkonstruktion Die Flexibilisierung der Konstruktion von Methoden ist ein zentrales Thema sowohl in der Diskussion über die Entwicklung von Informationssystemen als auch in Bezug auf
150
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
die Abstimmung von Methoden mit den Anforderungen der Organisation.345 Die Methodenkonstruktion für ein Anwendungsgebiet, das sich durch einen hohen Neuheitsgrad sowie die Einzigartigkeit der Aufgabenstellungen und der Projektanforderungen auszeichnet, ist insbesondere auf einen flexiblen und auf die gegebene Situation anpassbaren Konstruktionsprozess angewiesen. Harmsen et al. haben fünf Stufen von Flexibilität in der Methodenkonstruktion identifiziert, die eine Grundlage für die Auswahl des Vorgehens für die vorliegende Arbeit bilden, das dann auch die Anforderungen an die situative Methodenkonstruktion definiert:346 x
Einsatz einer rigiden Methode: Für alle Projekte wird immer dieselbe Methode eingesetzt, die auf einer bestimmten Philosophie aufbaut und damit auf festgelegten Standards, Methoden und Techniken beruht. Sie wird nicht an das Projekt angepasst. Auf dieser Stufe wird mit einem hohen Grad an Standardisierung gearbeitet, der allerdings die Gefahr birgt, dass die Methode lediglich für einen sehr schmalen Ausschnitt an Projekttypen „passt“ und in allen anderen Fällen nur suboptimale Ergebnisse liefern kann.
x
Auswahl aus mehreren rigiden Methoden: Dieses Vorgehen unterstützt mehr Flexibilität, weil es erlaubt, eine, wenn auch rigide, d. h. nicht zu verändernde, Methode zu wählen, die für das Projekt geeignet ist. Dadurch, dass die Methode nicht anpassbar ist, ist allerdings auch hier nur eine suboptimale Unterstützung für das Projekt gewährleistet. Zudem kommt in dieser Stufe hinzu, dass höhere Kosten durch den Kauf und das Training für die jeweilige Methode entstehen.
x
Auswahl von alternativen Vorgehensweisen innerhalb einer Methode: In fortgeschrittenen Methoden werden innerhalb einer Methode verschiedene alternative „Pfade“ für die Methodenkonstruktion angeboten. Das kann im Fall von Methoden für die Applikationsentwicklung z. B. die Auswahl zwischen einem traditionellen oder einem „verkürzten“ (im Englischen „rapid“) Ansatz sein. Auch wenn hier bereits ein höherer Grad an Flexibilität realisiert wird, bleibt doch das Problem, dass durch die fest vorgegebenen Pfade nicht alle Anforderungen eines Projekts abgedeckt werden können.
x
Auswahl und Anpassung von Methoden: Diese Alternative erlaubt es, auf Basis der Anforderungen des Projekts verschiedene Methoden zu wählen und diese in einen zuvor ausgewählten Prozess zur Methodenkonstruktion zu integrieren. Damit dieses Vorgehen möglich ist, muss das gewählte Grundvorgehen weit genug verallgemeinert und ein entsprechendes Informationsmodell definiert werden, so dass die gewählten Methoden integriert und angepasst werden können.
x
Modulare Methodenkonstruktion: Dieses Vorgehen bietet den höchsten Grad an Flexibilität, indem vordefinierte Komponenten von Methoden, also Methodenfrag-
345
346
Vgl. z. B. Grundy, J. C., Venable, J. R.: Towards an Integrated Environment for Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8, WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996, S. 45-62 und Baskerville, R.: Structural Artefacts in Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering: Principles of method construction and tool support, London et al. 1996, S. 8-28. Vgl. Harmsen, F. et al.: Situational Method Engineering for Information System Project Approaches, in: Verrijn-Stuart, A. A., Olle, T. W. (Hrsg.): Methods and Associated Tools fort he Information System Life Cycle, Amsterdam 1994, S. 169-194.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
151
mente, zu einer Methode zusammengefügt werden. Der Konstruktionsprozess basiert auf Regeln, nach denen die Fragmente situationsspezifisch und damit angepasst auf die individuellen Anforderungen des Projekts zusammengesetzt werden. Idealerweise sind diese Komponenten in einer Methodensammlung organisiert, so dass die Auswahl effizient gesteuert werden kann. Für die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit ist das Vorgehen der letzten Stufe aufgrund der gebotenen Möglichkeiten einer situativen und flexiblen Kombination von Komponenten zu bevorzugen. Dazu muss eine Auswahl der Methodenfragmente vorgenommen und die entsprechende Regelbasis definiert werden. Das generelle Vorgehen, nach dem die modulare und situative Methodenkonstruktion erfolgt, wird in Anlehnung an Odell und Baskerville spezifiziert und in den entsprechenden Kapiteln begründet und konkretisiert (vgl. Abbildung 45).347 Darauf aufbauend lassen sich folgende Anforderungen definieren (die Aufzählungsnummern korrespondieren mit den Nummerierungen in der Abbildung): 1. Definition einer Beschreibungsumgebung: Der erste Schritt fordert eine Beschreibung des Projekts und seines Umfelds. Damit das möglich wird, muss zunächst eine Beschreibungsumgebung geschaffen werden, die diese Anforderungen erfüllt. Damit soll vor allem die Wiederverwendung von bestehenden Komponenten, Vorgehensweisen oder auch „Vorgängen“ unterstützt werden, die im Sinne einer „Referenzarchitektur“ die Einordnung und In-Beziehung-Setzung neuer bzw. ergänzender Komponenten ermöglicht.348 Der für die Arbeit verfolgte Ansatz ist der Einsatz einer entsprechenden Klassifikationstheorie, die eine systematische und umfassende Beschreibung des Veränderungsvorhabens und aller eingeschlossenen Komponenten, d. h. den Veränderungsprozess und das Veränderungsprojekt, unterstützt. 2. Definition der Methodenfragmente: Der Begriff „Methodenfragmente“ steht für das Ergebnis des Aufbrechens bestehender, eher monolithisch angelegter Methoden in ihre Bestandteile mit dem Ziel, eine situative Methodenkonstruktion zu unterstützen.349 Die Methodenfragmente, aus denen die situative Methode zusammengesetzt wird, sind in diesem Fall die „Aktivitäten“ gemäß dem Methoden Engineering nach Gutzwiller.350 Sie stellen die Basis dar, um die erforderlichen Rollen, Techniken, Werkzeuge, Ergebnisse und das zugrunde liegende Informationsmodell spezifizieren zu können, die letztendlich zur Operationalisierung der Methode führen. Die Methodenfragmente werden, wie bereits zuvor beschrieben, idealerweise in einer Methodensammlung zusammengefasst und durch ein so genanntes „repository“351 verwaltet, damit die für die entsprechende Situation relevanten Fragmente identifiziert werden können. Darüber hinaus müssen die von Baskerville geforderten Artefakte des Metho347
348 349 350 351
Vgl. dazu Odell, J. J.: A Primer to Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering: Principles of method construction and tool support, London et al. 1996, S. 1-7 und Baskerville, R.: Structural Artefacts in Method Engineering, S. 14-21. Vgl. Greiffenberg, S.: Methoden als Theorien der Wirtschaftsinformatik, S. 956-957. Vgl. Harmsen, F. et al.: Situational Method Engineering for Information System Project Approaches, S. 169-194. Vgl. Kapitel 2, S. 54. Ein „repository“ ist ein Datenverwaltungssystem, das durch eine geeignete Metadatenstruktur, das Integrieren neuer Daten, das Archivieren sowie das problemspezifische Wiederauffinden von Datenbeständen unterstützt. Vgl. dazu z. B. Eicker, S.: Stichwort „Repository“, in: Mertens, P. et al. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., Berlin et al. 2001, S. 401-402.
152
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
den Engineering, die eine systematische, situative und an die Anforderungen der Organisation angepasste Methodenkonstruktion ermöglichen („Artefakte der 3. Ebene“), als Ergänzungen der Methodensammlungen aufgenommen werden. 3. Definition von Regeln für die Konstruktion der Methode: Die Regeln zur Auswahl und Konstruktion können durch zwei Ansätze definiert werden:
Zum einen kann die Definition des Konstruktionsprozesses auf der Basis der bereits eingangs erwähnten Grundmuster erfolgen, damit ein standardisiertes Prozessmodell für die Methodenkonstruktion zur Verfügung steht. Sie stellen das systematische, nachvollziehbare und validierte Vorgehen im Rahmen des Konstruktionsprozesses sicher. Zum anderen kann die Regelbasis zur eigentlichen Auswahl der Methodenfragmente auf der Grundlage der untersuchten Fallstudien hergeleitet werden, indem auch hier nach wiederkehrenden „Mustern“ gesucht wird, z. B. im Rahmen einer Clusteranalyse. Die Auswahl der Methodenfragmente und der Grundmuster für den Konstruktionsprozess trägt also der Forderung nach der Erzeugung des Bezugsrahmens für die Methodenkonstruktion Rechnung, die als Grundlage für die Umsetzung dieser Flexibilitätsstufe bei Harmsen genannt wird.
Beschreibe Projekt und Projektumfeld 1
Methodenfragmente: • Aktivitäten • Rollen • Techniken • Ergebnisse • Informationsmodell Techniken des Methoden Engineering (Artefakte der 3. Ebene)
2
Beschreibung des Projekts Methodenadministration
Repository Konstruiere Methode
Methodensammlung 3 und Regelbasis
Erfahrungen Neue Fragmentausprägungen
Situative Methode
Projektdokumentation 4 Projekt
4 Projektergebnisse
Abbildung 45: Aufgabendiagramm mit Ergebnissen und Datenspeicher zur Spezifizierung des Vorgehens bei der modularen und situativen Methodenkonstruktion
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
153
4. Wissensmanagement: Schließlich ist es eine unabdingbare Anforderung, dass der Wissensmanagementprozess systematisch aufgebaut und verfolgt wird. Denn nur allein um dem Postulat der Wiederverwendung Rechnung tragen zu können, müssen alle neuen Fragmente, Regeln, Ergebnisse und Erfahrungen aufgenommen und entsprechend dokumentiert werden. Dazu gehören z. B. auch die beobachteten Konsequenzen für die Organisation, die u. a. in Form der Projektergebnisse dokumentiert werden.
In den nachfolgenden Kapiteln werden diese Punkte wieder aufgenommen und für die Entwicklung der situativen Methodenkonstruktion erarbeitet.
4.2 Entwicklung einer Klassifikationstheorie als Grundlage für die Methodenkonstruktion Die Zielsetzung dieses Kapitels ist die Entwicklung einer Klassifikationstheorie für die Methodenkonstruktion auf Basis des integrierten Bezugsrahmens, dem „Change Method Engineering“. Hier stellt sich die Frage, ob die herkömmlichen und existierenden Klassifikationstheorien auf die Problemstellung angewendet werden können. Um diese Frage beantworten zu können, ist ein kurzer Exkurs in die bestehenden Klassifikationstheorien erforderlich. Es lassen sich zwei Haupttheorien zur Klassifikation von Objekten identifizieren:352
x Bibliographische Klassifikationstheorie x Theorie der Wissensklassifikation Im Rahmen dieser beiden Haupttheorien werden wiederum Theorien entwickelt, die sich auf bestimmte Themengebiete beziehen. Gemeinhin spricht man von einer Theorieentwicklung, wenn zu einem bestimmten Untersuchungsgegenstand ein System von logisch miteinander verbundenen, widerspruchsfreien und aufeinander bezogenen Aussagen, z. B. Sätze und Hypothesen, entsteht. Darüber hinaus ist die Definition der verwendeten Begriffe unabdingbarer Teil der Theoriebildung.353 Schließlich müssen Bedingungen für die Entwicklung der Klassen im Rahmen der Klassifikationstheorie formuliert werden. Im vorliegenden Fall werden für den Untersuchungsgegenstand diese drei Schritte vollzogen, so dass hier eine spezialisierte Subtheorie der Wissensklassifikation entsteht, ähnlich wie z. B. die Klassifikationstheorien in der Biologie, Medizin oder Mathematik.354 Eine für diese Arbeit übertragbare Theorie ist im Bereich der Wissensklassifikation zu suchen, und in Bezug auf die hier existierenden Theorien in der Betriebswirtschaftslehre, 352 353
354
Vgl. Kumar, K.: Theory of Classification, 4. Aufl., New Dehli 1992, S. 453-456. Vgl. dazu ausführlich Lehner, F.: Theoriebildung in der Wirtschaftsinformatik, in: Becker, J. et al. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik und Wissenschaftstheorie, Wiesbaden 1999, S. 5-24 sowie z. B. Schnell, R. et al.: Methoden der empirischen Sozialforschung, 6. Aufl., München und Wien 1999, S. 910. Vgl. z. B. Oeser, E.: System, Klassifikation, Evolution, 2. Aufl., Wien 1996; Sneath, P. H. A., Sokal, R. R.: Numerical Taxonomy, San Francisco 1973; Rosenberg, S. et al.: A Hierarchical Classes Model: Theory and Method With Applications in Psychology and Psychopathology, in: Arabie, L. J. et al. (Hrsg.): Clustering and Classification, Singapore et al. 1996, S. 123-155; Viehweg, E.: Classification Theory of Threefolds, Turin 1979, S. 11-16.
154
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
der Wirtschaftsinformatik oder auch der Informatik lässt sich feststellen, dass es keine Subtheorie gibt, die die Themengebiete „Methodenkonstruktion“ und „organisationale Veränderung“ angemessen referenziert und eine adäquate Klassifikation zur Verfügung stellt. Somit ist es eine Aufgabe der vorliegenden Arbeit, eine entsprechende Klassifikationstheorie zu entwickeln. Im nächsten Kapitel wird zunächst das Basiskonzept für die Entwicklung von Grundmustern erläutert, und es werden die erforderlichen Anpassungen für die vorliegende Problemstellung vorgenommen. Auf dieser Basis werden ein Grundmuster für das Vorgehen zur Klassifikation vorgestellt und diskutiert sowie im Anschluss daran die erforderlichen Grundlagen der Klassifikation zusammengefasst. Danach erfolgt die bereits angesprochene Theorienbildung, indem der ersten Forderung, der Aufstellung eines Systems von logisch widerspruchsfreien Aussagen zur organisationalen Veränderung als Untersuchungsdomäne, Rechnung getragen wird. Dieses Aussagensystem wird auf der Basis des integrierten Bezugsrahmens, der sich hauptsächlich auf die Disziplin Business Engineering und deren Grundhypothesen abstützt, entwickelt. Die dort verwendeten Begriffe basieren wiederum auf den Definitionen aus Kapitel 3, womit die zweite Forderung zur Theorienbildung erfüllt wird. Der dritte Schritt, die Formulierung von Bedingungen für die Klassenbildung, erfolgt direkt und schließt die Vorgehensweise ab.
4.2.1 Grundmuster als prozessorientierte Strukturierungshilfe für die Methodenkonstruktion In diesem Kapitel werden die Grundlagen für die Entwicklung von so genannten „Grundmustern“ kurz erläutert und ein Vorgehen vorgestellt, auf dem die nachfolgend für die vorliegende Arbeit angestellten Überlegungen aufbauen. Der Begriff der Grundmuster oder auch „patterns“ stammt aus der Softwareentwicklung und bezieht sich auf Identifikation und Definition von wiederkehrenden Entwurfsmustern für bestimmte Applikationen.355 Mit solchen Grundmustern werden zwei Zielsetzungen verfolgt: Zum einen dienen sie der Strukturierung des Entwurfsprozesses, und zum anderen erhöhen sie die Effizienz des Entwurfs durch Wiederverwendung und der Abbildung, damit auch dem Erhalt, von Wissen. Im Rahmen des Methoden Engineering werden solche Grundmuster ebenfalls verwendet und hier mit dem Ziel, die Erstellung von Prozessmodellen für die schnelle und flexible Erzeugung von Methoden zu unterstützen. Dabei liegt der Fokus auf dem „Requirements Engineering“, d. h. der Erhebung und Abbildung von fachlichen und funktionellen Anforderungen für den Systementwurf.356 Eine der Grundhypothesen bei der Anwendung im Methoden Engineering ist, dass die verschiedenen Vorgehensweisen für den Methodenentwurf zwar ähnlich sind, aber sich dennoch durch den Kontext, in dem sie angewendet werden sowie in den spezifischen Anforderungen des zu erstellenden Produkts unterscheiden. Darüber hinaus soll der intuitive und auf Erfahrungen basierende Entwurfsprozess durch eine Strukturierung im Sinne eines ingenieurmäßigen Vorgehens abgelöst werden. Das entstehende Prozessmodell ist also das Endprodukt eines
355 356
Vgl. z. B. Pree, W.: Design Patterns for Object-Oriented Software Development, Wokingham et al. 1995. Vgl. Plihon, V., Rolland, C.: Genericity in Method Construction, in: Proceedings of the 4th AsiaPacific Software Engineering and International Computer Science Conference (APSEC ‘97/ICSC ‘97), Hong Kong 1997, S. 302-311.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
155
nach ingenieurmäßigen Grundsätzen geleiteten und damit intersubjektiv nachvollziehbaren Entwurfsvorgehens.357 Diese Grundüberlegungen lassen sich auf die Entwicklung von Veränderungsmethoden übertragen. Auch hier ist ein ingenieurmäßiges Vorgehen gefordert, und bestimmte Bestandteile der Methoden sind ähnlich, aber auch sie unterscheiden sich durch den Kontext, in dem sie entwickelt und eingesetzt werden. Der Unterschied zum Methodenentwurf im klassischen und damit auf die Softwareentwicklung bezogenen Sinne ist, dass sie sich nicht auf ein zu erstellendes (Software-)Produkt beziehen, sondern auf ein Projekt und dessen Ablauf. Die Übertragung auf Veränderungsprojekte erfordert weitere Anpassungen des Grundkonzepts, die im Folgenden entwickelt werden. Das den Überlegungen zugrunde liegende Konzept ist im Rahmen eines ESPRIT-Projekts358 entwickelt und validiert worden. Es bezieht sich auf die systematische Erzeugung von Methoden im Requirements Engineering auf Basis eines Metamodells unter Wiederverwendung von Teilen bestehender Methoden. Darüber hinaus werden der Kontext, in dem die Methodenkonstruktion stattfindet, sowie die Möglichkeiten von szenariobasierter Zielmodellierung berücksichtigt.359 Diese drei Komponenten, die Definition der Entscheidung, der Situation und die Abbildung des Prozessmodells für die Methodenkonstruktion, sind nachfolgend, beginnend mit dem Kontext, kurz zu erläutern. Damit eine an die spezifische Situation angepasste Methodenkonstruktion erfolgen kann, muss zunächst der Kontext bestimmt werden, in dem die Entscheidungen bei der Methodenkonstruktion getroffen werden, die wiederum das Endprodukt beeinflussen. Für die Beantwortung der ersten Frage muss zunächst definiert werden, wie der Kontext modelliert, d. h. beschrieben werden kann. Dazu wird festgelegt, dass der Kontext durch das Tupel <Situation; Entscheidung> definiert wird. Der Parameter „Entscheidung“ ist dabei definiert durch den Parameter „Intention“, d. h. die ursprüngliche Absicht, mit der eine Entscheidung getroffen wird,360 und den dazu gewählten „Lösungsansatz“. Das Ziel kann entweder „abstrakt“, z. B. „Erzeugung einer Baumstruktur“, oder „konkret“, z. B. „Erzeugung eines Analyseschemas für das Requirements Engineering“, sein (vgl. Abbildung 46). Mit diesem Schritt wird sichergestellt, dass die Auswahl der Aktivitäten mit der Intention korrespondiert. Die Abbildung folgt einer relativ einfachen Symbolik, bei der die Lesrichtung von links nach rechts und von oben nach unten entlang der Pfeile verläuft,
357
358
359
360
Vgl. hierzu z. B. Kumar, K., Welke, R.: Method Engineering: A Proposal for Situation-Specific Methodology Construction, in: Cotterman, W.W., Senn, J. A. (Hrsg.): Systems Analysis and Design, New York 1992, S. 257-268. ESPRIT war ein Förderungsprogramm im vierten Rahmenprogramm der Europäischen Union, das von 1994 bis 1998 Fördergelder für die Forschung im Bereich der Informationstechnologie vergeben hat. Das Projekt trug die Bezeichnung ESPRIT No 5363. Vgl. dazu hier und im Folgenden die vier grundlegenden Beiträge aus dem Projekt: Rolland, C., Plihon, V.: Using Generic Method Chunks to Generate Process Models Fragments, in: Proceedings of the 2nd International Conference on Requirements Engineering (ICRE ’96), Colorado Springs 1996, S. 173-180; Rolland, C., Prakash, N.: A Proposal for Context-Specific Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8, WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996 S. 191-207; Plihon, V., Rolland, C.: Genericity in Method Construction, S. 302-311; Rolland, C. et al.: Guiding Goal Modeling Using Scenarios, in IEEE Transactions on Software Engineering, 24 (1998) 12, S. 1055-1071. Vgl. dazu den Beschreibungsparameter „Intention“.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
156
und die Rechtecke jeweils die Informationsobjekte darstellen, die als Eingangsgrößen für die Spezifikation des Parameters „Kontext“ dienen.
Konkretes Ziel
Abstraktes Ziel Intention
Entscheidung
ist definiert durch
erreicht durch
ist ein
erreichen
ist ein
Ziel
Lösungsansatz
Abbildung 46: Modellierung des Parameters „Entscheidung“ im Rahmen der Ermittlung des Kontexts Der zweite Parameter, der den Kontext spezifiziert, ist die „Situation“. Er wird durch die Spezialisierung „Einfache Situation“, d. h. die Situation ist quasi „atomar“ und besteht nicht aus weiteren Situationen, und „Komplexe Situation“, d. h. die Situation setzt sich aus weiteren Situationen zusammen, näher spezifiziert. Dieses Informationsobjekt wird darüber hinaus durch vier weitere Objekte beschrieben: x
„Themengebiet“ des Entwicklungsprojekts: Hier wird beschrieben, unter welchem zentralen Thema und Fokus dieses Projekt geführt wird, z. B. Neuentwurf von Geschäftsprozessen.
x
„Problemdomäne“: Dieses Informationsobjekt beschreibt den Bereich, in den das zu lösende Problem einzuordnen ist. Er wird zusätzlich näher definiert durch die Subobjekte „Komplexität“ und „Risiko“ sowie die beiden Objekte „Projektdomäne“ und „Zieldomäne“: o „Projektdomäne“ und „Zieldomäne“: Diese beiden Informationsobjekte charakterisieren einerseits das Projekt und andererseits die zu entwickelnde Applikation im Rahmen des Informationssystems, d. h. das Produkt. Für die „Zieldomäne“ verwendete Beschreibungsparameter sind dabei z. B. der Umfang des Zielsystems, die Heterogenität der Akteure, die Komplexität der Daten sowie die Komplexität der Zieltechnologie für das Produkt. Die Projektdomäne wird durch die vier Parameter Aufgaben, Struktur, Akteure und Technologie, d. h. die verfügbare und eingesetzte Technologie, beschrieben. Die Metriken für die Komplexität sind einfach (E), moderat (M) und komplex (K), die Metriken für das Risiko sind niedrig (N), moderat (M) und hoch (H).
Somit entsteht ein kontext-spezifischer Beschreibungsrahmen, der es erlaubt, den Projekttyp, die Problemdomäne sowie die Zielsetzung, mit der die Methode entwickelt wird, zu modellieren. Als Beispiel könnte das Themengebiet „Kundenbeziehungsmanagement“ mit dem Ziel, eine entsprechende Applikation zu entwickeln, definiert werden durch: Komplexität der Daten = K (Kundendaten aus dem gesamten Unternehmen), Komplexität der Heterogenität der Akteure = K (Beteiligte aus verschiedenen Fachbereichen sowie der
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
157
IT-Abteilung) und Risiko in Bezug auf die Projektbeteiligten = M (Kommunikationskultur zwischen den beteiligten Gruppen ist als gut einzuschätzen). Die Zusammenhänge zwischen den Informationsobjekten und den beiden sie näher spezifizierenden Subobjekten „Komplexität“ und „Risiko“ sind in Abbildung 47 dargestellt.
Einfache Situation ist eine setzt sich zusammen aus
Situation ist eine
Komplexe Situation ergibt sich durch
spezifiziert
Problemdomäne
Themengebiet
Komplexität Risiko beschreibt
Zieldomäne
beschreibt
Projektdomäne
Abbildung 47: Modellierung des Parameters „Situation“ im Rahmen der Ermittlung des Kontexts Der Kontext kann nun wie folgt modelliert werden: Der spezifische Kontext ist ein Teil einer „Gruppe“ (im Englischen „Forest“ in Analogie zum „Tree“, also Kontextbaum), die verschiedene Kontexte zusammenfasst. Als Beispiel kann die objektorientierte Modellierungsmethode „Object Modeling Technique (OMT)“361 dienen: Die gesamte Methode ist die „Gruppe“ und die verschiedenen darunter zusammengefassten Einzelmethoden sind die Bäume für die Entwicklung des „Objektmodells“, des „Dynamischen Modells“ und des „Funktionenmodells“. Diese Bäume werden in einem bestimmten Kontext entwickelt. Er definiert sich durch die oben beschriebenen Parameter „Situation“ und „Entscheidung“ und kann weiter differenziert werden in die Spezialisierungen „Plan-Kontext“, „Wahl-Kontext“ und „ausführbarer Kontext“. Der „ausführbare Kontext“ ist direkt umsetzbar und repräsentiert in der Analogie des „Kontextbaums“ die „Blätter“, d. h. atomare Aufgaben, die z. B. zu der direkten Auswahl einer Aktivität für die zu konstruierende Methode führt. Angewendet auf OMT wäre das z. B. die Beschreibung der Funktionen. Der „Wahl-Kontext“ bezieht die Überlegung ein, dass bei der Konstruktion der Methode alternative Wahlmöglichkeiten bestehen und ein Mechanismus existieren sollte, der die361
Vgl. zu den Details der Methode Rumbaugh, J. et al.: Object-Oriented Modeling and Design, New Jersey 1991.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
158
sen Wahlprozess, z. B. in Form von Argumentationsschritten, einbezieht. Der „WahlKontext“ ist mit der Hierarchisierungskomponente „Verfeinerung“ verbunden, um die Auswahlschritte und den damit verbundenen Entscheidungsprozess zu dokumentieren. Für OMT könnten so z. B. der Schritt „Attribute identifizieren“ und der Auswahlprozess inklusive der Diskussion verschiedener Attribute modelliert werden. Der „Plan-Kontext“ trägt der Tatsache Rechnung, dass der Prozess auf einer Aufgabenkette aufbaut, um die zugrunde liegende Intention umzusetzen. Aus diesem Grund ist er mit der Hierarchisierungskomponente „Dekomposition“ verbunden. Dadurch wird der aggregierte „PlanKontext“ in seine Einzelschritte, d. h. die Aufgaben, zerlegt, damit das Ergebnis nicht nur ausführbar, sondern auch nachvollziehbar wird. Wiederum am Beispiel OMT könnte so der Schritt „Szenarios entwickeln“ abgebildet und detailliert werden. In Abbildung 48 ist der Gesamtzusammenhang mit Bezug zum Gestaltungsobjekt „Software-Produkt“ schematisch dargestellt.
Gruppe („Forest“)
Kontextbaum Entscheidung Hierarchisierung ist eine
Verfeinerung
spezifiziert
Kontext Situation
ist eine
Dekomposition geht ein in
geht ein in
ist ein
ist ein
Plan-Kontext
ist ein
bestimmt
Software-Produkt Ausführbarer Kontext
modifiziert
Wahl-Kontext
Abbildung 48: Modellierung der Definition des Kontextes für die Methodenkonstruktion Die konkrete Gestaltung eines Baums und die Semantik der Elemente werden am Beispiel der Definition eines ER-Modells erläutert (vgl. Abbildung 49). Die einzelnen Schritte werden durch eckige Klammern der Form <…> eingeschlossen. Sie bestehen aus zwei Elementen: 1. Bezeichner oder Eingangsgrößen: Vor der eigentlichen Anweisung steht eine Klammer, die entweder einen Plan-Kontext mit dem Ausdruck „Problem Statement (Pb-St.)“ als Bezeichner beinhaltet, oder es werden die Objekte angegeben, die als Eingangsgrößen in den Schritt eingehen, z. B. im Fall des ER-Modells „Beziehungstyp“. Wird ein Plan-Kontext auf einer tieferen Ebene eines Baums definiert, können beide Informationen eingehen, z. B. (Pb-St., Beziehungstyp). 2. Anweisung: Die Anweisung beschreibt den auszuführenden Prozessschritt, z. B. „Definiere Beziehungstyp“. Der gesamte Ausdruck ist also formal wie folgt gestaltet, wobei die beiden Elemente in den Klammern auch einzeln stehen könnten:
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
159
<(Bezeichner, Eingangsgröße) Anweisung> Im Beispiel des ER-Modells wäre ein möglicher Ausdruck etwa: <(Pb-St.), Definiere ERSpezifikation>, für die oberste Ebene des Baums. Der beispielhafte Aufbau und Ablauf für die ER-Modellierung ist in Abbildung 49 dargestellt.362 In der Abbildung wird die ER-Spezifikation ausgehend vom Beziehungstyp (relationship type: RT) entwickelt, dabei wird z. B. der Plan-Kontext „Konstruiere RT top down“ weiter aufgebrochen in die beiden Plan-Kontexte „Identifiziere RT“ sowie „Verbinde ET (Entitätstyp) mit RT“ und den Wahl-Kontext „Diskutiere RT Konstruktion“. Die Definition und Beschreibung der Beziehungstypen sind ausführbare Kontexte, die in der vollständigen Beschreibung der Entitäts- und Beziehungstypen mit Attributen und Domänen resultiert. Im nächsten Schritt muss nun dieser Ansatz auf Veränderungsprojekte übertragen werden. Dazu sind zwei Modifikationen vorzunehmen. Die erste und zentrale Anpassung ist die Erweiterung des Kontextbegriffs über den reinen Modellierungskontext hinaus. Diese Grundidee ist auch in den zugrunde liegenden Beiträgen von Rolland et al. verankert, wird aber nicht konsequent durchgeführt und schließlich auf den Entscheidungskontext bei der eigentlichen Methodenkonstruktion reduziert. Nachfolgend soll zusätzlich zum „Konstruktionskontext“, der sich nach wie vor in die drei oben genannten Spezialisierungen (Plan- und Wahl-Kontext sowie ausführbarer Kontext) differenzieren lässt, der Projektkontext, wie er durch die Analyse des Parameters „Situation“ vorgeben wird, explizit berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass er z. B. durch die Beschreibungsparameter der CME-Klassen spezifiziert wird und die relevanten Elemente in das jeweilige, später noch zu entwickelnde Grundmuster eingehen. So definiert z. B. der Parameter „Thema des Veränderungsprojekts“ das Themengebiet der Situation und der Parameter „Wirkungsradius“ die Problemdomäne. Der so definierte Kontext wirkt dann entscheidend auf die konkrete Durchführung des Veränderungsprojekts und die Auswahl der relevanten Aktivitäten ein, hat allerdings keinen Einfluss darauf, welche Ausprägung der Konstruktionskontext (Plan- bzw. Wahl-Kontext oder ausführbarer Kontext) hat. Dieser ergibt sich durch die Art des auszuführenden Schrittes. Die zweite Anpassung, die vorgenommen werden muss, liegt in der Natur des Gestaltungsobjekts: In diesem Fall sind es nicht mehr Software-Produkte die modifiziert werden, sondern es ist die jeweilige Phase eines Veränderungsprojekts, die modelliert wird. Nur diese Veränderung wird in dem Metamodell sichtbar, indem der Entitätstyp „Software-Produkt“ durch „Phase des Veränderungsprojekts“ ersetzt wird. Auf Basis dieser Überlegungen kann z. B. ein Prozessmodell als Grundmuster für die Entwicklung der Klassifikation entwickelt werden. Das Klassifikationsvorgehen ist situations- und damit kontextunabhängig, so dass es zunächst allgemein definiert und dann als Grundlage für die Konstruktionsmuster verwendet werden kann.
362
Aus dem Englischen übersetzt und mit leichten Modifikationen entnommen aus Rolland, C., Plihon, V.: Using Generic Method Chunks to Generate Process Models Fragments, S. 174. Dabei soll die Abbildung nur beispielhaft für das übernommene Vorgehen gezeigt werden, und es sollen nicht die Inhalte, die sicherlich diskutierbar sind, im Vordergrund stehen.
Abbildung 49: Kontext-spezifischer Modellierungsansatz am Beispiel der Entwicklung eines ER-Modells <(ET), Bestätige ET Erzeugung>
<(RT), Backtrack RT Erzeugung>
<(RT), Bestätige RT Erzeugung> <(ET), Backtrack ET Erzeugung>
<(Attribut), Ordne Wert zu>
<(RT, ET), Ordne Kardinalitäten zu>
<(Attribut), Beschreibe Attribut>
<(Attribut), Ordne Domäne zu>
<(Attribut), Ordne Domäne zu>
<(Attribut), Ordne Wert zu>
<(Attribut), Beschreibe Attribut>
<(RT, ET), Lösche ET>
<(RT, ET), Kopple ET mit RT>
<(RT, ET), Lösche RT>
<(RT), Ordne RT zu>
<(RT), Beschreibe RT>
<(Attribut, ET), Ordne Schlüssel zu>
<(ET), Ordne Attribut zu>
<(ET), Beschreibe ET>
<(RT), Definiere RT>
<(RT, ET), Backtrack RT Konstruktion>
<(ET), Diskutiere ET Erzeugung>
<(ET), Erzeuge ET>
<(RT), Diskutiere RT Erzeugung>
<(Pb-St.), Erzeuge RT>
<(ET), Identifiziere ET>
<(RT, ET), Bestätige RT>
<(RT, ET), Diskutiere RT Konstruktion>
<(Pb-St., RT), Kopple ET mit RT>
<(Pb-St.), Identifiziere RT>
<(Pb-St.) Konstruiere RT top down>
<(Pb-St.), Definiere ER-Spezifikation>
160 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
161
Das Grundmuster für die Entwicklung der CME-Klassifikation (Gruppe) setzt sich zusammen aus fünf Teilbäumen, von denen vier einen Plan-Kontext aufspannen, der weiter in seine einzelnen Komponenten zerlegt werden muss: Definition der zugrunde liegenden Theorie, Definition der konzeptuellen Klassen, Definition der Beschreibungsparameter und Definition der Regeln, nach denen die Hauptbestandteile der Methode, also die Aktivitäten, zusammengesetzt werden. Die Definition der Aktivitäten auf Basis der Beschreibungsparameter ist ein direkt ausführbarer Kontext. Die Ableitung der Aktivitäten aus den Beschreibungsparametern ist in Kapitel 4.2.7 beschrieben. In den Plan-Kontexten zur Definition der konzeptuellen Klassen, der Parameter und der Regeln sind jeweils WahlKontexte integriert, um die breitere Abstützung des Definitionsverfahrens durch die Diskussion der Ergebnisse zu gewährleisten. Bei der Definition der Parameter ist allerdings auch die Möglichkeit integriert, dass ein Parameter ohne weitere Diskussion festgelegt wird. Die Berücksichtigung dieser Option dient der Beschleunigung des Definitionsprozesses. Eine weitere Besonderheit, die es zu beachten gilt, ist die Verbindung der Bäume zur Definition der konzeptuellen Klassen sowie zur Definition der Parameter. Diese Verbindung ist erforderlich, um das in einem folgenden Abschnitt begründete Vorgehen zur Erzeugung der Klassen auf der Indikatorebene zu ermöglichen. Ein weiterer Punkt ist die Nutzung eines Schritts aus der Parameterdefinition für die Definition der Regeln: Hier nutzt der Schritt Fallstudienanalyse das Ergebnis des Schritts Fallstudienauswahl aus dem Baum zur Definition der Parameter, um Redundanzen einerseits in der Anweisung und andererseits in der Ausführung zu vermeiden. Die Begründung und Beschreibung sowie die Detaillierung der einzelnen Elemente des in Abbildung 50 schematisch dargestellten Grundmusters erfolgt in den nachfolgenden Kapiteln, in denen sie instanziiert werden.
4.2.2 Grundlagen der Klassifikation Klassifikationen zu entwickeln, scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, und entsprechend ausgereift sind die verschiedenen Vorgehensweisen.363 Die Klassifikation stellt auch einen der grundlegenden Methodenbaukästen in den Sozialwissenschaften zur Verfügung und kommt in der vorliegenden Arbeit aus zwei zentralen Gründen zur Anwendung: Erstens ist die Domäne des CME und des Veränderungsprojekt-Managements heute noch nicht systematisch erfasst und abgegrenzt; es ist eine nahezu ungeordnete Menge an Wissen vorhanden. Zweitens kann eine systematische Zuordnung von Methoden zu Projekten sowie die Identifikation eines Kernwissens und damit Kerninstrumentariums nur über eine vorherige Ordnung, also Klassifikation, der relevanten Betrachtungsgegenstände erfolgen.
363
Vgl. Bailey, K.: Typologies and Taxonomies: An Introduction to Classification Techniques, Thousand Oaks et al. 1994, S. 1 und für die Vorgehensweisen z. B. Wille, R. (Hrsg.): Klassifikation und Ordnung, Tagungsband der 12. Jahrestagung der Gesellschaft für Klassifikation e.V., 17.-19. März 1988, Frankfurt a. M. 1989.
Abbildung 50: Das Grundmuster „CME-Klassifikation“
<(Parameter), Bestätige Zuordnung>
<(Parameter), Diskutiere Zuordnung>
<(Pb-St.,Fallstudien), Leite Regeln ab>
<(Regel), Backtrack>
<(Regel), Bestätige Regel>
<(Parameter), Backtrack>
<(Regel), Diskutiere Regel>
<(Parameter), Diskutiere Parameter>
<(Parameter), Bestätige Parameter>
<(Parameter), Bestätige Parameter>
<(Fallstudien), Erhebe Parameter>
<(Fallstudien), Analysiere Fallstudien>
<(Parameter), Definiere Aktivität> <(Pb-St.), Definiere Regeln>
<(Fallstudien), Wähle Fallstudien>
<(Pb-St.), Definiere Parameter>
<(Parameter), Backtrack>
<(Parameter), Entwickle Zuordnungsregel>
<(Parameter), Bevölkere Klassen>
<(Klassen), Validiere Klasse>
<(Pb-St.), Definiere konzeptuelle Klassen>
<(Hypothesen), Definiere Aussagensystem>
<(Pb-St.), Definiere Theorie>
<(Pb-St.), Entwickle CME-Klassifikation>
162 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
163
Aus diesem Grund hat die Anwendung der Klassifikation als ordnungs- und strukturschaffende Methode aus Sicht der in der Arbeit verfolgten Vorgehensweise nachstehende Vorteile:364 x
Beschreibung von Sachverhalten: Eines der wichtigsten Argumente für die Anwendung der Klassifikation ist die Fähigkeit, durch Ordnung und Strukturierung Sachverhalte genau zu beschreiben, sie kommunizierbar und damit erklär- und begreifbar zu machen.
x
Reduktion von Komplexität: Obwohl durch die Aggregation in Klassen ein Informationsverlust entstehen kann, überwiegen doch die Vorteile der damit entstehenden Komplexitätsreduktion.
x
Identifikation von Ähnlichkeiten: Einerseits dient die Identifikation von Ähnlichkeiten der Bildung von Aggregaten. Andererseits bietet sich durch das Erkennen nicht offensichtlicher Ähnlichkeiten eine weitere Analysemöglichkeit und Erklärung von Sachverhalten.
x
Identifikation von Unterschieden: Unterschiede konstituieren die verschiedenen Klassen und unterstützen damit die Forderung nach klar voneinander getrennten Klassen. Darüber hinaus dient auch die Identifikation und Analyse von Unterschieden der Erkenntnisgewinnung.
x
Umfassende Zusammenstellung relevanter Objekte als Wissensbasis: Bei einer sorgfältigen und möglichst umfassenden Zusammenstellung der Objekte entsteht eine umfangreiche Wissensbasis über das zu untersuchende Gebiet.
x
Analyse von Interdependenzen und Zusammenhängen: Ein wichtiger Aspekt der Strukturierung und Analyse eines Untersuchungsgebiets ist die Kenntnis der wechselseitigen Beziehungen der Objekte und Klassen. Im Rahmen der Entwicklung von Beschreibungsparametern für Objekte und deren Zuordnung zu Klassen lassen sich auch die Interdependenzen abbilden.
x
Vielseitigkeit der Anwendung: Die Klassifikation gilt als Verfahren, das eine sehr vielseitige Abbildung von Sachverhalten zulässt. Bei anderen Verfahren kann es sein, dass nicht alle relevanten Informationen für eine zielführende Analyse abgebildet werden können (z. B. werden bei der Regressionsanalyse Zusammenhänge zwischen Variablen dargestellt, nicht aber die Informationen über die zugrunde liegende Stichprobe). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen einer Aggregation bei der Klassifikation Informationen verloren gehen können.
Neben den Vorteilen sind folgende Nachteile zu nennen: x
364 365
Ungerechtfertigte Vergegenständlichung: Im Fall der konzeptuellen Entwicklung einer Klasse, die nicht durch empirische Ergebnisse unterstützt wird, besteht die Gefahr, dass eine rein theoretische Klasse erzeugt wird, die nur qua definitionem existiert, jedoch keine reelle Existenzberechtigung hat.365 Dieses Argument unterstützt das in der Arbeit gewählte Vorgehen der konzeptuellen Definition von BeschreiVgl. hier und im Folgenden Bailey, K. D.: Typologies and Taxonomies – An Introduction to Classification Techniques, S. 11-16. Vgl. hierzu auch den Diskurs von Wittgenstein L.: Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt a. M. 1984.
164
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
bungsparametern, deren Existenzberechtigung durch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung gestützt wird. x
Statik der Klassifikation: Das Fehlen der zeitlichen Komponente im Rahmen der Klassifikation kann kritisiert werden. Dieser Mangel kann durch Zeitreihenbetrachtungen behoben werden. Darüber hinaus muss die Frage gestellt werden, ob eine statische Betrachtung der Klassen für die zugrunde liegende Fragestellung nicht ausreichend ist.
x
Validität der Identifikation von Dimensionen, Beschreibungsparametern und Objekten: Dieser Kritikpunkt zielt darauf ab, dass einerseits eine unanfechtbare Begründung der Auswahl der Dimensionen, Beschreibungsparameter und Objekte der Klassen schwierig zu erbringen ist und diese Auswahl andererseits die Charakteristika der Klasse bestimmt. Bailey argumentiert, dass hier eine generelle Problemstellung der Sozialwissenschaften vorliegt, und dass es keine „magic formula“ für die Auswahl der richtigen Variablen gibt, sondern dass nur mit Sorgfalt und Voraussicht eine gute Klassifikation erzeugt werden kann.366 Dieses Argument wird auch von Hand367 gestützt.
Auf der Grundlage der genannten Vorteile und unter Berücksichtigung der inhärenten Nachteile stellt sich nun die Frage, wie eine gut begründete Klassifikation für die zugrunde liegende Problemstellung erzeugt werden kann. Bailey hat die zwei grundlegenden Vorgehensweisen der Klassifikationslehre, die Entwicklung einer Klassifikation entweder auf der konzeptuellen oder empirischen Ebene, zu einem „Drei-Ebenen-Modell“ weiterentwickelt, das nachfolgend Anwendung finden soll.368 Dabei verbindet er die beiden klassischen Vorgehensweisen und ermöglicht so entweder die deduktive oder die induktive Ableitung einer Klassifikation auf der Indikatorebene (vgl. Abbildung 51). Ein weiterer, wichtiger Schritt ist die „Bevölkerung“ der Klassen mit den sie beschreibenden Objekten. Die Anforderungen an die Güte einer Zuweisung eines Objektes zu einer Klasse, ausgedrückt durch die Zuweisungsregeln, werden z. B. von Hand369 wie folgt zusammengefasst: x
Die Einschätzung der Zuweisung muss mit Sorgfalt vorgenommen werden („accuracy“), damit die Zugehörigkeit gerechtfertigt ist.
x
Die Zuweisungen sollten möglichst genau sein („precision“) und damit die „wahren“ Zugehörigkeiten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wiedergeben.
x
Die Zuweisungsregel sollte eine klare Unterscheidung der Klassen („non-resemblance“) unterstützen.
366 367 368 369
Vgl. Bailey, K. D.: Typologies and Taxonomies – An Introduction to Classification Techniques, S. 16. Vgl. Hand, D. J.: Construction and Assessment of Classification Rules, Chichester 1997, S. 149-152. Vgl. hier und im Folgenden Bailey, K. D.: Typologies and Taxonomies – An Introduction to Classification Techniques, S. 30-32. Vgl. Hand, D. J.: Construction and Assessment of Classification Rules, S. 99-100.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
165
Konzeptuelle Typen: hypothetische Konstrukte deduktiv abgeleitet Konzeptuelle Ebene a Deduktion (a+b=c)
Indikator Ebene c
Induktion (b+a)=c b Empirische Ebene Empirische Typen: Fallstudien, auch ohne theoretischen Hintergrund
Abbildung 51: Die drei Ebenen der Klassifikationsentwicklung Den ersten beiden Punkten wird mit der gewählten Vorgehensweise einer sowohl konzeptuellen als auch empirischen Vorgehensweise der Klassenbildung Rechnung getragen. Für die Einhaltung der dritten Forderung muss entweder eine formale Vorgehensweise der Klassifikationstheorie, wie z. B. die Bestimmung von Ähnlichkeitsmassen, zum Einsatz kommen oder es müssen, im Fall einer nicht sinnvoll anwendbaren formalen Vorgehensweise, Kriterien und Argumentationsketten definiert werden, die eine eindeutige Zuordnung unterstützen. Welche Vorgehensweise letztendlich zu wählen ist, wird in Kapitel 4.2.6 diskutiert.
4.2.3 Theoriebildung für die Klassifikation zur Methodenkonstruktion Die hier vorgenommene Theoriebildung hat vor allem das Ziel, die zentralen Erkenntnisobjekte des CME als Teil der organisationalen Veränderung und des Business Engineering, die Veränderungsprojekte und die damit zusammenhängenden Phänomene, mit Hilfe einer spezifischen Klassifikationstheorie so zu ordnen und zusammenzufassen, dass deren Erklärung im Rahmen der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung möglich wird.370 Als wichtiger Schritt für die Entwicklung der Theorie sind also Bedingungen aufzustellen, nach denen die Bildung von Klassen erfolgen kann.371 Selbstverständlich ist es eine evolutionäre Theorie, deren Anfänge hier gelegt werden und die mit dem Erkenntnisfortschritt weiterentwickelt und ergänzt werden muss. 370 371
Vgl. Speck, J.: Handbuch wissenschaftstheoretischer Begriffe, Göttingen 1980, S. 636. Vgl. z. B. Taulbee, O., Welch, J. T.: A new classification theory leading to automatic pattern recognition, in: Proceedings – A.C.M. National Meeting 1966, S. 63-67 und Rothmaler, P.: Einführung in die Modelltheorie, Heidelberg 1995. Im Hinblick auf die Gültigkeit der Theorie sei der Gödel’sche Unvollständigkeitssatz (Zitat ohne Beweis) zugrunde gelegt: „Eine axiomatisierbare Theorie, in der alle berechenbaren Funktionen darstellbar sind, ist nicht vollständig.“ Übertragen auf die hier vorliegende Problemstellung bedeutet diese Aussage, dass die aufgestellten Aussagen der Theorie die Domäne beschreiben, es aber stets Sätze mit Eigenschaften geben wird, die nicht aus diesem Axiomensystem ableitbar sind, vgl. Nagel, E., Newman, J. R.: Der Gödelsche Beweis, München 2003.
166
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Folgende Aussagen über das CME werden der Theorie zugrunde gelegt: 1.
Das CME erzielt seine wissenschaftlichen Erkenntnisse auf den Grundlagen des „rationalen Konstruktivismus“. Das bedeutet, dass einerseits objektivierbare Aussagen über die geschlossenen, positiv rückgesteuerten Systeme gemacht werden können und auf der anderen Seite in Bezug auf das soziale System kontext-abhängige Ergebnisse erzielt werden, die nicht zu objektivieren, sondern beobachter- und zeitabhängig zu interpretieren sind.
2.
Die Veränderung von Unternehmen entsteht im Rahmen von Veränderungsvorhaben, die durch Veränderungsprozesse und Veränderungsprojekte konkretisiert werden.372
3.
Die Implementierung der Veränderung von Unternehmen erfolgt in der Regel in Veränderungsprojekten.373 Diese Projekte werden nachfolgend als BE-Projekte bezeichnet und stellen das zentrale Steuerungsobjekt dar.
4.
BE-Projekte werden durch zwei unterschiedliche „Kontextausprägungen“ beeinflusst: Einerseits durch das Umfeld des Unternehmens (externer Aspekt) und andererseits durch das direkte Umfeld, in dem ein BE-Projekt innerhalb des Unternehmens verankert ist (interner Aspekt).
5.
Die Veränderung von Unternehmen erfolgt auf der Basis eines methodischen, modellbasierten und technikgestützten Vorgehens.374
6.
Der Beschreibungsrahmen der Gestaltungsebenen besteht erstens aus den Veränderungsgestaltungsebenen Strategie, Prozess, Informations- und Kommunikationssysteme sowie Unternehmenskultur, Führung und Verhalten, Machtstrukturen, soziale Kompetenz des Individuums und der Gruppe sowie zweitens aus den ergänzenden Hauptgestaltungsebenen Auslöser, Kontext und Steuerung.375
7.
Die Beschreibung eines BE-Projekts muss auf allen Gestaltungsebenen des Bezugsrahmens stattfinden.
8.
Veränderungen im Sinne der Erneuerung im Rahmen von BE-Projekten werden erst wirksam, wenn sie auf allen Veränderungsgestaltungsebenen des Bezugsrahmens umgesetzt wurden.376
9.
Die Wirksamkeit und damit der Erfolg eines BE-Projekts werden einerseits im Projektkontext (Implementierung I) und andererseits in Bezug auf die Nachhaltigkeit der definierten Zielsetzung (Implementierung II) gemessen.377
372 373 374 375
376 377
Vgl. dazu die Erläuterungen in Kapitel 3.1.1. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 22-23 und Kapitel 2. Vgl. Kapitel 2: Dieser Satz ist eine Erweiterung der dort aufgeführten Grundannahme. Vgl. Kapitel 2: Der Gestaltungsrahmen ist aus der Integration des neuen St. Galler Management-Modells sowie des Business Engineering Modells entstanden und fokussiert auf die Aspekte des Konzepts der organisationalen Veränderung. Diese Aussage repräsentiert die bereits diskutierte Ergänzung zu einer weiteren Grundannahme des Business Engineering, vgl. Kapitel 2, S. 40-41. Vgl. Kapitel 2, S. 50 sowie Ackermann, T., Emmenegger, P., Lehner, U.: Methoden zur nachhaltigen Implementierung von technologiegetriebenen Innovationen, Diplomarbeit Executive MBA in Business Engineering, St. Gallen 2003.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
167
10. BE-Methoden entstehen aus der zielgerichteten Zusammenführung von Aktivitäten aus konkreten BE-Projekten, Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen auf der Basis einer spezifischen BE-Projektdefinition und anhand von Allokationsregeln. Nach der Aufstellung des Aussagensystems werden nachfolgend die Bedingungen formuliert, die eine konzeptuelle Klassenbildung im Rahmen des Business Engineering ermöglichen: 1. Es existiert eine Menge von konzeptuellen Klassen K = {k1, k2, ..., km}, d. h. _K_ = m, und eine Menge von Beschreibungsparametern D = {d1, d2, ..., dw}, d. h. _D_ = w. 2. Jeder Beschreibungsparameter dj (j=1, …, w) kann eindeutig einer Klasse ki (i=1, …, m) zugeordnet werden. Die Abbildungs- bzw. Klassifikationsfunktion lautet folglich: class: D o K
3. Wie noch zu zeigen sein wird, kann die Klassifikation nicht aufgrund der Erfüllung aller Zuordnungsregeln einer Klasse erfolgen (man würde in diesem Fall von monothetischen Klassen sprechen), sondern aufgrund der Erfüllung eines Teils der Zuordnungsregeln. Die Klassen sind also als polythetisch zu bezeichnen. Damit sind die Grundlagen der Klassifikationstheorie gelegt, so dass im nächsten Kapitel die Klassifikation der Beschreibungsparameter erfolgen kann.
4.2.4 Klassifikation von Beschreibungsparametern Im Rahmen der Herleitung einer Klassifikation für BE-Projekte und Veränderungsmethoden wird in drei Schritten vorgegangen. Diese Vorgehensweise erlaubt es, die Domänen der BE-Projekte und Veränderungsmethoden zu beschreiben (vgl. auch Abbildung 52): 1. Identifikation der relevanten Beschreibungsparameter: Die Beschreibungsparameter spiegeln die Gesamtheit der Charakteristika und Attribute der zu definierenden Klassen wider und sind somit Grundlage für den gesamten Definitionsprozess. 2. Definition der konzeptuellen Klassen: Anhand einer Grobanalyse der Beschreibungsparameter (empirische Ebene) und auf Grundlage des in Kapitel 2 hergeleiteten Bezugsrahmens als hypothetische Basis erfolgt eine Definition der Klassen, die damit zugleich auf der Indikatorebene bestimmt sind. 3. Bevölkerung und Fundierung der konzeptuellen Klassen: Die Bevölkerung der Klassen mit Beschreibungsparametern erfordert ein transparentes und zugleich aus forschungsökonomischer Sicht sinnvolles Vorgehen. Dieses Vorgehen ist mit dem dritten Schritt zu entwickeln; es dient zugleich der Fundierung der konzeptuellen Klassen, weil die auf Basis von transparenten Kriterien vollständige und nunmehr eindeutige Zuordenbarkeit aller Beschreibungsparameter zu den definierten Klassen einen Rückschluss auf die Validität der Definition zulässt.
Der Zusammenhang zwischen empirischer und konzeptueller Basis ist noch einmal in Abbildung 52 zusammengefasst. Die Beschreibungsparameter werden auf der Grundlage der empirischen Basis ermittelt, jedoch zunächst ohne Struktur, d. h. ohne eine Kategorisierung vorzunehmen. Für die Zuordnung der Beschreibungsparameter zu den konzeptuell hergeleiteten Klassen muss ein Zuordnungsverfahren festgelegt werden. Eine Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten zur Bevölkerung der Klassen mit Beschrei-
168
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
bungsparametern sowie die Umsetzung einer dieser Möglichkeiten findet sich in Kapitel 4.2.6. Empirische Basis Beschreibungsparameter
Zuordnungsverfahren
Klassen Konzeptuelle Basis
Abbildung 52: Schematischer Zusammenhang zwischen empirischer und konzeptueller Basis der Klassifikation
4.2.4.1Identifikation der Beschreibungsparameter Eine Identifikation der Beschreibungsparameter erfolgt in der vorliegenden Arbeit auf zwei Wegen:378 erstens durch eine Beobachtung der realen Welt und zweitens durch eine Literaturrecherche. Die Ergebnisse der Beobachtung der realen Welt entstanden im Rahmen von zu diesem Ziel durchgeführten Interviews. Die Literaturbasis setzt sich aus veröffentlichten Büchern und Beiträgen, Fallstudien sowie BE-Diplomarbeiten zusammen.379 Darauf aufbauend werden Beschreibungsparameter identifiziert und zusammengefasst. So entsteht, Bailey folgend, eine Klassifikation auf der Indikatorebene, die im vorliegenden Fall das Ergebnis einer Deduktion ist. Diese Klassen von Beschreibungsparametern können dann auf die verschiedenen Veränderungsprojekte angewendet werden, so dass ein nahezu vollständiges Profil von Veränderungsprojekten entsteht. Der Aufbau der gesamten „Datenbasis“ für die Beschreibungsparameter verläuft auf folgende Weise: Für die BE-Projekte werden zunächst die Parameter aus den durchgeführten Interviews zusammengestellt, und im zweiten Schritt werden dann Parameter 378 379
Damit wird auch dem der Arbeit zugrunde liegenden Ansatz des rationalen Konstruktivismus gefolgt, vgl. Kapitel 1.3. Das traditionelle Problem solcher Erhebungen ist die Forderung nach einem möglichst hohen Grad an Vollständigkeit. Das hier verfolgte Vorgehen lehnt sich an das der qualitativen Klassifikationslehre, wie z. B. der Biologie, an. Es wird eine Grundgesamtheit gewählt und alle beobachtbaren Phänomene dieser Menge werden beobachtet, vgl. hierzu z. B. Oeser, E.: System, Klassifikation, Evolution, 2. Aufl., Wien 1996.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
169
aus Beschreibungen von konkreten Veränderungsprojekten aus der Literatur gewonnen. Daran anschließend werden die Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle aus der Literatur untersucht und die entsprechenden Beschreibungsparameter identifiziert. Bei diesem Vorgehen werden bewusst Doppelnennungen zugelassen, denn so können aus den drei entstehenden Listen verschiedene Schlussfolgerungen gezogen werden: x Die Identifikation von Gemeinsamkeiten und Differenzen, die sich in den drei Untersuchungsbereichen, Interviews, Fallstudien, Methoden ergeben, ermöglicht eine Analyse der relevanten Parameter für die in einem späteren Kapitel zu ermittelnden Standardaktivitäten.380 x Die Integration zu einer umfangreichen Gesamtliste aus den Beschreibungsparametern für BE-Projekte ermöglicht erstens eine Ableitung der Klassenobjekte und lässt zweitens aufgrund der Häufigkeit der Nennungen von Beschreibungsparametern ebenfalls einen Rückschluss auf die Standardaktivitäten zu.
Nachfolgend werden also zunächst die Beschreibungsparameter für die BE-Projekte im Rahmen von zwei Untersuchungsgegenständen (Interviews und Fallstudien) ermittelt. Im nächsten Kapitel wird der Analyseschritt für die Beschreibungsparameter der Aktivitäten aus den Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen durchgeführt. Im dritten Schritt erfolgt die Integration aller Listen zu einer gemeinsamen, redundanzfreien „Datenbasis“, in der die einzelnen Beschreibungsparameter kurz erläutert werden. Die Systematik, mit der die Beschreibungsparameter erhoben und gleichzeitig bereits „vorsortiert“ werden, folgt dem klassischen Ablauf der „Informationslogistik“. Auf die hier im Mittelpunkt stehende Beschreibung eines Veränderungsprojekts übertragen, kann man also zwei entsprechende Datenphasen identifizieren: Die erste Phase ist die Erhebung, Dokumentation sowie Analyse des Inputs, und die zweite Phase ist die Festlegung und Entwicklung des Outputs. Das bedeutet, dass die erste Sortierung der Beschreibungsparameter bei ihrer Ermittlung durch die Zuordnung zu den zwei Datenphasen eines Veränderungsprojekts mit ihren entsprechenden Tätigkeiten erfolgt, was wiederum die Grundlage für die Definition der entsprechenden Aktivitäten darstellt. Für den vorliegenden Fall werden die Phasen dementsprechend wie folgt zusammengefasst:381 x
Input - Ermittlung/Dokumentation/Analyse/Diskussion
Zunächst sind die Ausprägungen der Beschreibungsparameter zu ermitteln. Für die systematische Erfassung und Vorbereitung des Analyseschritts sind die Ausprägungen anschließend möglichst standardisiert zu beschreiben bzw. zu dokumentieren. Schließlich müssen die Ausprägungen analysiert und im Team diskutiert werden. 380
381
An dieser Stelle ist einzuschränken, dass die Nachteile und Caveats von Beobachtungen zum Tragen kommen: Die Nicht-Nennung von Parametern in Interviews oder konkreten Beschreibungen von Veränderungsprojekten heißt nicht automatisch, dass diese Parameter nicht existiert haben. Sie können von z. B. nebengeordneter Bedeutung gewesen sein, so dass sie deshalb nicht genannt worden sind. Ebenso können Parameter in Methoden nicht berücksichtigt werden, weil sie die Zielsetzung der Methode nicht unterstützen. Diesem Mangel kann man begegnen, indem nach festgelegten Kriterien möglichst viele und unterschiedliche Modelle untersucht werden. Hierzu ist anzumerken, dass die angeführten Tätigkeiten der Inputphase nicht als weitere „Gefäße“ für eine Sortierung verwendet werden können, weil die Datensammlungsphase mit einem „Datenlebenszyklus“ vergleichbar ist, in dem jedes Datum erhoben werden muss, bevor es analysiert werden kann. Aus diesem Grund gelten die Tätigkeiten für jede der in diese Phase zugeordneten Parameter.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
170
x
Output - Schlussfolgerung/Definition
Die Ergebnisse bzw. Auswertungen des Analyseschritts und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen dienen in dieser Phase als Grundlage für die Definition der gewünschten Ausprägungen. In dieser Phase können durchaus wieder neue Beschreibungsparameter identifiziert werden, die vorher, z. B. im Erhebungsschritt, noch nicht explizit genannt wurden. Damit ergibt sich für die Beschreibung eines Veränderungsprojekts ein zyklisches Vorgehen, dass sich in der Sortierung der Beschreibungsparameter, die nachfolgend relevant ist, zwar nicht niederschlägt, aber bei der Umsetzung dann von nicht zu vernachlässigender Bedeutung ist, weil die Definition eines neuen Parameters das Durchlaufen der Phasen erneut anstößt. 4.2.4.1.1
Identifikation der Beschreibungsparameter für BE-Projekte
Das erste Analyseobjekt für die Beschreibungsparameter sind die BE-Projekte, die im Rahmen von strukturierten, aber offenen Interviews erhoben und analysiert wurden. Die Datenbasis besteht aus 52 Unternehmen, von denen 30 im kalifornischen Silicon Valley bzw. der San Francisco Bay Area angesiedelt sind und 22 in der Schweiz, Österreich und Deutschland. In Tabelle 5 sind die Charakteristika der untersuchten Unternehmen mit der Verteilung auf die verschiedenen Branchen, dem Zeitraum ihres Bestehens, der Anzahl der Mitarbeiter sowie dem jährlichen Umsatz abgebildet. In den Unternehmen wurde eine reine Breitenuntersuchung durchgeführt mit einem bis zwei strukturierten, problemzentrierten Interviews pro Unternehmen. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen konnten 43 Beschreibungsparameter ermittelt werden. Dabei wurde im Verlauf des Interviews darauf geachtet, dass die Beschreibungsparameter von den Interviewpartnern genannt wurden und keine Beeinflussung durch die Interviewerin stattfand, z. B. durch Nachfragen, ob ein bestimmter Parameter nicht auch relevant wäre. Damit ist, gemessen an der Anzahl der untersuchten Unternehmen, keine sehr große Anzahl an Beschreibungsparametern ermittelt worden, aber dafür kann bei den genannten Parametern eine gewisse Relevanz unterstellt werden. Die Zielsetzung der durchgeführten Studie war es, die beiden unterschiedlichen geographischen und kulturellen Regionen auf Ähnlichkeiten und Unterschiede bei der Definition und Durchführung von Veränderungsprojekten zu untersuchen. Aus den Ergebnissen gehen dann einerseits Beschreibungsparameter hervor, die breit abgestützt und nicht allein Regionen-spezifisch anwendbar sind. Andererseits ist es im Rahmen weiterführender Analysen z. B. möglich, aus der Verteilung der Antworten auf die verschiedenen Beschreibungsparameter Schlussfolgerungen zu ziehen, inwieweit gegebenenfalls feststellbare Unterschiede auf den Kontext und die Kultur zurückzuführen sind.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Silicon Valley/ Bay Area
Schweiz/Österreich/ Deutschland
1
5
171
Branche Automotive/Transport Beratung
4
3
Chemische Industrie
3
1
Computerzubehör
1
1
Elektrotechnik & Software
11
3
Engineering/Produktion
2
3
Finanzdienstleistungen
1
5
Handel
1
0
Informationsdienstleistungen/ Ausbildung
4
1
Telekommunikation
2
1
< 10
9
4
10 - 50
16
5
> 50
5
13
Alter (in Jahren)
Mitarbeiter < 1.000
8
8
1.000 - 50.000
14
10
> 50.000 Umsatz (in $M 2002) < 500
8
4
7
5
500 - 5.000
7
6
> 5.000
16
11
Tabelle 5: Struktur der Stichprobe Darüber hinaus ist die Frage zu beantworten, weshalb diese spezifischen Regionen ausgewählt worden sind: Das oben beschriebene Gebiet in Kalifornien ist auf verhältnismäßig kleiner Fläche382 mit einer Vielzahl von Unternehmen besiedelt, die zum einen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) herstellen, auf deren Basis organisationale Veränderungen im Sinne des Business Engineering ausgelöst werden. Zum anderen unterliegen sie auf Grund der eingesetzten IKT und der Dynamik der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung selber wieder organisationalen Veränderungen, oftmals in kurzen zeitlichen Abfolgen. Zudem befinden sich die untersuchten Unternehmen in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen und vereinen viele unterschiedliche Kulturen in ihren Belegschaften. Das führt zu einer großen Bandbreite von Vorgehensweisen innerhalb der organisationalen Veränderung, die eine interessante Analysebasis bietet. Die zweite 382
Allein im so genannten „Silicon Valley“, das sich auf einer Fläche von ungefähr 3385 Quadratkilometern von San Mateo County bis zum Santa Clara County erstreckt, leben ungefähr 2,5 Millionen Menschen und existieren heute noch extrem viele Unternehmen, die sich mit technologie-nahen Themen beschäftigen.
172
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
geographische Region wurde gewählt, weil sie auf der einen Seite den Schwerpunkt des Erfahrungshintergrunds der Verfasserin darstellt und damit Basis für die angestellten Überlegungen ist sowie auf der anderen Seite zusammen mit dem Vereinigten Königreich und Skandinavien die Region mit der höchsten Dynamik an organisationalen Veränderungen sowie Neuentwicklung und Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien repräsentiert.383 Die thematische Bandbreite der untersuchten Projekte lag zwischen Integration von neuen Systemen z. B. für das Supply Chain Management, Management des Human Resource Bereichs, oder einem Kulturwandel durch einen Führungswechsel bis hin zu umfangreichen Integrationsbemühungen von Organisationsstrukturen, Menschen und Informationstechnologien. Diese Breite wurde bewusst gewählt, um die bereits weiter oben diskutierten Typen von Veränderungsprojekten möglichst umfangreich abdecken zu können. Nach der Formulierung der Klassifikationstheorie wurde ein entsprechender Fragebogen (vgl. Anhang) entwickelt, der als Grundlage für die strukturierten Experteninterviews verwendet wurde. Die Interviewpartner, in der Regel Mitglieder der Geschäftsführung der jeweiligen Unternehmen, wurden per Telefon und E-Mail kontaktiert. Die initialen Interviews in Kalifornien wurden durch Professor Homa Bahrami vermittelt. Die Interviews dauerten jeweils eine Stunde und wurden persönlich durchgeführt und schriftlich protokolliert. Die Datenanalyse erfolgte zweistufig: Im ersten Schritt wurden im Rahmen der Analyse der Experteninterviews die genannten Beschreibungsparameter erfasst und entsprechend ihrer Zugehörigkeit zur Input- bzw. Outputphase systematisiert. Im zweiten Schritt erfolgte eine Clusteranalyse, die in Kapitel 4.3.2 erläutert wird. Nachfolgend sind die aus den Ergebnissen identifizierten Beschreibungsparameter für Projekte im Rahmen organisationaler Veränderungen aufgeführt (vgl. Tabelle 6).384 Die zweite Säule für die Erhebung von Beschreibungsparametern ist die Analyse von Fallstudien aus der Literatur. Die Anzahl von Beschreibungen und Analysen von Veränderungsprojekten aus dieser Quelle ist sehr hoch. Damit stellt sich für die vorliegende Arbeit wiederum die Frage, nach welchen Kriterien die in der Literatur dokumentierten Fallstudien ausgewählt werden sollen. Abgeleitet aus der Zielsetzung werden folgende Kriterien zugrunde gelegt: x Die Gesamtheit der ausgewählten Fallstudien soll Veränderungen auf allen Ebenen des Bezugsrahmens widerspiegeln. Das bedeutet, dass nicht jede Fallstudie alle Ebenen abdecken muss, sondern sie können thematisch fokussiert sein. x Die betrachteten Unternehmen sollten aus verschiedenen Branchen kommen und von unterschiedlicher Größe sein. Damit soll die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der Interviews hergestellt werden. x Es wird zwar keine vollständige Beschreibung des Veränderungsvorhabens gefordert, dennoch sollten die Informationen ausreichend sein, um einen validen Rückschluss auf die Art und das Vorgehen zuzulassen. Die mindestens enthaltenen Informationen sollten die folgenden Aspekte umfassen: 383 384
Vgl. o. V.: E-Readiness, in: The Economist, Ausgabe vom 29. April 2004. Die Transkripte der Interviews, Angaben zu den Interviewpartnern und Unternehmen sowie die detaillierten Auswertungen der Interviews werden aus Gründen der Geheimhaltungspflicht nicht veröffentlicht.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
173
x allgemeine Informationen zum Unternehmen und überblickartig dessen Situation im Umfeld, x Zielsetzung des Veränderungsvorhabens, x Bereiche, bei denen angesetzt wurde, und natürlich x Aussagen zu den Charakteristika (Beschreibungsparametern) des Projekts. Beschreibungsparameter aus Interviews Input
Output
Art der Kommunikation
Fähigkeitenprofile
Einfluss durch den Wettbewerb
Führung: Management Commitment und Vorleben
Einfluss durch Stakeholder
Kennzahlen zur Steuerung
Erwartungen der Beteiligten
Kommunikationskanäle
Freiheitsgrade
Maßnahmen bei Abweichungen
Geschäftslogik
Maßnahmen bei Widerständen
Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt)
Meilensteine
Kommunikationsverhalten
Methodeneinsatz
Kundenzufriedenheit
Nutzen
Machtstrukturen
Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern
Marktgröße und –potenzial
Projektergebnis
Mentalität/geistige Haltung
Projektlebenszyklus
Mitarbeiterzufriedenheit
Projektorganisation
Ökonomische Situation
Projektumfang
Prozessorientierung
Projektziele
Technologische Infrastruktur
Prozessarchitektur
Treiber
Qualitative Steuerungsgrößen
Vision und Mission
Qualitätsmaßnahmen
Wertschöpfung
Ressourcenallokation
Widerstände
Rollen Strategieprozess Thema des Veränderungsprojekts Veränderungsprozess
Tabelle 6: Identifikation von Beschreibungsparametern aus den durchgeführten Interviews Damit sind Berichte mit oberflächlicher Darstellung, wie sie etwa in Tages- oder Wochenzeitungen erscheinen, ausgeschlossen. In Tabelle 7 sind die analysierten Fallstudien aufgeführt und kurz beschrieben.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
174
Fallstudie
Kurzbeschreibung
Barnett, W., Carroll, G., Chang, V.: Agilent: Organizational Change (A+B), Graduate School of Business, September 2001, OD-1A
Spin-off
Bartlett, C.A., Glinska, M.: GE's Digital Revolution: Redefining the E in GE, Harvard Business School, 18. August 2003, 9-302-001
Organisationale Veränderung im Rahmen der EBusiness Strategie
Beer, M., Weber, J.: Whitbread Hotel Company, Harvard Business School 5. Februar 2003, 9-403-102
Merger & Acquisition
Bunz, U. K., Maes, J. D.: Learning Excellence: Southwest Airlines' Approach, Managing Service Quality 8 (1998) 3, S. 163169 Cutcher-Gershenfeld, J.: Case study Textron Systems, Fostering Continuous Improvement in a Changing Business Context, MIT Center for Technology, Policy, and Industrial Development 2000, http://web.mit.edu/ctpid/lara/pdfs/textron.pdf (Zugriff: 02.Oktober 2003)
„Maintaining Excellence”
Kontinuierliche Anpassung
de Vries, H.: Challenges of Cultural Change at Future Manufacturer ADL, Christchurch College of Education, o. J.
Kulturelle Veränderung
Ehrhorn, E.: Wenn der Geschäftsführer zum Adlerflug ansetzt, management & training (2002) 11, S. 30-32
Kunden- und Mitarbeiterorientierung
Gabarro, J. J., Graff, S.: Transformation at Ernst & Young, United Kingdom, Harvard Business School 5. Januar 1998, 9-498-049
Umfassende organisationale Veränderung
Jossen, R.: Change Management im Spital: Konzeptionelle Grundlagen, Fallstudie, Handlungsempfehlungen, Diplomarbeit Universität Bern 1999
Organisationale Veränderung
Kanter Moss, R.: Cultural Transformation at Garanti Bank (Turkey), Harvard Business School, 9. Mai 2002, 9-302-117
Kulturelle Veränderung einer Bank
Kotter, J.P., Leahey, J.: Changing the Culture at British Airways, Harvard Business School, 13. September 1993, 9-491-009
Kulturelle Veränderung
Martin, I., Cheung, Y.: Change Management at Mobil Oil Australia, in: Proceedings HICSS 2001, ohne Seitenangabe (CD).
Umfassende organisationale Veränderung
Paper, D. J., Rodger, J. A., Pendharkar, P. C.: A BPR case study at Honeywell, Business Process Management Journal 7 (2001) 2, S. 85-99.
Radikale Veränderung
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Fallstudie
Kurzbeschreibung
Strasser, E.: Service-Level-Management in der IT. Wie man erfolgskritische Leistungen definiert und steuert, erscheint in: Bernhard, M. G., Lewandowski, W., Mann, H. (Hrsg.): Service-Level-Management in der IT, 5. Aufl., Symposion Publishing 2004.
Veränderung im Service-Bereich
175
Tabelle 7: Analysierte Fallstudien Die aus den oben aufgeführten Fallstudien abgeleiteten Beschreibungsparameter sind in Tabelle 8 zusammengestellt. Es haben sich aus 14 untersuchten Fällen 84 Beschreibungsparameter ergeben. Die Auswertung der Daten erfolgte wiederum zweistufig, indem einerseits die identifizierten Beschreibungsparameter auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse entsprechend der beiden Phasen erfasst und systematisiert wurden. Andererseits erfolgte die Analyse zusammen mit den Interviewdaten im Rahmen der Clusteranalyse in Kapitel 4.2.3. Beschreibungsparameter aus Analysen konkreter Veränderungsprojekte Input
Output
Art der Kommunikation
Adressaten der Veränderungsprozesse
Auslöser
Betrachtungszeitraum
Diskontinuitäten
Entwicklungsmodus
Dominante Unternehmenskulturen und Subkulturen
Fähigkeitenprofil
Einbezug von Zufälligkeiten (contigency planning)
Führung: Management Commitment und Vorleben
Einfluss durch den Wettbewerb
Herausforderungen
Einfluss durch Stakeholder
Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)
Entscheidungsprozesse
Kennzahlen zur Steuerung
Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens
Kommunikationskanäle
Erwartungen der Beteiligten
Maßnahmen bei Abweichungen
Freiheitsgrade
Maßnahmen bei Widerständen
Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter
Meilensteine
Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten
Methodeneinsatz
Führung: Kognitive Diversität
Nutzen
Geschäftslogik
Organisatorisches Lernen
Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt)
Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern
Güte der Beziehungen zwischen Akteuren
Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen
Kernkompetenzen
Projektergebnis
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
176
Beschreibungsparameter aus Analysen konkreter Veränderungsprojekte Lenkbarkeiten
Projektlebenszyklus
Struktur der Kommunikationsnetzwerke
Projektorganisation
Zugrunde liegende Intention und Vergleich mit Implementation
Projektumfang Projektziele Prozessarchitektur Qualitative Steuerungsgrößen Qualitätsmaßnahmen Ressourcenallokation Rollen Schlüsselpersonen Sicherstellung der Nachhaltigkeit Spaßfaktor Stil der Initiierung Strategieprozess Szenarien Thema des Veränderungsprojekts Transparenzgrad Veränderungsgeschwindigkeit Veränderungsprozess Vermittlung des Sinns Wissensmanagementprozess
Tabelle 8: Identifikation von Beschreibungsparametern aus konkreten Veränderungsprojekten in der Literatur Die hier gewonnenen Beschreibungsparameter wurden mit den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung von Gassner aus dem Jahr 1999 verglichen, bei dem der Fokus allerdings auf der Mitarbeiterperspektive gelegen hat. Ein großer Teil der Beschreibungsparameter sowohl der Interviews als auch der untersuchten Fallstudien, die diesem Fokus entsprechen, werden durch die Ergebnisse von Gassner bestätigt.385 An diese beiden Schritte anschließend erfolgen im nächsten Kapitel die Analyse der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle sowie die Identifikation der relevanten Beschreibungsparameter.
385
Vgl. Gassner, W.: Implementierung organisatorischer Veränderungen – Eine mitarbeiterorientierte Perspektive, Wiesbaden 1999.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
4.2.4.1.2
177
Identifikation von Beschreibungsparametern der Aktivitäten aus Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen
Es existiert eine große Anzahl von Methoden, die sich in verschiedenen Facetten mit dem Thema Veränderung beschäftigen. Um die zur Verfügung stehende Datenbasis zunächst vorzustrukturieren, sollen die verschiedenen Arten von Veränderungsmethoden kurz systematisiert werden. Bei näherer Betrachtung und Zugrundelegung der Begriffsdefinition aus Kapitel 2 sind nicht alle Untersuchungsobjekte als Methoden zu bezeichnen, sondern es finden sich auch reine Erklärungsmodelle darunter. Aus diesem Grund erfolgt die erste Aufteilung in Veränderungsmethoden im Sinne von Vorgehensmodellen und in Erklärungsmodelle für Veränderung ohne eine definierte Vorgehensweise. Eine weitere Systematisierung kann nach dem thematischen Schwerpunkt erfolgen, der von der jeweiligen Methode bzw. dem Modell in den Vordergrund gestellt wird. Das ist auf der einen Seite eine fachlichsachlich getriebene Sichtweise und auf der anderen Seite eine eher an kulturellen Faktoren orientierte Sichtweise, die in der Regel Führungsaspekte analysiert. Ein weiterer zu beachtender Aspekt liegt darin, dass die untersuchten Methoden und Modelle unterschiedliche Detaillierungsgrade aufweisen. Die Analyse muss sich auf die explizit erwähnten Beschreibungsparameter beschränken, darf sich also nicht auf implizite Details stützen. Aus nahe liegenden Gründen können nicht alle verfügbaren Methoden und Modelle in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden. Deshalb kommen die folgenden Kriterien für die Auswahl zur Anwendung: x Der thematische Fokus soll auf umfangreichen organisationalen Veränderungen liegen, das heißt auf Veränderungsvorhaben, die idealerweise alle Ebenen des Bezugsrahmens erfassen oder mindestens drei der fünf Gestaltungsebenen abdecken. x Die Auswahl der Methoden ist auch aufgrund der expliziten Erwähnung in den Interviews oder Fallstudien erfolgt. x Es werden für die verschiedenen Arten von Veränderungsmethoden 16 Varianten und für die Erklärungsmodelle sieben bekannte Vertreter ausgewählt, um eine breite Abdeckung zu erreichen, aber eine Ausuferung zu vermeiden.
Die Erwartung, dass diese Liste sehr umfangreich sein und die meisten der Parameter aus den vorhergehenden Listen mit einbeziehen würde, hat sich erfüllt. Tatsächlich waren die Fallstudien als Lieferanten für Beschreibungsparameter die ergiebigste Quelle. Das hat seine Gründe vermutlich in der tiefergehenden Analyse eines einzelnen Falls pro Studie, während im Rahmen der Veränderungsmethoden gewisse Aggregationen vorgenommen worden sind. In den Fallstudien gab es Beschreibungsparameter, die z. B. nur einmal genannt worden sind. Diese Parameter bleiben dann in generalisierenden Methoden unberücksichtigt, was der Effizienz entspricht. Insgesamt konnten aus 23 ausgewählten Methoden bzw. Erklärungsmodellen und der erfolgten Dekomposition in Aktivitäten 78 Beschreibungsparameter ermittelt werden. Im Folgenden wird eine Übersicht über die gewählten Quellen gegeben (vgl. Tabelle 9).
178
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Veränderungsmethode/Erklärungsmodell
Kurzbeschreibung
Veränderungsmethoden Fachlich-sachlicher Themenschwerpunkt General Management Navigator Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, 2. Aufl., Stuttgart 2003.
Veränderungsmethode, ausgehend von der strategischen Initiative und bis auf die IKT alle Ebenen des Bezugsrahmens berücksichtigend.
Strategische Architektur und Kernkompetenzen Hamel, G., Prahalad, C. K.: Competing for the Future, Boston 1994.
Veränderungsmethode mit starkem Fokus auf strategische Aspekte und Kernkompetenzen.
Promet Methodenset IMG AG Methodenhandbücher, IMG AG, Fürstenlandstrasse 101, 9014 St. Gallen.
Bündel von Veränderungsmethoden mit Fokus auf Strategie, Prozess, IT und projektorientiertes Change Management, das auch die kulturell-emotionale Veränderung einbezieht, aber hier keinen Schwerpunkt setzt.
Integrated Strategic Transformation Thomas Vollmann: The Transformation Imperative, Boston 1996.
Veränderungsmethode mit Schwerpunkt auf Industriebetriebe, und einer vornehmlich ingenieurgetriebenen Sicht.
Hoshin Kanri Babich, P.: Hoshin Handbook, 2. Aufl., http://www.tqe.com/hoshhdbk.html und Hewlett Packard, Methodenhandbuch, Palo Alto 2003.
Nicht so bekannte Veränderungsmethode; wird bei der Hewlett Packard Corp. und der AMD Corp. eingesetzt. Der thematische Fokus liegt auf der Strategie und dem Planungsprozess.
Total Quality Management Oakland, J. S.: Total Quality Management - The route to improving performance, 2. Aufl. Oxford et al. 1993.
Ein umfassendes Vorgehensmodell aus der Qualitätsphilosophie, das auch kulturelle Aspekte sowie die Herausforderungen der Führung berücksichtigt, hier aber keinen Schwerpunkt setzt.
Deming Quality Cycle Deming, W. E.: Out of the Crisis: Quality, Productivity and Competitive Position, Cambridge Mass. 1986.
Ein sachlich-fachlich getriebenes Vorgehensmodell aus der Qualitätsphilosophie.
Dreistufiger Leistungssteigerungsprozess nach Rummler/Brache Rummler, G. A., Brache, A. P.: Improving Performance - How to manage the white space on the organization chart, 2. Aufl., San Francisco 1995. Six Sigma Pande, P. S. et al.: The Six Sigma Way, New York et al. 2000.
Veränderungsmethode mit Fokus auf Organisationsstrukturen, Prozessentwurf und die Mitarbeiterleistung; kulturelle und emotionale Faktoren sowie die IKT spielen eine nur b d ll Veränderungsmethode für das Qualitätsmanagement, Entwicklungsfokus auf ingenieurtechnische Abläufe, aber mit Berücksichtigung von Führungsprozessen.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Veränderungsmethode/Erklärungsmodell
179
Kurzbeschreibung
Veränderungsmethoden Fachlich-sachlicher Themenschwerpunkt Enterprise Development Framework Friedman, L., Gyr, H.: The Dynamic Enterprise, San Francisco 1998.
Veränderungsmethode, die bis auf die IKT alle Ebenen des Bezugsrahmens umfassend abdeckt.
Auf Kultur und Führung ausgerichteter Themenschwerpunkt Change Management Methode Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management – Den Unternehmenswandel gestalten, 10. Auflage, Frankfurt a. M., New York 2002.
Veränderungsmethode mit Schwerpunkt auf Faktoren der Führung und der kulturellen Veränderung.
Accelerated Change Management CSC Ploenzke (Schweiz) AG: Handbuch Accelerated Change Management, 1997.
Veränderungsmethode für die strategische Ebene mit starkem Fokus auf der kulturellen Veränderung, dem Menschen und der Führung.
CBAM: Concerns Based Adoption Model Hall, G. E., Hord, S. M.: Implementing Change: Patterns, Principles and Potholes, Boston et al. 2001.
Veränderungsmethode mit starkem Fokus auf Verhaltensaspekte.
Fundamentaler Veränderungsprozess nach Beckhard/Pritchard Beckhard, R., Pritchard, W.: Changing the Essence: The Art of Creating and Leading Fundamental Change in Organizations, San Francisco 1992.
Umfassende Veränderungsmethode, aber mit einem thematischen Fokus auf fundamentalen Wandel und Führung.
Leading Change: Eight Stage Process Kotter, J. P.: Leading Change, Boston 1996.
Veränderungsmethode mit speziellem Fokus auf Verhalten und Führung.
The Transformational Leader Tichy, N. M., Devanna, M. A.: The Transformational Leader, New York et al. 1990.
Veränderungsmethode mit klarem Fokus auf Motivations- und Führungsaspekte.
Erklärungsmodelle Fachlich-sachlicher Themenschwerpunkt McKinsey 7-S Framework und die acht Attribute innovativer Unternehmen Peters, T., Waterman, R. H.: In Search of Excellence, New York 1982.
Erklärungsmodell mit Fokus auf die Positionierung und interne Faktoren; eine Zusammenstellung relevanter Faktoren für erfolgreiche Veränderung durch Innovation.
180
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Veränderungsmethode/Erklärungsmodell
Kurzbeschreibung
Erklärungsmodelle Fachlich-sachlicher Themenschwerpunkt Reengineering nach Cross/Feather/Lynch Cross, K.F., Feather, J.J., Lynch, R.L.: Corporate Renaissance: The Art of Reengineering, Cambridge Mass. 1994.
Umfangreiches Erklärungsmodell mit Fokus auf die Prozessperspektive, das schon sehr nahe an einer Veränderungsmethode ist.
„Corporate Olympics“ Kanter, R. M.: The Change Masters, New York et al. 1983 und Kanter, R. M.: When Giants learn to dance, New York et al. 1989.
Umfassende Betrachtung von Veränderungsprozessen mit Fokus auf Wertschöpfung und Führung; kein Fokus auf das Thema Projekt.
Auf Kultur und Führung ausgerichteter Themenschwerpunkt Burke-Litwin Causal Model Burke, W. Warner: Organization Change - Theory and Practice, Thousand Oaks et al. 2002.
Erklärungsmodell mit Fokus auf organisatorische Faktoren: Verhaltensaspekte und Leistung; wenig Bezug zu IKT.
Erklärungsmodelle (auf Kultur und Führung ausgerichteter Themenschwerpunkt) The Dance of Change Senge, P., Kleiner, A., Roberts, C., Ross, R., Roth, G., Smith, B.: The Dance of Change, London 1999. Unternehmerischer Veränderungsprozess nach Hinterhuber/Popp Hinterhuber, H. H., Popp, W.: Der Beitrag der strategischen Führung zu unternehmerischen änderungsprozessen, in: Gomez et al. (Hrsg.): ternehmerischer Wandel, Wiesbaden 1994.
Erklärungsmodell anhand von „Herausforderungen“ mit Fokus auf Führung und kulturellen Faktoren in Verbindung mit strategischen, „harten“ Faktoren und der Idee der l d O i i
Erklärungsmodell für die Betrachtung von Veränderungsprozessen mit Fokus auf die Führung und das Verhalten.
Organisationaler Wandel aus konstruktivistischer Sicht Rüegg-Stürm, J.: Organisation und organisationaler Wandel, Wiesbaden 2001.
Betrachtung von Veränderungsprozessen mit explizitem Fokus auf kulturell-emotionale Aspekte aus Sicht des Konstruktivismus.
Tabelle 9: Analysierte Veränderungsmethoden bzw. Erklärungsmodelle
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
181
Die aus den zuvor aufgeführten Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen erarbeiteten Beschreibungsparameter sind in Tabelle 10 zusammengestellt. Beschreibungsparameter aus den Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen Input
Output
Art der Kommunikation
Adressaten der Veränderungsprozesse
Auslöser
Betrachtungszeitraum
Diskontinuitäten
Entwicklungsmodus
Dominante Unternehmenskultur und Subkulturen
Fähigkeitenprofil
Einbezug von Zufälligkeiten (contigency planning)
Führung: Management Commitment und Vorleben
Einfluss durch den Wettbewerb
Herausforderungen
Einfluss durch Stakeholder
Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)
Entscheidungsprozesse
Kennzahlen zur Steuerung
Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens
Kommunikationskanäle
Erwartungen der Beteiligten
Maßnahmen bei Widerständen
Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter
Meilensteine
Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten
Methodeneinsatz
Führung: Kognitive Diversität
Nutzen
Geschäftslogik
Organisatorisches Lernen
Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt)
Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern
Kernkompetenzen
Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen
Kommunikationsverhalten
Projektergebnis
Konsequenzen
Projektorganisation
Kundenzufriedenheit
Projektumfang
Lebenszyklusphase des Unternehmens
Projektziele
Machtstrukturen
Prozessarchitektur
Managementsystem
Qualitative Steuerungsgrößen
Marktgröße und –potenzial
Qualitätsmaßnahmen
Mentalität/geistige Haltung
Ressourcenallokation
Milieu
Rollen
Mitarbeiterzufriedenheit
Schlüsselpersonen
Ökonomische Situation
Sicherstellung der Nachhaltigkeit
Organisationsarchitektur und Organisationsstrukturen
Spaßfaktor
Produktsicht (Output)
Stil der Initiierung
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
182
Beschreibungsparameter aus den Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen Input
Output
Prozessorientierung
Strategieprozess
Stabilisierende Faktoren
Thema des Veränderungsprojekts
Struktur der Gruppenprozesse
Maßnahmen bei Abweichungen
Technologische Infrastruktur
Transparenzgrad
Treiber
Veränderungsgeschwindigkeit
Umfeldfaktoren
Veränderungsprozess
Vision und Mission
Vermittlung des Sinns
Wertschöpfung
Vernetzungsgrad
Widerstände
Wirkungsradius
Wirklichkeitskonstruktion
Wissensmanagementprozess
Wirklichkeitsordnung
Tabelle 10: Identifikation von Beschreibungsparametern aus Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen
4.2.4.2Integration der identifizierten Beschreibungsparameter Im nächsten Schritt ist die integrierte und an einigen Stellen aufgrund von thematischen Überschneidungen innerhalb eines Untersuchungsgebietes bereits konsolidierte Liste der Beschreibungsparameter zu erzeugen. Diese sind kurz zu erläutern, für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Parametern sei aber auf die referenzierte Literatur verwiesen. Die sachlichen Ordnungskriterien, nach denen sich die Beschreibungsparameter ordnen, sind wie bereits zuvor die beiden Phasen „Input“ und „Output“, innerhalb derer die Aufzählung alphabetisch sortiert ist. 4.2.4.2.1
Beschreibungsparameter für die Phase „Input“
Die nachfolgend erläuterten Parameter sind bei der Projektbeschreibung der Phase „Input“ zuzuordnen. x
Art der Kommunikation: In den einzelnen Phasen des Veränderungsprojekts sind verschiedene (formale) Arten der Kommunikation (z. B. persönliche Kommunikation, schriftliche und virtuelle Kommunikation386, interne und externe Kommunikation) mehr oder weniger geeignet.387 Hier sollte eine Planung existieren, die die Art der Kommunikation während der planmäßigen Phasen des Projekts sowie im Vor- und Nachgang und bei ungeplanten Vorfällen festlegt. Eine Ergänzung zu diesem Beschreibungsparameter ist das „Kommunikationsverhalten“, das weiter unten definiert wird.
x
Art der Entscheidungsprozesse: Die Art, wie Entscheidungen getroffen werden, definiert das Vorgehen bei der Entscheidungsfindung und steht in unmittelbarer Wech-
386 387
Mit virtueller Kommunikation ist jegliche Kommunikation über elektronische Medien gemeint. Vgl. Burke, W. W.: Organization Change, Thousand Oaks et al. 2002, S. 257-258, Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 305-334.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
183
selwirkung mit der vorzufindenden Organisationsstruktur und kulturellen Ausprägungen, wie z. B. der Übernahme von Verantwortung und der Konfliktkultur. Darüber hinaus beeinflusst es die Art und Weise, wie das Vorhaben abläuft: unter Einbezug einer breiteren Mitarbeiterbasis oder eher exklusiv in einer kleinen Gruppe (vgl. dazu auch den Beschreibungsparameter „Güte der Beziehungen zwischen Akteuren“). Die zwei Hauptausprägungen, die für einen ersten Analyseschritt unterschieden werden können, sind „patriarchalisch“ und „demokratisch“.388 Darüber hinaus müssen die Überlegungen der Vertragstheorie einbezogen werden, nach denen Entscheidungsprozesse auf der Basis der individuellen Nutzenüberlegung ablaufen und davon abhängen, wie z. B. die „Unternehmensverfassung“ ausgestaltet ist und gelebt wird. Damit ist dieser Beschreibungsparameter elementar für die Analyse der anzusetzenden „Veränderungshebel“.389 x
Auslöser: Für die Definition des Veränderungsprojekts ist es wichtig, durch welche Faktoren die Veränderung ausgelöst worden ist. So können bestimmte Einflussfaktoren und Seiteneffekte bestimmt werden.390 Darüber hinaus gehört dazu die Präzisierung des „Leidensdrucks“, warum eine Veränderung erforderlich wird. Damit wird die Aufmerksamkeit der Beteiligten geweckt und die Kommunikation des Nutzens und des Sinns wird unterstützt.391
x
Diskontinuitäten: Im Sinne eines „strategischen Radars“ ist die Ermittlung der Faktoren von Bedeutung, die als mögliche Auslöser für grundlegende Veränderungen auf bereits geplante Veränderungsmaßnahmen Einfluss nehmen können. Diskontinuitäten sind dabei, anders als die nachfolgend erläuterten Zufälligkeiten, diejenigen Veränderungen, die zu radikal anderen Verhaltens- und Vorgehensweisen führen.392
x
Dominante Unternehmenskultur und beobachtbare Subkulturen: Die dominante Unternehmenskultur sowie die existierenden Subkulturen sind einer der zentralen Einflussfaktoren auf ein Veränderungsprojekt und die Wirksamkeit von Methoden und Instrumenten. Wenn auch eine Ermittlung nur schwierig zu objektivieren ist, existiert doch innerhalb der verschiedenen Denkschulen eine Vielzahl von Methoden und Instrumenten zu ihrer Analyse und Dokumentation.393 Unter diesem Beschreibungsparameter werden auch die oftmals getrennt bzw. spezifisch als wichtig hervorgehobenen Faktoren „Diskussionskultur“, „Konfliktfähigkeit“ sowie „Existenz eines Gemeinschaftsgefühls“ subsumiert. Insbesondere Doppler und Lauterburg betonen,
388 389 390 391 392
393
Vgl. z. B. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 113. Vgl. dazu z. B. Milgrom, P., Roberts, J.: Economics, Organization and Management, Englewood Cliffs 1992, S. 273-277; Wolff, B.: Organisation durch Verträge, S. 122-132. Vgl. dazu auch die Überlegungen in Kapitel 3. Vgl. dazu z. B. Kotter, J. P.: Leading Change, S. 42-45. Vgl. Hamel, G., Prahalad, C. K.: Competing for the Future, Boston 1994, S. 29-52; Hamel, G.: Leading the Revolution, New York 2002, S. 126-131; Pascale, R. T. et al.: Chaos ist die Regel, München 2002, S. 17 und 190-191. Vgl. z. B. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 389-407; Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 73-77; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 107-151; Schäfer, M.: Integrationscontrolling – Bausteine zur Beobachtung der Integration von Akquisitionen, Dissertation St. Gallen 2001, S. 167-178; Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, S. 145-207; Kanter, R. M. et al.: The Challenge of Organizational Change, New York et al. 1992, S. 211-247.
184
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
dass diese Charakteristika Bestandteil der Unternehmenskultur sein sollten, damit ein Veränderungsprojekt erfolgreich sein kann.394 x
Einbezug von Zufälligkeiten (contingency planning): Als ein Bestandteil der Risikoanalyse des geplanten Veränderungsvorhabens sind solche Ereignisse einzubeziehen, die als nicht vorgängig absehbare und damit nicht geplanten Einflussfaktoren auf das Projekt einwirken können. Dazu sind zusätzlich Maßnahmen zu planen, wie mit diesen „Zufälligkeiten“ umzugehen ist.395
x
Einfluss durch den Wettbewerb: Die Analyse des Einflusses durch den Wettbewerb auf das Unternehmen und die Struktur, in die das Veränderungsprojekt eingebettet ist, ist ein wesentlicher Baustein für die Abschätzung der Konsequenzen externer Faktoren auf den Erfolg des Vorhabens. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, die Produktsicht einzunehmen und zu analysieren, wie hoch die Eintritts- bzw. „Kopier“-Barriere für den Wettbewerb ist und ob z. B. das „Thema des Veränderungsprojekts“ nicht bereits heute zu kurz greift oder der „Auslöser“ der Veränderung nicht ein eher schädlicher „Me-too-Ansatz“ ist.396
x
Einfluss durch Stakeholder: Die Stakeholder können ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen bzw. Restriktionen ausüben, mit denen das Projekt konfrontiert ist. Deshalb ist eine Analyse der möglichen Einflussnahme und Konsequenzen erforderlich. Aufgrund der Bedeutung der beiden Stakeholdergruppen „Kunden“ und „Mitarbeiter“ werden sie noch einmal getrennt betrachtet.
x
Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens: Hier sind insbesondere die Aspekte zu berücksichtigen, die alle Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens betreffen, d. h. nicht nur des Projekts, sondern des gesamten Vorhabens und seiner Schnittstellen. Eine Analyse und Dokumentation führt, wie bereits auch bei anderen Parametern, zu einem besseren Verständnis zum einen der Konsequenzen des Vorhabens und zum anderen der einzusetzenden Methoden und Instrumente. Bevorzugt zu erheben sind die kritischen Erfolgsfaktoren397; zweitrangig sind aber auch solche Erfolgfaktoren in die Überlegungen einzubeziehen, die zwar nicht unmittelbar als kritisch einzustufen sind, aber als relevant für Bereich bzw. Projekt gelten.
x
Erwartungen der Beteiligten: Die Erwartungen der an dem Veränderungsprozess beteiligten Mitarbeiter, Partner und weiteren Stakeholder sind ein grundlegender Einflussfaktor für die Implementierung der Veränderung. Eine Erhebung und Dokumentation der Erwartungen ist deshalb eine wichtige Ergänzung der Vorbereitungen. Die verschiedenen Aspekte von Erwartungen definieren sich aus dem fachlichen (z. B. Veränderung der Aufgaben), organisatorischen (z. B. Veränderung der Position in der
394 395 396
397
Vgl. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 124 und 405-407. Vgl. z. B. Burke, W. W.: Organization Change, S. 162-163, Luhmann, N.: Soziale Systeme, S. 47. So hat eine Interviewpartnerin bei einem Hersteller von Computerperipherie im Silicon Valley geäußert, dass ihr Unternehmen nach eingehender Analyse explizit nicht mit Neuproduktentwicklungsinitiativen auf die Bluetooth-Offensive eines Konkurrenten reagiert hatte, was sich im Nachhinein auch als sinnvoll erwiesen hat. Vgl. hierzu ausführlich, Rockart, J. F.: Chief Executives Define Their Own Data Need, in: Harvard Business Review, March-April 1979, S. 79-92 und zu dem verwandten Begriff „Strategische Erfolgspositionen“, Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen – Methodik der dynamischen strategischen Unternehmensführung, Bern et al. 1992. Müller-Stewens und Lechner sprechen in diesem Zusammenhang auch von Erfolgspotenzialen: Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 22.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
185
Hierarchie oder der Führung) und sozialen (z. B. Veränderung des Teams, des Einsatzortes mit der Konsequenz eines möglichen Umzugs) Umfeld der einzelnen Personen. x
Freiheitsgrade: Der Kontext eines Projekts bestimmt die Restriktionen (vgl. auch den Parameter „Definition der Herausforderungen“), denen das Projekt mit seinen Ausprägungen unterliegt. Gleichzeitig gibt es aber auch Freiheitsgrade, also Gestaltungsspielräume, die es zu identifizieren und dokumentieren gilt. Sie sind ein wichtiger Bestandteil für die Flexibilität des Projekts und damit der angestrebten Zielerreichung.
x
Führung: Aktivität und Commitment durch Mitarbeiter: Das Engagement der Mitarbeiter, bei der Veränderung aktiv mitzuwirken, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Hier spielt die Zuordnung der Entscheidungs- und Handlungsrechte bzw. die Ergänzung der Steuerung durch entsprechende Motivations- und ControllingMechanismen, wie sie im Rahmen der begrifflichen Diskussion in Kapitel 3 diskutiert wurde, eine entscheidende Rolle.398 Die Einschätzung bezüglich dieses Aspekts unterstützt die Steuerung des Veränderungsprojekts und deckt mögliche Problemfelder auf.399
x
Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten: Die Selbstevaluation des eigenen Fähigkeitenprofils unterstützt die Mitglieder des verantwortlichen Führungsbereichs bei der Abschätzung von Chancen und Risiken für das Projekt.400 Darüber hinaus ist der Vergleich zwischen den eigenen Fähigkeiten und den im Projekt geforderten Fähigkeiten einerseits eine Anregung für die persönliche Weiterentwicklung und andererseits ein Einflussfaktor auf die Akzeptanz der Maßnahmen bei den Mitarbeitern.
x
Führung: Kognitive Diversität: Dieser Parameter umfasst zwei Sichtweisen: Zum einen die Unterschiedlichkeit der Perspektiven, die durch unterschiedliche Stakeholder, seien es Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter, in einen Veränderungsprozess eingebracht werden. Zum anderen gehört dazu der Aspekt, dass die Wahrnehmung der Realität bei jedem Menschen verschieden ist. Insbesondere bei Veränderungsprozessen ist die Berücksichtigung der verschiedenen Wahrnehmungen ein Erfolgsfaktor, weil der Prozess durch den Blick auf die Wirklichkeit bestimmt und so der verfügbare Lösungsraum definiert wird. Die Herausforderung für die Führung eines Veränderungsprojekts ist es erstens, die Diversität festzustellen und „greifbar“ zu machen, und zweitens, eine Entscheidung zu treffen, wie viel Diversität in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen zugelassen werden soll, ohne damit die Effizienz zu schwächen.401
x
Geschäftslogik: Die Geschäftslogik bestimmt die grundlegende Logik, nach der die Wertschöpfung des Unternehmen erfolgt. Ein Verständnis dieser Mechanismen ist bedeutsam, damit die Auswirkungen des Veränderungsvorhabens auf die vorherrschende Geschäftslogik einschätzbar sind. Die Analyse kann z. B. anhand der be-
398 399 400 401
Vgl. Kapitel 3 und die dort zitierten Quellen. Vgl. hierzu ausführlich: Senge, P. et al.: The Dance of Change – The Challenges of Sustaining Momentum in Learning Organizations, S. 12-14. Vgl. Hamel, G., Prahalad, C. K.: Competing fort he Future, S. 4-5. Vgl. hierzu z. B. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 92-94 und 570-571.
186
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
schreibenden Faktoren eines Geschäftsmodells erfolgen402 und entsprechend des relevanten Kontexts ergänzt werden. Ein weiterer, ergänzender Weg, die Geschäftslogik zu analysieren, findet sich bei Österle und Blessing.403 x
Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt): Erfolge, die in den unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen „verbucht“ werden konnten, haben einen großen Einfluss auf Verhaltensweisen und die Wahrnehmung der Realität durch die Mitarbeiter. Aus diesem Grund sollte die „Geschichte“ von erfolgreichen Vorhaben und Maßnahmen bei der Planung eines Veränderungsprojekts einbezogen werden.404 Zu untersuchende Aspekte sind z. B. „Art der Materialisierung des Erfolgs“ (materiell oder idealistisch), „Lokalisierung“ (Individuum, Team, Bereich), „Frequenz“ (einmalig oder wiederholt).
x
Güte der Beziehungen zwischen Akteuren: In einem Veränderungsprozess sind Menschen mit unterschiedlichen Rollen und diversem Hintergrund aktiv, so genannte Akteure. Die impliziten Verträge sind ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Beschreibung der Beziehungen zwischen den Akteuren.405 Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf den Erfolg des Vorhabens ist die Güte der Beziehungen, die zwischen den Akteuren besteht. Die Ausprägungen können hier z. B. „indifferent“, „kompetitiv“ oder „feindlich“ sein.406 Darüber hinaus sollten Überlegungen angestellt werden, welche Einflussfaktoren auf die Beziehungen wirken und welche Konsequenzen sich daraus für das Veränderungsprojekt ableiten lassen. Eine Möglichkeit der Unterscheidung wäre z. B., bestimmte Grundannahmen über das Individuum zugrunde zu legen und diese auf ihre Ausprägungen hin zu überprüfen. Diese Überlegungen sollten dann auf die Gruppe, z. B. das Projektteam oder die von der Veränderung betroffene Abteilung, ausgeweitet werden. Grundannahmen über das Individuum und sein „Beziehungsverhalten“ können z. B. sein:407 o Die Verbindung von „Vernunft“ und „Emotion“ führt zur Rationalisierung von „Inkonsistenzen“: Welche emotionalen Aspekte des Veränderungsvorhabens, z. B. Ablehnung neuer Arbeitsprozesse, werden rationalisiert? o Es ist wichtig, dass das Individuum über Erklärungsmuster und „Theorien“ verfügt: Welche Erklärungsmuster und „lokalen Theorien“408 werden aufgebaut oder existieren bereits für die Phänomene der Veränderung? Wie kann hier eine Einflussnahme im positiven Sinn erfolgen?
402 403 404
405 406
407 408
Vgl. Alt, R., Zimmermann, H.-D.: Business Models, in: Electronic Markets, 11 (2001) 1, S. 1-7. Vgl. Österle, H., Blessing, D.: Business Engineering Modell in: Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, S. 71. Vgl. hier z. B. auch die Ergebnisse der Untersuchung von Gassner, der diesen Parameter treffend mit „Respekt vor der Vergangenheit“ bezeichnet; Gassner, W.: Implementierung organisatorischer Veränderungen – Eine mitarbeiterorientierte Perspektive, S. 189-190. Vgl. Wolff, B.: Organisation durch Verträge, S. 34-37 und 133-137. Vgl. Scharpf, F. W.: Coordination in Hierarchies and Networks, in: Scharpf, F. W. (Hrsg.): Games in Hierarchies and Networks. Analytical and Empirical Approaches to the Study of Governance Institutions. Frankfurt a. M. 1993, S. 125-165, hier S. 152. Vgl. hier und im Folgenden z. B. Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology. Vgl. hierzu auch Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 363; bei der Betrachtung des Individuums ist es dann sogar eine „individuelle lokale Theorie“.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
187
o Eine Zuweisung von – in der Regel – Misserfolgen geschieht oftmals personenbezogen und nicht situationsbezogen: Ist dieser Fall eingetreten und ist die Zuweisung korrekt? o Die Veränderung von Einstellungen muss nicht unbedingt vor der Veränderung von Verhaltensweisen erfolgen; es kann auch der umgekehrte Fall gültig sein: Eine (erzwungene) Verhaltensänderung führt zu einer Veränderung der Einstellung, die das Verhalten dann akzeptabel macht. Durch welche Impulse sollen die Verhaltens- und Einstellungsänderungen ausgelöst werden und in welcher Reihenfolge?
Grundannahmen über die Gruppe und ihr „Beziehungsverhalten“ können dementsprechend z. B. wie folgt aussehen: o Gruppen disziplinieren, formen und verändern das Verhalten von Individuen: Welche Verhaltensänderungen können beobachtet werden und welche Konsequenzen hat das für das Veränderungsprojekt? o Das Individuum bringt der Gruppe oftmals eine größere Loyalität entgegen als der Organisation als Ganzes: Gibt es Anzeichen für dieses Verhalten, welche Ausprägungen sind beobachtbar und wie kann das positiv für das Projekt genutzt werden? o Die verschiedenen Gruppen im Unternehmen und ihre Interaktion bestimmen die Entscheidungsprozesse oftmals maßgeblich: Welche Ausprägungen sind beobachtbar, welche Konsequenzen haben sie und welche Maßnahmen sind angemessen, um das Potenzial dieser Prozesse positiv zu nutzen? o Gruppen und ihre Dynamik haben einen Einfluss auf die Effektivität und Effizienz im Unternehmen:409 Wie kann diese Dynamik für das Veränderungsvorhaben genutzt werden, welche Strukturen sind dafür erforderlich? x
Kernkompetenzen: Hamel und Prahalad definieren Kernkompetenzen als diejenigen kombinierten Fähigkeiten, die als Summe über das gesamte Unternehmen bestehen. Durch sie kann das Unternehmen außergewöhnliche Leistungen erbringen.410 Die im Unternehmen vorhandenen Kernkompetenzen sollten bekannt sein und im Rahmen des Veränderungsvorhabens berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollte eine Analyse erfolgen, welche neuen Kernkompetenzen möglicherweise entwickelt werden müssen, um die Zielsetzungen des Projekts umsetzen zu können.
x
Kommunikationsverhalten: Das persönliche Verhalten bei der Kommunikation ist ein Faktor, der sich auch durch die Wahl der Kommunikationskanäle und die (formale) Art der Kommunikation ausdrückt (s. auch diesen Beschreibungsparameter). Das Kommunikationsverhalten ist z. B. durch die Ausprägungen aggressiv, zurückhaltend, abwartend, symbolisch, direkt, sachlich, emotional, konstruktiv, destruktiv charakterisiert.411 Das Kommunikationsverhalten ist im Rahmen eines Veränderungsprojekts ein
409 410 411
In der Automobilindustrie wurde das z. B. durch die Einführung von Gruppenarbeitsprozessen in der Fertigung belegt. Vgl. ausführlich Hamel, G., Prahalad, C. K.: Competing for the Future, S. 223-259. Vgl. z. B. von Rosenstiel, L.: Grundlagen der Organisationspsychologie, 4. Aufl., Stuttgart 2000, S. 284-299.
188
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
wichtiger Faktor, weil dadurch z. B. Sicherheit geschaffen und Unsicherheit vermieden werden kann. x
Konsequenzen (Einbezug der Nullalternative): Dieser Parameter beschreibt die Analyse und Dokumentation der Konsequenzen, die das Projekt auf die gesamte Organisation hat. Dazu gehören auch die Analyse von Seiteneffekten und der Einbezug der Nullalternative. Das Vorgehen sollte dabei im Sinne des vernetzten Denkens412 oder in einer vergleichbaren Weise angelegt sein, um alle Effekte einbeziehen zu können.
x
Kundenzufriedenheit: Der Einbezug dieses Parameters in die Überlegungen zum Veränderungsprojekt stellt sicher, dass die Kundenperspektive nicht verloren geht. Je nach Zielsetzung der Veränderung muss dieser Parameter höher gewichtet, also detaillierter untersucht werden.
x
Lebenszyklusphase des Unternehmens: Jede Lebenszyklusphase eines Unternehmens weist besondere Charakteristika auf,413 die z. B. Erfolg und Misserfolg von Maßnahmen im Rahmen von Veränderungen erheblich bestimmen. Es gibt eine Vielzahl von Einteilungen, die anwendbar sind: es können z. B. die Phasen „Start-Up“, „Transitionsphase zum etablierten Unternehmen“ und „Etablierung“ Anwendung finden. Dieser Parameter ist eng mit den „Kontextfaktoren“ verbunden.
x
Lenkbarkeiten: Im Rahmen des vernetzten Denkens findet sich als ein Postulat die Identifikation und Analyse derjenigen Faktoren, die beeinflussbar, also lenkbar sind.414 Die Ermittlung der Lenkbarkeiten ist für Veränderungsprojekte von Bedeutung, damit Klarheit darüber besteht, welche Faktoren aktiv gesteuert werden können und bei welchen Faktoren keine Möglichkeit der Beeinflussung besteht.
x
Machtstrukturen: Die Machtstrukturen bilden die Machtzentren und Beziehungsnetzwerke im Unternehmen ab. Veränderungsmaßnahmen können an den Machtstrukturen und am „Anti-Lobbyismus“ scheitern, obwohl sie fachlich gut gestaltet sind, wenn die Konstellationen von Macht, Meinungen und spezifischen Zielsetzungen (individuelle oder auch kollektive) unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus gehört zu diesem Beschreibungsparameter die Berücksichtigung von so genannten „hidden agendas“, also nicht-kommunizierten und in der Regel persönlichen Zielsetzungen, die nicht im Einklang mit den Projektzielen stehen. Im schlechtesten Fall wirken Sie den Projektzielen sogar entgegen und stellen damit den Erfolg eines Veränderungsvorhabens in Frage, ohne dass eine vordergründige Erklärung möglich ist.415 In Ergänzung zu den genannten Punkten sollten noch die potenziellen Beeinflussungsmöglichkeiten, die sich aufgrund von Machtstrukturen ergeben, Erwähnung finden.
412
413 414 415
Vgl. z. B. Gomez, P., Probst, G. J. B.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, 3. Aufl., Bern 1999, S. 40-49 oder Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken: Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität, hier insb. S. 157-233. Vgl. stellvertretend für viele Bahrami, H., Evans, S.: Emerging Organizational Regimes in High Technology Firms: The Bi-Modal Form, in: Human Resource Management, 28 (1989) 1, S. 25-50. Vgl. Gomez, P., Probst, G. J. B.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, S. 116-125 und Kapitel 2. In einem Interview, das beispielhaft für viele steht, mit einem Mitglied der Geschäftsleitung eines Telekomzulieferunternehmens im Silicon Valley wurde ein fehlgeschlagenes Veränderungsvorhaben mit den „hidden agendas“ einiger Geschäftsführungsmitglieder, der resultierenden Beharrung auf Standpunkten und der dadurch entstehenden Lähmung des Veränderungsprozesses begründet.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
189
Hierzu zählt z. B. die Beeinflussung durch Autorität, Druck, Erpressung und manipulative Modelle oder durch eine kollaborative Vorgehensweise, die durch Unterstützung, die Übernahme von Eigenverantwortung und Vertrauen geprägt ist. Die beiden zuletzt genannten Verhaltensmuster fundieren aber eher in der Person und nicht in intakten Machtstrukturen.416 Die zentralen Fragen für ein Veränderungsprojekt sind also einerseits „Welche Machtstrukturen sind identifizierbar?“ und andererseits „Welche Verhaltensweisen in Bezug auf die Nutzung dieser Strukturen herrschen im Unternehmen vor?“ Außerdem ist von Bedeutung, wie diese Strukturen für die angestrebte Veränderung genutzt werden können. x
Managementsystem: Das Managementsystem eines Unternehmens ist definiert als die Koordinationseinheit für die Diagnose, Planung und Kontrolle der betrieblichen Aktivitäten.417 Die Gestaltung dieses Systems beeinflusst die Strukturierung und Ausrichtung eines Unternehmens, genauso wie die externe und interne Wahrnehmung der Aktivitäten und Grundsätze. Aus diesem Grund ist einerseits die Erhebung und Dokumentation des bestehenden Managementsystems von Bedeutung für die Planung des Veränderungsvorhabens und der durchzuführenden Maßnahmen. Andererseits muss überprüft werden, welche Konsequenzen die Veränderungen auf das Managementsystem haben und welche Anpassungen vorzunehmen sind. Das Managementsystem lässt sich unter verschiedenen Perspektiven analysieren.418 Eine der wichtigeren Perspektiven ist dabei die Definition der Verantwortung für Menschen, Prozesse und Ergebnisse.419
x
Marktgröße und -potenzial: Veränderungen, die z. B. auf die Neuentwicklung eines Geschäftsfeldes oder eines Produkts abzielen, sollten auch unter der Maßgabe des möglichen Marktpotenzials evaluiert werden.
x
Mentalität/geistige Haltung: Die Einstellung von der Geschäftsleitung bis zum Mitarbeiter auf der operativen Ebene ist eine zentrale Determinante, wie erfolgreich Veränderungsmaßnahmen wirksam werden können. Eine Analyse der Mentalität bzw. geistigen Haltung über alle Ebenen der Organisation hinweg ist deshalb ein wichtiger Schritt für die Planung der einzusetzenden Methoden und Instrumente.
x
Milieu: Die Ermittlung, aber auch der Einfluss des Milieus, in dem sich die Veränderung abspielt, ist ein spezifischer Bestandteil der Definition der Kontextfaktoren.420 Das Milieu ist hier definiert als das Umfeld der beteiligten Menschen, mit dem sie in wechselseitigen Beziehungen stehen; es umfasst die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Einflüsse. Nach der Milieu-Theorie liegt der Fokus auf den sozialgesellschaftlichen Aspekten des Umfeldes, die die Wahrnehmung und Handlungen des In-
416 417 418
419
420
Vgl. z. B. Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology, S. 113-157. Vgl. die ausführliche Definition in Kapitel 3 und Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 456. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3 sowie Bleicher K.: Das Konzept Integriertes Management, S. 353354, Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 456-460 und Schwaninger, M.: Managementsysteme, Frankfurt a. M. 1994, S. 49-58. An dieser Stelle ist auch die im englischen sehr feine Unterscheidung von „responsibility“ und „accountability“ zu nennen. Insbesondere im Rahmen eines Veränderungsprojekts sollten sich die Verantwortlichen auch moralisch mit ihrer Verantwortung identifizieren. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 292-296.
190
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
dividuums bestimmen.421 Im Rahmen von Veränderungsprojekten stellt das Milieu eine Grundlage für das Verständnis von Handlungen der beteiligten Personen dar und ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Projektanalyse. x
Mitarbeiterzufriedenheit: Im Rahmen von Veränderungsprojekten ist die Stimmung der Mitarbeiter von erheblicher Bedeutung. Deshalb werden anhand dieses Parameters die verschiedenen Aspekte der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der Mitarbeiter ermittelt. Darüber hinaus subsumiert sie auch die Perspektive der Motivation. Ein weiterer Faktor, der mit diesem Parameter eng zusammenhängt und deshalb hinzu gerechnet wird, ist der Grad der Befriedigung von bestimmten (aufgabenbezogenen) Bedürfnissen der Mitarbeiter. Im Rahmen der Interviews wurde als Instrument der so genannte „pulse review“ genannt, bei dem die verschiedenen Facetten der Mitarbeiterzufriedenheit gemessen und besprochen werden. Sofern dabei Defizite erkannt und Maßnahmen ergriffen werden, erfolgt später nochmals ein „pulse review“, um den Erfolg der Maßnahmen beurteilen zu können.
x
Ökonomische Situation: Anhand dieses Parameters erfolgt die Bestimmung einer der Rahmenbedingungen für das Veränderungsprojekt. Die ökonomische Situation ist ein Teilaspekt der „Herausforderungen“. Sie kann sich z. B. aus den Faktoren Verfügbarkeit monetärer Ressourcen, zugrunde liegende psychologische Situation auf dem Markt und konjunkturelle Situation etc. definieren.
x
Organisationsarchitektur und Organisationsstrukturen: Die Strukturen der Organisation bzw. die Organisationsarchitektur stellen einen wichtigen Einflussfaktor auf das Veränderungsprojekt dar. Dabei sollte die Analyse einerseits auf das dominante Muster sowie die zugrunde liegenden Prinzipien (traditionell hierarchisch, Matrixstruktur, Projektorganisation, aber auch die Basis für die Vergütung und die „Mitarbeiterbindung“, Kriterien für die Auswahl von Mitarbeitern sowie letztlich die Steuerungsmechanismen422 etc.) abzielen. Andererseits sollten die folgenden Charakteristiken der jeweiligen Organisationsform berücksichtigt werden: die Aufteilung von Verantwortlichkeiten, die Balance zwischen Fokus (Treiber für die Aufbauorganisation) und Koordination (Treiber für die Ablauforganisation) sowie darin zwischen Synergien und Autonomie, Informations- und Kommunikationsflüsse, beobachtbare Verhaltensweisen, beobachtbare Machtpositionen und positive bzw. negative Kommentare der Mitarbeiter zu Funktionsweisen der Struktur.423
x
Produktsicht (Output des Leistungsprozesses): Die Produktsicht berücksichtigt das Ergebnis der Leistungserstellung und die Konsequenzen des Veränderungsprozesses auf die zukünftigen Produkte und Leistungen des Unternehmens. Hinzu sollte eine Überprüfung der Sicherstellung der Kundenbedürfnisse (bekannt oder neu zu prognostizieren) auch nach der erfolgten Veränderung kommen.
421 422
423
Vgl. Norlin J. M. et al.: Human Behavior and the Social Environment – Social Systems Theory, S. 6364. Vgl. zu den zuletzt genannten Punkten auch Baron, J. N., Hannan, M. T.: Organizational Blueprints for Success in High-Tech Start-Ups: Lessons from the Stanford Project on Emerging Companies, in: California Management Review, 44 (2002) 3, S. 8-36. Vgl. z. B. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 140-141, Gomez, P., Zimmermann, T.: Unternehmensorganisation: Profile, Dynamik, Methodik, S. 141.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
191
x
Stabilisierende Faktoren: Veränderungsmaßnahmen verursachen Destabilisierung und Verunsicherung in der Organisation. Aus diesem Grund ist die Ermittlung und konkrete Definition von Faktoren von Bedeutung, die als „Anker“ und damit stabilisierend wirken. Solche Faktoren können je nach Kontext und Thema des Veränderungsprojekts z. B. die frühe Kommunikation der Beibehaltung bestimmter Rollen und Positionen sein, das Verbleiben einer zentralen Führungspersönlichkeit oder auch die Aufrechterhaltung bestimmter (auch später erwünschter) Rituale. Stabilisierende Faktoren können darüber hinaus auch das Vertrauen sein, das z. B. in der Gruppe herrscht, sowie das gemeinsame Ziel, das als Projektergebnis kommuniziert wird.
x
Struktur der Kommunikationsnetzwerke: Im Unternehmen bestehen Kommunikationsverbindungen unterschiedlichster Art, verbunden mit entsprechenden Implikationen. Grundsätzlich lassen sich so genannte „offizielle Kommunikationsnetzwerke“ und „individuelle Kommunikationsnetzwerke“424 unterscheiden. Die offiziellen Kommunikationsnetzwerke entstehen durch die Beziehungen, die ein Mitarbeiter durch seine Aufgaben eingeht bzw. eingehen muss. Sie werden primär unter anderem bestimmt durch die Aufbau- und Ablauforganisation, aber sekundär auch durch die Person selber. Individuelle Kommunikationsnetzwerke werden hingegen primär auf der Grundlage von persönlichen und sozialen Beziehungen sowie Vertrauen entwickelt und getrieben. Beide Formen der Kommunikationsnetzwerke spielen für Veränderungsprojekte eine wichtige Rolle, weil auf der einen Seite die reibungslose Aufgabenerfüllung von ihnen abhängt. Auf der anderen Seite stellen die individuellen Kommunikationsnetzwerke sicher, dass eine Aufgabenerfüllung z. B. außerhalb der gewöhnlichen Wege erfolgen kann, dass effiziente Lösungen gefunden werden, die nicht durch organisationale Schranken behindert sind und dass das volle Potenzial des sozialen Kapitals des Unternehmens nutzbar wird. Diese Punkte sind insbesondere für Veränderungsvorhaben von Bedeutung, weil hier oftmals Lösungsansätze außerhalb der vorgegebenen Strukturen gefunden werden müssen.
x
Struktur von Gruppenprozessen: Verhaltensweisen eines Individuums verändern sich im Rahmen von Gruppenprozessen zum Teil erheblich. Darüber hinaus ist der Einfluss der Gruppe auf die Organisation ein wichtiger Faktor, wenn im Rahmen von Veränderungsprozessen die verschiedenen Dynamiken analysiert werden sollen.425 Von zentraler Bedeutung sind deshalb die Identifikation der Gruppen, die Macht und Einfluss ausüben können – Müller-Stewens bezeichnet sie auch als „Rhythmusgruppen“ – und die Analyse der dominanten Verhaltensmuster und Einstellungen.
x
Technologische Infrastruktur: Die Dokumentation der technologischen Infrastruktur sowie die Analyse einerseits der Eignung für die Unterstützung des Verän-
424
425
Vgl. hierzu ausführlich Mäder, D., Weibel, L.: Individuelle Netzwerke – Ihr Nutzen für die Unternehmung, in: Baumöl, U., Österle, H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering in der Praxis, Berlin et al., 2004, S. 515-551. Vgl. auch die Erläuterungen zur Parameter „Güte der Beziehungen zwischen Akteuren“ sowie hier und im Folgenden Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology: Managing Behavior in Organizations, S. 78-93.
192
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
derungsprozesses sowie andererseits der Angemessenheit für die angestrebte Veränderung zählen zu den wichtigen Grundlagen.426 x
Treiber: Der Veränderungsprozess wird von Methoden, Fähigkeiten und Einstellungen getrieben, d. h. wesentlich aktiv unterstützt. Diese so genannten Treiber definieren also, durch welche Faktoren die angestrebte Veränderung aktiv unterstützt wird. Die Kenntnis der Treiber ist eine Determinante für die Auswahl der einzusetzenden Methoden und Instrumente.427
x
Umfeldfaktoren: Dieser Parameter erfasst alle das Umfeld eines Unternehmens oder eines Projekts beschreibenden Parameter: die Branche und das soziale Umfeld, gesetzliche Regelungen, Stärken- und Schwächen, Risiken und Herausforderungen (z. B. auch Prognosen, Ergebnisse der Analyse schwacher Signale), Unternehmensgröße, die Struktur des Kapitalmarktes. Die ökonomische Situation, die ebenfalls dazu zu zählen ist, ist als wichtiger Beschreibungsfaktor für ein Projekt als separater Parameter aufgeführt.
x
Vision und Mission: Die Vision und Mission des Unternehmens und in einigen Fällen auch des Veränderungsprojekts wird nicht nur „ausgesprochen“, sondern auch schriftlich dokumentiert sowie den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Das dient der Entwicklung einer gemeinsamen Vorstellung vom Ziel des Vorhabens.
x
Wertschöpfung: Als Ergänzung zur Analyse der Geschäftslogik sollten detaillierte Überlegungen zum Wertschöpfungsprozess des Unternehmens erfolgen. Das Veränderungsvorhaben wird entweder sehr umfangreich oder nur in Teilbereichen auf die Wertschöpfung Auswirkungen haben; erst wenn der Wertschöpfungsprozess bekannt und verstanden ist, können auch die potenziellen Konsequenzen der Veränderung abgeschätzt werden.428
x
Widerstände: Bei der Analyse von Widerständen in Veränderungsprojekten wird z. B. nach der Dreiteilung von Strebel vorgegangen: fachliche, emotionale und soziale Widerstände.429 Weiterhin wird bei der Analyse davon ausgegangen, dass Widerstände bzw. Irritationen entstehen, wenn das Bild der Wirklichkeit der Person mit dem durch die Veränderung ausgelösten oder intendierten nicht übereinstimmt, sogar im Widerspruch steht und so eine „kognitive Dissonanz“ verursacht.430 Weitere Kategorien für die Analyse von Widerständen können z. B. „unbegründet (blind)“, „politisch“ oder „ideologisch“ sein.
x
Wirklichkeitskonstruktion: Rüegg-Stürm definiert diesen Parameter als das Bild des Alltagsgeschehens, das ein Mensch aus den beiden Ebenen Verhalten und Wahrnehmung zusammen mit anderen Menschen entwickelt.431 Dieser Parameter steht im
426
427 428 429 430 431
Vgl. Österle, H., Blessing, D.: Business Engineering Modell, in: Business Engineering - Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, S. 76-78; Peters, T., Waterman, R. H.: In Search of Excellence, S. 5-25. Vgl. ebenfalls Kapitel 2. Vgl. z. B. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 365-528 oder auch Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, S. 60-63. Vgl. Strebel, P.: Why do employees resist change?, in: Harvard Business Review, OnPoint Collection #4029, Februar 2000, S. 23-36. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 250-312. Vgl. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 367.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
193
engen Zusammenhang mit der „Wirklichkeitsordnung“ und „Vermittlung des Sinns“, weil in allen diesen Parametern eine objektive Beschreibung und Dokumentation nicht möglich ist und auf Hilfskonstrukte, wie z. B. Interviews mit dem Individuum und der Gruppe, zurückgegriffen werden muss. Aber auch, wenn diese Beschreibungsparameter nicht eindeutig und unangreifbar erhoben werden können, so sind sie doch wichtig für das tiefer gehende Verständnis der emotionalen Aspekte eines Veränderungsprozesses. x
Wirklichkeitsordnung: Ebenfalls bei Rüegg-Stürm erfolgt die Definition dieses Parameters: Es ist der Bezugsrahmen, der dem Menschen zur Ausrichtung seines Verhaltens und Beobachtens dient. Die Kenntnis dieses Bezugsrahmens ist für ein Veränderungsprojekt von Bedeutung, da alle heutigen und zukünftigen Handlungen sowie auch das, was von der Veränderung wahrgenommen wird, an ihm ausgerichtet werden.432 Aspekte, die zur Beschreibung des Bezugsrahmens dienen können, sind z. B. Regeln im Unternehmen (dokumentiert und undokumentiert), „belohnte“ Verhaltensweisen und gesellschaftliche Werte.
x
Zugrunde liegende Intention und Vergleich mit der Implementierung: Obwohl die zugrunde liegende Intention (Ausgangsintention) derjenigen, die ein Veränderungsvorhaben propagieren, direkt oder indirekt an verschiedenen Stellen in der Literatur als bedeutend genannt wird,433 fehlen oftmals die entscheidenden Schritte, erstens diese Intention auch zu explizieren und zu kommunizieren434, zweitens die Interpretation durch die Mitarbeiter und drittens das Ergebnis der Umsetzung (Implementierung) zu überprüfen.435 Dabei ist einerseits auf den Grad der Deckung von Ausgangsintention und Ergebnissen sowie andererseits – bei Abweichungen – auf die positiven und negativen Effekte in Bezug auf die Ausgangsintention und die geplanten Ergebnisse zu fokussieren. Erst bei konsequenter Analyse dieser Punkte kann der Erfolg eines Veränderungsprozesses überprüft werden.
4.2.4.2.2
Beschreibungsparameter der Phase „Output“
Die Parameter, die nachfolgend erläutert werden, dienen in der Beschreibung eines Veränderungsprojekts für die Spezifizierung der Phase „Output“. x
432 433 434
435
Adressaten der Veränderungsprozesse: Bereits vor Beginn des Vorhabens sollten sämtliche Adressaten, man könnte auch die Bezeichnung „Kunden“ wählen, der Maßnahmen definiert und dokumentiert sein. Unterschieden wird oftmals in die Ka-
Ebenda, S. 186-192. Vgl. die Überlegungen in Kapitel 3. Dieser Schritt wird dann ausgelassen, wenn die reale Intention für die Kommunikation nicht geeignet ist: Z. B. im Fall der Restrukturierung einer IT-Organisation mit dem mittelfristigen Ziel der Umwandlung in eine eigenständige Gesellschaft; diese Intention wird im Rahmen von Reorganisationen aufgrund der kurzfristig wirksamen Destabilisierung und Verunsicherung von Mitarbeitern in der Regel nicht direkt kommuniziert). Dennoch ist eine Analyse und Dokumentation auch kurzfristig nichtkommunizierbarer Intentionen im engsten Führungskreis erforderlich, damit der nachhaltige Erfolg einer Veränderungsmaßnahme überprüfbar wird. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2 sowie den Beitrag von DeSanctis, G., Poole, M. S.: Capturing the Complexity in Advanced Technology Use: Adaptive Structuration Theory, S. 121-146.
194
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
tegorien „Individuum“, „Team“ und größere Einheiten, wie z. B. Landesgesellschaften oder das gesamte Unternehmen.436 x
Betrachtungszeitraum: In Ergänzung zu der Festlegung der Projektdauer und der Analyse von Kontingenzen erfolgt die Festlegung des Betrachtungszeitraums für das Veränderungsvorhaben. Dabei ist zu entscheiden, welche Zeitspanne vor und nach dem Projekt einbezogen werden soll. In diesem Zeitraum werden die Einflüsse der Umfeldfaktoren untersucht. Insbesondere die Ausdehnung auf die Zeit nach dem Projektabschluss ist von Bedeutung, weil hier die Realisierung der Nachhaltigkeit beginnt.
x
Entwicklungsmodus: Der Entwicklungsmodus bestimmt den Grad der Veränderung: Ist die angestrebte Veränderung evolutionär oder revolutionär? Das betrifft also z. B. auch die Frage, ob nur Teilbereiche des Unternehmens betroffen sind oder das Unternehmen als Ganzes in seiner grundlegenden Struktur.
x
Fähigkeitenprofile: Die Anforderungen an die Ausbildung und Fähigkeiten der Mitarbeiter verändern sich wahrscheinlich mit den Veränderungen in der Organisation. Die Erstellung von Profilen der bestehenden und zukünftigen Fähigkeiten bietet eine Unterstützung einerseits für die zielgerichtete Weiterentwicklung des Fähigkeitenportfolios und andererseits für die Adressierung von Unsicherheiten, die durch das Vorhaben entstehen.
x
Führung: Management Commitment und Vorleben: Dieser Beschreibungsparameter wird in nahezu jedem Modell bzw. jeder Vorgehensweise sowie in jedem Interview erwähnt. Sie muss mit ihren verschiedenen Perspektiven erhoben und sichergestellt werden.437 Es handelt sich z. B. um die Bereitschaft der Unternehmensführung, die Veränderung zu unterstützen, zu treiben und zu stärken. Durch bewusstes Vorleben der zu verändernden Verhaltensweisen wird die Verhaltensänderung für die Mitarbeiter „erlebbar“ und nachvollziehbarer gemacht. Ferner wird dadurch die Erlaubnis gegeben, sich anders zu verhalten als die bisherigen Normen und Werte es zugelassen haben. Unter diesen Begriff fällt auch das „organisatorische Klima“ (z. B. Macht-orientiert oder Ergebnis-orientiert), das durch die Führung geschaffen wird.438 Damit unterscheidet sich das Klima von der vorherrschenden Kultur.439
x
Herausforderungen: Senge et al. definieren den Begriff „challenges“ als die Bedingungen und Faktoren, die den Spielraum und das Wachstum eines Systems beschränken.440 Die Analyse und Definition von „Herausforderungen“ in diesem Sinne bedeutet für ein Veränderungsprojekt, dass die einschränkenden Faktoren expliziert werden
436
437
438 439 440
Vgl. von Rosenstiel, L.: Führung zwischen Stabilität und Wandel, München 2003, S. 75, Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 158-159, Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 79 und 87-94. Ein zentrales Zitat dazu befindet sich bei Weick, K. E: The Social Psychology of Organizing, 2. Aufl., Reading 1979, S. 152; der Beschreibungsparameter der „aktiven“ und hinter dem Veränderungsvorhaben stehenden Mitarbeiter ist zudem eng mit diesem Parameter verbunden. Vgl. dazu Burke, W. W.: Organization Change – Theory and Practice, S. 196. Vgl. Schneider, B.: Organizational Behavior, in: Annual Review of Psychology, Vol. 36, 1985, S. 573611. Vgl. Senge, P. et al.: The Dance of Change – The Challenges of Sustaining Momentum in Learning Organizations, S. 29.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
195
und damit die Möglichkeit geschaffen wird, mit ihnen zu arbeiten und den Spielraum bzw. Lösungsraum zu erweitern. x
Informationsmanagement: Hier liegt der Fokus auf der Ressource Information: Aspekte der Veränderung des Informationsbedarfs; neue und veränderte Informationsprozesse, die organisatorische Einheiten verbinden; Datenqualität; Nutzung der Information (formal und informal)441 Für diesen Parameter ist anzumerken, dass die Elemente „Analyse des Informationsbedarfs“ und „Analyse der Datenqualität“ in der Regel subsumiert werden, obwohl sie als bedeutend identifiziert werden können. Der Informationsbedarf ist die Grundlage für Entscheidungen (und deren Güte) im Unternehmen. Als ein Ergebnis der meisten Veränderungsprozesse ändern sich auch der Informationsbedarf und darüber hinaus die Quellen, aus denen die entsprechenden Daten bezogen werden.442 Für einen effektiven und effizienten Informationsfluss ist demnach die Analyse des neu entstehenden Informationsbedarfs (und die Planung der Umsetzung in die IT-Architektur) von Bedeutung. Dass die Güte der Datenqualität eine hohe Bedeutung hat, ist nicht in Frage zu stellen. Aus diesem Grund gehört zu dem zuvor erläuterten Schritt auch immer eine Überprüfung der Qualität der verwendeten Daten.443
x
Kennzahlen zur Steuerung: Veränderungsprojekte können über verschiedene Steuerungsmechanismen geleitet werden. Der Einsatz von Kennzahlen und Kennzahlensystemen gehört dazu und unterstützt ein systematisches Vorgehen. Dabei bieten sich zum einen Kennzahlen an, die quantifizierbare Sachverhalte abbilden, wie z. B. Finanzkennzahlen, Prozesskennzahlen sowie beispielsweise die Kenngrößen der Balanced Scorecard des General Management Navigators nach Müller-Stewens und Lechner.444 Zum anderen sollten darüber hinaus Kenngrößen definiert werden, die qualitative Aussagen zulassen. Aufgrund der Bedeutung dieses Aspektes existiert ein separater Beschreibungsparameter dazu (vgl. „Qualitative Steuerungsgrößen“). Zu den weiteren, wichtigen Festlegungen zählt erstens die der Kontrollzyklen für die Kennzahlen. Das kann z. B. im Rahmen der Meilensteinplanung (vgl. Beschreibungsparameter „Meilensteine“) erfolgen. Zweitens muss entschieden werden, wie die Ergebnisse adressatengerecht präsentiert werden können (vgl. auch Beschreibungsparameter „Informationsmanagement“). Darüber hinaus ist der Aspekt zu berücksichtigen, dass bei der Definition von Kennzahlen die durch das Veränderungsprojekt neu gelegten Strukturen abgebildet bzw. berücksichtigt werden und nicht etwa die vorhandenen (alten) Strukturen. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist der so genannte „Task-Culture-Metric-Fit“, der besagt, dass alle drei Gestaltungsobjekte „Aufgabe“, „kulturelle Gegebenheiten“ und „zur Anwendung kommende Kennzahlen“ auf einander abgestimmt sein müssen.
441 442 443
444
Vgl. Vollmann, T.: The Transformation Imperative, S. 68. Vgl. z. B. Picot, A. et al.: Die grenzenlose Unternehmung, 4. Aufl., Wiesbaden 2001, S. 79-88 und S. 143-145. Vgl. hierzu z. B. Strauch, B.: Entwicklung einer Methode für die Informationsbedarfsanalyse im Data Warehousing, Bamberg 2002 und Wang, R. et al.: Beyond Accuracy: What Data Quality Means to Data Consumers, Working Paper TDQM-94-10; Massachusetts Institute of Technology: 1994, http://web.mit.edu/tdqm/www/papers/94/94-10.html (Zugriff am 15.10.2003). Vgl. zu Kennzahlen und Kennzahlensystemen Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten; die spezialisierte Balanced Scorecard findet sich bei Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 721-733.
196
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
x
Kommunikationskanäle: Die Kommunikation im Rahmen eines Veränderungsprozesses kann über diverse Kanäle erfolgen. Je nach Situation ist ein Kanal mehr oder weniger geeignet. Entsprechende Überlegungen in Verbindung mit der Kommunikationskultur im Unternehmen sind also anzustellen, um einen optimalen „Kanalmix“ sicherzustellen.
x
Maßnahmen bei Abweichungen: Die Steuerung bspw. anhand von Kennzahlen bzw. Qualitätsvorgaben ist nur dann sinnvoll, wenn Maßnahmen definiert werden, die bei identifizierten Abweichungen greifen.
x
Maßnahmen bei Widerständen: Die Feststellung und Analyse von Widerständen ist nur dann sinnvoll, wenn entsprechend der zu berücksichtigenden Kultur Maßnahmen definiert werden, wie den Widerständen bzw. Irritationen begegnet werden soll und kann.445
x
Meilensteine: Meilensteine verkörpern Teilergebnisse des Veränderungsprojekts. Sie unterstützen die Zerlegung des Gesamtvorhabens in steuerbare Abschnitte und darüber hinaus einerseits die Abschätzung der Machbarkeit sowie andererseits – nach Beginn –den Grad des Fortschritts.
x
Nutzen: Der Nutzen einer Veränderung muss bekannt sein. Dabei ist der Nutzen definiert als das, was der beteiligte Mitarbeiter für sich persönlich als vorteilhaft wahrnimmt. Der Nutzen sollte zusammen mit den Beteiligten explizit definiert und dokumentiert werden.446 Der wahrgenommene, zukünftige Nutzen einer Veränderungsmaßnahme kann als Motivator für die Unterstützung und Umsetzung dienen.447
x
Organisatorisches Lernen: Organisatorisches Lernen ist ein wichtiger Bestandteil von Veränderungsprozessen, der in der Literatur in verschiedenen Varianten diskutiert wird. Nach Senge teilt sich der Prozess des Lernens in Organisationen in fünf Disziplinen (personal mastery, mental models, shared vision, team learning, systems thinking), die im Rahmen dieses Beschreibungsparameters adressiert werden können.448 Eine weitere Möglichkeit zur Abbildung findet sich bei Probst und Büchel, die als Ansatzpunkte Struktur, Personal, Kultur und Strategie wählen.449
x
Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern: Die Ergebnisse der Überprüfung aller im Unternehmen vorhandenen Fähigkeitenprofile führt wahrscheinlich im Verlauf des Veränderungsprozesses zu einem Ausbildungsbedarf. Dieser Bedarf und die erforderlichen Ressourcen sollten in die Projektbeschreibung und Projektplanung aufgenommen werden.
x
Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen: In Veränderungsvorhaben, die eine Reorganisation des Unternehmens oder von Teilbereichen zum Ziel hat, entsteht häufig die Anforderung, mit der Freisetzung von Mitarbeitern umzugehen. Dieser Prozess sollte sehr frühzeitig im verantwortlichen Führungsteam diskutiert und
445
Vgl. z. B. Gassner, W.: Implementierung organisatorischer Veränderungen, S. 64-65 und Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 27 und 65. 446 Vgl. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 78-89. 447 Vgl. Gassner, W.: Implementierung organisatorischer Veränderung, S. 206-221 448 Vgl. Senge, P.: The Fifth Discipline, New York 1990, S. 5-13. 449 Vgl. Probst, G. J. B., Büchel, B. S. T.: Organisationales Lernen. Wettbewerbsvorteil der Zukunft, 2. Aufl. Wiesbaden 1998, S. 92.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
197
geplant werden. Nur so können unnötige und unbeabsichtigte Härten gegenüber den betroffenen Mitarbeitern vermieden werden.450 Das Vorgehen bei Freisetzungen wird von allen Mitarbeitern beobachtet und hat demzufolge Auswirkungen auf die Wahrnehmung einerseits des Veränderungsvorhabens und andererseits der Glaubwürdigkeit der dahinter stehenden Führung. Darüber hinaus kann ein konsistentes, als fair wahrgenommenes Verhalten zu positiven Effekten bei der Umsetzung der Veränderung führen. x
Projektergebnis: Das geplante Ergebnis des Veränderungsprojekts muss definiert, dokumentiert und bekannt sein. Zu den zu beschreibenden Bereichen können z. B. die Ergebnisse der Veränderungen auf den Ebenen des Bezugsrahmens dienen. Dabei spielt auch die Definition der Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle; sie wurde deshalb als eigener Beschreibungsparameter aufgenommen.
x
Projektlebenszyklus: Zu den mitlaufenden Beschreibungsparametern gehört die regelmäßige Überprüfung des Stadiums des Projektlebenszyklus. Je nach Phase müssen angemessene Methoden eingesetzt werden. Die bekannteste Aufteilung eines Veränderungsprojekts in Phasen erfolgt in Anlehnung an das Trauerverhalten von Menschen.451 Während diese Gliederung auf die Methoden und Instrumente der kulturellemotionalen Aspekte eines Veränderungsvorhabens fokussiert, kann eine Aufteilung auch nach fachlichen Aspekten erfolgen. Hierzu würden sich die klassischen Modelle z. B. des Projektmanagements und hier z. B. des Softwareprojektmanagements anbieten.452
x
Projektorganisation: Die Projektorganisation repräsentiert die statische Struktur des Veränderungsprojekts. Sie sollte dem Vorhaben angemessen sein und muss gleichzeitig den Rahmenbedingungen des Unternehmens genügen. Dennoch ist gerade bei Veränderungsprojekten eine gewisse Flexibilität in der Gestaltung der Projektorganisation zu fordern, weil ansonsten die bestehenden Strukturen einen starken Niederschlag in der Erneuerung finden, ohne Spielraum für echte Veränderungen zu gewähren.
x
Projektumfang: Der Projektumfang definiert das zur Verfügung stehende finanzielle Budget des Projekts sowie dessen geplante Dauer. Diese Rahmenbedingungen zusammen mit dem Parameter „Ressourcenallokation“ sind für Veränderungsprojekte, wie für jedes Vorhaben, wichtige Größen, die bekannt und dokumentiert sein sollten sowie auf Basis von Soll- und Ist-Werten permanent überprüft werden müssen.
x
Projektziele: Die Projektziele definieren die konkreten Ziele, die mit dem Projekt verfolgt werden. Hier wird weniger auf das Ergebnis für die Organisation fokussiert, als vielmehr z. B. auf die Einhaltung des Budgets, der Zeitrestriktionen und auf der qualitativen Seite z. B. die konstruktive Zusammenarbeit des Teams.
450 451 452
Vgl. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 125-137. Vgl. beispielhaft für viele Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 606-607. Vgl. z. B. Balzert, H.: Lehrbuch der Software-Technik, 2. Aufl., Heidelberg und Berlin 2001, S. 51; Daenzer, W. F., Huber, F. (Hrsg.) und Haberfellner, R. et al.: Systems Engineering, S. 37-47 und 240280; eine weitere, häufig verwendete Einteilung findet sich unter http://www.rational.com/leadership/initiatives/index.jsp (Zugriff: 11.10.2003).
198
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
x
Prozessarchitektur: Die Prozessarchitektur ordnet die kleinsten Prozessschritte (Aktivitäten) den beteiligten Organisationseinheiten zu.453 Zur Strukturierung und Abbildung der erforderlichen Anpassung sowie zur Abschätzung der organisatorischen Konsequenzen ist die Erstellung der Architektur ein wichtiger Schritt. Damit eine Prozessarchitektur für das geplante Ergebnis des Veränderungsvorhabens entwickelt werden kann, muss als wichtiger Bestandteil des Vorgehens eine angemessene Prozessvision existieren.
x
Prozessorientierung: Vor der Existenz einer Prozessarchitektur steht zunächst einmal die Orientierung an Prozessen im Unternehmen und auch im Veränderungsprojekt. Einerseits können das in der klassischen Einteilung Leistungs-, Führungs- oder Unterstützungsprozesse sein, andererseits gehören auch Lernprozesse in die Menge der zu betrachtenden Abläufe.454 Ob bereits eine Prozessorientierung im Unternehmen existiert, eine Funktionsorientierung vorherrscht und auch für das Veränderungsprojekt verfolgt werden soll, oder ob die Prozessorientierung aus Anlass des Veränderungsvorhabens eingeführt werden soll, spielt wiederum eine bedeutende Rolle für die Auswahl von Methoden und Instrumenten.
x
Qualitative Steuerungsgrößen: Bei der Steuerung von Veränderungsvorhaben dominieren quantitative Größen, wie z. B. Finanzkennzahlen oder die Anzahl Mitarbeiter. Qualitative Steuerungsgrößen finden sich in den untersuchten Veränderungsmethoden und -modellen immer wieder als wichtige Bestandteile der Leistungsmessung.455 Auch in den geführten Interviews wurde immer wieder bestätigt, dass qualitative Größen, wie z. B. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Beitrag zur Lösung von Konflikten, Qualität eines erreichten Meilensteins/Ergebnisses, für die angemessene Steuerung bzw. die Erzielung einer „echten“ Steuerbarkeit von Veränderungsprojekten von Bedeutung sind. Es wurde aber auch ausgesagt, dass in diesem Bereich höchstens die „Kundenzufriedenheit“, in seltenen Fällen auch die „Mitarbeiterzufriedenheit“, gemessen wird. Hier scheint noch eine der Lücken zwischen theoretischer Erkenntnis und Realität und damit Raum für Verbesserungen zu bestehen. Ein weiterer Punkt, der hier Erwähnung finden sollte, ist der zugrunde liegende Steuerungsbegriff und die Konsequenzen für die qualitative Steuerbarkeit. Wenn man von einer „Steuerungsskepsis“ ausgeht, bedeutet das, dass das System nur indirekt durch Selbststeuerung oder den Kontext beeinflussbar ist. Das heißt für die qualitativen Steuerungsgrößen, dass sie sich aus der Motivation der Mitarbeiter, dem Wissen, durch Machtverhältnisse bzw. demokratische, hierarchische oder Verhandlungsstrukturen ergeben müssen. Ebenso müssen die Interventionen auf dieser Basis geplant werden.456
x
Qualitätsmaßnahmen: Die Definition der geforderten Qualität im Rahmen des Veränderungsprojekts und der entsprechenden Maßnahmen zu ihrer Sicherstellung sollte an möglichst früher Stelle im Projekt erfolgen. Vorreiter im Bereich der Qualitätsori-
453 454 455 456
Vgl. Österle, H.: Business Engineering, Springer 1995, S. 61-62. Vgl. ebenda, S. 131 und Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 161-162. Vgl. z. B. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 217, Senge, P. et al.: Dance of Change, S. 313-318. Vgl. dazu ausführlich Willke, H.: Systemtheorie III: Steuerungstheorie und Systemtheorie II: Interventionstheorie.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
199
entierung waren die Six Sigma Initiative von General Electric, die später von vielen anderen Unternehmen aufgegriffen wurde, sowie die Arbeiten von Deming.457 x
Ressourcenallokation: Die Planung der Ressourcen für die Durchführung des Veränderungsprojekts ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Beschreibungsparameter. Dabei sind Ressourcen in diesem Kontext definiert als die internen sowie externen Mitarbeiter sowie immaterielle Ressourcen, wie z. B. Patente.
x
Rollen: Die Definition von Rollen sowie das resultierende Rollenverständnis hat zwei Aspekte: Zum einen die Rollen, die während eines Veränderungsprojekts erforderlich sind, wie z. B. die Architekten der Veränderung, des Projektleiters oder des (personifizierten) Treibers. Weitere Rollenbegriffe, die in diesem Zusammenhang genutzt werden, sind „Strategen des Wandels“, Promotoren, Multiplikatoren, Implementierer, Zweifler, Opponenten etc. Zum anderen entstehen aufgrund der angestrebten Veränderung neue oder neu definierte Rollen in der Organisation, die eine Umsetzung und weitere Entwicklung der veränderten Zielsetzungen überhaupt erst ermöglichen.458 Über diese beiden Arten von Rollen muss bereits zu Beginn des Veränderungsprojekts Klarheit bestehen.
x
Schlüsselpersonen: Doppler und Lauterburg heben die Bedeutung so genannter „Schlüsselpersonen“ für den Erfolg eines Veränderungsprojekts hervor. Wenn diese Personen erkannt und angesprochen werden, ist die Kommunikation und das Gewinnen der Mitarbeiter einfacher und effizienter zu bewerkstelligen. Die Autoren verweisen auf drei grundsätzliche Charakteristika, die zu Beginn des Vorhabens geklärt werden sollten: Verbündete, „opinion leaders“, Befähigung für die Führung des Veränderungsprozesses oder für Teile davon.459
x
Sicherstellung der Nachhaltigkeit: Die Analyse und Definition der Nachhaltigkeit der Ergebnisse des Veränderungsvorhabens über das eigentliche Projekt hinaus ist ein elementarer, oft vernachlässigter Aspekt. Dieser Faktor stellt einen der zentralen Beschreibungsparameter für Veränderungsvorhaben dar. Dabei sollte entsprechend des weiter oben formulierten Axioms zwischen der Implementierung I und Implementierung II unterschieden werden.460 Während Überlegungen zur Implementierung I häufig in den Interviews, Fallstudien und Modellen zu finden sind, sind solche zur Implementierung II eher selten. Dennoch wurde in den Interviews bestätigt, dass eine Definition der Nachhaltigkeit in einem frühen Stadium wichtig wäre.
x
Spaßfaktor: Dieser Parameter nimmt die Faktoren „Freude“ und „Entspannung“ in die Planung auf. Senge et al. mahnen dabei dazu, dass „quick wins“ zwar gefeiert
457
458
459 460
Vgl. z. B. Pande, P. S. et al.: The Six Sigma Way: How GE, Motorola and Other Top Companies Are Honing Their Performance, New York et al. 2000; Deming, W. E.: Out of the Crisis: quality, productivity and competitive position, Cambridge Mass. 1986. Vgl. Baumöl, U., Winter, R.: Qualifikation für die Veränderung, in: Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 45-61, Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, S. 57-58, Kouzes, J. M., Posner, B. Z.: The Leadership Challenge, 3. Aufl., San Francisco 2002, S. 252-253, Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 641-645, Schein E.H.: Organizational Culture and Leadership, S. 58-60. Vgl. Doppler, K. Lauterburg, C.: Change Management, S. 164-165. Vgl. Kapitel 2, S. 50 und Aussage 9 des Aussagensystems.
200
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
werden müssen, aber ein Projekt nicht zu früh für abgeschlossen erklärt werden sollte.461 x
Stil der Initiierung: Die Art und Weise, wie ein Veränderungsprojekt begonnen wird, bestimmt maßgeblich dessen weiteren Verlauf. Deshalb sind Überlegungen zum Stil der Initiierung von erheblicher Bedeutung. Vertiefende Überlegungen hierzu finden sich bei Müller-Stewens und Lechner sowie in den dort angegebenen Quellen.462 Entscheidend ist hier die Aussage, dass jeder Bereich bzw. jedes Unternehmen seinen eigenen Stil entwickeln sollte. Eine sorgfältige Analyse dieses Bestandteils des Strategieprozesses ist also zentral für das Vorgehen im Rahmen der Veränderung.
x
Strategieprozess: Der Strategieprozess legt das Vorgehen fest, wie die Strategie ermittelt und implementiert werden soll. Unter diesen Parameter fällt auch der Begriff der Strategieplanung und Strategieformierung.463
x
Szenarien: Der Einsatz von Szenarien unterstützt die Entwicklung einer realistischen Vision, wie das Ergebnis des Veränderungsvorhabens aussehen könnte.464 Mit dem Einsatz von Szenarien besteht die Möglichkeit, den Spielraum für das Aktionspotenzial zu erweitern, auch wenn die entwickelten Szenarien immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind. Doch allein Überlegungen zu verschiedenen Strategien anzustellen, erweitert bereits den Handlungsspielraum und ist damit positiv zu bewerten.
x
Thema des Veränderungsprojekts: Dieser Parameter legt fest, wer (Menschen) und was (Strukturen) von der Veränderung betroffen sind. Dieser Parameter hängt eng mit dem „Wirkungsradius“ zusammen. Darüber hinaus werden aufgrund der inhaltlichen Verbindung auch die Parameter „Arena der Veränderung“, „Ort der Veränderung“ und „Fokus der Veränderung“ subsumiert, auch wenn sie individuell identifiziert und dokumentiert werden sollten.465
x
Transparenzgrad: Der Transparenzgrad definiert die Vorgehensweise bei der Veröffentlichung des Veränderungsvorhabens. Je nach Zielsetzung (z. B. Schutz vor dem Wettbewerb oder angestrebter Einbezug der Mitarbeiter) können unterschiedliche Transparenzgrade von Vorteil sein.466 Auch dieser Parameter beeinflusst das Vorgehen maßgeblich und sollte deshalb sehr früh definiert werden.
x
Überlegungen zum Methodeneinsatz: Das systematische Vorgehen bei Veränderungsprozessen setzt den Einsatz von geeigneten Methoden voraus.467 Wie auch bei dem Beschreibungsparameter „Veränderungsprozess“ ist dieser Parameter erst nach Beschreibung der anderen Parameter konkret bestimmbar, damit die einzusetzenden Methoden auf die dominierenden Bedingungen optimal abgestimmt sind. Es sei dar-
461 462 463 464
465 466 467
Vgl. Senge, P. et al.: Dance of Change, S. sowie auch Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 56-62. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 114-127. Vgl. ausführlich Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 59-77. Vgl. zu Szenarienentwicklung Ringland, G.: Scenarios in Business, Chichester 2002; von Reibnitz, U.: Szenariotechnik: Instrumente für die unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung, 2. Aufl., Wiesbaden 1992. Vgl. ausführlich Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 364-367. Vgl. ausführlich Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 113-114. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 45 und die Ausführungen in Kapitel 2.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
201
auf hingewiesen, dass dieser Beschreibungsparameter vor allem im Rahmen der Analyse von BE-Projekten relevant ist. x
Veränderungsgeschwindigkeit: Die Veränderungsgeschwindigkeit definiert die zu schätzende Dauer, bis Veränderungen in der Organisation - im Idealfall nachhaltig verankert sind. Dieser Beschreibungsparameter hängt eng mit der Analyse der Unternehmenskulturen zusammen, stellt aber gleichzeitig eine wichtige Perspektive für die zeitliche Koordination von Maßnahmen sowie die Auswahl von Methoden und Instrumenten dar. So sollten z. B. die Steuerungsgrößen des Projekts – auch zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit - auf die geschätzte Veränderungsgeschwindigkeit abgestimmt werden.468
x
Veränderungsprozess: Die Definition eines Veränderungsprozesses, der auf die Ergebnisse der Beschreibung des Veränderungsprojekts abgestimmt ist, stellt einen extrem wichtigen und letztlich konsequenten Schritt im Rahmen des Veränderungsvorhabens dar. Dieser Beschreibungsparameter steht damit am Ende des gesamten Definitionsprozesses und bildet die Grundlage für die Auswahl der zum Einsatz kommenden Methoden und Instrumente.469
x
Vermittlung des Sinns: Die Zielsetzung eines Veränderungsprojekts sollte für die Beteiligten Sinn stiften.470 Der Sinn einer Veränderungsmaßnahme definiert sich, wie auch der Nutzen, durch die Wahrnehmung des Menschen. Sinn entsteht dadurch, dass Beziehungen und Beziehungsmuster immer wieder neu interpretiert werden, dass Ereignisse auf Gegenstände bezogen werden, dass die Beobachtungen in Abhängigkeit von der Person aus verschiedenen Blickwinkeln geschehen und dass in der zeitlichen Dimension Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Verbindung gebracht werden.471 Die Vermittlung des Sinns einer Veränderung adressiert also das Individuum und seine Beziehungs- und Erfahrungswelt. Der Mensch muss in die Lage versetzt werden, in den drei erwähnten Dimensionen (Sach-, Sozial- und Zeitdimension) für sich und seine Beziehungen in dem veränderten Kontext neue Sinn- und Deutungsmuster zu schaffen.472 Erst wenn dieser Prozess katalysiert werden kann, wird die Veränderung umsetzbar. Die Herausforderung für den Beschreibungsparameter besteht also darin, Sinn beschreibbar zu machen. Das ist jedoch nach der obigen Logik nur dann möglich, wenn es für jeden Beteiligten eine Möglichkeit der Reflektion der „alten“ und „neuen“ Sinn- und Deutungsmuster gibt, z. B. durch einen Coach.
x
Vernetzungsgrad: Der Vernetzungsgrad spiegelt die Überlegungen wider, inwieweit sich das Unternehmen mit anderen Partnern vernetzen will oder muss. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat einen Einfluss auf die Art der Veränderungen auf den Ge-
468
469 470 471
472
Vgl. Conner, D. R.: Leading at the Edge of Chaos, New York 1998, S. 189-190, Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, S. 560-565, Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, S. 113-115. Eine Variante eines Veränderungsprozesses findet sich z. B. bei Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 106 und für die vorliegende Arbeit in Kapitel 2. Vgl. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, S. 76-77. Vgl. Manella, J.: Der relationale Mensch, S. 10 und 56-58; Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 171-174 sowie die dort angegebenen Quellen; Willke, H.: Systemtheorie I – Grundlagen, S. 36-38 und 40-49. Vgl. Manella, J.: Der relationale Mensch, S. 24-28.
202
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
staltungsebenen des Bezugsrahmens (z. B. Entwicklung kollaborativer Prozesse, Zugriffsverwaltung von Applikationen).473 x
Wirkungsradius: Der Wirkungsradius beschreibt die Reichweite des Veränderungsprojekts. Dabei sind zu untersuchende Aspekte z. B. die lokale oder globale Wirkung der Veränderungsmaßnahmen und die Frage danach, ob die Maßnahmen auf interne Adressaten beschränkt bleiben oder Unternehmensgrenzen überschreitend sind. Je nach Wirkungsradius sind dabei unterschiedliche Methoden und Instrumente auszuwählen.
x
Wissensmanagement und Definition eines Wissensmanagementprozesses: Durch die Neu- bzw. Restrukturierung und Integration von bestehenden bzw. neuen Teilen einer Organisationsstruktur migriert im positiven Fall das Wissen und im negativen Fall geht es verloren. Deshalb ist erstens die Analyse der vorhandenen Wissensmanagementkultur und sind zweitens Überlegungen dazu, wie das Wissen zukünftig erhalten und weitergegeben werden kann, von hoher Bedeutung.474
Die Beschreibungsparameter können unter verschiedenen Aspekten erfasst und analysiert werden. Vor der Aggregation zu Klassen soll kurz auf diese Aspekte eingegangen werden. Der Schritt ist erforderlich, damit neben der angemessenen und zielgerichteten Verwendung auch eine Evaluation der Beschreibungsparameter erfolgen kann. Die Hauptaspekte, auf die hier eingegangen werden soll sind die folgenden: x Zeit: Im Rahmen des Parameters „Zeit“ erfolgt eine Definition, wann und wie häufig der Beschreibungsparameter zu erheben ist. x Qualität: Der Parameter „Qualität“ legt fest, welche Qualitätskriterien die Beschreibungsparameter hinsichtlich Aktualität, Korrektheit, Genauigkeit, Objektivität, Glaubwürdigkeit, Pünktlichkeit, Grad der Vollständigkeit, Interpretierbarkeit, Verständlichkeit, Darstellungskonsistenz, Sicherheit, Angemessenheit (Adäquanz der Kombination von Präsentation und Aufgabenstellung) und Relevanz (Bedeutung in Bezug auf die Aufgabenstellung) im Sinne des Informationsbedarfs erfüllen müssen.475 x Verantwortlichkeit: Mit diesem Parameter wird festgelegt, wer für die Erfassung, Analyse, Qualität, Dokumentation und Kommunikation der Parameter verantwortlich ist. In der Regel wird das der Change Agent bzw. Business Engineer sein. x Aufwand: Der Aufwand für die Erhebung und Analyse ist für die Beschreibungsparameter unterschiedlich. Hier ist zu prüfen, wie hoch der prognostizierbare Aufwand sein wird und in welchem Projektkontext welcher Aufwand unter Effizienzgesichtspunkten vertretbar ist. x Dokumentation: Das Vorgehen für die Dokumentation der Beschreibungsparameter ist ebenfalls (auch unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien) festzulegen. Damit 473 474
475
Vgl. z. B. Fleisch, E.: Das Netzwerkunternehmen, Springer 2002. Hierzu gehört auch die Analyse der Wissensverteilung im Unternehmen sowie die Potenziale der „Wissensoffenlegung“ im Verlauf des Veränderungsprozesses; vgl. z. B. Picot, A. et al.: Management von Reorganisationen, S. 82-85 und 161-162. Vgl. zu den Qualitätskriterien z. B. Wang, R. et al.: Beyond Accuracy: What Data Quality Means to Data Consumers, Working Paper TDQM-94-10; Massachusetts Institute of Technology: 1994, http://web.mit.edu/tdqm/www/papers/94/94-10.html (Zugriff: 15.10.2003).
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
203
wird einerseits die Konsistenz sichergestellt und andererseits das Wiederauffinden bzw. die Kommunizierbarkeit unterstützt. x Adressat: Damit keine unnötige „Informationsflut“ erzeugt wird, sind z. B. Entscheidungsprozesse einschließlich ihrer Adressaten festzulegen. Die Strukturierung des Kommunikationsprozesses kann nach verschiedenen Prinzipien erfolgen (z. B. Needto-Know).
4.2.5 Definition der konzeptuellen Klassen Der nächste Schritt der Klassifikation von BE-Projekten und Aktivitäten aus Veränderungsmethoden ist die Definition der konzeptuellen Klassen und daran anschließend deren Population sowie Fundierung durch empirische Fälle. Die konzeptuellen Klassen für das Change Method Engineering lassen sich aus dem Bezugsrahmen ableiten.476 Eine entsprechende Analyse der Hauptthemen, die von den Beschreibungsparametern behandelt werden, nach dem Kriterium, in welchem Bereich des Bezugsrahmens der thematische Schwerpunkt der Beschreibungsparameter liegt, ergab vier Bereiche. Die Bereiche sind so definiert, dass sie sowohl für die BE-Projekte als auch für die Aktivitäten gleich sind, was eine Grundvoraussetzung für die spätere Zuordnung von Aktivitäten zu BEProjekten ist. Nur so wird sichergestellt, dass eine thematische Vereinbarkeit von Projektcharakteristika einerseits und Aktivitäten andererseits vorhanden ist. 1. Fachlich-inhaltlicher Bereich des Veränderungsprojekts: Dieser Bereich umfasst hauptsächlich fachliche Themen, die einem Projekt die inhaltliche Struktur geben. Hier sind die Ebenen „Strategie“, „Geschäftsprozesse“ und „Informations- und Kommunikationssysteme“ Schwerpunkte der Beschreibungsparameter. Darüber hinaus umfasst diese Klasse Parameter, die eine ganzheitliche Sicht auf das Veränderungsvorhaben unterstützen, also z. B. nicht nur auf das Sozialsystem „Unternehmen“ oder „Projekt“ fokussieren. 2. Bereich der Umfeldparameter: In diesem Bereich werden alle Beschreibungsparameter zusammengefasst, die sich mit den konstituierenden Rahmenbedingungen für das Veränderungsvorhaben sowie den Wechselbeziehungen zwischen dem Umfeld und dem Projekt auseinandersetzen. Auch wenn hier durchaus ebenfalls fachlichinhaltliche und kulturell-emotionale Aspekte integriert sind, ist hier ein „gröberer“ Ordnungsbegriff gewählt worden, der sich nur auf die umfeldbezogenen Parameter bezieht, aber nicht auf die „projektinternen“ Beschreibungsparameter. 3. Kulturell-emotionaler Bereich: Dieser Bereich fasst alle diejenigen Beschreibungsparameter bezogen auf das Veränderungsprojekt zusammen, die die Ebene der Unternehmenskultur, der politischen Beweggründe, der Zusammenarbeit zwischen Menschen, der nicht-fachlichen Entscheidungsprozesse und der sozialen Kompetenz sowie die nicht-fachlichen Aspekte der Unternehmensführung betreffen.
476
Vgl. Kapitel 2, S. 48.
204
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
4. Bereich der Steuerung: Der Bereich der Steuerung, die hier im Sinne des Controlling477 interpretiert wird, subsumiert alle Beschreibungsparameter, die einerseits die proaktive Steuerung der BE-Projekte bzw. den Einsatz der Aktivitäten unterstützen und andererseits die reaktive Überprüfung des Erfolgs von Maßnahmen und die Definition korrigierender Maßnahmen ermöglichen.
Daraus lassen sich die folgenden vier korrespondierenden Klassen definieren, die damit sowohl die Domäne der BE-Projekte als auch die Domäne der Aktivitäten vollständig beschreiben. Gleichzeitig sind durch die definierte Vorgehensweise für die Klassifizierung des CME diese Klassen offen für die Zuordnung neuer bzw. weiterer Beschreibungsparameter. Die entstehenden Klassen werden entsprechend der thematischen Schwerpunkte wie folgt bezeichnet: (1) Fachlichkeit, (2) Umfeld, (3) Kultur und Emotionen sowie (4) Steuerung. Hierbei ist zu beachten, dass die Begründung der Klassenbildung zwar anhand der Interviews, Fallstudien und Aktivitäten unterstützt wurde, die Klassen aber dennoch nicht hinreichend fundiert, sondern noch als hypothetisch anzusehen sind. Die nächsten beiden Schritte im Rahmen der Vorgehensweise sind demzufolge erstens die Population der Klassen und zweitens die Fundierung der gewählten hypothetischen Klassen durch die empirischen Fälle.
4.2.6 Bevölkerung und Fundierung der konzeptuellen Klassen Die „Bevölkerung“ der Klassen erfolgt nun über die schrittweise Zuordnung der Beschreibungsparameter.478 Hier stehen im Rahmen der Klassifikationstheorie drei Verfahren zur Verfügung. Zwei der Verfahren sind formale Verfahren, die eine Objektivierung der zugrunde liegenden Parameter verlangen. Dazu gehören erstens die Verfahren zur Bestimmung von Ähnlichkeitsmassen und zweitens der Einsatz von „unscharfen“ Mengen und linguistischen Variablen, die durch Methoden der so genannten „Fuzzy Logic“ ermöglicht werden. Das dritte Verfahren ist der Vergleich eines Beschreibungsparameters mit Standardobjekten auf der Basis von zuvor definierten Kriterien und der zwar subjektiven, aber nachprüfbaren Zuordnung der Parameter zu einer Klasse.479 Bevor eine der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für das weitere Vorgehen ausgewählt wird, erfolgt eine kurze Vorstellung und Diskussion der Verfahren. 1. Ähnlichkeitsmasse: Die Anwendung von Ähnlichkeitsmassen erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit der so genannten „Cluster Analysis“. Hierbei geht man davon aus, dass in einer gegebenen Daten- oder Objektmenge verschiedene Beziehungen 477
478
479
Unter dem Begriff „Steuerung“ im Sinne des Controlling wird hier nicht nur die „Kontrolle“ subsumiert, sondern auch die proaktive Steuerung, also die Synthese von sowohl reaktiven Maßnahmen durch historische oder so genannte „real-time“ Daten als auch aktiven Maßnahmen auf der Basis von Prognosedaten; vgl. Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten. In der Klassifikationstheorie besteht auch die Möglichkeit, bei einer hohen Anzahl an Beschreibungsparametern einen weiteren Schritt dazwischen zu schalten: die Aggregation zu Klassenobjekten. Dieser Schritt wird in diesem Fall nicht erwogen, weil die Menge der Beschreibungsparameter noch einen direkten Vergleich zulässt, insbesondere mit den nachfolgend eingeführten und als Zuordnungshilfsmittel vorgeschlagenen Standardobjekten. Die Aggregation hätte eher den Nachteil, dass zuviel Information über die Beschreibungsparameter verloren ginge und würde dem Satz „verdichten heißt vernichten“ entsprechen. Was nach Hand durchaus zulässig ist, wenn man größtmögliche Sorgfalt walten lässt, vgl. S. 4-17.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
205
bzw. Zusammenhänge bestehen, so dass Häufungen, also „Cluster“, gebildet werden. Verwendet man Ähnlichkeitsmasse, werden entweder Beziehungsmasse oder aber Korrelationskoeffizienten definiert. Das setzt voraus, dass die zueinander in Beziehung gesetzten Variablen oder Objekte Eigenschaften besitzen, die so quantifizierbar sind, dass sie, selbst wenn z. B. die Grenzwerte für die Zugehörigkeit zu einer Klasse subjektiv gesetzt werden, eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit ermöglichen. Diese Objektivierbarkeit ist jedoch bei rein sprachlichen definierten Objekten, die nicht, wie z. B. Aktien durch ihre Aktienkurse, quantifizierbar sind, nur schwierig zu erreichen. Selbst wenn man die so genannte Q-Analyse der Klassifikationstheorie, in der Objekte, wie z. B. Personen, über Ähnlichkeitsmasse zueinander in Beziehung gesetzt werden, zur Anwendung bringen wollte, müsste man eine hinreichende Menge von Variablen haben, die diese Personen wiederum entweder quantitativ (z. B. durch das Alter, Einkommen etc.) oder durch klar voneinander abgrenzbare Eigenschaften (Augenfarbe, Wohnort, Ausbildung etc.) beschreiben. Diese Ausführungen zeigen, dass die Zuordnung von nicht eindeutig quantifizierbaren, sprachlichen Objekten auf der Grundlage von quantitativen Methoden wegen der Forderung der Objektivierbarkeit erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt. 2. Die Konzepte der „unscharfen Mengen“ und „linguistischen Variablen“ im Rahmen der „Fuzzy Logic“: Eine Alternative zu den vornehmlich objektiv-quantitativen Vorgehensweisen bieten die Methoden der „Fuzzy Logic“. Der Begründer der „Fuzzy Logic“ Lotfi A. Zadeh hat sich Anfang der 70er Jahre aufgrund der von ihm identifizierten Unzulänglichkeiten der allgemeinen Systemtheorie zum Ziel gesetzt, vage Begriffe, wie z. B. „nah“ oder „fern“, mathematisch zu behandeln, so dass sie, z. B. in Inferenz- oder Entscheidungsunterstützungssystemen, „verarbeitbar“ werden, ohne ihre sprachlichen Charakteristika zu verlieren.480 Basierend auf der „Fuzzy Set Theorie“, also der Theorie der „unscharfen Mengen“, wurde das Konzept der „linguistischen Variablen“ entwickelt. Im Gegensatz zu numerischen Variablen sind die linguistischen Variablen keine Zahlenwerte, sondern Ausdrücke einer natürlichen oder künstlichen Sprache. Das Ziel dieser speziellen Form der unscharfen Mengen ist die gleichzeitige Erhaltung der Semantik (und damit des gespeicherten Wissens) der Sprache und Ermöglichung der Verarbeitung durch eine Applikation durch die Übersetzung in eine formale Sprache. Dem ersten Anschein nach bietet diese Form des Umgangs mit natürlich-sprachlichen Parametern und der Möglichkeit ihrer Formalisierung eine gute Möglichkeit, die gewünschte Zuordnung der Nebenobjekte vorzunehmen. Dennoch wird auch bei der Anwendung der linguistischen Variablen davon ausgegangen, dass eine Skala existiert, auf der die Grundwerte für die Parameter abgetragen werden können. Ein Beispiel wäre hier der Parameter „Alter“. Mit Hilfe der linguistischen Variablen wäre es möglich, eine unscharfe Teilmenge für die Ausdrücke „jung“, „alt“, „sehr alt“, „mehr oder weniger jung“ mit der Hilfe von entsprechenden mathematischen Vorschriften zu definieren. Das ist aber nur sinnvoll möglich, wenn der Grundausdruck „Alter“ quantifizierbar ist, also die Grundmenge z. B. zwischen Null und 100 definiert werden kann. Hier zeigt sich wiederum, dass auch dieses formale Konzept für die zugrunde liegende Fragestellung nicht anwendbar ist, weil die zuzuordnenden Nebenobjekte nicht sinnvoll quantifizierbar sind. 480
An dieser Stelle soll keine vertiefte Einführung in dieses Fachgebiet vorgenommen werden. Es sei auf folgende Literatur verwiesen: Zadeh, L. A.: Fuzzy Sets and Systems, in: Journal on Information and Control, (1965) 8, S. 333-338; Mayer, A. et al.: Fuzzy Logic, Bonn et al. 1993.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
206
3. Schritt- und paarweise Vergleiche der Beschreibungsparameter: Dieses nichtformale Vorgehen basiert auf dem paarweisen Vergleich aller Beschreibungsparameter. So könnte schrittweise festgestellt werden, welche Parameter zusammengehören und folglich in Klassen zusammengefasst werden könnten. Dieses Verfahren ist bereits ab einer geringen Anzahl von Beschreibungsparametern sehr aufwändig481. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der von Bailey vorgeschlagenen zweiseitigen, d. h. konzeptuellen und empirischen Vorgehensweise, kann diese dritte Variante bei gleichzeitiger Berücksichtigung forschungsökonomischer Aspekte auf die vorliegende Problemstellung übertragen und eingesetzt werden: Dabei werden in Anlehnung an die Verfahren der Astronomie so genannte „Standardkerzen“ definiert,482 die in der vorliegenden Arbeit als „Standardobjekte“ nach folgender Definition betrachtet werden:
Standardobjekte sind solche Beschreibungsparameter, die aufgrund der erfolgten ontologischen Definitionen im Schwerpunkt einer Klasse liegen. Sie sind eineindeutig in einer Klasse verankert. In Abbildung 53 findet sich eine Darstellung der schematischen Zusammenhänge zwischen den Beschreibungsparametern (empirische Basis) und den Klassen (konzeptuelle Basis). Deutlich wird einerseits die Definition jeweils eines Standardobjekts pro Klasse sowie andererseits die Zuordnung der verbleibenden Beschreibungsparameter durch Vergleiche mit den Standardobjekten. Die Voraussetzung für die Anwendung des zuvor ausgewählten Vorgehens ist, dass gut fundierte konzeptuelle Klassen existieren, die als Grundlage für die Definition der Standardobjekte dienen können. Diese Bedingung ist durch das Vorgehen in dieser Arbeit erfüllt. Mit dem vorgeschlagenen Schritt lässt sich eine drastische Reduktion der Vergleichsschritte erzielen, die eine Vereinfachung im Sinne der Forschungsökonomie darstellt. Nachfolgend werden die Effekte dieser Überlegungen kurz erläutert: Auf der Basis der oben bereits getroffenen Festlegungen existiert eine Menge von Beschreibungsparametern D = {d1, d2, ..., dw}. Die Beschreibungsparameter dj (mit j = 1,.,w) sollen den konzeptuellen Klassen ki (mit i = 1,..,m) und m = 4, zugeordnet werden. Damit können die Vergleichsschritte VGesamt, für den Vergleich der Beschreibungsparameter, wie folgt quantifiziert werden:
VGesamt
481 482
ww 1 2
Vgl. auch die dazu weiter unten angestellten Rechenüberlegungen. Das Verfahren ist aus der Biologie bekannt und dient dort z. B. der Klassifikation von Arten. Edwin Hubble hat in seinen Bemühungen die Ausdehnung und das Alter des Universums zu ermitteln, die so genannte „Hubble Konstante“ definiert, die sich auf Objekte im Weltall, Cepheiden, stützt, deren Helligkeit regelmäßig pulsiert und so Annahmen über die relative Entfernung anderer Objekte zulässt. Aufgrund der Ermittlung der Entfernung auf Basis der Helligkeitsschwankungen, werden die Objekte, wie z. B. Cepheiden, auch als Standardkerzen bezeichnet. Vgl. Friedman, H.: The Astronomer’s Universe, New York 1990.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
207
Empirische Basis Beschreibungsparameter
Vergleichsschritte
Standardobjekte für die Klassen, ermittelt aus den Beschreibungsparametern
Zuordnungsschritte
Klassen Konzeptuelle Basis
Abbildung 53: Schematischer Zusammenhang zwischen Klassen, ihren Standardobjekten und den zuzuordnenden Beschreibungsparametern Im vorliegenden Fall mit w = 88, hätte das 3828 Vergleichsoperationen zur Folge, was bei einem nicht-quantifizierbaren Datensatz, der damit nicht automatisierbar verarbeitbar ist, sehr aufwändig wäre und somit ein pragmatischeres Vorgehen erfordert. Die vorgeschlagene Reduktion der gesamten Vergleichsschritte VGesamtR durch die Definition eines Standardobjektes für alle Klassen ergibt sich zu VGesamt m( w m) , also für w = 88 und m = 4 zu VGesamt = 336, was die intendierte drastische Reduktion der durchzuführenden Vergleichsschritte herbeiführt. Dieses Vorgehen löst aber noch nicht das Problem der subjektiven Komponente bei der Auswahl der Standardobjekte und bei dem Vergleich von zuzuordnenden Beschreibungsparametern mit den Standardobjekten. Um dieses Problem, das in der Literatur auch als klassisches Dilemma der Klassifikationsbemühungen bezeichnet wird483, zu lösen, wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Es werden für beide Aufgabenstellungen transparente Kriterien definiert, auf deren Basis erstens die Auswahl der Standardobjekte erfolgt und zweitens die Vergleiche stattfinden. Darauf aufbauend kann dann unter größtmöglicher Sorgfalt für jeden Beschreibungsparameter entschieden werden, zu welchem Standardobjekt die größte Nähe besteht. Dieses Verfahren verzichtet auf jegliche mathematische Formalisierung und ist für die vorliegende Problemstellung das einzig sinnvoll anwendbare, denn die Standardobjekte und Beschreibungsparameter weisen eine sprachliche Beschreibung auf und können nur mit Mitteln der Sprache klassifiziert werden.484 Aufgrund der Zielsetzung des Klassifika483 484
Vgl. z. B. Bailey, K. D.: Typologies and Taxonomies: An Introduction to Classification Techniques, S. 17-25. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2.
208
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
tionsvorgehens sollen aber z. B. keine semantischen Ähnlichkeiten wie in der Methode von Hammerl identifiziert werden.485 Für die Grundlagen der Zuordnung wird der aus der Mathematik stammende Beziehungsbegriff verwendet, der aber nicht weiter formalisiert wird. Danach gibt es für die Klassifikation insgesamt vier verschiedene Möglichkeiten, wie eine Beziehung, auch Relation genannt, festgestellt werden kann:486 x
Bekanntschaftsrelation: Eine Person kennt eine andere Person.
x
Ordnungsrelation: Ein Objekt ist größer oder schwerer als ein anderes Objekt.
x
Äquivalenzrelation: Die Objekte gehören zu derselben Klasse einer bestimmten Partition.487
x
Ähnlichkeitsrelation: Die Objekte sind sich im Sinne einer festgelegten quantitativen oder qualitativen Ähnlichkeitsregel ähnlich.
Für die vorliegende Arbeit ist die letzte Relation relevant. Die Ähnlichkeitsrelation wird verwendet, um die Klassen zu bevölkern, indem eine Ähnlichkeit zwischen den Standardobjekten der Klasse und den Beschreibungsparametern geprüft wird. Dabei gilt es zu beachten, dass – wie bereits zuvor argumentiert – keine quantitative Ähnlichkeitsregel im Sinne eines Ähnlichkeits- oder Distanzmaßes zur Anwendung kommen kann. Die Kriterien, die für die Auswahl der Standardobjekte angewendet werden, lauten: x Es wird angestrebt, auf Basis der ontologischen Definition eines ausgewählten Objektes die größtmögliche Nähe zu der Definition der entsprechenden Klasse festzustellen. x Die ausgewählten Objekte sollen im paarweisen Vergleich die größtmögliche ontologische Distanz aufweisen. Eine ontologische Beziehung liegt in diesem Fall dann vor, wenn die Begriffe in den Wissensbereichen „Betriebswirtschaftslehre“, „Wirtschaftsinformatik“, „Organisationspsychologie“ und schließlich auch „Business Engineering“ verankert sind.488 Mit dieser Festlegung wird ausgeschlossen, dass es aufgrund von Homonymen aus anderen Wissensbereichen zu Fehlinterpretationen und schließlich Fehlzuweisungen kommt. Darüber hinaus bedeutet „ontologische Nähe“, dass die inhaltliche Definition und das Verständnis der Begriffe bzw. der hinter den Begriffen stehenden Konzepte ähnlich oder sogar gleich sind, also dass z. B. die gleiche Ebene des Bezugsrahmens mit den Begriffen beschrieben oder definiert wird. Im Rahmen jedes paarweisen Vergleichs kann für jedes Standardobjekt und jeden Beschreibungsparameter geprüft werden, ob diese ontologische Beziehung vorliegt; damit wird der Forderung nach Sorgfalt bei der Klassifikation entsprochen.
485
486 487
488
Vgl. Hammerl, R.: A Contribution to the Examination of Semantic Relations between Lexemes, in: Classification, Data Analysis, and Knowledge Organization – Models and Methods with Applications, Bock, H.-H., Ihm, P. (Hrsg.), Berlin et al. 1991, S. 149-155. Vgl. Bock, H.-H.: Datenanalyse: Zur Strukturierung und Ordnung von Information, in: Klassifikation und Ordnung, Wille R. (Hrsg.), Frankfurt a. M. 1989, S. 1-22, hier S. 18. Eine „Partition“ ist in diesem Fall in Bezug auf die statistische Bedeutung definiert als Zerlegung einer Objektmenge nach bestimmten Ordnungskriterien, vgl. Fleischer, K.-H.: Definitions- und Formelsammlung, http://www.wiwi.uni-marburg.de/Lehrstuehle/Statistik/Downloads/Secure/Lehre/ formelsammlung /formelfg.pdf (Zugriff: 10. April 2004). Vgl. Hesse, W.: Ontologie(n), in: Informatik-Spektrum, 25 (2002) 6, S. 477-480.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
209
Das Ergebnis des Vorgehens muss dann abschließend überprüft und damit validiert werden. Das angestrebte Ergebnis ist, dass sich alle Beschreibungsparameter auf Grundlage des Vergleichs eindeutig argumentierbar in die definierten Klassen einordnen lassen. Prinzipiell können die folgenden Schwierigkeiten auftreten: x
Ein Beschreibungsparameter lässt sich auf der Grundlage der Argumentation nicht nachvollziehbar zuordnen. Das bedeutet, dass die Klassenbildung nicht korrekt erfolgt ist und geprüft werden muss, ob eine weitere Klasse einzuführen ist.
x
Mehrere Beschreibungsparameter lassen sich nicht zuordnen und sind zudem nicht nachvollziehbar in eine neue gemeinsame Klasse einzuordnen. Hier kann der Fall eingetreten sein, dass die Hypothese, die zur Klassenbildung geführt hat, falsifiziert ist. Das hätte zur Folge, dass die Hypothesenbildung wiederholt werden müsste.
x
Eine ontologische Nähe von Beschreibungsparametern zu zwei oder sogar mehreren Standardobjekten besteht. In diesem Fall, der dann auch auf nicht genügende Sorgfalt bei der Auswahl der Standardobjekte schließen ließe, wäre die Redefinition dieser Objekte erforderlich.
In allen drei Fällen wäre der Zuordnungsprozess, der die Beschreibungsparameter durch Vergleich mit Standardobjekten den einzelnen Klassen zuweist, erneut zu durchlaufen. Untersucht man die üblicherweise angewendeten Verfahren bei nicht-quantitativen Klassifikationen, z. B. aus dem Bereich der Biologie, dann finden sich sehr ähnliche Vorgehensweisen.489 Zunächst wird eine Datenbasis durch Beobachtung auf der Grundlage bestimmter Kriterien ermittelt, dann werden die beobachteten Ausprägungen wiederum nach Kriterien, wie z. B. Ähnlichkeiten, in Klassen unterteilt, die dann bei Auftreten der oben genannten Schwierigkeiten redefiniert werden. Das Ganze erfolgt in der Regel auf Basis von „Versuch und Irrtum“ mit subjektiven Kriterien, aber durch ein sorgfältiges und transparent begründetes Vorgehen. Aufgrund der oben genannten Kriterien werden die folgenden vier Standardobjekte aus den Beschreibungsparametern ausgewählt. Ihre eindeutige Zugehörigkeit zu genau einer Klasse wird durch „Einschlussargumente“ begründet; zusätzlich wird durch „Ausschlussargumente“ untermauert, warum sie keiner anderen Klasse zugeordnet werden können: 1. Für die Klasse „Fachlichkeit“ repräsentiert der Beschreibungsparameter „Prozessarchitektur“ das Standardobjekt, weil x die Definition dieser Klasse auf die inhaltliche Struktur gegeben durch die drei Gestaltungsebenen „Strategie“, „Geschäftsprozesse“ und „Informations- und Kommunikationstechnologie“ abhebt. Die Prozessarchitektur bzw. der Prozess ist im BEVerständnis das Bindeglied zwischen der Strategieebene und der Ebene der Informations- und Kommunikationssysteme.490 Begriffe wie beispielsweise das „Projektergebnis“ können, obwohl es eines der zentralen inhaltlichen Aggregate darstellt, nicht ausgewählt werden, weil keine genügende ontologische Distanz zu den Beschreibungsparametern besteht, die ebenfalls auf das Projektergebnis wirken, aber ontologisch näher bei den anderen Klassen sind, wie z. B. „Erwartungen“, die näher an der Klasse „Kultur und Emotionen“ ist, oder „Lenkbarkeiten“, die der Klasse „Steuerung“ näher steht. Das gleiche gilt für den Beschreibungsparameter 489 490
Vgl. z. B. Oeser, E.: Begriff und Systematik der Abstraktion, S. 15-101. Vgl. Österle, H.: Business Engineering, S. 20-21.
210
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
„Informationsmanagement“, der auch mit Parametern, wie z. B. „Kennzahlen zur Steuerung“, verknüpft ist und eine deutliche ontologische Nähe zur Klasse „Steuerung“ hat. Die endgültige Untersuchung der ontologischen Distanz zwischen den Standardobjekten erfolgt am Ende dieses Abschnitts, wenn die Auswahl aller Objekte begründet wurde. x dieser Beschreibungsparameter weitere Parameter mit ähnlichen Inhalten zusammenführt, z. B. Prozessorientierung, Strategieprozess, und somit bereits ein Aggregat darstellt und damit der Abstraktion dient. Die ontologische Distanz des Beschreibungsparameters „Prozessarchitektur“ zu den anderen Klassen wird wie folgt begründet: x Er gehört nicht in die Klasse „Umfeld“, weil er sich mit einem direkt inhaltlichen Thema des Veränderungsprojekts auseinandersetzt und nicht, wie für die Klasse definiert, mit einem der konstituierenden Faktoren oder den Wechselbeziehungen zwischen Projekt und seinem Umfeld. x Er gehört nicht in die Klasse „Kultur und Emotionen“, weil er sich mit einem fachlichen Thema auseinandersetzt, das seinen Ursprung nicht in dem inhaltlichen Bereich der Unternehmenskultur oder dem sozialen Gefüge des Unternehmens hat. x Er gehört nicht in die Klasse „Steuerung“, weil er sich nicht mit den dynamischen Aspekten der Veränderung im Rahmen der Überwachung oder eben „Steuerung“ eines Systems auseinandersetzt, sondern vielmehr auf die „statische“ Perspektive491 in Bezug auf das Projektergebnis abzielt, die auf die bestehende oder zu verändernde Architektur fokussiert. 2. Für die Klasse „Umfeld“ repräsentiert der Beschreibungsparameter „Umfeldfaktoren“ das Standardobjekt, weil x dieser Parameter als Aggregat sämtlicher, das Umfeld betreffender Größen und auch weiterer Beschreibungsparameter, wie z. B. der ökonomischen Situation, dient und damit die Klasse und ihre inhaltlichen Konzepte vollumfänglich repräsentiert. x dieser Beschreibungsparameter eine große ontologische Nähe zu der Klasse aufweist. Die ontologische Distanz des Beschreibungsparameters „Umfeldfaktoren“ zu den anderen Klassen wird wie folgt begründet: x Er gehört nicht in die Klasse „Fachlichkeit“, weil er sich mit dem Projektumfeld und den Rahmenbedingungen, d. h. den Freiheitsgraden bzw. Restriktionen des Projekts auseinandersetzt, aber nicht mit den konkreten fachlich-inhaltlichen Themen des Veränderungsprojekts.
491
Der Begriff „statisch“ ist hier, wie die Anführungsstriche im Text auch andeuten, relativ zu verstehen. Eine Architektur ist natürlich auch nur bedingt statisch, aber sicher weniger flexibel als z. B. ein System, weil sie die konstituierenden Elemente und ihre Beziehungen zueinander definiert, nicht aber auf die Interaktion zwischen den Elementen oder die Input-Output-Beziehungen von beispielsweise Prozessen abhebt.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
211
x Er gehört nicht in die Klasse „Kultur und Emotionen“, weil hier die direkt projektbezogenen Aspekte dieses Themas behandelt werden, aber nicht die umfeldbezogenen Details. x Er gehört nicht in die Klasse „Steuerung“, weil in dieser Klasse zum einen ebenfalls die projektbezogenen Steuerungsaspekte relevant sind und zum anderen, wie bereits für den Ausschluss aus der Klasse „Fachlichkeit“ argumentiert, die Umfeldfaktoren die Rahmenbedingungen fokussieren und damit das „Systemumfeld“ definieren, aber nicht auf die Aktionen in diesem System abheben. 3. Für die Klasse „Kultur und Emotionen“ repräsentiert der Beschreibungsparameter „Wirklichkeitskonstruktion“ das Standardobjekt, weil x die Art und Weise, wie die verschiedenen Wirklichkeitskonstruktionen in einem Unternehmen stattfinden, von den Kulturen und der Emotionalität der Menschen im Unternehmen abhängen. Die Wirklichkeitskonstruktion fokussiert die nicht „fachlichen“, d. h. nicht unbedingt eindeutig beschreib- und bestimmbaren Faktoren, die aber genau die emotionalen Aspekte eines Veränderungsprojekts erfassen. x sie als Aggregat weitere Beschreibungsparameter im kulturell-emotionalen Umfeld einschließt, wie z. B. „Erwartungen der Beteiligten“, „Mitarbeiterzufriedenheit“, „Analyse der dominanten Unternehmenskultur und der beobachtbaren Subkulturen“ oder auch „Wirklichkeitsordnung“. Die ontologische Distanz des Beschreibungsparameters „Wirklichkeitskonstruktion“ zu den anderen Klassen wird wie folgt begründet: x Er gehört nicht in die Klasse „Fachlichkeit“, weil er sich, wie bereits zuvor kurz angedeutet, nicht auf die eindeutig dokumentierbaren fachlichen Inhalte bezieht, die nachvollziehbar beschrieben werden können. Auch überbrückt dieser Beschreibungsparameter die rein projektbezogene und die rein umfeldbezogene Sichtweise, indem sowohl das Projekt, in dem die Veränderung „entwickelt“ wird, als auch das Unternehmen, das die Veränderung „aufnehmen“ muss, als Betrachtungsobjekte zugrunde gelegt werden. x Sie gehört nicht in die Klasse „Umfeld“, weil nicht ausschließlich umfeldbezogene Faktoren einbezogen werden. Zudem sollen in dieser Klasse keine kulturellen oder emotionalen Aspekte berücksichtigt werden, sondern nur klar greifbare und damit präzise dokumentierbare Rahmenbedingungen. x Sie gehört nicht in die Klasse „Steuerung“, weil mit dem Beschreibungsparameter keine Steuerungsaspekte aufgegriffen werden. Sie dient der Erfassung und, so adäquat möglich, Beschreibung des „Zustandes“ der Wirklichkeitskonstruktionen im Unternehmen. 4. Für die Klasse „Steuerung“ repräsentiert der Beschreibungsparameter „Kennzahlen zur Steuerung“ das Standardobjekt, weil x durch das Konzept der Kennzahlen und Kennzahlensysteme die Steuerung erst ermöglicht wird und damit wahrscheinlich im Sinne der ontologischen Nähe zu einer Klasse bei keinem anderen Beschreibungsparameter ein höherer Zugehörigkeitsgrad festgestellt werden kann.
212
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
x dieser Beschreibungsparameter wiederum andere, für Steuerungsaspekte typische Parameter, wie z. B. „Qualitative Steuerungsgrößen“, „Maßnahmen bei Abweichung“, subsumiert. Die ontologische Distanz des Beschreibungsparameters „Kennzahlen zur Steuerung“ zu den anderen Klassen wird wie folgt begründet: x Er gehört nicht in die Klasse „Fachlichkeit“, weil er sich auf die dynamischen Aspekte des Veränderungsprozesses konzentriert und nicht allein auf die Abbildung des fachlichen Gerüsts im Rahmen der Strategie, der Geschäftsprozesse oder der Informations- und Kommunikationssysteme. Der Steuerungsaspekt ist dabei also umfassender angelegt, weil er auch die Steuerungspotenziale der kulturellen und emotionalen Faktoren berücksichtigt. x Er gehört nicht in die Klasse „Umfeld“, weil sich die Steuerungsaspekte auf das Veränderungsprojekt beziehen und keine Steuerungspotenziale des Projektumfeldes berücksichtigen. Zudem definiert das Umfeld den Rahmen für das Projekt, aber nicht die dynamischen Elemente der Steuerung. x Sie gehört nicht in die Klasse „Kultur und Emotionen“, weil in dieser Klasse die beobachtbaren kulturellen und emotionalen Ausprägungen des sozialen Systems „Unternehmen“, z. B. die sozialen Prozesse, d. h. die explizite und implizite Interaktion von Mitarbeitern zusammengefasst werden. Dabei können wiederum die bereits zuvor angeführten Punkte angebracht werden: Der Aspekt der Steuerung soll explizit nicht berücksichtigt werden, weil mit den hier subsumierten Beschreibungsparametern ein Abbild der Situation im Unternehmen erstellt werden soll, sei es ein IST- oder ein SOLL-Abbild, nicht aber der Übergang von einem zum anderen. Somit fallen sämtliche Aspekte der Steuerung in die entsprechende Klasse. Die ontologische Distanz zwischen den Standardobjekten kann also, wie in Tabelle 11 gezeigt, zusammengefasst werden. Nachdem die Standardobjekte für jede Klasse bestimmt sind, kann nun der nächste Schritt erfolgen: die Zuordnung der verbliebenen Beschreibungsparameter zu den Klassen. Folgende Kriterien werden für die Zuordnungen definiert: x Zu dem Standardobjekt der Klasse, in das die Beschreibungsparameter eingeordnet werden, muss eine ontologische Beziehung bzw. Nähe vorliegen, die größer ist als zu jedem der anderen Standardobjekte. x Es muss eine definitorische Nähe zu der Klasse vorliegen, die größer ist als zu den anderen Klassen. Unter „definitorische Nähe“ wird in diesem Zusammenhang auf der Grundlage der Definition der Hauptthemen des Bezugsrahmens die große Ähnlichkeit der begrifflichen Definition oder Beschreibung eines Parameters zu dem entsprechenden Themenschwerpunkt und damit zur korrespondierenden Klasse verstanden.492
492
Der Begriff „Ähnlichkeit“ wird hier definiert als ontologische Nähe der Begriffe.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
213
Prozessarchitektur
Umfeldfaktoren
Kennzahlen zur Steuerung
Wirklichkeitskonstruktion
Während die Prozessarchitektur sich mit eindeutig und auch sachlich nachvollziehbar dokumentierbaren fachlich-betriebswirtschaftlichen Inhalten auseinandersetzt, beschäftigt sich die Wirklichkeitskonstruktion mit den Aspekten, die nicht eindeutig beschreibbar sind und im Fachgebiet der Psychologie verankert sind.
Die Umfeldfaktoren beschreiben die dokumentierbaren Faktoren aus dem Umfeld eines Veränderungsprojekts, die sich ebenfalls eher auf die fachlich-betriebswirtschaftlichen Aspekte konzentrieren. Damit ist auch hier, wie bereits zuvor, die ontologische Distanz deutlich identifizierbar.
Auch hier gelten wieder die gleichen Argumente der „statischen“ Abbildung und „dynamischen“ Steuerung; sie werden deshalb hier nicht wiederholt.
Kennzahlen zur Steuerung
Die Prozessarchitektur dient der Abbildung eines bestehenden oder angestrebten Zustandes. Damit dominiert bei diesem Beschreibungsparameter die eher als statisch zu bezeichnende Abbildungsfunktion. Die Kennzahlen zur Steuerung hingegen bilden zwar zunächst auch eine bestehende oder angestrebte Situation ab, aber nutzen das als Basis für die Veränderung des Zustandes bzw. zur Erreichung eines Zustandes; hier rückt also der dynamische Aspekt in den Vordergrund.
Hier kann eine sehr ähnliche Argumentation wie bereits zuvor angeführt werden: die Umfeldfaktoren stellen ein Abbild des gültigen und für das Projekt relevanten Umfeldes dar, aber sie berücksichtigen nicht den dynamischen Aspekt.
Umfeldfaktoren
Die Prozessarchitektur beschäftigt sich mit einem inhaltlichen Thema des Veränderungsprojekts und stellt darüber hinaus einen möglichen Bestandteil des Projektergebnisses dar. Die Umfeldfaktoren hingegen dienen der Beschreibung des Projektumfeldes und damit der Bedingungen für das Projekt und z. B. einsetzbare Methoden. Sie sind kein Bestandteil des Projektergebnisses oder der ziele.
Tabelle 11: Begründung der ontologischen Distanz zwischen den Standardobjekten
214
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Für die Durchführung der Zuordnung werden die Beschreibungsparameter mit den Standardobjekten verglichen und unmittelbar auf der Basis der entsprechenden Einschlussund Ausschlussbegründungen in eine der vier Tabellen für die Standardobjekte eingeordnet. Hierbei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass viele der Parameter erst Relevanz erhalten oder interpretierbar werden, wenn sie – ähnlich wie bei der Beziehung zwischen Kennzahlen und Kennzahlensystemen - mit anderen Parametern zusammen betrachtet werden. Das bedeutet für die Argumentation für oder gegen die Zuordnung in eine Klasse, dass klar differenziert werden muss, welche Aspekte in die Definition eines Parameters integriert und damit bestimmend für die Zuordnung in eine Klasse sind und welche Aspekte durch weitere Parameter (auch aus anderen Klassen) ergänzt werden. Der Zuordnungsprozess beginnt mit der Klasse „Fachlichkeit“ und den Einschluss- sowie Ausschlussbegründungen für die Parameter aus den Interviews, Fallstudien und Methoden bzw. Erklärungsmodellen. Für die anderen konzeptuellen Klassen wird dasselbe Vorgehen gewählt und im vierten und letzten Schritt erfolgt die Begründung der Einordnung aller nach den vorhergehenden Prozessschritten übrig gebliebenen Parameter. Hier stellt sich noch einmal die Frage, ob alle verbliebenen Parameter tatsächlich in die Klasse „Steuerung“ einzuordnen sind, oder ob die weiter oben bereits erwähnten Problemstellungen eintreten, die ein erneutes Durchlaufen des Zuordnungsprozesses erforderlich machen. Trotz einiger Grenzfälle, bei denen ausführlichere Begründungen erforderlich waren, ließen sich alle Parameter in die Klassen einordnen. Im Fall einer rein hypothetischen Klassenbildung muss, nach Bailey und zur Erlangung der angestrebten Indikatorebene493, eine Fundierung anhand von empirischen Typen stattfinden.494 Im vorliegenden Fall sind, wie bereits oben ausgeführt, die Beschreibungsparameter bei der Klassenbildung hinzugezogen worden, so dass kein rein hypothetisches Vorgehen, sondern quasi ein „semihypothetisches“ Vorgehen vorliegt. Da die Forderung nach polythetischen und überlappungsfreien Klassen495 auf der Grundlage der Population mit den Beschreibungsparametern vollständig für die definierten vier Klassen erfüllt werden kann, ist die Fundierung gelungen. In Abbildung 54 sind die Ergebnisse des Zuordnungsprozesses noch einmal grafisch zusammengefasst. Mit diesem letzten Schritt ist die Entwicklung der Klassifikationstheorie für das CME abgeschlossen, so dass nun die Ableitung der entsprechenden Standardaktivitäten erfolgen kann.
493 494
495
Vgl. auch Abbildung 51 sowie die Ausführungen dazu. Hier könnte dann z. B. ein Vorgehen gewählt werden, wie es Eisenhardt vorschlägt: Eisenhardt, K. M.: Building Theories from Case Study Research, in: Academy of Management Review, 14 (1989) 4, S. 532-550. Vgl. S. 135-137
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Fachlichkeit Art der Kommunikation
Kundenzufriedenheit
Betrachtungszeitraum
Managementsystem
Prozessarchitektur Prozessorientierung
Einbezug von Zufälligkeiten
Methodeneinsatz
Ressourcenallokation
Entscheidungsprozesse
Nullalternative
Entwicklungsmodus
Organisationsarchitektur und Organisationsstrukturen
Rollen Stil der Initiierung
Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Fähigkeitenprofil Freiheitsgrade Geschäftslogik Herausforderungen Informationsmanagement
Organisatorisches Lernen Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Produktsicht (Output)
Strategieprozess Technologische Infrastruktur Thema des Veränderungsprojekts Transparenzgrad Treiber Veränderungsprozess
Projektergebnis
Vernetzungsgrad
Intention und Implementation
Projektlebenszyklus
Kernkompetenzen
Projektorganisation
Vision und Mission Wertschöpfung
Kommunikationskanäle
Projektumfang
Wirkungsradius
Konsequenzen
Projektziele
Wissensmanagementprozess
Umfeld
Steuerung
Auslöser
Kennzahlen zur Steuerung
Diskontinuitäten
Lenkbarkeiten
Einfluss durch den Wettbewerb
Maßnahmen bei Abweichungen Maßnahmen bei Widerständen
Einfluss durch Stakeholder
Meilensteine
Marktgröße und –potenzial
Qualitative Steuerungsgrößen
Milieu
Qualitätsmaßnahmen Sicherstellung der Nachhaltigkeit
Ökonomische Situation
Szenarien
Umfeldfaktoren
Veränderungsgeschwindigkeit
Kultur und Emotionen Adressaten der Veränderungsprozesse
Mentalität/geistige Haltung
Dominante Unternehmenskulturen und beobachtbare Subkulturen
Mitarbeiterzufriedenheit
Erwartungen der Beteiligten Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten
Nutzen Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen Schlüsselpersonen Spassfaktor
Führung: Kognitive Diversität
Stabilisierende Faktoren
Führung: Management Commitment und Vorleben
Struktur der Gruppenprozesse
Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt) Güte der Beziehungen zwischen Akteuren
Struktur der Kommunikationsnetzwerke Vermittlung des Sinns Widerstände
Kommunikationsverhalten
Wirklichkeitskonstruktion
Machtstrukturen
Wirklichkeitsordnung
Abbildung 54: CME-Klassen und zugeordnete Beschreibungsparameter
215
216
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
4.2.7 Ableitung der Standardaktivitäten des Change Method Engineering Die Methodenkonstruktion für die Durchführung von Veränderungsprojekten ist ein zentraler Schritt, um die Steuerbarkeit der Projekte zu gewährleisten. Die für ein spezifisches Projekt geeigneten Methoden ergeben sich erst aus der detaillierten Beschreibung auf der Grundlage der CME-Klassen. Das bedeutet, dass die Methodenkonstruktion dynamisch und situationsabhängig ist. Aus diesem Grund sind für die situative Methodenkonstruktion einerseits so genannte „Zustände“ und andererseits Regeln zu definieren, nach denen nachvollziehbar diejenigen Aktivitäten auszuwählen sind, die sich bei spezifischen Ausprägungen der Beschreibungsparameter eignen. Die Beschreibungsparameter werden in die Aktivitäten konvertiert, indem sie den verschiedenen Phasen, aus denen sich der jeweilige Input und Output definiert, zugeordnet werden.496 Unterstützt wird die Methodenkonstruktion durch die so genannten CME-Standardaktivitäten. Sie setzen sich zusammen aus den Aktivitäten, die in jedem Interview, jeder Fallstudie und jeder Methode genannt wurden bzw. sehr häufig auftreten und damit als Standardaktivitäten identifiziert werden können.497 Die Standardaktivitäten stellen also die Basis jeder individuellen Methode dar und werden deshalb nachfolgend als „CME-Basis“ bezeichnet. Durch die zu definierenden Regeln werden sie in Abhängigkeit der Situation, also des geltenden „Zustands“, mit den fallspezifisch geeigneten Aktivitäten ergänzt, die nicht zur CME-Basis gehören. Bisher sind die Beschreibungsparameter identifiziert und klassifiziert worden. Die Konvertierung der Parameter zu Aktivitäten erfolgt durch die Zuordnung zu den Schritten der Input- und Outputphase, die zu Beginn des Kapitels definiert worden sind. Nun muss der nächste Schritt erfolgen, indem wieder auf die Datenbasis zurückgegriffen und dabei eine Analyse der Häufigkeit ihres Auftretens durchgeführt wird. Im Anschluss daran werden die Interviews und die Fallstudien erneut analysiert. Diesmal erfolgt die Analyse allerdings unter dem Gesichtspunkt von Mustern, die sich aus einer so genannten „cross case analysis“ ergeben.498 Mit diesem Vorgehen sollen Hinweise für die Bildung der Regelbasis im Rahmen der Auswahl der Nicht-Basisaktivitäten erarbeitet werden. Ist dieser Schritt erfolgt, ist das Vorgehen für die Methodenkonstruktion abgeschlossen. Um die Basisaktivitäten zu identifizieren und einen Hinweis auf die Regeln für die Methodenkonstruktion zu erhalten, ist eine eingehende Analyse aller Beschreibungsparameter und ihrer Nennung innerhalb der verschiedenen Datenquellen499 erforderlich. Die folgenden Hypothesen werden zugrunde gelegt:
496 497 498
499
Vgl. Kapitel 4.3.1. Die genauen Regeln, nach denen Aktivitäten in die CME-Basis aufgenommen werden, sind in nachfolgenden Unterkapiteln noch genauer zu spezifizieren. Der englische Begriff „cross case analysis” wird gewählt, weil damit ein bestimmtes Konzept der Fallstudienanalyse verbunden ist und somit eine Übersetzung dieses „terminus technicus“ nicht sinnvoll wäre. Vgl. Yin, R. K.: Case Study Research: Design and Methods, 3. Aufl., Thousand Oaks et al. 2003. Der Begriff „Datenquellen“ subsumiert die Interviews, Fallstudien und Methoden aus der Literatur, die zur Ermittlung der Beschreibungsparameter herangezogen wurden.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
217
x
Es lassen sich bestimmte Schwerpunkte bei der Nennung von Aktivitäten feststellen, die solche Aktivitäten kennzeichnen, die für jedes bzw. nahezu jedes Veränderungsvorhaben relevant sind.
x
Die CME-Basisaktivitäten umfassen alle Klassen des CME.
Aufgrund dieser Hypothesen ergeben sich die folgenden Fragestellungen: x
Welche Beschreibungsparameter treten mit welcher Häufigkeit in den Datenquellen auf? Die Ergebnisse der Analyse sind Listen mit aus den Beschreibungsparametern abgeleiteten Aktivitäten der CME-Basis und der Nicht-Basis.
x
Sind alle Klassen in den identifizierten Basisaktivitäten vertreten? Denn aufgrund der Aussage, dass Veränderungen erst dann umgesetzt werden können, wenn sie auf allen Ebenen des Business Engineering greifen, sollten sich auch hier die Klassen vollständig widerspiegeln.
Damit von einer relevanten Zugehörigkeit zur CME-Basis gesprochen werden kann, wird festgelegt, dass nur solche Aktivitäten zur CME-Basis gezählt werden, die in 75 % aller untersuchten Quellen genannt werden. Die drei Datenquellen werden zunächst einzeln ausgewertet, und daran anschließend werden die identifizierten Basisaktivitäten zur CME-Basis zusammengefügt. Zunächst werden die Ergebnisse der Interviews untersucht. Es wurden 52 verschiedene Unternehmen in die Stichprobe aufgenommen, so dass der Grenzwert für die Zugehörigkeit zur CME-Basis aufgrund der Grenze von 75 % hier bei 39 Nennungen liegt. Die zweite untersuchte Datenquelle ergab sich durch die in der Literatur dokumentierten Fallstudien. Hier haben sich bei 14 untersuchten Fällen wiederum gut zuordenbare Basisund Nichtbasisaktivitäten ergeben. Der Grenzwert der Zugehörigkeit liegt bei Anwendung der Schwelle von 75 % bei 11 Nennungen. Im Rahmen der Analyse der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle hat sich die letzte Gruppe der CMEBasisaktivitäten und Nicht-Basisaktivitäten ergeben. Bei 23 untersuchten Methoden und Modellen liegt der Grenzwert der Zugehörigkeit bei 17 Nennungen. Nach der Einzelbetrachtung können nun die Ergebnisse zusammengefasst werden. Die konsolidierte CME-Basis ergibt sich aus der Vereinigungsmenge der CME-Basisaktivitäten aus den Partialbetrachtungen (vgl. Tabelle 12). CME-Basisaktivitäten Analyse der Auslöser Analyse der dominanten Unternehmenskulturen und Subkulturen Analyse der Erwartungen der Beteiligten Analyse der Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt) Analyse der Herausforderungen Analyse der Konsequenzen Analyse der Machtstrukturen Analyse der Mentalität/geistige Haltung Analyse der Mitarbeiterzufriedenheit
218
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
CME-Basisaktivitäten Analyse der ökonomischen Situation Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Ist- und Sollperspektive) Analyse und Definition der Organisationsarchitektur und Organisationsstrukturen (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition der technologischen Infrastruktur (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition der Treiber Analyse und Definition der Wertschöpfung (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Managementsystems Analyse und Definition des Nutzens Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Ist- und Soll-Perspektive) Definition der Adressaten der Veränderungsprozesse Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Definition der Fähigkeitenprofile Definition der Kennzahlen zur Steuerung Definition der Kommunikationskanäle Definition der Projektziele Definition der Ressourcenallokation Definition der Vision und Mission Definition des Projektergebnisses Definition des Projektumfangs Definition des Veränderungsprozesses Definition und Planung der Art der Kommunikation Definition von Maßnahmen bei Abweichungen Definition von Maßnahmen bei Widerständen Definition von Meilensteinen Ermittlung der Prozessorientierung Ermittlung der Struktur der Gruppenprozesse Ermittlung der Widerstände Ermittlung des Einflusses durch die Stakeholder Festlegung der Rollen Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Überlegungen zum Methodeneinsatz (und Definition der Methode) Überlegungen zum und Sicherstellung des organisatorischen Lernens Vermittlung des Sinns
Tabelle 12: Die Aktivitäten der CME-Basis
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
219
Damit konnte die erste Hypothese verifiziert werden: Es gibt tatsächlich Schwerpunkte bei den Nennungen, so dass zwischen CME-Basis- und Nicht-Basisaktivitäten unterschieden werden kann. Die zweite Hypothese bzw. zweite Frage, die sich gestellt hat, zielt darauf ab, ob alle Klassen im Rahmen des CME vertreten sind. Aufgrund der Analyse der CME-Basis kann festgehalten werden, dass alle Klassen vertreten sind und zwar mit den in Abbildung 55 gezeigten Anteilen der CME-Basisaktivitäten, wobei die Anteile der jeweiligen Basisaktivitäten, die zu einer bestimmten Klasse gehören in Relation zu der Gesamtmenge der Aktivitäten gemessen worden sind, um die Verteilung auf die Klassen zu erheben. Es sind zwei kleinere Schwerpunkte auf den Klassen „Fachlichkeit“ und „Kultur und Emotionen“ zu erkennen, die zeigen, dass hier der Hauptfokus der Aktivitäten liegt. Dennoch ist eine sehr ausgewogene Verteilung zu beobachten, die für die Ganzheitlichkeit der Betrachtung bei der Definition eines Veränderungsprojekts spricht. Die zentrale Implikation dieses Ergebnisses ist, dass jeder Veränderungsarchitekt über thematisch breit gestreute Techniken verfügen bzw. in diesen Techniken ausgebildet sein sollte, die es ihm erlauben, die Aktivitäten der CME-Basis auszuführen. Damit ist als Veränderungsarchitekt eher der Generalist gefordert als der Spezialist. Nur wenn ein solches Fähigkeitenprofil berücksichtigt wird, kann die Grundlage für eine erfolgreiche Steuerung gelegt werden. Anteile der Basisaktivitäten an den CME Klassen
0.70 0.60 0.50
0.63 0.55
0.40
0.40
0.38
Anteil 0.30 0.20 0.10 0.00 Fachlichkeit
Umfeld
Kultur und Emotionen
Steuerung
Klassen
Abbildung 55: Verteilung der Basisaktivitäten auf die vier Klassen des CME
4.3 Definition der Regelbasis für die Methodenkonstruktion Die folgenden Kapitel dienen einerseits der Analyse der Datenbasis, um Muster und Ähnlichkeiten jeweils getrennt zwischen den untersuchten Interviews, den Fallstudien sowie den Veränderungsmethoden zu identifizieren. Auf der Grundlage der Ergebnisse sollen
220
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
dann andererseits die Regeln für die dynamische Methodenkonstruktion hergeleitet werden. Wie bereits zu Anfang kurz diskutiert, ist hier zu beachten, dass eine Regeldefinition im Rahmen des sozialen Systems nur bedingt zu eindeutigen und wiederholbaren Ergebnissen führen kann. Auch wenn zum Teil „Wenn-Dann-Sätze“ gebildet werden, kann es hier keine „Sicherheit“ im Sinne des rationalistischen Paradigmas in Bezug auf die vollständige Objektivität und „Wahrheit“ der Regeln geben. Es werden stattdessen Handlungshinweise und Anregungen gegeben, die sich aus der Clusteranalyse ableiten lassen und damit die Auswahl der zusätzlichen Aktivitäten unterstützen sollen – gefordert sind aber die Fähigkeiten des Veränderungsarchitekten und sein kontextabhängiges Urteil.
4.3.1 Ausgangslage und Hypothesen Die drei zur Verfügung stehenden Datenquellen werden getrennt analysiert, weil sie nicht auf vollständig gleichen Beschreibungsparametern aufbauen. Eine Clusteranalyse macht nur dann Sinn, wenn die Parameter, nach denen eine Zusammenfassung geschieht, gleich sind. Das Ziel dieser Analyse ist es, die nicht zur CME-Basis gehörigen Aktivitäten auf der Grundlage von Regeln situationsspezifisch zuordenbar zu machen. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, lauten wie folgt: x
Welche Muster, d. h. immer wieder auftretende Kombinationen von Aktivitäten, lassen sich in der „cross case analysis“ erkennen? Welche Rückschlüsse lassen sich für die Regelbasis ableiten?
x
Welche Veränderungsthemen liegen diesen Mustern zugrunde? Tritt also eine bestimmte Kombination von Aktivitäten immer wieder für ein Thema auf? Welche Rückschlüsse lassen sich für die „Themen-Aktivitäten-Kombination“ ziehen, und gibt es hier z. B. „Muss-Kombinationen“?
x
Nach welchen Kriterien lassen sich die Regeln systematisieren?
Die folgende Hypothese liegt diesen Fragen zugrunde: x
Bestimmte Themenstellungen und damit Typen von Veränderungsprojekten erfordern eine bestimmte Kombination von Aktivitäten.
Die Grundkomponenten für die Methodenkonstruktion ergeben sich aus einer Betrachtung genereller Zusammenhänge zwischen Methoden, Aktivitäten und Projekten, die aus der Sicht des BE in Abbildung 56 grafisch auf Basis eines Entity-Relationship-Modells zusammengefasst sind. Das bedeutet, dass die Rechtecke als Entitätstypen und die Kanten als Beziehungstypen interpretiert werden.500 Die Lesweise dieses Modells erfolgt von links nach rechts, und das Modell drückt aus, dass x Veränderungsmethoden aus einer oder mehreren Aktivitäten bestehen müssen, wobei Aktivitäten definiert sind als Verrichtungseinheiten, die Ergebnisse erzeugen und diese an andere Aktivitäten weitergeben können,501
500 501
Vgl. zum Entity-Relationship-Modell: Chen, P. P.-S.: The Entity-Relationship Model – Toward a Unified View of Data, in: ACM Transactions on Database Systems, Vol. 1 (1976) 1, S. 9-36. Vgl. Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge des Business Engineering, S. 88 und Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, S. 12-14.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
221
x Aktivitäten wiederum aus weiteren Aktivitäten bestehen können, x Aktivitäten (durch Allokationsregeln) zu BE-Methoden zusammengeführt werden, x BE-Methoden auf ein oder mehrere BE-Projekte Anwendung finden müssen. Implizit liegt dieser Abbildung die Tatsache zugrunde, dass hinter jeder Aktivität die weiteren Elemente des Methoden Engineering (Rolle, Ergebnisse, das Informationsmodell, Techniken, Werkzeuge) stehen, die die entstehende Methode operationalisieren. (0,n) Veränderungsmethoden
(1,m) (1,n) bestehen aus
Aktivitäten
(0,n)
(0,m)
werden zusammengeführt
(1,m)
bestehen aus
BE Methoden
(1,m) (1,n) werden angewendet auf
BE Projekte
Abbildung 56: Entstehung von BE-Methoden durch die zielgerichtete Kombination von Aktivitäten aus Veränderungsmethoden
4.3.2 Analyse der Datenbasis Um die Fragen beantworten bzw. die Hypothesen verifizieren zu können, ist eine statistische Analyse der Datenquellen erforderlich. Die Frage, ob es im Rahmen der „cross case analysis“ bestimmte Kombinationen gibt, die sich zu wiederkehrenden Mustern zusammenfügen lassen, kann mit Hilfe der Clusteranalyse untersucht und in einem so genannten Dendrogramm abgebildet werden. Die Clusteranalyse dient der Ermittlung von Gruppen ähnlicher Objekte auf der Basis von mehrdimensionalen Daten oder Ähnlichkeiten. Diese Gruppen sind nichts anderes als Klassen, bei denen die Objekte das Kriterium erfüllen müssen, dass sie in einer Klasse eine möglichst hohe Homogenität aufweisen und zwischen den Klassen entsprechend eine möglichst hohe Heterogenität.502 Eine Clusteranalyse erfolgt grundsätzlich in drei Schritten503. Zunächst ist das Proximitätsmaß auszuwählen und anzuwenden, mit dessen Hilfe die Unterschiede zwischen den Objekten bestimmt werden sollen. Die Anwendung des Maßes führt zu einer Proximitätsmatrix, die für alle Paare von Objekten die Ähnlichkeit bzw. Distanz im Sinne dieses Maßes angibt. Anschließend ist der so genannte Fusionierungsalgorithmus auszuwählen. 502
503
Vgl. dazu z. B. Hartung, J.: Statistik, 6. Aufl., München und Wien 1987, S. 860; Schnell, R., Hill, P., Esser, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 427-429; Gorsuch, R. L.: Factor Analysis, 2. Aufl., Hillsdale 1983, S. 5-9. Vgl. zu den Grundlagen der Clusteranalyse z. B. Backhaus, K. et al.: Multivariate Analysemethoden, 9. Aufl., Berlin et al. 2000, S. 328-389.
222
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Dieser Algorithmus dient dazu, die Objekte in Abhängigkeit von ihrer Ähnlichkeit bzw. Distanz in Cluster einzuordnen. Die entstehende Clusterung ist mehrstufig, d. h., dass Cluster gebildet werden, die ihrerseits Cluster enthalten. Aus diesem Grund muss im letzten Schritt eine Festlegung vorgenommen werden, welche maximale Distanz zwischen den Objekten innerhalb eines Clusters noch derart interpretiert werden soll, dass von Ähnlichkeit gesprochen werden kann. Die Anwendung dieses allgemeinen Vorgehens auf die vorliegende Problemstellung führt zu folgenden Festlegungen: x Da die beobachteten Objekte durch binäre Variablen beschrieben werden, war ein für diesen Variablentyp geeignetes Proximitätsmaß auszuwählen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass bei der hier durchgeführten Analyse die Anwesenheit eines Merkmals (Variablenwert „1“) in gleicher Weise zu behandeln ist, wie die Abwesenheit eines Merkmals (Variablenwert „0“). Die Wahl fiel daher auf die quadrierte euklidische Distanz. x Da der Ausgangspunkt der Clusterung einzelne Objekte waren, musste einer der hierarchischen Fusionierungsalgorithmen gewählt werden. Innerhalb dieser Algorithmen fiel die Wahl auf den so genannten „Average Linkage“-Algorithmus und damit auf einen der agglomerativen Algorithmen. Diese Algorithmen bilden beginnend mit einzelnen Objekten stufenweise immer größere Cluster; das Gegenstück sind divisive Algorithmen, mit deren Hilfe sich gegebene Cluster stufenweise in kleinere Cluster zerlegen lassen. Die Besonderheit bei „Average Linkage“ besteht darin, dass die Fusionierung eines Objekts mit einem Cluster auf Basis der durchschnittlichen Distanz des Objekts zu den Objekten innerhalb des Clusters durchgeführt wird. Das gleiche Prinzip wird bei der Fusionierung von zwei Clustern angewendet. Im Gegensatz zu den übrigen agglomerativen hierarchischen Fusionierungsalgorithmen (z. B. „Single Linkage“ und „Complete Linkage“) besitzt „Average Linkage“ keine Tendenz zur Bildung bestimmter Gruppengrößen und wird daher als „konservativ“ bezeichnet (im Gegensatz zu „kontrahierend“ und „dilatierend“). x Das zur Analyse verwendete Werkzeug504 stellt die Distanzen auf einer normierten Skala mit Werten zwischen 0 und 25 dar. Als maximale Distanz innerhalb eines Clusters wurde der Wert 12.5 festgelegt, dies um Ähnlichkeiten nur insoweit als solche zu betrachten, als die Objekte bzw. Cluster voneinander höchstens die Hälfte der Distanz aufweisen, die als Maximaldistanz zwischen Clustern beobachtet wurde. Dendrogramme stellen die hierarchische Clusterstruktur grafisch dar, die sich aus der Anwendung eines Distanzmaßes und eines Fusionierungsalgorithmus’ ergibt. Damit ist ein Dendrogramm ein Baum, der die stufenweise Zusammenführung von Objekten zu Clustern bzw. von Clustern zu größeren Clustern darstellt. Die Wurzel des Baums ist folglich ein einziger Cluster, der alle Objekte einschließt. Demzufolge repräsentieren die Blätter des Baumes Cluster, in denen sich ein einzelnes Objekt der Datenmenge befindet. Ein innerer Knoten ist dann die Vereinigung aller seiner Sohnknoten. Die horizontale Lage eines Knoten gibt an, welche maximale Distanz zwischen den Objekten des Clusters besteht. Die Auswertung der Datenbasis erfolgt zunächst in zwei Schritten: Im ersten Schritt werden die Interviews analysiert und im zweiten Schritt die Fallstudien. Die hier erzielten Ergebnisse sollen vor allem die Frage nach der Musterkombination in Verbindung mit 504
Es handelte sich um SPSS in der Version 11.5.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
223
den spezifischen Veränderungsthemen beantworten. Der sich daran anschließende dritte Analyseschritt untersucht die Veränderungsmethoden. Hier steht vor allem die Kombination bestimmter Aktivitäten im Mittelpunkt der Untersuchung und weniger das spezifische Veränderungsthema. Abbildung 57 zeigt die Clusteranalyse der Interviews, bei der die Distanz, d. h. das Maß der „Unähnlichkeit“ der Interviews – und damit indirekt natürlich auch deren „Ähnlichkeit“ – auf der horizontalen Achse abgebildet ist und die im Rahmen der Interviews untersuchten Unternehmen auf der vertikalen Achse. Aus der Analyse der Ähnlichkeiten der Interviews haben sich insgesamt 47 Cluster ergeben, die im Weiteren zur Abgrenzung der thematisch getriebenen Cluster „Analysecluster“ genannt werden. Die Anwendung der oben festgelegten Maximaldistanz von 12.5 führt dazu, dass 38 Analysecluster im Untersuchungsbereich verbleiben. Mit der Analyse der Cluster soll die Hypothese verifiziert werden, dass eine Beziehung zwischen dem Thema von Veränderungsprojekten und der Kombination von Beschreibungsparametern existiert. Das Ergebnis der Analyse zeigt im Rahmen einer ersten Interpretation, dass die Branche offenbar nicht bestimmend für die Zusammenfassung ist, sondern dass tatsächlich das Veränderungsthema hier bestimmend wirkt. Insbesondere bei den sehr eng zusammenliegenden Unternehmen fallen die „Branchenunähnlichkeit“ und die thematischen Ähnlichkeiten im Rahmen der Veränderungsprojekte auf (Strategieprojekte). Mit diesem Ergebnis scheint sich die Hypothese verifizieren zu lassen, die die Beziehung zwischen dem Veränderungsthema und der spezifischen Kombination von Beschreibungsparametern zugrunde legt. Betrachtet man nun im Anschluss die weiteren Cluster, die noch als relevant ausgewählt worden sind, aber nicht mehr so nah zusammenliegen wie die ersten sechs Cluster, lässt sich dieses Ergebnis noch weiter erhärten. Insgesamt lassen sich vier größere thematisch spezifische Cluster identifizieren, innerhalb derer die Themen eine hohe Ähnlichkeit aufweisen und die Branchen durchmischt sind (nachfolgend aufgeführt wiederum geordnet vom geringsten Distanzmaß aufsteigend): x
Themencluster 1: Veränderungsprojekte in technologieorientierten Unternehmen mit kulturellen Ausprägungen und Wachstumsstrategien.
x
Themencluster 2: Veränderungsprojekte mit einer organisatorisch-fachlichen Ausrichtung und Fokus auf dem Prozessentwurf bzw. dem Prozessredesign.
x
Themencluster 3: Veränderungsprojekte mit einem Fokus auf die Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Partnern.
x
Themencluster 4: Veränderungsprojekte mit einem thematischen Schwerpunkt auf einer Strategieänderung bzw. einer Strategieergänzung. Diese Projekte sind, was den Einbezug der CME-Klassen angeht, umfassend angelegt und berücksichtigen damit fachlich-inhaltliche und kulturell-emotionale Aspekte sowie Aspekte der Steuerung und des Umfelds.
Auf der Grundlage dieser vier Themencluster lassen sich also Rückschlüsse auf mögliche Regeln, die die thematische Ähnlichkeit und die daraus folgende Kombination von Aktivitäten in Beziehung setzen, ziehen. Das geschieht durch die Überprüfung, welche Aktivitäten in den entsprechenden Projekten, die den Themenclustern zugrunde liegen, eingesetzt worden sind Die daraus folgenden konkreten Aussagen und Kombinationen von Aktivitäten werden in Kapitel 4.3.3 formuliert. Eine weitere Auffälligkeit ist, dass es für
224
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
zwei Analysecluster eine geografische „Ballung“ gibt. Cluster 34 und 36 beinhalten hauptsächlich Unternehmen aus dem Silicon Valley bzw. der Bay Area, wobei die Unternehmen, die nicht aus diesem Gebiet kommen und trotzdem in die Cluster fallen, erstens ein „Start-Up“ im Technologiebereich ist, zweitens ein Technologieprojekt durchgeführt hat oder schließlich eine Verankerung in diesem Gebiet aufweisen. Damit kann man neben den thematischen auch auf regionale Unterschiede schließen, die es bei der Planung zu berücksichtigen gilt. * * * * * * H I E R A R C H I C A L
C L U S T E R
A N A L Y S I S * * * * * *
Dendrogram using Average Linkage (Between Groups) Rescaled Distance Cluster Combine C A S E Label Num
Themencluster 4: Strategieänderung Strategieergänzung
Themencluster 3: Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Partnern
Themencluster 1: Technologieorientierte Unternehmen mit Fokus auf kulturelle Änderung und Wachstumsstrategien
Themencluster 2: Organisatorisch-fachliche Ausrichtung und Fokus auf Prozessentwurf und Prozessredesign
Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen
0 5 10 15 20 25 +---------+---------+---------+---------+---------+ 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
«´«««± «° ²«««««««± «««««° ²«± «««««««««««««° ¬ «««««««´«««««««³ «««««««° ²«««± «««««««´«««± ¬ ¬ «««««««° ¬ ¬ ¬ «««««««««´««««° ²«««± «««««««««° ¬ ¬ ¬ «««««««««««° ¬ ²«± «««««««««««««««´«««° ¬ ¬ «««««««««««««««° ¬ ²«± «««««««««««««««««««««««° ¬ ¬ «««««««««««««««««««««««««° ¬ «««««««««´«««««««««± ²«««««««± ²«± ¬ ¬ «««««««««° «««««««««««««««««««° ²«««± ¬ ²«««««««± «««««««««««««««««««««° ²«° ¬ ¬ «««««««««««««««««««««««««° ¬ ¬ «««««««««««««««««««««««««««««««««««° ¬ «««««««´«± ¬ «««««««° ²«««± ¬ ¬ ¬ «««««««««³ «««««««««° ¬ ¬ «««´«««««± ²«««««««± ¬ «««° ²«± ¬ ¬ ¬ «´«««««± ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «° ²«° ²«° ¬ «««««««° ¬ ¬ ¬ «««««««««««° ¬ ²«««««± «««««««´«««««««««± ¬ ¬ ¬ «««««««° ¬ ²«± ¬ ¬ «««««««´«««««± ²«± ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««° ²«± ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««««««««° ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««««± ²«° ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ««««««««««««± ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««««° ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««± ²«° ²«° ²«««««««««± ¬ ¬ ««««««««««± ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««° ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «´«««± ²«° ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «° ²«««± ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ ¬ «««««° ²«° ¬ ¬ ²«««««««««° ¬ «««««««««° ¬ ¬ ¬ ¬ «««««««««««««««««««° ¬ ¬ ¬ «««««««««««««««««««««««° ¬ ¬ «««««««««««´«««««««««««««± ¬ ¬ «««««««««««° ²«««««««° ¬ «««««««««««««««««««««««««° ¬ «««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««°
Abbildung 57: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Interviews
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
225
Die Ergebnisse der Clusteranalyse der Fallstudien sind in Abbildung 58 dargestellt. Auf der horizontalen Achse sind, wie bereits zuvor, die Distanzen zwischen den Fällen angezeigt, und auf der vertikalen Achse sind entsprechend die Fallstudien abgebildet. Die Nummerierung der Fälle ist zu entnehme. Nummer
Fallstudie
1
ADL
2 3 4
Nummer
Fallstudie
8
IT Dienstleister einer Großbank
Agilent
9
Mobil Oil Australia
British Airways
10
Regionalspital Thun
Ernest & Young
11
Saturn
5
Garanti Bank
12
Southwest Airlines
6
General Electrics
13
Textron
7
Honeywell
14
Whitbread Hotel Company
Tabelle 13: Nummerierung der Fallstudien für die Clusteranalyse Die Clusteranalyse hat insgesamt 13 Cluster ergeben, von denen acht Cluster im Bereich einer Ähnlichkeit liegen, die hier einer Analyse unterzogen wird; auch hier wurde als Distanzschwelle der Wert 12.5 verwendet. Die Cluster wurden anhand ihrer Ähnlichkeit zusammengefasst, wobei jeweils die Themen der analysierten Projekte mit aufgeführt sind. * * * * * * H I E R A R C H I C A L *
C L U S T E R
A N A L Y S I S * * * * *
Dendrogram using Average Linkage (Between Groups) Rescaled Distance Cluster Combine C A S E Label Num
Themencluster 4: Strategieänderung Strategieergänzung
5
«´«««««««««±
6
«°
4 3
«««««««««««° ²«««««««««««««««««««««««««««««««««««± «««««««««««´«° ¬
14
Themencluster 2: Organisatorisch-fachliche Ausrichtung und Fokus auf Prozessentwurf und Prozessredesign Themencluster 5: Flexiblisierung der Handlungsfähigkeit
0 5 10 15 20 25 +---------+---------+---------+---------+---------+
²«±
«««««««««««°
¬
8
«««««««««««´«««««««««±
9
«««««««««««°
7
«««««««««««««««««««««°
10 1
¬
²«««««««±
¬
²«««««««««±
¬
«««««««««««««««««««««««««««««°
²«««««±
¬
«««««««««««««´«««««««««««««««««±
¬
¬
¬
«««««««««««««° ²«««««««° «««««««««««««««««´«««««««««««««°
²«««° ¬
13
«««««««««««««««««°
¬
11
«««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««««°
12 2
Abbildung 58: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Fallstudien Auch bei der Auswertung der Fallstudien ergeben sich die Cluster aufgrund der thematischen Nähe und nicht aufgrund der Branchen. Damit ist auch hier die Ausgangshypothese verifiziert. Aus der detaillierteren Analyse lassen sich wiederum Themencluster identifizieren, die nachfolgend mit aufsteigender Distanz aufgeführt sind und, wo möglich, bereits den bestehenden Themenclustern zugeordnet werden: x
Themencluster 4: Veränderungsprojekte mit thematischem Fokus auf der strategischen Veränderung der Unternehmen und in diesem Fall einem weiteren Schwerpunkt auf kulturellen Aspekten.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
226
x
Themencluster 2: Veränderungsprojekte mit einem thematischen Fokus auf einem kontinuierlichen Veränderungsprozess.
x
Themencluster 5: Veränderungsprojekte mit einem thematischen Fokus auf der Flexibilisierung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit.
x
Themencluster 2: Veränderungsprojekte mit einem thematischen Fokus auf die revolutionäre Veränderung im Rahmen des Business Process Redesign.
Die sich ergebenden Themenschwerpunkte aus den Clustern können in drei Fällen zu den bereits gebildeten Themenclustern zugeordnet werden. Der vierte Cluster stellt einen neuen Bereich dar, der als fünfter Fall in die Regelbasis aufgenommen wird. Die daraus abzuleitende Regel für die Methodenkonstruktion und die damit verbundene Zuordnung der Aktivitäten finden sich wiederum in Kapitel 4.3.3. Damit ist die Analyse konkreter Veränderungsprojekte in verschiedenen Unternehmen abgeschlossen. Nun erfolgt der dritte Analyseschritt, der dazu dient, bestimmte Kombinationen von Aktivitäten im Rahmen der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle zu identifizieren. Dazu werden die untersuchten Veränderungsmethoden, wie bereits zuvor die Veränderungsprojekte, anhand ihrer Ähnlichkeiten bzw. Distanzen in Bezug auf die Beschreibungsparameter mit dem Distanzmaß der „Quadrierte Euklidische Distanz“ analysiert. Der Grenzwert für die relevanten und damit näher zu untersuchenden Cluster liegt wiederum bei 12.5 auf einer Skala bis 25. Auf der Grundlage dieser Festlegung bleiben aus den insgesamt 22 entstehenden Clustern 18 Cluster unterhalb des Grenzwerts und werden somit in die weitere Betrachtung aufgenommen (vgl. Abbildung 59). * * * * * * H I E R A R C H I C A L
C L U S T E R
A N A L Y S I S * * * * *
Dendrogram using Average Linkage (Between Groups) Rescaled Distance Cluster Combine C A S E Label Num Hoshin Kanri Rummler/Brache Six Sigma Deming Quality Cycle Enterpr. Dev. Framework „Corporate Olympics“ CBAM McKinsey 7-S TQM
Aktivitätencluster 1
Reengineering CSC Ploenzke Promet Beckhard/Pritchart Leading Change The Transform. Leader Hinterhuber/Popp Organisationaler Wandel Burke-Litwin The Dance of Change
Aktivitätencluster 2
Doppler/Lauterburger General Mgmt. Nav.
0 5 10 15 20 25 +---------+---------+---------+---------+---------+ «´«««««««± «°
²«««««««««««««««±
«««««««««°
²«««««±
«««««««««««««««««««««««««°
¬
«««««´«««««±
¬
«««««°
²«««±
«««««««««««°
¬
²«±
¬
«««««««««««««««° ¬
²«««««±
«´«««««««±
¬
¬
«°
²«««± ¬
¬
¬
«««««´«««°
²«««««± ¬ ²«°
¬
¬
¬
«««««°
¬
²«±
¬
²«««««««««««±
«««««««««««´«««°
¬ ¬
¬
¬
¬
«««««««««««°
¬ ²«««««««°
¬
¬
«««««««««««««««««««««° ¬
¬
«««««««««««««««««««««««°
¬
¬
«««««««««««««««««««««««««««««««««««««°
¬
¬
«««««««««««´«««««««««««±
¬
«««««««««««°
²«««««««««««««««««««««««««°
«««««´«««««««««««±
¬
«««««°
²«««««°
Strat. Arch. u. Kernk.
«««««««´«««««««««°
Integr. Strat. Transf.
«««««««°
Abbildung 59: Dendrogramm für die Clusteranalyse der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
227
Für die Auswertung der Cluster in Bezug auf eine Ähnlichkeit der Beschreibungsparameter wurden zwei größere Cluster zusammengezogen, damit ein Rückschluss auf die Häufigkeit der Nennungen möglich war. Sehr nah zusammenliegende Cluster haben ohnehin eine hohe Übereinstimmung bei den Beschreibungsparametern, so dass eine Analyse hier nur eine beschränkte Ergänzung des Ergebnisses liefern kann. Diese beiden Cluster sind die in der Abbildung mit 1 und 2 bezeichneten Aktivitätencluster, die in der detaillierten Auswertung den Clustern 17 und 18 entsprechen. Sie wurden ausgewählt, weil sie die größten getrennten Cluster innerhalb des Grenzwertes repräsentieren. Aktivitätencluster
Nicht-CME-Basisaktivitäten
Aktivitätencluster 1
Analyse der Geschäftslogik Analyse der Kernkompetenzen Analyse der Lebenszyklusphase des Unternehmens Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials Analyse der Umfeldfaktoren Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit Analyse der Wirklichkeitskonstruktion Analyse der Wirklichkeitsordnung Analyse des Milieus Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Istund Soll-Perspektive) Beobachtung von Diskontinuitäten Definition der Projektorganisation Definition der Prozessarchitektur Definition des Betrachtungszeitraums Definition des Entwicklungsmodus Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität) Definition eines Strategieprozesses Definition des Themas des Veränderungsprojekts Definition des Transparenzgrads Definition des Wissensmanagementprozesses Definition qualitativer Steuerungsgrößen Definition von Qualitätsmaßnahmen Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren Ermittlung von Schlüsselpersonen Festlegung des Stils der Initiierung Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten Führung: Kognitive Diversität Integration des Spaßfaktors Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen Sicherstellung der Nachhaltigkeit Sicherstellung der Produktsicht (Output)
228
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Aktivitätencluster
Nicht-CME-Basisaktivitäten
Aktivitätencluster 2
Analyse der Kernkompetenzen Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit Beobachtung von Diskontinuitäten Definition des Wissensmanagementprozesses Definition eines Strategieprozesses Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb Ermittlung von Schlüsselpersonen Führung: Kognitive Diversität
Tabelle 14: In den Clustern der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle auftretende Kombinationen von Nicht-CME-Basisaktivitäten Dabei wurde untersucht, welche nicht zur CME-Basis gehörenden Beschreibungsparameter mehr als einmal genannt wurden. Insgesamt soll diese Analyse einen Hinweis darauf geben, welche Beschreibungsparameter und damit Aktivitäten häufig zusammen auftreten. Interessanterweise ist eine signifikante thematische Schwerpunktbildung, also eine Zusammenfassung z. B. mit einem Fokus auf Führung und kulturellen Faktoren, bei den Methoden und Modellen nicht zu erkennen. In einem weiteren Analyseschritt kann nun noch überprüft werden, inwiefern die Kombinationen der beiden Cluster sich in den thematischen Schwerpunkten aus den untersuchten Unternehmen wieder finden. Das ließe auch einen Rückschluss auf die Relevanz dieser Aktivitätskombinationen zu. Diese Analyse erfolgt ebenfalls in Kapitel 4.5.4.
4.3.3 Ableitung der Grund-, Detail- und Ergänzungsregeln für die situative Methodenkonstruktion In diesem Abschnitt wird das Vorgehen für die Methodenkonstruktion festgelegt. Nachdem die Basis gelegt worden ist, müssen nun die Regeln abgeleitet und definiert werden, die es dem Veränderungsarchitekten erlauben, situationsspezifisch die BE-Methode zu konstruieren. Dieser Konstruktionsvorgang erfolgt auf der Basis von drei verschiedenen Regelarten: erstens die Grundregeln, die für alle zu konstruierenden Methoden eingehalten werden müssen, zweitens die Detailregeln, die themenspezifisch eingesetzt werden und die der Ergänzung der CME-Basis mit Nicht-Basisaktivitäten dienen, drittens die Ergänzungsregeln, die auf der Basis der identifizierten signifikanten Aktivitätenkombinationen aus den untersuchten Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen eine weitere Ergänzung der Themenbereiche mit Nicht-Basisaktivitäten ermöglicht. Die Grundregeln basieren auf Einflussfaktoren, nach denen die Regelbasis zunächst einmal grob strukturiert werden kann und die allgemeine Anweisungen für die Auswahl der NichtBasisaktivitäten enthalten. Sie setzen sich aus den folgenden Themenbereichen, die auf der Grundlage von Harmsen et al. sowie Young et al. abgeleitet wurden, zusammen:505 x
505
Analyse des Veränderungsthemas: Das Veränderungsthema bestimmt den Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit und ist damit maßgebend für die Aktivitäten, die zum
Vgl. Harmsen, F. et al.: Situational Method Engineering for Information System Project Approaches, S. 169-194; Young, S. M. et al.: Quality & People in the Development of Situationally Specific Methods, in: Proceedings of the Second Asia-Pacific Conference On Quality Software, Hong Kong 2001, S. 1-5.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
229
Einsatz kommen können.506 Auf Basis dieses Punktes bestimmen sich die Aktivitäten aus den verschiedenen Klassen und so lautet der erste Schritt der Grundregeln, dass eine intensive Analyse des Veränderungsthemas erfolgen muss, damit der relevante Themenbereich und damit die Aktivitäten eingegrenzt werden können. x Analyse und Bestimmung der Kompetenzen des Projektleiters und des Teams: Nur wenn eine Aktivität sinnvoll und nutzbringend eingesetzt werden kann, wird sie die beabsichtigte Wirkung zeigen. Der Erfolg hängt also maßgeblich von den Kompetenzen und Fähigkeiten erstens des Projektleiters und zweitens seines Teams bzw. einzelner Teammitglieder ab. Hier ist eine klare Einschätzung anhand eines Fähigkeitenprofils vorzunehmen, damit die angemessenen Aktivitäten gewählt werden können.507 Eine hierfür geeignete Methode wird z. B. von Young et al. vorgeschlagen, die auf der Basis einer an das Methoden Engineering angepassten Stakeholder Analyse und der Analyse der Gruppendynamik in Entwurfsprozessen die Qualität des Projektverlaufs entwickelt haben.508 x Analyse der Projektrahmenbedingungen (Budget, Zeitrahmen, verfügbare Ressourcen): Die Freiheitsgrade, aber auch die Restriktionen, die durch die quantitativen Projektparameter gesetzt werden, haben einen maßgeblichen Einfluss darauf, welche Aktivitäten zum Einsatz kommen können. Damit ist eine wichtige Grundregel, diese Rahmenbedingungen zu überprüfen, damit die Aktivitätenauswahl an sie angepasst werden kann. x Analyse der „Bereitschaft“ oder auch „Reife“ des Unternehmens oder Bereichs für den Einsatz bestimmter Aktivitäten: In diesem Fall gilt es zu überprüfen, ob das Unternehmen oder der Bereich, d. h. der Wirkungsbereich des Veränderungsvorhabens, der durch das Veränderungsprojekt adressiert wird, fachlich und kulturell in der Lage ist, die Aktivitäten aufzunehmen und umzusetzen. Um diese Frage beantworten zu können, müssen auf der einen Seite wiederum die Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter überprüft werden und auf der anderen Seite die kulturelle Prädisposition des Zielbereichs sowie beispielsweise die Eignung der Organisationsstrukturen analysiert werden. Die Definition der Regelbasis erfolgt, wie bereits oben beschrieben, auf der Grundlage von „Detailregeln“, die sich aus den durchgeführten Analysen der Datenquellen und dem entsprechenden Grundmuster zur Regelableitung instanziieren lassen. Die Detailregeln basieren erstens auf der Clusteranalyse und den dadurch entstandenen generellen Themenbereichen für Veränderungsprojekte. Für die verschiedenen Themencluster wurden die Analyseobjekte anhand der Beschreibungsparameter verglichen und so die nicht zur CME-Basis gehörenden Aktivitäten identifiziert, die pro Cluster hinzugezogen werden sollten. Darauf aufbauend wird zweitens festgelegt, welche Aktivitäten und damit Methodenfragmente ausgewählt werden müssen, damit die situative Methode konstruiert werden kann. Das bedeutet, dass das Vorgehen zur Ableitung der Regelinstanzen wie folgt im Rahmen eines Grundmusters systematisiert werden kann (vgl. Abbildung 60).509
506 507 508 509
Vgl. dazu Kapitel 3.1.4.2 sowie Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel, S. 367. Vgl. z. B. Doppler, K. Lauterburg, C.: Change Management, S. 451-455, Beckhard, R., Pritchard, W.: Changing the Essence, S. 49-55. Vgl. hier vor allem Young, S. M. et al.: Quality & People in the Development of Situationally Specific Methods, S. 1-5. Dieses Grundmuster stellt damit eine Verfeinerung des Grundmusters für die Entwicklung der CMEKlassifikation dar und greift deshalb die dort bereits definierten Bäume nicht wieder auf, vgl. Kapitel 4.2.1.
Abbildung 60: Grundmuster zur Ableitung der Regelbasis
<(Aktivitätencluster, Aktivitäten), Ergänze Nicht-Basisaktivitäten> <(Aktivitäten), Ergänze die CME-Basisaktivitäten>
<(Aktivitäten), Identifiziere die Nicht-Basisaktivitäten>
<(Aktivitätencluster, Aktivitäten), Wähle Nicht-Basisaktivitäten aus Clustern>
<(Themencluster, Aktivitäten), Analysiere Aktivitäten in Themenclustern>
<(Aktivitätencluster, Themencluster), Identifiziere thematische Nähe>
<(Themencluster), Bestätige Themencluster>
<(Aktivitätencluster), Lege Aktivitätencluster fest>
<(Pb-St., Methoden, Erklärungsmodelle), Analysiere Methoden, Erklärungsmodelle>
<(Fallstudien), Lege Themencluster fest>
<(Themencluster), Diskutiere Themencluster>
<(Themencluster), Backtrack>
Klassifikation
<(Pb-St., Fallstudien), Leite Regeln ab>
Kontext
230 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
231
Es ist dabei unbedingt zu beachten, dass die Grenzwerte für den Gültigkeitsbereich der Regeln, z. B. der zeitliche Rahmen des Veränderungsprojekts, aber auch Kostengrenzen etc., vorher unternehmens- und projektspezifisch festgelegt werden müssen. Detailregeln für spezifische Veränderungsthemen Wenn das Veränderungsprojekt einen thematischen Fokus auf kulturellen Ausprägungen und Wachstumsstrategien im Rahmen von technologieorientierten Unternehmen hat, dann wähle zusätzlich zur CME-Basis die Aktivitäten x x x x x
„Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials“ „Analyse des Projektlebenszyklus“ „Definition der Prozessarchitektur“ „Definition eines Strategieprozesses“ „Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb“
Wenn das Veränderungsprojekt eine organisatorisch-fachliche Ausrichtung und einen thematischen Fokus auf der kontinuierlichen Prozessentwicklung, dem Prozessentwurf bzw. dem Prozessredesign hat, dann wähle zusätzlich zur CME-Basis die folgenden Aktivitäten x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
„Analyse der Geschäftslogik“ „Analyse der Güte der Beziehungen zwischen den Akteuren“ „Analyse der Intention und Implementation“ „Analyse der Kernkompetenzen“ „Analyse der Lenkbarkeiten“ „Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials“ „Analyse des Milieus“ „Analyse des Projektlebenszyklus“ „Analyse des Wirkungsradius“ „Beobachtung von Diskontinuitäten“ „Definition der Projektorganisation“ „Definition der Prozessarchitektur“ „Definition des Betrachtungszeitraums“ „Definition des Entwicklungsmodus“ „Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)“ „Definition des Themas des Veränderungsprojekts“ „Definition des Transparenzgrads“ „Definition eines Strategieprozesses“ „Definition von Qualitätsmaßnahmen“ „Definition von Szenarien“ „Ermittlung der Freiheitsgrade“ „Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke“ „Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb“ „Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren“ „Ermittlung von Schlüsselpersonen“ „Festlegung des Stils der Initiierung“ „Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter“ „Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten“ „Führung: Kognitive Diversität“ „Integration des Spaßfaktors“ „Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen“ „Sicherstellung der Nachhaltigkeit“ „Sicherstellung der Produktsicht (Output)“
232
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Detailregeln für spezifische Veränderungsthemen Wenn das Veränderungsprojekt einen thematischen Fokus auf die Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Partnern hat, dann wähle zusätzlich zur CME-Basis die folgenden Aktivitäten x x x x x x x x
„Analyse der Geschäftslogik“ „Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials“ „Definition der Projektorganisation“ „Definition des Themas des Veränderungsprojekts“ „Definition qualitativer Steuerungsgrößen“ „Definition von Qualitätsmaßnahmen“ „Ermittlung der Freiheitsgrade“ „Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb“
Wenn das Veränderungsprojekt einen thematischen Fokus auf einer Flexibilisierung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit hat, dann wähle zusätzlich zur CME-Basis die folgenden Aktivitäten x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
„Analyse der Kernkompetenzen“ „Analyse der Geschäftslogik“ „Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials“ „Analyse der Umfeldfaktoren“ „Analyse der Wirklichkeitskonstruktion“ „Analyse der Wirklichkeitsordnung“ „Analyse des Projektlebenszyklus“ „Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse“ „Beobachtung von Diskontinuitäten“ „Definition der Prozessarchitektur“ „Definition des Entwicklungsmodus“ „Definition des Themas des Veränderungsprojekts“ „Definition des Transparenzgrads“ „Definition des Wissensmanagementprozesses“ „Einbezug von Zufälligkeiten (contingency planning) „Ermittlung von Schlüsselpersonen“ „Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb“ „Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen“ „Sicherstellung der Produktsicht (Output)“
Wenn das Veränderungsprojekt einen umfassenden thematischen Fokus auf einer Strategieänderung bzw. einer Strategieergänzung hat, dann wähle zusätzlich zur CME-Basis die folgenden Aktivitäten x x x x x x x x x x x x x x
„Analyse der Geschäftslogik“ „Analyse der Güte der Beziehungen zwischen den Akteuren“ „Analyse der Intention und Implementation“ „Analyse der Kernkompetenzen“ „Analyse der Lenkbarkeiten“ „Analyse der Marktgröße und des Marktpotenzials“ „Analyse der Umfeldfaktoren“ „Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit“ „Analyse der Wirklichkeitskonstruktion“ „Analyse der Wirklichkeitsordnung“ „Analyse des Milieus“ „Analyse des Projektlebenszyklus“ „Analyse des Wirkungsradius“ „Definition der Projektorganisation“
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
233
Detailregeln für spezifische Veränderungsthemen x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
„Definition der Prozessarchitektur“ „Definition des Betrachtungszeitraums“ „Definition des Entwicklungsmodus“ „Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)“ „Definition des Themas des Veränderungsprojekts“ „Definition des Transparenzgrads“ „Definition des Wissensmanagementprozesses“ „Definition eines Strategieprozesses“ „Definition qualitativer Steuerungsgrößen“ „Definition von Qualitätsmaßnahmen“ „Ermittlung der Freiheitsgrade“ „Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke“ „Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb“ „Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren“ „Ermittlung von Schlüsselpersonen“ „Festlegung des Stils der Initiierung“ „Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter“ „Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten“ „Führung: Kognitive Diversität“ „Integration des Spaßfaktors“ „Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen“ „Sicherstellung der Produktsicht (Output)“
Tabelle 15: Grund- und Detailregeln für die Methodenkonstruktion Die Frage, die sich nun noch stellt, ist, ob die fünf Themenbereiche durch die relevanten Kombinationen aus den beiden Clustern der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle ergänzt werden können bzw. sollen. Dazu wird der Anteil der Schnittmenge der beobachteten Nicht-CME-Basisaktivitäten an der Vereinigungsmenge dieser Aktivitäten gebildet. Mit diesem Wert wird der Grad der Überdeckung der Aktivitäten ermittelt und damit ebenfalls die thematische Nähe der Kombinationen zu den identifizierten Themenbereichen. Aus dieser Überdeckung lässt sich ableiten, ob eine Nähe vorhanden ist, die eine Ergänzung der Bereiche sinnvoll erscheinen lässt. Der Grenzwert für diese Nähe wird mit > 50 % festgelegt. Das bedeutet, dass bei einer Überdeckung der Nicht-CME-Basisaktivitäten von mehr als 50 % der entsprechende Themenbereich mit den Aktivitäten aus den relevanten Clustern der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle ergänzt wird. Die entsprechenden Ergänzungen sowie die dazugehörigen Regeln sind in Tabelle 16 aufgeführt. Im ersten Themenbereich „Kulturelle Ausprägungen und Wachstumsstrategien“ beträgt der Anteil der Überdeckung der Nicht-CME-Basisaktivitäten aus Aktivitätencluster 1 (nachfolgend Cluster 1 genannt) lediglich 12 %, und für Aktivitätencluster 2 (nachfolgend Cluster 2 genannt) sind es 27 %. Diese beiden Werte unterschreiten den Grenzwert deutlich, so dass keine Ergänzung dieses Themenbereichs vorgenommen wird. Im zweiten Themenbereich, der sich mit dem Prozessentwurf und -redesign beschäftigt, liegt der Anteil der Schnittmenge für Cluster 1 bei 57 %, wohingegen der Anteil von Cluster 2 nur bei 20 % liegt. Dieser Themenbereich wird also durch die Nicht-CMEBasisaktivitäten aus Cluster 1 ergänzt.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
234
Der Themenbereich „Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Partnern“ zeigt bei Cluster 1 einen Anteil von 21 % und für Cluster 2 einen verhältnismäßig kleinen Anteil von 13 %. Hier findet, wie auch schon für den ersten Themenbereich, keine Ergänzung der Aktivitäten statt. Der vierte Themenbereich „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“ weist für Cluster 1 eine Überdeckung von 68 % und für Cluster 2 eine Überdeckung von 22 % auf. Damit wird der Themenbereich mit den Nicht-CME-Basisaktivitäten aus Cluster 1 ergänzt. Im fünften und letzten Themenbereich „Flexibilisierung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit“ hat die Schnittmenge aus Cluster 1 einen Anteil von 41 % und aus Cluster 2 von 27 %. Aufgrund der Unterschreitung des Grenzwerts werden hier keine Ergänzungen vorgenommen. Die Regel für die Ergänzungen sowie die zu ergänzenden Nicht-CME-Basisaktivitäten sind in Tabelle 16 dargestellt. Mit diesem Schritt ist die Regelbasis vollständig und kann als Grundlage für die Instanziierung der im Folgenden entwickelten Grundmuster dienen.
4.4 Entwicklung von Konstruktionsgrundmustern als Basis für die situative Methodenkonstruktion Nach der bereits zuvor erfolgten Definition des Grundmusters „CME-Klassifikation“ als elementare Grundlage für die Methodenkonstruktion müssen nun diejenigen Grundmuster definiert werden, die als „aktive“ Prozesskomponenten für die Methodenkonstruktion dienen, sie werden nachfolgend Konstruktionsgrundmuster genannt. Um der Einzigartigkeit von Veränderungsvorhaben Rechnung zu tragen, ist jedoch zuvor ein formaler Rahmen, d. h. ein Metamodell, zu entwickeln, das es erlaubt, den individuellen Kontext zu definieren, der jedem Vorhaben zugrunde liegt. Der so definierte Kontext geht als Bestandteil in die Methodenkonstruktion ein und integriert damit den Aspekt des situativen Konstruktionsprozesses. Die drei Grundmuster „Analyse“, „Definition“ und „Konstruktion“ werden im Anschluss entwickelt. Sie dienen der Systematisierung der Methodenkonstruktion und stellen die jeweiligen phasenbezogenen Prozessmodelle für die Instanziierung der Methode dar. Ergänzungsregel und Ergänzungen Wenn der Anteil der Schnittmenge an der Vereinigungsmenge für die beobachteten Nicht-CMEBasisaktivitäten aus den relevanten Clustern und dem entsprechenden Themenbereich > 50 % aufweist, dann ergänze den Themenbereich um diese Aktivitäten. Ergänzung 1: Themenbereich „Prozessentwurf und -redesign“ wird ergänzt aus Cluster 17: x x x x x x
„Analyse der Lebenszyklusphase des Unternehmens“ „Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit“ „Analyse der Wirklichkeitskonstruktion“ „Analyse der Wirklichkeitsordnung“ „Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Ist- und Soll-Perspektive)“ „Definition des Wissensmanagementprozesses“
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
235
Ergänzungsregel und Ergänzungen x „Definition qualitativer Steuerungsgrößen“ Ergänzung 2: Themenbereich „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“ wird ergänzt aus Cluster 17: x x x x
„Analyse der Lebenszyklusphase des Unternehmens“ „Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Ist- und Soll-Perspektive)“ „Beobachtung von Diskontinuitäten“ „Sicherstellung der Nachhaltigkeit“
Tabelle 16: Ergänzungsregel und Ergänzungen für die Methodenkonstruktion
4.4.1 Entwicklung des Grundmusters „Analyse“ Dieses Grundmuster dient zur Strukturierung des Initiierungsprozesses des Veränderungsvorhabens. Dabei stehen die Analyse des Umfelds, die konkrete Erhebung des Veränderungsthemas sowie die Festlegung der spezifischen Beschreibungsparameter für das Veränderungsprojekt im Mittelpunkt des Vorgehens. Der Prozess erfolgt in Abstimmung mit dem Initiator bzw. den Initiatoren des Veränderungsvorhabens und ist deshalb in der Verfeinerung durch „Wahl-Kontexte“ gekennzeichnet. Dieses Grundmuster basiert auf den Ergebnissen der Kontextdefinition und dem Vorgehen zur Definition der CMEKlassifikation. Damit gehen als Eingangsgrößen einerseits die Ausprägungen des Tupels <Situation, Entscheidung> und andererseits die identifizierten Beschreibungsparameter ein. In der Analysephase des Veränderungsvorhabens sind drei Problemstellungen relevant (vgl. auch Abbildung 61): x
Analyse der Bedingungen des Vorhabens: Sie dient dem Ziel, die Einflussgrößen zu untersuchen, die die Ausgangsbedingungen des Vorhabens spezifizieren. Das bedeutet, dass die externen Faktoren, wie z. B. die ökonomische Situation, und das unternehmensinterne Umfeld, wie z. B. die Ressourcenverfügbarkeit, zu untersuchen sind. Hier gehen also Beschreibungsparameter aus verschiedenen CME-Klassen ein, die eine Analyse unterstützen. Diese Parameter werden durch das Interview mit den beteiligten Personen identifiziert und gehen dann zusammen mit den Erkenntnissen aus der Kontextanalyse in die Definition der Konsequenzen ein, die im Anschluss daran diskutiert und dokumentiert werden müssen.
x
Analyse des Veränderungsthemas: Dieser Schritt hat zum Ziel, die für die umfassende Beschreibung des gesamten Veränderungsprozesses relevanten Parameter zu identifizieren. Das geschieht im Rahmen eines Wahl-Kontextes iterativ mit den beteiligten Personen.
x
Die Beschreibung des Veränderungsprozesses: Das Ziel dieses Schritts, der als ausführbarer Kontext definiert wird, ist die Beschreibung des Veränderungsprozesses anhand der identifizierten Parameter sowie darüber hinaus des konkreten Veränderungsprojekts, das ein Teil des Veränderungsprozesses und in den nachfolgenden Mustern das zentrale Gestaltungsobjekt ist.
Klassifikation
Abbildung 61: Grundmuster „Analyse“
<(Konsequenzen), Dokumentiere Konsequenzen>
<(Parameter), Beschreibe Veränderungsprojekt)>
<(Parameter), Backtrack>
<(Parameter), Bestätige Parameter>
<(Parameter), Diskutiere Parameter>
<(Parameter), Identifiziere relevante Parameter>
<(Konsequenzen), Backtrack>
<(Konsequenzen), Bestätige Konsequenzen>
<(Konsequenzen), Diskutiere Konsequenzen>
<(Kontext, Parameter), Analysiere Konsequenzen für das Projekt>
<(Pb-St.), Befrage involvierte Person(en)>
<(Pb-St.), <(Pb-St.), <(Parameter), Analysiere Bedingungen des Vorhabens> Analysiere Veränderungsthema> Beschreibe Veränderungsprozess>
<(Pb-St.), Analysiere Veränderungsvorhaben>
Kontext
236 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
237
Das Ergebnis dieses Grundmusters ist erstens die umfassende Beschreibung der Ausgangsbedingungen für das Veränderungsvorhaben und der potenziellen Konsequenzen für die Organisation. Zweitens ist der Veränderungsprozess sowie das darin eingeschlossene Veränderungsprojekt umfassend beschrieben, und die Grundlagen für die konkrete Definition des Projekts, die die Auswahl der Aktivitäten zum Ziel hat, sind gelegt.
4.4.2 Entwicklung des Grundmusters „Definition“ Mit dem Grundmuster „Definition“ wird einerseits die Anwendung der Regeln zur Auswahl der Aktivitäten unterstützt, die für die Methodenkonstruktion zu integrieren sind, und andererseits wird sichergestellt, dass die Eingangsgrößen aus dem Kontext und der Parameterauswahl bei der Methodenkonstruktion systematisch berücksichtigt werden. Damit gehen auch bei diesem Grundmuster die Ergebnisse der Kontextspezifikation und der CME-Klassifikation ein und schlagen sich zudem in der konkreten Übernahme zum einen der Parameter „Veränderungsthema“ und „Projektziel“ sowie zum anderen der für die umfassende Beschreibung des Projekts ausgewählten Parameter nieder. Diese beiden Prozessschritte sind ausführbare Kontexte und müssen in dem Grundmuster nicht weiter verfeinert werden. Die Anwendung der Auswahlregeln für die Aktivitäten ist ein PlanKontext, in den die Ergebnisse aus der CME-Klassifikation direkt eingehen. Dieser PlanKontext wird in seine konstituierenden Komponenten aufgebrochen. Dabei wird die grundlegende Auswahl der Aktivitäten durch die Regeln und die Ergebnisse aus dem Grundmuster „Analyse“ vorgegeben und nicht durch einen Wahl-Kontext festgelegt. Die Ergänzung der Aktivitäten auf Grundlage der individuellen Anforderungen des Projekts hingegen kann entweder direkt festgelegt werden oder durch einen Wahl-Kontext diskutiert werden. Kontext
Klassifikation
<(Pb-St.), Definiere Projekt>
<(Kontext), Übernehme Projektziel> <(Parameter), Übernehme Parameter> <(Pb-St., Klassifikation), Wende Regeln an> <(Kontext), Übernehme Thema> <(Aktivitäten), Wähle Aktivitäten>
<(Parameter, Aktivitäten), Gleiche Aktivitäten mit Parametern ab>
<(Aktivitäten), Ergänze Aktivitäten> <(Aktivitäten), Bestätige Aktivitäten>
<(Aktivitäten), Diskutiere ergänzte Aktivitäten>
<(Aktivitäten), Bestätige Aktivitäten>
Abbildung 62: Grundmuster „Definition“
<(Aktivitäten), Backtrack>
238
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Das Ergebnis des Durchlaufens dieses Grundmusters ist die vollständige Zusammenstellung aller als relevant beurteilten Aktivitäten. Damit ist die Basis gelegt für die eigentliche Konstruktion der situativen Methode für das Veränderungsprojekt.
4.4.3 Entwicklung des Grundmusters „Konstruktion“ Das Grundmuster für den Konstruktionsvorgang der Methode wird wiederum auf Basis des projektspezifischen Kontexts entwickelt. Der Grundbaum wird in diesem Grundmuster durch den Plan-Kontext „Konstruiere Methode“ dargestellt, der durch drei Bäume detailliert wird (vgl. Abbildung 63). Dabei wird als ausführbarer Kontext erstens das Projektziel aus dem Kontext übernommen, und zweitens werden auf Basis des Methoden Engineering die Komponenten für die ausgewählten Aktivitäten definiert. Diese Bäume werden ergänzt durch einen Plan-Kontext, der den Ablauf der Methode festlegt und damit den letzten Schritt der Methodenkonstruktion vollzieht. Der wichtigste Schritt ist dabei die Entwicklung der Alternativen und die Diskussion der möglichen Sequenzen für die Aktivitäten der Methode. Dieser Teilbaum wird durch die Festlegung der Abfolge der Aktivitäten definiert. Das Ergebnis dieses Grundmusters ist die für die Situation und das Projektziel spezifische Methode. Damit sind alle Grundmuster für die Methodenkonstruktion entwickelt, die den Prozess von der Analyse des Veränderungsprojekts bis zur Konstruktion der situativ einzusetzenden Methode abbilden. Mit diesem letzten Schritt ist damit auch der Entwicklungsprozess der situativen Methodenkonstruktion abgeschlossen.
4.5 Anwendungsbeispiel Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau eines internen IT Service Providers Diese Fallstudie bezieht sich auf ein Projekt, das sich zum Zeitpunkt der Erhebung in der Frühphase der Initiierung befunden hat. Damit eignet sie sich, um die Vorgehensweise bei der Methodenkonstruktion exemplarisch darzustellen. Aus diesem Grund war das gewählte Vorgehen so, dass zunächst im Rahmen eines Experteninterviews erhoben wurde, wie und mit welchen Beschreibungsparametern das Projekt beschrieben werden soll. Dabei wurde dem Grundmuster „Analyse“ gefolgt. Im Anschluss daran erfolgte die Konstruktion der anzuwendenden Methode entsprechend der beiden Grundmuster „Definition“ und „Konstruktion“, die dem Experten erneut zur Evaluation vorgelegt wurde.510
510
Der Gesprächspartner für diese Fallstudie war auch gleichzeitig Initiator des Projekts und ist Leiter des untersuchten Unternehmensbereichs.
Abbildung 63: Grundmuster „Konstruktion“ <(Methode), Fixiere Ablauf>
<(Methode); Definiere Komponenten>
<(Aktivität), Backtrack>
<(Aktivität), Diskutiere alternative Abläufe>
<(Aktivität), Entwickle alternative Abläufe>
<(Pb-St., Aktivität), Definiere Ablauf>
<(Aktivität), Bestätige Alternative>
<(Kontext), Übernehme Projektziel>
<(Pb-St.), Konstruiere Methode>
Kontext
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens 239
240
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
4.5.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt Das untersuchte Unternehmen ist ein Traditionsunternehmen, das Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde und heute weltweit ungefähr 10.000 Mitarbeiter beschäftigt. Es bietet als Finanzdienstleistungsunternehmen Lösungen für die Altersvorsorge und Versicherungsleistungen an und ist auf die dazu gehörende Produkt- und Dienstleistungspalette fokussiert. Seit der Gründung ist das Unternehmen durch eine umfassende Expansionsphase gelaufen, die zu einer komplexen Markenstruktur mit unterschiedlichen Namen und Erscheinungsbildern geführt hat. Vor einigen Jahren ist eine strategische Neuausrichtung initiiert worden, die zu einer Vereinfachung der Markenstruktur und Konzentration auf die oben genannten Produkte und Dienstleistungen in Verbindung mit einem neuen Erscheinungsbild führen wird. Die Entscheidung für diesen Schritt ist nicht zuletzt aufgrund der finanziellen Situation und darüber hinaus der Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffentlichkeit getroffen worden. Im Zuge dieser Maßnahmen für den strategischen Turnaround wird auch die Konzern-IT restrukturiert, was sich hauptsächlich in einer Zentralisierung niederschlägt. Das in der Fallstudie beschriebene Projekt bezieht sich auf die IT für die Bereiche Finanz- und Risikomanagement sowie das Anlagemanagement. Die Zielsetzung dabei ist die Positionierung dieser zentralen IT-Abteilung als „IT Service Provider“, die den internen Kunden umfassende Lösungen anbietet. Das Projekt wird deshalb mit dem thematischen Fokus der Strategieänderung bzw. Strategieergänzung geführt.
4.5.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase nach dem Grundmuster „Analyse“ Das Projekt befindet sich am Beginn der Initiierungsphase. Es ist geplant, das Projekt sehr eng mit dem Tagesgeschäft zu vernetzen, so dass der Projektcharakter für die beteiligten Mitarbeiter in den Hintergrund tritt und die geplanten Veränderungen kontinuierlich in die Wirklichkeitsordnung übernommen werden können. Die Zielsetzung wird wie folgt formuliert: „Wir bieten unseren Kunden als IT Service Provider proaktiv umfassende IT-Dienstleistungen und IT-Lösungen.“ Die für die Umsetzung des Veränderungsvorhabens geplanten Phasen, die später als Grundlage für die Zuordnung der Aktivitäten dienen, umfassen in Anlehnung an klassische Projektvorgehensweisen die folgenden Schritte: 1. Initiierung und Positionierung: In dieser Phase werden alle Rahmenbedingungen für das Projekt analysiert und einerseits festgelegt, wie es in der Gesamtorganisation zu positionieren ist, und darauf aufbauend andererseits definiert, wie es für den betroffenen Bereich initiiert werden soll. 2. Etablierung und Implementierung im Tagesgeschäft: Nach der Planung und Spezifikation des Projekts erfolgt in dieser Phase die eigentliche Umsetzung als ein im Tagesgeschäft vernetztes Projekt. 3. Verankerung der Inhalte: In dieser Phase werden die definierten und bereits umgesetzten Ergebnisse sukzessive auf ihre Verankerung in der Organisation überprüft. Hier wird deutlich, dass die Phasen 2 und 3 keine strenge Sequenzialisierung zulassen, sondern zum Teil parallel ablaufen bzw. iterativ vernetzt sind.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
241
4. Überprüfung des Projekterfolgs: Diese Phase beginnt nach dem Abschluss des internen Projekts, das durch den Befragten auf eine Laufzeit von 15 Monaten festgelegt wurde. Sie hat zum Ziel, den nachhaltigen Projekterfolg zu überprüfen.
Im Rahmen des Interviews wurden die Beschreibungsparameter aus den CME-Klassen abgefragt und von dem Befragten hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet. Dabei wurde nach dem in Kapitel 4 entwickelten Grundmuster „Analyse“ vorgegangen, und dabei wurden die Parameter im Rahmen des „Wahl-Kontextes“ ermittelt. In einem zweiten Schritt hat der Befragte einige weitere Parameter ergänzt, die aus seiner Sicht für das Projekt in dem spezifischen Umfeld wichtig wären (vgl. hierzu auch die Definition des Kontextes). Diese Parameter sind: x
„Definition der Zielverhaltensweisen“: Dieser Parameter ist eine Detaillierung der „Projektziele“; er dient dem Zweck, die gewünschte Effektivität und Effizienz im Führungsteam herzustellen. Hier soll ein Zusammenspiel zwischen Übernahme von Verantwortung und gleichzeitiger Teamarbeit hergestellt werden.
x
„Definition der quantitativen und qualitativen Leistungsanreize“: Im Zusammenhang mit dem Parameter „Subkultur“, der hier den IT-Bereich beschreibt, sollen die einzusetzenden quantitativen, d. h. in erster Linie monetären und qualitativen Leistungsanreize spezifiziert werden.
x
„Analyse der gewünschten und Definition der abgestimmten sowie umsetzbaren Arbeitsbedingungen“: Der Gesprächspartner geht davon aus, dass die gewünschte Verhaltensänderung durch eine Abstimmung der innerhalb des IT-Bereichs umsetzbaren Arbeitsbedingungen mit den von den beteiligten Mitarbeitern gewünschten Bedingungen sowie der gestaltbaren Umgebung unterstützt wird. Aus diesem Grund sollte dieser Beschreibungsparameter explizit erhoben werden. Diese Auffassung und damit die Bedeutung des Parameters lässt sich auch durch eine Studie von Fitz-Enz511 belegen.
Die Ergebnisse des Interviews werden zusammengefasst in Abbildung 64 vorgestellt. Der relevante Kontext, der zusammen mit den Ergebnissen der Klassifikation als Basis für das Grundmuster dient, und als Eingangsgröße die Instanziierung der Methode maßgeblich definiert, wird durch das Tupel Situation und Entscheidung wie folgt definiert: x
511
Situation: Das Themengebiet, das die Situation grundlegend definiert, ist die Strategieänderung der IT der Bereiche Finanz- und Risikomanagement sowie Anlagemanagement des Finanzdienstleisters, die eine Positionierung als IT Service Provider zum Ziel hat. Die Situation ist als komplex einzustufen. Die Problemdomäne ergibt sich aus dem Veränderungsvorhaben und seinen Anforderungen sowie der Zielorganisation, die eine Dienstleistungs-orientierte Architektur, z. B. durch die Einführung von so genannten „Key Account Managern“ für die internen Kunden, aufweisen soll. Dieser Schritt erfolgt mit der Zielsetzung, im Rahmen der Kompetenzen des IT-Bereichs eine optimale Serviceleistung für den Kunden zu erbringen. Die Komplexität der Problemdomäne ist mit dem höchsten Wert zu bewerten, weil eine hohe Vernetzung mit der Organisation des Gesamtunternehmens besteht und nach der bereits erfolgten organisatorischen Restrukturierung nun die Umsetzung des Kulturwandels zu erreichen ist. Das Risiko ist mit dem Mittelwert, oder auch „moderat“ zu bewerten, weil der Vgl. Fitz-Enz, J.: The ROI of Human Capital, New York et al. 2000, S. 231-243.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
242
Druck auf den Bereich durch den Turnaround des Gesamtunternehmens hoch ist und damit eine höhere Handlungsbereitschaft und Commitment der Beteiligten zu erwarten ist. x
Entscheidung: Die Intention ist die organisationskonforme Restrukturierung des ITBereichs. Sie soll durch das im Tagesgeschäft vernetzte Veränderungsprojekt erreicht werden. Der Lösungsansatz wird bestimmt durch den „begleitenden“ Charakter der Maßnahmen, die den revolutionären Ansatz langsam einführen sollen und somit keinen „Big Bang“-Ansatz darstellen. Das dominierende Ziel ist konkret und wird, wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, durch die Positionierung als interner IT Service Provider definiert. Fachlichkeit
Projekt „IT Service Provider“
Art der Kommunikation Entscheidungsprozesse Entwicklungsmodus Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Fähigkeitenprofil Freiheitsgrade Geschäftslogik Herausforderungen Informationsmanagement Intention und Implementation Kernkompetenzen Kommunikationskanäle Konsequenzen Kundenzufriedenheit Managementsystem Organisatorisches Lernen Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Produktsicht (Output) Projektumfang Projektziele Prozessarchitektur Prozessorientierung Rollen Stil der Initiierung Strategieprozess Thema des Veränderungsprojekts Transparenzgrad Treiber Veränderungsprozess Vernetzungsgrad Vision und Mission Wertschöpfung Wirkungsradius Wissensmanagementprozess
Kultur & Emotionen Adressaten der Veränderungsprozesse Arbeitsbedingungen Dominante Unternehmenskulturen und beobachtbare Subkulturen Führung: Aktivitäten und Commitment durch die Mitarbeiter Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten Führung: Kognitive Diversität Führung: Management Commitment und Vorleben Geschichte des Erfolgs (Unternehmen) Kommunikationsverhalten Machtstrukturen Mentalität/geistige Haltung Schlüsselpersonen Spassfaktor Stabilisierende Faktoren Struktur der Gruppenprozesse Struktur der Kommunikationsnetzwerke Vermittlung des Sinns Widerstände Wirklichkeitsordnung Zielverhaltensweisen
Kennzahlen zur Steuerung Leistungsanreize Lenkbarkeiten Massnahmen bei Abweichungen Massnahmen bei Widerständen Meilensteine Qualitative Steuerungsgrössen Qualitätsmassnahmen Sicherstellung der Nachhaltigkeit Szenarien Veränderungsgeschwindigkeit
Auslöser Einfluss durch Stakeholder Milieu Ökonomische Situation
Steuerung
Umfeld
Abbildung 64: Für das Projekt zu verwendende Beschreibungsparameter Die Beschreibungsparameter, die auf der Basis des Kontexts zum Einsatz kommen, weisen eine gleichmäßige Verteilung aus allen Klassen auf und sind durch den Charakter des Projekts als in das Tagesgeschäft integrierter kontinuierlicher Prozess geprägt. Dadurch haben Parameter, die auf spezifische Projekteckdaten eingehen, wie z. B. das Projektergebnis, eine geringere Bedeutung als z. B. die Vision und Mission, die als Grundlage der Kommunikation verwendet werden. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass eine ausgeprägte Zielorientierung der verantwortlichen Führungskraft vorliegt, die die Berücksichtigung bestimmter Parameter bevorzugt. Das bezieht sich z. B. auf Parameter, die der Definition der Kommunikation oder des Veränderungsprozesses dienen. Solche Parameter hingegen, die den frühzeitig starken Einfluss von emotional geprägten Sachverhalten, wie z. B. den Erwartungen und der Zufriedenheit der Mitarbeiter, betonen, werden als zu wenig konkretisierbar und zielführend und damit als sekundär zu definierende Pa-
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
243
rameter klassifiziert. Die ergänzten Parameter weisen eine Ausrichtung an der als hauptsächlich relevant identifizierten Herausforderung des Kulturwandels hin zu einer Dienstleistungsorientierung auf, wobei der Fokus auf „analysierbare“, d. h. operationalisierbare Parameter gelegt wurde. Die ergänzten Parameter sind kursiv markiert. Mit diesem Schritt wurde zunächst die umfassende Beschreibung des Veränderungsprojekts erreicht. Nachfolgend sind daraus und zugleich aufbauend auf den CME-Basisaktivitäten die für die Methode relevanten Aktivitäten zu bestimmen.
4.5.3 Identifikation der Aktivitäten für die zu konstruierende situative Methode nach dem Grundmuster „Definition“ Die Aktivitäten, die für dieses Veränderungsprojekt zum Einsatz kommen sollen, setzen sich zusammen aus den CME-Basisaktivitäten, den Nicht-Basisaktivitäten, die sich aufgrund der thematischen Ausrichtung des Projekts ergeben, und den zusätzlich durch die auf Basis der relevanten Grundsituation (Strategieergänzung) auszuwählenden Nicht-Basisaktivitäten. Diese Aktivitäten müssen in einem letzten Schritt wieder bereinigt werden, indem die Aktivitäten, deren Basisparameter aufgrund der Projektzielsetzung als nicht relevant identifiziert worden sind, eliminiert werden. Damit wird sichergestellt, dass nur diejenigen Aktivitäten in die Methode eingehen, die im Rahmen der Analyse des Projekts und situationsspezifisch als relevant angesehen wurden. Das hat zur Folge, dass nicht alle Basisaktivitäten ausgewählt werden. Der Grund dafür liegt zum einen in der spezifischen Verankerung des Projekts in der Organisation und zum anderen an der Einstellung und Orientierung der befragten Führungskraft. Ein erstes Ergebnis, das an dieser Stelle aufgrund des Validierungsprozesses bereits identifiziert werden kann, ist die Erfordernis, auch die CME-Basisaktivitäten für jedes Projekt neu in Frage zu stellen, so dass auch hier eine Auswahl zu treffen ist und nicht angestrebt werden sollte, alle Aktivitäten durchzuführen. Die Individualität eines jeden Veränderungsprojekts ist hier wieder der zentrale Grund, der gegen eine zu starke Standardisierung spricht. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieses Schritts ist die Erkenntnis, dass ein Abgleich der für das Projekt als relevant beurteilten Beschreibungsparameter mit den auf Grundlage der Auswahlregeln und der CME-Basis ausgewählten Aktivitäten erfolgen muss. So fehlt in diesem Fall zwar lediglich die Aktivität „Definition von Szenarien“, die dem entsprechenden, als relevant bewerteten Beschreibungsparameter Rechnung trägt, aber für andere Fälle ist es denkbar, dass dieser Unterschied signifikanter ausfallen kann. Insgesamt lässt sich zudem festhalten, dass die Überdeckung mit den durch das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Verfahren vorgeschlagenen Aktivitäten und den durch die Auswahl der Beschreibungsparameter als relevant beurteilten Aktivitäten hoch ist (82 % der CMEBasisaktivitäten, 78 % der Nicht-Basisaktivitäten für das spezifische Themengebiet und 50 % der Ergänzungsaktivitäten) und damit auf eine Validität und praktische Anwendbarkeit des entwickelten Verfahrens schließen lässt. Nachfolgend ist eine kurze Übersicht über die Basisaktivitäten und die in drei Stufen ergänzten Nicht-Basisaktivitäten (inklusive der auf Basis der durch den Befragten ergänzten Beschreibungsparametern abgeleiteten Aktivitäten [kursiv]) gegeben (vgl. Abbildung 65).
244
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
CME-Basisaktivitäten Analyse der Auslöser Analyse der dominanten Unternehmenskulturen und Subkulturen Analyse der Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt) Analyse der Herausforderungen Analyse der Konsequenzen Analyse der Machtstrukturen Analyse der Mentalität/geistigen Haltung Analyse der ökonomischen Situation Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Ist- und Sollperspektive) Analyse und Definition der Treiber Analyse und Definition der Wertschöpfung (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Ist- und Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Managementsystems Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Ist- und Soll-Perspektive) Definition der Adressaten der Veränderungsprozesse Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Definition der Fähigkeitenprofile Definition der Kennzahlen zur Steuerung Definition der Kommunikationskanäle Definition der Projektziele Definition der Vision und Mission Definition des Projektumfangs Definition des Veränderungsprozesses Definition und Planung der Art der Kommunikation Definition von Massnahmen bei Abweichungen Definition von Massnahmen bei Widerständen Definition von Meilensteinen Ermittlung der Prozessorientierung Ermittlung der Struktur der Gruppenprozesse Ermittlung der Widerstände Ermittlung des Einflusses durch die Stakeholder Festlegung der Rollen Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Überlegungen zum und Sicherstellung des Organisatorischen Lernens Vermittlung des Sinns
Ergänzungen durch Nicht-Basisaktivitäten Analyse der Geschäftslogik Analyse der Intention und Implementation Analyse der Kernkompetenzen Analyse der Lenkbarkeiten Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit Analyse der Wirklichkeitsordnung Analyse des Milieus Analyse des Wirkungsradius Definition der Prozessarchitektur Definition des Entwicklungsmodus Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität) Definition des Themas des Veränderungsprojektes Definition des Transparenzgrads Definition des Wissensmanagementprozesses Definition eines Strategieprozesses Definition qualitativer Steuerungsgrössen Definition von Qualitätsmassnahmen Ermittlung der Freiheitsgrade Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren Ermittlung von Schlüsselpersonen Festlegung des Stils der Initiierung Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten Führung: Kognitive Diversität Integration des Spassfaktors Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen Sicherstellung der Produktsicht (Output) Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Ist- und Soll-Perspektive) Sicherstellung der Nachhaltigkeit Analyse und Definition der Arbeitsbedingungen Definition der quantitativen und qualitativen Leistungsanreize Definition der Zielverhaltensweisen Definition von Szenarien
Abbildung 65: Übersicht über die Aktivitäten der zu konstruierenden Methode Die grundlegende Beurteilung der einzusetzenden Aktivitäten fiel positiv aus, und sie wurden durch den Befragten als angemessen bewertet; er hatte keine weiteren Ergänzungen. Damit ist der nächste Schritt, nämlich die Konstruktion der Methode nach dem entsprechenden Grundmuster, vorbereitet.
4.5.4 Entwurf der Methode nach dem Grundmuster „Konstruktion“ Die Konstruktion der für dieses Projekt einzusetzenden Methode basiert wiederum auf dem gegebenen Kontext und verwendet als zentrale Eingangsgrößen das Projektziel und die Aktivitäten aus dem Definitionsgrundmuster. Die beiden Hauptzielsetzungen dieses Schrittes sind erstens die Festlegung einer sinnvollen Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten und zweitens die Definition der Komponenten nach dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Ansatz des Methoden Engineerings. Die Festlegung des Ablaufs orientiert sich in einem ersten Schritt an der Zuordnung der Aktivitäten zu den Phasen des in Kapitel 2, Abbildung 22, definierten Vorgehens sowie der grundsätzlichen Zugehörigkeit zur In- bzw. Outputphase des Prozesses. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Zuordnung keine strenge zeitliche Sequenz vorbestimmen kann, weil bestimmte Aktivitäten der Outputphase, wie z. B. die Definition des Projektziels, sehr früh vorgenommen werden müssen. Der wichtigste Bestandteil in diesem Teilbaum ist also, wie aus der vorhergehenden Aussage deutlich wird, die Diskussion der Alternativen mit der verant-
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
245
wortlichen Führungskraft bzw. innerhalb des Führungsteams, damit eine dem Projekt angemessene Abfolge definiert werden kann. Das Ergebnis der Analyse beruht auf der Diskussion mit dem Befragten, die verschiedene alternative Abläufe einbezogen hat. Während der Diskussion haben sich vier Schritte als Definitionsgrundlage ergeben, die vor allem aufgrund der logischen Sequenz der interdependenten Bestimmbarkeit der Parameter entstehen und sich wie folgt bezeichnen lassen: 1. Analyse der Rahmenbedingungen für das Veränderungsvorhaben: Dazu gehören die Analyse der Auslöser, der Konsequenzen für die Organisation und der Voraussetzungen, mit denen gearbeitet werden muss. 2. Definition des Projekts: Dieser Schritt befasst sich mit allen Aktivitäten, die die direkten Rahmenbedingungen des Projekts spezifizieren. Darüber hinaus werden damit das Projektmanagement und alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Aktivitäten definiert. 3. Definition der Zielparameter: Hier werden alle Outputparameter für das Projekt festgelegt. 4. Definition der Steuerungsparameter: In diesen Schritt fallen die Aktivitäten, die die Parameter zur Steuerung des Vorhabens festlegen. Diese Aktivitäten können erst dann definiert werden, wenn alle anderen Parameter festgelegt sind. Die zeitliche Abfolge der Aktivitäten wird durch die Anforderungen des Projekts bestimmt.
Nach dem Durchlaufen aller vier Schritte, sind der Ablauf der Aktivitäten und damit das Grundgerüst der Methode festgelegt. Das Endergebnis des Durchlaufens des Teilbaums „Definiere Ablauf“ findet sich in den Tabellen 17a bis 17d. Hier sind darüber hinaus die Aktivitäten in eine zeitliche Sequenz bzw. Parallelität in Bezug auf die Phasen des Projekts geordnet worden, so dass ein „Aktivitätsprofil“ entstanden ist. Hier gilt es zu beachten, dass die Phasen aus Gründen der Übersichtlichkeit nacheinander angeordnet sind, aber die Phasen 2 und 3 in dem Projekt zeitlich teilweise parallelisiert werden müssen. Der nächste Schritt des Grundmusters besteht nun darin, die zu den Aktivitäten gehörenden Komponenten zu definieren. Diese konkrete Definition der Komponenten ist nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Arbeit, muss aber für die Operationalisierung der Methode in der Realität diesem Schritt folgen. Hier werden dann darüber hinaus die Details des gesamten Projektmanagements festgelegt und in Abstimmung mit den Anforderungen der Organisation alle Handlungsanweisungen erzeugt, die eine systematische Instanziierung und Umsetzung der Methode ermöglichen. Dazu müssen z. B. die vier Phasen weiter detailliert und entsprechende Meilensteine definiert werden, zu den dort festgelegten Zeitpunkten erfolgt eine Konsolidierung der Ergebnisdokumente. Dieser Konsolidierungsschritt hat das Ziel, ein übergeordnetes Ergebnisdokument zu erzeugen, das wiederum als Input für die nächsten Schritte dient. Mit der erfolgreichen Definition der Aktivitäten und des Ablaufs ist der Konstruktionsprozess im Rahmen der Fallstudie nunmehr abgeschlossen.
Tabelle 17a: Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block I)
Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben
Ermittlung der Widerstände
Festlegung der Rollen
Analyse der Konsequenzen
Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten
Analyse der Herausforderungen
Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit
Analyse der Wirklichkeitsordnung (und Überprüfung)
Analyse des Milieus
Ermittlung des Einflusses durch die Stakeholder
Analyse und Definition des Vernetzungsgrades (Ist-Perspektive)
Analyse des Wirkungsradius
Ermittlung der Freiheitsgrade
Analyse der Lenkbarkeiten
Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Ist-Perspektive)
Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke
Ermittlung der Struktur der Gruppenprozesse
Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Ist-Perspektive)
Analyse der Machtstrukturen
Analyse des Managementsystems
Analyse der Kernkompetenzen
Analyse der dominanten Unternehmenskulturen und beobachtbaren Subkulturen
Analyse der Mentalität/geistigen Haltung
Analyse der Geschichte des Erfolgs (hier: nur Unternehmen)
Analyse der Intention
Analyse der ökonomischen Situation
Analyse der Auslöser
Ermittlung der Prozessorientierung (Ist-Perspektive)
Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Ist-Perspektive)
Analyse und Definition der Wertschöpfung (Ist-Perspektive)
Block I: Analyse der Rahmenbedingungen für das Veränderungsvorhaben Analyse der Geschäftslogik
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Interner IT Service Provider"
Phase 1 (3 Monate): Initiierung & Positionierung
Phase 2 (10 Monate): Etablierung und Implementierung Phase 3 (2 Monate): Verankerung
Phase 4: Überprüfung des Projekterfolgs
246 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Tabelle 17b: Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block II)
Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen
Definition von Szenarien
Definition des Projektumfangs
Überlegungen zum und Sicherstellung des organisatorischen Lernens
Definition des Wissensmanagementprozesses (und Überprüfung)
Integration des Spaßfaktors
Definition der Kommunikationskanäle
Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)
Vermittlung des Sinns
Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter
Festlegung des Stils der Initiierung
Ermittlung von Schlüsselpersonen
Definition und Planung der Art der Kommunikation
Definition des Transparenzgrads
Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren (und Überprüfung)
Definition des Entwicklungsmodus
Definition eines Strategieprozesses
Definition des Veränderungsprozesses
Analyse und Definition der Treiber
Definition der Projektziele (und Überprüfung)
Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens
Definition der Adressaten der Veränderungsprozesse
Definition der Vision und Mission (und Überprüfung)
Block II: Definition des Projekts Definition des Themas des Veränderungsprojekts
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Interner IT Service Provider"
Phase 1 (3 Monate): Initiierung & Positionierung
Phase 2 (10 Monate): Etablierung und Implementierung Phase 3 (2 Monate): Verankerung
Phase 4: Überprüfung des Projekterfolgs
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens 247
Block III: Definition der Zielparameter Analyse und Definition der Wertschöpfung (Soll-Perspektive und Überprüfung) Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Soll-Perspektive und Überprüfung) Analyse der Kernkompetenzen (Soll-Perspektive) Sicherstellung der Produktsicht (Output) (und Überprüfung) Ermittlung der Prozessorientierung Definition der Prozessarchitektur Definition der Zielverhaltensweisen (und Überprüfung) Analyse und Definition der Arbeitsbedingungen Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Managementsystems (Soll-Perspektive) Festlegung der Rollen (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Soll-Perspektive) Definition der Fähigkeitenprofile (und Überprüfung) Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Analyse der Mentalität/geistigen Haltung (Soll-Perspektive und Überprüfung) Sicherstellung der Nachhaltigkeit
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Interner IT Service Provider"
Phase 1 (3 Monate): Initiierung & Positionierung Phase 2 (10 Monate): Etablierung und Implementierung Phase 3 (2 Monate): Verankerung
Phase 4: Überprüfung des Projekterfolgs
248 Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Tabelle 17c: Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block III)
Analyse der Implementation
Sicherstellung der Nachhaltigkeit (Steuerungssicht)
Ermittlung von Schlüsselpersonen (Soll-Perspektive)
Führung: Kognitive Diversifität
Definition von Maßnahmen bei Widerständen
Definition von Maßnahmen bei Abweichungen
Definition von Qualitätsmaßnahmen
Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren (Soll-Perspektive)
Definition der quantitativen und qualitativen Leistungsanreize
Definition qualitativer Steuerungsgrößen
Definition der Kennzahlen zur Steuerung
Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens (Soll-Perspektive)
Block IV: Definition der Steuerungsparameter Definition von Meilensteinen (und Überprüfung)
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Interner IT Service Provider"
Phase 1 (3 Monate): Initiierung & Positionierung
Phase 2 (10 Monate): Etablierung und Implementierung Phase 3 (2 Monate): Verankerung
Phase 4: Überprüfung des Projekterfolgs
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Tabelle 17d: Zeitliche Sequenz bzw. Parallelisierung der Aktivitäten der Methode „Interner IT Service Provider“ (Block IV)
249
250
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
Die Herausforderungen bei diesem Projekt sind einerseits die Vernetzung mit dem Tagesgeschäft, die ein straffes, aber indirektes Projektmanagement mit klaren Meilensteinen und einer zielgerechten Kommunikationsstrategie erfordert. Die Zielsetzung lautet hier, die Mitarbeiter ständig informiert zu halten, ohne den Projektcharakter zu sehr in den Vordergrund zu stellen und damit das Tagesgeschäft zu beeinträchtigen. Andererseits muss ein bestimmtes, gewünschtes Verhalten und damit eine Vision für eine Ausprägung der Subkultur definiert werden, deren Umsetzung nur mit Impulsen „angestoßen“ werden kann, ohne dass das Ergebnis endgültig absehbar wäre. Darüber hinaus muss eine dynamische und den Prozess begleitende Steuerung etabliert werden, die rechtzeitig auf wahrnehmbare Abweichungen aufmerksam macht, entsprechende Maßnahmen zur Verfügung stellt und bei Bedarf einleitet.
4.6 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Steuerung sowie auch die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsvorhaben erfordert eine systematische Vorgehensweise bei der Konstruktion von Methoden, die sowohl die Einzigartigkeit der Aufgabe als auch die spezifische Situation, die dem Vorhaben zugrunde liegt, berücksichtigt. Die Aufgabenstellung für dieses Kapitel lautete also, erstens einen Konstruktionsprozess zu entwickeln, der diesen Forderungen Rechnung trägt, und zweitens die einzelnen Phasen dieses Prozesses zu instanziieren, um den Konstruktionsrahmen zur Verfügung zu stellen. Die erste Aufgabe wird auf der Basis erstens eines ausgewählten Vorgehens zur Methodenkonstruktion und zweitens von Konstruktionsgrundmustern gelöst. Dabei spielt vor allem die Definition des Kontexts als Tupel der Parameter „Situation“ und „Entscheidung“ eine grundlegende Rolle für die Integration des Aspekts der Situationsbezogenheit einer Methode. Darüber hinaus ist die Entwicklung eines Grundmusters zur Ableitung der Klassifikationstheorie ein elementarer Schritt für die Systematisierung des Vorgehens. Dieses Grundmuster basiert auf dem klassischen Vorgehen, wie es in der Wissenschaft der Klassifikation verfolgt wird. Damit eine angemessene Subtheorie erzeugt werden kann, muss es in seiner Instanziierung dann auf die Problemstellung von Veränderungsvorhaben angepasst werden. Die zweite Aufgabe dieses Kapitels war die konkrete Umsetzung des gewählten Vorgehens auf Basis der Vorarbeiten. Dabei stand zunächst die Forderung einer umfassende Beschreibung und Definition des entsprechenden Veränderungsvorhabens und seines Umfelds im Vordergrund. Aus diesem Grund ist die erste Phase des Konstruktionsprozesses ein solcher Beschreibungsvorgang. Eine Definition, die alle Aspekte des Veränderungsprojekts aufnimmt und präzise beschreibt, wird durch die methodische Klassifikation der Beschreibungsparameter der BE-Projekte sowie der im Rahmen von Veränderungsinitiativen zur Verfügung stehenden Methoden möglich. Da aber für die organisationale Veränderung keine angemessene Klassifikationstheorie existiert, war es eine weitere Aufgabe des Kapitels, eine entsprechende theoretische Grundlage zu entwickeln. Sie stellt eine zentrale Basis dar, damit die Bedingungen für die Steuerbarkeit erfüllt werden können. Gemäß den Forderungen der Theoriebildung muss also ein Aussagensystem entstehen, das die wesentlichen Elemente des Business Engineering einschließt. Diese Aussagen bilden eine der Grundlagen für die spätere Zuordnung der Beschreibungsparameter zu den definierten Klassen. Die Klassenbildung selber ist nur dann mög-
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
251
lich, wenn entsprechende Regeln dafür aufgestellt werden. Diese Regeln geben den Rahmen für die Struktur und die Population der Klassen vor. Auf dieser Grundlage wird es dann möglich, das Vorgehen für die Ermittlung der Klassen und die sie bevölkernden Objekte festzulegen. Hier sind umfassende und realitätsnahe Definitionen der Domäne einerseits der BE-Projekte und andererseits der Veränderungsmethoden nur dann möglich, wenn Beschreibungsparameter identifiziert werden können, die erstens objektiv zu erheben sind und zweitens eine präzise Beschreibung des Sachverhalts ermöglichen. Darüber hinaus müssen, gemäß den Forderungen zur Klassenbildung, die Elemente der Domänen den entstehenden Klassen klar zuordenbar sein. Diese letzte Forderung führt dazu, dass Veränderungsmethoden so zerlegt werden, dass ihre konstituierenden Elemente zuordenbar werden. Dieses Vorgehen resultiert schließlich in der Definition von Aktivitäten, durch die die Beschreibungsparameter erfassbar und kommunizierbar werden. Der Forderung nach Realitätsnähe und nachvollziehbarer Fundierung der Beschreibungsparameter und Klassen kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn ihre Identifikation und Ableitung auf der Basis von analysierten Projekten und in der Praxis eingesetzten Methoden erfolgt. Hier gibt es durch die seit langem bestehende Anforderung an Unternehmen, sich an neue Bedingungen anzupassen und das Fortbestehen sichernde Veränderungsprozesse zu initiieren und durchzuführen, ein breites Betätigungsfeld, das im Verlauf des Entwicklungsprozesses für die Klassifikation auch genutzt wurde. Die Ergebnisse der Klassenbildung belegen darüber hinaus auch die in der Grundlage zur Theorie getroffene Aussage, dass eine Veränderung nur dann wirksam wird, wenn sie auf allen Ebenen umgesetzt worden ist. Die Klassen repräsentieren die verschiedenen Ebenen des Bezugsrahmens, und das Zusammenspiel der Parameter zeigt, dass keine Ebene alleine die Veränderung steuern oder beschreiben kann. Das Ergebnis dieses Schritts und damit die Operationalisierung der ersten Phase in dem gewählten Vorgehen zur Methodenkonstruktion spiegelt sich also in den vier CMEKlassen „Fachlichkeit“, „Umfeld“, „Kultur und Emotionen“, „Steuerung“ sowie den jeweils zugeordneten Beschreibungsparametern wider. Durch das oben beschriebene Vorgehen entstehen „offene Klassen“, die jederzeit durch weitere Beschreibungsparameter ergänzt werden können. Um diese Ergänzung methodisch vollziehen zu können, kann wiederum das zuvor entwickelte Grundmuster dienen, das die systematische und intersubjektiv nachvollziehbare Zuordnung, wenn auch im besten Sinne rationalistisch konstruktiv, erst ermöglicht. Bereits jetzt ist die Basispopulation jedoch gut fundiert und breit, so dass ein direkter Einsatz der Klassen und ihrer Elemente für die Beschreibung eines Veränderungsprojekts und die Definition von adäquaten Methoden möglich erscheinen. Darüber hinaus ist eine gute und fundierte Basis für die Ableitung der Basisaktivitäten des CME und die Definition von Aggregationsregeln gelegt worden. Neben der Fundierung einer grundlegenden Sammlung von Basisaktivitäten für das CME ist ein weiteres Ergebnis der Überblick über die erforderlichen Fähigkeiten, die ein Veränderungsarchitekt mitbringen sollte, um Veränderungsvorhaben erfolgreich steuern zu können. Der letzte Schritt, nämlich die Regelableitung für die situative Methodenkonstruktion, erfolgt auf der Basis eines Grundmusters als Prozessmodell, das als Ergebnis erstens fünf Themencluster erzeugt, die bestimmte Kombinationen von Aktivitäten aufweisen. Zweitens ergeben sich durch die Analyse der Häufigkeiten und spezifischen Kombinationen von Beschreibungsparametern aus den Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen Aktivitätencluster, die ebenfalls Rückschlüsse auf die relevante Kombination von Aktivi-
252
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
täten für eine Methode erlauben. Die Ergebnisse dieses Schritts sowie die Überlegungen zur Kontextdefinition dienen als Input für die drei Grundmuster „Analyse“, „Definition“ und „Konstruktion“, die den Konstruktionsprozess instanziieren. Die durch den Konstruktionsprozess entstehenden Methoden müssen den in Kapiteln 1 und 3 formulierten Anforderungen an die Methodenentwicklung genügen. Dabei müssen die Anforderungen in zwei Kategorien differenziert werden: Einerseits die Anforderungen, die direkt überprüfbar sind, d. h. die „theoretischen“ Anforderungen, und andererseits diejenigen Anforderungen, die nicht unmittelbar überprüfbar sind und deren Erfüllung erst im Verlauf eines Validierungsprozesses bestätigt werden kann. Nachfolgend werden die Anforderungen der ersten Kategorie anhand der Ergebnisse aus Kapitel 4 überprüft:512 x
Die Methode ist ein sprachlich verfasstes Artefakt: Die Methode wird in natürlichsprachlicher Form beschrieben, und auch die Ergebnisse der Methode liegen in dieser Form vor.
x
Die Methode erfüllt einen nomothetischen Anspruch: Die instanziierten Methoden sind zwar situationsspezifisch, aber durch den systematischen Konstruktionsprozess lassen sich die für die verschiedenen Veränderungsprojekte entstehenden Methoden in ihrer Entstehung und ihren Komponenten vergleichen, so dass sie den Anspruch der Verallgemeinerbarkeit und Transparenz erfüllen.
x
Die Methode basiert auf einer zeitlichen Reihenfolge für den Einsatz der Methodenfragmente: Diese Forderung wird durch das Grundmuster „Konstruktion“ erfüllt, das den Ablauf der Methode erzeugt.
x
Der Methodenaufbau ist systematisch sowie klar und wechselseitig konsistent: Der Aufbau einer jeden Methode folgt dem Methoden Engineering nach Gutzwiller und hat damit, wenn er bis zum Ende durchgeführt wird, klar abgegrenzte Komponenten und erzeugt nachvollziehbare Ergebnisse, deren Beziehungen in einem Informationsmodell abgebildet werden.
x
Die Methode wird durch ein Werkzeug unterstützt: Diese Anforderung wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfüllt, wäre aber durch die Entwicklung eines geeigneten Werkzeugs umsetzbar.
x
Die Verfeinerungsschritte sind konsistent: Durch den systematischen Aufbau der Methode sind alle Ebenen bis zum „Einzelschritt“ im Rahmen einer Aktivität konsistent verfeinerbar.
x
Die Methode synchronisiert parallele Aktivitäten: Das Grundmuster „Konstruktion“ unterstützt auch die mögliche Parallelisierung der Aktivitäten.
x
Die Methode ist semantisch korrekt und ihre Beschreibung aussagekräftig: Durch die Orientierung sowohl an dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Bezugsrahmen in Verbindung mit den CME-Klassen als auch an dem bereits erwähnten Vorgehen des Methoden Engineering, kann einerseits eine aussagekräftige Beschreibung der Methode erfolgen und andererseits eine semantische Korrektheit hergestellt werden.
512
Für die ausformulierten Anforderungen vgl. die Ausführungen in den Kapiteln 1 und 3 sowie die dort angegebenen Quellen.
Entwicklung eines situativen Methodenkonstruktionsverfahrens
253
Die Anforderungen der zweiten Kategorie, die hier noch nicht unmittelbar überprüfbar sind, beziehen sich auf die folgenden Aspekte: Vollständigkeit und Zweckbezug (ohne die Forderung nach dem systematischen Aufbau) der Methode sowie im Speziellen die von Sinz geforderte Struktur- und Verhaltenstreue gegenüber der abgebildeten Realität, die auch einschließt, dass die Anforderungen an die Methode selber korrekt und relevant sein müssen. Als weiteres Ergebnis lässt sich also festhalten, dass die Methoden, die auf der Basis des entwickelten Konstruktionsverfahrens instanziiert werden, den theoretischen Anforderungen an die Methodenkonstruktion genügen. Die Anforderungen der zweiten Kategorie, die auf ihre pragmatische Anwendbarkeit und Konsistenz abheben, müssen nun im nachfolgenden Kapitel überprüft und das Vorgehen damit validiert werden. Das bedeutet, dass die Fragen beantwortet werden müssen, ob erstens diese spezifischen Anforderungen erfüllt sind, und damit zweitens das Vorgehen und drittens die Konstruktionsgrundmuster in der vorgeschlagenen Form einsetzbar sind. Schließlich ist viertens zu überprüfen, ob die vorgeschlagenen Instanziierungen der CME-Klassen, CME-Aktivitäten und der Regeln anwendbar sind. In einem ersten Schritt geschah die Überprüfung der Anwendbarkeit beispielhaft für das Projekt zur Positionierung der IT als Service Provider bei einem Finanzdienstleistungsunternehmen; es diente der Validierung einerseits der Grundmuster und andererseits der Ergebnisse der CME-Klassifikation. Das Vorgehen zur Methodenkonstruktion hat sich als geeignet erwiesen, um das Projekt zu beschreiben sowie die Methode zu entwerfen. Sie hat zu einer systematischen Vorgehensweise und intensiven Diskussion mit der verantwortlichen Führungskraft geführt. Der Erfolg der daraus entstandenen Methode kann erst später eingeschätzt werden, aber das Verfahren zu ihrer Konstruktion hat sich bewährt und ist durch diesen Fall nochmals um einen Aspekt, den Abgleich der Beschreibungsparameter mit den Aktivitäten, ergänzt worden. Die Ex-post-Validierung und weitere Überprüfung der Anforderungen an die Methodenkonstruktion findet nachfolgend anhand von drei Fallstudien statt.
5 Validierung des Lösungsansatzes für die situative Methodenkonstruktion Die Validierung der zuvor erzielten Ergebnisse stellt einen wichtigen Schritt im Rahmen der Entwicklung des Gesamtkonzepts dar. Der zu Beginn der Arbeit geforderte pragmatische Beitrag zur anwendungsorientierten Managementlehre kann nur dann tatsächlich geleistet werden, wenn die Anwendungsorientierung überprüfbar und in den Restriktionen des rationalistischen Konstruktivismus nachweisbar ist. Darüber hinaus sind diejenigen Anforderungen an Methoden zu überprüfen, die nur durch die konkrete Anwendung analysier- und damit bewertbar sind. Nachdem die theoretisch überprüfbaren Anforderungen an Methoden bereits im vierten Kapitel überprüft wurden, stehen nun vor allem die Aspekte Vollständigkeit und Zweckbezug sowie die Struktur- und Verhaltenstreue gegenüber der abgebildeten Realität im Vordergrund der Untersuchung. Diese Validierung erfolgt in den nachfolgenden Abschnitten auf der Basis von drei Fallstudien. Alle Fälle sind bereits abgeschlossen. Sie werden im Rahmen von Experteninterviews in Bezug auf die zu dem Zeitpunkt eingesetzte Vorgehensweise mit signifikanten Ähnlichkeiten und Unterschieden im Vergleich zu dem in der vorliegenden Arbeit entwickelten Lösungsansatz untersucht. Vor der konkreten Analyse müssen zunächst der Aufbau und die Struktur der Fallstudienuntersuchung kurz erläutert und diskutiert werden. Zum Abschluss fließen dann die Ergebnisse aus dieser „Differenzbetrachtung“ in die kritische Reflektion der Ergebnisse ein.
5.1 Aufbau und Struktur der Fallstudienuntersuchung Die Analyse der Fallstudien erfolgt auf der Grundlage von offenen Experteninterviews sowie durch die von den Gesprächspartnern zur Verfügung gestellten Unterlagen. In Anlehnung an die Abgrenzung der Themenbereiche der vorliegenden Arbeit aus Kapitel 2, Abbildung 22, erfolgt eine Konzentration auf den Analyse- und Definitionsbereich des Veränderungsprojekts, allerdings nicht ohne einen kurzen Blick auf die Ergebnisse der Implementierung II bzw. der eigentlichen Methodenkonstruktion zu werfen, um das erzielte Ergebnis zu überprüfen. Entsprechend ist die Struktur der Interviews nach den folgenden Themenbereichen aufgebaut: x
Kurze Unternehmens- und Projektbeschreibung sowie Einordnung in das Projektportfolio des Unternehmens.
x
Für alle Fallstudien erfolgt eine Beschreibung des Kontextes.
x
Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase des Projekts.
x
Beschreibung und Analyse der Implementierung I des Projekts.
256
x
Validierung des Lösungsansatzes
Kurze Evaluation der Implementierung II und damit Diskussion der Frage nach dem nachhaltigen „Erfolg“.513
Für die Auswertung der Fragen erfolgt also eine Aufteilung in drei Themenschwerpunkte mit den entsprechenden Fragestellungen: 1. Beschreibung des Veränderungsprojekts (Initiierungsphase): Welche Beschreibungsparameter wurden verwendet? Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen zu den Beschreibungsparametern der CME-Klassen und wie vollständig wurde das Projekt beschrieben? 2. Methodeneinsatz (Phase „Implementierung I“): Welche Methode/Methoden ist/sind zum Einsatz gekommen und welche Aktivitäten wurden durchgeführt? Bei Anwendung des entwickelten Methodenkonstruktionsverfahrens: in welchen Themenbereich wäre das Projekt gefallen, und aus welchen Aktivitäten würde die Methode konstruiert werden? Wo liegen die Unterschiede zu der tatsächlich eingesetzten Methode bzw. den durchgeführten Aktivitäten? 3. Evaluation (Phase „Implementierung II“): Welche Schlussfolgerungen können aus den Ähnlichkeiten und Unterschieden im Rahmen dieser Fallstudie gezogen werden?
5.2 Fallstudie Finanzdienstleistungsindustrie: Aufbau und Integration einer neuen Organisationseinheit zur Koordination von Fachbereich und Informationstechnologie Nachfolgend werden anhand der Struktur der Interviews und der für die Analyse gewählten Themenschwerpunkte die Ausgangslage und Ergebnisse für die betreffende Fallstudie erörtert und diskutiert. Diese Fallstudie wird aus der „Ex-Post-Perspektive“ analysiert, und damit das Ziel verfolgt, einen Vergleich anzustellen, welche Parameter und Aktivitäten in der Realität für das Veränderungsprojekt zum Einsatz gekommen sind, und welche Parameter und Aktivitäten auf der Grundlage des Methodenkonstruktionsverfahrens gewählt worden wären.
5.2.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt Das zweite untersuchte Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsindustrie hat seine Ursprünge ebenfalls in einem Traditionsunternehmen, das Mitte des 19. Jahrhunderts von einem bekannten Unternehmer gegründet wurde. Bis zu ihrer heutigen Form hat das Unternehmen viele, zum Teil tiefgreifende Veränderungen durchlaufen, die insbesondere durch Fusionen und Akquisitionen sowie Wiederverkäufe gekennzeichnet sind. Auch organisatorische Umgestaltungen haben die Struktur des Unternehmens permanent verän513
„Erfolg“ wurde zu Beginn der Arbeit definiert als die nachhaltige Umsetzung der definierten Projektziele und deren Integration in die Unternehmenskultur und die Organisationsstrukturen, also der Verankerung der Zielsetzungen in beide Systemwelten. Vgl. Kapitel 3.
Validierung des Lösungsansatzes
257
dert. So fand z. B. in den 1990iger Jahren eine umfangreiche Reorganisation zusammen mit einem Rebranding statt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde die Organisation noch einmal grundlegend umgestaltet und in verschiedene Geschäftseinheiten getrennt: einerseits wurde eine Geschäftseinheit für private und institutionelle Kunden und andererseits eine Geschäftseinheit für Aktivitäten des Investmentbankings für Unternehmen, Staaten und große Institutionen mit Dienstleistungen, wie z. B. Kapitalbeschaffung, Wertpapieremissionen und –handel sowie ebenfalls Finanzberatung, gegründet. Die Geschäftseinheit für die privaten und instituionellen Kunden steht im Mittelpunkt der folgenden Diskussion und Validierung.514 Als Teil eines global tätigen Unternehmens mit der Vision einer „Rund-um-Finanzdienstleistung“ sind die effektive und effiziente Unterstützung durch IKT sowie die ganzheitliche Begleitung von organisationalen Veränderungsprozessen notwendige Bedingungen für den operativen und strategischen Erfolg. Die Abstimmung der Anforderungen aus den Fachbereichen mit den Leistungen der IKT und der Umsetzung in entsprechende Applikationen ist dabei eine der größten Herausforderungen. In der Organisationsstruktur von 2000, also vor der Reorganisation, wurde diese Funktion unkoordiniert von verschiedenen Bereichen wahrgenommen. Da diese Struktur einerseits zu wenig transparent war, und andererseits die Kontextveränderungen eine flexiblere und projektbezogene Organisationsstruktur erforderlich machten, konnten die Leistungen weder effektiv noch effizient erstellt werden. Aus diesem Grund wurde beschlossen, eine integrierte organisatorische Einheit zu entwickeln, die das umfassende Projektmanagement für die Umsetzung der Fachbereichsanforderungen in die entsprechende technologische Unterstützung übernimmt und die erforderlichen Veränderungsprozesse umfassend unterstützt. Diese organisatorische „Zieleinheit“ wird nachfolgend mit „Business-IT-Koordination (BIK)“ bezeichnet. Das Projekt wurde als ein strategisches, prozessorientiertes Reorganisationsprojekt im Bereich der IKT Strategie und der „Business-Architektur“ eingeordnet.
5.2.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase Das gesamte Veränderungsvorhaben wurde in insgesamt drei Phasen durchgeführt. Zunächst wurde die Abteilung, die für die Geschäftskunden zustündig war und hier der Bereich „Prozess- und Informationsmanagement“ restrukturiert. Diese Abteilung agierte als Resultat daraus als neue Abteilung „Prozesse und Organisation“ mit einem fokussierten „Mission Statement“, das auf die Koordination von Fachbereich und IKT sowie die Rolle der Abteilung als interner Berater für die Prozessverantwortlichen abzielte. Darüber hinaus hat sich die Abteilung klar der Sicherung der Effektivität und Effizienz für alle organisatorischen und prozessbezogenen Projekte verpflichtet. Im Rahmen des „Mission Statement“ wurden zwei Dienstleistungsgruppen definiert: „Prozess“ und „Projekt“. Damit wurde bereits ein erster Schritt in Richtung einer Ausrichtung auf die später mit dem BIK überwiegend angestrebte Leistung „ganzheitliches Projektmanagement“ vollzogen. Der Begriff der „Organisation“, der im Titel der Abteilung stand, wurde bereits mit der Gründung der Einheit - zumindest im Leistungskatalog - wieder abgelegt. Die Beschreibung und Definition des Projekts erfolgte sehr umfassend und berücksichtigte die folgenden Bereiche: 514
Gesprächspartner für dieses Interview war der Projektleiter des analysierten Projekts.
258
Validierung des Lösungsansatzes
x
Erwartungen der Kunden an die Abteilung „Geschäftskunden“ [Ableitung der Kundenbedürfnisse]
x
Strategische Vorgaben der Holding [Bestimmung des Kerngeschäfts]
x
Leitmotive [Definition des Mission Statement]
x
Werte [Verankerung der Vision und Mission]
x
Schlüsselfähigkeiten (Methodenkompetenz, Know-how Bankenumfeld, Transitioning-Skills, Prozess- und Projektmanagement Know-how, Veränderungsfähigkeit) [Analyse der Kernkompetenzen]
x
Dienstleistungskatalog [Definition des Leistungsangebots der Abteilung „Geschäftskunden“]
x
Bereichsentwicklung [Maßnahmen und Steuerungsmechanismen zum Ausbau der Marktposition und Eliminierung der Schwächen]
Bevor die Analyse der verwendeten Beschreibungsparameter erfolgen kann, muss zunächst das vollständige, geplante Projektvorgehen beschrieben werden, damit alle relevanten Beschreibungsparameter erfasst werden können. Dieses erste Veränderungsprojekt im Gesamtvorhaben wurde ohne den Einsatz einer spezifischen Methode im Rahmen eines achtphasigen Prozesses durchgeführt, der nachfolgend kurz zusammen mit den dokumentierten „Lessons Learned“ erläutert wird: x
Projektanstoß: Ankündigung der Reorganisation und erste Schritte, z. B. Kick-off Treffen, Zusammenstellung des Projektteams, Definition von Rollen Lessons Learned: Individuelle Kommunikation mit den Schlüsselpersonen ist wichtig; Definition von klaren Rollen; Steuerung über „Belohnungen“. Direkte Kommunikation im Rahmen einer „Klausur“ ist wichtig, damit Erwartungen abgeholt und Verhaltensweisen im Sinne der Kulturbildung definiert werden können.
x
Mittagsforum: Definition des Veränderungsprozesses; Definition der Arbeitshypothese und dessen Entstehungsgeschichte; Ausgabe des „Mottos“ (Mach mit) und der zugehörigen Aktionen; Ressourcenmanagement; Etablierung des Project Office Lessons Learned: Informationsveranstaltungen sind sehr wichtig und müssen eingeplant werden; persönliche Auseinandersetzung im Team ist wichtig; Einführung eines Messsystems ist wichtig: Erfolgsbarometer und Sender von Motivationssignalen; Freiheitsgrade/Gestaltungsspielräume müssen vorhanden sein und kommuniziert werden.
x
Validierung/Reflexion: Beginn der Arbeit der Teams, Verifizierung und Validierung der Arbeitshypothese; Einbringen von Vorschlägen aus den Teams; Einholen von Feedbacks Lessons Learned: Diese Phase ist wichtig für die umfassende Analyse des Projekts aus verschiedenen Perspektiven und Sammlung der Anmerkungen und Vorschläge der Teammitglieder; das Team muss bereit sein, Anpassungen der eigenen Vorstellungen vorzunehmen; Feedbackprozess ist wichtig für die Weiterentwicklung.
x
Überarbeitung Hypothese: Verarbeitung der Anmerkungen und Vorschläge der Teams; Überführung der Arbeitshypothese in einen Lösungsvorschlag; Entschei-
Validierung des Lösungsansatzes
259
dungsfindung/Verabschiedung; erste Gespräche für die Besetzung der neu entstehenden Bereiche (Sektoren) Lessons Learned: Anmerkungen und Vorschläge der Beteiligten beinhalten wichtige Aspekte für die Lösungsfindung des Projekts; die Berücksichtigung stützt den Lösungsansatz breit ab und schafft „commitment“ und Vertrauen; Personalgespräche erst dann führen, wenn konkrete Stellenprofile vorliegen. x
Aufteilung Sektoren: Aufbauorganisatorische Umsetzung der Lösung in den Sektoren; Projektzuteilungen auf die Sektoren; Selektion und Nomination der Sektorenleiter; Kommunikation der Neuorganisation und Personalentscheidungen an alle Mitarbeiter Lessons Learned: Besetzung der Schlüsselpositionen erfolgskritisch, weil daraus die zukünftige Kultur abgeleitet wird; Chancen und Risiken müssen deutlich aufgezeigt werden.
x
Stellenbesetzungsworkshop: Vor dem Workshop: Mitarbeiter bewerben sich per Fragebogen auf die offenen Stellen; Vorselektion; Durchführung des Workshops, Information der Mitarbeiter über Besetzung und Abholen des Einverständnisses der Mitarbeiter; Information der Mitarbeiter, die in der neuen Organisation nicht mehr berücksichtigt werden können Lessons Learned: Aufgrund der Sensibilität des Themas sollte ein externer Moderator eingesetzt werden; ausschlaggebend für die Wahl war in der Regel die Person des Vorgesetzten sowie der Arbeitsort; der Prozess der Personalfreisetzung muss äußerst professionell geplant und durchgeführt werden; es müssen klare und transparente Spielregeln bei der Stellenbesetzung zugrunde liegen; es muss eine Vorbereitung auf den Umgang von Unzufriedenheiten erfolgen.
x
Abteilungschef (AC)-Nominationen: Auswahl und Nomination der ACs pro Sektor Lessons Learned: Neuorganisation eröffnet Chancen für Nachwuchskräfte und ermöglicht unkonventionelle Wege bei Entscheidungen; durch neue Leute kann ein motivierendes Umfeld geschaffen werden; die Nominierung der ACs ist wegen der Nähe zu den Mitarbeitern ein wichtiger Gestaltungsfaktor.
x
Abteilung-neu-Fest/Projektabschluss: Offizieller Abschluss des Projekts mit einem Abteilungsfest Lessons Learned: Feste erfüllen eine Integrationsfunktion; gemeinsame außerberufliche Erlebnisse fördern das gegenseitige Verständnis; Involvierung aller Mitarbeiter zu einem Zeitpunkt ist schwierig, deshalb sollten mehrere oder regelmäßige Veranstaltungen geplant werden.515
Die in dem Projekt durchgeführten Aktivitäten lassen sich aus den in den Unterlagen aufgeführten Beschreibungsparametern ableiten. Zur Überprüfung des Vorgehens anhand des CME erfolgt eine Gegenüberstellung einerseits der CME-Aktivitäten und andererseits der Aktivitäten des Projekts. Zunächst werden die CME-Basisaktivitäten mit den im Projekt durchgeführten Aktivitäten verglichen. Daran anschließend werden die Nicht515
Oftmals ist das Fernbleiben von solchen Veranstaltungen ein „stiller“ Protest unzufriedener Mitarbeiter, der ernst zu nehmen und nicht in den vorgegebenen Ursachen begründet ist. Wenn, wie in dem vorliegenden Fall, ein Drittel der Belegschaft fehlt, sollte zumindest eine „informelle“ Ursachenanalyse erfolgen.
260
Validierung des Lösungsansatzes
Basisaktivitäten mit den verbleibenden Aktivitäten aus dem Projekt verglichen. Das geschieht auf der Grundlage der Einordnung des Projekts in das Projektportfolio der Holding in die Grundsituation und damit Hauptthemenbereich des „Prozessentwurfs und Prozessredesigns“ sowie weitergehender Überlegungen516. Der Kontext für dieses Projekt lässt sich demzufolge auf der Basis des Tupels Situation und Entscheidung wie folgt definieren: x
Situation: Das Themengebiet, in das dieses Projekt eingeordnet werden konnte, war also der „Prozessneuentwurf bzw. das Prozessredesign“. Die Situation war als komplex einzustufen, weil sie eine grundlegende Veränderung der Arbeitsweise der beteiligten Mitarbeiter beinhaltete. Die Problemdomäne konnte beschrieben werden als die Einführung einer neuen Organisationsstruktur, neuer Abläufe und neuer Unterstützungssysteme in einem Unternehmensteilbereich. Die Projektdomäne umfasste die Aufgaben des Prozess- sowie Organisationsentwurfs sowie auch zu einem kleinen Anteil der Systementwicklung. Die Struktur des Projekts war aufgrund der Vernetzung in der Gesamtorganisation komplex und die Gruppe der Akteure relativ heterogen. Die eingesetzte Technologie in Verbindung mit der Veränderungsmethode war als komplex zu bewerten. Für die Zieldomäne gilt, dass die zu entwickelnden Strukturen einen moderaten, d. h. gut eingrenzbaren und auf einen bestimmten Bereich bezogenen Umfang aufwiesen. Die Komplexität der Zieltechnologie war ebenfalls als moderat einzustufen: Es wurden keine hochinnovativen Komponenten verwendet, sondern auf eine bekannte Technologie gesetzt. Die Komplexität der zu verarbeitenden Daten war in dem Zielbereich allerdings aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung und der Verteilung hoch. Insgesamt wurde die Komplexität der Problemdomäne aufgrund der Einführung eines vollkommen neuen Prozesses und einer radikal veränderten Organisationsstruktur als hoch eingestuft. Das Risiko wurde ebenfalls als hoch eingestuft, weil die Akzeptanz der direkt beteiligten Mitarbeiter, aber auch der betroffenen Gesamtorganisation, die die Dienstleistung in Anspruch nehmen sollte, nicht abschätzbar war.
x
Entscheidung: Die Intention, die mit diesem Projekt verfolgt wurde, war die Etablierung einer Funktion zwischen Fachbereich und IT, die als Bindeglied für die Umsetzung der fachlichen Anforderungen dienen sollte. Der Lösungsansatz war definiert durch die Reorganisation der bestehenden verteilten Einheiten hin zu einer zusammengefassten Dienstleistungseinheit, die unter einer gemeinsamen Strategie die Leistungen am internen Kunden erbringen sollte. Die Ziele waren im Rahmen der verschiedenen Schritte des Veränderungsprozesses zur Umsetzung des Lösungsansatzes konkret (z. B. Erstellung der Prozessarchitektur und des Dienstleistungskatalogs).
Insgesamt lässt sich eine hohe Übereinstimmung der durchgeführten Aktivitäten mit den CME-Basisaktivitäten feststellen, denn nur drei CME-Basisaktivitäten konnten nicht eindeutig zugeordnet werden. Es konnten auch über die CME-Beschreibungsparameter hinausgehende Parameter identifiziert werden. Diese waren vor allem der Bewerbungsprozess, mit dem sich die Mitarbeiter auf die neu geschaffenen Stellen bewerben mussten, und der entsprechende, transparente Auswahlprozess. Insgesamt ist aber die CME-Basis 516
Das Projekt wurde zum einen auf der Grundlage der Einordnung in das Projektportfolio der Holding in diesen Themenbereich eingeordnet und zum anderen aufgrund der Überprüfung, inwiefern die Gesamtunternehmensstrategie von diesem Projekt betroffen ist. Da sich aber die Vision, Mission und Strategie dieses Projekts vollständig den Vorgaben der Holding unterworfen hat, ist eine Einordnung in den Themenbereich Strategieänderung bzw. -ergänzung als weniger sinnvoll angesehen worden.
Validierung des Lösungsansatzes
261
eher umfangreicher als die zum Einsatz gekommenen Beschreibungsgrößen, so dass von einer relativ vollständigen Abdeckung gesprochen werden kann. Die darauf aufbauenden Aktivitäten werden nachfolgend anhand der Regelbasis des CME zusammengestellt und überprüft. Die Regelbasis des Methodenkonstruktionsverfahrens besteht aus drei Regelarten, die für die Konstruktion der situativen Methode zur Anwendung kommen sollten: 1) die Grundregeln, 2) die Detailregeln sowie 3) die Ergänzungsregeln. Die Grundregeln unterstützen eine Überprüfung der wesentlichen Rahmenbedingungen des Projekts in vier Schritten: 1. Ermittlung des Veränderungsthemas: Dieser Schritt ist mit der Überprüfung der Einordnung in das Unternehmensprojektportfolio und der Analyse der Rahmenbedingungen erfolgt. 2. Kompetenzen des Projektleiters und des Teams: Die Überprüfung und nachfolgende Auswahl des Projektleiters und Teams wurde in mehreren Schritten vollzogen und manifestierte sich schließlich in der Phase Projektanstoß und Mittagsforum. 3. Projektrahmenbedingungen (Budget, Zeitrahmen, verfügbare Ressourcen): Die Rahmenbedingungen wurden im Business Plan des Projekts entwickelt und bei Projekt-Kick-off festgeschrieben sowie bei den Geschäftsleitungssitzungen verifiziert. 4. „Bereitschaft“ oder auch „Reife“ des Unternehmens oder Bereichs für den Einsatz bestimmter Aktivitäten: Durch das dreistufige Verfahren wurde auf die existierende Reife des Bereichs eingegangen und somit zugleich die „Anschlussfähigkeit“ der Veränderungsmaßnahmen sichergestellt.
Nun werden ergänzend die Nicht-Basisaktivitäten aufgeführt, die im Rahmen des Hauptthemenbereichs der „organisatorisch-fachlichen Ausrichtung und einem thematischen Fokus auf der kontinuierlichen Prozessentwicklung, dem Prozessentwurf bzw. dem Prozessredesign“ relevant sind. Sie werden den verbleibenden Aktivitäten des Projekts gegenübergestellt. Wie bereits bei der Analyse der CME-Basisaktivitäten festzustellen war, herrscht auch bei den Nicht-Basisaktivitäten mit 19 von 33 Aktivitäten eine als gut zu bewertende Übereinstimmung mit den Nicht-Basisaktivitäten des Hauptthemas. Hier ist der Grad der Übereinstimmung allerdings nicht so signifikant, weil sich die Individualität der Projektanforderungen stärker niederschlägt als bei den Basisaktivitäten. Aktivitäten, die über die erwähnten Nicht-Basisaktivitäten hinausgehen, konnten nicht identifiziert werden. Auch die durch die Anwendung der dritten Regelart ergänzten Nicht-Basisaktivitäten weisen eine hohe Übereinstimmung auf, so dass der Ergänzungsschritt als sinnvoll und valide angesehen werden kann. Auch hier konnten keine weiteren Aktivitäten identifiziert werden. Der Ablauf der Aktivitäten ist von Tabelle 18a bis Tabelle 18d dargestellt. Die Reihenfolge ist alphabetisch, weil der genaue Ablauf ex-post nicht mehr feststellbar war, dennoch ergibt sich durch die Zuordnung zu den Phasen natürlich ein bestimmtes Bild, wann welche Aktivität stattgefunden hat. Hierbei ist zudem die Tatsache interessant, dass einige Aktivitäten konsolidiert werden können, weil mehrere Aktivitäten des CME durch sehr ähnliche oder sogar gleiche Aktivitäten, die in dem Projekt tatsächlich durchgeführt wurden, repräsentiert werden. Dieser Effekt dürfte typisch für eine retrospektive Betrachtung sein, weil nicht die gesamte Beschreibungsbandbreite ausgeschöpft wird. Es lässt sich vermuten, dass bei einer Verwendung der Beschreibungsparameter zu Beginn des
262
Validierung des Lösungsansatzes
Projekts ein noch detaillierteres Profil des gesamten Vorhabens hätte erstellt werden können. Damit hätten die Aktivitäten eine größere Bandbreite besessen, und es wäre eine bessere Abdeckung der Bedürfnisse möglich gewesen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass keine existierende Methode eingesetzt wurde, sondern einem individuellen Vorgehen gefolgt worden ist, das situativ und angepasst auf die Anforderungen des Projekts ausgelegt war. Mit diesen beiden Punkten wird nicht nur dem Lösungsvorschlag der vorliegenden Arbeit entsprochen, sondern sie sind offenbar wichtige Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Veränderung. Zudem entsprechen sie damit drei der Grundannahmen des Business Engineering.517 Eine weitere Auffälligkeit ist, dass der überwiegende Anteil der Aktivitäten den Phasen der Kommunikation und Einbeziehung der Beteiligten gewidmet war. Parallel dazu, aber in der Erwähnung nahezu sekundär, fanden das Definieren von Strukturen und die fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung statt. Der durchgeführte Prozess wurde gleichzeitig als Basis für das Wissensmanagement genutzt. Für dieses Vorprojekt sind drei zentrale Ergebnisse wichtig: Erstens ist eine umfassende Beschreibung des Projekts im Rahmen aller CME-Klassen erfolgt, zweitens ist es von den Beteiligten als erfolgreich beurteilt worden; dieses Ergebnis wurde kommuniziert und mit einem Ressortfest unterstützt, was die Bedeutung des sozialen Systems in dieser Veränderung hervorhebt. Diese Aussage wird auch von dem im Abschlussbericht gezogenen Fazit gestützt: „[…] Das systematische Begleiten eines Change-Prozesses unter Berücksichtigung von fachlichen und emotionell-kulturellen Aspekten ist sehr anspruchsvoll und herausfordernd; das Umgehen von Fallstricken und Fettnäpfchen bedarf eines rigorosen Projektmanagements. […]“ Drittens wurde bereits mit dem Abschluss dieses Projekts die nächste Phase der Veränderung eingeleitet – es wurde also Anschlussfähigkeit hergestellt, nicht nur mit der frühen Verwendung des Begriffs „Projekt“ im Rahmen des Leistungskatalogs, sondern auch mit der frühzeitigen Kommunikation der nächsten Schritte unter dem Motto „Mach weiter!“. Bereits die Initiierungsphase ist also zum einen sehr strukturiert und zum anderen thematisch umfangreich gestaltet worden. Somit ist der Übergang in die Implementierungsphase I, also zum eigentlichen Veränderungsprojekt „Aufbau und Entwicklung BIK“ bereits auf einer sehr guten fachlichen und emotionalen Basis erfolgt.
517
Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4, Annahmen 2, 5 und 10.
Analyse und Bestimmung des Kerngeschäfts
Analyse und Berücksichtigung der Veränderungsgeschwindigkeit durch Verfolgen des dreistufigen Vorgehens.
Analyse und Anpassung Prozesslandkarte der Geschäftseinheit
Analyse des emotionalen Projektlebenszyklus
Analyse des Einflusses der zukünftigen Führungskräfte, Ermittlung der Schlüsselpersonen
Analyse der Treiber und Definition durch das Prozessmanagement, der Schlüsselpersonen, der Nominationen der Sektorenleiter und ACs sowie des Messsystems
Analyse der Kundenerwartungen und Definition der Kundenbedürfnisse
Analyse der Kernkompetenzen
Analyse der Gütte der Beziehungen zwischen den Akteuren durch die Plattformen Mittagsforum, Klausur, Informationsveranstaltung sowie Bewerbungsprozess
Analyse der Chancen und Risiken, Analyse der Unsicherheiten und Ängste vor allem im Bewerbungsprozess, Berücksichtigung der Zweifel und Unsicherheiten bei der Lösungsfindung
Analyse der bestehenden Probleme und Ineffizienzen
Analyse der bestehenden Organisation und Neudefinition der Organisationsstrukturen verkörpert durch die Aufbauorganisation, die strategischen Geschäftseinheiten und Sektoren
Analyse der Bedingungen aufgrund der Globalisierung und Anforderungen des Marktes
Analyse der Auswirkungen der AC-Nomination auf die entstehende Kultur
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Phase 8
Validierung des Lösungsansatzes 263
Tabelle 18a: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block I)
Definition der Wertschöpfung, strategischen Geschäftseinheiten, Schlüsselfähigkeiten, Berufsbilder, Einführung des „skills manager“ und Feedbacksystems, Planung der Ausbildungsmodule (-> Definition der Sollperspektive)
Definition der Projektziele: z.B. neue Organisationsstruktur, Dokumentationsrichtlinien, Ausbildungspläne, standardisiertes Projektvorgehen, Prozessdatenbank, Folder für die Kommunikation mit Partnern, Kunden, Bewerbern, Marketingkonzept
Definition der Projektdauer und Fortführung durch die angekündigten weiteren Massnahmen
Definition der Maßnahmen und Einführung des Messsystems sowie der entsprechenden Incentivierung
Definition der Kommunikation und Nomination der ACs
Definition der Führungssysteme
Definition der Erfolgsfaktoren: Frühe Definition von und Kommunikation mit den Schlüsselpersonen, transparenter Einbezug der Teammitglieder, Einholen und Berücksichtigen von Feedback und Vorschlägen, Verfolgen einer konsequenten Kommunikationsstrategie, Ermittlung der Erfolgspotenziale in Bezug auf die Kundenerwartungen
Definition der Entscheidungsprozesse gemäss der Vorgaben aus der Geschäftseinheit mit einem gewissen Spielraum durch die Neuorganisation für „unkonventionelle“ Entscheidungen
Definition der Vision und des Mission Statement sowie deren Kommunikation
Definition der Teammitglieder und der beteiligten/betroffenen Mitarbeiter sowie des Project Office
Definition der Bereichsentwicklung, der Dienstleistungsgruppen, des Dienstleistungskatalogs, der Zielorganisation, der Schlüsselfähigkeiten und des Vorgehens
Berücksichtigung des Feedbacks, regelmässige Informationsveranstaltungen und intensive Kommunikation, um die Mitarbeiterzufriedenheit sowie auch Widerstände zu erheben, Berücksichtigung und Analyse der Unzufriedenheiten, Planung des Bewerbungsprozesses auf offene Stellen, Analyse der Einflussfaktoren, Einbezug des Feedbacks und der Vorschläge, Einholen der Erlaubnis für die neuen Strukturen
Analyse und Definition des Nutzens im Rahmen der Maßnahmen und Kundenbedürfnisse
Analyse und Definition des erforderlichen Vernetzungsgrads mit der Geschäftseinheit
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Phase 8
264 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 18b: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block II)
Transparenzgrad: Etabliert durch die offene Kommunikationskultur und umgesetzt durch die Informationsveranstaltungen
Ermittlung und Kommunikation der Gestaltungsspielräume
Ermittlung und Definition sämtlicher Prozesse und Definition der strategischen Geschäftseinheit „Prozessmanagement“
Ermittlung der Gruppenprozesse durch Klausur und Mittagsforum sowie regelmäßige Veranstaltungen
Erhebung und Auswertung der Mitarbeitererwartungen aus den Informationsveranstaltungen, aus den Feedbacks und dem Mittagsforum
Durchführung regelmäßiger Geschäftsleitungspräsentationen und Nomination der Führungskräfte aus dem Kreis der Beteiligten
Durchführung des Abteilungsfests
Definition der Meilensteine im Projektplan und in den Maßnahmen
Definition des Projektumfangs im Business Plan
Definition einiger Kennzahlen: Projektkosten, verschiedene zeitliche und ressourcenbezogene Planungsdaten, Status der Teilprojekte, Aufbau eines Reportingsystems
Definition eines Maßnahmenkatalogs mit persönlicher Ergebnisverantwortung und Reviewzyklen
Definition des Feedbacksystems und der auch nicht-monetären Incentives
Definition der strukturierten Wissensablage sowie der technologischen Plattformen und Infrastruktur, Definition von Referenzprojekten, Erstellung des „Practice Development Paper“, Erstellung des Abschlussberichts mit kritischer Beurteilung und Lessons Learned, Ableitung des Informationsbedarfs aus den Veranstaltungen und den Feedbacks
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Phase 8
Validierung des Lösungsansatzes 265
Tabelle 18c: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block III)
Verteilung der Ressourcen auf die Sektoren
Vermittlung des Sinns in Veranstaltungen, durch Erzeugung eines „Leidensdrucks“ und durch Dokumentieren in den Maßnahmen
Sicherstellung des organisatorischen Lernens durch Erstellung einer Matrix zur Verknüpfung des Wissens, Informationsveranstaltungen und Weitergabe der Lessons Learned
Projektanstoss, Mittagsforum als Kick-off Meeting und Klausur, sofortige Etablierung einer „offenen“ Kommunikationskultur
Professionelle Planung und Abstimmung des Prozesses bei erforderlichen Freisetzungen
Motivation und Einbezug der Mitarbeiter durch Berücksichtigung des Feedbacks und der Vorschläge; dadurch hohe Beteiligung der Mitarbeiter an dem Prozess
Kein Einsatz einer existierenden Methode, sondern Anwendung des achtphasigen, flexiblen Vorgehens
Frühzeitige Definition des langfristigen Ziels, Abschlussbericht mit Lessons Learned und sofortige Kommunikation der weiteren Schritte
Frühe Definition der Kommunikationskanäle: überwiegend persönliche Kommunikation sowie Intranet
Festlegung der Rollen der Schlüsselpersonen sowie Identifikation im Rahmen des Projektanstosses und Kick-offs, frühzeitige Kommunikation
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Phase 8
266 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 18d: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten für das Projekt „Business Change“ (Block IV)
Validierung des Lösungsansatzes
267
5.2.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I Die nächsten beiden Stufen des gesamten Veränderungsvorhabens fallen in die Phase Implementierung I. Hier wurde zunächst das eigentliche Projekt „Business-ITKoordination“ lanciert und relativ schnell im Anschluss daran bereits die Reorganisation durchgeführt, die die letzten erforderlichen Anpassungen an die Anforderungen der Holding ermöglicht und einen geordneten Übergang unterstützt hat. Beide Schritte werden nachfolgend gemeinsam behandelt. Das Ziel des Projekts „Business-IT-Koordination“ war die endgültige Implementierung der Zielleistung des „ganzheitlichen Projektmanagements“. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2000 die gerade geschaffene Abteilung Geschäftskunden „Prozesse und Organisationen“, die als Vorstufe gedient hat, wieder aufgelöst und die rein projektorientierte Organisationseinheit „Business-IT-Koordination (BIK)“ aufgebaut. Die Vision dieses neuen Bereichs wurde mit den Schwerpunkten „Fähigkeiten zur schnellen und flexiblen Veränderung“, „Unterstützung bei der Erkennung von Trends in fachlichen und technologischen Themen“, „Planung und Realisierung von Veränderungsinitiativen“ und der „Untersützung des Know-how-Transfers“ definiert: Entsprechend definierte sich die Mission durch die Punkte „professionelles Projektmanagement und Fokus auf Zielerreichung“, „Partnerschaft in der Umsetzung der Fachbereichsziele“, „attraktiver Arbeitgeber“, „Koordinationsfunktion zwischen allen beteiligten Partnern“, „Führung von Standards der Holding und Entwicklung von State-of-the-ArtMethoden und Know-how durch kontinuierlicher Weiterentwicklung“. Wie schon für das Projekt „Business Change“ ist eine umfangreiche Definition und Beschreibung des Projekts durchgeführt worden. Das gewählte Vorgehen für dieses Projekt basiert ebenfalls auf einem individuellen Ansatz und ist etwas fokussierter als das achtphasige Vorgehen aus der Initiierungsphase. Diese Fokussierung kann mit den detaillierten Vorarbeiten der Initiierungsphase und der daraus resultierenden wesentlich kürzeren Laufzeit des Projekts von nur fünf Monaten begründet werden. Das Vorgehen ist in drei Hauptphasen aufgeteilt: „Schaffen von Transparenz und Identifikation von Verbesserungspotenzialen“, „Anpassung oder Neugestaltung der Organisation“ und „Umsetzung“. Innerhalb dieser Phasen fallen spezifische Aktivitäten an. Für den Projekteinstieg sind das z. B. Bestimmung des Wirkungsradius, Ist-Aufnahme der Organisation und Prozesse, Dienstleistungsassessment, Best Practice Vergleiche, SWOT-Analyse. Als nächster Schritt erfolgt die Gegenüberstellung der in dieser Phase verwendeten Beschreibungsparameter und Gefäße mit den Parametern aus den CME-Klassen. Einige der Beschreibungsparameter sind redundant, weil sie übergreifend für das Veränderungsvorhaben gültig sind, z. B. die Definition des dreistufigen Vorgehens. Diese Beschreibungsparameter werden nur noch mit einem Verweis auf die Initiierungsphase versehen. Auch hier kann man wiederum eine hohe Übereinstimmung der Beschreibungsparameter feststellen, was einerseits auf die Validität der CME-Klassen hinweist und andererseits auf das sorgfältige Vorgehen bei der Projektinitiierung. Hier ist festzustellen, dass Fragmente aus im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Methoden, wie z. B. Promet oder auch dem General Management Navigator, zum Einsatz gekommen sind. Das erklärt zum einen die hohe Übereinstimmung mit den Beschreibungsparametern und Aktivitäten. Zum anderen belegt es die Hypothese, dass ein situativer Einsatz von Methodenfragmenten zielführend sein kann.
268
Validierung des Lösungsansatzes
Schließlich bleibt noch der Vergleich der CME-Basisaktivitäten und Nicht-Basisaktivitäten mit den im Projekt zum Einsatz gekommenen Aktivitäten, um die Eignung des Lösungsvorschlags beurteilen zu können. Zunächst werden wiederum die CME-Basisaktivitäten den Aktivitäten des Projekts gegenübergestellt. Wie schon bei dem Vorprojekt der Initiierungsphase lässt sich auch hier eine nahezu vollständige Übereinstimmung der durchgeführten Aktivitäten mit den CME-Basisaktivitäten feststellen: auch hier sind nur drei Basisaktivitäten nicht vertreten. Die Begründung liegt vermutlich wiederum in der zuvor erörterten Tatsache. Im nächsten Schritt werden die Nicht-Basisaktivitäten den noch verbleibenden Aktivitäten des Projekts gegenübergestellt. Für die durchgeführten Nicht-Basisaktivitäten in diesem Projekt lässt sich eine Übereinstimmung von 22 aus 33 Nicht-Basisaktivitäten feststellen. Als letzter Schritt wird nun noch die Ergänzungsregel angewendet und überprüft, ob auch hier eine Übereinstimmung mit den im Projekt „Business-IT-Koordination“ durchgeführten Aktivitäten festgestellt werden kann. Von Tabelle 19a bis Tabelle 19d ist die Abfolge der Aktivitäten für die „Implementierung BIK“ dargestellt, wiederum unter Berücksichtigung der konsolidierten Aktivitäten. Das Ergebnis zeigt wiederum eine hohe Übereinstimmung der Aktivitäten, was insgesamt eine signifikante Ähnlichkeit der Vorgehensweise in diesem Projekt mit dem vorgeschlagenen Lösungsansatz erkennen lässt. Die konstruierte Methode hätte demnach ebenfalls eine ähnliche Struktur aufgewiesen. Bei diesem Projekt gab es im Rahmen des Kontextes keine signifikanten Veränderungen oder „Störungen“, so dass die situative Anpassung bereits zu Beginn erfolgen konnte, ohne dass noch eine Adaption im laufenden Projekt stattfinden musste. Dadurch, dass aber keine vordefinierte Methode zum Einsatz gekommen ist, sondern das Verfahren schon flexibel angelegt war, ist es als wahrscheinlich anzunehmen, dass eine Adaption relativ einfach hätte vorgenommen werden können. Im Vergleich zum Projekt „Business Change“ fällt noch auf, dass in dem hier betrachteten Projekt die inhaltlich-fachlichen Aspekte wesentlich stärker im Vordergrund standen und die auf die emotional-kulturellen Aspekte abzielenden Bemühungen eher die begleitende Funktion eingenommen haben. Es ist zu bemerken, dass ein fokussierter Abschlussbericht mit Beurteilungen und Lessons Learned nicht zur Analyse vorgelegen hat. Im letzten Schritt ist nun noch eine kurze Evaluation der Phase Implementierung II und damit auch des Projekterfolgs vorzunehmen.
Aktivitäten
Analyse der Bedingungen aufgrund der Globalisierung und Anforderungen des externen und internen Marktes Analyse der bestehenden Defizite und Probleme Analyse der bestehenden Organisation und Neudefinition der Organisationsstrukturen und Organisationseinheiten Analyse der durch den Transformationsprozess und Definition der spezifischen BIK Funktion erforderlichen und bestehenden Kernkompetenzen Analyse der Konsequenzen anhand von Fragestellungen: Welche Prozesse (define, design, build, implement, run) und in welcher Ausprägung (manage, assist) umfasst das BIK? Wie stark soll BIK als gesamtunternehmerische Funktionen (zentral) oder direkt bei Organisationseinheiten (dezentral) aufgebaut werden? Wie wirkt das Business auf die IT (Business-/IT-Kopplung) und umgekehrt? Analyse der Kundenerwartungen und Definition der Kundenbedürfnisse durch das Dienstleistungsassessment Analyse des Einflusses der beteiligten Personen durch das Kernteam Analyse des internen Marktes und Verkauf der Leistungen zu tatsächlichen Marktpreisen Analyse der Intention durch den Rückbezug auf die Lessons Learned und den Transfer auf die aktuelle Situation Analyse und Berücksichtigung der Veränderungsgeschwindigkeit durch Verfolgen des dreistufigen Vorgehens. Analyse und Bestimmung des Kerngeschäfts sowie Definition der BIK und Festlegung des Transformationsprozesses Analyse und Definition der BIK Architektur, Analyse des Ist-Zustands und der Defizite, Definition der Zielorganisation, Aufbau des Ressourcenpools und dessen Management, Definition aller Elemente des Transformationsprozesses etc.
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 19a: Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block I)
269
Tabelle 19b: Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block II)
Definition der Führungssysteme Definition der Hierarchie im Projekt und Definition der durchzuführenden Teilprojekte Definition der Kompetenzen und des Rollenmodells sowie der entsprechenden Ausbildung
Berücksichtigung des Feedbacks, regelmäßige Informationsveranstaltungen und intensive Kommunikation, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erheben,Berücksichtigung und Analyse der Unzufriedenheiten, Analyse des Grades der Identifikation Beurteilung der Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen in der SWOT-Analyse Definition der BIK Vision und Mission Definition der Entscheidungsprozesse gemäss der Vorgaben aus der Geschäftseinheit, durch die Projektorganisation und für die Zielorganisation aufgrund des Sollsystems Definition der Erfolgsfaktoren: Frühe Definition und Kommunikation mit den Schlüsselpersonen, transparenter Einbezug der Teammitglieder, Einholen und Berücksichtigen von Feedback und Vorschlägen, Aufbau eines Wir-Gefühls. Verfolgen einer konsequenten und offenen Kommunikationsstrategie, Ermittlung der Erfolgspotenziale in Bezug auf die Kundenerwartungen, Aufbau von flexiblen Strukturen, Aufbau eines attraktiven Arbeitsplatzes
Analyse und Definition der Treiber durch die sehr guten Kenntnisse der beteiligten Mitarbeiter; das Prozessmanagement, das Dienstleistungsassessment, die Best Practice Vergleiche und der Schlüsselpersonen Analyse und Definition des erforderlichen Vernetzungsgrades mit der Geschäftseinheit sowie auch im Umfeld, z.B. bei der Beobachtung der Markt- und Technologietrends Analyse und Definition des Nutzens im Rahmen der Maßnahmen und Kundenbedürfnisse Analyse und Festlegung der „Systemgrenzen“, Identifikation der zu berücksichtigenden Prozesse und Teilprozesse und Aufgaben Analyse der Beziehungen zwischen den Akteuern nur durch die gemeinsamen Veranstaltungen Bereitstellung der benötigten Informationen über Wissensdatenbanken, Herstellung von Kontakten zu Experten, Aktualisierung der „yellow pages“ des Projekts, Definition der Wissenserfassung, Erstellung von „best-in-class“ Dokumenten, Qualität des Wissen, interne und externe Vermarktung des neuen Wissens, Definition der strukturierten Wissensablage und der technologischen Plattformen, Ermittlung der Kundenund Mitarbeiterbedürfnisse und Ableitung des Informationsbedarfs, Informationsveranstaltungen
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
270 Validierung des Lösungsansatzes
Definition der Ressourcenallokation für das gesamte Projekt Definition der Sollperspektive durch die Definition des Transformationsprozesses und des Leistungskatalogs der Funktion zwischen Business und IT und Etablierung von BIK Standards Definition der Teammitglieder und beteiligten/betroffenen Mitarbeiter Definition der technologischen Infrastruktur durch die strukturierte Wissensablage, Struktur des Intranet und der Projektplattform Definition des Feedbacksystems und der auch nicht-monetären Incentives Definition des Leistungskatalogs, des Leistungserbringungsprozesses, des BIK Frameworks und der BIK Toolbox Definition des Rollenmodells, der Rollenbeschreibungen und –zuteilungen Definition eines mehrstufigen Bereichs: Hierarchien verschiedener Abteilungen und Bereiche mit Bezug zur Geschäftseinheit sowie das nähere und weitere Umfeld Definition einiger Kennzahlen: Projektkosten, verschiedene zeitliche und ressourcenbezogene Planungsdaten, Status der Teilprojekte, Aufbau eines Reportingsystems Definition der Meilensteine im Projektplan und den Migrationsmaßnahmen Definition von Berufsbildern, Einführung eines „skills manager“ Definition des Veränderungsthemas: Schaffung einer wirkungsvollen Funktion zwischen Business und IT Durchführung kleinerer Feste bei Erfolgen
Definition der Maßnahmen und Einführung des Messsystems mit Pro-Kopf-Metriken sowie der entsprechenden Incentivierung Definition der Projektdauer mit Reorganisation und Migration Definition der Projektziele: Schaffung einer wirkungsvollen Funktion zwischen Business und IT, Schaffung einheitlicher Kriterien und Vorgaben, Definition von Standards, Identifikation und Definition der relevanten Prozesse und ihrer Ausprägungen, Analyse der Wirkungen der Business/IT-Kopplung, Aufbau der BIK entweder als gesamtunternehmerische Funktion oder als direkt bei den Organisationseinheiten integrierte, dezentrale Funktion
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 19c: Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block III)
271
Aktivitäten
Frühzeitige Identifikation von und Kommunikation mit den Schlüsselpersonen Stil der Initiierung: Initiierung über Defizite, aber sofortige Etablierung einer offenen Kommunikationskultur Motivation und Einbezug der Mitarbeiter durch den Kommunikationsprozess, die Berücksichtigung des Feedbacks und der Vorschläge sowie der Etablierung eines starken Wir-Gefühls; dadurch hohes Commitment und Beteiligung Berücksichtigung stabilisierender Faktoren: klare Strukturen und offene Kommunikationskultur Vermittlung des Sinns in Veranstaltungen, durch Erzeugung eines „Leidensdrucks“ aufgrund der Defizite und durch Dokumentieren in den Maßnahmen
Durchführung kontinuierlicher Reviews und Definition von klaren und nachvollziehbaren Zielvorgaben Durchführung regelmäßiger Geschäftsleitungspräsentationen und Nomination der Führungskräfte aus dem Kreis der Beteiligten Erhebung und Auswertung der Erwartungen aus den Informationsveranstaltungen durch Feedbacks und durch intensive Kommunikation Ermittlung und Definition sämtlicher Prozesse und Definition der strategischen Geschäftseinheit „Prozessmanagement“ Ermittlung und Kommunikation der Gestaltungsspielräume Etablierung einer offenen Kommunikationskultur, einer schnellen Kommunikation und regelmäßiger Informationsveranstaltungen Frühe Definition der Kommunikationskanäle: überwiegend persönliche Kommunikation sowie Intranet und Zeitschrift Frühzeitige Definition des Wissensmanagementprozesses, Etablierung eines attraktiven Arbeitsplatzes und Kommunikation dieser Tatsache, über den Projektabschluss hinausgehendes Nachhalten durch Kennzahlen
Phase 1
Phase 2
Phase 3
272 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 19d: Zeitliche Abfolge der Aktivitäten für das Projekt „Implementierung BIK“ (Block IV)
Validierung des Lösungsansatzes
273
5.2.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs Die Beurteilung des nachhaltigen Erfolgs der untersuchten Fallstudie wird auf der Basis der oben genannten Definition durchgeführt. Das bedeutet, dass zunächst die Frage nach der nachhaltigen Umsetzung der definierten Projektziele gestellt wird. Dazu ist zu bemerken, dass die Projektziele umgesetzt worden sind, die Organisationseinheit auch heute noch existiert und ihre Mission weiterhin verfolgt. Die zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der Integration in die Unternehmenskultur und die Organisationsstrukturen. Und auch hier kann festgehalten werden, dass die Organisationseinheit fest in den Organisationsstrukturen des heutigen Unternehmens verankert ist und als fester Bestandteil des Unternehmens gilt. Das gilt, obwohl zwischendurch bereits wieder eine Reorganisation – die Entwicklung der beiden neuen Bereiche - stattgefunden hat. Die Organisationseinheit hat also diese Restrukturierung überstanden und ihre Identität behalten, was auf eine stabile und nutzenstiftende Position hindeutet. Die Rolle der Mitarbeiter als Berater und Coaches ist akzeptiert, und es hat sich eine Kultur der Vermittlung zwischen Fachbereich und IKT-Bereich entwickeln können, die ein verbessertes Projektmanagement und eine verbesserte Projektzielerreichung unterstützt. Aufgrund dieser Feststellungen ist das Veränderungsprojekt also durchaus als nachhaltig erfolgreich zu bezeichnen. Die Ähnlichkeit der dort gewählten Vorgehensweise und Systematik mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit lassen darauf schließen, dass diese Ergebnisse auch in der betrieblichen Praxis anwendbar sind und dort einen Beitrag zur erfolgreichen Steuerung von Veränderungsvorhaben leisten können.
5.3 Fallstudie Transportindustrie: Einführung eines neuen Revenue-Management-Systems Die zweite Fallstudie wird ebenfalls aus der Ex-Post-Perspektive untersucht. Das Vorgehen folgt dabei dem gleichen Grundaufbau, wie er für die erste Fallstudie gewählt worden ist. Der nachfolgend diskutierte Fall bezieht sich auf ein Unternehmen der Transportindustrie als Teil einer Unternehmensgruppe. Das beschriebene Projekt ist vor dem Eintreten einer gravierenden Unternehmenskrise als ein klassisches Vorhaben zur Einführung einer neuen Applikation gestartet worden, wurde aber in seiner zweiten Phase stark von den Konsequenzen der Krise beeinflusst. Gerade in einem Umfeld, das von derart starken Diskontinuitäten dominiert wird, zeigt sich der Bedarf nach einer situativ anpassbaren und flexiblen Methode.
5.3.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt Das untersuchte Unternehmen wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet und hat ihren Ursprung in einem Merger von zwei Unternehmen, die ebenfalls aus der Transportindustrie stammten. Rund 30 % der Aktien sind Mitte des 20. Jahrhunderts in öffentlicher Hand und zu dieser Zeit schließt das Unternehmen eine erste Kooperation mit einem weiteren Unternehmen aus der Branche. In den kommenden Jahren baut das Unternehmen stetig aus.
274
Validierung des Lösungsansatzes
Die Organisation des Unternehmens war stark hierarchisch strukturiert. Als bereits langjährig existierendes Unternehmen konnte es aber auf eine langjährige Tradition zurückblicken, mit der sich die Mitarbeiter identifizierten, was ein Grund für eine hohe Einsatzbereitschaft in Form von Überstunden war. Die Mitarbeiter fühlten sich mit ihrem Unternehmen eng verbunden. Ein Teil dieser Kultur war auch die starke Marke, die für Qualität und höchste Kundenzufriedenheit stand. Ein erstes Problem in Bezug auf die Identifikation entstand, als im Zuge der Neustrukturierung ehemalige Mitarbeiter in ein weiteres Unternehmen der Gruppe ausgelagert wurden und somit nicht mehr direkt „ihrem“ Unternehmen angehörten – das Commitment sank stark und damit auch merkbar die Qualität der Leistungen, was sich z. B. in längeren Durchlaufzeiten für Leistungen niederschlug. Diese ursprüngliche Einstellung zum Unternehmen war somit in den neu gegründeten oder zugekauften Unternehmen, aber auch innerhalb des Kernunternehmens fast nicht mehr vorhanden, vielmehr herrschte nun eine Distanz zum Unternehmen. Die Holding, aber auch das untersuchte Teilunternehmen sahen neben dem Preis, einem gutem Netzwerk und den angebotenen Produkten hauptsächlich die Kundenbeziehung als einen wichtigen Faktor für den Erfolg der Marke. Von dem Teilunternehmen, das damals im Premiumbereich anzusiedeln war, wurden verschiedene Initiativen zur Kundenbindung ergriffen. Einerseits wurde in den Tranpsortmitteln selber ein papierbasiertes Informationssystem aufgebaut, mit dessen Hilfe Kundendaten gesammelt wurden. Diese Kundendaten waren die Basis für ein umfassendes Programm, um den Kunden einen einzigartigen Service, z. B. in Bezug auf Verspätungen oder Reklamationen, zu bieten. Um darauf aufbauend ein integriertes Datenmanagement zu ermöglichen, wurde zudem ein unternehmensweites „Data Warehouse“ implementiert, das jederzeit den Zugriff auf die Bedarfe und Besonderheiten von Kunden und somit schnellste Reaktionszeiten ermöglichen sollte. Die Bemühungen, einen Wettbewerbsvorteil durch einen hervorragenden Kundenservice zu etablieren, aber auch der zunehmende Kostendruck durch immer stärkeren Wettbewerb in der Transportindustrie und zugleich die radikale organisatorische Restrukturierung und die daraus erwachsenden Anforderungen gehörten zu den Auslösern für das Projekt zur Einführung eines neuen Revenue-Management-Systems, das den zuständigen Bereich unterstützen sollte. Die Konzernstruktur, in die das Teilunternehmen eingebettet war, war das Ergebnis einer Strategie, die auf die Schaffung von Synergien in der Leistungserstellung ausgerichtet war. Während die für den Transport verantwortlichen Unternehmen im Konzern für die Abwicklung des originären Transportgeschäfts verantwortlich zeichnen sollten, sollte eine übergreifende Organisation die überspannenden Aufgaben, wie z. B. Marketing, aber auch die IT-Dienstleistungen übernehmen. Das Transportgeschäft sollte zusätzlich durch weitere Transport-nahe Dienstleistungen ergänzt werden. Dazu gehören z. B. Logistik, Hotellerie und Touristik. Der bereits erwähnte, steigende Wettbewerbsdruck auf dem Markt definierte eine der Zielsetzungen für die übergreifende Organisation, nämlich Kosteneinsparungen von ca. 150 Millionen Euro zu erreichen. In diesem Umfeld, einerseits der organisationalen Veränderung durch die Gründung der übergreifenden Organisation und andererseits dem zunehmenden Kostendruck, wurde das Projekt schließlich aufgesetzt.518 Die Zielsetzung des Projekts war die Einführung einer neuen Applikation, die den Makroprozess der Ertragssteuerung unterstützen sollte. Dazu war eine radikale Restrukturierung der beteiligten Prozesse und damit der Arbeitsweise der direkt betroffenen 140 Mi518
Gesprächspartnerin für dieses Interview war ein Mitglied des Change Teams des Projekts.
Validierung des Lösungsansatzes
275
tarbeiter erforderlich. Als zentrale Herausforderungen des Projekts wurden einerseits die Erreichung des „Commitments“ der beteiligten Mitarbeiter in dem sich verändernden Umfeld sowie andererseits die Koordination der Systementwicklung mit der Organisationsentwicklung formuliert. Die Zielsetzungen des Veränderungsvorhabens wurden wie folgt formuliert: x
Definition einer starken Organisation mit den richtigen Arbeitsprozessen, die die neue Technologie unterstützt.
x
Einbezug aller von dieser Veränderung betroffenen Stakeholder, um das höchstmögliche Commitment zu erzeugen.
Das Veränderungsprojekt wurde entsprechend ursprünglich in sieben Phasen strukturiert: 1. Auswahl und Etablierung des Change Teams: Vor der Kommunikation des Vorhabens in der Organisation wurde bereits das so genannte „Change Team“ zusammengestellt. Das geschah während einer Versammlung von Mitarbeitern „auf Zuruf“, also nur bedingt vorausgeplant. Das Change Team war mit Kompetenzen für den Bereich des Revenue-Managements ausgestattet. 2. Durchführung einer initialen Informationsveranstaltung für alle beteiligten Mitarbeiter: Der Abteilungsleiter hat im Zuge einer umfangreichen Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter das Projekt vorgestellt und offiziell lanciert. Dabei wurden sowohl das Change Team und der externe Berater als den Prozess begleitende Personen als auch die zu erwartenden inhaltlichen Veränderungen präsentiert. 3. Durchführung einer Stakeholder-Analyse: Nach der initialen Informationsveranstaltung hat das Change Team eine umfangreiche Stakeholder-Analyse durchgeführt. Im Rahmen dieser Analyse wurden die Adressaten der Veränderung und damit die verschiedenen Anspruchsgruppen sowie der Wirkungsradius des Projekts untersucht. 4. Durchführung eines „Blueprint“-Workshops und von Interviews mit den beteiligten Mitarbeitern: Als Teil der von dem externen Berater vorgeschlagenen Methode wurde ein so genannter „Blueprint“-Workshop mit allen beteiligten Mitarbeitern durchgeführt, dessen Ziel es war, die zukünftige Organisation zu entwerfen und dabei zugleich die Vision für das Projekt zu erarbeiten. Nach dem Workshop wurden umfangreiche Interviews mit den Mitarbeitern geführt, bei denen die Zufriedenheit der Mitarbeiter, deren Wahrnehmung des Veränderungsprozesses bis zu diesem Zeitpunkt, Erwartungen, Erfahrungen mit dem bestehenden Revenue-Management-Prozess sowie Ideen für Verbesserungen erhoben wurden. 5. Entwurf der Prozesse und der Organisationsstruktur: Im Anschluss an die Konsolidierung der Ergebnisse aus den Interviews und der Präsentation für die Beteiligten, wurde für jeden Prozess, der überarbeitet werden musste, ein Team zusammengestellt, das sich mit dem spezifischen Prozess- und Organisationsneuentwurf befassen sollte. Diese Teams wurden jeweils mit Mitarbeitern aus allen beteiligten Bereichen besetzt: Fachbereich, Systementwicklung und Change Team. 6. Entwicklung von Arbeitsplatzbeschreibungen und Durchführung eines Bewerbungsprozesses: Nach Abschluss der Definitionsphase wurden die Arbeitsplatzbeschreibungen für die neuen Prozesse und Aufgaben entwickelt. Dabei wurden zugleich die Stellen neu ausgeschrieben, und jeder Mitarbeiter musste sich neu bewerben.
276
Validierung des Lösungsansatzes
7. Ausbildung der Mitarbeiter und Umsetzung der Prozess- und Organisationsarchitektur: In dieser Phase sollten die Mitarbeiter für ihre neuen Aufgaben geschult werden, um die Voraussetzung erstens für die Implementierung der neuen Prozessund Organisationsarchitektur und zweitens für den Einsatz der Applikation zu schaffen. Mit der Implementierung der beiden inhaltlichen und technischen Erneuerungen sollte dann das Veränderungsprojekt abgeschlossen werden.
Begleitet wurden die einzelnen Phasen ab der initialen Informationsveranstaltung von regelmäßigen formellen, aber auch informellen Informationsveranstaltungen sowie persönlichen Gesprächen zwischen Mitgliedern des Change Teams und den beteiligten Mitarbeitern, einschließlich des Abteilungsleiters. Nach dem Start der Phase 5 „Prozess- und Organisationsentwurf“ trat eine fundamentale „Störung“ in Form einer erheblichen „Diskontinuität“ in Form der bereits angesprochenen Krise auf. Das bedeutet, dass bereits zu Beginn der Implementierung I eine grundlegende Anpassung des Vorgehens erforderlich gewesen wäre, die sich dann auch in den veränderten Aktivitäten hätte widerspiegeln müssen. Doch zunächst wird im nachfolgenden Kapitel die Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase vorgenommen, indem die für das Projekt zum Einsatz kommenden Beschreibungsparameter untersucht und mit den Beschreibungsparametern der CME-Klassen verglichen werden.
5.3.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase Die Initiierungsphase umfasst in diesem Fall die ersten fünf Phasen des Projekts, denn sie dienen der Vorbereitung der eigentlichen Implementierung der neuen Prozesse und der entsprechenden Organisationsstruktur. Die fünfte Phase war als Transformationsphase zwischen Initiierung und Implementierung I definiert. Dadurch, dass die Initiierungsphase relativ langfristig ausgelegt war, wurde nicht nur eine umfangreiche Beschreibung des Projekts vorgenommen, sondern es haben dort auch bereits wesentliche Aktivitäten zur Umsetzung der Projektziele stattgefunden. Der vor dem Eintritt der „Störung“ zunächst zugrunde liegende Kontext dieses Projekts kann durch das Tupel Situation und Entscheidung wie folgt definiert werden: x
Situation: Das Themengebiet, in das dieses Projekt zunächst eingeordnet werden konnte, war die Grundsituation „Prozessneuentwurf bzw. Prozessredesign“. Die Situation war als komplex einzustufen, weil sie eine grundlegende Veränderung der Arbeitsweise von 140 Mitarbeitern beinhaltete. Die Problemdomäne konnte beschrieben werden als die Einführung einer neuen Technologie in einen Unternehmensbereich. Die Projektdomäne umfasste die Aufgaben der Systementwicklung und des Prozesssowie Organisationsentwurfs. Die Struktur des Projekts war aufgrund der Vernetzung in der Gesamtorganisation komplex, und die Gruppe der Akteure war relativ heterogen. Die eingesetzte Technologie in Verbindung mit der Veränderungsmethode war als komplex zu bewerten. Für die Zieldomäne galt, dass das zu entwickelnde System einen moderaten, d. h. gut eingrenzbaren und auf einen bestimmten Bereich bezogenen Umfang aufwies. Die Komplexität der Zieltechnologie war ebenfalls als moderat einzustufen: Es wurden keine hochinnovativen Komponenten eingesetzt, sondern es wurde auf eine bekannte Technologie gesetzt. Die Komplexität der zu verarbeitenden Daten war in dem Zielbereich allerdings aufgrund der Verteilung und Volatilität hoch. Insgesamt musste die Komplexität der Problemdomäne aufgrund der bereits erwähnten Vernetzung von System- und Organisationsentwicklung als hoch einges-
Validierung des Lösungsansatzes
277
tuft werden. Das Risiko hingegen wurde als moderat angesehen, weil die zu der Zeit vorherrschende Unternehmenskultur in Verbindung mit der eingesetzten Methode eine solche umfangreiche Veränderung aufgefangen und angenommen hat. Das verbleibende Risiko, das zu dem Zeitpunkt aber nicht erkannt worden ist, wäre die mangelnde Berücksichtigung der fachlich-betriebswirtschaftlichen Aspekte der Restrukturierung gewesen. x
Entscheidung: Die Intention, die mit diesem Projekt verfolgt wurde, war die applikationsgestützte Verbesserung des Revenue-Management-Prozesses, mit dem Ziel der nachhaltigen Ertragssteigerung. Der Lösungsansatz war dementsprechend definiert durch die Entwicklung und Einführung der Applikation sowie der vorausgehenden Optimierung der Prozesse und der entsprechenden Neugestaltung der Organisation dieses Teilbereichs. Die Ziele waren in Form der Erzeugung des „Blueprints“ im ersten Schritt abstrakt und mit der Umsetzung durch die Phase 5 und damit der oben genannten Zielsetzung im zweiten Schritt konkret.
Ausgehend von diesem Kontext, der in dem Projekt allerdings nicht so konkret definiert worden ist, wurden die ermittelten Beschreibungsparameter verwendet und die genannten Aktivitäten durchgeführt. Als Ergebnis der Gegenüberstellung der Beschreibungsparameter aus dem Projekt mit denen der CME-Klassen kann festgehalten werden, dass eine hohe Übereinstimmung besteht (84 %). Der aufgrund der eingesetzten Methode zu erwartende Schwerpunkt lag in der Klasse „Kultur & Emotionen“ mit 96 % und die geringste Übereinstimmung in der Klasse „Steuerung“ mit 60 %. Das zeigt deutlich, dass der Fokus der Methode zu einer relativen Vernachlässigung der Steuerungsparameter geführt hat. Es wurden keine weiteren, nicht in den CME-Klassen enthaltenen Beschreibungsparameter verwendet. Im Rahmen der Analyse der eingesetzten Beschreibungsparameter, die mit der Befragten durchgeführt wurde, konnte erarbeitet werden, dass einige der nicht berücksichtigten Parameter für den Projektverlauf wichtig gewesen wären. Mit höchster Priorität wurde dabei die „Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen“ genannt. Das „Vergessen“ dieses Parameters hat zu erheblichen Problemen geführt, weil eine große Verunsicherung unter der gesamten Belegschaft entstanden ist und z. B. zudem das so genannte „Survivor Syndrome“519 auftrat. Darüber hinaus gab es keine Szenarien für mögliche Konsequenzen der angespannten wirtschaftlichen Lage und keine entsprechenden Maßnahmen. Diese Szenarien wären ebenfalls wichtige Eingangsgrößen für die Einschätzung der Veränderungsgeschwindigkeit gewesen, die aus heutiger Sicht der Befragten als zu gering in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung zum Zeitpunkt des Veränderungsprojekts angesehen wird. Schließlich wurde festgestellt, dass eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen Steuerungsgrößen, sowohl für das Projekt als auch im Rahmen des Prozessneuentwurfs, die Implementierung unterstützt hätte. Hier ist aber festzuhalten, dass die lange Planungs- und Initiierungsphase zwei Konsequenzen nach sich gezogen hat: Zum einen hat sie sich positiv auf die Akzeptanz des Veränderungsprozesses ausgewirkt, weil die Auswirkungen zu einem Teil des täglichen Lebens und damit der Wirklichkeitsordnung geworden sind. Zum anderen dauerte die Systementwicklung allerdings länger als geplant, so dass sich die eigentliche Implemen519
Als „Survivor Syndrome“ im organisationalen Kontext werden Reaktionen sowie Emotionen verstanden, die bei den, z. B. nach einer Entlassungswelle im Unternehmen verbleibenden, Mitarbeitern in Form von „schlechtem Gewissen“ und Selbstvorwürfen, aber auch Erleichterung und sogar wiederum Angst entstehen können. Vgl. z. B. Noer, D. M.: Healing the Wounds: Overcoming the Trauma of Layoffs and Revitalizing Downsized Organizations, San Francisco 1995.
278
Validierung des Lösungsansatzes
tierung immer weiter hinausgezögert hat und es damit zu einer „künstlichen“ Verlängerung der Planungs- und Initiierungsphase kam. Damit fehlten die „quick wins“, und das Interesse der Mitarbeiter, d. h. die „Anspannung“, die für die Implementierung erforderlich ist, hatte abgenommen. Der zeitliche Ablauf, d. h. die Sequenzialisierung und Parallelisierung der Aktivitäten, ist in von Tabelle 20a bis Tabelle 20d festgehalten. Die Aktivitäten der Phase 5, die, wie bereits erörtert, als Transformationsphase definiert war, dienten auch als Grundlage für den Übergang zur Implementierung I. Auch wenn also einige der Aktivitäten dort wiederholt durchgeführt wurden, finden sie nachfolgend keine explizite Erwähnung mehr, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden.
5.3.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I Nach dem planmäßigen Start der Implementierung I trat die bereits erwähnte Diskontinuität ein, die auch die Integration eines weiteren Unternehmens derselben Branche nach sich zog. Hier wäre eine Neubewertung des Kontexts erforderlich gewesen, die allerdings aufgrund der als chaotisch zu bezeichnenden Situation in der Organisation nie stattgefunden hat. Deshalb werden zunächst die Aktivitäten, die tatsächlich stattgefunden haben, aufgeführt. Anschließend erfolgt in einem weiteren Schritt die hypothetische Neubewertung sowie die Prüfung, welche Veränderungen sich dadurch ergeben hätten. x
Definition der Fähigkeitenprofile: Definition von Aufgabenbeschreibungen
x
Festlegung der Rollen (Soll-Perspektive): Definition der neuen Aufgaben auf Basis von Prozessen und der Organisationsstruktur sowie Entwicklung der Aufgabenbeschreibungen
x
Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern: Definition der Aufgaben und Ausbildung nach Abschluss des Bewerbungsprozesses
x
Die Neubewerbung auf die durch das Prozessredesign entstandenen Aufgaben gehört nicht zu den CME-Aktivitäten und stellt eine Ergänzung dar, die auch in anderen Projekten beobachtet werden konnte. Hier bleibt zu überlegen, ob diese Aktivität, z. B. unter einen Beschreibungsparameter „Zuordnungsprozess zu neuen Rollen“, in das CME aufgenommen werden sollte.
x
Eine der neu hinzugekommenen Anforderungen in dieser Phase war der Einbezug der neuen Mitarbeiter und das Informieren sowie „Auf-den-Stand-bringen“ in dem Projekt. Hier ergaben sich wesentliche Akzeptanzprobleme einerseits durch die grundlegend andere Unternehmenskultur, aus der die Mitarbeiter kamen, und andererseits durch die fehlende Involvierung der neuen Mitarbeiter bei der Entwicklung der Prozesse und Strukturen. Gerade die Involvierung, die verhältnismäßig aufwändig realisiert worden ist, gilt auch heute noch als einer der Erfolgsfaktoren für die Akzeptanz der Veränderung vor dem Einschnitt durch die Krise. Aufgrund der fundamentalen Veränderung der Organisation wurde die Kommunikationsstrategie angepasst, und es wurden tägliche Informationsveranstaltungen abgehalten. Problematisch war dabei, dass dort kaum substanzielle Informationen weitergegeben wurden, weil das Management sich selber für nicht ausreichend informiert hielt und infolgedessen eine „Nicht-Kommunikations-Strategie“ bevorzugte. Eine nachträgliche Lehre daraus ist, dass durch diese Strategie eher eine noch größere Verunsicherung erzeugt wurde und eine offene Kommunikationsstrategie, die auch das „Nicht-Wissen“ vermittelt hätte, wahrscheinlich zu weniger Schaden geführt hätte.
Aktivitäten
Analyse der Lenkbarkeiten Analyse der Machtstrukturen Analyse der Mentalität/geistige Haltung Analyse der Mitarbeiterzufriedenheit Analyse der ökonomische Situation Analyse der Wirklichkeitskonstruktion Analyse der Wirklichkeitsordnung Analyse des Milieus Analyse des Projektlebenszyklus Analyse des Wirkungsradius Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Ist- und Sollperspektive) Analyse und Definition der Organisationsarchitektur und Organisationsstrukturen (Ist- und SollPerspektive)
Analyse der Kernkompetenzen Analyse der Konsequenzen Analyse der Lebenszyklusphase des Unternehmens
Analyse der Geschäftslogik Analyse der Geschichte des Erfolgs (Unternehmen und Projekt) Analyse der Güte der Beziehungen zwischen den Akteuren Analyse der Herausforderungen Analyse der Intention und Implementation
Analyse der Erwartungen der Beteiligten
Analyse der Auslöser Analyse der dominanten Unternehmenskulturen und Subkulturen
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 20a: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block I)
279
Tabelle 20b: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block II)
Definition des Projektergebnisses Definition des Projektumfangs
Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Ist- und SollPerspektive) Definition der Adressaten der Veränderungsprozesse Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Definition der Kommunikationskanäle Definition der Projektorganisation Definition der Projektziele Definition der Prozessarchitektur Definition der Ressourcenallokation Definition der Vision und Mission Definition des Betrachtungszeitraums Definition des Entwicklungsmodus Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität)
Analyse und Definition der Treiber Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Ist- und SollPerspektive) Analyse und Definition des Managementsystems Analyse und Definition des Nutzens Analyse und Definition des Vernetzungsgrades (Ist- und Soll-Perspektive)
Analyse und Definition der technologischen Infrastruktur (Ist- und Soll-Perspektive)
Aktivitäten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
280 Validierung des Lösungsansatzes
Aktivitäten
Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke Ermittlung der Widerstände Ermittlung des Einflusses durch den Wettbewerb Ermittlung des Einflusses durch die Stakeholder
Ermittlung der Struktur der Gruppenprozesse
Definition von Meilensteinen Definition von Qualitätsmassnahmen Ermittlung der Prozessorientierung
Definition von Massnahmen bei Widerständen
Definition des Themas des Veränderungsprojektes Definition des Transparenzgrads Definition des Veränderungsprozesses Definition qualitativer Steuerungsgrössen Definition und Planung der Art der Kommunikation
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 20c: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block III)
281
Aktivitäten
Führung: Kognitive Diversität Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben Integration des Spassfaktors Sicherstellung der Nachhaltigkeit Sicherstellung der Produktsicht (Output) Überlegungen zum Methodeneinsatz (und Definition der Methode) Überlegungen zum und Sicherstellung des Organisatorischen Lernens Vermittlung des Sinns
Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren Ermittlung von Schlüsselpersonen Festlegung der Rollen Festlegung des Stils der Initiierung Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Phase 7
282 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 20d: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Einführung Revenue Management-System“ (Block IV)
Validierung des Lösungsansatzes
283
Die betroffenen Prozesse sowie die Organisationsstruktur wurden nochmals, ohne jedoch die Phasen der eingesetzten Methode erneut zu durchlaufen, auf die nun veränderten Bedingungen und Restriktionen angepasst, und am Ende dieser Phase wurde als Konsequenz der Fusion das Change Team aufgelöst und das Projekt mit der Systemeinführung abgeschlossen. Die fundamentale Veränderung des Kontexts hätte nach dem in dem vorliegenden Buch vorgeschlagenen Vorgehen zu einer Neubestimmung der Situation und der Entscheidung geführt. Dieser Schritt wird nachfolgend – hypothetisch – durchgeführt, und es wurden die potenziellen Konsequenzen für die Aktivitäten im Projekt analysiert. x
Situation: Das Themengebiet, das nun für die Einführung des Revenue ManagementSystems und die erforderliche Prozess- und Organisationsneugestaltung galt, war eindeutig in den Bereich der „Strategieanpassung bzw. Strategieänderung“ einzuordnen. Die Situation war als höchst komplex einzustufen, weil nun die Integration von neuen Mitarbeitern aus einer vollständig anderen Unternehmenskultur in die bereits vorgeplanten Strukturen zu vollziehen war. Die Problemdomäne war nunmehr nicht nur die Einführung des neuen Systems, sondern auch die Durchführung der Fusion mit der neuen Organisation. Die Projektdomäne umfasste damit erstens weiterhin die Aufgaben der Systementwicklung, zweitens die Integration einer anderen Unternehmenskultur und drittens den entsprechenden Prozess- und Organisationsentwurf. Die Struktur des Projekts war nun hoch komplex und die Gruppe der Akteure heterogen. Die eingesetzte Technologie in Verbindung mit der Veränderungsmethode war als komplex zu bewerten. Für die Zieldomäne galt, dass das zu entwickelnde System einen moderaten, d. h. gut eingrenzbaren und auf einen bestimmten Bereich bezogenen Umfang aufwies. Die Komplexität der Zieltechnologie war ebenfalls als moderat einzustufen: Es wurden weiterhin keine hochinnovativen Komponenten verwendet, sondern es wurde auf eine bekannte Technologie gesetzt. Die Komplexität der zu verarbeitenden Daten war in dem Zielbereich allerdings aufgrund der Verteilung und Volatilität hoch. Insgesamt wurde die Komplexität der Problemdomäne aufgrund der bereits erwähnten Vernetzung von System- und Organisationsentwicklung als hoch eingestuft. Das Risiko wurde nun als hoch angesehen, weil die Unternehmenskultur die Veränderungen nicht mehr unterstützte und die eingesetzte Methode nicht flexibel genug war, um die radikale Veränderung in den Anforderungen aufzufangen.
x
Entscheidung: Die veränderte Intention, die mit diesem Projekt als Teilprojekt in dem gesamten Restrukturierungsprozess dann verfolgt wurde, war die bereichsorientierte Fusion mit den neuen Mitarbeitern und Organisationsgrundlagen sowie die Integration in die im Rahmen der Reorganisation neu zu gründenden Gesellschaft. Darüber hinaus stand die Kostenreduktion vornehmlich durch den Abbau von Mitarbeitern und die grundlegende Verbesserung der Effizienz durch vermutete Synergieeffekte im Vordergrund der Maßnahmen. Die systemgestützte Verbesserung des Revenue Management-Prozesses mit dem Ziel der nachhaltigen Ertragssteigerung stellte dabei das verbleibende Ausgangsziel dar. Der zu bevorzugende Lösungsansatz wäre zu diesem Zeitpunkt die von betriebswirtschaftlichen Aspekten getriebene Redefinition des Projekts gewesen, um das fachliche Risiko zu minimieren. Darüber hinaus hätte die eingesetzte Methode noch einmal zu Stufe 1 zurückgeführt und die relevanten Schritte für die Einbindung aller nun beteiligten Mitarbeiter unter den neuen Bedingungen systematisch, aber zeitlich stark verkürzt, durchgeführt werden müssen, um das Risiko der divergierenden Unternehmenskulturen aufzufangen. Zu diesem
284
Validierung des Lösungsansatzes
Zeitpunkt wäre eine vollständig neu konstruierte Methode wahrscheinlich kontraproduktiv gewesen, weil die Anschlussfähigkeit für die bereits zuvor eingebundenen Mitarbeiter gefehlt hätte. Zudem war der Berater bereits mit der Organisation und den Voraussetzungen vertraut und hätte so im Rahmen seiner Methode effizient vorgehen können. Die Veränderungen basieren hauptsächlich auf Ergänzungen der Beschreibungsparameter und Aktivitäten, die das CME zur Verfügung gestellt hätte. Der Fokus der Erhebung der bereits berücksichtigten Parameter wäre darüber hinaus anders gewesen, z. B. wäre die Struktur der Kommunikationsnetzwerke unter Berücksichtigung der Fusion erhoben worden, und mit dem Parameter „Mentalität/geistige Haltung“ wäre nun die neu hinzu gekommene und divergierende Unternehmenskultur berücksichtigt worden. Darüber hinaus hätte eine andere Beurteilung der Zusammensetzung der „cross functional“ Teams stattgefunden, und die entsprechenden Rollen- und Aufgabendefinitionen wären unter einem anderen Fokus erfolgt. Hier wird also wiederum deutlich, dass der Kontext nicht nur für die Konstruktion der Methode wichtig ist, sondern auch eine entscheidende Rolle bei der Durchführung der Informationserhebung spielt. Denn auf der Grundlage der Ergebnisse der Kontextmodellierung werden die Informationen unter einem anderen Fokus erhoben und interpretiert. Eine wesentliche Ergänzung der bestehenden Beschreibungsparameter und damit der Aktivitäten wäre die Berücksichtigung vor allem der quantitativen Steuerungsparameter gewesen. Darüber hinaus wäre eine Analyse der Umfeldparameter erfolgt, die eine Ableitung weiterer, potenzieller Diskontinuitäten erlaubt hätte. Also zwei relevante Aktivitäten, die eine Anpassung der Maßnahmen in Bezug auf die Situation unterstützt hätten. Ein weiterer wichtiger Parameter, der zum Einsatz gekommen wäre, ist die „Veränderungsgeschwindigkeit“; in Verbindung mit der „Mentalität“ und dem „Projektlebenszyklus“ hätten hier Rückschlüsse auf die Definition von der Situation angemessenen Meilensteinen gezogen werden können. Darüber hinaus wäre der Wissensmanagementprozess definiert worden, der gerade im Zusammenhang mit der Ergänzung der ursprünglichen Belegschaft durch die neuen Mitarbeiter eine wichtige Rolle gespielt hätte. Diese Beispiele zeigen die Potenziale, die einerseits in der systematischen Definition des Kontextes durch das Tupel „Situation“ und „Entscheidung“ und andererseits in der kontextspezifischen Definition einer Methode anhand der für die Situation angemessenen Fragmente liegen.
5.3.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs Aus der heutigen Sicht ist das neue „Revenue Management-System“ zwar im Sinne der Implementierung I erfolgreich eingeführt worden, doch sind aufgrund der radikalen organisationalen Veränderung einige der intendierten Effekte, z. B. Gestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend der veränderten Organisationsstruktur und langfristige Optimierung der Prozesse, nicht umgesetzt worden. Die Implementierung II kann also als nicht erfolgreich bezeichnet werden. Eine abschließende Evaluierung ist aber gerade aufgrund der nur bedingt systematisch abgelaufenen Restrukturierung des Gesamtkonzerns schwierig möglich. Deshalb werden nachfolgend einige der Erkenntnisse aus dem abgelaufenen Projekt und die Schwachpunkte des gewählten Vorgehens analysiert.
Validierung des Lösungsansatzes
285
Eine grundlegende Erkenntnis ist die Tatsache, dass das Projekt in seinem inhaltlichen Umfang und den Auswirkungen zu klein „skaliert“ worden ist. Das hat sich z. B. in der zu engen Bemessung des Wirkungsradius manifestiert. Die Konsequenzen des Projekts hatten eine deutlich weitergehende Reichweite in der Organisation als anfangs abgeschätzt wurde, so dass das Change Team an der höchsten „Wirkungsstelle“ hätte positioniert sein müssen, um den gesamten Wirkungsbereich abdecken zu können. Das zeigt die Bedeutung der konsequenten Beschreibung und Definition eines Veränderungsprojekts; gerade „kleinere“ Projekte werden in dieser Hinsicht offenbar zu wenig detailliert analysiert, und damit ist auch bei solchen, vermeintlich einfach zu steuernden Projekten, die „wirkliche“ Steuerbarkeit nur schwierig zu realisieren. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass die Definition eines der Projektziele aus der IT-Perspektive und nicht aus der Prozess-Perspektive erfolgt ist. Die Redefinition der Prozesse auf Grundlage der eingesetzten Methode erfolgte aber primär mit dem Ziel, effektive und effiziente Prozesse, die mit den beteiligten Mitarbeitern abgestimmt waren, zu erzeugen. Hier ist eine deutliche Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Durchführung zu erkennen, die zu den Schwierigkeiten bei der Umsetzung beigetragen haben können. Zusätzlich wird eine der Forderungen des Business Engineerings und damit auch des CME-Bezugsrahmens verletzt, die die Prozessebene als Definitionsgrundlage für die Ausgestaltung der IKT-Ebene definiert. Die eingesetzte Methode hat zudem nur einen geringen Beitrag zur Beherrschung der Komplexität der neuen Prozessarchitektur und der angemessenen Rollendefinition beigetragen. Die beteiligten Mitarbeiter waren zu einem gewissen Grad überfordert, und damit konnte das Ziel, Prozesseffizienz zu erreichen, nur bedingt umgesetzt werden. In Ergänzung dieser Erkenntnisse werden in zwei Bereichen Probleme deutlich, die durch einen situativen Ansatz hätten zumindest gemildert werden können. Die eingesetzte Methode legt einen verhältnismäßig starken Fokus auf die Organisation und die kulturellen Veränderungen im Unternehmen. Dieser Bereich war nahezu vollständig abgedeckt und hätte, laut Aussage der Befragten, auch eine erfolgreiche Veränderung vollziehen können. Als problematisch anzusehen war allerdings, dass diese Methode die betriebswirtschaftlichen Parameter, wie z. B. Ablaufeffizienz oder auch Steuerungsgrößen der neu entworfenen Prozesse, nahezu außer Acht gelassen hat. Das bedeutet, dass durchaus die Situation hätte entstehen können, dass zwar kulturell akzeptierte Prozesse entstanden wären, die auch erfolgreich in der Organisation verankert worden wären, die aber im Sinne der Effizienz nicht optimal gewesen wären. Mit einer situativen Methode, die alle Aspekte der CME-Klassen berücksichtigt, hätte dieser Punkt aufgefangen werden können. Der zweite Gesichtspunkt ist die Flexibilität der eingesetzten Methode in Bezug auf die plötzlich neu eintretenden Anforderungen durch die Diskontinuität in Phase 5. Obwohl die Methode recht flexibel gestaltet ist, was für die Initiierung eines Projekts vorteilhaft ist, fehlen ihr doch die situativen Elemente für eine Adaption im laufenden Prozess. In Bezug auf die in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagene Vorgehensweise wären durch eine Kontextanpassung eine Reaktion auf die geänderte Situation von der ursprünglichen Situation „Prozessredesign“ hin zu „Strategieänderung“ und eine Ergänzung der entsprechenden Aktivitäten möglich gewesen. Eine potenzielle Folge wäre möglicherweise gewesen, dass das Management einen besseren Informationsstand gehabt hätte und damit eine bessere Kommunikationsstrategie hätte verfolgen können. Auch wenn eine so radikale Veränderung im laufenden Projekt wahrscheinlich nicht perfekt aufgefangen werden kann, zeigt diese Beispiel doch, wie wichtig erstens die klare
286
Validierung des Lösungsansatzes
Definition und Berücksichtung des Kontexts bei der Methodenkonstruktion und zweitens die darauf aufbauende situative Anpassungsfähigkeit der Methode ist.
5.4 Fallstudie Dienstleistungsindustrie: Integration eines Unternehmens zur Ergänzung und Erweiterung bestehender Kompetenzen Auch in der letzten Fallstudie wird für die Validierung des Vorgehens die Ex-Post-Perspektive eingenommen und das Projekt anhand der drei Phasen Initiierung, Implementierung I und Implementierung II untersucht. Das Thema dieser Fallstudie ist die Akquisition einer Unternehmenseinheit durch ein weitaus größeres und diversifiziertes Unternehmen, mit dem Ziel, das Portfolio an Leistungen und Kompetenzen im Bereich „Business Consulting“ zu erweitern. Der interessante Aspekt in diesem Fall ist die sehr gute strategische Kompatibilität der beiden Einheiten bei einer extrem unterschiedlichen Unternehmenskultur. Gerade hier, wo Synergien offensichtlich vorhanden sind, jedoch die Umsetzung der Potenziale eine Herausforderung darstellt, ist eine situativ konstruierte Methode gefordert. Als Vergleich wird zusätzlich die Akquisition eines Dienstleistungsunternehmens durch die hier untersuchte, nun selber übernommene Organisation kurz analysiert. Hier hat eine Akquisition von zwei Unternehmen mit ähnlichem Geschäftsmodell und ähnlicher Unternehmenskultur stattgefunden, so dass ein Vergleich verschiedener Aspekte der beiden Projekte die Analyse der Konsequenzen und die Ableitung der Methode noch weiter unterstützt.520
5.4.1 Kurzbeschreibung von Unternehmen und Veränderungsprojekt Die Geschichte dieses Unternehmens geht ebenfalls auf Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa zurück. Einige Jahre nach der Gründung nahm der Unternehmer weitere Partner hinzu. Über Kanada kam das Unternehmen in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten, und heute noch gibt es jeweils einen Hauptsitz in Großbritannien und den USA. Das ursprüngliche Kerngeschäft wurde im Laufe der Zeit durch Akquisitionen auf- und ausgebaut. Die Kernkompetenz lag hier in der Systemintegration ausgehend von der Prozessebene sowie zu einem kleineren Anteil auch in der Strategieberatung. Die Dienstleistungseinheit war zu Beginn des neuen Jahrtausends im Begriff, sich vom Mutterhaus zu lösen und ein rechtlich eigenständiges Unternehmen zu gründen. Bei der Prüfung verschiedener Option, wie das neue Unternehmen finanzielle Mittel für zukünftige Investitionen beschaffen kann, wurden ein Initial Public Offering (IPO), d. h. der Gang an die Börse sowie die Kooperation mit einem Partner geprüft. Der IPO wurde vorbereitet, doch bevor er durchgeführt werden konnte, reichte das später übernehmende Unternehmen ein Kaufangebot ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Mutterhaus weltweit insgesamt 150.000 Mitarbeiter und davon waren ca. 40.000 in dem untersuchten Teilunternehmen beschäftigt. Die Unternehmenskultur des Teilunternehmens war durch den Ansatz des „Mitarbeiters als Unternehmer“ geprägt. Dadurch hatten die Mitarbeiter einen hohen Grad an Verantwortung und Selbstmanagement, und von ihnen wurde ein flexibles 520
Der Interviewpartner für diese Fallstudie war in beiden Unternehmen in den Akquisitionsprozessen involviert.
Validierung des Lösungsansatzes
287
und kunden- sowie lösungsorientiertes Verhalten erwartet. Weitere Charakteristika der Kultur waren ihre globale Vernetztheit, sowohl intern als auch extern, und Durchlässigkeit in Bezug auf die Bildung von länderübergreifenden Teams. Durch die Verantwortung und den relativ großen Spielraum der Mitarbeiter waren die Entscheidungswege kurz und unbürokratisch. Das übernehmende Unternehmen ist ebenfalls ein traditionsreiches Haus, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Es war zu diesem Zeitpunkt - und auch noch Jahre später - im Bereich der produzierenden Industrie verankert. Beratung fand dementsprechend ausschließlich in diesem Kontext statt, z. B. durch „Presales Consulting“ oder die Systemanalyse beim Kunden, um die richtige Lösung zu implementieren. Darüber hinaus war und ist auch heute noch eine der Kernkompetenzen des Unternehmens der produktive Forschungsbereich. Zum Zeitpunkt der Akquisition waren 250.000 Mitarbeiter in dem Unternehmen beschäftigt, davon ca. 25.000 im Beratungsbereich. Der Bereich Beratung umfasste nach wie vor hauptsächlich die Unterstützung des Verkaufs von selbsterstellten Produkten und wurde in Bezug auf betriebswirtschaftlich geprägte Fragestellungen durch eine dedizierte Beratungseinheit unterstützt. Die Unternehmenskultur war geprägt durch eine lokale und dezentrale Organisation, wobei Forschung, Produktion und interne Services zentralisiert waren. Dadurch bestand eine Tendenz zu funktionalen Abschottungen („Silos“) mit nur begrenzter Durchlässigkeit und Flexibilität sowie begrenzten übergreifenden Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus war das Unternehmen stark hierarchisch organisiert, was in der Tendenz eher längere Entscheidungswege zur Folge hatte. Die Risikoeinstellung tendierte in Richtung Risikoaversität, so dass jeder Projektantrag eine Risikobeurteilung enthielt und keine Festlegung in Bezug auf die zu liefernden Projektergebnisse erfolgte. Die Unternehmensgeschichte ist geprägt durch die Technologieorientierung, und dadurch herrschte eher eine „Verkäufermentalität“ unter den Mitarbeitern an der Kundenschnittstelle vor. Das bedeutete in der Regel, dass der Kundenkontakt dann als abgeschlossen galt, wenn der Vertrag unterschrieben war. Das Unternehmen kann als ein traditionelles und in den Strukturen eher konservativ gewachsenes Unternehmen bezeichnet werden. Das Kaufangebot, das erst durch die Genehmigung der Wettbewerbskommission umgesetzt werden konnte, war durch den hohen Grad an strategischer Kompatibilität der beiden Unternehmen und der Absicht getrieben, das Beratungsgeschäft weiter auszubauen. Die Herausforderung dabei war es, die beiden stark unterschiedlichen Unternehmenskulturen zu integrieren oder zumindest auf eine reibungslose und synergieschaffende Kooperation auszurichten. Für das Projekt wurden außer der Initiierungsphase nach dem Kaufangebot und dem Vertragsabschluss keine weiteren differenzierten Phasen definiert, so dass hier ein verhältnismäßig unstrukturierter Prozess vorliegt. Nachfolgend wird diese Fallstudie anhand der drei Phasen eines Veränderungsprojekts analysiert und das gewählte Vorgehen mit der durch das Methodenkonstruktionsverfahren entstehenden Methode verglichen.
5.4.2 Beschreibung und Analyse der Initiierungsphase Die Initiierungsphase war geprägt durch die eigentliche Akquisition und die prozess- sowie systemseitige Integration des kleineren Dienstleistungsunternehmens. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine unternehmensweit kommunizierte Beschreibung oder Planung des Integrationsprojekts. Dennoch wurden Ressourcen zur Verfügung gestellt, um die Integ-
288
Validierung des Lösungsansatzes
ration zu unterstützen. Es fand keine Zusammenführung der Standorte statt, so dass der Standort des Dienstleisters erhalten blieb, und nur eine kleine Anzahl Mitarbeiter des übernehmenden Unternehmens diesem Standort zugeordnet wurden. Die ursprüngliche Beratungseinheit des übernehmenden Unternehmens blieb weiterhin bestehen. Im Rahmen der Initiierung des Projekts wurde keine konkrete Beschreibung des zugrunde liegenden Kontexts vorgenommen. Auf Basis des in der Arbeit vorgeschlagenen Vorgehens müsste er wie folgt durch das Tupel Situation und Entscheidung definiert werden: x
Situation: Das Themengebiet, in das dieses Projekt eingeordnet werden konnte, war die Grundsituation „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“. Die Situation war als sehr komplex einzustufen, weil sie eine Integration von zwei vollkommen unterschiedlichen Unternehmenskulturen sowie die Veränderung der Arbeitsweise von einer großen Anzahl und im Vergleich zum übernehmenden Unternehmen einem größeren Anteil an Mitarbeitern zur Folge hatte. Darüber hinaus fand eine Marktkonsolidierung statt, die einerseits durch die beginnende Rezession und andererseits durch die Skandale, z. B. in Bezug auf Enron, bedingt war und zu einem erheblichen Kostendruck geführt hat. Die Problemdomäne konnte beschrieben werden als die Erweiterung des Leistungs- und Fähigkeitenportfolios des übernehmenden Unternehmens mit gleichzeitiger fundamentaler Veränderung des gesamten Bezugsrahmens des übernommenen Unternehmens in Bezug auf Strategie, Prozesse, IKT und nicht zuletzt die Unternehmenskultur. Die Projektdomäne umfasste damit das ganze Spektrum der Aufgaben zum Prozess- sowie Organisationsentwurfs, der Systementwicklung und der Kulturveränderung. Die Struktur des Projekts war aufgrund der übergreifenden und umfassenden Themenstellung komplex, und die Gruppe der Akteure war sehr heterogen. Die eingesetzte Technologie in Verbindung mit den Veränderungsthemen war als komplex zu bewerten. Für die Zieldomäne galt, dass das zu entwickelnde organisatorische und soziale System ein großes, nur schwierig vollständig beschreibbares und „fassbares“ Spektrum aufwies und damit als sehr komplex einzuschätzen war; das technische System hingegen war als moderat komplex zu bewerten, weil eine Ablösung der bestehenden Systeme vollzogen wurde. Dadurch war die Komplexität der Zieltechnologie ebenfalls als moderat einzustufen: Es wurden keine neuen Komponenten eingesetzt, sondern es wurde auf eine bekannte und bereits etablierte Technologie gesetzt. Die Komplexität der zu verarbeitenden Daten war in dem Zielbereich allerdings aufgrund der Verteilung und Volatilität hoch. Insgesamt musste die Komplexität der Problemdomäne aufgrund der bereits erwähnten Vernetzung von System- und Organisationsentwicklung als sehr hoch eingestuft werden. Das Risiko hingegen wurde als moderat angesehen, weil die strategische Kompatibilität der Unternehmen als hoch bewertet war. Das Risiko, das zu dem Zeitpunkt nicht erkannt wurde, waren die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und die nur begrenzt ausgeprägte Planung und Aufmerksamkeit in Bezug auf den Integrationsprozess.
x
Entscheidung: Die Intention, die mit diesem Projekt verfolgt wurde, war der Aufbau und die Weiterentwicklung der Fähigkeitenprofile und Beratungsleistungen außerhalb der technologischen Kompetenzen im Beratungsbereich. Das Vorgehen war somit primär definiert durch die Akquisitionsentscheidung, die Initiierung des Integrationsprozesses sowie der organisatorischen und systemseitigen Integration. Die Ziele waren konkret und wurden durch die Erweiterung des Fähigkeiten- und Leistungsportfolios sowie zusätzlich durch die Marktsituation definiert.
Validierung des Lösungsansatzes
289
Diese beiden Parameter zeigten über die Laufzeit des Projekts hohe Konstanz, so dass die zu konstruierende Methode durchgängig darauf aufbauen kann. In dem Projekt selber wurden keine bzw. nur rudimentäre Überlegungen einerseits zum Kontext und andererseits zur genauen Spezifikation des Projekts angestellt. Das schlug sich auch in dem verhältnismäßig unsystematischen und der Situation wenig angepassten Vorgehen nieder, wie sich in den weiteren Ausführungen zeigen wird. In der Initiierungsphase war der höchste Aktivitätsgrad in Richtung „Treiben“ der Integration zu verzeichnen. Es wurden Mitarbeiter definiert, die als Change Team den Prozess begleiten sollten, und vor allem gut quantifizierbare Parameter, wie z. B. der Projektumfang oder die Meilensteine wurden festgelegt. Insgesamt sind aber nur sehr wenige Parameter explizit definiert worden, und der Aktivitätsgrad hat im Verlauf des gesamten Projekts immer mehr abgenommen. Das ist offenbar auch eine Folge der fehlenden Definition des Veränderungsprojekts aus allen erforderlichen Perspektiven. Beim Vergleich der Parameter und Aktivitäten, die in dieser Phase relevant waren, stellt sich heraus, dass nur eine verhältnismäßig geringe Übereinstimmung der Beschreibungsparameter und Aktivitäten mit den durch das CME-Vorgehen vorgeschlagenen Elementen besteht. Dieses Ergebnis resultiert daraus, dass für die Definition und Planung des Projekts nur, wie bereits erwähnt, sehr wenige Parameter eingesetzt worden sind. Diese Tatsache wird in dem Kapitel zur Evaluierung des Projekterfolgs und der Implementierung II noch zu bewerten sein. Weitere Parameter, die über die im Rahmen der diskutierten CME-Parameter hinausgehen, wurden nicht genannt. Allerdings muss eine Aktivität ergänzt werden, die im Rahmen der CME-Aktivitäten nicht berücksichtigt wird: der Abgleich der Kundenbasis und Prozesse der beiden Unternehmen, um eine gemeinsame „Operationsgrundlage“ zu schaffen. Für den Übergang in die Umsetzung der Ziele, also die Implementierung I, wurde eine „Roadmap“ festgelegt, die aber keinen Veränderungsprozess definiert, sondern eher parallele Aktivitäten vorschrieb, die auf eine Harmonisierung der „Verkaufsaktivitäten“ abzielten. Dazu gehörte z. B. der Abgleich der „Accounts“, d. h. der Kundenbasis, sowie der Vorgehensweisen in Projekten.
5.4.3 Beschreibung und Analyse der Phase Implementierung I Im Zuge der Umsetzung der Roadmap fanden die oben genannten Aktivitäten statt; zusätzlich wurde die Organisationsstruktur des Dienstleisters an das übernehmende Unternehmen angepasst. Damit fand eine „Lokalisierung“ der Strukturen und mit diesem Schritt auch der Dienstleistungen statt. Das bedeutet, dass die Kernkompetenzen des kleineren Unternehmens sowie auch die Fähigkeiten zur internationalen Vernetzung von Leistungen nicht mehr umfassend genutzt werden konnten. Im Verlauf der Implementierung I kam es durch den Kostendruck zu zusätzlichen Veränderungsmaßnahmen, die aber aufgrund der fehlenden Projektdefinition und unklar formulierten und verfolgten Neupositionierung z. B. zu unzweckmäßigen Entlassungen geführt haben. Die Entlassungen wurden aufgrund von Auslastungs- und Umsatzgrößen vorgenommen, anstatt sie mit Blick auf eine strategische Neuausrichtung durchzuführen. Drei weitere Punkte, die in der Implementierung I als Hürden für ein erfolgreiches Weiterführen der Integration gesehen wurden, waren erstens die fehlende systematische Adressierung kritischer Aspekte. Hier wurde vornehmlich ein „Ad-hoc“-Managementansatz gewählt, bei dem Probleme gelöst wurden, wenn sie offensichtlich wurden. Jedoch ist ei-
290
Validierung des Lösungsansatzes
ne reaktive Problemlösung dann nachteilig, wenn kritische Punkte nicht adressiert werden, wie z. B. die unterschiedlichen Lohnniveaus der Unternehmenseinheiten. Solche Probleme können nur dann erkannt und auch gelöst werden, wenn es eine proaktive und umfassende Analyse von potenziellen Problemstellungen gibt. Zweitens wurde die „Nicht-Kommunikation“ in vielen Bereichen kritisch aufgefasst. Ähnlich wie im Fall des Unternehmens in der Transportindustrie hatte die fehlende Kommunikationsstrategie eine erhebliche Unsicherheit zur Folge, weil die Interpretation der „Nicht-Informationen“ eher negative Auswirkungen, vor allem in Bezug auf die Frage des Management Commitment, hatte. Schließlich wurde drittens der Ausbildungs- und Weiterentwicklungsprozess, den es in dem übernommenen Unternehmen gab, nicht fortgeführt, so dass auch hier eine Ursache für eine erhebliche Unsicherheit der Mitarbeiter entstand: Es war nicht mehr klar, ob und wie sich der eingeschlagene Karrierepfad entwickeln würde. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Implementierung I in Bezug auf das Veränderungsprojekt durch ein eher unstrukturiertes Vorgehen gekennzeichnet war. Offenbar wurde versucht, durch möglichst schnelles Zurückkehren zum „business as usual“ eine Integration zu erreichen. Dieses Vorgehen ist wahrscheinlich in dem vorherrschenden Kontext nicht so erfolgversprechend, wie ein zwar schneller, aber dennoch sehr strukturierter Integrationsprozess auf Basis einer individuellen Methode. Das zeitliche Profil der Aktivitäten findet sich in Tabelle 21. Hier wird deutlich, wie hoch der Aktivitätsgrad zu Beginn des Projekts war und wie stark er anschließend gesunken ist. Ebenso spiegelt sich deutlich das schwach ausgeprägte Interesse an dem eigentlichen Integrationsprozess wider. Es wurden keine differenzierten Phasen für das Projekt festgelegt, so dass für die Darstellung der zeitlichen Abfolge eine Einteilung in zwei grobe Phasen vorgenommen wurde: die „Anlaufphase“ direkt nach der Genehmigung durch die Wettbewerbskommission und die „Betriebsphase“. Abfolge der durchgeführten Aktivitäten im Projekt "Integration eines Dienstleistungsunternehmens" Analyse der ökonomischen Situation Analyse der Intention und Implementation Analyse der Geschichte des Erfolgs (hier: beider Unternehmen) Festlegung der Rollen Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben Definition der Projektziele (indirekt durch Ad-hoc-Management) Analyse und Definition der Treiber Definition des Projektumfangs Sicherstellung der Produktsicht (Output) (und Überprüfung) Definition von Meilensteinen (und Überprüfung) Definition der Kennzahlen zur Steuerung Definition von Qualitätsmaßnahmen
Phase 1: Anlauf
Phase 2: Betrieb
Tabelle 21: Zeitlicher Ablauf der Aktivitäten des Projekts „Integration eines Dienstleistungsunternehmens“ Im Vergleich dazu hätte das Aktivitätenprofil der auf Basis der situativen Methodenkonstruktion vorgeschlagenen Vorgehensweise zum einen ein umfangreicheres Aktivitätenspektrum und zum anderen eine gleichmäßigere Verteilung der Aktivitäten im Rahmen des vorgeschlagenen Veränderungsprozesses vorgesehen. Die gewählten Phasen wären: 1. Initiierung - Analyse und Definition des Projekts: Definition des Projekts mit Hilfe der relevanten CME-Beschreibungsparameter. Ergebnis: vollständige Beschreibung des Projekts und Konstruktion der situativen Methode.
Validierung des Lösungsansatzes
291
2. Implementierung I: Anwendung der Methode und Umsetzung mit Fokus auf die definierten Zielsetzungen. Ergebnis (idealerweise): Erreichung der Zielsetzungen und Projektabschluss. 3. Implementierung II: Verankerung der Projektergebnisse und Überprüfung des mittel- bis langfristigen Projekterfolgs. Ergebnis: Analyse der Lessons Learned und Basis für eine Adjustierung möglicher (unerwünschter) Abweichungen. Die Aufteilung in thematische Blöcke für die Festlegung des Ablaufs erfolgt analog zu dem für die Methode „Interner IT Service Provider“ in Kapitel 4 gewählten Vorgehen. Dieser Schritt bietet sich an, weil das Grundthema „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“ in beiden Fällen gleich ist. Genauso werden die in der zuvor genannten Methode ergänzten Parameter und Aktivitäten integriert, da sich auch in diesem Fall relevant sind. Die einzige Anpassung ist die Reduktion auf drei Phasen und die zeitliche Verkürzung des Prozesses, weil die schnelle Implementierung als Erfolgsfaktor definiert worden ist. Eine Folge dieser Verkürzung ist, dass die Ziel- und die Steuerungsparameter früher definiert werden müssen, so dass sie parallel zur Analyse bereits berücksichtigt werden können. Damit ergibt sich ein Aktivitätenprofil, das, ähnlich wie in dem tatsächlichen Vorgehen, eine deutliche Ausprägung in der ersten Phase zeigt (vgl. Tabelle 22a bis Tabelle 22d).
5.4.4 Evaluation der Phase Implementierung II und des Projekterfolgs Zwei Jahre nach dem Start musste das Projekt zur Integration des Dienstleistungsunternehmens als nur bedingt erfolgreich bezeichnet werden. Auch heute sind die Unternehmenseinheiten noch getrennt, und eine Vermischung der Mitarbeiter und damit der Unternehmenskulturen findet kaum statt. Die Kernkompetenzen des übernommenen Unternehmens können nur unzureichend genutzt werden, und die Zufriedenheit der „integrierten“ Mitarbeiter ist durch die fortgesetzte Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Unternehmens und den Fortgang der Integration auf einem kritischen Niveau. Der nicht erkennbare Wille zur Integration in der Geschäftsleitung, aber auch die fehlende Adressierung der verschiedenen kritischen Integrationsaspekte, wie z. B. der unterschiedlichen Lohnniveaus, sind einige der Barrieren für eine Nutzung der Synergiepotenziale. Der Erfolg bei der Rückgewinnung der durch verschiedene Skandale abgewanderten Kunden zeigt deutlich, dass diese Potenziale sowohl vorhanden als auch vom Kunden wahrgenommen wurden. Daraus kann die auch durch die Analyse gestützte Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Probleme interner Art waren bzw. sind.
Block I: Analyse der Rahmenbedingungen für das Veränderungsvorhaben Analyse der Geschäftslogik Analyse und Definition der Wertschöpfung (Ist-Perspektive) Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Ist-Perspektive) Ermittlung der Prozessorientierung (Ist-Perspektive) Analyse der Auslöser Analyse der ökonomischen Situation Analyse der Intention Analyse der Geschichte des Erfolgs (hier: beider Unternehmen) Analyse der Mentalität/geistigen Haltung Analyse der dominanten Unternehmenskulturen und beobachtbaren Subkulturen Analyse der Kernkompetenzen Analyse des Managementsystems Analyse der Machtstrukturen Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Ist-Perspektive) Ermittlung der Struktur der Gruppenprozesse Ermittlung der Struktur der Kommunikationsnetzwerke Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Ist-Perspektive) Analyse der Lenkbarkeiten Ermittlung der Freiheitsgrade Analyse des Wirkungsradius Analyse und Definition des Vernetzungsgrades (Ist-Perspektive) Ermittlung des Einflusses durch die Stakeholder Analyse des Milieus Analyse der Wirklichkeitsordnung (und Überprüfung) Analyse der Veränderungsgeschwindigkeit Analyse der Herausforderungen Führung: Evaluierung der eigenen Fähigkeiten Analyse der Konsequenzen Festlegung der Rollen Ermittlung der Widerstände Führung: Sicherstellung von Management Commitment und Vorleben
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Integration eines Dienstleistungsunternehmens"
Phase 1 (2 Monate): Initiierung: Analyse und Definition Phase 2 (6-10 Monate): Implementierung I
Phase 3: Implementierung II
292 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 22a: Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block I)
Block II: Definition des Projekts Definition des Themas des Veränderungsprojekts Definition der Vision und Mission (und Überprüfung) Definition der Adressaten der Veränderungsprozesse Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens Definition der Projektziele (und Überprüfung) Analyse und Definition der Treiber Definition des Veränderungsprozesses Definition eines Strategieprozesses Definition des Entwicklungsmodus Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren (und Überprüfung) Definition des Transparenzgrads Definition und Planung der Art der Kommunikation Ermittlung von Schlüsselpersonen Festlegung des Stils der Initiierung Führung: Aktivitäten und Commitment durch Mitarbeiter Vermittlung des Sinns Definition des Informationsmanagement (inkl. Informationsbedarf und Datenqualität) Definition der Kommunikationskanäle Integration des Spaßfaktors Definition des Wissensmanagementprozesses (und Überprüfung) Überlegungen zum und Sicherstellung des organisatorischen Lernens Definition des Projektumfangs Definition von Szenarien Planung des Vorgehens bei erforderlichen Freisetzungen
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Integration eines Dienstleistungsunternehmens"
Phase 1 (2 Monate): Initiierung: Analyse und Definition Phase 2 (6-10 Monate): Implementierung I
Phase 3: Implementierung II
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 22b: Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block II)
293
Block III: Definition der Zielparameter Analyse und Definition der Wertschöpfung (Soll-Perspektive und Überprüfung) Analyse und Sicherstellung der Kundenzufriedenheit (Soll-Perspektive und Überprüfung) Analyse der Kernkompetenzen (Soll-Perspektive) Sicherstellung der Produktsicht (Output) (und Überprüfung) Ermittlung der Prozessorientierung Definition der Prozessarchitektur Definition der Zielverhaltensweisen (und Überprüfung) Analyse und Definition der Arbeitsbedingungen Analyse und Definition der Entscheidungsprozesse (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Managementsystems (Soll-Perspektive) Festlegung der Rollen (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Kommunikationsverhaltens (Soll-Perspektive) Analyse und Definition des Vernetzungsgrads (Soll-Perspektive) Definition der Fähigkeitenprofile (und Überprüfung) Planung der Ausbildung und Entwicklung von Mitarbeitern Analyse der Mentalität/geistigen Haltung (Soll-Perspektive und Überprüfung) Sicherstellung der Nachhaltigkeit
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Integration eines Dienstleistungsunternehmens"
Phase 1 (2 Monate): Initiierung: Analyse und Definition Phase 2 (6-10 Monate): Implementierung I
Phase 3: Implementierung II
294 Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 22c: Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block III)
Block IV: Definition der Steuerungsparameter Definition von Meilensteinen (und Überprüfung) Definition der Erfolgsfaktoren des Veränderungsvorhabens (Soll-Perspektive) Definition der Kennzahlen zur Steuerung Definition qualitativer Steuerungsgrößen Definition der quantitativen und qualitativen Leistungsanreize Ermittlung und Definition der stabilisierenden Faktoren (Soll-Perspektive) Definition von Qualitätsmaßnahmen Definition von Maßnahmen bei Abweichungen Definition von Maßnahmen bei Widerständen Führung: Kognitive Diversifität Ermittlung von Schlüsselpersonen (Soll-Perspektive) Sicherstellung der Nachhaltigkeit (Steuerungssicht) Analyse der Implementation
Abfolge der Aktivitäten der Methode "Integration eines Dienstleistungsunternehmens"
Phase 1 (2 Monate): Initiierung: Analyse und Definition Phase 2 (6-10 Monate): Implementierung I
Phase 3: Implementierung II
Validierung des Lösungsansatzes
Tabelle 22d: Hypothetischer zeitlicher Ablauf der durch das CME konstruierten Methode (Block IV)
295
296
Validierung des Lösungsansatzes
Im Vergleich dazu sind im Rahmen des zu Beginn erwähnten Integrationsprozesses zweier ähnlicher Dienstleistungsunternehmen die Initiierungsphase und die Implementierung I nahezu parallel verlaufen. Es gab eine sehr kurze, aber intensive Definitionsphase und dann eine sehr schnelle Neuorientierung und Umsetzung der Ziele. So entstand kein Vakuum in der Organisation: Positionen und Rollen wurden sehr schnell wieder besetzt, und die Systemintegration erfolgte ebenfalls sehr kurzfristig innerhalb von ca. sechs Monaten. Darüber hinaus wurden die beiden Einheiten an einem Standort zusammengelegt, was den Integrationsprozess zusätzlich beschleunigte. Begünstigt wurde die erfolgreiche Integration der beiden Unternehmenseinheiten durch ähnliche Geschäftsmodelle. Das systematische und auf Schnelligkeit ausgelegte Vorgehen hat den Prozess zusätzlich unterstützt. Im Fall der untersuchten Integration des kleineren Dienstleisters in die Strukturen des produktionsorientierten Unternehmens hätte aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Unternehmenskulturen eine längere und damit detailliertere Planungs- und Definitionsphase stattfinden müssen, um das Vorgehen mit einem klaren Fokus auf die zugrunde liegenden Zielsetzungen ausrichten und die Mitarbeiter „abholen“ zu können. Ein wichtiger Integrationsschritt wäre die Zusammenlegung der Standorte und damit die Unterstützung der Durchmischung der Unternehmenskulturen und der Abbau von gegenseitigen Vorurteilen gewesen. Das Projekt hätte auf acht bis maximal 12 Monate beschränkt sein müssen, damit schnell Erfolge sichtbar werden und sich eine gewisse Stabilität und Sicherheit für die Mitarbeiter einstellt. Das bedeutet, dass ein Fokus auf die geplante Veränderung und die damit verfolgten Ziele im Vordergrund der Bemühungen hätte stehen müssen. Die Integration der Aufbau- und Ablauforganisation zur Leistungserstellung wäre in diesem Prozess automatisch mit erfolgt, ohne dass sie so stark und mechanistisch im Vordergrund hätte stehen müssen. Es lässt sich also vermuten, dass sich ein Fokus auf Schnelligkeit und ein systematisches, individuelles und alle Aspekte des Projekts berücksichtigendes Vorgehen, wie es in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen wird, positiv auf den Integrationsprozess der beiden Unternehmen ausgewirkt hätte.
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Validierung des in Kapitel 4 vorgeschlagenen Lösungsansatzes erfolgte auf der Basis von drei Projekten, die in unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Themenstellungen durchgeführt wurden bzw. im Fall des letzten Projekts noch werden. Das erste, umfangreiche Projekt des Finanzdienstleistungsunternehmens ist in dem BE Themenbereich „Prozessentwurf und Prozessredesign“ anzusiedeln. Das zweite Projekt im Bereich Transportindustrie war zunächst mit dem thematischen Fokus des „Prozessentwurfs und Prozessredesigns“ gestartet worden und wurde im Verlauf der Restrukturierung und anschließenden Neugründung eines Unternehmens zu einem Projekt mit dem Fokus der „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“. Das letzte Projekt schließlich fällt ebenfalls in das Themengebiet „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“, hier aber liegt der Fokus auf einer Strategieanpassung für einen Unternehmensbereich. Für das untersuchte Projekt „Business-IT-Koordination“ zeigt sich, dass die Begriffe Veränderungsprojekt und Veränderungsvorhaben tatsächlich unterschieden werden müssen und diese Unterscheidung wichtig ist, um die Rahmenbedingungen, den Aufbau des fokussierten Projekts sowie die Funktionsweisen der Strukturen und das Verhalten der
Validierung des Lösungsansatzes
297
Mitarbeiter zu verstehen. Das Veränderungsvorhaben bestand in diesem Fall aus drei Veränderungsprojekten, von denen das erste, obwohl es „nur“ das Vorprojekt war, bereits so umfangreich war wie die beiden anderen. Die anderen Projekte gingen ineinander über, aber wurden dennoch mit unterschiedlichen Zielsetzungen geführt. Die Anwendung der CME-Klassifikation darf als erfolgreich bezeichnet werden, denn es sind alle CME-Klassen nahezu vollständig vertreten. Auch die Methodenkonstruktion konnte auf Basis des in Kapitel 4 vorgeschlagenen Lösungsansatzes nachvollzogen und validiert werden. Hier kann allerdings angemerkt werden, dass das Konstruktionsverfahren eventuell um Themenbereiche oder Regeln erweitert werden müsste, damit es noch flexibler wird, weil offensichtlich nicht immer alle Aktivitäten für die erfolgreiche Steuerung des Veränderungsprojekts erforderlich sind. Damit dieser Aspekt abgefangen werden kann, bedarf es aber einer noch größeren Datenbasis, die valide Rückschlüsse zulässt. Darüber hinaus darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass dieses Projekt vor allem einen Eingriff in das soziale System des Unternehmens dargestellte. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse mit der dem Paradigma des rationalen Konstruktivismus angemessenen Skepsis zu interpretieren. Dasselbe Projekt, zum heutigen Zeitpunkt in einem anderen Kontext und mit anderen Beteiligten durchgeführt, kann andere Ergebnisse erzielen. Dennoch lässt sich aufgrund der Ähnlichkeit mit dem auf einer breiteren Basis aufgebauten Lösungsansatz vermuten, dass sich bei einem ähnlichen Vorgehen, einem entsprechend ausgebildeten Veränderungsarchitekten und einer gleichzeitig situativen Anpassung der eingesetzten Methoden erneut eine erfolgreiche Steuerung eines solchen Veränderungsprojekts realisieren lassen könnte. Die Analyse der Einführung des neuen Revenue Management-Systems weist zwei zentrale Erkenntnisse im Zusammenhang mit der situativen Methodenkonstruktion auf. Zum einen wird deutlich, dass die Berücksichtigung des vorherrschenden Kontextes und dessen explizite Definition von erheblicher Bedeutung sind. Dennoch kann auch eine flexible Methode eine Diskontinuität, wie sie in diesem Fall aufgetreten ist, natürlich nur zu einem gewissen Grad abfangen. Zum anderen zeigt sich, dass selbst bei einem stabilen Kontext die Wahl einer vordefinierten Methode gewisse Gefahren birgt, wie in diesem Fall die Vernachlässigung der quantitativen Steuerungsparameter und der Parameter zur Überprüfung der fachlichen Faktoren, die z. B. eine Prozessoptimierung unterstützen. Die Überprüfung des Methodenkonstruktionsverfahrens ergibt, dass eine hohe Ähnlichkeit zwischen den vorgeschlagenen Beschreibungsparametern und Aktivitäten und den in der stabilen Phase des Projekts auftretenden Parametern und Aktivitäten besteht. Nach der „Störung“ gibt es immer noch Ähnlichkeiten, aber hier ist durchaus eine Abweichung zu erkennen, die in dem Auseinanderfallen von relevantem Kontext und eingesetzten Aktivitäten zu begründen ist. So kann festgehalten werden, dass in der Ex-post-Betrachtung der ersten Projektphasen das Vorgehen zur Methodenkonstruktion zu validen, vielleicht aufgrund der breiteren Projektbeschreibung sogar besseren Ergebnissen geführt hätte. Der Einfluss auf die zweite Phase nach der Störung kann nicht abschließend beurteilt werden, es ist jedoch, wie zuvor ausgeführt, anzunehmen, dass der Einsatz des Verfahrens zu einer besseren Steuerbarkeit geführt hätte. Verallgemeinert lässt sich dieser Punkt so formulieren, dass ein Projekt ohne maßgebliche Diskontinuitäten möglicherweise ohne explizite Kontextdefinition auskommt - bei Diskontinuitäten ist eine Definition des Kontexts allerdings unabdingbar. Darüber hinaus ist auch für dieses Projekt wieder anzumerken, dass ein umfassender Eingriff in das soziale System stattgefunden hat und damit die
298
Validierung des Lösungsansatzes
Reproduzierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt ist. Das systematische Vorgehen würde jedoch auch hier eine steuerbare Struktur erzeugen. Die Analyse des Integrationsprozesses eines Dienstleistungsunternehmens in ein Produktionsunternehmen hat deutlich gezeigt, wie wichtig die umfassende Definition und Planung eines Veränderungsprojekts ist, auch wenn die Integration augenscheinlich aufgrund der strategischen Kompatibilität reibungslos verlaufen sollte. Die Anwendung des Methodenkonstruktionsverfahrens könnte sicherstellen, dass sowohl alle für das Projekt relevanten Parameter berücksichtigt werden als auch ein systematisches, zielorientiertes Vorgehen gewählt wird. Eine reine Konzentration auf die Integration in die bestehenden Strukturen und Vorgehensweisen scheint in diesem Fall nicht ausreichend gewesen zu sein, weil dadurch einerseits die eigentlich als wertvoll erachteten Kernkompetenzen des Dienstleisters unnutzbar geworden sind und andererseits sich die Mitarbeiter nicht mit dem neuen Unternehmen identifizieren konnten. Hier hätte die Definition des Kontextes, die Festlegung von differenzierten Projektphasen und die Konstruktion einer auf die individuellen Besonderheiten des Veränderungsprojekts, vor allem des Kulturwandels, eine deutlich höhere Steuerbarkeit erzeugt als der Fokus auf vermeintlich steuerbare Parameter. Deutlich wurde auch, dass keine Methode genau identisch ist, denn obwohl eine Anlehnung an die Methodenkonstruktion für den Fall „Interner IT Service Provider“ erfolgte, musste die Methode „Integration eines Dienstleistungsunternehmens“ modifiziert werden, damit sie den Anforderungen, z. B. der schnellen Erzeugung von Ergebnissen, Rechnung tragen konnte. Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass sich die zentralen Fragestellungen positiv beantworten lassen. Das gilt sowohl bezogen auf die Ähnlichkeit der verwendeten Beschreibungsparameter in den untersuchten Fallstudien mit denen der CME-Klassen als auch die Ähnlichkeit der in den Projekten verwendeten Methoden mit den aufgrund der hypothetischen Anwendung des Konstruktionsverfahrens entstandenen Methoden mit Hilfe dieser Fallstudien. In Bezug auf die erste Frage zeigt sich, dass die Übereinstimmung der in den ersten beiden Projekten verwendeten Beschreibungsparameter mit denen der CME-Klassen sehr hoch ist, was eine positive Validierung des Klassifikationsverfahrens unterstützt. Im Fall der Integration wurde klar bestätigt, dass eine Verwendung der Beschreibungsparameter eine deutlich effektivere Initiierung des Projekts ermöglicht hätte. Die zweite Frage lässt sich ebenfalls positiv beantworten, denn in zwei der Projekte sind keine bereits existierenden Methoden verwendet worden, sondern es sind flexible und auf die Situation angepasste Methoden entwickelt worden, die bis auf geringe Unterschiede den hypothetisch entstandenen Methoden sehr ähnlich sind. Im Fall der Fallstudie zur Transportindustrie haben sich sogar die Probleme einer vorgefertigten Methode deutlich zeigen lassen. Damit scheint auch das vorgeschlagene Methodenkonstruktionsverfahren sinnvoll zu sein und zu validen Ergebnissen zu führen. Für die weitere Entwicklung lässt sich die Anforderung an eine Erweiterung des Verfahrens mit größerer Flexibilität ableiten. Darüber hinaus ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen für die Übertragung auf kommende Projekte wichtig, weil jeweils das soziale System stark betroffen war bzw. ist, so dass eine zuverlässige Aussage über den zukünftigen Erfolg nicht getroffen werden kann. Dennoch ist anzumerken, dass - bei einer entsprechenden Auseinandersetzung mit den kritischen Faktoren - eine ähnliche und flexibel gestaltete Vorgehensweise zu einer Steuerbarkeit der entsprechenden Veränderungsprojekte beitragen kann.
Validierung des Lösungsansatzes
299
Eine weitere Aufgabe des vorliegenden Kapitels war die Überprüfung derjenigen Anforderungen an die Methodenkonstruktion, die nur in der praktischen Anwendung validierbar sind. Bezogen auf die verschiedenen konstruierten Methoden, sind die folgenden Ergebnisse festzuhalten: x
Vollständigkeit und Zweckbezug: Die Vollständigkeit einer konstruierten Methode kann nur insoweit überprüft werden, dass die vorgeschlagenen Beschreibungsparameter und Aktivitäten so vollständig wie möglich eingesetzt und möglicherweise sogar durch weitere Parameter ergänzt werden. Der Zweckbezug ist dadurch gegeben, dass der Kontext definiert wird und damit der Zweck und die Zielsetzung als Rahmenbzw. Eingangsparameter festgelegt werden.
x
Struktur- und Verhaltenstreue gegenüber der abgebildeten Realität: Die abgebildete Realität ist hier als der Teil des Ereignisstroms definiert, der für die Dauer des Veränderungsprojekts relevant ist. Durch die Möglichkeit, eine Methode situativ zu konstruieren und bei Veränderungen des Kontextes anzupassen, wird die Struktur- und Verhaltenstreue auch bei sich verändernden Umfeldbedingungen sichergestellt. Dieser Punkt ist ein qualitativer Vorteil gegenüber vorgegebenen bzw. „halbflexiblen“ Methoden.
x
Korrektheit und Relevanz der Anforderungen: Durch die Verwendung des Metamodells und des systematischen, situationsbezogenen Vorgehens bei der Definition des Veränderungsprojekts wird sichergestellt, dass die Anforderungen an die sich ergebende Methode korrekt und relevant sind.
Mit der Validierung anhand der Fallstudien und der Überprüfung der darauf bezogenen Anforderungen ist die geforderte pragmatische Einsetzbarkeit und die Konsistenz des Methodenkonstruktionsverfahrens gezeigt worden. Das folgende und letzte Kapitel der Arbeit fasst die Ergebnisse der vorliegenden noch einmal zusammen, analysiert sie kritisch und gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung und den Forschungsbedarf in diesem Gebiet.
6 Schlussbetrachtung Im nachfolgenden Abschnitt erfolgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse und Rekapitulation der zentralen Komponenten des entwickelten Methodenkonstruktionsverfahrens. Daran anschließend werden die Betrachtungen mit einem kurzen Ausblick auf die Entwicklungen dieses Forschungsgebiets und die sich bereits heute abzeichnenden und zukünftigen Herausforderungen abgeschlossen.
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Die systematische und zielführende Steuerung von Veränderungsvorhaben ist das Hauptanliegen von Veränderungsarchitekten. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diesem Anliegen Rechnung zu tragen und einerseits einen Beitrag zur Integration der verschiedenen Ansätze im Rahmen der organisationalen Veränderung zu leisten sowie andererseits ein Verfahren zur Konstruktion von Methoden für die Planung, Durchführung und Steuerung von Veränderungsvorhaben vorzuschlagen. Das Forschungsziel wurde entsprechend formuliert: Herstellung der Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben und zu diesem Zweck die Entwicklung einer methodischen Grundlage. Die damit verbundenen Fragestellungen ließen sich aufgrund der identifizierten Lücken in vier Bereiche gliedern: x
Auseinandersetzung mit den existierenden, unterschiedlichen Begriffsverständnissen, Methoden und Vorgehensweisen.
x
Entwicklung einer systematischen (Meta-)Grundlage für den gesamten Konstruktionsprozess auf der Basis von Grundmustern.
x
Erarbeitung einer umfassenden Beschreibungsgrundlage für Veränderungsprojekte auf Basis einer Klassifikation sowie Ableitung der dadurch definierten Aktivitäten.
x
Definition eines Vorgehens für die situative Konstruktion von Methoden für Veränderungsprojekte.
Aufgrund der intensiven Auseinandersetzung verschiedener Autoren in der deutsch- und englischsprachigen Literatur mit dem Themengebiet der organisationalen Veränderung und deren Führung musste im zweiten Kapitel zunächst im Sinne der Strukturierung und Ordnung ein Bezugsrahmen für die vorliegende Arbeit entwickelt werden, der eine Positionierung der behandelten Themen zulässt. Hier bot es sich an, verschiedene Management-Modelle zu untersuchen und eine Synthese aus den geeigneten Komponenten zu erzeugen. In Anlehnung an das Business Engineering, das sich umfassend mit der methodischen Veränderung beschäftigt, sowie das neue St. Galler Management-Modell, das sich mit der ganzheitlichen Führung von Unternehmen auseinandersetzt, wurde der methodische Bezugsrahmen des Change Method Engineering (CME) hergeleitet (vgl. Kapitel 2.3). Die Anforderungen und Voraussetzungen für die Methodenkonstruktion wurden in
302
Schlussbetrachtung
Kapitel 2.4 definiert. Dort sind die Anforderungen und Qualitätsmerkmale festgelegt worden, die in den nachfolgenden Kapiteln für die Validierung der entstehenden Methoden zugrunde gelegt worden sind. Das Themengebiet der organisationalen Veränderung ist sehr umfangreich, so dass zusätzlich zu der Anforderung, eine Positionierungshilfe zur Verfügung zu stellen, eine Eingrenzung der zu behandelnden Themenbereiche unerlässlich war. Dazu wurde ein umfassendes Vorgehensmodell für die Definition und Implementierung von Veränderungsprojekten vorgeschlagen und eine thematische Eingrenzung auf den Definitionsbereich vorgenommen (vgl. Kapitel 2.5). Mit diesem ersten Strukturierungsschritt war die „Ordnungsarbeit“ noch nicht abgeschlossen: In Ermangelung eines umfassenden und einheitlichen Begriffsverständnisses der organisationalen Veränderung wurde im dritten Kapitel zum einen die begriffliche Grundlage für die Arbeit gelegt und dabei auch die Spezifizierung der konstituierenden Elemente eines Veränderungsvorhabens, nämlich der Veränderungsprozesse und Veränderungsprojekte, vorgenommen. Zum anderen wurde das umfassende Konzept der organisationalen Veränderung anhand von vier zentralen Dimensionen „Denkschule“, „Organisationstheorie“, „Prozessvision“ und „Steuerungsverständnis“ entwickelt. In diesem Konzept lassen sich durch die Kombination der Ausprägungen verschiedene Perspektiven der organisationalen Veränderung modellieren, so dass der Bandbreite der Begriffsverständnisse Rechnung getragen werden kann, ohne mögliche Ausprägungen zu vernachlässigen. Auf dieser Grundlage konnte daran anschließend das Methodenkonstruktionsverfahren für Veränderungsprojekte entwickelt werden. Hierzu waren vier Schritte erforderlich: Entwicklung von Grundmustern für die Systematisierung der Vorgehensweise: Die aus dem Gebiet der Anwendungssystementwicklung übernommenen „patterns“ dienen in diesem Zusammenhang der kontextorientierten Strukturierung des gesamten Methodenkonstruktionsprozesses von der Klassifikationstheorie als methodische Grundlage bis zur Instanziierung der eigentlichen Methode. Als zentrale Ergebnisse sind hier zwei Punkte festzuhalten:
1. Die Definition der Grundmuster ist ein unabdingbarer Schritt für die Systematisierung und Nachvollziehbarkeit einerseits des Klassifikationsprozesses und andererseits des eigentlichen Konstruktionsprozesses. 2. Die Modellierung des Kontextes als Tupel der Parameter „Situation“ und „Entscheidung“ ist die Basis für die Instanziierung der situativen Methode. Entwicklung einer Klassifikationstheorie für das CME: Keine der bereits bestehenden Klassifikationstheorien ist in Bezug auf eine Anwendung auf das CME als Bestandteil des Business Engineering vollumfänglich geeignet. Als logische Konsequenz war also der erste Schritt für die Entwicklung des Methodenkonstruktionsverfahrens die Entwicklung einer geeigneten Klassifikationstheorie für das CME. Dazu war es erforderlich, ein Aussagensystem zu entwickeln. Die Herleitung der formalen Bedingungen für die eigentliche Durchführung der Klassifikation schloss sich daran an. Für die Klassenbildung wurde das Indikatorverfahren gewählt, das sowohl eine hypothetische als auch empirische Basis für die Klassenbildung vorschlägt. Die empirische Basis der vorliegenden Arbeit besteht aus strukturierten Interviews, die mit Führungskräften aus 52 Unternehmen durchgeführt wurden, 14 Fallstudien aus der Literatur sowie 23 aus der Literatur
Schlussbetrachtung
303
ausgewählten Veränderungsmethoden und Erklärungsmodellen. Das Ergebnis der Klassenbildung besteht aus den vier CME-Klassen „Fachlichkeit“, „Kontext“, „Kultur und Emotionen“ sowie „Steuerung“. Diese Klassen wurden mit den aus der Datenbasis identifizierten Beschreibungsparametern von Veränderungsprojekten bevölkert und damit zugleich gemäß den Anforderungen des Indikatorverfahrens verifiziert. Ableitung einer umfassenden Beschreibungsgrundlage sowie der Basisaktivitäten für Veränderungsprojekte: Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Steuerung von Veränderungsprojekten ist ihre detaillierte Beschreibung sowie die Definition und Ableitung der Aktivitäten. Aus den ermittelten umfangreichen Beschreibungsdimensionen wurde zu diesem Zweck in Anlehnung an die Unterteilung in die beiden Kategorien „Input: Ermittlung/Dokumentation/Analyse/Diskussion“ sowie „Output: Schlussfolgerung/Definition“ eine Konvertierung der Beschreibungsdimensionen in entsprechende Aktivitäten vorgenommen. Auf der Grundlage der Hypothese, dass es spezifische Basisaktivitäten gibt, die in nahezu jedem Veränderungsprojekt zum Einsatz kommen, wurde die Datenbasis analysiert. Das Ergebnis war die Entwicklung der so genannten CME-Basis, die alle diejenigen Aktivitäten umfasst, die zur „Grundausstattung“ bei der Führung eines jeden Veränderungsprojekts gehören. Entwicklung des situativen Methodenkonstruktionsverfahrens: Nun galt es, das Verfahren für die eigentliche Methodenkonstruktion zu erarbeiten. Die Analyse der Datenbasis ließe darauf schließen, dass vorgefertigte Methoden für eine zielgerichtete Steuerung von Veränderungsprojekten nur bedingt geeignet sind. Daher wurde vorgeschlagen, einen situativen Ansatz zu wählen, der eine individuelle und auf das spezifische Veränderungsprojekt angepasste Methodenkonstruktion zulässt. Zu diesem Zweck wurden drei Grundmuster entwickelt, die den Konstruktionsprozess in die Phasen Analyse, Definition und Konstruktion zerlegen. Das Ergebnis des Durchlaufens aller drei Phasen sind erstens die umfängliche und situativ angemessene Beschreibung eines Veränderungsprojekts, zweitens die Zusammenstellung der Aktivitäten und schließlich drittens die logische Sequenz dieser Aktivitäten. Auf der Basis des Metamodells des Methoden Engineering können zu den relevanten Aktivitäten die Ergebnisdokumente, Techniken, Werkzeuge etc. definiert werden. Da mit der CME-Basis und dem Ergebnis des Grundmusters „Analyse“ bereits ein Teil der Aktivitäten bereit steht, war nun noch die Frage zu beantworten, auf Basis welcher Regeln diejenigen Aktivitäten auszuwählen sind, die nicht zu den Basisaktivitäten gehören. Dazu wurde mit Hilfe der Clusteranalyse und des Distanzmaßes „Quadrierte Euklidische Distanz“ die Datenbasis erneut analysiert. Aus der Untersuchung der 66 Fallstudien wurden insgesamt fünf CME-Hauptthemenbereiche identifiziert, die eine themenspezifische Zusammenfassung der Nicht-Basisaktivitäten ermöglichen:
1. Thematischer Fokus auf kulturelle Veränderungen und Wachstumsstrategien in technologieorientierten Unternehmen. 2. Organisatorisch-fachliche Ausrichtung und Fokus auf der kontinuierlichen Prozessentwicklung, dem Prozessentwurf bzw. dem Prozessredesign. 3. Thematischer Fokus auf Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Partnern. 4. Thematischer Fokus auf Strategieänderung bzw. Strategieergänzung. 5. Thematischer Fokus auf Flexibilisierung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit.
304
Schlussbetrachtung
Die Regelbasis setzt sich insgesamt aus drei Regelarten zusammen: Erstens, sind die Grundregeln zu beachten, die für jedes Veränderungsprojekt gelten und die darüber hinaus die Aspekte „Veränderungsthema“, „Kompetenzen des Projektleiters und Teams“, „Projektrahmenbedingungen“ und „Reife des Unternehmens bzw. Bereichs“ adressieren. Zweitens sind die Detailregeln anzuwenden, die eine Überprüfung des thematischen Fokus und die entsprechende Zuweisung der Nicht-Basisaktivitäten unterstützen. Drittens können die Ergänzungsregeln zum Einsatz kommen, die eine Erweiterung durch zusätzliche Nicht-Basisaktivitäten ermöglichen, die mit der Clusteranalyse der Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle identifiziert worden sind. Die Definition des Methodenkonstruktionsprozesses erfolgt durch die Entwicklung – und in der Anwendung das Durchlaufen - der drei Grundmuster „Analyse“, „Definition“ und schließlich „Konstruktion“. Mit diesem letzten Schritt war die Entwicklung des Methodenkonstruktionsverfahrens vollständig. Eine Validierung und Evaluation der erzielten Ergebnisse durch eine Anwendung auf einen Praxisfall ist ein wichtiger Schritt, wenn ein Beitrag zur anwendungsorientierten Managementlehre geleistet werden soll. Dieser Forderung wurde im fünften Kapitel Rechnung getragen. Anhand eines strukturierten Vorgehens wurde das Methodenkonstruktionsverfahren auf insgesamt vier konkrete und umfangreiche Fallstudien angewendet. Drei dieser Fälle wurden aus der Retrospektive analysiert, und die vierte Fallstudie, die allerdings als Erste aufgeführt ist, wurde direkt entwickelt, indem das Methodenkonstruktionsverfahren auf ein beginnendes Projekt angewendet wurde. Die zweite Fallstudie „Finanzdienstleister: Aufbau und Integration einer Organisationseinheit zur Koordination von Fachbereich und Informationstechnologie“ wird dem thematischen Bereich „Prozessentwurf und Prozessredesign“ zugeordnet, die dritte Fallstudie „Transportindustrie: Einführung eines neuen Revenue-Management-Systems“ umfasst aufgrund der eintretenden „Störung“ zwei Themenbereiche: zunächst den Bereich „Prozessentwurf und Prozessredesign“ und dann den Bereich „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“. Die vierte Fallstudie „Dienstleistungsindustrie: Integration eines Unternehmens zur Ergänzung und Erweiterung bestehender Kompetenzen“ fällt, genauso wie die erste Fallstudie „Aufbau eines internen IT Service Providers“ schließlich in den Themenbereich „Strategieänderung bzw. Strategieergänzung“. Überprüft werden sollten die folgenden grundlegenden Fragestellungen: x
Wie umfassend ist die Beschreibung des Veränderungsprojekts und wie weitgehend werden die Beschreibungsdimensionen der CME-Klassen berücksichtigt?
x
Welche Aktivitäten wurden in dem Veränderungsprojekt eingesetzt, welche individuelle Methode wäre bei Anwendung des Methodenkonstruktionsverfahrens entstanden, und wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Für die erste Fallstudie wird die Methode dann erst entwickelt, ohne dass ein Vergleich mit einer bereits bestehenden Vorgehensweise möglich wäre.
Die Analysen haben deutlich gezeigt, dass mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bei der Gegenüberstellung der Vorgehensweise in den beiden retrospektiv betrachteten Projekten mit dem vorgeschlagenen Verfahren zur Methodenkonstruktion vorliegen. Insbesondere die Analyse des zweiten Falls hat die Bedeutung der Kontextmodellierung gezeigt, weil dadurch eine situationsgerechte Anpassung der eingesetzten Methodenfragmente möglich gewesen wäre. Für die erste Fallstudie, bei der die Methodenentwicklung quasi in „Echtzeit“ überprüft wurde, lässt sich festhalten, dass einige Ergänzungen durch
Schlussbetrachtung
305
den Auftraggeber vorgenommen wurden, so dass weitere situative Parameter und Aktivitäten aufgenommen werden konnten. Das war möglich, weil bereits ab Beginn des Projekts die Grundmuster durchlaufen wurden und so schließlich in Verbindung mit den CME-Klassen und der Regelbasis im ersten Schritt zu einer umfassenden Beschreibung des Veränderungsprojekts und im zweiten Schritt zu einer individuellen und darüber hinaus einsetzbaren Methode geführt haben. Das lässt, bei angemessener Berücksichtigung der unterstützenden und einschränkenden Argumente des rationalen Konstruktivismus, die Schlussfolgerung zu, dass der vorgeschlagenen Lösungsansatz valide ist und in der praktischen Anwendung zu einer Verbesserung der Steuerbarkeit von Veränderungsprojekten führen kann. Diese Erkenntnis unterstützt auch die Ausgangszielsetzung, mit der vorliegenden Arbeit einerseits einen Beitrag zur anwendungsorientierten Managementlehre und andererseits zur wissenschaftlichen Systematisierung und Ordnung des untersuchten Forschungsbereichs zu leisten.
6.2 Bewertung der Ergebnisse und des Vorgehens Die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Ergebnisse werden nachfolgend in Bezug auf ihre Anwendbarkeit und ihren Nutzen für die Steuerung von Veränderungsvorhaben bewertet. Als erster Schritt für die Festlegung und Positionierung der relevanten Themenbereiche für die Steuerung der organisationalen Veränderung wurde ein zwei verschiedene Managementmodelle integrierender Bezugsrahmen definiert. Dieser Bezugsrahmen erfüllt die Anforderungen der Komplexitätsreduktion und gewährt dabei zugleich einen systematischen Überblick über die zu bearbeitenden Themen von Veränderungsprojekten. Angesichts der großen Menge an Management-Modellen, die in der Literatur existieren, bleiben bei der Auswahl der zu vergleichenden Modelle zwangsläufig einige der weiteren Managementmodelle unberücksichtigt. Die Herausforderung bei der Auswahl besteht darin, kein für die Problemstellung der Arbeit relevantes Modell unberücksichtigt zu lassen. Dieser Anforderung wurde durch die Definition von Auswahlkriterien begegnet. Zudem wurde durch die Vorauswahl von zwei umfassenden und bereits vielfach validierten Managementmodellen, die dem Vergleich zugrunde gelegt wurden, sichergestellt, dass eine möglichst umfangreiche Abdeckung der Veränderungsthemen gewährleistet wird. Durch die breite Abdeckung der Themen kann ein hoher Nutzen für die Steuerung von Veränderungsvorhaben erzielt werden, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit die relevanten Steuerungshebel abgedeckt sind. Aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit der organisationalen Veränderung in der Literatur und dem breiten Spektrum an Auffassungen, war es im nächsten Schritt erforderlich, eine begriffliche Grundlage für die vorliegende Arbeit zu entwickeln. Hier bestand die Herausforderung darin, die verschiedenen inhaltlichen Dimensionen, die der Begriff umfasst, so zu aggregieren, dass sie abbildbar und in ihrer Komplexität dennoch nachvollziehbar bleiben. Die vier Dimensionen (Denkschule, Prozessvision, Organisationstheorie, Steuerungsverständnis) bilden diese Aggregate und vereinen die Themenbereiche, die in der untersuchten Literatur identifiziert wurden. Obwohl die Quellen sorgfältig ausgewählt wurden und eine umfangreiche Betrachtung angestrebt wurde, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass weitere Quellen existieren, die Themenbereiche und Auffas-
306
Schlussbetrachtung
sungen beinhalten, die in dem vorliegenden Konzept noch nicht berücksichtigt worden sind. Auf der Basis der konzeptionellen und begrifflichen Vorarbeiten konnten im nächsten Schritt die vorbereitenden Arbeiten für die Klassifikation und den zu entwickelnden Methodenkonstruktionsprozess vollzogen werden. Dazu wurden Grundmuster entwickelt, die auf der einen Seite sowohl die Forderung nach einer systematischen, wiederholbaren und intersubjektiv nachvollziehbaren Vorgehensweise erfüllen als auf der anderen Seite auch die Individualität und Situationsbezogenheit der Methodenkonstruktion abbilden können. Der Vorteil der Grundmuster ist dabei, dass sie dem der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Konzept des „rationalen Konstruktivismus“ Rechnung tragen und im Ergebnis die unterschiedlichen Wirklichkeitskonstruktionen der an dem Konstruktionsprozess beteiligten Personen systematisch abbilden und damit berücksichtigen können. Damit ist eine zentrale Forderung der Arbeit in Bezug auf die epistemologische Konsistenz der Ergebnisse erfüllt. Die Möglichkeit, dass auch andere Ausprägungen der Grundmuster zu dem gewünschten Ziel führen können, bleibt bestehen. In einem nächsten Schritt wurde eine Klassifikationstheorie für BE-Projekte entwickelt, um die Lücke in Bezug auf die verfügbaren Klassifikationstheorien zu schließen. Die verfolgte Zielsetzung war dabei, eine theoretisch fundierte Grundlage für den Methodenkonstruktionsprozess und damit das CME zu schaffen. Auf Basis dieser Theorie und des in diesem Zusammenhang entwickelten Grundmusters „CME-Klassifikation“ wurde anschließend die Klassifikation der Beschreibungsparameter für BE-Projekte vollzogen. Die Identifikation der Beschreibungsparameter erfolgte auf Basis einer qualitativen Analyse der durchgeführten Interviews und Fallstudien. Die endgültige Benennung der Parameter basiert einerseits auf der konkreten Nennung von Begriffen und andererseits der Festlegung von Aggregationsbegriffen durch die Verfasserin. Der zweite Schritt war erforderlich, um ähnliche Parameter zusammenzufassen und damit einen effizienteren Umgang mit den Begriffen zu gewährleisten. Der Herausforderung, eine möglichst umfangreiche Beschreibungsbasis zu erzeugen, wurde mit der Auswahl der untersuchten Datenbasis sowie der Anzahl der insgesamt untersuchten Fallstudien und Vorgehensweisen begegnet. Auch hierbei bleibt die Möglichkeit bestehen, dass es weitere Beschreibungsparameter gibt, die zurzeit noch unberücksichtigt sind. Hier gilt, dass eine Ergänzung der Parameter wünschenswert ist und die bestehende Basis nicht in Frage stellt. Das Ergebnis dieses Schritts sind vier Klassen, denen die in den Fallstudien identifizierten Beschreibungsparameter zugeordnet werden konnten. Diese Zuordnung erfolgte auf der Basis eines sprachlichen und ontologischen Vergleichs der Parameter, weil kein quantitatives Verfahren zu validen Ergebnissen geführt hätte. Qualitative Verfahren erfordern eine sehr sorgfältige Definition der Kriterien und - in diesem Fall - Durchführung des Vergleichs- und Zuordnungsprozesses. Inhärent vorhanden bleibt dabei trotzdem die subjektive Perspektive, die in den Ergebnissen Eingang findet. Die Unzulänglichkeiten der qualitativen Forschung sind nicht vollständig ausräumbar, dennoch kann man sie begrenzen, indem man die Forderungen nach Sorgfältigkeit und Nachvollziehbarkeit so vollständig wie möglich zu erfüllen sucht. Auch bei der Definition der Klassen besteht die Möglichkeit, dass, vor allem durch die Identifikation zusätzlicher Beschreibungsparameter, weitere Klassen entstehen. Zusätzliche Klassen dienen wiederum der Ergänzung und Weiterentwicklung der Klassifikation, so dass die Fortführung der Analyse weiterer Fallstudien und Vorgehensweisen ein erhebliches Potenzial birgt.
Schlussbetrachtung
307
Zu diesem Arbeitsschritt gehörte auch die Ableitung der Aktivitäten, die als Basisfragmente einer Methode als erster Bestandteil definiert sein müssen. Die Ableitung erfolgt durch die Formulierung der Art der Aktivität (z. B. „Analyse“ oder „Definition“) gemäß der Zuordnung eines Beschreibungsparameters zur Input- bzw. Outputphase. Bei der Festlegung der Aktivität werden der Fokus der zu erfüllenden Aufgabe und damit auch das primär zu erzeugende Ergebnisdokument betont. Die Tatsache, dass die Aktivität - im Sinne des Lebenszyklus’ eines Datums – jede Datenphase durchlaufen muss, wird hier nur implizit berücksichtigt. Im letzten Schritt wurde schließlich der zentrale Bestandteil des gesamten Methodenkonstruktionsprozesses, nämlich die Methodenkonstruktion, auf Basis der drei Grundmuster „Analyse“, „Definition“ und „Konstruktion“ definiert. Der Vorteil dieses Vorgehens ist die Systematisierung, Wiederholbarkeit und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Prozessschritte. Die Herausforderungen, die sich allerdings in diesem Zusammenhang stellen, sind erstens die Erreichung der Vollständigkeit, zweitens die Überprüfung der Konsistenz und drittens die Erzeugung valider Ergebnisse. Alle drei Punkte sind auch als Kriterien für die Qualitätssicherung von Methoden anzuwenden. Diese drei Punkte lassen sich allerdings nur in der praktischen Anwendung überprüfen, was im fünften Kapitel der vorliegenden Arbeit erfolgt ist. Die Ergebnisse der Validierung weisen auf eine gewisse Allgemeingültigkeit der Modellierungs- und Konstruktionsergebnisse des Prozesses für verschiedene Veränderungsprojekte hin, es gilt aber zu berücksichtigen, dass aufgrund der Individualität der Projekte und ihrer Kontexte eine Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse nur bedingt möglich ist. Wie auch die Analyse der Validierungsfallstudien gezeigt hat, sind immer individuelle Ergänzungen erforderlich. Der Nutzen und die Anwendbarkeit sind aber mit hoch zu bewerten, denn das Vorgehen stellt eine systematische Unterstützung bei der Definition des Projekts und der Konstruktion einer situativen Methode dar, die viele zuvor identifizierte Unzulänglichkeiten, wie z. B. die unzureichende Berücksichtigung wichtiger Aspekte eines Veränderungsprojekts aufgrund eines einseitigen thematischen Fokus oder des vorherrschenden Kontextes, ausgleicht. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Steuerbarkeit von Veränderungsvorhaben leisten. Dabei steht ein methodengestütztes Vorgehen im Mittelpunkt der Überlegungen, das aber – zum Teil im Gegensatz zur vorherrschenden Literatur zu Veränderungsprojekten - die Idee der situativen Methodenkonstruktion verfolgt. Veränderungsprojekte sollen nicht mit vorgefertigten und damit zu unflexiblen Methoden geführt werden, sondern mit individuellen und auf den dominierenden Kontext anpassbaren, d. h. situativen Methoden. Dabei muss die fachliche, d. h. die unternehmerische Zielsetzung des Veränderungsvorhabens im Vordergrund stehen, und die situative Methode ist die systematische Begleitung, die den Steuerungsmechanismus bereitstellt. Auch wenn die Ergebnisse aufgrund der qualitativ dominierten Vorgehensweise nur bedingt beweisbar sind, so lassen sie sich doch zu einer Systematisierung und damit Operationalisierung der Steuerung einsetzen und aufgrund der Grundmuster, die eine Wiederholbarkeit der Vorgehensweise ermöglichen, für weitere Projekte immer wieder auf die gleiche Weise erheben. Damit leisten die Ergebnisse einen Beitrag zum effizienten Management von Veränderungsprojekten und bieten so einen hohen Nutzen in Bezug auf das Ziel der erfolgreichen Steuerung dieser Projekte. Das Vorgehen für die Entwicklung der Lösungsansätze für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit ist mehrstufig und lehnt sich eng an den klassischen Forschungsprozess
Schlussbetrachtung
308
der empirischen Sozialforschung an.521 Nach der Auswahl und Begründung des Forschungsproblems und der Definition der begrifflichen Grundlage zum Zweck der Kontextspezifikation wurde die Theoriebildung vollzogen. Das Vorgehen folgte den Anforderungen an die Theorienbildung auf der Grundlage eines Systems aufeinander aufbauender und logisch konsistenter Sätze sowie der Formulierung von Bedingungen für die Anwendung der Theorie. Die Orientierung an den Anforderungen für die Theoriebildung war unabdingbar und hat die Erzielung des gewünschten Ergebnisses unterstützt. Die Klassifikationsentwicklung als konkreter Bearbeitungsgegenstand der Theorie erfolgte nach Bailey auf der Indikatorebene.522 Dieses Vorgehen hat sich als sehr geeignet erwiesen, weil so die Entwicklung der Klassenstruktur auf einer konzeptionellen Ebene stattfinden konnte, so dass ein am Bezugsrahmen orientiertes und zugleich effizientes Vorgehen gewährleistet war. Die Fundierung der entstehenden Klassen fand auf der empirischen Ebene statt und hat die Validität der Klassen belegt. Der dazu erforderliche Teilschritt „Datenanalyse“ war dabei zweischichtig, indem einerseits für die Klassifikationsentwicklung qualitativ in Form der qualitativen Inhaltsanalyse und andererseits für die Definition des Methodenkonstruktionsprozesses quantitativ in Form der Clusteranalyse vorgegangen wurde. Für die Untersuchung der Datenbasis im Hinblick auf Themenschwerpunkte von Veränderungsprojekten und dort kontinuierlich wieder verwendeten Aktivitäten sowie die Analyse möglicher Aktivitätenschwerpunkte im Rahmen der untersuchten Vorgehensmethoden und Erklärungsmodelle wurde die Clusteranalyse eingesetzt. Sie hat sich als geeignetes Verfahren erwiesen, um einerseits die Themencluster und andererseits die Aktivitätencluster zu identifizieren, die wiederum als Grundlage für die Methodenkonstruktion verwendet wurden. Die entstehenden Cluster sind von der Auswahl der Fallstudien, der bestehenden Veränderungsmethoden und Erklärungsmodelle sowie dem auch durch subjektive Interpretationsschritte geprägten Klassifikationsschritte im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse abhängig. Somit bleibt die Möglichkeit bestehen, dass sich durch eine andere Datenbasis und einen anderen Interpretationsprozess ein unterschiedliches Ergebnis z. B. in Bezug auf die Klassifikationsentwicklung ergeben kann. Um die Verallgemeinerbarkeit der Aussagen zu überprüfen, müsste der Klassifikations- und Konstruktionsprozess auf Basis der Grundmuster von verschiedenen Personen nachvollzogen werden. Den Limitationen der hauptsächlich qualitativen Analyse des Datenbestandes wurden einerseits mit einer retrospektiven Analyse und andererseits einer prospektiven und zeitnahen Anwendung der Ergebnisse als Anwendungsbeispiel begegnet. Durch dieses Vorgehen konnten einerseits die Korrektheit und Anwendbarkeit der Ergebnisse überprüft und andererseits das Vorgehen zu ihrer Erzeugung validiert werden. Darüber hinaus konnten auf diese Weise die pragmatischen Qualitätsmerkmale für die Konstruktion von Methoden einer Überprüfung unterzogen werden.
6.3 Ausblick In der vorliegenden Arbeit wurde ein Vorgehen zur Steuerung von Veränderungsvorhaben entwickelt. Um einen Ausblick auf die weiteren Forschungsschritte geben zu können, 521 522
Vgl. Schnell, R., Hill, P. B., Esser, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 7-13. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.2.2.
Schlussbetrachtung
309
muss die Frage gestellt werden, ob mit diesem Baustein tatsächlich nachhaltig zum Erfolg solcher Vorhaben beigetragen werden kann? Insbesondere wenn man über die sich abzeichnenden Herausforderungen der organisationalen Veränderung nachdenkt, ist zu überlegen, ob und wie der Fokus ergänzt werden muss. Darüber hinaus ist zu beantworten, welchen Beitrag das Business Engineering und damit auch die Synthese von Wirtschaftsinformatik und Organisationslehre zukünftig zur Steuerung von Veränderungsvorhaben leisten können. Die Herausforderungen der Unternehmen sind heute mehr denn je durch die ständigen Pendelbewegungen zwischen mehr oder weniger extremen Managementkonzepten gekennzeichnet: Zentralisierung und Dezentralisierung, Outsourcing und Insourcing, Wachstum und Konsolidierung, Diversifizierung und Konzentration auf Kernkompetenzen u. v. m. Untersucht man die Konsequenzen dieser Phänomene für das System „Unternehmen“, so lassen sich zwei wesentliche Effekte erkennen. Der erste Effekt zeigt sich in der Veränderungsgeschwindigkeit: Auch wenn Studien widerlegen, dass die Veränderung in schnelleren Zyklen in den Unternehmen geschieht, so ist die „gefühlte“ Geschwindigkeit dennoch höher als früher, weil durch den Medieneinsatz die Reaktionszeiten wesentlich verkürzt worden sind. Das verkürzt auch die Zeiten zwischen Anspannung und Entspannung, was zu dem beschriebenen Gefühl des sich schneller drehenden Veränderungskarussells führt. Verlässt man den Bereich der rein emotionalen Herausforderungen, so ist eine weitere, wichtige Konsequenz und zweiter Effekt, dass Unternehmen noch mehr als früher in der Lage sein müssen, mit flexiblen Strategien zu manövrieren. Der Strategiebegriff ist in diesem Zusammenhang also wesentlich kurzfristiger gefasst und beschreibt schnelle und situative Anpassungsmanöver, welche die Aktionspotenziale und Reaktionsfähigkeit des Unternehmens fördern. Die Anforderungen der Betriebswirtschaftslehre in Bezug auf angemessen Veränderungsmethoden sind also die Abbildung und Präzisierung der betrieblichen und allenfalls auch überbetrieblichen Gestaltungsobjekte, die zielbezogene Auswahl adäquater Methoden und Instrumente bzw. Aktivitäten. Diese spezifizieren die eingesetzten Techniken dann wiederum, für die Durchführung des Veränderungsvorhabens sowie die systematische Führung des Veränderungsprozesses. Dieser Schritt ist grundlegend damit die Erfordernisse der Veränderung in der Organisation umgesetzt werden können und zugleich die geforderte Flexibilität erreicht wird. Die Bedeutung der Informationstechnologie ist darüber hinaus nach wie vor hoch, vor allem in Bezug auf die Unterstützung der Umsetzung von Unternehmensstrategien. Der Transformationsprozess in das Informationszeitalter ist weiterhin zu beobachten, auch wenn die Geschäftsmodellrevolution durch die IKT nicht mehr unmittelbar im Vordergrund steht. Organisationale Veränderungsprozesse sind mithin einerseits durch die IKT beeinflusst und können andererseits durch IKT-Potenziale unterstützt werden. Insbesondere die Koordinationsfunktion der IKT spielt hier eine bedeutende Rolle, weil auch Veränderungsprozesse arbeitsteilig und geografisch verteilt strukturiert sein können.523 Für die Auswahl relevanter Aktivitäten und die Konstruktion angemessener Veränderungsmethoden gilt also einerseits, die Methoden der WI zu nutzen, um den Anforderungen der Betriebswirtschaftlehre und hier insbesondere der Organisationslehre gerecht werden zu können. Diese Methoden ermöglichen eine Abbildung, Präzisierung und Systematisierung der Gestaltungsobjekte und ihrer Beziehungen und leisten damit einen grundlegen523
Vgl. Mertens, P. et al.: Grundzüge der Wirtschaftsinformatik, Berlin et al. 2001, S. 5-6.
310
Schlussbetrachtung
den Beitrag für die Analyse und das Verständnis der Gestaltungsobjekte. Entscheidend ist in diesem Kontext andererseits darüber hinaus die Möglichkeit, durch eine adäquate Modellierung der Sachverhalte, entsprechende Applikationen zu entwickeln, die den Veränderungsprozess unterstützen.524 Eine weitere Forderung an die WI ist die Modellierung der Akteure in ihrem Kontext sowie ihrer Positionierung und Handlungsoptionen in Netzwerken, um ihr Handeln in der Wirtschaft abzubilden und gegebenenfalls eine geeignete informationstechnologische Unterstützung ableiten zu können.525 Auch mit dieser Aufgabenstellung kann die WI die Anforderungen der Betriebswirtschaftslehre nach Flexibilität und der Entwicklung angemessenen Strategien unterstützen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich in diesem Kontext wie folgt einordnen: Die aus der Sicht der Betriebswirtschaftslehre relevanten Gestaltungsobjekte, in Form des Konzepts der organisationalen Veränderung, werden identifiziert und mit Hilfe von Methoden der WI abgebildet und präzisiert. Die Klassifikationstheorie ermöglicht zudem die am Gestaltungsobjekt orientierte Ordnung der untersuchten Parameter. Die Auswahl und Kombination der adäquaten Aktivitäten erfolgt auf der Basis der empirischen Untersuchungen sowie der Grundmuster und bietet dabei zudem die gewünschte Flexibilität bei der Anpassung auf die dominierende Situation. Die geforderte systematische Führung des Veränderungsprozesses wird durch die Entwicklung einerseits des Methodenkonstruktionsprozesses und andererseits zugleich durch die daraus entstehenden Methoden unterstützt. Damit ist ein vernetztes Vorgehen gewählt worden, das die Potenziale der WI für die betriebswirtschaftliche Aufgabenstellung nutzbringend einsetzt. Die Forderung nach der Modellierung der Akteure im Kontext ihres Handelns, hier im Rahmen von Veränderungsprojekten, ist allerdings mit den Ergebnissen der Arbeit nur indirekt, z. B. über die Definition eines Beschreibungsparameters möglich. Dieser Schritt ist als wichtige Ergänzung des bestehenden Lösungsansatzes zu betrachten und muss als Aufgabe in die nächsten Arbeitsschritte integriert werden. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich nun drei wesentliche Anforderungen an die „Agenten“ zur Steuerung von Veränderungsvorhaben - die Veränderungsarchitekten – formulieren, die nicht nur mit den Aufgaben und Zielsetzungen der Betriebswirtschaftslehre oder der Informatik, sondern auch mit denen der WI korrespondieren: 526 x Veränderungsarchitekten müssen durch ein methodenbasiertes Instrumentarium unterstützt werden, das die betriebswirtschaftlichen und informationstechnologischen Inhalte mit erprobten Instrumenten aus der Betriebswirtschaftslehre und Informatik vereint und damit die betrieblichen Anforderungen erfüllt.
524
525 526
Vgl. hier z. B. König et al. sowie auch Heinzl et al., die in einer Delphi-Studie die Modellierung von sozio-technischen Systemen als ein Gestaltungsobjekt der Wirtschaftsinformatik identifiziert haben: König, W. et al.: Die zentralen Forschungsgegenstände der Wirtschaftsinformatik in den nächsten zehn Jahren, S. 558-569, hier S. 560, und Heinzl, A. et al.: Erkenntnisziele der Wirtschaftsinformatik in den nächsten drei und zehn Jahren, S. 223-233, hier S. 226. Vgl. dazu König, W., Heinzl, A.: Die Wirtschafsinformatik als Eckwissenschaft der Informationsgesellschaft, in: Wirtschaftsinformatik, 44 (2002) 5, S. 508-511. Vgl. dazu z. B. Heinrich, L. J., Roithmaier, F.: Einleitung zum Wirtschaftsinformatik-Lexikon, Heinrich, L. J., Roithmaier, F. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik-Lexikon, München 1995, S. XI-XIX, oder auch die Empfehlungen für die universitäre Ausbildung der Wirtschaftsinformatik: Mitteilungen des GI-Fachbereichs Wirtschaftsinformatik: Rahmenempfehlung für die Universitätsausbildung in Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 3, S. 381-384.
Schlussbetrachtung
311
x
Veränderungsarchitekten brauchen erstens eine umfassende und ganzheitliche Ausbildung in den Bereichen der Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und strategischen Kompetenz. Zweitens müssen sie Handlungsoptionen für den Umgang mit den Systemwelten des Unternehmens zur Verfügung haben.
x
Veränderungsarchitekten müssen auf eine breite Basis von Erfahrungen und Beispielen aus vielen verschiedenen Bereichen zurückgreifen können, damit sie daraus neue und innovative Lösungsansätze generieren können. Dazu sind der Aufbau einer umfangreichen Wissensbasis und die Sicherstellung ihrer Zugänglichkeit unerlässlich.
Berücksichtigt man diese Forderungen, zeigen sich die folgenden anstehenden Aufgaben und Forschungsschritte, um die Steuerbarkeit weiter zu entwickeln: Es gilt vor allem zu untersuchen, wie die Weiterentwicklung der Methodenfragmente in Bezug auf einen möglichst hohen Wiederverwendungsgrad bei einer gleichzeitig flexiblen Struktur für die situative Methodenkonstruktion erfolgen muss. Dazu gehören z. B. auch die möglicherweise situative Anpassung der verwendeten Modellierungssprache auf die Bedürfnisse der Adressaten, die Art der Integration der Adressaten in den Konstruktionsprozess oder auch die bereits erwähnte Modellierung der Akteure und ihrer Rollen in der Veränderung. Das konstruktive Verhältnis zwischen Forschung, Ausbildung und Praxis muss weiter gefördert werden, damit einerseits die Ausbildung auf einem guten, theoretisch gesicherten Fundament basiert und pragmatisch erfolgen kann. Andererseits muss die geforderte Wissensbasis auf- und ausgebaut sowie eine Plattform entwickelt werden, die den Zugang zu diesem Wissen sicherstellt und die Kommunikation zwischen den Veränderungsarchitekten fördert. Diese Aufgaben lassen sich nur durch einen „neutralen“ Agenten effektiv und effizient realisieren. Die Entwicklung des Wissenstransferprozesses spielt dabei eine zentrale Rolle und kann heute als noch nicht gelöst gelten. Ein nächster Forschungsschritt, der sich aufgrund der Anforderungen des Gestaltungsobjekts sowie der gezielten Nutzung von IKT-Potenzialen ergibt, ist die Konzeption und Entwicklung einer geeigneten Applikation, die den Konstruktionsprozess technologisch unterstützt. Die Modellierung der Methodenfragmente kann dabei bereits als eine zentrale Grundlage eingesetzt werden. Sie stellt damit die weiter oben geforderte Modellierung der relevanten Sachverhalte dar. Damit wäre die Verbindung zwischen Organisation und IKT endgültig vollzogen und die Methoden der WI hätten nicht nur durch ihre Unterstützungsfunktion bei der Modellierung einen Nutzen erbracht, sondern auch durch die Umsetzung der Modelle in eine entsprechende, den Steuerungsprozess unterstützende Applikation einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die für die WI geforderte Umsetzung einer Synthese zwischen betriebswirtschaftlichen Inhalten und einem aus der Informatik stammenden Instrumentarium wäre mit diesem Schritt vollumfänglich umsetzbar.527 Schließlich bleibt festzuhalten, dass sich der Mensch in seiner Disposition gegenüber Veränderung nur wenig bewegt hat und es, wie bereits zu Beginn der Arbeit angesprochen, immer positive und kritische bzw. ablehnende Einstellungen zur Veränderung geben wird. Hier hat sich vor allem in den Interviews gezeigt, dass der ultimative Erfolg durch die Führungskraft bzw. das Führungsteam bestimmt wird und deren Fähigkeit, Menschen zu motivieren und zu begeistern. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zur methodischen Grundlage der Führung und damit auch der Gestaltung von Verände527
Vgl. dazu Müller-Merbach, H.: Die Brückenfunktion der Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik, 44 (2002) 3, S. 300-301.
312
Schlussbetrachtung
rungsvorhaben. Werden die relevanten Themen identifiziert sowie beschrieben, und erfolgt eine methodische und informationstechnologische Unterstützung bei der Konstruktion einer auf die spezifische Situation angepassten Methode, gibt das zum einen Sicherheit in der Führung durch das systematische und nicht intuitive Gestalten des Vorhabens. Zum anderen bleiben vielleicht mehr Ressourcen, um sich auf die Führung und Motivation der beteiligten Menschen zu konzentrieren. Die wichtigste Erkenntnis in Zeiten der „Krise“ ist eigentlich schon eine alte Weisheit, die seit Sun Tzu in sich immer wieder wandelnden Variationen zu finden ist und in der Aussage von Leavitt und Bahrami ihren zeitgemäßen Ausdruck findet:528 „Our environment will probably continue to grow more volatile, less predictable, and more risky. We can and should try to anticipate the environmental weather and prepare ourselves even for unexpected changes. But in dealing with a changing, unpredictable world, the best tool for both individuals and organizations is still an internal one; it is knowing ourselves and knowing where we want to go.”
528
Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology – Managing Behavior in Organizations, S. 338.
Literaturverzeichnis Ackermann, C., Parsons, T.: Der Begriff „Sozialsystem“ als theoretisches Instrument, in: Jensen, S. (Hrsg.) Talcott Parsons: Zur Theorie sozialer Systeme, Opladen 1976. Ackermann, T., Emmenegger, P., Lehner, U.: Methoden zur nachhaltigen Implementierung von technologiegetriebenen Innovationen, Diplomarbeit Executive MBA in Business Engineering, St. Gallen 2003. Alpar, P., Grob, H. L., Weimann, P., Winter, R.: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik, 3. Aufl., Wiesbaden 2002. Alt, R., Zimmermann, H.-D.: Business Models, in: Electronic Markets, 11 (2001) 1, S. 17. Ansoff, I., McDonnell, E.: Implanting Strategic Management, New York et al. 1990. Arrow, K. J.: The Economics of Agency, in: Pratt, J. W., Zeckhauser, R. J. (Hrsg.): Principals and Agents: The Structure of Business, Boston 1985, S. 37-51. Babich, P.: Hoshin Handbook, 2. Aufl., http://www.tqe.com/hoshhdbk.html und Hewlett Packard, Methodenhandbuch, Palo Alto 2003. Backhaus, K. et al.: Multivariate Analysemethoden, 9. Aufl., Berlin et al. 2000. Bahrami, H., Evans, S.: Emerging Organizational Regimes in High Technology Firms: The Bi-Modal Form, in: Human Resource Management, 28 (1989) 1, S. 25-50. Bailey, K. D.: Typologies and Taxonomies: An Introduction to Classification Techniques, Thousand Oaks et al. 1994. Balzert, H.: Einführung in die Softwareentwicklung, 2. Aufl., Heidelberg und Berlin 2001. Bardmann, T. M.: Wenn aus Arbeit Abfall wird: Aufbau und Abbau organisatorischer Realitäten, Frankfurt a. M. 1994. Barnard, C. I.: The Functions of the Executive, Cambridge Mass. 1950. Baron, J. N., Hannan, M. T.: Organizational Blueprints for Success in High-Tech StartUps: Lessons from the Stanford Project on Emerging Companies, in: California Management Review, 44 (2002) 3, S. 8-36. Baskerville, R.: Structural Artefacts in Method Engineering, in: Brinkkemper, S., Lyytinen, K., Welke, R. J. (Hrsg.): Method Engineering: Principles of method construction and tool support, London et al. 1996, S. 8-28. Bateson, G.: Geist und Natur – Eine notwendige Einheit, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 2000. Baumöl, U.: Target Costing in der Softwareentwicklung, München 1998. Baumöl, U., Winter, R.: Qualifikation für die Veränderung, in: Österle, H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering –Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 45-61.
314
Literaturverzeichnis
Bea, F. X. et al.: Leistungsprozess, in: Bea, F. X. et al. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 3, 6. Aufl., Stuttgart 1994. Bea, F. X., Schnaitmann, H.: Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, in: WiSt, 21 (1995) 6, S. 278-282. Becker, J., Knackstedt, R., Holten, R., Hansmann, H., Neumann, S.: Konstruktion von Methoden: Vorschläge für eine begriffliche Grundlegung und domänenspezifische Anwendungsbeispiele, in: Arbeitsbericht Nr. 77 des Instituts für Wirtschaftsinformatik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Oktober 2001, S. 1-45. Becker, J., Schütte, R.: Handelsinformationssysteme, Landsberg a. L. 1996. Beckhard, R., Pritchard, W.: Changing the Essence: The Art of Creating and Leading Fundamental Change in Organizations, San Francisco 1992. Beer, S.: Decision and Control: The Meaning of Operational Research and Management Cybernetics, New York 1996 (Erstveröffentlichung 1966). Bickmann, R., Beyes, T.: Chance: Identität. Impulse für das Management von Komplexität, Berlin et al. 1999. Blasko, M., Netter, J. M., Sinkey, J. F.: The DaimlerChrysler merger: short term gains, long-run wealth destruction?, in: Nail, L. A.: (Hrsg.): Issues in international corporate control and governance, Bd. 15, Amsterdam 2001, S. 299-329. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt, New York 1991. Bock, H. H.: Datenanalyse zur Strukturierung und Ordnung von Informationen, in: Wille, R. (Hrsg.): Klassifikation und Ordnung, Tagungsband der 12. Jahrestagung der Gesellschaft für Klassifikation e.V., 17.-19. März 1988, Frankfurt a. M. 1989, S. 3-22. Brenner, B.: Die Megafusion und der Sinn für das Mass: Viele offene Fragen nach dem Schulterschluss von SBV und UBS, Neue Zürcher Zeitung vom 13.12.1997. Bricmont, J., Sokal, A.: Eleganter Unsinn: Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München 1999. Brinkkemper, S.: Method Engineering with Web-enabled Methods, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Information Systems Engineering: State of the Art and Research Themes, London 2000, S. 123-133. Brinkkemper, S.: Method Engineering: Engineering of Information Systems Development Methods and Tools, in: Information and Software Technology 38 (1996), S. 275-280. Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 2, Mannheim 1987. Bryant, C. G. A.: The Uses of Gidden’s Structuration Theory, Wien 1999. Buch, J.: Entscheidungsorientierte Projektrechnung. Überlegungen zur Gestaltung eines Projekt-Controlling-Systems mit Hilfe der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung, Frankfurt a. M. 1991. Buchanan, L., Franklin S.: The Turning of Atlanta, in: Harvard Business Review, December 2003, S. 1-3. Bühl, W. L.: Sozialer Wandel im Ungleichgewicht – Zyklen, Fluktuationen, Katastrophen, Stuttgart 1990.
Literaturverzeichnis
315
Burke, W. Warner: Organization Change - Theory and Practice, Thousand Oaks et al. 2002. Busch, J. A., Busch, G. M.: Cybernetics IV, in: Lasker, G. E. (Hrsg.): Applied Systems and Cybernetics, Band III, New York 1981, S. 1238-1243. Busch-Walter, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, Amsterdam 1996. Capra, F.: The Web of Life, New York 1996. Carnap, R.: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Gardner M. (Hrsg.), 3. Aufl., München 1976. Carnap, R.: Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft, in: Erkenntnis, 2 (1931), zitiert nach:http://www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/hist/ carn1.html. Carr, N. G.: IT doesn’t matter, in: Harvard Business Review, OnPoint Collection #3566, Mai 2003, S. 4-11. Chakravarthy, B. S., Lorange, P.: Managing the Strategy Process, Englewood Cliffs 1991. Chandler, A. D.: Strategy and Structure: Chapters in the history of the American industrial enterprise, Cambridge Mass. 1991. Chen, P. P.-S.: The Entity-Relationship Model – Toward a Unified View of Data, in: ACM Transactions on Database Systems, Vol. 1 (1976) 1, S. 9-36. Chroust, G.: Modelle der Softwareentwicklung, München 1992. Classen, M., Alex, B., Arnold, S.: Veränderungen erfolgreich gestalten: Change Management 2003/2008, Bedeutungen, Strategien, Trends, Studie des Handelsblatts (Deutschland), des Standards (Österreich), der Handelszeitung (Schweiz) mit Cap Gemini und Ernst & Young: http://www.ch.cgey.com/servlet/PB/menu/1004221_l1/ index.html (Zugriff am 11.02.2004). Coenenberg, A. G., Fischer, T. M.: Prozesskostenrechnung. Strategische Neuorientierung in der Kostenrechnung, in: Die Betriebswirtschaft, 51 (1991) 1, S. 21-38. Cohen, L., Manion, L.: Research Methods in Education, London, New York 2000. Coleman, J. S.: Foundations of Social Theory, Cambridge Mass. 1990. Conner, D. R.: Leading at the Edge of Chaos, New York 1998. Coutu, D. L.: The Anxiety of Learning – An Interview with Edgar H. Schein, in: Harvard Business Review, March 2002. Cross, K. F., Feather, J. J., Lynch, R. L.: Corporate Renaissance: The Art of Reengineering, Cambridge Mass. 1994. Daenzer, W. F., Huber, F. (Hrsg.) und Haberfellner, R., Nagel, P., Becker, M., Büchel, A., von Massow, H.: Systems Engineering, 11. Aufl., Zürich 2002. Davenport, T. H.: Process Innovation - Reengineering Work through Information Technology, Boston 1993.
316
Literaturverzeichnis
Degele, N.: Zur Steuerung komplexer Systeme – eine soziokybernetische Reflexion, in: Soziale Systeme, 3 (1997) 1, S. 81.99. DeMarco, T.: On Systems Architecture, in: Proceedings of the 1995 Monterey Workshop on Specification-Based Software Architectures [US Naval Postgraduate School, Monterey, California, September 1995. Deming, W. E.: Out of the Crisis – Quality, Productivity and Competitive Position, Cambridge Mass. 1986. Denzau, A. T., North, D. C.: Shared Mental Models: Ideologies and Institutions, in: Kyklos, 47 (1994) 1, S. 3-31. DeSanctis, G., Poole, M. S.: Capturing the Complexity in Advanced Technology Use: Adaptive Structuration Theory, in: Organizational Science, 5 (1994) 2, S. 121-146. Descartes, R.: Meditationes de prima philosophia – Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, in: Heffernan, G. (Hrsg.), 3. Aufl., Hamburg 1992. Deutsches Institut für Normung: DIN 69901: Projektwirtschaft, Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.), Berlin 1987. Deutsches Institut für Normung: DIN 55350, Teil 11, Nr. 6, Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik. Grundbegriffe der Qualitätssicherung, Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) 1987. Doppler, K.: Der Change Manager, Frankfurt a. M. 2003. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, 9. Aufl., Frankfurt a. M. 2000. Drach-Zahevy, A. et al.: Can we win them all: Benefits and costs of a structures and flexible innovation – implementations, Journal of Organizational Behavior, 25 (2004) 2, S. 217-234. Drucker, P. F.: Management Challenges of the 21. Century, New York 1999. Dubs, R., Euler, D., Rüegg-Stürm, J.: Einführung in die Managementlehre, Bern et al. 2002. Durkheim, E.: Über soziale Arbeitsteilung. Studien über die Organisation höherer Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1988. Dyllick, T.: Management der Umweltbeziehungen: Öffentliche Auseinandersetzung als Herausforderung, Wiesbaden 1989. Dyllick, T.: Organisationstheorie, in: io Management Zeitschrift, 50 (1981) 9-11, S. 442446, 565-569, 609-613. Eicker, S.: Stichwort „Repository“; in: Mertens, P. et al. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., Berlin et al. 2001, S. 401-402. Eisenhardt, K. M.: Building Theories from Case Study Research, in: Academy of Management Review, 14 (1989) 4, S. 532-550. Eisenhardt, K. M., Brown, S. L.: Competing on the Edge – Strategy as Structured Chaos, Boston 1998. Erikson, E. H.: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt 1966. Etzioni, A.: The Active Society, New York 1971 (Erstveröffentlichung 1968).
Literaturverzeichnis
317
Fama, E.: Agency Problems and the Theory of the Firm, in: Journal of Political Economy, 88 (1980) 2, S. 288-307. Fama, E., Jensen, M.: Separation of Ownership and Control, in: Journal of Law and Economics, 26 (1983) 2, S. 301-325. Ferstl, O. K., Sinz, E. J.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., München, Wien 2001. Feyerabend, P.: http://www.quantum-chemistry-history.com/Feyer_Dat/Feyerab-Interview.htm (Zugriff am 13.01.2004). Fitz-Enz, J.: The ROI of Human Capital, New York et al. 2000. Flammer, D.: Swissair-Niedergang: Die Untersuchungen werden bis 2005 abgeschlossen, in: Neue Zürcher Zeitung am Sonntag vom 18.01.2004 sowie das Swissair Dossier unter http://www.nzz.ch/dossiers/2001/swissair/index_fall-swissair.html (Zugriff am 10.03.2004). Fleisch, E.: Das Netzwerkunternehmen, Springer 2002. Fleischer, K.-H.: Definitions- und Formelsammlung, http://www.wiwi.uni-marburg.de/ Lehrstuehle/Statistik/Downloads/Secure/Lehre/formelsammlung/formelfg.pdf (Zugriff: 10. April 2004). Forrester J. W.: Principles of Systems, Cambridge Mass. und London 1968. Frank, U.: Multiperspektivische Unternehmensmodellierung - Theoretischer Hintergrund und Entwurf einer objektorientierten Entwicklungsumgebung, München, Wien 1994. Frese, E.: Grundlagen der Organisation, 6. Aufl., Wiesbaden 1995. Friedman, H.: The Astronomer’s Universe, New York 1990. Friedman, L., Gyr, H.: The Dynamic Enterprise, San Francisco 1998. Fröhling, O., Baumöl, U.: Informationsprozess-Controlling, in: Berkau, C., Hirschmann, P. (Hrsg.): Kostenorientiertes Geschäftsprozessmanagement, München 1996. Gadamer, H.-G.: Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 3. Aufl., Tübingen 1972. Gaitanides, M.: Prozessorganisation. Entwicklung, Ansätze und Programme prozessorientierter Organisationsgestaltung, München 1983. Garvin, D. A.: What does Product Quality Really Mean?, in: Sloan Managment Review, Fall 1984, S. 25-43. Gassner, W.: Implementierung organisatorischer Veränderungen – Eine mitarbeiterorientierte Perspektive, Wiesbaden 1999. Gergen, K. J.: Konstruierte Wirklichkeiten - Ein Hinführung zum sozialen Konstruktivismus, Stuttgart 2002. Gergen, K. J.: An Invitation to Social Construction, 1999. Gesellschaft für Informatik (GI) e.V.: Mitteilungen des GI-Fachbereichs Wirtschaftsinformatik: Rahmenempfehlung für die Universitätsausbildung in Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 3, S. 381-384.
318
Literaturverzeichnis
Giddens, A.: Die Konstitution der Gesellschaft – Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt und New York 1988. Gleich, M.: Web of Life – Die Kunst vernetzt zu leben, Hamburg 2002. Goles, T.: Vendor capabilities and outsourcing success: A resource-based view, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 2, S. 199-206. Gomez, P., Probst, G. J. B: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, 3. Aufl., Bern et al. 1999. Gomez, P., Zimmermann, T.: Unternehmensorganisation: Profile, Dynamik, Methodik, 4. Aufl., Frankfurt a. M. und New York 1999. Gordon, A. D.: Classification, 2. Aufl., Boca Raton et al. 1999. Gorsuch, R. L.: Factor Analysis, 2. Aufl., Hillsdale 1983. Greiffenberg, S.: Methoden als Theorien der Wirtschaftsinformatik, in: Uhr, W., Esswein, W., Schoop, E.: Wirtschaftsinformatik 2003 – Medien, Märkte, Mobilität, Band II, Heidelberg 2003, S. 947-967. Grochla, E.: Modelle als Instrumente der Unternehmensführung, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF), 21 (1969), S. 382-397. Groth, R. et al.: Projektmanagement in Mittelbetrieben. Planung und Durchführung einmaliger großer Vorhaben, Köln 1983. Grün, O.: Projektorganisation, in: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 2102-2116. Grundy, J. C., Venable, J. R.: Towards an Integrated Environment for Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8, WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996, S. 45-62. Gutzwiller, T.: Das CC RIM-Referenzmodell für den Entwurf von betrieblichen, transaktionsorientierten Informationssystemen, Heidelberg 1994. Hahn, D.: Planungs- und Kontrollrechnung. Integrierte ergebnis- und liquiditätsorientierte Planungs- und Kontrollrechnung als Führungsinstrument in Industrieunternehmen mit Massen- und Serienproduktion, 3. Aufl., Wiesbaden 1985. Hahn, D., Hungenberg, H.: PuK: Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung: Wertorientierte Controllingkonzepte, 6. Auflage, Wiesbaden 2001. Hall, G. E., Hord, S. M.: Implementing Change: Patterns, Principles and Potholes, Boston et al. 2001. Hamel, G.: Leading the Revolution, New York 2002. Hamel, G., Prahalad, C. K.: Competing for the Future, Boston 1994. Hammerl, R.: A Contribution to the Examination of Semantic Relations between Lexemes, in: Bock, H.-H., Ihm, P. (Hrsg.): Classification, Data Analysis, and Knowledge Organization – Models and Methods with Applications, Berlin et al. 1991, S. 149-155. Hand, D. J.: Construction and Assessment of Classification Rules, Chichester 1997.
Literaturverzeichnis
319
Hänggi, H.: Sozialer Konstruktivismus als goldene Brücke - Zur jüngsten Theoriedebatte in der Disziplin der Internationalen Beziehungen, in: Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, 1/1998, S. 32-41. Harmsen, F. et al.: Situational Method Engineering for Information System Project Approaches, in: Verrijn-Stuart, A. A., Olle, T. W. (Hrsg.): Methods and Associated Tools for the Information System Life Cycle, Amsterdam 1994, S. 169-194. Hartung, J.: Statistik, 6. Aufl., München und Wien 1987. Hatch, M. J.: Organization Theory, New York 1997. Havinghurst, R. J.: Developmental Tasks and Education, New York 1972. Hax, A. C., Majluf, N. S.: The Strategy Concept and Process: A Pragmatic Approach, 2nd ed., Englewood Cliffs 1996. Hax, A. C., Majluf, N. S.: Strategisches Management: Ein integratives Konzept aus dem MIT, Frankfurt, New York 1991. Hax, A. C., Majluf, N. S.: Strategic Management: An Integrative Perspective, Englewood Cliffs 1984. Hay, P. H. et al.: Projektabrechnung, in: Handwörterbuch Rechnungswesen, Band 3, Stuttgart 1993. Heinrich, L. J., Roithmaier, F.: Einleitung zum Wirtschaftsinformatik-Lexikon, Heinrich, L. J., Roithmaier, F. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik-Lexikon, München 1995. Heinzl, A. et al.: Erkenntnisziele der Wirtschaftsinformatik in den nächsten drei und zehn Jahren, in: Wirtschaftsinformatik 43 (2001) 3, S. 223-233. Hesse, W.: Ontologie(n), in: Informatik-Spektrum, 25 (2002) 6, S. 477-480. Hesse, W. et al.: Software-Entwicklung - Vorgehensmodelle, Projektführung, Produktverwaltung, Handbuch der Informatik, Band 5.3, München und Wien 1992. Heym, M.: Methoden Engineering: Spezifikation und Integration von Entwicklungsmethoden für Informationssysteme, Dissertation Universität St. Gallen 1993. Heym, M., Österle, H.: A Semantic Data Model for Methodology Engineering, in: Forte, G. et al. (Hrsg.), Proceedings of the Fifth CASE '92 Workshop, IEEE Computer Society Press, Montreal, 1992, S. 142-155. Hilb, M.: Integriertes Personal-Management: Ziele – Strategien – Instrumente, 10. Aufl., Neuwied 2002. Hill, P. B.: Rational-Choice-Theorie, Bielefeld 2002. Hinterhuber, H. H., Popp, W.: Der Beitrag der strategischen Führung zu unternehmerischen Veränderungsprozessen, in: Gomez et al. (Hrsg.): Unternehmerischer Wandel, Wiesbaden 1994. Honegger, J., Vettiger, H.: Ganzheitliches Management in der Praxis, Zürich 2003. Horváth, P.: Controlling, 6. Aufl., Stuttgart 1996. Hügler, G. L.: Controlling von Projektorganisationen, München 1988. ILOI Studie: Management of Change: Erfolgsfaktoren und Barrieren organisatorischer Veränderungsprozesse, München 1998.
320
Literaturverzeichnis
Jensen, M. C.: Organization Theory and Methodology, in: Accounting Review, 58 (1983), S. 319-339. Jeschke, W.: Managementmodelle – Ein kritischer Vergleich, München 1992. Juran, J. M.: Handbuch der Qualitätsplanung, 2. Aufl., Landsberg a. L. 1990. Kanter, R. M.: Leadership and the Psychology of Turnarounds, in: Harvard Business Review OnPoint Collection #4023, June 2003, S. 1-12. Kanter, R. M.: When Giants learn to dance, New York et al. 1989. Kanter, R. M.: The Change Masters: Innovation and Entrepreneurship in the American Corporation, New York 1982. Kanter, R. M. et al.: The Challenge of Organizational Change, New York et al. 1992. Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart 2001. Kirsch, W.: Die Führung von Unternehmen, München 2001. Klein, A., Krcmar, H.: Electronic Meeting Systems Paradox – Hindernisse für den Einsatz funktionierender Technik und Ansätze zu ihrer Überwindung, in: Wirtschaftsinformatik, 45 (2003) 4, S. 421-433. Klepper, R., Hoffmann, N.: Assimilation of new information technology and organizational culture: a case study, in: Wirtschaftsinformatik, 42 (2000) 4, S. 339-346. König, W., Heinzl, A.: Die Wirtschafsinformatik als Eckwissenschaft der Informationsgesellschaft, in: Wirtschaftsinformatik, 44 (2002) 5, S. 508-511. König, W., Heinzl, A., von Poblotzki, A.: Die zentralen Forschungsgegenstände der Wirtschaftsinformatik in den nächsten zehn Jahren, in: Wirtschaftsinformatik, 37 (1995) 6, S. 558-569. Kotter, J. P.: Leading Change, Boston 1996. Kotter, J. P., Cohen, D.: The Heart of Change, Boston 2002. Kotter, J. P., Schlesinger, L. A.: Choosing Strategies for Change, in Harvard Business Review, March-April 1979. Kouzes, J. M., Posner, B. Z.: The Leadership Challenge, 3. Aufl., San Francisco 2002. Krech, D., Crutchfield, R. S.: Grundlagen der Psychologie, Weinheim 1985. Kreps, D. M.: Corporate Culture and Economic Theory, in: Alt, J. E., Shepsle, K. A. (Hrsg.): Perspectives on Positive Political Economy, Cambridge Mass. 1990, S. 90143. Kubicek, H.: Heuristische Bezugsrahmen und heuristisch angelegte Forschungsdesigns als Elemente der Konstruktionsstrategie empirischer Forschung, in: Köhler, R.: (Hrsg.) Empirische und handlungstheoretische Forschungskonzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1977, S. 3-30. Kuhn, T. S.: The Structure of Scientific Revolutions, 3. Aufl., Chicago und London 1996. Kumar, K.: Theory of Classification, 4. Aufl., New Dehli 1992.
Literaturverzeichnis
321
Kumar, K., Welke, R.: Method Engineering: A Proposal for Situation-Specific Methodology Construction, in: Cotterman, W. W., Senn, J. A. (Hrsg.): Systems Analysis and Design, New York 1992, S. 257-268. Larkin, T. J., Larkin, S.: Reaching and Changing Frontline Employees, in : Harvard Business Review OnPoint Collection #4029, Februar 2000, S. 37-42. Leavitt, H. J. et al.: Readings in Managerial Psychology, Chicago 1989. Leavitt, H. J., Bahrami, H.: Managerial Psychology: Managing Behavior in Organizations, 5. Aufl., Chicago/London 1988. Lehner, F.: Theoriebildung in der Wirtschaftsinformatik, in: Becker, J. et al. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik und Wissenschaftstheorie, Wiesbaden 1999, S. 5-24. Lehner, F. et al. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik – Theoretische Grundlagen, München und Wien 1995. Lewin, K.: Field Theory in Social Science, New York 1952. Link Everything Online: www.dict.leo.org (Zugriff am 20.11.2003). Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1987. Madauss, B. J.: Handbuch Projektmanagement, 5. Aufl., Stuttgart 1994. Mäder, D., Weibel, L.: Individuelle Netzwerke – Ihr Nutzen für die Unternehmung, in: Baumöl, U., Österle, H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering in der Praxis, Berlin et al. 2004. Majdik, Z.: Change Management in der UBS, Referat im Executive Master of Business Engineering, St. Gallen, 16.05.2000. Manella, J.: Der relationale Mensch, Zürich 2003. Maturana, H. R., Varela, F. J.: Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens, 11. Aufl., Bern und München 1987. Mauthner, F.: Veränderung, www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/fm/change.html (Zugriff am 19.11.2003). Mayer, A. et al.: Fuzzy Logic, Bonn et al 1993. Mayntz, R. (Hrsg.): Akteure – Mechanismen – Modelle: Zur Theoriefähigkeit makro-sozialer Analysen, Frankfurt a. M. 2002. Mayntz, R.: Soziale Dynamik und politische Steuerung: theoretische und methodologische Überlegungen, Frankfurt a. M. 1997. Mayntz, R.: Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme –Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma, in: Ellwein, T. et al. (Hrsg.): Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Band 1, Baden-Baden 1987, S. 89-109. Mayntz, R., Nedelmann, B.: Eigendynamische soziale Prozesse. Anmerkungen zu einem analytischen Paradigma, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 39 (1987) 4, S. 648-668. McNulty, E.: Welcome Aboard (But don’t change a thing), Harvard Business Review, Oktober 2002, S. 1-8.
322
Literaturverzeichnis
Merriam-Webster Online: http://www.m-w.com/cgi-bin/dictionary?book=Dictionary& va =change (Zugriff am 20.11.2003). Mertens, P.: Ingenieurwissen und Ingenieur-Denken für Betriebswirte, in: Heinrich, L. J. Pomberger G., Schauer, R. (Hrsg.): Die Informationswirtschaft im Unternehmen, Linz 1991, S. 15-36. Mertens, P., Bodendorf, F., König, W., Picot, A., Schumann, M.: Grundzüge der Wirtschaftsinformatik, Berlin et al. 2001. Mertens, P., Holzner, J.: Eine Gegenüberstellung von Integrationsgegensätzen der Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik 34 (1992) 1, S. 5-25. Metcalfe, S. J. et al.: Change, transformation, and development, Heidelberg 2003. Microsoft Encarta 1999. Milgrom, P., Roberts, J.: Economics, Organization and Management, Englewood Cliffs 1992. Mintzberg, H. et al.: The Strategy Process: concepts, contexts, cases, 4. Aufl., Harlow 2003. Mintzberg, H.: The structuring of organizations: a synthesis of the research, Englewood Cliffs 1979. Müller-Merbach, H.: Die Brückenfunktion der Wirtschaftsinformatik, in: Wirtschaftsinformatik, 44 (2002) 3, S. 300-301. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management, 2. Aufl., Stuttgart 2003. Murray, E. J., Richardson, P. R.: Fast Forward: A new framework for rapid organizational change, in: Ivey Business Journal, March/April 2003, S. 1-6. Nagel, E., Newman, J. R.: Der Gödelsche Beweis, München 2003. Noer, D. M.: Healing the Wounds: Overcoming the Trauma of Layoffs and Revitalizing Downsized Organizations, San Francisco 1995. Nonaka, I., Takeuchi, H.: Die Organisation des Wissens, Frankfurt a. M. 1997. Norlin, J. M., Chess, W. A., Dale, O., Smith, R.: Human Behavior and the Social Environment – Social Systems Theory, 4. Aufl., Boston et al. 2003. Oakland, J. S.: Total Quality Management - The route to improving performance, 2. Aufl., Oxford et al. 1993. Odell, J. J.: A Primer to Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.): Method Engineering: Principles of method construction and tool support, London et al. 1996, S. 1-7. Online Wörterbuch der deutschen Sprache: http://www.dwds.de/cgi-bin/ portalL.pl? search = Vorhaben (Zugriff am 07.01.2004). Oeser, E.: System, Klassifikation, Evolution, 2. Aufl., Wien 1996. Oeser, E.: Begriff und Systematik der Abstraktion, Wien, München 1969. Österle, H.: Business Engineering, Berlin et al. 1995.
Literaturverzeichnis
323
Österle, H., Blessing, D.: Business Engineering Modell, in: Österle, H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering: Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 65-85. Österle, H., Winter, R.: Business Engineering, in: Österle H., Winter, R. (Hrsg.): Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 3-19. Österle, H. et al.: Unternehmensführung und Informationssystem: Der Ansatz des St. Galler Informationsmanagements, 2. Aufl., Stuttgart 1992. o. V.: E-Readiness, in: The Economist, Ausgabe vom 29. April 2004. o. V.: DaimlerChrysler: Fünf Jahre nach der Fusion, in: Stuttgarter Zeitung vom 29.04.2003 (http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/414393, Zugriff am 10.03.2004) o. V.: Der Absturz der „fliegenden Bank“ – eine Chronik, in: manager magazin online http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,160189,00.html vom 29.03.2003 (Zugriff am 10.03.2004). o. V.: Rover-Engagement kostet 9 Milliarden Mark, in: Das Handelsblatt vom 20.03.2000, S. 18. o. V.: IMG AG Methodenhandbücher, IMG AG, Fürstenlandstrasse 101, 9014 St. Gallen. Pande, P. S. et al.: The Six Sigma Way, New York et al. 2000. Parsons, T.: Beiträge zur soziologischen Theorie, Neuwied und Berlin 1964. Pascale, R. T. et al.: Chaos ist die Regel, München 2002. Penzel, H.-G.: Post Merger Management in Banken - und die Konsequenzen für das ITManagement, in: Wirtschaftsinformatik 41 (1999) 2, S. 105-115. Peters, T., Waterman, R. H.: In Search of Excellence, New York et al. 1982. Picot, A. et al.: Die grenzenlose Unternehmung, 4. Aufl., Wiesbaden 2001. Picot, A. et al.: Organisation – Eine ökonomische Perspektive, 2. Aufl., Stuttgart 1999. Picot, A. et al.: Management von Reorganisationen, Wiesbaden 1999. Pinkenberg, H. F. W.: Projektmanagement als Führungskonzeption in Prozessen tiefgreifenden organisatorischen Wandels, München 1980. Plihon, V., Rolland, C.: Genericity in Method Construction, in: Proceedings of the 4th Asia-Pacific Software Engineering and International Computer Science Conference (APSEC ‘97/ICSC ‘97), Hong Kong 1997, S. 302-311. Pohl, K.: Change Management, in: Mertens, P. et al. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., Berlin et al. 2001. Pohmer, D., Bea, F. X.: Produktion und Absatz, 3. Aufl., Göttingen 1994. Polanyi, M.: The tacit dimension, Gloucester 1983 (Erstveröffentlichung 1966). Pörksen, B.: Die Gewissheit der Ungewissheit, Heidelberg 2001. Porter, M. E.: Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Frankfurt a. M. et al. 1989.
324
Literaturverzeichnis
Pree, W.: Design Patterns for Object-Oriented Software Development, Wokingham et al. 1995. Prigogine, I.: From Being to Becoming, San Francisco 1980. Probst, G. J. B., Büchel, B. S. T.: Organisationales Lernen. Wettbewerbsvorteil der Zukunft, 2. Aufl. Wiesbaden 1998. Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen – Methodik der dynamischen strategischen Unternehmensführung, Bern et al. 1992. Raps, A., Reinhard, D.: Projekt-Controlling im System der Grenzplankostenrechnung, in: Kostenrechnungspraxis, 36 (1993) 4, S. 223-232. Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 6. Aufl. München 2001. Richter, R., Furubotn, E.: Neue Institutionenökonomik, 2. Aufl., Tübingen 1999. Riechmann, T.: Spieltheorie, München 2002. Ringland, G.: Scenarios in Business, Chichester 2002. Rinza, P.: Projektmanagement. Planung, Überwachung und Steuerung von technischen und nicht-technischen Vorhaben, Düsseldorf 1976. Rockart, J. F.: Chief Executives Define Their Own Data Need, in: Harvard Business Review, March-April 1979, S. 79-92. Rolland, C., Plihon, V.: Using Generic Method Chunks to Generate Process Models Fragments, in: Proceedings of the 2nd International Conference on Requirements Engineering, Colorado Springs 1996, S. 302-311. Rolland, C., Prakash, N.: A Proposal for Context-Specific Method Engineering, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering, Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8, WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996, S. 191-207. Rolland, C., Souveyet, C., Achour, C. B.: Guiding Goal Modeling Using Scenarios, in IEEE Transactions on Software Engineering, 24 (1998) 12, S. 1055-1071. Rombach, H. D.: Software-Qualität und -Qualitätssicherung, in: Informatik Spektrum, 16 (1993) 5, S. 267-272. Rosemann, M., Schütte, R.: Multiperspektivische Referenzmodellierung, in: Becker, J. et al. (Hrsg.): Referenzmodellierung: State of the Art und Entwicklungsperspektiven, Heidelberg 1999, S. 21-44. Rosenberg, S., Van Mechelen, I., De Boeck, P.: A Hierarchical Classes Model: Theory and Method With Applications in Psychology and Psychopathology, in: Clustering and Classification, Arabie, P., Hubert, L. J., De Soete, G. (Hrsg.), Singapore et al. 1996, S. 123-155. Rossi, M., Brinkkemper, S.: Metrics in Method Engineering, in: Iivari, J. et al. (Hrsg.), Advanced Information Systems Engineering, 7th International Conference, CAiSE '95, Lecture Notes in Computer Science, Vol. 932, Jyväskylä, June 12-16, 1995, S. 200216. Rothmaler, P.: Einführung in die Modelltheorie, Heidelberg 1995.
Literaturverzeichnis
325
Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien einer integrierten Managementlehre: Der HSG-Ansatz, Bern 2002. Rüegg-Stürm, J.: Organisation und Organisationaler Wandel – Eine theoretische Erkundung aus konstruktivistischer Sicht, Wiesbaden 2001. Rüssberg, K.-H.: Systems Project-Management. Methodik - Planung - Durchführung – Instrumentarium - Systeme - praktische Erfahrungen, Landsberg a. L. 1985. Rumbaugh, J. et al.: Object-Oriented Modeling and Design, New Jersey 1991. Rummler, G. A., Brache, A. P.: Improving Performance - How to manage the white space on the organization chart, 2. Aufl., San Francisco 1995. Sattelberger, T. (Hrsg.): Die lernende Organisation: Konzepte für eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung, 3. Aufl., Wiesbaden 1996. Schäfer, M.: Integrationscontrolling – Bausteine zur Beobachtung der Integration von Akquisitionen, Dissertation St. Gallen 2001. Scharpf, F. W.: Interaktionsformen: Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Stuttgart 2000. Scheer, A.-W.: ARIS - Vom Geschäftsprozess zum Anwendungssystem, 4. Aufl., Berlin et al. 2001. Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, 2. Aufl., San Francisco 1992. Schein, E. H.: Planning and Managing Change – a reader, Cambridge Mass. 1988. Scherer, A. G.: Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? – Wissenschaftstheoretische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart et al. 2001, S. 1-37. Schewe, G., Kleist, S., Drave, P.: Post-Merger-Integration: Der Fall BMW, Rover, in: Arbeitspapier des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation, Personal und Innovation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, No. 11 2000. Schmitt, D.: Was heißt denn ingenieurmäßig?, in: Informatik Spektrum 16 (1993), S. 300-301. Schmitz, C., Lenglachner, M.: Change und Lernen – Oder: Es kommt immer anders als man denkt, in: Lernende Organisation, Mai/Juni 2001, S. 28-33. Schneider, B.: Organizational Behavior, in: Annual Review of Psychology, Vol. 36, 1985, S. 573-611. Schnell, R., Hill, P., Esser, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, 6. Aufl., München und Wien 1999. Schreiber, O.: IBM: PwC-Übernahme beginnt sich zu rechnen, Online-Beitrag unter: http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=030307029 (Zugriff am 04.09.2004). Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, Wiesbaden 1998.
326
Literaturverzeichnis
Schütte, R.: Realitätsbezug von Informationsmodellen - Detaillierte Erwiderung auf Kritik, EMISA Forum, 2000, http://www.pim.uni-essen.de/mitarbeiter/aktivitaet. cfm?name=pimresc&name_kurz=Schütte&aktivitaet=Publikationen (Zugriff: 01.02. 2004). Schwaninger, M.: Managementsysteme, Frankfurt a. M. und New York 1994. Schweitzer, M., Küpper, H.-U.: Produktions- und Kostentheorie der Unternehmung, Reinbek bei Hamburg 1974. Searle, J. R.: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Zur Ontologie sozialer Tatsachen, Hamburg 1997. Searle, J. R.: Rationalismus und Realismus oder Was auf dem Spiel steht, in: Merkur – Deutsche Zeitschrift für Europäisches Denken, 48 (1994), S. 377-391. Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement: das St. Galler Konzept, München 1996. Senge, P.: The Fifth Discipline, New York 1990. Senge, P., Kleiner, A., Roberts, C., Ross, R., Roth, G., Smith, B.: The Dance of Change – The Art of Sustaining Momentum in Learning Organizations, London 1999. Shaw, M.: Prospects for an Engineering Discipline of Software, in: IEEE Software, 7 (1990) 7, S. 15-24. Simmel, G.: Philosophie des Geldes, in: Frisby, D., Köhnke, K. (Hrsg.): Gesamtausgabe Band 6, Frankfurt a. M. 1989. Simon, W.: Jedes Teilchen zählt: Geschicktes Change Management kann die Angst vor Veränderungen nehmen, in: Chemie Technik/Pharma & Food, Juli 2003, S. 12-13. Sinz, E. J.: Architektur von Informationssystemen, in: Rechenberg, P., Pomberger, G. (Hrsg.): Informatik-Handbuch, München und Wien 1997, S. 875-887. Sinz, E. J.: Modellierung betrieblicher Informationssysteme – Gegenstand, Anforderungen und Lösungsansätze, in: Pohl, K., Schürr, A., Vossen, G. (Hrsg.): Proceedings Modellierung ’98, Angewandte Mathematik und Informatik, 1998, S. 27-28. Sneath, P. H. A., Sokal, R. R.: Numerical Taxonomy, San Francisco 1973. Speck, J.: Handbuch wissenschaftstheoretischer Begriffe, Göttingen 1980. Spranger, E.: Psychologie des Jugendalters, Heidelberg 1960. Spremann, K.: Finanzanalyse und Unternehmensbewertung, München 2002. Stachowiak, H.: Allgemeine Modelltheorie, Wien und New York 1973. Stahlknecht, P.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 7. Aufl., Berlin et al. 1995. Steiner, G. A.: Top Management Planung, München 1969. Stern, W.: Die menschliche Persönlichkeit, 3.Aufl., Leipzig 1923. Stewart, R. F., Doscher, M. O.: The Corporate Development Plan, Report No. 183, Menlo Park 1963. Stickel, E.: Wettbewerbsorientierte Informationssysteme und Produktivitätsparadoxon, in: Wirtschaftsinformatik, 37 (1995) 5, S. 548-557.
Literaturverzeichnis
327
Strauch, B.: Entwicklung einer Methode für die Informationsbedarfsanalyse im Data Warehousing Bamberg 2002. Strebel, P.: Why do employees resist change, in: Harvard Business Review OnPoint Collection #4029, Februar 2000, S. 23-36. Striening, H.-D.: Prozess-Management. Versuch eines integrierten Konzeptes situationsadäquater Gestaltung von Verwaltungsprozessen, dargestellt am Beispiel in einem multinationalen Unternehmen, IBM Deutschland GmbH, Frankfurt a. M. et al. 1988. Sveiby, K. E.: Wissenskapital: Das unentdeckte Vermögen, Landsberg a. L. 1998. Taulbee, O., Welch, J. T.: A new classification theory leading to automatic pattern recognition, in: Proceedings – A.C.M. National Meeting 1966, S. 63-67. Teubner, R. A.: Organisations- und Informationssystemgestaltung – Theoretische Grundlagen und integrierte Methoden, Wiesbaden 1999. Thom, N.: Management des Wandels – Grundelemente für ein differenziertes und integriertes Change Management, Bern et al. 1996. Tichy, N. M.: Managing Strategic Change: Technical, Political, and Cultural Dynamics, New York et al. 1983. Tichy, N. M., Devanna, M. A.: The Transformational Leader, New York et al. 1990. Tolvanen, J.-P.: Method engineering: current research directions and implications for future research, in: Brinkkemper, S. et al. (Hrsg.), Method Engineering - Principles of Method Construction and Tool Support, Proceedings of the IFIP TC8 WG8.1/8.2 Working Conference on Method Engineering, Atlanta, August 26-28, 1996, S. 296-317. Tropman, J. E., Morningstar G.: Entrepreneurial systems for the 1990s, Westport 1989. Tucker, A., Edmondson, A. C.: Why hospitals don’t learn from failures: Organizational and Psychological Dynamics that Inhibit Systems Change, in California Management Review, 45 (2003) 2, S. 55-72. Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern 1968 und 2001. Ulrich, H.: Management, Bern et al. 1984. Ulrich, H., Krieg, W.: St. Galler Management-Modell, Bern et al. 1972/1974. VDMA: Projekt-Controlling, bei Anlagengeschäften, in: Abteilung Betriebswirtschaft im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (Hrsg.), 4. Aufl., Frankfurt a. M. 1985. Vester F.: Die Kunst, vernetzt zu denken: Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität 5. Aufl., Stuttgart 2000. Viehweg, E.: Classification Theory of Threefolds, Turin 1979. Vollmann, T.: The Transformation Imperative, Boston 1996. von Bertalanffy, L.: General Systems Theory, New York 1968. von Förster, H.: Das Konstruieren einer Wirklichkeit, in: Watzlawick, P. (Hrsg.). Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben, 9. Aufl., München 1995. von Förster, H.: KybernEthik, Berlin 1993.
328
Literaturverzeichnis
von Förster, H., Pörksen, B.: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, 4. Aufl., Heidelberg 2001. von Glasersfeld, E.: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs, in: Gumin, H. und Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 7. Aufl., München 2003. von Glasersfeld, E.: Radical Constructivism – A Way of Knowing and Learning, London und Washington 1995. von Kardorff, E.: Qualitative Sozialforschung – Versuch einer Standortbestimmung, in: Handbuch der qualitativen Sozialforschung, Flick, U. et al., München 1991, S. 3-8. von Reibnitz, U.: Szenariotechnik: Instrumente für die unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung, 2. Aufl., Wiesbaden 1992. von Rosentiel, L: Führung zwischen Stabilität und Wandel, München 2003. von Rosenstiel, L.: Grundlagen der Organisationspsychologie, 4. Aufl., Stuttgart 2000. Wagner, G.: Auguste Comte zur Einführung, Hamburg 2001. Walgenbach, P: Giddens’ Theorie der Strukturierung, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart 2002, S. 355-375. Wallmüller, E.: Software-Qualitätssicherung in der Praxis, in: Wirtschaftlichkeit von Software-Entwicklung und -Einsatz. Investitionssicherung, Produktivität, Qualität, Schweiggert, F. (Hrsg.), Stuttgart 1992, S. 7-25. Wang, R., Strong, D., Guarascio, L.: Beyond Accuracy: What Data Quality Means to Data Consumers, Working paper TDQM-94-10; Massachusetts Institute of Technology: 1994, http://web.mit.edu/tdqm/www/papers/94/94-10.html (Zugriff am 15.10. 2003). Watzlawick, P. et al.: Change – Principles of Problem Formation and Problem Resolution, New York 1974. Welge, M. K.: Unternehmensführung, Band 2: Organisation, Stuttgart 1987. Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens, Frankfurt a. M. 1998. Weick, K. E: The Social Psychology of Organizing, 2. Aufl., Reading 1979. Weick, K. E., Quinn, R. E.: Organizational change and development, in: Annual Review of Psychology, 50 (1999) February, S. 361-386. Wiener, N.: Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine, 2. Aufl., Cambridge Mass. 1965. Wille, R. (Hrsg.): Klassifikation und Ordnung, Tagungsband der 12. Jahrestagung der Gesellschaft für Klassifikation e.V., 17.-19. März 1988, Frankfurt a. M. 1989. Willke, H.: Systemtheorie I: Grundlagen, 6. Aufl., Stuttgart 2000. Willke, H.: Systemtheorie II - Interventionstheorie, 3. Aufl., Stuttgart 1999. Willke, H.: Systemtheorie III – Steuerungstheorie, 2. Aufl., Stuttgart 1998. Winter, R.: Modelle, Techniken und Werkzeuge im Business Engineering, in: Österle, H., Winter. R. (Hrsg.): Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 87-118.
Literaturverzeichnis
329
Wirtz, K. W.: Methoden und Werkzeuge für den Softwareentwurf, in: Kurbel, K., Strunz, H. (Hrsg.): Handbuch Wirtschaftsinformatik, Berlin et al. 1990, S. 323-343. Wischnewski, E.: Modernes Projektmanagement. Eine Anleitung zur effektiven Unterstützung der Planung, Durchführung und Steuerung von Projekten, 4. Aufl., Braunschweig 1993. Wittgenstein, L.: Logisch-philosophische Abhandlung – Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt a. M. 2003. Wolff, B.: Organisation durch Verträge, Wiesbaden 1995. Yin, R. K.: Case Study Research: Design and Methods, 3. Aufl., Thousand Oaks et al. 2003. Young, S. M. et al.: Quality & People in the Development of Situationally Specific Methods, in: Proceedings of the Second Asia-Pacific Conference On Quality Software, Hong Kong 2001, S. 1-5. Zadeh, L. A.: Fuzzy Sets and Systems, in: Journal on Information and Control, (1965) 8, S. 333-338. Zelewski, S.: Grundlagen, in: Corsten, H., Reiss, M. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., München und Wien 1999, S. 1-125. Zogg, A.: Systemorientiertes Projektmanagement, Zürich 1974. Zook, C., Allan, J.: Growth Outside the Core, in Harvard Business Review OnPoint Collection December 2003 #5518, S. 1-9. Verwendete Fallstudien:
Barnett, W., Carroll, G., Chang, V.: Agilent: Organizational Change (A+B), Graduate School of Business, September 2001, OD-1A. Bartlett, C. A., Glinska, M.: GE's Digital Revolution: Redefining the E in GE, Harvard Business School, 18. August 2003, 9-302-001. Beer, M., Weber, J.: Whitbread Hotel Company, Harvard Business School 5. Februar 2003, 9-403-102. Bunz, U. K., Maes, J. D.: Learning Excellence: Southwest Airlines' Approach, Managing Service Quality 8 (1998) 3, S. 163-169. Cutcher-Gershenfeld, J.: Case study Textron Systems, Fostering Continuous Improvement in a Changing Business Context, MIT Center for Technology, Policy, and Industrial Development 2000, http://web.mit.edu/ctpid/lara/pdfs/textron.pdf (Zugriff: 02.Oktober.2004). de Vries, H.: Challenges of Cultural Change at Future Manufacturer ADL, Christchurch College of Education, o. J. Ehrhorn, E.: Wenn der Geschäftsführer zum Adlerflug ansetzt, management & training (2002) 11, S. 30-32. Jossen, R.: Change Management im Spital: Konzeptionelle Grundlagen, Fallstudie, Handlungsempfehlungen, Diplomarbeit Universität Bern 1999.
330
Literaturverzeichnis
Kotter, J. P., Leahey, J.: Changing the Culture at British Airways, Harvard Business School, 13. September 1993, 9-491-009. Martin, I., Cheung, Y.: Change Management at Mobil Oil Australia, in: Proceedings HICSS 2001, ohne Seitenangabe (CD). Paper, D. J., Rodger, J. A., Pendharkar, P. C.: A BPR case study at Honeywell, Business Process Management Journal 7 (2001) 2, S. 85-99. Strasser, E.: Service- Level- Management in der IT. Wie man erfolgskritische Leistungen definiert und steuert, erscheint in: Bernhard, M. G., Lewandowski, W., Mann, H. (Hrsg.): Service-Level-Management in der IT, 5. Aufl., Symposion Publishing 2004.
Anhang Die strukturierten Experteninterviews wurden auf Basis des nachfolgend aufgeführten Fragenschemas durchgeführt und in Transkripten dokumentiert. Da es sich um offene Gespräche handelte, konnten weitere Informationen erhoben werden, die ebenfalls in den Transkripten festgehalten sind. Einstiegsfragen: ¾ In welche organisationalen Veränderungsprojekte waren Sie in der letzten Zeit involviert? Was waren die Hauptthemen, z.B. Prozessanpassungen oder kulturelle Aspekte? Welche Rolle haben Sie dabei gespielt (Projektleiter/in; Projektsponsor; Mitglied des Kaders; Mitarbeiter in der Linie, ohne direkten Einfluss) ¾ Was waren Ihre Erfahrungen in diesem Projekt (positive und negative)? ¾ Was waren Ihrer Meinung nach die Treiber für den Erfolg bzw. die Verhinderer des Erfolgs? Was waren Erfolgsfaktoren? Was hat „Reibung“ erzeugt? Identifikation des Veränderungsbedarfs: ¾ Wie wird die Notwendigkeit für eine Veränderung identifiziert (Frühwarnsysteme, Strategischer Radar (Team) oder eher reaktiv)? ¾ Gibt es im Unternehmen ein Team, das sich mit Frühwarnindikatoren beschäftigt? In welchem zeitlichen Rahmen? ¾ Gibt es Unterschiede in der Behandlung von „reiner“ organisatorischer Veränderung und Veränderungen in Bezug auf die Produkt-/Leistungsseite? Wird eine Veränderung auf der Produkt-/Leistungsseite mit der Organisationsstruktur abgestimmt bzw. vorausgeplant? ¾ Gibt es – mehr oder weniger – definierte Methoden (z.B. Szenario Planung) und Instrumente, die für die Früherkennung eingesetzt werden (z.B. Dokumente/Templates etc.)? ¾ Wenn es einen solchen Prozess gibt: Wer ist für den Prozess verantwortlich? ¾ Wer schaut sich die Daten an? Werden konkrete Massnahmen aus den Daten abgeleitet?
332
Anhang
Initiierung des Veränderungsprojekts: ¾ Wie wird das Veränderungsprojekt aufgesetzt? Wird es z.B. im Sinne der BE-Map oder einer anderen „Landkarte“ positioniert, so dass das Thema und die Reichweite (z.B. lokal, divisional oder unternehmensweit) klar sind? ¾ Wer ist für die Initiierung eines Veränderungsprojekts (bzw. des konkreten Projekts, das Grundlage für die Beantwortung der Fragen ist) verantwortlich? ¾ Was war die Intention bei der Planung und Initiierung des Projekts? Wurde eine spezifische Intention anfänglich konkret beschrieben? Wurden beabsichtigte Ziele konkret festgelegt, wurde z.B. eine Prozessvision entwickelt oder definiert, welche Verhaltensänderungen erzielt werden sollen? Wie wurde entsprechend beim Aufsetzen des Projekts vorgegangen? Was waren Ihrer Meinung nach einerseits Auslöser und andererseits Treiber für das Projekt? ¾ Wurde nach Abschluss des Projekts ein Abgleich der anfänglichen Absichten und Ziele mit dem Ergebnis vorgenommen? ¾ Wurde das Projekt zu Beginn z.B. danach positioniert, wo es organisatorische Konsequenzen hat, welche Prozesse betroffen sind, ob es lokal in einem Bereich oder unternehmensweit wirksam ist? ¾ Wie wurde/wird mit Widerstand umgegangen? ¾ Wie wurde „Management Commitment” bzw. die Aufmerksamkeit erzielt und erhalten? ¾ Im Fall, dass die Veränderung später für andere Teile des Unternehmens wirksam werden sollte: Wie wurde das gehandhabt, wurde z.B. berücksichtigt, dass andere Bereiche oder Unternehmensteile in anderen Ländern, andere Umfeldbedingungen, eine andere Unternehmenskultur oder andere Organisationsformen haben? Einsatz von Methoden und Instrumenten: ¾ Werden spezifische Methoden eingesetzt? Wenn ja, welche und wo setzen die Methoden in der Regel an (z.B. fachliche oder kulturelle Aspekte)? ¾ Wurde zu Beginn des Projekts ein spezifischer Veränderungsprozess definiert? Wenn ja, welche Phasen wurden festgelegt? ¾ Welche Methoden, Instrumente oder Vorgehensweisen waren besonders hilfreich oder aber hinderlich während des Projekts? Warum? ¾ Wurde ein Beratungsunternehmen als Begleitung engagiert? Welches und welche Methode(n) wurden eingesetzt?
Anhang
333
¾ Wie wird der Wissenstransfer im Rahmen eines Veränderungsprojekts gehandhabt: Erhalt und Dokumentation des Wissens von externen Mitarbeitern (Beratern etc.); Wissen, das nach der Veränderung eventuell nicht mehr erforderlich ist, aber heute und vielleicht später wieder wichtig ist/wird; Wissen von Mitarbeitern, die neue Aufgaben bekommen und damit ihren Bereich verlassen sowie von solchen, die ausscheiden (insb. bei „unfreiwilligem Ausscheiden“). ¾ Wie würden Sie intuitiv in einem Veränderungsprojekt vorgehen (Veränderungsprozess und Kommunikation)? Beschreibung des Veränderungsprojekts: ¾ Wird ein Veränderungsprojekt konkret spezifiziert und wenn ja, welche Dimensionen werden für die Beschreibung genutzt? Beispieldimensionen: Externe Faktoren (Situation auf dem Kapitalmarkt), Interne Faktoren (Budget etc.), Kulturelle Aspekte (Erwartungen). ¾ Gibt es eine frühe Phase, in der das Projekt konkret beschrieben wird? Erfolgsmessung und -steuerung: ¾ Welche Metriken/Kennzahlen werden für die Steuerung des Veränderungsprojekts eingesetzt? Gibt es z.B. Indikatoren, die es erlauben, die Nachhaltigkeit zu überprüfen? ¾ Wurde für die Mitarbeiter im Veränderungsprojekt eine spezifische Vergütungsstruktur, die sich von der „normalen“ Kompensation unterschieden hat, eingesetzt? Wenn ja: Wie lange hatte diese Bestand und gab es nach Abschluss noch Auswirkungen auf die Kompensation? ¾ Wurde ein spezielles Kennzahlen-/Steuerungssystem für das konkrete Projekt bzw. für Veränderungsprojekte entwickelt? Wenn ja, wie war/ist es aufgebaut? ¾ Wurde von vorneherein in der Projektsteuerung darauf abgezielt, ob das Projekt nachhaltig erfolgreich ist? Gab es dafür Metriken? ¾ Wenn ja, sind diese Metriken z.B. an Boni oder andere Elemente der Leistungsvergütung geknüpft? Gibt es z.B. eine Belohnung von positiven Verhaltensänderungen im Sinne der beabsichtigten Veränderung im Unternehmen?
Stichwortverzeichnis Aktivitäten 5, 18, 30, 43, 59, 62, 94, 99, 104, 123, 146, 149, 151, 155, 159, 161, 167, 169, 175, 189, 198, 203, 216, 219, 223, 226, 233, 237, 243, 251, 256, 260, 267, 276, 283, 289, 297, 301
Denkschule 10, 40, 71, 77, 83, 96, 129, 146, 302, 305
Architektursicht 49, 52
Entscheidung 95, 106, 120, 134, 155, 185, 235, 240, 250, 260, 276, 283, 288, 302
Auslöser 9, 22, 31, 35, 37, 44, 64, 67, 72, 166, 183, 245
Diskontinuitäten 27, 44, 183, 273, 284, 297 Distanzmaß 223, 226
Basisaktivitäten 15, 149, 216, 217, 228, 233, 243, 251, 260, 268, 303
Entwicklungsmodus 194
Beschreibungsparameter 164, 167, 172, 175, 197, 206, 226, 235, 258, 261, 267, 276, 298, 306
Erfolgsfaktor 9, 184, 291, 303
149, 156, 181, 187, 241, 250, 284, 289,
159, 193, 256, 291,
Bezugsrahmen 17, 21, 29, 31, 36, 43, 47, 56, 62, 67, 86, 102, 111, 116, 149, 193, 203, 252, 301, 305, 308 Business Engineering 17, 32, 35, 41, 45, 48, 61, 67, 137, 142, 154, 165, 167, 171, 208, 217, 250, 262, 301, 309 Change Management 1, 3, 24 Change Method Engineering (CME) 147, 159, 165, 204, 214, 220, 223, 228, 233, 237, 241, 251, 260, 267, 276, 284, 289, 291, 297
Entwurfsprozess 154
Fähigkeitenprofile 194 Flexibilisierung 5, 149, 226, 234, 303 Freiheitsgrade 185 Geschäftslogik 185 Gestaltungsebene 51, 57 Gestaltungsobjekt 10, 32, 51, 55, 57, 70, 76, 78, 142, 158, 195, 235, 309 Gleichgewicht 75, 114 Grundmuster 152, 159, 161, 229, 234, 241, 244, 250, 302, 310 Handlungsoptionen 5, 7, 18, 75, 113, 120, 310
Clusteranalyse 152, 172, 175, 220, 229, 303, 308
Implementierung I 66, 166, 199, 255, 267, 276, 284, 289, 296
contingency planning 184
Implementierung II 66, 166, 199, 255, 268, 284, 289, 291
Controlling 21, 65, 67, 185, 203 Definitionsphase 65, 68, 275, 296 Denkmodelle 36, 49
Implementierungsphase 65, 262 Individuum 38, 46, 71, 92, 97, 103, 116, 119, 129, 186, 187, 193, 201
336
Stichwortverzeichnis
Informationsmanagement 195 Informationssystem 5, 77, 80, 146, 149, 274 ingenieurmäßiges Vorgehen 7, 155 Initiierung, Stil der 200 Initiierungsphase 240, 255, 256, 262, 267, 276, 287, 296 Institutionen 79, 80, 91, 130, 145, 257 Intention 42, 103, 120, 127, 138, 155, 158, 193, 231, 242, 260, 277, 283, 288
Kontext 3, 4, 10, 14, 21, 24, 27, 31, 41, 57, 62, 72, 80, 85, 89, 94, 100, 108, 120, 127, 145, 154, 161, 166, 170, 185, 191, 198, 234, 241, 244, 260, 276, 284, 287, 290, 297, 303, 307, 310 Koordination 10, 21, 54, 80, 94, 115, 130, 145, 190, 201, 257, 267, 275, 296, 304 Kultur 24, 45, 54, 96, 170, 179, 194, 196, 204, 210, 219, 251, 259, 273, 277, 287, 303 Kundenzufriedenheit 188
Interpretationsmustern 5
Lebenszyklus 73, 78, 307
Kernaktivität 5
Lebenszyklusphase 188
Kernkompetenzen 187
Lenkbarkeiten 188
Klassen 16, 48, 65, 149, 153, 159, 161, 163, 202, 216, 221, 229, 235, 241, 251, 262, 267, 276, 285, 297, 303
Machtstrukturen 188
Klassenbildung 15, 154, 165, 204, 209, 214, 251, 302 Klassifikation 15, 18, 42, 69, 129, 153, 159, 167, 203, 206, 234, 241, 250, 297, 301, 306 Klassifikationstheorie 13, 18, 28, 66, 147, 149, 151, 165, 167, 172, 204, 205, 214, 250, 302, 306, 310 Kommunikationskanäle 196 Kommunikationsnetzwerke 191 Kommunikationsstrategie 8, 250, 278, 285, 290 Kommunikationsverhalten 187 Konstruktion 4, 15, 32, 35, 37, 60, 88, 111, 144, 149, 152, 157, 234, 238, 244, 250, 261, 284, 291, 298, 301, 326 Konstruktionsprozess 61, 68, 150, 245, 250, 301, 306, 311
Management, strategisches 22, 55, 56, 67 Management-Modell 29, 31, 35, 37, 49, 50, 67, 301 Managementsystem 189 Marktgröße 189 Mentalität 189 Metamodell 42, 60, 61, 142, 144, 159, 234 Methode 1, 5, 7, 14, 22, 27, 35, 38, 58, 64, 103, 134, 139, 142, 149, 161, 167, 177, 183, 189, 197, 208, 214, 220, 228, 234, 238, 255, 267, 273, 277, 283, 297 Methoden Engineering 42, 43, 149, 151, 154, 303 Methodeneinsatz 3, 6, 134, 200, 256 Methodenfragmente 65, 151, 229, 252, 304, 311
Stichwortverzeichnis
337
Methodenkonstruktion 5, 13, 15, 21, 58, 61, 65, 68, 103, 146, 150, 159, 216, 219, 226, 234, 237, 250, 255, 286, 291, 297, 302, 306, 311
Projektumfang 197
Methodenkonstruktion, situative 311
Prozesse 5, 46, 77, 84, 103, 109, 122, 124, 126, 130, 198, 210, 278
151,
Projektziele 197 Prozessarchitektur 198
Methodenkonstruktionsprozess 18, 306
Prozessentwurf 223, 231, 261, 296, 303
Milieu 189
Prozessmodell 152, 159, 251
Mitarbeiterzufriedenheit 190
Prozessorientierung 198
Motivation 10, 38, 80, 94, 119, 145, 190, 198, 312
Prozessredesign 223, 231, 260, 276, 278, 285, 296, 303
Motivationsproblem 10, 74
Prozesstheorien 73, 76, 78
Nachhaltigkeit 199 Nullalternative 188
Prozessvision 10, 35, 83, 85, 122, 127, 131, 146, 198, 302, 305
Nutzen 196
Qualitätsmaßnahmen 198
Organisation 2, 10, 24, 30, 36, 62, 68, 78, 89, 92, 105, 114, 117, 121, 131, 145, 150, 187, 197, 201, 237, 240, 257, 267, 274, 283, 296, 309
Qualitätssicherung 17, 307
Organisationsproblem 10, 74 Organisationsstrukturen 5, 80, 92, 117, 172, 190, 229, 256, 273
Regeln 5, 10, 11, 18, 30, 33, 59, 79, 89, 100, 113, 142, 147, 149, 161, 193, 216, 219, 223, 228, 231, 237, 251, 297, 303
Organisationstheorie 10, 83, 85, 89, 97, 104, 111, 302, 305
Reorganisation 74, 196, 257, 258, 260, 267, 273, 283
Organisatorisches Lernen 196
Ressourcenallokation 199
Outputparameter 245
Reversibilität 73, 78
Prinzipien 17, 42, 59, 93, 147, 190, 203 Produktsicht 190
Risiko 94, 96, 135, 136, 156, 241, 260, 277, 283, 288
Projektdomäne 156, 260, 276, 283, 288
Rollen 199
Projektergebnis 197
Schlüsselpersonen 199
Projektlebenszyklus 197
Situation 6, 17, 35, 45, 98, 119, 131, 139, 150, 155, 173, 190, 196, 210, 216, 235, 238, 240, 250, 260, 276, 278, 283, 288, 298, 302, 310
Projektmanagement 17, 21, 22, 67, 134, 245, 250, 257, 258, 267, 273 Projektorganisation 197 Projektsteuerung 83, 136
radikale Veränderung 46 Referenzarchitektur 151
situationsspezifisch 228, 243, 252 Spaßfaktor 199
5, 149, 151, 220,
338
Stichwortverzeichnis
Stabilisierende Faktoren 191 Standardisierung 126, 150, 243
Unternehmenskultur 33, 35, 40, 42, 45, 48, 55, 65, 68, 75, 94, 102, 166, 183, 203, 210, 256, 273, 277, 283, 286
Steuerbarkeit 1, 10, 17, 32, 37, 47, 58, 63, 80, 84, 108, 112, 128, 132, 146, 149, 198, 216, 250, 285, 297, 301, 305, 311
Veränderung 6, 10, 21, 35, 42, 45, 56, 61, 65
Steuerungsgrößen 198
Veränderung der ersten Ordnung 71
Steuerungsprozess 5, 311
Veränderung der zweiten Ordnung 71
Steuerungsverständnis 5, 11, 83, 111, 117, 122, 130, 146, 302, 305
Veränderung, evolutionäre 46
Strategie 7, 42, 46, 52, 57, 96, 127, 166, 196, 200, 203, 209, 212, 257, 260, 274, 278, 288
Veränderung BIS 80, 81
Veränderung ORG 80, 81
Strategieänderung 223, 234, 240, 260, 283, 285, 288, 291, 296, 303
Veränderung, organisationale 1, 10, 16, 21, 31, 40, 49, 58, 60, 69, 73, 83, 88, 97, 110, 116, 126, 131, 144, 154, 159, 165, 171, 177, 183, 210, 225, 250, 260, 267, 274, 283, 296, 301
Strategieergänzung 223, 234, 240, 243, 288, 291, 296, 303
Veränderungsarchitekten 5, 6, 149, 220, 228, 297, 301, 310, 311
Strategieprozess 200
Veränderungsbegriff 10, 71, 76, 80
strategische Planung 52
Veränderungsbereitschaft 1
strategischen Ziele 8
Veränderungsgeschwindigkeit 201
Systemänderung 71, 74
Veränderungsmethode 9, 15, 42, 149, 155, 167, 176, 198, 203, 217, 226, 233, 251, 260, 276, 283, 303, 308
Systemtheorie 10, 47, 71, 76, 84, 90, 107, 113, 117, 121, 130, 139, 145, 205 Szenarien 200 Techniken 1, 39, 43, 59, 64, 149, 219, 221, 303, 309 Technologiemanagement 21, 28, 67 Theorienbildung 13, 69, 154, 308 Transformation 10, 35, 41, 52, 69, 123 Transparenzgrad 200 Treiber 192 Umbruchtheorien 71 Umfeldfaktoren 192
Veränderungsprojekte 1, 3, 7, 17, 23, 35, 44, 57, 60, 68, 88, 95, 102, 111, 117, 128, 136, 166, 190, 197, 216, 220, 297, 302 Veränderungsprozess 1, 6, 10, 14, 21, 27, 32, 42, 50, 64, 70, 80, 92, 102, 122, 131, 146, 151, 180, 190, 196, 212, 226, 235, 242, 257, 275, 289, 309 Veränderungsthema 27, 66, 118, 120, 126, 220, 228, 305, 237, 304 Veränderungsvorhaben 1, 14, 23, 45, 53, 58, 64, 67, 81, 93, 99, 104, 121, 127, 136, 140, 144, 149, 166, 177, 187, 191, 203, 216, 234, 237, 241, 245, 250, 257, 267, 273, 296, 301, 305, 309
Stichwortverzeichnis
Veränderungswelle 66 Verankerung 11, 66, 83, 84, 224, 240, 243, 256, 258, 291
339
Wiederverwendung 61, 151, 153, 154, 155 Wirklichkeitskonstruktion 192
Vernetzungsgrad 201
Wirklichkeitsordnung 193
Wandel 40, 69, 73, 74, 106, 107, 180
Wirkungsradius 202
Wertschöpfung 192
Wissensmanagement 8, 153, 202, 262
Widerstände 192
Zieldomäne 156, 260, 276, 283, 288 Zustandsänderung 72, 73, 74, 77, 78, 81