Johannes Friedrich Diehl
Chemie in Lebensmitteln Ruckstande, Verunreinigungen, Inhalts- und Zusatzstoffe
@WILEY-VCH
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Johannes Friedrich Diehl
Chemie in Lebensmitteln Ruckstande, Verunreinigungen, Inhalts- und Zusatzstoffe
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Johannes Friedrich Diehl
Chemie in Lebensmitteln Ruckstande, Verunreinigungen, Inhalts- und Zusatzstoffe
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Johannes Friedrich Diehl
Chemie in Lebensmitteln Ruckstande, Verunreinigungen, Inhalts- und Zusatzstoffe
@WILEY-VCH Weinheim - New York . Chichester * Brisbane - Singapore . Toronto
Prof. Dr. J. F. Diehl Wildbader Stralje 6 76228 Karlsruhe
Das vorliegende Werk wurde sorgfaltig erarbeitet. Dennoch iibernehmen Autor und Verlag fur die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlagen sowie fur eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Nachdruck 2001
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz fur diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhaltlich ISBN 3-527-30233-6 Gedruckt auf slurefreiem und chlorarm gebleichtem Papier 0 WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Wcinheim (Federal Republic of Germany), 2000
Alle Rechte, insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache iibertragen oder ubersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichcn in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dal3 diese von jedermann frei benutzt werden diirfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschiitzte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprint, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not to be considered unprotected by law. Satz: Mitterweger & Partner, Kommunikationsgesellschaft mbH, D-68723 Plankstadt Druck: strauss offsetdruck, D-69509 Morlenbach Bindung: Wilh. Osswald, D-67433 Neustadt/Wstr. Printed in the Federal Republic of Germany
Vorwort
Wenn ein Besucher vom Mars sich anhand von Presseberichten und Rundfunkoder Fernsehsendungen der letzten Jahre uber die Ernahrung der Erdbewohner informieren wollte, so muBte er den Eindruck gewinnen, daB die Menschen - und insbesondere die Deutschen - systematisch vergiftet werden. Cadmium oder Blei, DDT oder DES, Formaldehyd oder Dioxin, Nitrat oder Aflatoxin, Monochloressigsaure oder Perchlorethylen stehen in den Schlagzeilen. Begriffe wie giffig oder coxisch sind schon so abgegriffen, daB man anscheinend nur noch mit hochtoxisch oder Supergift Aufmerksamkeit gewinnen kann. Wurde der Auaerirdische das Statistische Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland studieren, so wurde er mit Verwunderung feststellen, daB immer mehr Menschen bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen. Mit den Gift-Schlagzeilen scheint also nicht alles zu stimmen. Wer nach zuverlassigen Informationen sucht, um sich selbst ein Bild von der gesundheitlichen Qualitat des heutigen Lebensmittelangebots zu machen, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Die einschlagige Buchliteratur bietet entweder veraltete Daten oder behandelt das Thema ebenso sensationsorientiert wie die erwahnten Medienberichte. Keines der bisher verfiigbaren Bucher, ob rein wissenschaftlicher oder popularwissenschaftlicherArt, beschreibt die enormen Veranderungen, die im Verlauf der letzten zwei bis drei Jahrzehnte in den Gehalten der Lebensmittel an Schwermetallen, Pflanzenschutzmittelruckstanden,Nitrosaminen und sonstigen Fremdstoffen eingetreten sind. Zuverlassige Informationen bieten die in Vierjahresabstanden von der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung veroffentlichten Ernahrungsberichte. Dem Thema toxikafogische Aspekte der ErnBhrung wird jedoch in diesen Berichten immer nur ein Kapitel gewidmet. Viele Einzelthemen konnen dort aus Platzmangel nur sehr knapp, andere gar nicht behandelt werden. AuBerdem sind die Ernahrungsberichte Momentaufnahmen des jeweiligen Vierjahreszeitraums. Nur ausnahmsweise kann eine Entwicklung iiber Iangere Zeit dargestellt werden. Hier setzt dieses Buch ein; es beschreibt - soweit die Daten verfugbar sind - fur jeden besprochenen Stoff die Einschatzung der gesundheitlichen Risiken und wie
VI
Vorwort
diese sich in den letzten Jahrzehnten verandert hat. Wahrend meiner langjahrigen Tatigkeit an der Bundesforschungsanstalt fur Ernahrung habe ich immer wieder Briefe von besorgten Verbrauchern erhalten, in dencn um Auskunft zu Problemen der Lebensmittelsicherheit gebeten wurde. Nicht selten gipfelten sie in der Frage: Was kann man iiberhaupt noch essen? Aus den Antworten auf diese Briefe und aus meinen an der Universitat Karlsruhe gehaltencn Vorlesungen ist allmahlich eine Einfuhrung in die Lebensmitteltoxikologie anhand praktischer Falle (,,Lebensmittelskandale") der letzten 25 Jahre geworden. Zu allen angesprochenen Themen wird weiterfuhrende Literatur zitiert, wobci ich auf Aktualitat besonderen Wert gelegt habe. Zum uberwiegenden Teil stammen die Zitate aus den Jahren seit 1990. Ein Handbuch der Lebensmittelkontaminanten sollte daraus nicht entstehen, Vollstandigkeit wurde nicht angestrebt. Die Auswahl der Themen richtet sich in erster Linie nach der Bedeutung, die ihnen in den letzten Jahrzehnten in der offentlichen Diskussion uber die gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel zugemessen wurde. Fragen der mikrobiologischen Sicherheit der Lebensmittel werden nur am Rande erwahnt - nicht etwa weil sie nicht wichtig waren, sondern weil ein grundliches Eingehen auf dieses Thema den Rahmen des Vorhabens gesprengt hatte. Das Buch richtet sich an Ernahrungsberater, Arzte, Tierarzte und Apotheker (auch sie werden von ihren Kunden haufig zu den hier referierten Themen befragt), an Studenten der Okotrophologie, Agronomie, Lebensmittelchemie und -technologic, an Praktiker in der Ernahrungsindustrie und dem Lebensmittelhandel und an alle, die sich fur Ernahrungsfragen interessieren und uber einfache Grundkenntnisse der Chemie verfugen. Tch habe dieses Buch auch fur Chemiker geschrieben, die beruflich nichts mit Lebensmitteln zu tun haben, die sich aber eben weil sie Chemiker sind - im Familien- und Bekanntenkreis mit Fragen und Kommentaren zur Chemie in Lebensmitteln konfrontiert sehen und die sich iiber den Stand der Forschung auf diesem Gebiet informieren mochten. Wenn ein so grol3er Leserkreis angesprochen werden soll, mu8 man Kompromisse schlieBen. Die Chemiker unter den Lesern werden die Erlauterungen zur Chemie als elementar empfinden, Arzten und Tierarzten wird die Erklarung medizinischer Fachausdrucke als iiberflussig erscheinen, Agronomen konnen die einfuhrenden Satze zu Themen wie Pflanzenschutz und Dungung getrost uberspringen. Aber ich bin zuversichtlich, daB doch jeder an anderen Stellen Lesenswertes finden wird. Der Buchtitel mag bei Wissenschaftlern Kritik herausfordern. Chemie ist die Lehre von den Eigenschaften und Umwandlungen der Stoffe. Ein der Chemie in Lebensmitteln gewidmetes Werk muate demnach vor allem die Eigenschaften und Umwandlungen der Hauptbestandteile der Lebensmittel berucksichtigen, also der Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Hier wird der Terminus jedoch in dem Sinn verwendet, in dem er sich in der breiten Offentlichkeit eingeburgert hat, namlich als Sammelbegriff fur all das, was beim Verbraucher Unbehagen auslost, wenn er von Chemie in der Nahrung oder Gift im Kochtopf oder chemisch verseuchten Lebensrnitteln hort. Ein eigenes Kapitel gilt jedoch auch den in Lebensmitteln vorkommenden Naturstoffen und ihren potentiell gesundheitsschadlichen oder gesundheitsfordernden Wirkungen - ein Thema an das man meist nicht denkt, wenn von Chemie in Lebensmitteln die Rede ist. Die eingestreuten Cartoons aus der Tagespresse sollen nicht nur den Text etwas auflockern, sondern
Vonvort
VII
auch zeigen, wie sehr die hier angesprochenen Themen die Zeitungsleser beschaftigt haben und noch beschatigen. Den Kunstlern und den Verlagen danke ich fur die freundliche Genehmigung zum Nachdruck. Die Forschung schreitet auch auf den Gebieten Lebensmittelchemie, Ernahrungswissenschaft und Toxikologie schneller voran als je zuvor; die Flut der lebensmittelrechtlichen Regelungen ist in den letzten Jahren st5ndig angestiegen. Ein Alleinautor kann das hier besprochene Gesamtgebiet kaum mehr in allen Einzelheiten uberblicken. Ich werde jedem Leser fur Hinweise auf Fehler dankbar sein; die Kritik wird mir helfen, bei einer Neuauflage Lucken zu fullen, Uberholtes zu beseitigen und Fehler auszumerzen. Meinen Kollegen Professor Dr. Peter Elias, Karlsruhe, Professor Dr. Werner Grosch, Munchen, und Dr. Fritz Ruf, Heilbronn, danke ich fur anregende Diskussionen und wertvolle Hinweise.
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Inhaltsverzeichnis
1
1
Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
2
Einige Grundbegriffe Toxikologie Lebensmitteltoxikologie Methoden der Toxizitatspriifung Das ADI-Konzept Hochstmengen Richtwerte Epidemiologische Untersuchungen
11 11 15 16 21 26 35 36
3
Ruckstinde Pflanzenschutzmittel (PSM) Pflanzenschutz in fruheren Zeiten Die DDT-Epoche Mafinahmen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes Nichtpersistente F'flanzenschutzmittel PSM-Ruckstande in Lebensmitteln PSM-Riickstande in Gesamtnahrungsproben und in Blutplasma PSM-Ruckstande in Humanmilch Gesundheitsrisiken Metabolite und Kombinationswirkungen Medienkampagnen gegen PSM-Verwendung Integrierter F'flanzenschutz und okologischer Anbau Emahrungsberichte zum Thema PSM-Ruckstande Tierarzneimittel und Futterzusatzstoffe Allgemeine und lebensmittelrechtliche Aspekte Riickstande pharmakologisch wirksamer Stoffe
40 40 40 42 43
44 56
57 59 65 68 72 74 77 78 78 80
X
inhaltsverzeichnis
Illegale Anwendung von DES und von korpereigenen Masthormonen Illegale Anwendung sonstiger Anabolika Bovines Somatotropin (BST) Sonstige Ruckstande Losungsmittel Desinfektionsmittel Migrationsstoffe
83 85 87 88 88 91 93
4
Verunreinigungen (Kontaminanten) Elemente Blei (Pb) Quecksilber (Hg) Cadmium (Cd) Sonstige Spurenelemente Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) Polychlorierte Biphenyle (PCB) Dioxine Moschusduftstoffe Populare Irrtumer zum Thema Kontaminanten
95 95 96 104 111 119 125 128 131 137 139
5
Diingemittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine Notwendigkeit des Dungereinsatzes Einflurj der Diingung auf die Zusammensetzung der Ernteprodukte Nitrat in Lebensmitteln Nitrataufnahme durch den Menschen Nitrit in Lebensmitteln Endogene Nitrosaminbildung Exogene Nitrosaminbildung Methamoglobinamie Der ADI-Wert fur Nitrat Unnotige Warnungen an Verbraucher
140 140 142 145 147 150 151 152 153 154 155
6
In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte Verarbeitung und gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel Nahrwertverluste Maillardproduk te Heterocyclische aromatische Amine (HAA) Lysinoalanin D-Aminosauren Chlorpropanole Trans-Fettsauren Ethylcarbarnat
157 157 160 164 167 169 171 173 175 179
7
Naturstoffe mit potentiell gesundheitsschadlichenoder gesundheitsfordernden Wirkungen Toxische Pflanzeninhaltsstoffe Glycoalkaloide
181 181 182
Inhaltsverzeichnis
XI
Pyrrolizidinalkaloide Chinolizidinhaltige Alkaloide Blausaurehaltige Glycoside Lectine Lathyrogene Substanzen Enzyminhibitoren Phytoestrogene Goitrogene (strumigene) Substanzen Sonstige potentiell toxische Pflanzeninhaltsstoffe Schimmelpilzgifte (Mycotoxine) Alkohol Sonstige sekundare Pflanzenstoffe Toxische Stoffe in Meerestieren
184 185 186 188 189 189 190 193 195 201 208 213 220
8
Lebensmittelzusatzstoffe Warum werden Zusatzstoffe verwendet? Die lebensmittelrechtliche Situation Gesundheitliche Bedenken Warnungen der Verbraucher-Zentralen Warum so viele Zusatzstoffe ? Zufuhrmengen Nahrstoffangereicherte und funktionelle Lebensmittel Neue Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr
223 224 228 228 232 237 242 244 248
9
Ernahrung und Gesundheit Uberflul3 und Hunger zugleich Indikatoren der Volksgesundheit Ernahrung und Krebs Lebensmittelallergien und Pseudoallergien Vom hyperkinetischen Syndrom zum chronischen Miidigkeitssyndrom Die desinformierte Gesellschaft Kein Grund, die Hande in den Schol3 zu legen
252 252 254 258 266 272 275 284
Bibliographie
287
Index
321
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1 Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
Im standigen Kampf gegen den Hunger lernten die Menschen der Urzeit durch Erfahrung, welche Pflanzen oder Pflanzenteile eBbar waren und welche sie meiden mufiten, um nicht zu erkranken oder sich den Tod zu holen. Sie erkannten auch, dais zu lang gelagerte Lebensmittel, vor allem von Tieren stammende, sterbenskrank machen konnen und sie lernten, ihre Uberlebenschancen durch Trocknen oder Rauchern der Beute zu verbessern. Als sich die Jager- und SammlerKultur zur bauerlichen Kultur weiterentwickelte, beruhte die Ernahrung der Familie zunachst weiterhin auf Selbstversorgung. Allmiihlich erfolgte jedoch eine zunehmende Arbeitsteilung. Es entstanden die Tatigkeiten des Mullers, Backers, Fleischers und anderer Handwerker, und es entwickelte sich ein Handel mit Lebensmitteln. Dies gab unredlichen Handlern und Handwerkern Gelegenheit, sich einen Vorteil zu verschaffen, indem sie ihre Ware durch wertlose Zusatze streckten. Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers vor Tauschung und vor gesundheitsschadlichen Lebensmitteln gab es daher, oft in Form religioser Anweisungen, schon in den altesten Kulturen. In einem Ritual gegen verdorbenes Essen und Trinken aus dem im 2. Jahrtausend v.Chr. im ostlichen Kleinasien (Kappadokien) gegriindeten Hethiterreich heifit es: ,,Du sollst das Fett Deines Nachbarn nicht vergiften. Du sollst das Fett Deines Nachbarn nicht verzaubern". Eine im Orientalischen Museum in Istanbul aufbewahrte Keilschrift-Tontafel mit diesen Geboten kann als das alteste erhaltene Lebensmittelgesetz betrachtet werden
PI:.
Uber die verschiedensten Praktiken von Lebensrnittelverfulschungen berichtet das Kochbuch des APICIUS, der um die Zeitwende in Rom lebte. Der kampanische GrieB erhielt sein helles WeiB durch Zusatz von Kreide oder Ton. Bei der fabrikmaisigen Herstellung von Linsenmehl wurde Sand zugefiigt. Rosenwein wurde ohne Rosen aus Zitronenblattern hergestellt, und um ,,verdorbenen Honig wieder brauchbar zu machen", vermischte man zwei Teile guten mit einem Teil verdorbenen Honig [2]. Der Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Alexandria und Rom lebende ATHENAOS erwahnt in seiner Deipnosophisfue Klagen iiber einen durch
2
Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
Harzzusatz konservierten Wein, der zur Halfte aus Kiefernharz bestanden haben sol1 [3]. Die Entstehung einer ersten planmal3igen Uberwachung der Lebensmittelqualitat und eines Lebensmittelstrafrechts hangt rnit der Ausbildung des Stadtewesens und des Handelsverkehrs im Mittelalter zusammen. Mitglieder bestimmter Ziinfte, wie Fleischer, Backer, Bierbrauer, Fisch- und Weinhandler, muBten sich einer strengen Marktaufsicht unterwerfen, welche Menge, Preis und Qualitat der angebotenen Waren priifte. Wurden durch die Kornmesser, Brotwieger, Fleischmarktmeister und Weinstecher VerstoBe festgestellt, blieben harte Strafen nicht aus. Prangerstehen, Ausschlulj aus der Zunft, Turmhaft, Handabschlagen, Hangen oder Verbrennen wurden als Sanktionen gegen das Strecken des Mehls rnit Kreide, Schwerspat oder Gips, das Mischen des Wurstinhalts mit minderwertigen Zusatzen, die Verminderung des Brotgewichts, die Bier- und Weinpanscherei und ahnliche Vergehen verhangt. Wegen des hohen Preises der Gewiirze war im Gewurzhandel die Versuchung zur Falschung besonders grol3. In den Nurnberger Stadtarchiven wird berichtet, daB 1444 ein Gewiirzhandler und 1456 zwei weitere samt einer mitschuldigen Frau zusammen mit den gefalschten Gewiirzen verbrannt wurden. Der Nurnberger Rat lielj 1499 einem Safranfalscher beide Augen ausstechen [4]. Trotz der Harte der Strafen wurde immer wieder gegen die bestehenden Vorschriften verstoSen, so daB sich seit dem spaten 15. Jahrhundert auch die Landesfiirsten, der Kaiser und der Reichstag wiederholt rnit diesen MiBstanden befassen muBten. Die Peinliche Gerichtsordnung KARLs V. (Carolina) enthielt Bestimmungen zum Schutz der Lebensmittel gegen Verfalschungen; die Kontrolle war den Landesherren und den Stadten iiberlassen. Die in zahllosen Gerichtsurteilen dokumentierten absichtlichen Verfalschungen lieljen sich oft durch den Augenschein oder durch einfache Prufmethoden beweisen und konnten haufig, wenn zum Beispiel ein Geselle die Manipulationen des Meisters beobachtet hatte, durch Zeugenaussagen belegt werden. Es ist jedoch anzunehmen, daB die Gesundheit der Menschen schon von friihesten Zeiten an auch durch unabsichtlich in Lebensmitteln vorhandene Verunreinigungen gefahrdet wurde, die jedoch rnit den damals verfiigbaren Methoden meist nicht erkannt werden konnten. Hierauf wird in Kapitel 4 zuriickzukommen sein. Beispielhaft seien hier bereits die durch Verwendung von BleigefaBen zur Aufbewahrung von Lebensmitteln und durch Verwendung von Wasserleitungsrohren aus Blei verursachten Bleivergiftungen im Altertum und im Mittelalter erwahnt. Ein weiteres Beispiel sind die Massenvergiftungen durch Verzehr von mutterkornhaltigem Roggen (Kap. 7). Mit der Zunahme des Kaffee- und Zuckerverbrauchs im 18. und fruhen 19. Jahrhundert begann eine neue Periode in der Geschichte der Lebensmittelverfalschungen [5]. Um der einheimischen Wirtschaft Devisen zu ersparen, wurden rnit behordlicher Duldung oder gar Forderung die teuren Kolonialprodukte rnit einheimischen Ersatzstoffen vermischt oder vollstandig durch solche ersetzt. Damit wurden dem Betrug Tur und Tor geoffnet, was seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer regen offentlichen Diskussion fuhrte. Nachdem der in England lebende Detmolder Apotheker FRIEDRICH MARCUSunter dem Pseudonym FREDRICK ACCUM1820 in London ein aufsehenerregendes Buch uber die Verfalschung der Lebensmittel und uber Gift in der Nahrung veroffentlicht hatte [6,7], folgten auch
Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
3
in anderen Landern zahlreiche Veroffentlichungen mit Anleitungen zur Analyse von Lebensmitteln und Schilderungen der damals ublichen Verfalschungen. Die Industrialisierung und Urbanisierung brachte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine gewaltige Expansion der Lebensmittelmarkte. Zunehmend traten stadtische Haushalte, die ihren Lebensmittelbedarf durch Kauf decken mufiten, an die Stelle kleiner, sich selbst versorgender landlicher Familienwirtschaften. Die Stadtbewohner wurden von der damals entstehenden Lebensmittelindustrie (Dampfmahlmuhlen, Brotfabriken, GroBbrauereien, Molkereien) versorgt, der nun nach dem Bau der Eisenbahnen leistungsfaige Transportwege zur Verfugung standen. Die Moglichkeiten einer unredlichen Lebensmittelmanipulation verstarkten sich, zumal gleichzeitig die Kontrollfunktion der Ziinfte zuriickgedrangt oder aufgehoben wurde. Besonders krass war das Problem der Milchpanscherei, die damals wohl nicht die Ausnahme, sondern die Regel war (DOBEREINER, zitiert bei [S]). Milch wurde mit Wasser oder Magermilch verdunnt und zur Wiederherstellung der Konsistenz mit Mehl, Starke, Hammelfett, Hirn oder Gummilosung versetzt; zur Verzogerung des Sauerwerdens dienten Soda, Natriumbikarbonat, Borsaure und Wasserstoffperoxid [ 5 ] . Die schlechte Qualitat der Milch war einer der Grunde fur die damals sehr hohe Kindersterblichkeit, wobei wahrscheinlich die bakterielle Kontamination eine noch verhangnisvollere Rolle gespielt hat, als die Zusatze. Diese Praktiken wurden in der Fachliteratur jener Zeit heftig angeprangert, aber die Verabschiedung reichseinheitlicher Gesetze und die Etablierung eines wirksamen staatlichen Kontrollsystems kamen nur schrittweise voran. DaB sich auch die fur breite Leserschichten bestimmte Presse dieses Themas annahm, zeigt die Karikatur eines Weinfalschers aus den Fliegenden Bliittern von 1874 (Abbildung 1.1). Als JOSEF KONIG1883 sein Standardwerk iiber die menschlichen Nahrungs- und GenuBmittel veroffentlichte [9], hatte sich schon manches gebessert. Trotzdem war,
Abbildung 1.1: ,,Ein moderner Weinberg" (Fliegende Blutter, Jahrgang 1874).
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Ein Blick zuruck in die ,,gutealte Zeit"
wie man Meyers Konversationslexikon von 1897 unter dem Stichwort ,,Nahrungsmittel" entnehrnen kann, auch damals die Situation noch keineswegs befriedigend: ,,Die Nahrungsmittel unterliegen haufigen und argen Verfalschungen. Mehl wird rnit Gips (bis 30 %), Schwerspat (bis 20 %) und anderen farblosen, oft gesundheitsschadlichen Pulvern vermischt, verdorbenes Mehl ,,verbessert" man durch Alaun und Kupfervitriol, Nudeln farbt man rnit Pikrinsaure statt mit Eigelb, und in der Konditorei werden Gips, Schwerspat, Kreide und schadliche Farbstoffe angewendet. Zucker wird rnit Mehl, Dextrin, indischer Sirup mit Runkelruben- und Kartoffelsirup verfalscht. Beim Fleisch kommen Unterschiebungen des Fleisches kranker oder gar gefallener Tiere. von Pferdefleisch fur Rindfleisch vor, und Wurst wird sehr oft mit Starkemehl oder Mehl verfalscht, Honig mit Starkesirup, Butter mit Kunstbutter versetzt. Die Fakchungen von Wein (Unterschiebungen geringerer Sorten und Gernische, Farbungen, Zusatz von Spiritus etc.) sind allgemein bekannt, es wird sehr vie1 mehr Madeira, MCdoc etc. getrunken, als die betreffenden Weingegenden produzieren, und reiner Rum, Kognak oder Arrak ist eine Seltenheit im Handel. Kaffeebohnen und Teeblatter werden gefarbt, letztere auch durch Pulver beschwert oder rnit bereits benutzten und wieder getrockneten Teeblattern gernischt, gemahlener Kaffee wird mit Kaffeesatz, Sand, Zichorie, gebranntem Getreide gemischt, Kakao und Schokolade enthalten oft bedeutende Mengen von Starke, Mehl, Talg, Ocker, Kalk etc. Fur die Verfalschung gemahlener Gewiirze werden geeignete Falschungsmittel in besonderen Fabriken dargestellt".
Die Grundung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes in Berlin (1876), der ErlaB des reichseinheitlichen Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879, die Einrichtung zahlreicher Lebensmitteluntersuchungsamter,die Schaffung von Lehrstuhlen fur Lebensmittelchemie, der Erlafi einer Prufungsordnung fur Nahrungsmittelchemiker (1 894) sind Meilensteine dieser Zeit - auch wenn die getroffenen Mafinahmen erst allmahlich greifen konnten. Fachleute, die in der Lage waren, eine wirksame Kontrollfunktion auszuuben, mufiten erst herangebildet werden. Das erste Chemische Untersuchungsamt wurde 1876 in Niirnberg gegrundet, gefolgt von Hannover 1877 und Hamburg 1878. Ende des Jahrhunderts gab es im Deutschen Reich uber 100 solche Amter. Als erstes ausschlieljlich der Lebensmittelchemie gewidmetes Fachblatt erschien seit 1886 die Vierteljahresschrift iiber die Fortschritte auf dem Gehiete der Chemie der Nahrungs- und Genuprnittel, der Gebrauchsgegenstande sowie der hierhergehorenden Industriezweige, spater in Zeitschrifi fur Lebensmittel- Untersuchung und -Forschung umbenannt. Eine Bliitezeit von Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Lebensmittelchemie setzte ein, charakterisiert durch Namen wie A. BEYTHIEN, A. BOMER,A. JUCKENACK und J. KONIG.Unter ihrem Einflufi und ihrer Mitwirkung hatten sich die Verhaltnisse auf dem Lebensmittelmarkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts grundlegend gebessert. Genauso wichtig wie die Fortschritte in der Lebensmittelchemie waren diejenigen in der Lebensmittelmikrobiologie- aber das sol1 nicht Gegenstand dieses Buches sein. Ahnlich wie in Deutschland verlief die Entwicklung in anderen Industriestaaten. In England hatte Accums Buch, allgemein bekannt als Death in the Pot (Der Tod im Kochtopf), die Offentlichkeit wachgeruttelt. In der Folge grundete THOMAS WAKLEY, Herausgeber der medizinischen Zeitschrift The Lancet, das Lancet Analytical Sanitary Committee. Vorsitzender des Komitees war ARTHURHILL HASSALL, der als einer der crsten die Verfalschungen der Lebensmittel rnit streng wissenschaftlichen Methoden untersuchte. Seine Berichte, in The Lancet verof-
Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
5
fentlicht, fuhrten zur Grundung eines Parlamentsausschusses zur Untersuchung von Lebensmittelverfalschungen und 1860 zur Verabschiedung des Food and Drink Act, des ersten modernen Lebensmittelgesetzes der Welt. Neuseeland folgte 1868 mit einem ahnlichen Gesetz, Kanada 1874 rnit einem Food and Drug Law. Bis diese Gesetze zu einem wirksamen System der staatlichen Lebensmittelkontrolle fuhrten, dauerte aber auch in diesen Landern noch lange. Um hierfur nur ein Beispiel zu nennen: In England verursachte arsenhaltiges Bier im Jahre 1900 eine Massenvergiftung, von der etwa 6000 Personen betroffen waren, von denen mindestens 70 starben. Ursache war die Verwendung arsenhaltiger Schwefelsaure zur Starkehydrolyse und die Nutzung der so gewonnenen Glucose bei der Bierherstellung. Die Schwefelsaure war aus arsenhaltigem Pyrit hergestellt worden. In den Vereinigten Staaten hatten einige Bundesstaaten, wie Massachusetts rnit dem Act Against Selling Unwholesome Provisions von 1785, bereits im 18. Jahrhundert versucht, das Problem der Lebensmittelverfalschungen in den Griff zu bekommen. Es zeigte sich jedoch, daB ein bundeseinheitliches Gesetz und eine Kontrolle durch eine Bundesbehorde erforderlich waren, um wirksam Abhilfe zu schaffen. HARVEY WILEYwurde 1883 zum chief chemist im Landwirtschaftsministerium USDA(United States Department of Agriculture) ernannt. Er lie13 eine Reihe von Untersuchungen durchfuhren und veroffentlichte zwischen 1887 und 1893 mehrere Berichte, die zeigten, darj Verfalschungen bei fast allen Arten von Lebensmitteln ublich waren. Zum Teil handelte es sich um gesundheitlich harmlose Verbrauchertauschung, zum Teil aber auch um giftige Zusatze. Die Verabschiedung des Pure Food and Drug Act von 1906 war ein Triumph fur WILEY,der sich gegen viele Widerstande durchsetzen muBte. Wirksame Unterstutzung hatte er noch kurz vor der Beratung des Gesetzentwurfs im Kongrerj durch die Veroffentlichung von UPTON SINCLAIRS beruhmt gewordenem Roman The Jungle erhalten, der haarstraubende Zustande in Chicagos Schlachthofen und fleischverarbeitenden Fabriken schilderte. Das neue Gesetz fuhrte zu deutlichen Verbesserungen, es beschrankte jedoch die Eingriffsmoglichkeiten der Bundesbehorden stark und lieB zu viele Schlupflocher fur die Skrupellosen. Es wurde daher 1938 durch den Food, Drug, and Cosmetic Act ersetzt, der einer 1931 geschaffenen Bundesbehorde, der Food and Drug Administration (FDA), wesentlich erweiterte Kompetenzen verlieh. Die FDA wurde zu einer weltweit anerkannten Institution und hatte in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur in den Vereinigten Staaten erheblichen Einflurj auf die Bemuhungen zur Reinhaltung der Lebensmittel. In den 1930er Jahren stellten die japanischen Forscher YOSHIDA und KINOSHITA unabhangig voneinander in Rattenfiitterungsversuchen fest, darj das Buttergelb (Dimethylaminoazobenzol) bei Verabreichung uber einen langeren Zeitraum zu Leberkrebs fuhrte. Dieser Azofarbstoff sol1 damals in einigen Landern zum Gelbfarben von Margarine verwendet worden sein. Ob er jemals in Deutschland fur diesen Zweck eingesetzt wurde, ist unklar. Jedenfalls wurde die Verwendung von Buttergelb in Lebensmitteln 1938 in Deutschland und 1940 in USA verboten. Um diese Zeit beobachtete man in England epilepsieartige Zustande bei Hunden, die uber Iangere Zeitraume mit Hundekuchen gefuttert worden waren. EDWARD MELLANBY gelang der Nachweis, darj dies an der Verwendung von mit
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Ein Blick zuriick in die ,,gute alfe Zeit"
Stickstofftrichlorid gebleichtem Mehl lag. Das Stickstofftrichlorid reagierte mit der im Mehlprotein vorhandenen Aminosaure Methionin unter Bildung von Methioninsulfoxirnin, das die neurotoxischen Wirkungen verursachte. Die Mehlbleichung mit Stickstofftrichlorid, in USA, Groljbritannien und manchen anderen Landern jahrelang praktiziert, wurde daraufhin uberall untersagt. In Deutschland, wo die Verbraucher nie das schneeweilje Brot verlangt haben, das in USA ublich ist, hat die Mehlbleichung immer eine geringere Rolle gespielt. Die Verwendung von Stickstofftrichlorid und ahnlichen Mitteln wurde in der Bundesrepublik durch die Mehlbleich-Verordnung von 1956 generell verboten. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Jahren danach galt das Interesse der Bevolkerung so stark der Beschaffung von Lebensmitteln, daB Sorgen uber Zusatzstoffe und Verunreinigungen kaum aufkommen konnten. Das anderte sich in den 1950er Jahren, als das Interesse der Verbraucher sich von der Quantitat mehr der Qualitat zuwandte. Krankheiten, die man in den Jahren der Unterernahrung kaum gekannt hatte, nahmen damals deutlich zu: Altersdiabetes, Gicht, Gallenleiden, Bluthochdruck, Herzinfarkte. Immer dringlicher wurde in der Offentlichkeit die Frage diskutiert o b nicht die zunehmende Verwendung von Zusatzstoffen fur diese Zunahme der Zivilisationskrankheiten verantwortlich sei. Befunde wie die Kanzerogenitat des Buttergelbs und die Neurotoxizitat gebleichten Mehls wurden dabei haufig zitiert, oft mit dem warnenden Zusatz, das sei ja nur die Spitze des Eisbergs. Verfolgt man die auch heute weit verbreitete Ansicht von Gift in der Nahrung als Ursache chronischer Krankheiten bis zu dieser Zeit zuriick, so stoBt man immer wieder auf den Namen des Heidelberger Professors fur Pharmakologie FRITZ EICHHOLTZ, der 1956 das Buch Die toxische Gesarntsituation auf dern Gebiet der menschlichen Ernahrung - Umrisse einer unbekannten Wissenschaft [ 101 veroffentlichte. Er brachte darin seine Besorgnis uber ,,die enorme Zunahme der Zusatzstoffverwendung" zum Ausdruck, sprach (ohne dafur Daten zu nennen) von einer rapiden Zunahme allergischer Uberempfindlichkeiten gegen chemische Stoffe in allen modernen Zivilisationen, beschwor (ebenfalls ohne Belege) eine rasche Zunahme der Krebserkrankungen, sprach die Erwartung aus, daB durch Entlarvung kanzerogener Stoffe und durch deren Ausschaltung aus der Nahrung kunftig die Zahl der Krebserkrankungen zuruckgehen werde, wetterte gegen die ,,Herrschaft der Chemokraten", forderte offentliche Schauprozesse gegen schadliche Stoffe in der Nahrung, um deren ,,unterirdische Wuhlarbeit" besser bekannt zu machen, rief dazu auf, sich dem ,,Furor der Technik und den Sirenenklangen der Bagatellisierung" zu widersetzen, das ,,Abgleiten ins Chaos" zu verhindern. immer wiederkehrendes Thema ist die Summation, die Ein bei EICHHOLTZ ,,Kumulation der Giftwirkungen". Der einzelne Stoff moge in geringer Dosierung unschadlich sein - aber die Vielzahl auf den menschlichen Korper einwirkender synthetischer Substanzen konne zu noch unerforschten Kombinationswirkungen fuhren. Daher seine zentrale Forderung, bei der lebensmittelrechtlichen Regelung der Zusatzstoffanwendung die toxische Gesamtsituation zu berucksichtigen. Diese Warnungen, von einem Experten der Pharmakologie und Toxikologie kommend, fanden ein enormes Echo in der Offentlichkeit. wurden von vielen anderen aufgegriffen. Vor allem Die Thesen von EICHHOLTZ die Frauenverbande nahmen sich des Themas Chemie in Lebensmitteln an und
Ein Blick zuriick in die ,,gute alte Zeit"
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verlangten ein neues, scharferes Lebensmittelrecht. In Deutschland war durch das Nahrungsmittelgesetz von 1879 der Zusatz gesundheitsschadlicher Stoffe zur Nahrung grundsatzlich verboten worden. Was als gesundheitsschadlich galt, wurde in Listen (Negativlisten) erfaBt. Alles war erlaubt, was nicht ausdrucklich verboten war. An diesem Prinzip war auch bei den Novellierungen des Lebensmittelgesetzes von 1927 und 1936 festgehalten worden. Wurde in der Lebensmittelindustrie ein neuer Zusatzstoff eingefiihrt, der gesundheitliche Bedenken ausloste, so konnte es Jahre dauern, bis die zustandige Behorde mit ausreichender Sicherheit festgestellt hatte, da13 der betreffende Stoff gesundheitsschadlich und daher in die Negativliste aufzunehmen sei. Angesichts des rapiden Wachstums der chemischen Industrie und ihrer Fahigkeit, immer neue Chemikalien zu produzieren, die Lebensmitteln zugefiigt werden konnten, mulSte unbedingt eine andere rechtliche Regelung der Zusatzstoffverwendung gefunden werden. Nach eingehenden Beratungen in den zustandigen Bundesministerien und Bundestagsausschussen wurde schlieljlich im Dezember 1958 ein neues Lebensmittelgesetz (LMG) verabschiedet, das die Bedingungen fur die Verwendung von Zusatzstoffen sehr verscharfte. Die Listen verbotener Stoffe wurden durch die Nennung erlaubter Stoffe in Positivlisten ersetzt, vom MiBbrauchsprinzip ging man zum Verbotsprinzip iiber. Die Verwendung von Zusatzstoffen ist seither grundsatzlich verboten; nur ausdrucklich in den Listen genannte Stoffe durfen verwendet werden, meist nicht allgemein, sondern nur fur bestimmte Zwecke, in bestimmten Lebensmitteln, unter Beachtung vorgeschriebener Hochstmengen. Fur bestimmte Zusatzstoffgruppen, wie die Konservierungsstoffe, wurde eine vollstandige DeklarationspfZicht eingefiihrt - bis hin zu den Speisekarten der Restaurants. Auf der Grundlage des Gesetzes von 1958 erschien 1959 eine Reihe von Verordnungen (VO), in denen die Einzelheiten festgeschrieben wurden: die Allgemeine Fremdstoff-VO, die Konservierungsstoff-VO, die Farbstoff-VO und einige weitere. Neue Entwicklungen und neue Erkenntnisse machten Novellierungen des Gesetzes und Neufassungen der Verordnungen erforderlich. Seit der Novelle vom August 1974 heiSt das Gesetz mit seinem vollen Namen Geserz iiber den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenstanden (LMBG). In seinen Grundzugen entspricht es weiterhin dem LMG von 1958. Seither erfolgte Anderungen dienten der schrittweisen Anpassung des deutschen Lebensmittelrechts an die Richtlinien der Europaischen Union. Wahrend in den 50er Jahren die Sorge um die Verwendung von Zusatzstoffen die Diskussionen uber die Gesetzgebung auf dem Lebensmittelsektor beherrschte, trat in den Jahrzehnten danach die Problematik der Umweltverschmutzung und der dadurch verursachten Kontamination der Lebensmittel in den Vordergrund. Eingeleitet wurde diese Phase durch das Erscheinen des Buches Silent Spring von RACHEL CARSONin den Vereinigten Staaten, das bald auch in der Bundesrepublik unter dem Titel Der stumme Friihling zum Bestseller wurde [ll]. CARSONS Kritik richtete sich vor allem gegen die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden) in Land- und Forstwirtschaft, aber auch gegen die Lebensmittelindustrie, die ihre Erzeugnisse mit Konservierungsmitteln und anderen Zusatzstoffen verunreinige. Die Ruckstande der Pflanzenschutzmittel und die
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Zusatzstoffe konnten im menschlichen Korper in unbekannter Weise miteinander reagieren und ihre schadlichen Wirkungen gegenseitig verstarken, warnte sie. Es sei daher grundsatzlich nicht gerechtfertigt, von unschadlichen Mengen toxischer Stoffe zu sprechen. Naturliche krebserregende Stoffe seien auljerst selten; der Mensch sei der Schopfer seiner eigenen kanzerogenen Welt, denn er sei das einzige Lebewesen, das krebserregende Stoffe herstellen konne. Gegen Ende des Buches steigerte CARSON ihre Warnungen zu der apokalyptischen Vision, die Menschheit konne sich binnen zwanzig Jahren selbst ausloschen - wobei sie nicht von Atombomben sprach, sondern von Pestiziden. Die mogliche Rettung sah sie in einem radikalen Verbot aller Kanzerogene, die die Nahrung, das Wasser und die Luft verseuchten. Ihr Buch ist eine leidenschaftliche Anklage gegen die lebenszerstorenden Ubel der modernen industriellen Technik [ 121. Der Einflulj CARSONS auf die geistigen Stromungen ihrer Zeit, auf Gesetzgebung und Forschung in der ganzen Welt und auf die landwirtschaftliche und industrielle Produktion kann gar nicht hoch genug eingeschatzt werden. und CARSONund vieler anderer Autoren, die sich Die Schriften von EICHHOLTZ ihnen anschlossen, sollten die Menscheit warnen, was geschehen konnte, wenn der Kontamination der Lebensmittel durch Fremdstoffe nicht Einhalt geboten wiirde. In den folgenden Jahrzehnten wurden diese Schreckensvisionen jedoch mehr und mehr als Beschreibungen der Ist-Situation verstanden. Das Buch Chemie in Lebensmitteln, herausgegeben von der Katalyse-Umweltgruppe in Koln, verlegt vom Volksblatt-Verlag, erschien im Mai 1981 in einer Auflage von 3000. Fast auf jeder Seite wurde vor irgendwelchen Schadstoffen in Lebensmitteln gewarnt. Bereits im September 1981 erschien eine zweite Auflage von 10000, nachdem der Bundesverband Burgerinitiativen Umweltschutz (BBU) das Buch propagiert hatte. Inzwischen vom Versand Zweitausendeins herausgegeben, kam 1999 die 52. Auflage unter dem Titel Neue Chemie in Lebensmitteln auf den Markt; die Gesamtauflage erreichte damit fast 400 000 Exemplare. Unter dem provozierenden Titel lfl und stirb veroffentlichte 1982 ein renommierter deutscher Verlag eine weitere Litanei der Gifte in unserer Nahrung, verfarjt von den Lebensmittelchemikern KAPFELSBERGER und POLLMER.Das Erfolgsbuch erschien 1997 in siebter Auflage [13]. In diesen und vielen ahnlichen Werken wird nicht nur uber die Anwesenheit von Fremdstoffen in Lebensmitteln berichtet, sondern auch uber deren behauptete oder vermutete gesundheitsschadliche Wirkungen. EGMONT KOCH,bekannt als Mitautor des Bestsellers Seveso is[ iiberall, schilderte in dem 1981 erschienenen Buch Krebswelt die Bundesrepublik als das Krebsnest Europas [14]. Hinsichtlich der Krebssterblichkeit bei den Frauen liege die Bundesrepublik weltweit mit Abstand an der Spitze, bei Mannern nach Frankreich an zweiter Stelle. Als eine der Ursachen vermutete KOCHdie Verwendung von Kunstdunger in der Landwirtschaft. Die Massenmedien nahmen sich des Themas Chemie in Lebensmitteln mit zunehmender Dramatisierung an. Schon 1955 hatte die Illustrierte STERN unter der Uberschrift ,,Sind unsere Lebensmittel vergiftet? Schreckenskammer der Ernahrung" vor der ,,ungeheuren Bedrohung durch eine tagliche Uberdosis an unerforschten Chemikalien" gewarnt. Aber auch nachdem 1958 das neue LMG die Verwendung von Zusatzstoffen stark eingeschrankt und die Grundlagen fur eine sehr verbesserte Lebensmittelkontrolle geschaffen hatte, uberboten sich die
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Print- und Funkmedien gegenseitig mit Schilderungen der Gesundheitsschadlichkeit des Lebensmittelangebots. Im Marzheft 1982 der Zeitschrift D M las man unter der Uberschrift ,,Immer mehr Gift im Essen: Bisher wurde nur die Spitze eines Eisbergs entdeckt, dessen wirkliche AusmaSe niemand abschatzen kann. Aber schon ist klar: Mit jeder Mahlzeit vergiftet sich der Bundesburger ein kleines bil3chen mehr". In dem im Novemberheft 1990 der Zeitschrift ELTERN erschienenen Artikel ,,Spinat ist nichts fur Kinder" war von einer ,,Horrorliste von geballten Umweltgiften" in Lebensmitteln die Rede. Man konne aber den ,,BeschuS mit Umweltgiften" um 50 % reduzieren, wenn man die im Artikel gegebenen Hinweise beherzige. Zu diesen Hinweisen gehorte die Empfehlung, im Winter auf Salat zu verzichten, denn ,,im Winter hat man den Gift-Salat". Gemuse solle man aus dem Bio-Anbau nehmen; der hohere Preis zahle sich aus, weil die ,,Giftbelastung" gennger sei. Im gleichen Tenor berichteten und berichten unzahlige Rundfunk- und Fernsehsendungen. Nicht nur Journalisten haben die gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel als katastrophal beschrieben. Politiker und staatliche Stellen verstarkten nicht selten das furchterregende Bild. Im Januar 1981 stellte der damalige Bundesinnenminister BAUMeinen Bericht des Umweltbundesamtes vor, in dem es hieB, in der Bundesrepublik sei bereits mit 10 000 bis 1OOOOO Fallen von cadmiumbedingten Nierenfunktionsstorungen zu rechnen. Monatelang wurde die Berichterstattung der Medien beherrscht durch Schlagzeilen wie ,,Cadmium geht uns an die Nieren ......Zehntausende bereits erkrankt ..... Die Cadmiumverseuchung der Nahrung nimmt zu". In den Jahren danach loste eine Schreckensmeldung die andere ab. Krebserreger aller Art wurden in Lebensmitteln gefunden. Nitrosamine, Formaldehyd, Perchlorethylen, Dioxine, Pestizidriickstande, Polychlorierte Biphenyle (PCBs), Benzpyren und eine lange Liste weiterer Chemikalien machten Schlagzeilen. Man sprach vom ,,Kanzerogen des Monats" [15]. In neuerer Zeit traten die Schreckensmeldungen iiber Krebserreger in der Nahrung etwas in den Hintergrund und wurden durch solche uber Allergien als Volkskrankheit und die ,$permienkrise" (zunehmende mannliche Unfruchtbarkeit durch hormonwirksame Stoffe in Lebensmitteln) abgelost. Nach einer Agenturmeldung vom 11. Januar 1997 verkundete der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag MICHAELMULLER,in Deutschland litten 30 Millionen Menschen an meist umweltbedingten Allergieerkrankungen. Den Vorsitzenden des von der BundesREHBINregierung berufenen Sachverstandigenrates fur Umweltfragen, ECKARD DER zitierend, berichtete die FRANKFURTER ALLGEMEINE vom 1.September 1999, an erster Stelle der Titelseite, jeder dritte Deutsche leide an einer Allergie (Abbildung 1.2); das Lebensmittelrecht trage dem Schutzbedurfnis des Allergikers nicht ausreichend Rechnung; der Sachverstandigenrat fordere eine ,,allergiebezogene Kennzeichnung" von Lebensmitteln. Zu den ublichen Negativberichten uber die gesundheitliche Qualitat des heutigen Lebensmittelangebots gab es vereinzelt Gegenstimmen, die aber auserhalb des akademischen Bereichs weitgehend ignoriert wurden. Der Bund fur Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde verbreitete 1983 die Erklarung einer Gruppe von Ernahrungswissenschaftlern, Hygienikern, Lebensmittelchemikern und Toxikologen, deren Festellungen in dem Satz zusammengefaBt wurden: ,,Unsere Lebensmittel sind heute gesundheitlich sicherer als friiher" [161. In dem 1984 von
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ZEITUNG FOR DEUTSCHLAND
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Allergien - die neue groBe Plage Jeder dritte Deutsche leidet
&I fiuber? I.W. Die Mmlchen in den In uieldedern d m immcr Ilicr.
Abbildung 1.2: Teil der Titelseite der FAZ vorn 1. September 1999: Jeder dritte Deutschc leidet an einer Allergie. (Mit freundlicher Genehrnigung der FRANKFLIRTER ALLGEMEINEN ZEITIINO)
der Eidgenossischen Ernahrungskommission herausgegebenen Zweifen Schweizerischen Erniihrungsbericht ([ 171, S. 128) konnte man lesen: ,,Bei niichterner und sachlicher Wertung aller Befunde. die wir kennen. rnuR die Angst (auch diejenige der Panikrnacher selbst) als unverhaltnisrnaflig groRer beurteilt werden, als die reale Bedrohung sie rechtfertigen wiirde. Eine Erklarung fur diese UnverhaltnisrnaBigkeit liegt darin begrundet, daB die Nahrungsaufnahrne einen urspriinglichen, von tiefer Syrnbolik beherrschten Akt darstellt. Tn rnagischer Denkweise wird der Mensch zu dern was er iRt, was er sich einverleibt. Da rnagisches Denken nicht quantitativ ist, ernpfindet sich der Mensch auch durch die kleinste Dosis .,Gift'* ebcn vergiftet. Das berechenbare Risiko hat in einer solchen Denkwelt keinen Platz. Urn so rnchr ist es Aufgabe der verantwortlichen Fachleute, den Konsumenten aus der Welt rnagischen Denkens hinauszufuhren und ihrn zu zeigen, daR Risiken rneBbar und berechenbar sind".
In den folgenden Kapiteln sollen diese gegensatzlichen Aussagen aus der Sicht des heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes gepruft werden. Haben die Schadstoffgehalte der Lebensmittel zu- oder abgenommen? Gibt es Anzeichen fur durch Nahrungsbestandteile verursachte Gesundheitsschaden in der Bevolkerung? Leidet wirklich jeder dritte Deutsche an einer Allergie? Gibt es die Abertausende von cadmiumgeschadigten Nierenkranken? Nimmt die Haufigkeit von Krebserkrankungen standig zu, wie so oft zu horen ist? Sollte man Produkte werben? bevorzugen, die mit dem Aufruck FREIVON KONSERVIERUNGSSTOFFEN Welche Veranderungen im Lebensmittelrecht hat die Zugehorigkeit Deutschlands zur Europaischen Union mit sich gebracht? Zum besseren Verstandnis sol1 zunachst uber die Methoden zur Prufung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln berichtet werden.
2 Einige Grundbegriffe
Toxikologie Wie aus dem auf die Zeit um 1500 v. Chr. datierten Ebers-Papyrus (benannt nach dem Agyptologen GEORCMORITZEBERS,1837-1898) hervorgeht, besaljen die alten Agypter gute Kenntnisse von den Giftwirkungen zahlreicher Pflanzen. Auch im Athen des Altertums spielten Pflanzengifte eine Rolle; das vielleicht bekannteste Beispiel dafur ist die Verurteilung von SOKRATES zum Tod durch den Schierlingsbecher. Der heilige Trank, den die Initianden der Mysterien von Eleusis zu sich nahmen, um in rauschhafter Stimmung Visionen zu erleben, sol1 von den Hierophanten, den leitenden Priestern des Mysteriums, aus dem Mutterkorn des Roggens gewonnen worden sein [MI. Im 1.Jhdt. n.Chr. verfaate der in romischen Diensten stehende griechische Militararzt LEONIDAS DIOSKURIDES seine Muteria Medica, in der er niitzliche und schadliche Eigenschaften von uber 700 Pflanzen beschrieb - fur eineinhalb Jahrtausende das maf3gebliche Werk der Heilmittelund Giftkunde, deren praktische Anwendung stark von magisch-religiosen Vorstellungen gepragt war. Ansatze zu einer wissenschaftlicheren Denkweise gab es im 16. Jahrhundert, als PARACELSUS (1493-1541) den grundlegend wichtigen Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung erkannte. Hiervon wird noch zu sprechen sein. Der in Paris lehrende spanische Arzt und Chemiker BONAVENTURE ORFILA(1787-1853), dessen Standardwerk Trait6 des poisons ou toxicologie gkntrale 1814115 erschien, wird manchmal als der Vater der Toxikologie, der Lehre von den Giften, bezeichnet. Aber wie alle Wissenschaften hatte die Toxikologie viele Vater. Es sei hier nur der italienische Arzt BERNARDINO RAMAZZINI (1633-1714) erwahnt, der als erster systematisch die Berufskrankheiten der Handwerker untersuchte und beschrieb. Als eigenstandige akademische Disziplin innerhalb der experimentellen medizinischen Wissenschaft entwickelte sich die Toxikologie im 19. Jahrhundert zusammen mit der Pharmakologie, der Lehre von der Nutzung chemischer Stoffe als Heilmittel. Wichtige Beitrage zur Kenntnis der Gifte und ihrer Wirkungen kamen
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Einige Grundbegriffe
aus Laboratorien fur Experimentelle Physiologie, Forensische Medizin, Medizinische Chemie und Gewerbehygiene. Zunachst beschaftigten sich die Pharmakologen/Toxikologen vor allem mit unerwunschten Arzneimittelwirkungen, aber auch mit gewerblichen und suizidalen Vergiftungen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es an den meisten medizinischen Fakultaten im Deutschen Reich einen Lehrstuhl fur Pharmakologie und Toxikologie. Das Wachstum der chemischen Industrie und ihrer Fahigkeit, immer neue chemische Verbindungen zu synthetisieren, verstarkte das Interesse an der Erforschung moglicher schadlicher Wirkungen dieser Substanzen. Der Berliner Toxikologe LOUISLEWIN (1850-1929) veroffentlichte 1928 sein in viele Sprachen ubersetztes Werk Gifte und Vergiftungen, das zwar aus heutiger Sicht vie1 Spekulatives und manche Irrtumer enthielt, das jedoch sehr dazu beitrug, das Interesse an der Toxikologie zu wecken. Seit 1930 erschien, weltweit als erste der experimentellen Toxikologie gewidmete Zeitschrift, das Archiv fur Toxikologie. Die groBe Bliitezeit dieser Disziplin begann aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Reaktion auf die zunehmende Industrialisierung und Bevolkerungsdichte und die damit verbundene Verbreitung von Ruckstanden und Verunreinigungen in Luft, Wasser, Boden und Lebensmitteln wuchsen in der Wissenschaft und in weiten Kreisen der Bevolkerung die Befurchtungen vor gesundheitlichen Schaden. Die Toxikologie, die sich friiher vor allem mit akuten Vergiftungen beschaftigt hatte, sah sich vor die Aufgabe gestellt, Auskunft uber mogliche Schadwirkungen der langfristigen Einwirkung geringer Dosen von Umweltstoffen zu geben. SchlieBlich traten unvorhergesehene schwerwiegende Arzneimittelwirkungen auf, voran die durch Thalidomid (Firrnenname Contergan) hervorgerufene Katastrophe. In der Medizin hatte man Thalidomid, nicht zuletzt wegen seiner geringen akuten Toxizitat, zunachst als ein ideales Schlaf- und Beruhigungsmittel (tranquilizer) betrachtet. In den Jahren 1958 bis 1961 wurden jedoch etwa 7000 Kinder, davon uber 4000 in der Bundesrepublik Deutschland, mit MilJbildungen der Extremitaten geboren, im schlimmsten Fall bis zum Fehlen aller vier GliedmaBen. Thalidomid, von Schwangeren zum Zeitpunkt der Organogenese (Herausbildung der Organe, Ende des dritten Schwangerschaftsmonats) eingenommen, wurde als Ursache erkannt, und das Mittel wurde aus dem Handel gezogen. In der Folge wurde nicht nur die Priifung von Arzneimitteln auf toxische Wirkungen wesentlich intensiviert, sondern auch die Prufung von Lebensmittelzusatzstoffen, Pflanzenschutzmitteln und anderen Umweltchemikalien. Der schnell steigende Forschungsbedarf fuhrte zu einem ausgepragten Mange1 an Toxikologen. Der Wissenschaftsrat hatte 1960 einen Ausbau dieses Faches empfohlen und festgestellt: ,,Die Errichtung eines Lehrstuhls fur Toxikologie neben dem bereits vorhandenen fur Pharmakologie ist in jeder (medizinischen) Fakultat erforderlich". Die vom Wissenschaftsrat empfohlene Aufgliederung in Pharmakologie und Toxikologie wurde jedoch zunachst nur an wenigen Hochschulen durchgefuhrt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft konstatierte 1975 in einer Denkschrij Toxikologie, daB an den Universitaten der Bundesrepublik nur wenige Professuren fur Toxikologie vorhanden waren. Sie empfahl erneut die Anerkennung der Toxikologie als selbstandige akademische Disziplin, den Ausbau dieses Faches und die Offnung des Studiengangs auch fur Natunvissenschaftler chemisch-biologischer Facher.
Toxikologie
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Der Munchner Toxikologe HELMUT GREIMstellte 1992 fest, die Situation der Toxikologie in der Bundesrepublik Deutschland sei nach wie vor unbefriedigend [19]. Da sich die finanzielle Situation der Universitaten seither wesentlich verschlechtert hat, sind die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der DFG einer Verwirklichung nicht naher gekommen. Im Gegenteil wurde bei einem von der Deutschen Gesellschaft fur Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie 1998 in Bonn veranstalteten Forum mitgeteilt, es seien in den letzten Jahren 7 von 17 Lehrstuhlen fur Toxikologie geschlossen oder umgewidmet worden, weitere seien in Gefahr. Wahrend Staaten wie die Niederlande, GroBbritannien oder Schweden die Toxikologie ausbauten und inzwischen auch zunehmend die Arbeit in den europaischen Gremien bestimmten, bestehe in Deutschland die Gefahr, daB Sachverstand und EinfluR auf diesem Gebiet durch mangelnde Forderung verloren gingen. Neben den Finanznoten der Universitaten ist die Abhangigkeit der toxikologischen Forschung von Tierversuchen ein weiteres Hindernis fur den Ausbau der Toxikologie in Deutschland. Der Widerstand gegen Tierversuche hat vielerorts eine derartige Intensitat erreicht, da13 es kaum mehr moglich ist, bestehende Einrichtungen fur die Versuchstierhaltung fortzufuhren, geschweige denn, sie auszuweiten oder neue zu errichten. Es fehlt nicht an Bemuhungen, in vivo Versuche (d. h. am lebenden Tier oder Menschen) durch in vitro Versuche zu ersetzen (Reagenzglasversuche an Kulturen von Saugetierzellen, Bakterien, Pilzen oder Pflanzenzellen)[20,21]. Seit 1987 erscheint die Zeitschrift Toxicology in vitro. Mit dem Ziel, die Abhangigkeit der Forschung von Tierversuchen so weit wie moglich zu verringern, ist einerseits die Anwendung und Weiterentwicklung alternativer Methoden stark gefordert worden, andererseits sind viele Rechtsvorschriften fur die Chemikalienprufung zugunsten der Anwendung von in vitro Methoden geandert worden. Dies hat zu einer dramatischen Abnahme der jahrlich durchgefuhrten Tierversuche und der Zahl der dafiir benotigten Versuchstiere gefiihrt [22]. Allein bei den fur die Entwicklung und Zulassung neuer Arzneimittel erforderlichen Untersuchungen hat die Versuchstierzahl von 4.3Mio. im Jahr 1977 auf 0.7 Mio. im Jahr 1997 abgenommen. Nach dem Tierschutzgesetz gilt schon seit Jahren der Grundsatz, daB Tierversuche nur durchgefiihrt werden durfen, wenn sie fur die vorgesehenen Zwecke unerlaBlich sind und der angestrebte Zweck nicht mit anderen Methoden und Verfahren als dem Tierversuch erreicht werden kann. Letztendlich laBt sich das komplexe Zusammenspiel physiologischer Funktionen und deren Beeinflussung durch Gifte in vielen Fgllen nur am lebenden Organismus studieren. In der Denkschrift der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Tierversuchen in der Forschung heifit es: ,,In vitro-Methoden konnen nur erganzende Methoden sein und insofern Tierversuche ersetzen, als sie den Bedarf einschranken. Sie konnen Tierexperimente aber niemals tiberfliissig machen" [23]. An einer Kultur von Leberzellen kann man zwar die in der Leber ablaufenden Stoffwechselvorgange gut studieren - aber erstens kann man nur sehr wenige Zellarten des Korpers uberhaupt in vitro kultivieren und zweitens ist eine derartige Zellkultur nur eine unorganisierte Ansammlung von gleichartigen Zellen, die in einer kunstlichen Nahrlosung leben, ohne Zusammenspiel mit anderen Zellen und Organen, ohne Blutdruck und Kreislauf, ohne Steuerung durch Hormonsysteme, ohne Verbindung zu Ausscheidungsorganen oder einem Zentralnerven-
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Einige Grundbegriffe
system. Man darf daher von in vitro Methoden, so niitzlich sie fur viele Zwecke sind, nicht zu vie1 erwarten. Jede toxische Wirkung am intakten Organismus beruht auf zwei Gruppen von Ablaufen: der Toxikodynamik (Einflusse des Giftstoffs auf den Organismus: Wirkungsort, Wirkungsweise, Dosis-Wirkungsbeziehung) und der Toxikokinetik (Einflusse des Organismus auf den Giftstoff: Resorption im Magen-Darmtrakt, Verteilung, Abbau im Stoffwechsel, Speicherung oder Ausscheidung). Untersuchungen zur Toxikodynamik und Toxikokinetik im Saugetierorganismus sind das Fundament jeder toxikologischen Beurteilung eines Stoffes. In vitro Versuche konnen wertvolle Hinweise auf das Verhalten eines Stoffes in einzelnen Stufen des Gesamtablaufs geben, z. B. wie der Stoff durch Zellmembranen wandert, wie er in Leberzellen umgewandelt wird, wie er auf das genetische Material einwirkt, aber sie gestatten keine sichere Voraussage iiber den Gesamtablauf der Wechselwirkung von Stoff und Organismus. Gegen Tierversuche lafit sich einwenden, daB die verschiedenen Saugetierarten auf einen Giftstoff sehr verschieden reagieren konnen, mit unterschiedlichen Entgiftungsmechanismen, unterschiedlichen Ausscheidungsraten und oft sehr verschiedener Empfindlichkeit. Die bei Tierversuchen im Vergleich zur menschlichen Bevolkerung doch immer kleine Zahl von Tieren ist ein weiterer Kritikpunkt. Und schlielllich ist die Dauer eines Tierversuchs, selbst wenn er ein Rattenleben von maximal drei Jahren umfaBt, kurz im Vergleich zur Lebensdauer des Menschen. Trotzdem lassen sich, wie die Erfahrung gezeigt hat, aus Untersuchungen an mehreren Tierarten durchaus verlaljliche Risikoabschatzungen fur den Menschen ableiten [24]. Wie kaum einem anderen ist es dem schweizerischen ZBINDEN gelungen, in einer fur den gebildeten Laien verToxikologen GERHARD standlichen Sprache die Frage der Ubertragbarkeit der Resultate von Tierversuchen auf den Menschen zu diskutieren und mit vielen praktischen Beispielen zu erlautern [25].Es werden auch Untersuchungen an freiwilligen Versuchspersonen durchgefiihrt, jedoch nur, wenn zuvor durch Tierversuche geklart ist, daB dies ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko moglich ist. Zur Forderung von Tierversuchsgegnern, auf Substanzpriifungen am Tier ganz zu verzichten, sagt der Liibekker Toxikologe OTFRIED STRUBELT: ,,Man mache sich keine Illusionen: Ein Verzicht auf toxikologische Tierversuche bedeutet die Verlagerung des toxikologischen Risikos vom Tier auf den Menschen!" [26]. Versuche an Kindern und an Schwangeren sind aus ethischen Griinden ausgeschlossen. Auch wenn Vorversuche in vitro moglich sind, z. B. an Embryozellen, konnen aussagefahige Untersuchungen zu der Frage, oh eine Substanz teratologische (embryoschadigende) oder besonders den wachsenden Organismus beeinflussende Wirkungen hat, nur an Tieren durchgefiihrt werden. Soweit der zu beurteilende Stoff bereits verwendet wird, konnen Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizin und aus Vergiftungsunfallen (Kasuistik) sowie aus der Beobachtung des Krankheitsgeschehens in groaeren Bevolkerungsgruppen (Epidemiologie) das durch Tierversuche und in vitro Studien gewonnene Bild abrunden.
Lebensmitteltoxikologie
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Lebensmitteltoxikologie In der Lebensmitteltoxikologie werden die m6glichen gesundheitsschadlichen Wirkungen aller Stoffe, die in Lebensmitteln vorkommen konnen, untersucht, die Risiken ermittelt und gegebenenfalls Grenzwerte fur das Vorkommen der Stoffe in einzelnen Lebensmitteln oder fur die Menge, die bei lebenslanger taglicher Aufnahme duldbar ist, vorgeschlagen [27]. Im englischsprachigen Schrifttum wird haufig der Begriff food safety verwendet [28,29], womit manchmal nur toxikologische, oft aber zugleich mikrobiologische Aspekte der Lebensmittelsicherheit gemeint sind, was dann mehr dem im Deutschen verwendeten Sammelbegriff Lebensmittelhygiene entspricht [30]. Die Zeitschrift Food and Cosmetics Toxicology erschien erstmals 1963 in England und ist, inzwischen unter dem Namen Food and Chemical Toxicology, das wichtigste Periodicum auf dem Gebiet der Lebensmitteltoxikologie geblieben. Bei Diskussionen uber die gesundheitliche Qualitat des heutigen Lebensmittelangebots hort man gelegentlich die Forderung, Lebensmittel sollten grundsatzlich frei sein von Schadstoffen und solange dies nicht der Fall sei, durfe kein Aufwand gescheut werden, um diesen Zustand zu erreichen. Dieses Postulat ist sicher politisch sehr zugkraftig - aber es ist unrealistisch.' Von potentiellen Schadstoffen freie Lebensmittel hat es noch nie gegeben und kann es auch nie geben; es ist nur eine Frage der Analysenempfindlichkeit, ob man sie findet. Daher ist die Kenntnis toxikologischer Grenzwerte wichtig und die Festsetzung von Hochstmengen zum Schutz des Verbrauchers erforderlich. Grundsatzlich ist es nach 0 8 LMBG verboten, ,,Stoffe, deren Verzehr geeignet ist, die Gesundheit zu schadigen, als Lebensmittel in Verkehr zu bringen". Ob sich Gesundheitsschaden ergeben konnen oder nicht, hangt jedoch auch von der verzehrten Menge ab. Allzuoft wird vergessen, was Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt PARACELSUS, im Jahre 1583 in seiner Dritten Defension so treffend gesagt hat: Was ist das nit gifft ist? alle ding sind gifft und nichts ohn gifft. Allein die dosis macht, das ein ding kein gifft ist. Als ein Exempel: ein jetliche speiB und ein jetlich getranck so 8s uber sein dosis eingenommen wirdt so ist es gifft.
Jede Substanz kann, wenn sie im Ubermal3 verzehrt wird, gesundheitsschadlich wirken. Das gilt auch fur Stoffe, die fur den Menschen essentiell sind, die also in
' Ebenso wirklichkeitsfremdist die Forderung des &ologischen
hztebundes nach einer ,,luckenlosen Lebensmitteliiberwachung" [31]. Nach einer Studie der Europaischen Kommission wurden durch die amtliche Uberwachung im Jahre 1989 pro loo0 Einwohner in den Niederlanden 25 und in Deutschland zehn Proben gezogen, in Frankreich eine Probe. Man kann, wenn man der Ansicht ist, die offentliche Hand konne und solle die zusatzlichen Kosten tragen, eine Erhohung der,Probenzahl auf das Niveau der Niederlande oder noch hoher fordern. Aber luckenlos kann die Uberwachung auch dann nicht sein. Fur das Jahr 1994 wurden die Kosten der durch die amtliche Uberwachung im Bundesgebiet untersuchten 500000 Proben auf 436Mio. DM geschatzt [32]
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Einige Grundbegriffe
der Nahrung vorhanden sein mussen. Viele Lebensmittel enthalten naturliche Giftstoffe, die sich nur deshalb normalerweise nicht schadlich auswirken, weil sie in geringer Konzentration vorhanden sind und daher nur in niedriger Dosierung verzehrt werden (Kap. 7). Lebensmittel konnen neben ihren naturlichen Inhaltsstoffen auch fremde Stoffe enthalten, die durch menschliche Aktivitaten (anthropogen) in die Lebensmittel gelangen. In der Wissenschaft wird fur diese Stoffe der Ausdruck Xenobiotika (griechisch xenos, Fremder, Gast) verwendet. Seit 1971 gibt es zur Veroffentlichung von auf diesem Gebiet durchgefuhrten Forschungsarbeiten die Zeitschrift Xenobiotics.
Methoden der Toxizitatspriifung Wie kann man das gesundheitliche Risiko prufen, das von einem in Lebensmitteln enthaltenen Stoff ausgeht? Eine Kurzfassung der erforderlichen Schritte wird in Tabelle 2.1 gezeigt. Dabei handelt es sich nicht um ein festgefugtes Schema, da von Fall zu Fall entschieden werden mu& welche Prufungen in welchem Umfang erforderlich sind. Eine Substanz, deren Verhalten im menschlichen Korper wohl bekannt ist, wird weniger aufwendig zu prufen sein, als eine neu synthetisierte oder neu aus einer exotischen Pflanze gewonnene. Ein Stoff der einem Hauptnahrungsmittel zugesetzt werden soll, wird intensiver zu prufen sein, als einer der zum Beispiel nur Kaviar zugefugt werden darf.' Ausfuhrlichere Beschreibungen toxikologischer Testmethoden bieten [33-351. Das Chernikaliengesetz von 1982 (seither mehrfach geandert) verlangt fur alle neu in den Verkehr zu bringenden Stoffe Toxizitatsprufungen, deren Umfang von der Produktionsmenge abhangt. Die Bestimmung der akuten Toxizitat gehort dabei zu den Basisinformationen, die der Meldebehorde vom Hersteller der Substanz mitgeteilt werden mussen (,,Grundpriifung" nach § 7). Zur Bestimmung der oralen akuten Toxizitat verabreicht man im allgemeinen Gruppen von je 5 mannlichen und 5 weiblichen Ratten etwa gleichen Korpergewichts mittels Schlundsonde zunehmende Dosen der Testsubstanz. Vorversuche bestimmen die Wahl der Dosis: z. B. 25 m gkg KBrpergewicht in der l . , 50 in der 2., 100 in der 3. Gruppe. Die Tiere werden nach der Behandlung mindestens 14 Tage lang beobachtet. Vergiftungssymptome und Todesfalle (Mortalitat) werden registriert. Gestorbene oder bei Versuchsende getotete Tiere werden seziert und untersucht. Diejenige Dosis, bei der 50 % der Tiere sterben, wird als LDI bezeichnet (LD = letale Dosis). Die Bestimmung der LD5"in der beschriebenen Weise ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes bedenklich, sondern auch eine starke Belastung fur die Personen, die den Test durchzufuhren haben. Es gibt daher viele Bemuhungen, den Test so zu modifizieren, dal3 weniger Tiere benotigt werden undloder die l i e r e nicht bis zu ihrem Tod im Versuch bleiben, sondern bereits bei ersten toxischen Symptomen getstet werden. Eine Art der LD,,,-Bestimmung, die insgesamt
' Zur Vereinfachung wurden in der Liste durchzufiihrender Untersuchungen
(Tab. 2.1) nur solche Teste genannt, bei denen die Prufsubstanz peroral verabreicht wird. Tatsachlich mussen aus Arbeitsschutzgrunden noch weitere Untersuchungen durchgefuhrt werden, zum Beispiel ob die Substanz giftige Dampfe bildet (akuter Inhalationstest) oder ob sie hautreizend wirkt (akute dermale Toxizitat)
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Methoden der Toxizith'tsprufing ~-
~~
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Tabelle 2.1: Die toxikologische Beurteilung von Zusatzstoffen beruht auf Priifung 1. der akuten Toxizitlt
2. der GentoxizitatlMutagenitlt in vitro und in vivo
3. des Stoffwechselverhaltens 4. der subchronischen ToxizitBt (90-Tage-Test an Ratten und Hunden)
5. der Reproduktionstoxizitat, Teratogenitlt bei Kanlnchen und Ratten. Multiaenerationstest an Ratten 6. der chronischen Toxizitlt und der Kanzerogenitk (rnindestens 18 Mon. bet Mausen, 24-30 Mon. bei Ratten, 12 Mon. bet Hunden)
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7 . der voraussichtlichen Exposition der Bevolkerung
I
nur 13Tiere bendtigt, wurde von LORKE[36] vorgeschlagen, es gibt jedoch auch neuere Varianten der Durchftihrung [37,38].In den letzten Jahren sind nationale und internationale Zulassungsbehorden mehr und mehr dazu ubergegangen, nicht mehr die experimentelle Ermittlung der ,,klassischen" LDSozu verlangen, sondern nur noch die Bestimmung der ,,approximativenakuten Toxizitat" mit geringeren Tierzahlen [22]. Holltindische Autoren haben vorgeschlagen, auf die Bestimmung der akuten Toxizitat immer dann zu verzichten, wenn die Dosis ohne erkennbare Wirkung (no effet level) bei der subakuten Toxizitatspriifung im 28-Tage-Versuch (siehe unten) bei uber lo00 mg/kg Korpergewicht liegt [39].
Die LDS0ist die Basis fur die Einteilung von Stoffen nach Gefahrenklassen. In Tabelle 2.2 werden anhand von moglicherweise in Lebensmitteln vorkommenden Stoffen Beispiele fur diese Einteilung genannt. Die in Klammern angegebenen Begriffe Herbizid, Fungizid usw. charakterisieren Pflanzenschutzmittel (Kap. 3), die E-Nummern stehen fur Lebensmittelzusatzstoffe (Kap. 8). Die Tabelle macht deutlich, da13 manche Naturstoffe, wie das bakterielle Botulinustoxin, die Fischgifte Saxitoxin und Tetrodotoxin oder die von Schimmelpilzen produzierten Aflatoxine, zu den sehr giftigen Substanzen zahlen, da13 Pflanzenschutzmittel eine sehr unterschiedliche akute Toxizitat haben (Parathion in Kategorie I, einige Herbizide und Fungizide dagegen bei den nicht als giftig klassifizierten Stoffen), und daB es Lebensmittelzusatzstoffe wie das Natriumnitrit gibt, die immerhin zur Kategorie I1 gehoren. Offensichtlich spiegelt die LDso nur einen Teilaspekt der von einem Stoff ausgehenden Gefahrdung wieder; sie besagt nichts uber mogliche chronische (Langzeit-)Wirkungen. Ethanol zum Beispiel, das berauschende Prinzip alkoholischer Getranke, scheint nach Tab. 2.2 zu den harmlosesten aller Stoffe zu gehoren, obwohl an den Langzeitwirkungen des Ethanols weit mehr Menschen sterben, als an denen aller anderen genannten Substanzen zusammen. Auch wenn ein sehr grobes Ma13 fur die gesundheitliche Beurteilung eines Stoffes liedie LDSO fert, wird sie doch als wichtige Kennziffer fur den gewerblichen Umgang mit Stoffen aller Art betrachtet. Veranderungen (Mufarionen) der Erbsubstanz, des genetischen Materials (im wesentlichen DNS, Desoxyribonukleinsaure, nach dem englischen Namen auch DNA genannt), konnen zu Krebs und anderen Krankheiten fuhren. Falls sie sich
Einige Crundbegrijjie
18 labelle 2.2:
Einteilung von Stoffen in Gefahrenklassen auf Basis der oralen L k o b e i der Ratte ( L 4 0nach [40], z.TI. nach neueren Queilen erglnzt) 3ereich der oralen
Beispiele
< 25
gewicht) Botulinustoxin (Bakterlentoxin) TCDD (" Sevesogift" Tetrodotoxin (marines Toxin) Saxitoxin (marines ToxinJ Strychnin (Gift der BrechnuR) Natriumcyanid Parathion Ilnsektizid) Aflatoxine (Schimmelpilzgift) Arsenik
25-200
Nikotin Dieldrin (Insektizid) Dinoseb (Herbizid) Lindan (Insektizid) Natriumnitrit (E 250)
200-2000
DDT (Insektizid) Carbaryl tlnsektizid) Thiram (Fungizidl Diquat (Herbizid) PhosphorGure IE 338) Alachlor (Herbizid) Maltol (E 6361
> 2000
orale LD, (mg/kg Korper-
LD, (mglko Kijrpergewicht)
Metazachlor (Herbizid) Natriumchlorid Niacinamid (Vitamin) Milchsaure tE 270) Natriumbenzoat (E 21 1) Diflubenzuron (Insektizidl Chlorpropham {Herbizid) Methanol Ethanol Vinclozolin (Fungizidj Mannit (E 421 } Folpet (Fungizid) Natriumcyclarnat (E 952) Carbendazim (Fungizid) Saccharin (E 954) Saccharose
0,00001 0.01 0,Ol (Maus i.p.1 0.01 (Maus i.p.1 5
64 6-15 7.2 14,6 50 40-90 60 90-250 185 250 510-850 500-1000 780-860 810 930-1350 1410 2150 3000 3500 3540 4070 4640 5000-7000 5630 7060 10000 13500 > 10000 15250 > 15000 17000 (Maus) 29700
Methoden der Toxizitatsprufung
19
in Keimzellen (Ei- oder Samenzellen) ereignen, kann dies Fruchtbarkeitsstorungen, embryonale MiCbildungen oder Erbkrankheiten bei den folgenden Generationen verursachen. Die Prufung auf Gentoxizitiit ist daher ein wichtiger Schritt toxikologischer Prufverfahren. Es sind dafur zahlreiche Methoden entwickelt worden, von denen der einfach und schnell durchfuhrbare, nach seinem Erfinder, dem amerikanischen Biochemiker BRUCE AMES,benannte Ames-Test oder Salmonella-Mutagenitltstest am bekanntesten ist. Zur Durchfuhrung dieses Tests werden Zuchtstamme von Salmonella typhimurium verwendet, die ohne die Aminosaure Histidin nicht wachsen konnen. Bringt man eine Zellsuspension eines solchen (his -)-Stammes auf einen histidinfreien Agarboden, bilden sich nur mikroskopisch kleine Bakterienkolonien. Setzt man der Zellsuspension eine Priifsubstanz zu, die mutagen wirkt, so werden Ruckmutationen zum Wildtyp (his+) ausgelost, der auch ohne Histidin wachsen kann. Es entstehen sichtbare Kolonien, um so mehr, je starker die mutagene Potenz der Priifsubstanz ist.
Neben in vitro Mutagenitatstesten an Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen und Saugetierzellen gibt es in vivo Teste an Mausen, Chinesischen Hamstern und Taufliegen. Viele Testsubstanzen die als Lebensmittelzusatzstoff, Pflanzenschutzmittel oder Arzneimittel vorgesehen waren, gelangen bei der toxikologischen Prufung nicht uber die Gentoxizitatsteste hinaus. Hat eine Substanz ausgepragt gentoxische Wirkungen, dann lohnt es sich meist nicht, die hohen Kosten fur weitere Prufungen auszugeben. Insofern haben die schnell durchfuhrbaren und wenig kostenaufwendigen in vitro Mutagenitiitsprufungen eine wichtige Sieb- (screening-) Funktion. Sie sind jedoch kein Ersatz fur Kanzerogenitatsprufungen an Tieren. AMESselbst hat auf die mangelhafte Konkordanz der Ergebnisse von Mutagenitats- und Kanzerogenitatsprufungen hingewiesen. Von Stoffen, die bei Maus und Ratte kanzerogen wirkten, waren 65 % mutagen; von Stoffen die bei beiden Tierarten nicht kanzerogen wirkten, waren 33 % mutagen [41]. Einige neuere Methoden, wie der Test auf nichtprogrammierte Zellproliferation [42], korrelieren anscheinend besser mit der Kanzerogenitat als der Ames Test, sie sind jedoch noch nicht mit so vielen Testsubstanzen durchgefuhrt worden wie dieser und miissen sich in der Praxis erst noch bewahren. Sto~~echseluntersuchungen dienen der Charakterisierung der toxikokinetischen und toxikodynamischen Eigenschaften einer Substanz. Zunachst an Versuchstieren, soweit dies moglich ist auch an Versuchspersonen, wird das Verhalten der Substanz im Organismus gepruft. Wird sie unverandert mit dem Kot ausgeschieden oder wird sie im Verdauungstrakt resorbiert? Wie verteilt sie sich im Organismus? Wird sie unverandert im Urin ausgeschieden oder entstehen Umwandlungsprodukte? Wie verhalten diese sich? Mit welcher Geschwindigkeit verlassen die Priifsubstanz und die eventuell daraus entstehenden Produkte den Korper (Halbwertszeit)? Welche phannakodynamischen/toxischen Wirkungen sind feststellbar, mit welcher Dosis-Wirkungsbeziehung? (Abbildung 2.1). Was sind die Zielorgane, die Angriffspunkte (Rezeptoren) dieser Wirkung? Zur subchronischen Toxizitatspriifing erhalten Gruppen von Versuchstieren (meist Ratten, Hunde) 90 Tage lang die Priifsubstanz im Futter oder Trinkwasser in unterschiedlicher Dosierung. Die hochste Dosis sol1 im toxischen Bereich liegen, etwa bei 10-20 % der LDm. Gewichtsentwicklung, Futter- und Wasserverbrauch und Allgemeinverhalten werden registriert, Blutbild und
20
Einige Grundbegriffe I
t
cn C
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3
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Dosis
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Abbildung 2.1: Typische Dosis-Wirkungskurve (fur nicht kanzerogene Stoffe). Harnstatus bestimmt. Am Versuchsende werden alle iiberlebenden Tiere seziert und untersucht, einschlieBlich histo-pathologischer Untersuchung der Organe. Manchmal wird auch die subakure ToxizirdfsprLifung durehgefiihrt, worunter man eine 28-tagige Verabreichung der Testsubstanz versteht. Diese Untersuchungen dienen der Feststellung des toxischen Wirkungsspektrums der Substanz (was sind die Zielorgane? Leber, Niere, blutbildendes System, Zentralnervensystern?) und der Klarung, welche Dosierung im chronischen Test gewahlt werden soll. Die vorher erwahnten Stoffwechseluntersuchungen werden oft im Rahmen einer subakuten oder subchronischen Toxizitatspriifung ausgefuhrt.
Die Priifung auf Reproduktionstoxizitiit dient der Feststellung,ob die Testsubstanz negative Wirkungen auf die Vermehrungsfahigkeit hat und ob sie fruchtschadigend (terutogen) wirkt. Die Substanz wird den Elterntieren (Ratten, Kaninchen, seltener Mause) bereits vor der Verpaarung und wahrend der gesamten Tragezeit verabreicht - in unterschiedlicher Dosierung, etwa wie beim subchronischen Test. Soweit es sich urn einen Mulrigenerationsresr handelt wird die Testsubstanz wahrend der Laktationsperiode den Muttertieren und nach der Entwohnung den Jungtieren gegeben, die dann wieder verpaart werden und die nachste Generation produzieren. Zahl und Art der MiBbildungen bei jedem Wurf, Zahl, Gewicht und Geschlecht der lebenden und der toten Jungtiere, Zahl und Gewicht nach 1 , 2 und 3 Wochen (Ende der Laktationsperiode) werden registriert.
Die Priifung der chronischen Toxizitat dauert mehrere Jahre und ist auch hinsichtlich der erforderlichen Tierzahl und der durchzufuhrenden Untersuchungen der aufwendigste Ted der toxikologischen Aufgaben. Neben einer Gruppe von Tieren, die Futter und Trinkwasser ohne Priifsubstanz erhalten (Negativkontrolle). werden mindestens drei, besser vier Gruppen eingesetzt, denen die zu priifende Substanz im Futter oder Trinkwasser verabreicht wird. Oft wird noch eine Positivkontrolle verlangt, d.h. eine weitere Gruppe von Tieren, denen eine bekannt toxische (z.B. kanzerogene) Substanz verabreicht wird. Damit sol1 gepruft werden, o b die gesamte Versuchsdurchfiihrung iiberhaupt in der Lage ist, bestirnmte gesundheitsschadliche Wirkungen erkennen zu lassen. Die hochste Dosis sollte schwach toxische Wirkung besitzen (effecf level, z. B. 10 % weniger Gewichtszunahme als in der Negativkontrollgruppe), die niedrigste sollte gerade noch keine Wir-
Das ADI-Konzept
21
kung zeigen (no effect level). Wenn die Prufung auf Kanzerogenitat im Vordergrund steht, wird, statt die hochste Dosis auf schwache toxische Wirkung abzustellen, oft die maximal toferierbare Dosis (MTD) verabreicht, bei der man auch starkere toxische Wirkungen in Kauf nimmt. Es besteht jedoch in dieser Hinsicht keine vollige Ubereinstimmung unter den Toxikologen. Wie in Kapitel 3 uber Chlorkohlenwasserstoffe und in Kapitel 8 uber Zusatzstoffe geschildert, hat die Verabreichung der MTD im chronischen Test zu manchen Konflikten daruber gefiihrt, ob ein Stoff als kanzerogen zu klassifizieren ist oder nicht. Zwischen hochste und niedrigste Dosierung werden ein bis zwei mittlere Dosierungen gelegt, und zwar so, da8 sich gleich grol3e logarithmische Intervalle ergeben. Aus praktischen Grunden wird die Priifsubstanz meistens in konstant bleibenden prozentualen Zumischungen verabreicht, 2.B. 0 %, 0,2S %, 0,s %, 1 YO,2 % im Futter oder Trinkwasser. Die Ratte ist die bevorzugte Tierart fur die Langzeitpriifung. Begonnen wird mit sehr jungen Tieren, die gerade von den Miittern abgesetzt worden sind. Die l i e r e bleiben fur die restliche Dauer ihres Lebens im Test, das heiBt bei der Ratte 24-30 Monate. Bei anderen Versuchstieren (Hund, Schwein, Affe) wird die Testsubstanz mindestens ein Jahr lang, oft aber auch mehrere Jahre verabreicht. Gelegentlich erfolgt die Exposition bereits im Mutterleib, d. h. die Elterntiere werden mit in die Priifung einbezogen. Pro Versuchsgruppe werden bei Ratten im allgemeinen je 50 mannliche und weibliche Tiere eingesetzt, bei funf Gruppen also SO0 Tiere, bei 6 Gruppen (rnit Positivkontrolle) 600 Tiere. Wird der Langzeittest mit der Priifung auf Reproduktionstoxizitat kombiniert, wird ein Teil der Tiere, wenn sie das Alter der Fortpflanzungsfahigkeit erreicht haben, gepaart und das Aufzuchtergebnis der Nachfolgegeneration registriert. Oft sieht das Versuchsprotokoll vor, daS auch dieser F,-Generation und deren Nachkommen (F,-Generation) die Prufsubstanz verabreicht wird. Im Gesamtversuch sind dann nicht selten meherere tausend Ratten zu futtern, zu untersuchen und ihre Testdaten zu registrieren und auszuwerten (Futterverzehr, Wachstum, Blutbild, Histopathologie u.a.).
Die Kosten fur die Prufung eines Stoffes nach Tabelle 2.1 wurden 1990 mit mindestens 5 Mio. DM angegeben und werden inzwischen entsprechend hoher sein. Wenn ein Ergebnis unsicher ist und Wiederholungen, eventuell mit groaeren Tierzahlen oder weiteren Tierarten erforderlich sind, kann auch ein Mehrfaches dieses Betrages zustandekommen. Die erforderlichen Untersuchungen erstrecken sich dann uber 5-6 Jahre und das Pruf- und Zulassungsverfahren kann sich uber einen Zeitraum von 10-20 Jahren hinziehen, wie dies fur den Fall des von der BASF entwickelten Pflanzenschutzmittels Bentazon geschildert wurde [43]. Beriicksichtigt man noch die okotoxikologische Prufung (Abbauverhalten der Substanz in Boden und Wasser, EinfluB auf Pflanzen und Tiere in der Umwelt) so mu13 man fur die Kosten der Sicherheitsforschung, die fur die Neuzulassung zum Beispiel eines Pflanzenschutzmittels erforderlich ist, mit 100 Millionen DM rechnen, wie fur ein Produkt der Bayer AG angegeben wurde [44].
Das ADI-Konzept Eine wesentliche Funktion der Langzeituntersuchungen ist die Feststellung der Dosis ohne erkennbare Wirkung oder des no effect level, d. h. derjenigen Dosis, die im Langzeitversuch keine Wirkung auslost. Da schwache Effekte unter Umstanden nicht erkannt werden, sollte man genauer vom no observed effect level (NOEL) sprechen. Manchmal begegnet man auch der Bezeichnung no observed adverse effect level, die zum Ausdruck bringt, dalj schadliche Wirkungen gemeint sind. Haufig werden jedoch diese Begriffe synonym verwendet. NOEL-Werte von uber 600 Verbindungen haben MUNROund Mitarbeiter zusammengestellt [45].
22
Einige Grundbegriffe
Aus dem im Tierversuch bestimmten NOEL wird die duldbare tugliche Aufnahmemenge (DTA) fur den Menschen berechnet; der englische Ausdruck acceptable daily intake (ADI) hat sich jedoch auch im deutschen Sprachbereich weitgehend durchgesetzt. Im allgemeinen wird der an Ratten bestimmte NOEL-Wert zugrunde gelegt, wenn sich jedoch eine andere Tierart als empfindlicher erwiesen hat, geht man von diesem niedrigeren NOEL-Wert aus. Er wird im allgemeinen durch 100 geteilt, um zum ADI-Wert zu kommen. Der Sicherheitsfaktor 100 setzt sich zusammen aus einem Faktor 10, der die Unsicherheit bei der Ubertragung der Ergebnisse vom Tierversuch auf den Menschen beriicksichtigen soll, und nochmals einem Faktor 10, wegen des breiten Spektrums unterschiedlicher Empfindlichkeit in der menschlichen Bevolkerung (Kinder, Schwangere, Alte, Kranke usw.). Der ADT-Wert stellt die aus toxikologischer Sicht unbedenkliche Dosis dar, die taglich und lebenslanglich ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann (without appreciable health risk) [4613. Je nachdem wie die toxikologische Beurteilung ausfallt, kann der Sicherheitsfaktor auch iiber oder unter 100 liegen. So hat man den ADI-Wert fur das Fungizid Captan unter Verwendung des Sicherheitsfaktors 1o(x) sehr niedrig angesetzt. weil bei Verabreichung hoher Captan-Dosen Geburtsmiabildungen bei Ratten und Hamstern auftraten. Dagegen wurde der ADI-Wert fur das Insektizid Chlorfenvinphos mit dem Sicherheitsfaktor 25 ermittelt, da als einzige Wirkung bei hoher Dosierung dieses Stoffes eine Hemmung des Enzyms Cholinesterase beobachtet wurde.
Im Prinzip erhalten krehserzeugende Stoffe keinen ADI-Wert. Dieser Grundsatz wurde zu einer Zeit aufgestellt, als man glaubte, zwischen kanzerogenen und nichtkanzerogenen Substanzen ganz klar unterscheiden zu konnen. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dalJ viele Stoffe bei Mausen und Ratten krebserregend wirken, die keine Anzeichen einer Krebswirksamkeit beim Menschen bieten. Die widerspriichlich erscheinenden Befunde werden zum Teil durch die, im Vergleich zur geringen Konzentration der betreffenden Testsubstanzen in Lebensmitteln, sehr hohe Dosierung bedingt (MTD, maximum tolerated dose), die bei Tierversuchen meist verwendet wird [49]. Es spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die bei Tierversuchen meist angewendete ad libitum Fiitterung, die zu einer Verfettung der Tiere fiihrt, welche die Krebsentstehung begiinstigt [50]. Wissenschaftler der Internationalen Organisation fur Krebsforschung in Lyon klassifizierten im Jahre 1993 etwa 30 Substanzen als fur Menschen kanzerogen [51]. Aufgrund neuerer Untersuchungen sind seither einige Stoffe zu der Liste hin~ugekommen~. Bei den nunmehr etwa 40 Substanzen handelt es sich iiberwiegend um Arbeitsplatzstoffe in der chemischen oder metallverarbeitenden Industrie und um Medikamente, wahrend nur wenige in Lebensmitteln vorkommen -
’ Der
Risikobegriff ist f u r das Verstandnis des ADI-Konzepts wichtig. Grftig und riskunt sind nicht identisch. Ein relativ ungiftiger Stoff wie DDT kann riskant sein, z. B. wegen hoher Persistenz und weiter Verbreitung. Ein sehr giftiger Stoff kann mit geringem Risiko verbunden sein, wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, daa er auf jemand einwirken kann. Naheres zur Risikoanalyse bei [47. 481 Der neueste Zugang zur Liste der mit Sicherheit als humankanzerogen klassifizierten Stoffe heiBt kristallines Siliziumdioxid, besser bekannt unter dem Namen Sand. Basis fur diese Klassifizierung ist das vermehrte Auftreten von Lungenkrebs bei Arbeitern, die Feinsandstaub in der Atemluft ausgesetzt waren [52]
Das ADI-Konzept
23
und diese sind Naturstoffe, wie Alkohol und Aflatoxine (Kap. 7). Daneben sind etwa 2000 tierexperimentelle Kanzerogene bekannt und die Zahl der Substanzen, die aufgrund von in vitro Untersuchungen als krebsverdachtig gilt, ist ,,nicht mehr verlal3lich zu beziffern", so der Wurzburger Toxikologe HENSCHLER [53].Wahrend in der offentlichen Diskussion oft der Verdacht geauBert wird, Tierversuche seien nicht empfindlich genug, um Kanzerogene zu erkennen, sind viele Stoffe aufgrund von Tier- oder in vitro-Versuchen als krebserregend oder als krebsverdachtig klassifiziert worden, die in den in der Nahrung vorkommenden Konzentrationen fur den Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach harmlos, ja zum Teil sogar fur die menschliche Ernahrung essentiell sind. Soweit sich hier die toxikologische Bewertung irrt, irrt sie sich auf der sicheren Seite. Um eine differenzierende Einteilung krebsverdachtiger, im Tierversuch krebserzeugender und beim Menschen krebserzeugender Stoffe zu ermoglichen, haben verschiedene Fachgremien unterschiedliche Schemata fur die Klassifizierung erarbeitet. Einer der Einteilungsvorschlage, zunachst fur Arbeitsstoffe gedacht, aber auch auf andere Stoffe anwendbar, wird in Tabelle 2.3 gezeigt. Aus der Beschreibung der Kategorien 4 und 5 wird ganz deutlich, daS es krebserzeugende Stoffe gibt, von denen kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko fur den Menschen erwartet wird. Die Fortsetzung der Biomarker-Untersuchungen uber Zusammenhange zwi-
Tabelle 2.3: Einstufung krebserzeugender Stoffe (nach [54). modifiziert) Kafegorie 1 Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen. Kategorie 2 Stoffe, die als krebserzeugend fur den Menschen anzusehen sind, weil durch Langzeit-Tierversuche oder Hinweise aus Tierversuchen und epidemiologischen Untersuchungen davon auszugehen ist, daO sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten. Kategorie 3 Stoffe, die wegen moglicher krebserzeugender Wirkung beim Menschen Anla8 zur Besorgnis geben, aber aufgrund unzureichender lnformationen nicht endgultig beurteilt werden konnen. Kafegorie 4 Stoffe mit krebserzeugender Wirkung, fur die aufgrund von Kenntnissen zurn Wirkungsmechanismus bei Einhakung eines bestimmten Grenzwertes kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko beim Menschen zu erwarten ist. Kategorie 5 Stoffe mlt krebserzeugender und gentoxischer Wirkung, deren Wirkungsstarke iedoch als so gerlng erachtet wird, daO unter Einhaitung eines bestimmten Grenzwertes kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko fur den Menschen zu erwarten ist.
24
Einige Grundbegriffe
schen spezifischen chemischen Veranderungen in Zellen (z. B. Bildung von DNAAddukten) und Krebshaufigkeit bei Menschen und Tieren wird kiinftig die Beurteilung der kanzerogenen Eigenschaften der gepruften Stoffe erleichtern [55]. Die Unsicherheit bei der Entscheidung, o b eine bei hoher Dosierung im Tierversuch krebserzeugende Substanz auch bei sehr geringer Dosierung als kanzerogen zu klassifizieren ist, hangt mit der Unsicherheit uber den Verlauf der DosisWirkungskurve im Bereich geringer Dosen zusammen. Der in Abb. 2.1 gezeigte Verlauf ist typisch fur nichtkanzerogene Stoffe. Abbildung 2.2 entspricht im Bereich der durchgezogenen Geraden A der experimentellen Beobachtung im Tierversuch. Den Kurvenverlauf links von der durchgezogenen Geraden kennt man bisher nicht. Er ist aus praktischen Griinden (begrenzte Zahl von Versuchstieren) durch die ublichen Tierversuche nicht zu ermitteln. Man unterscheidet bei den Kanzerogenen einerseits tumorauslosende Stoffe, die direkt oder nach metabolischer Umwandlung mit der Erbsubstanz DNA reagieren und dadurch Mutationen verursachen, und andererseits das Tumorwachstum fordernde Stoffe. Fur erstere, die gentoxischen Stoffe oder Initiatoren, wird meist die lineare Extrapolation entsprechend der gestrichelten Geraden B angenommen, fur letztere, die nicht mit DNA reagierenden Promotoren, meist ein Verlauf mit Schwellendosis, etwa wie in Kurve C dargestellt. Es mehren sich allerdings die experimentellen Hinweise auf einen nichtlinearen Verlauf und die Existenz einer Dosisschwelle auch bei gentoxischen Stoffen [56, 571. Das Konzept der Festsetzung von ADI-Werten ist vielfach kritisiert worden. Schon der Name Sicherheitsfaktor irritiert, weil es eigentlich ein Unsicherheitsfaktor ist - und im Englischen wird haufig der Ausdruck uncertainty factor verwendet. Der Wert 100, gebildet aus 10 ma1 10, ist keine wissenschaftlich fundierte GroBe, sondern ein auf langer toxikologischer Praxis beruhendes Hilfsmittel. Das ADI-Kozept hat sich jedoch in den uber drei Jahrzehnten seit es angewendet wird, gut bewahrt. Bei der Diskussion uber die Prinzipien der Ermittlung von ADTWerten geht es mehr um Einzelheiten der praktischen Anwendung als um Grund-
Wahrscheinlichkeit der Tumorentstehung
#I B,."' I I
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Das ADI-Konzept
25
satzkritik. Bessere, realisierbare Alternativen sind jedenfalls nicht vorgeschlagen worden. Es gibt Verbesserungsvorschlage, die jedoch das bisherige Vorgehen nicht grundsatzlich andern, sondern es modifizieren. Mit dem sehr grorjen Abstand zwischen tolerierter Dosis im Tierversuch und duldbarer taglicher Aufnahme fur den Menschen hat das ADI-Konzept eine wirksame Barriere zum Schutz der Verbraucher vor zu hoher Aufnahme von Ruckstanden und Zusatzstoffen in der Nahrung errichtet. Wie hoch diese Barriere ist, sieht man beim Vergleich mit dem oft sehr geringen Abstand zwischen notwendiger Dosis und schadlicher Dosis bei naturlichen Inhaltsstoffen der Lebensmittel. Ein Beispiel hierfur: bei der Ratte findet man toxische Wirkungen bereits bei einem Selengehalt des Futters von 4 mg/kg, wahrend 1 mg/kg benotigt wird, um Selenmangel zu verhindern. Als weiteres Beispiel sei das Kochsalz, Natriumchlorid, erwahnt. Der NOEL fur Kochsalz wurde im 100-Tage-Versuchan Ratten zu etwa 2 g/kg Korpergewicht und Tag ermittelt. Ware Kochsalz als ein neuer Zusatzstoff in der Diskussion, wiirde sein ADI-Wert vermutlich auf 20 mg/kg festgesetzt. Bei 70 kg Korpergewicht waren das 1,4 g am Tag - knapp ausreichend, urn den Minimalbedarf des Korpers an Natrium- und Chloridionen zu decken. Da bei starker korperlicher Betatigung und bei sommerlichen Temperaturen vie1 Natriumchlorid durch Perspiration verloren gehen kann, wird fur Erwachsene eine Kochsalzzufuhr von 5 g pro Tag empfohlen [58]. Tatsachlich liegt der mittlere Kochsalzverzehr Erwachsener bei etwa 9 g taglich. Von einer Zufuhr von mehr als 10 g taglich wird aus gesundheitlichen Grunden abgeraten. Akute Vergiftungen kommen immer wieder vor [59]. Bei Kindern kann bereits eine Dosis von 1 g k g Korpergewicht zum Tod fuhren [60]. Bemerkenswerterweise enthielten die verschiedenen Richtlinien fur die Durchfuhrung der toxikologischen Priifung neuer Substanzen bisher keine Vorschriften fur die Prufung auf allergene Wirksamkeit, da es bis vor kurzem keine zuverlassigen Routinemethoden zur Durchfuhrung solcher Prufungen gab. Sie sind erst in neuester Zeit, vor allem mit dem Ziel der Prufung gentechnisch gewonnener Lebensmittel und anderer novel foods entwickelt worden [61]. Inwieweit sie in der Lage sind, eine allergene Wirkung auf Menschen zuverlassig vorherzusagen bzw. auszuschlierjen, murj die Erfahrung zeigen. Fest steht, darj diese immunoassays nur zur Prufung auf echte allergische Reaktionen geeignet sind, das heirjt auf solche, die eine Reaktion des Immunsystems auslosen. Fur die experimentelle Erkennung eines Potentials fur pseudoallergische Reaktionen oder Intoleranzen, um die es sich bei Unvertraglichkeit von Zusatzstoffen meist handelt, gibt es bisher keine Moglichkeit (Kap. 9). Auch fur die Klarung der Frage, ob eine Substanz das Immunsystem von Versuchstieren oder Menschen beeintrachtigen kann, sind erst in neuerer Zeit zuverlassige Methoden verfugbar geworden [62]; die Zmmuntoxikologie hat sich zu einem bedeutenden Zweig der Toxikologie entwickelt. Eine weitere Unterdisziplin der Toxikologie ist die Neurotoxikologie, die sich mit schadlichen Wirkungen von Stoffen auf das Nervensystem beschaftigt; zu ihren Aufgaben zahlt auch die Erkennung moglicher Wirkungen auf das Verhalten. Die Frage, ob ADI-Werte auch fur Jugendliche und Kleinkinder gelten, wurde von einer internationalen Expertengruppe diskutiert [63]. Man war sich einig, daB bis zum Alter von 12 Wochen die zur Ausscheidung oder Metabolisierung von korperfremden Substanzen dienenden Enzymsysteme noch nicht voll entwickelt
26
Einige Grundbegriffe
sind und das ADI-Konzept daher erst ab der 13. Lebenswoche anwendbar ist. Die Risikobewertung fur den heranwachsenden Organismus ist weiterhin ein wichtiges Thema der toxikologischen Forschung [64].
Hochstmengen Bisher war wiederholt von der Dosis die Rede, d.h dem auf das Korpergewicht bezogenen Tages- oder Wochenverzehr. Es konnen aber nur Gehalte (genauer gesagt Konzentrationen) in Lebensmitteln durch Rechtsvorschriften geregelt werden. Die duldbare Konzentration (permissible level, P L ) ist die aus dem ADI-Wert und der mittleren taglichen Verzehrsmenge der diesen Stoff enthaltenden Lebensmittel errechnete Konzentration. In einem Lebensmittel wie Kaviar, von dem nur geringe Mengen verzehrt werden, kann man offensichtlich hohere Konzentrationen eines Zusatzstoffes dulden als in Hauptbestandteilen der Nahrung, wie Brot. Handelt es sich nicht um einen Zusatzstoff, sondern um einen Ruckstand, so spricht man statt vom permissible level vom maximum residue level ( M R L )oder ,,maximalen Riickstandswert". Hiichstmengen sind Konzentrationen von (Fremd-)Stoffen in Lebensmitteln, die aus Griinden der Gesundheitsvorsorge nicht iiberschritten werden sollen'. Die Hochstmenge kann identisch sein mit der aus dem ADI-Wert berechneten duldbaren Konzentration, sie liegt aber im allgemeinen vie1 niedriger, weil grundsatzlich nur diejenige Konzentration als Hochstmenge erlaubt wird, die (bei Zusatzstoffen) technologisch notwendig ist, um den gewiinschten Zweck zu erreichen oder die (im Fall eines Pflanzenschutzmittels) bei guter landwirtschaftlicher Praxis als unvermeidlicher Riickstand zu betrachten ist. Die vier Stufen von der Feststellung des no effect level im Tierversuch bis zur Festsetzung der Hochstmenge im Lebensmittel sind in Tabelle 2.4 fur das Beispiel des Insektizids Diflubenzuron zusammenfassend dargestellt. Wenn es sich statt um ein Pflanzenschutzmittel um einen Lebensmittelzusatzstoff handelt, sieht das Verfahren genau so aus, nur heiBt es dann unter Punkt 4b ,,technologisch notwendige Konzentration" statt ,,unvermeidlicher Riickstand bei guter landwirtschaftlicher Praxis". Wahrend die ADI-Werte von internationalen Gremien festgesetzt und weltweit anerkannt werden, ist die Festsetzung von Hochstmengen Sache administrativer nationaler Entscheidungen. Was eine technologisch notwendige Konzentration eines Zusatzstoffs ist oder was man als gute landwirtschaftliche Praxis versteht, kann zum Beispiel in tropischen Regionen durchaus anders beurteilt werden als in Zonen gemal3igten Klimas. Die vom Verbraucher tatsachlich verzehrte Dosis liegt noch weit unter dem zugelassenen Wert, da - obwohl zulassig - nicht allen Lebensmitteln der betreffende Zusatzstoff zugesetzt bzw. bei einem Pflanzen-
' In der Trinkwasser-Verordnung werden statt Hochstrnengen Grenzwerfe festgesetzt. Die toxikologischen Beurteilungsgrundlagen fur die Festlegung von Grenzwerten unterscheiden sich grundsltzlich nicht von denen der Hochstmengen. Die Kontamination von Trinkwasser wird jedoeh als besonders sensitives Problem angesehen, so daB fur Grenzwerte irn allgemeinen noch hohere Sicherheitsfaktoren als bei der Festlegung von Hochstmengen verwendet werden. Im ubrigen werden die Bezeichnungen Grenzwert und Hochstrnenge oft als synonym betrachtet
Hochstrnengen
27
~
Tabelle 2.4: Ermittlung des ADI-Wertes und der zulBssigen HOchstmenge. dargestellt am Beispiel des lnsektizids Diflubenzuron Verfahrensschritte
Beispiel Diflubenzuron ~~
1. Festellung der unwirksamen Dosis (NOEL1
Ratten haben 40 mg Diflubenzuronlkg Futter
bei der empfindlichsten Tierart im
ohne Beeintrlchtigung der Gesundheit
Langzeltversuchin mglkg Futter bzw. mg1kp
vertragen. Bei 2008 Kdrpergew. und 100
Kbrpergew.
Futterverzehr/Tag ergibt sich ein NOEL von 2 mgkg Kiirpergewicht AD1 = 2:100 = 0.02 mglkg Korpergewicht
2. Ermittlung des AD1 in mglkg Kbrpergew., im allgemeinen 11100 des NOEL
Wenn Diflubenzuron in 200g Lebensmittel
3. Duldbare Konzentration im Lebensmittel
(Apfel, Birnen) des Tagesverzehrs vorhanden und Kbrpergewicht 60 kg AD1 x K6rpergew.Mensch lkgl =
0.02 x 60
-
Tegesverzehr Lebensm. lkgl
=
6 mglkg Lebensmittel
02 4. Festsetzung der zullssigen Hbchstmenge a) duldbare Konzentration gem83 3.oder
a1 6 mg/kg Lebensmittel
bl unvermeidlicher Ruckstand bei guter
bl 1 mgkg
landwirtschaftl. Praxis Der jeweils kleinere der beiden Werte a1 und bl wird zur zullssigen HIjchstrnenge erkllrt
In diesem Fall Festsetzung der Hochstmenge auf 1 mg1kg Apfel, Birnen
I schutzmittelruckstand nicht in jeder Pflanze der MRL-Wert erreicht wird. Fur den Fall des Konservierungsstoffes Sorbinsaure und des Pflanzenschutzmittels Lindan werden diese Verhaltnisse in Tabelle 2.5 [65] dargestellt. Mit Abbildung 2.3 [66] wird der Versuch gemacht, die GroBenordnungen fur den Fall Sorbinsaure graphisch zu verdeutlichen. Die ,,theoretische maximale tagliche Aufnahme" (theoretical maximum daily intake, TMDI; in alteren Arbeiten auch potential daily intake, PDI, genannt) ist ein hypothetischer Wert, der unter der Annahme ermittelt wird, daB alle Lebensmittel, in denen der Stoff erlaubt ist, diesen tatsachlich in der maximal zugelassenen Konzentration enthalten, - die betreffenden zusatzstoffhaltigen Lebensmittel taglich konsumiert werden und - der Zusatzstoff bei Herstellung, Lagerung und Zubereitung der Lebensmittel keinem Abbau unterliegt. -
28
Einige Grundbegriffe rabelle 2.5: Toxikologische Beurteilung und pro-Kopf Aufnahme eines Zusatzstoffes (Sorbinsawe)" und eines Pflanzenschutzrnittels (Lindanp
l-A
Tagesaufnahme Sorbinssure
I
Tagesaufnahme Lindan pro 60 kg
Unschadliche Dosis 2500mg im Tierversuch
-
(NOEL) Tagesdosis fiir den
Aufnahme ITMDI) tsgliche Aufnahme IEMDI) 50
I
500
I
' Erlaubt rind bei SorbinrBure, je nach Verwendunpszweck, 0,l-2.5p/kp in Marinaden, Fischpaste. Fleischsalat, Sauerkonserven, Senf, Schnittbrot und einipen anderen Produkten .'I
Hbchstrnenpen fiir Lindan betrapen firr BIatt-, Kohl- , Zwiebel- und SproDgemure 2, Frucht-, Wurzei-
und Knollengemhe sowie Obst auDer Trauben 1, Trauben 0.5, Tea 0.2. Getreide, Kartoffeln, HGlsenfriichte, Karotten. Zuckerrirben 0,l und andere pflanzliche Lebensrninei 0.01 mpikp. Fur Lebensmittd tierischer Herkunfl pin: Schaffleisch 2, sonstiges Fleisch und Eler 1, Fische und Fischerzeugnisse 0.5, Milch und Milcherzeugnisse 0.2 rnplkp. jeweils bezopen auf &en Fettgehalt lAufz6hlung ieicht gskiirnl
Fur Pflanzenschutzmittel gilt: TMDI= Gesamtmenge der Lebensmittel, die den Stoff enthalten konnen (kg pro Tag) x MRL-Wert (mg/kg). Bei Lebensmittelzusatzstoffen ist ,,MRL-Wert" durch ,,Hochstmenge" zu ersetzen. Die ,,geschatzte maximale tagliche Aufnahme" (estimated maximum daily intake, EMDZ) berucksichtigt dagegen, dalj die Industrie von der Zulassung eines Zusatzstoffes nicht immer Gebrauch macht oder weniger als die zugelassene Menge zusetzt, dal3 bei der Pflanzenproduktion ein erlaubtes Pflanzenschutzmittel nicht immer eingesetzt wird, dal3 die ruckstands- oder zusatzstoffhaltigen Lebensmittel nicht taglich verzehrt werden, und dal3 bei der Verarbeitung in der Industrie und der Zubereitung im Haushalt ein Anteil des Stoffes verschwindet [67, 681. In der Literatur findet man recht unterschiedliche Angaben fur TMDI- und EMDI-Werte, da diese davon abhangen, welche Zusatzstoff- oder Ruckstandsmenge erlaubt ist, was von einem Staat zum anderen unterschiedlich sein kann, welche Rezepturen die Industrie verwendet und was die Verzehrsgewohnheiten der Bevolkerung sind. Die in Tabelle 2.5 angegebenen TMDI- und EMDI-Werte sind daher nur als eine grobe (und eher zu hohe als zu niedrige) Schatzung zu
Hochstmengen
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Im Tierversuch unschadliche Dosis (NOEL)
Duldbare Tagesdosis fOr den Menschen (ADI)
Theoretische maximale pro-Kopf-Aufnahme (TMDI)
E l
Geschatzte pro-Kopf-Aufnahme (EMDI)
Q
Tatsachliche (gemessene) pro-Kopf-Aufnahme
0
Abbildung 2.3: GroBenvergleich der im Tierversuch unschadlichen Dosis (NOEL) mil der duldbaren Tagesdosis fur den Menschen (ADI), der theoretischen maximalen (TMDI), der geschatzten Tagesdosis (EMDI) und der tatsachlichen pro-Kopf Aufnahme mit der Nahrung fur das Beispiel des Konservierungsstoffes Sorbinsaure.
betrachten. Beispiele fur die Berechnung von TMDI- und EMDI-Werten gibt [69]. Auch die geschatzte pro-Kopf Aufnahme EMDI ist, wie der Name sagt, ein Schatzwert, kein MeBwert. Will man die tatsachliche pro-Kopf Aufnahme bestimmen, mu13 man die Ruckstandsgehalte in Lebensmitteln messen und den pro-Kopf Verzehr dieser Lebensmittel kennen. Im allgemeinen geht man dabei von der Murktkorb- oder Wurenkorbunalyse aus. Den Mengenverhaltnissen der nationalen Verbrauchsstatistik entsprechend werden Lebensmittel im Einzelhandel (,,auf dem Markt") gekauft und analysiert. Die so ermittelten pro-Kopf Aufnahmen sind meist immer noch unrealistisch hoch, weil zum einen die Verbrauchsstatistik nicht die Wegwerfverluste im Haushalt berucksichtigt und weil zum anderen die Rohware analysiert wird, also nicht das tischfertig zubereitete Essen. Bei der Zubereitung in der Kuche konnen aber durch Schalen, Waschen, Erhitzen usw. erhebliche Anteile des betreffenden Stoffes verloren gehen. Die Ergebnisse der
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Einige Grundbegriffe
Marktkorbanalyse werden daher oft durch Korrekturfaktoren fur Wegwerf- und Zubereitungsverluste nach unten berichtigt. Ob dies geschehen ist oder nicht, mu13 bei einem Vergleich der Ergebnisse verschiedener Marktkorbanalysen unbedingt berucksichtigt werden. Die Auswahl und Menge der zu analysierenden Lebensmittel kann sich statt nach der Verbrauchsstatistik auch nach Verzehrshaufigkeits-Fragebogen (food frequency questionnaires) richten. So konnen fur bestimmte Bevolkerungsgruppen geltende Zufuhrwerte bestimmt werden (zum Beispiel geschlechtsspezifisch, altersgruppenspezifisch). Am zuverlassigsten sind die Ergebnisse von Duplikatanafysen. Bei diesem Verfahren arbeitet man mit freiwilligen Versuchspersonen, die bereit sind, von allem was sie im Lauf eines Tages essen, ein gewichtsgleiches Duplikat aufzubewahren. Die Mischung der an einem Tag von einer Person akkumulierten Duplikate wird homogenisiert und analysiert. Man kann dann prazise sagen, wieviel von einer bestimmten Substanz diese Person an diesem Tag eingenommen hat. Da die Verzehrsgewohnheiten von Individuen sehr unterschiedlich sind und auch von Tag zu Tag sehr differieren konnen, liefert die Duplikatanalyse allerdings nur dann brauchbare Ergebnisse, wenn sie mit einer groljeren Gruppe von Versuchspersonen an mehreren Tagen durchgefuhrt wurde. Solche Untersuchungen sind jedoch sehr aufwendig und daher nur selten moglich. Um das zeitraubende Abwiegen einzelner Nahrungsbestandteile zu vermeiden, nimmt man bei Gesamtnahrungsuntersuchungen (total diet studies) oft die in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung, wie Krankenhauser, Militarkasernen, Internatsschulen, ausgegebenen Tagesportionen fur die Analyse (Haupt- und Zwischenmahlzeiten, einschlieljlich Getranke). Da die angebotenen Portionen meist grol3er sind als die tatsachlich verzehrte Menge, kommt man bei diesem Verfahren im allgemeinen zu etwas hoheren Werten fur die Tageszufuhr als nach der Duplikatmethode - wenn nicht auch hier ein entsprechender Korrekturfaktor verwendet wird. Wie Tabelle 2.5 zu entnehmen ist, wird, wenn man vom Schatzwert EMDI ausgeht, der ADI-Wert fur Sorbinsaure zu etwa 4 Yo ausgeschopft (1:25), der ADIWert von Lindan zu 0.2 YO(1:600). Geht man von der tatsachlich gemessenen Aufnahme aus, so ist der Abstand zum ADI-Wert oft noch groBer, wie fur Ruckstande in Kapitel 3 und fur Zusatzstoffe in Kapitel8 gezeigt wird. Sorbinsaure und Lindan sind hier nur beispielhaft erwahnt worden, um die Prinzipien der Hochstmengenfestsetzung zu erlautern. Es sei bereits hier darauf hingewiesen, darj eine gelegentliche Uberschreitung einer Hochstmenge in einem Lebensmittel, selbst wenn sie zu einer erheblichen Uberschreitung des ADI-Wertes an dem betreffenden Tag fuhren sollte, gesundheitlich ohne Bedeutung ist, da es bei chronischer Exposition auf die mittlere Aufnahme uber Iangere Zeitraume ankommt. Ein hoherer Verzehr an einem Tag wird durch einen geringeren Verzehr an einem anderen Tag kompensiert. Selbstverstandlich darf der ADI-Wert nicht so stark uberschritten werden, dalj akut toxische Wirkungen auftreten konnen. Ah welcher Hohe oder Dauer und unter welchen sonstigen Bedingungen die Uberschreitung von ADI-Werten ein erhohtes Gesundheitsrisiko bedeutet, ist ausfuhrlich beraten worden [70]. Die Festsetzung von Hochstmengen fur Fremdstoffe in Wasser, Luft und Lebensmitteln wird immer wieder heftig angegriffen, z.B. 171-731. Der Rat von
Hochstmengen
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Sachverstandigen fur Umweltfragen sah sich daher veranlaDt, in mehreren seiner Umweltgutachten hierzu Stellung zu nehmen: Umweltgutachten 1978 (S. 18): ,,Bereits hier sei angemerkt, daR absolute Sicherheit vor Gesundheitsschaden eine Utopie ist. Sicherheit kann nur relativ gesehen werden. Alle Chemikalien, wie Wasser, Sauerstoff, Kochsalz, Vitamine oder Kohlendioxid, konnen unter extremen Bedingungen giftig oder sogar todlich sein. Bereits Paracelsus hat definiert, da8 die Dosis das Gift macht. Eine wesentliche Aufgabe der Toxikologie ist somit die Feststellung und Festlegung von Schwellen- oder Grenzwerten".
Umweltgutachten 1987 (S. 445): ,,In der Offentlichkeit wird zunehmend verlangt, nur noch solche Stoffe fiir den Konsum und in der Umwelt zuzulassen, deren Unschadlichkeit oder Unbedenklichkeit bewiesen sei. Dieses Verlangen kann nicht erfullt werden .... Ein Nuchweis der Unschadlichkeit eines Produkts oder Verfahrens ist nicht moglich. Dies gilt gleichermaaen fur natiirliche wie fur synthetische Stoffe.... Der wissenschaftliche Weg besteht vielmehr darin, aus der Kenntnis von Wirkungen und ihrem Zustandekommen sowie von Dosis-Wirkungsbeziehungen Bedingungen zu definieren, fur die Risiken abgeschatzt werden konnen. Das Bestreben muR sein, Wirkungen zu analysieren und nicht, nach Nichtwirkungen zu suchen".
Manche Kritiker argwohnen, die Hochstmengenfestsetzung habe Alibifunktion, sie diene den Behorden nur als Ausrede zum Nichtstun. Solange die Hochstmengen nicht uberschritten wiirden, sei kein Burokrat zum Handeln gegen die ,,Chemisierung" der Lebensmittel zu bewegen. Argumentiert wird vor allem mit der Unzuverlassigkeit von Tierversuchen, deren Ergebnisse nicht auf den Menschen ubertragbar seien. Brauchbare Gegenvorschlage fehlen jedoch. Die Kritik am Prinzip der auf Tierversuchen beruhenden Hochstmengen gipfelt sogar haufig in der Forderung nach mehr Hochstmengen. So schrieb der damalige Chefredakteur [71], nachdem er uber den ,,Faden Zauder Zeitschrift NATUR GERDSCHUSTER ber mit dem ADI" und den ,,Hokuspokus mit den Sicherheitsfaktoren" gewettert hatte: ,,Um der Pflanzenschutzmittel-Hochstmengenverordnung echten EinfluD zugunsten der Verbraucher zu geben, miiDte vie1 geandert werden. Unter anderem miiljten fur alle Wirkstoffe, ihre wichtigsten Abbauprodukte und alle in Lebensmitteln gefundenen Gifte Hochstmengen festgelegt werden". Vie1 Verwirrung entsteht in der Offentlichkeit durch Meldungen uber das blol3e Vorhandensein irgendeiner Substanz in Lebensmitteln, ohne Angabe uber die Konzentration und ob diese iiberhaupt als gesundheitsgefahrdend zu betrachten ist. Aus der Sicht von ZEIT-Illustrator VLADIMIR RENCIN(Abbildung 2.4) haben wir ziemlich groBe Pakete von Schadstoffen in unseren Kiichenschranken. Die chemische Analytik hat in den letzten Jahrzehnten riesige Fortschritte gemacht. Es konnen heute unvorstellbar geringe Spuren festgestellt werden - man findet fast alles in fast allem. Nicht nur Laien setzen oft den Nachweis des Vorhandenseins einer Substanz mit dem Nachweis einer Gefahrdung gleich. In Lebensmitteln und Trinkwasser, die man friiher fur ,,absolut sauber" gehalten hatte, findet man heute, dank der hochempfindlichen Analysemethoden, Spuren von Stoffen natiirlichen oder anthropogenen Ursprungs, die als unerwiinscht gelten, weil sie bei hoher Dosierung im Tierversuch Krebs oder andere Gesundheitsschaden verursachen. Abbildung 2.5 sol1 eine Vorstellung davon geben, in welche Konzen-
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Einige Grundbegriffe
., .. *
'
. .
Abbildung 2.4 .,Wer sucht, der findct.'. Illustration von VLADIMIR RENCINin DIE ZEIT. 7. Oktober 1983. (Mit freundlicher Genehmigung des ZEIT-Verlags).
Gravimetrie
Massenspektrographie(GC/MS) Radioaktivitatsmessung VC,3Hu.a.) Radioimmunoassay Laserfluoreszenzspektroskopie
I
-
Hochstmengen
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trationsbereiche einige moderne Analysemethoden vordringen konnen6. Die in den letzten Jahrzehnten erzielten Fortschritte in der Spurenanalytik beruhen nicht nur auf der Erfindung und Weiterentwicklung von Methoden, wie sie in Abb. 2.5 genannt werden, sondern auch auf der zunehmenden Verfugbarkeit von Standard Referenzmaterialien, ultrareinen Losungsmitteln und Reagenzien, der Moglichkeit in Reinstraumen zu arbeiten und der heute bei guten Analytikern selbstverstandlichen Beteiligung an Ringanalysen. Der VorstoB in immer niedrigere Konzentrationsbereiche wird sich fortsetzen und wird zur Folge haben, dao man in Lebensmitteln immer mehr Substanzen finden wird, von deren Vorkommen in der Nahrung man vorher nichts wuBte. Es IaBt sich vorhersehen, dalj dies in einer im Umgang mit Konzentrationsangaben wenig vertrauten offentlichkeit den Eindruck einer immer schlimmeren ,,Chemisierung" der Umwelt - und speziell der Lebensmittel- verstarken wird. In Tabelle 2.6 werden die bei Konzentrationsangaben verwendeten Einheiten genannt, einschliefllich der aus dem amerikanischen Sprachgebrauch stammenden pp-Einheiten, die nicht mehr verwendet werden sollten. Sie haben in der Vergangenheit oft zu Verwirrung gefiihrt, weil nicht beachtet wurde, dalj im amerikanischen Englisch die billion tausend Millionen entspricht, im britischen Englisch dagegen, wie im Deutschen, einer Million Millionen. Weitere Verwirrung kann es geben, wenn zum Beispiel die Einheit ppm als mg/L verwendet wird, statt wie es richtig ware, als mg/kg. Es sei hier noch auf einen weiteren Umstand hingewiesen, der Chemikern gelaufig ist, der jedoch in der offentlichen Diskussion iiber Themen wie Umweltverschmutzung und ,,Chemie in Lebensmitteln" oft unberiicksichtigt bleibt. Ein Mol, die dem Molekulargewicht in Gramm entsprechende Menge einer Substanz, enthalt die unvorstellbar grooe Zahl von rund loz3Molekiilen. Ein Mol DDT zum Beispiel sind 354 g. Es sind also in 354 mg DDT rund Id", in 354 pg 1017Molekule enthalten. Findet der Analytiker in einem Liter Milch 3,5 ng DDT so sind dies immer noch fast eine Billion Molekule. Man kann durch gesetzgeberische und technische Maonahmen erreichen, dalj der Gehalt eines bestimmten Stoffes in einem Lebensmittel einen Hochstwert wie 1 mgkg im allgemeinen nicht uberschreitet. Hat dieser Stoff ein Molekulargewicht von 100, dann entspricht dieser Hochstwert der Zahl von 10'' Molekiilen pro kg. Man kann den Hochstwert auf 0,l oder 0,Ol mg/kg senken (womit man bei vielen Stoffen an der derzeitigen Grenze der analytischen Nachweisbarkeit angekommen ist), dann sind es immer noch 1017bzw.1016Molekule/kg. Die Vorstellung, wir konnten in einer vollig sauberen, einer ,,chemiefreien" Umwelt leben, zeugt von volliger Unkenntnis dieser naturwissenschaftlichen Grundbegriffe. Es kann nur Grenzwerte geben, keine Nullwerte. Mit jedem Atemzug, jedem Schluck nehmen wir Aberbillionen Molekule von Abertausenden verschiedenartiger Substanzen zu uns.
Die in Abb. 2.5 und an anderen Stellen im Text genannten Analyseverfahren kBnnen hier nicht erlautert werden. Der interessierte Leser findet hierzu eine reichhaltige Fachliteratur, z. B. [75, 761
ppt, parts per trillion
w q , parts per quadrillion
pglPicogramml/kg
I
[ ppb, parts per billion
ng(NanogrammJ/kg
pg(MikrogrammJ/kg
I
2.7 Millionen kg (Inhalt sines Schwimmbads 50x20n-1,
2.7 Milliarden kg (Inhalt der Talsperre dstertal im Sauerland) 2.7 Billlonen kg (Inhalt des Starnberger Sees)
1 : 1 .ooo.ooo.ooo.~~o.~~~ = 1o-'=
I 2.7m tiafl
= 10'"
:1 .OOO.OOO.OOO= 10'
1 :1 .OOO.OOO.OOO.OOO
I1
2 700 kg Wasser
I:1 .OOO.OOO = I0"
mg(MilligrammJ1kg
ppm, parts per million
2.7 kg Wasser ( = 2 , 7 L)
1:l.ooO
Olk9
= 10"
Beispiel: 1 ZuckerwLirfel (2,7 gl aufgelest in
Veraltete Einheit
Verhiiltnis
Einheit
Tabelle 2.6: Konzentrationsangaben
II
I
P
w
Richtwerte
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Richtwerte Einer Beurteilung der Gehalte von Umweltstoffen in der Nahrung dienen die Daten, die bei der fruher zum Bundesgesundheitsamt, jetzt zum Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin in Berlin gehorenden Zentralen Erfassungs- und Bewertungsstelle f i r Umweltchemikalien (ZEBS) gespeichert werden. Sie werden der ZEBS von den fur die Uberwachung der Lebensmittel zustandigen Untersuchungsanstalten der Liinder und anderen Institutionen geliefert. Auf der Grundlage der 1976 bei der ZEBS vorliegenden Analysenergebnisse aus dem gesamten Bundesgebiet wurden Richtwerte fur bestimmte Lebensmittelgruppen so festgelegt, daB sie von nicht mehr als 5 Prozent aller untersuchten Proben uberschritten wurden [77]. Der Richtwert von z.B. 0,5 mg/kg fur Blei in Getreide bedeutet, dal3 von 100 untersuchten Getreideproben 95 weniger als 0,5 mg und funf Proben mehr als 0,5 mg Blei aufwiesen. Toxikologische Aspekte wurden dabei nicht berucksichtigt. Die Richtwerte dienten zunachst nur der Orientierung; sie waren weder als gesundheitliche Grenzwerte noch Hochstmengen gedacht, deren Uberschreitung rechtliche Folgen haben konnte. Lediglich fur Schwermetallgehalte von Fleisch wurde dies durch die Fleischhygiene-Verordnung vom 30.10.1986 insofern geandert, als bei Uberschreitung des doppelten Richtwertes Fleisch nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich gilt. Nach einer neueren Mitteilung der ZEBS [78] werden die Richtwerte nach statistischen, gesundheitlichen, aber auch die Versorgung der Bevolkerung beriicksichtigenden Gesichtspunkten festgelegt. Allein toxikologisch zu begriinden ist der einzelne Richtwert nicht, da nur die Gesamtzufuh des jeweiligen Stoffes iiber alle verzehrten Lebensmittel bewertet werden kann. Die Richtwerte sollen den fiir die Lebensmitteluberwachung zustandigen Behorden, aber auch allen jenen, die Lebensmittel erzeugen oder vermarkten, aufzeigen, wann unerwiinscht hohe Schadstoffkonzentrationen in Lebensmitteln vorliegen. Mit dem Instrument der Richtwerte sol1 erreicht werden, dalj zum Zweck eines vorbeugenden Verbraucherschutzes Spitzenbelastungen von Schadstoffen erkannt und nach Moglichkeit abgestellt werden.
Da die Richtwerte auf bundesweiter Probenahme beruhen, ist es nicht uberraschend, wenn von den aus Industriegegenden stammenden Proben mehr als 5 % uber dem Richtwert liegen. Oft reichen die landwirtschaftlichen Nutzflachen bis dicht an die heute noch betriebenen oder in der Vergangenheit existierenden Hutten- und Bergwerke heran. Im Laufe der Zeit wurden auch Abraumhalden von Bergwerken eingeebnet und in die landwirtschaftliche Nutzung mit einbezogen. Es ist nicht zu beweisen, aber mit Sicherheit anzunehmen, dal3 von solchen Flachen kommende landwirtschaftliche Erzeugnisse schon vor 100 oder 200 Jahren hohere Schwermetallgehalte hatten als auf ausgesprochen industriefernen Flachen geerntete. Nur war man mit den damaligen Methoden der chemischen Analytik nicht in der Lage, diese Spurenelementgehalte nachzuweisen.
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Einige Grundbegriffe
Epidemiologische Untersuchungen Da sich bei den unter Laborbedingungen durchgefiihrten in vitro und in vivo Untersuchungen, auch wenn sie noch so umfangreich und griindlich erfolgt sind, immer wieder die Frage der Ubertragbarkeit auf den Menschen stellt, fehlt es nicht an Bemuhungen, eventuelle gesundheitliche Auswirkungen des langfristigen Verzehrs von Zusatzstoffen oder Ruckstanden auf die Bevolkerung mit Hilfe epidemiologischer Untersuchungen zu erkennen. Unter Epiderniologie versteht man das Studium der Verteilung von Krankheitshaufigkeiten und ihrer Determinanten beim Menschen.' Ohne Beschrankung auf lebensmitteltoxikologische Fragestellungen seien im folgenden die moglichen Vorgehensweisen bei epidemiologischen Studien genannt, die geeignet sind, Hinweise auf gesundheitsschadliche oder -forderliche Faktoren in einer Population zu geben [79-811. Bei Querschnittsuntersuchungen wird zu einem bestimmten Zeitpunkt eine exponierte Untersuchungsgruppe mit einer nichtexponierten Referenzgruppe hinsichtlich der Haufigkeit von Erkrankungen oder Funktionsstorungen verglichen. Beispiel: Karieshaufigkeit bei Schulkindern in einer Stadt, in der das Leitungswasser fluoridiert wird und in einer Stadt, in der es nicht fluoridiert wird. Kohortenuntersuchungen haben das Ziel, diejenigen Todesursachen oder Krankheitshaufigkeiten zu identifizieren, die in einer Gruppe von Personen, der Kohorte, gehauft oder verringert auftreten. Man unterscheidet retrospektive und prospektive Kohortenstudien. Im ersteren Fall wird die Kohorte mit Hilfe von historischen Unterlagen, z. B. Personalkarteien eines Betriebs, aufgestellt, um so Personen zu identifizieren, die in der Vergangenheit einem bestimmten Stoff ausgesetzt waren. Bei der prospektiven Studie wird die Kohorte in der Gegenwart definiert und innerhalb eines bestimmten darauffolgenden Zeitraums werden Krankheits- und Todesfalle registriert. In beiden Fallen lautet die Frage: ,,Erhoht die Exposition die Haufigkeit der Erkrankung?". Kohortenstudien werden auch Longifudinalstudien genannt, weil eine Beobachtung langs einer Zeitachse erfolgt, im Gegensatz zur Querschnittsstudie, bei der Gruppen von Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt hinsichtlich bestimmter Gesundheitsfaktoren untersucht werden. Retrospektive Kohortenuntersuchungen werden oft in einem arbeitsmedizinischen Kontext durchgefuhrt, urn zu klaren, ob die Verwendung einer bestimmten Substanz am Arbeitsplatz die Erkrankungsrate erhoht hat. Beispiel fur eine prospektive Kohortenstudie ware die Erfassung einiger hundert oder tausend Vegetarier und die Verfolgung ihres Gesundheitszustands im Ver-
' Von kritischen
Beobachtcrn wird der Stand der Epidcmiologie in Deutschland als beklagenswert beschrieben. ,.Wenn wir keine Ausweitung dieser Wissenschaftssparte haben werden, bleiben wir unweigerlich die Null im internationalen Vergleich" (H. Hoffmeister, Bundesgesundheitsamt, FAZ vom 11. Nov. 1988).Die Hauptschuld fur diesen auch heute anhaltenden Zustand liegt bei ubertriebenen Datenschutzvorschriften, die auf die Bediirfnisse der Forschung keine Riicksicht nehmen. Die Wirksamkeit von Programmen zur Verbesserung von Friiherkennung, Pravention und Therapie von Krankheiten 1aBt sich nur dann erkennen, wenn der Erfolg gemessen werden kann. Dies erfordert flachendeckende Register der betreffenden Krankheiten. Nichts dergleichen existiert in Deutschland. Den Epidemiologen (den wenigen, die es hier gibt) fehlt damit die Arbeitsbasis. Mehr dazu in Kap. 9.
Epidemiologische Untersuchungen
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gleich mit einer etwa gleichgroBen Gruppe von Nichtvegetariern uber einen Zeitraum von Jahren. Solche prospektiven Studien sind, weil sie sich uber einen langen Zeitraum erstrecken miissen und weil sie nur bei hoher Teilnehmerzahl aussagekraftige Ergebnisse erwarten lassen, besonders aufwendig und teuer. Fall-Kontroff-Studiengelten dem Vergleich einer bestimmten Patientengruppe (den Fallen) mit einer Kontrollgruppe von Personen, die von dieser Krankheit frei sind. Ziel ist die Ermittlung derjenigen Faktoren, die mit dem Auftreten der Krankheit korrelieren und damit ursachlich zusammenhangen konnten. Die Frage lautet also hier: ,,Ist die Zahl der Exponierten in der Gruppe der Erkrankten grol3er als bei den Kontrollen?" Im allgemeinen sind Fall-Kontroll-Studien retrospektiv. Wichtig ist ein gutes matching von Fall- und Kontrollgruppe: die Personen der Kontrollgruppe mussen so ausgewahlt werden, daB sie den Patienten hinsichtlich Lebensalter, Geschlecht, Bildung und sozialem Umfeld moglichst gut entsprechen. In Znterventionsstudien wird die Haufigkeit vermuteter Schadwirkungen vor und nach der Eliminierung des verdachtigen Stoffes beobachtet. Die Moglichkeit zu solchen Untersuchungen ergibt sich am ehesten in der Arbeitsmedizin. Wird ein verdachtiger Stoff ab einem bestimmten Zeitpunkt in einem Betrieb nicht mehr verwendet, so kann gepruft werden, ob sich der Gesundheitszustand der Mitarbeiter nach diesem Zeitpunkt verandert. Interventionsstudien konnen auch der Priifung auf gesundheitsfordernde Wirkungen gelten, also der Frage, ob sich nach Einfuhrung einer Substanz oder bestimmter Lxbensmittel in die Diat der Gesundheitszustand eines Kollektivs verbessert. Klassische Untersuchungen aus der groRen Zeit der Vitaminforschung gehorten zu dieser Kategorie, zum Beispiel die zur Klarung der Ursache der Pellagra durchgefiihrten. Bei an Pellagra erkrankten Menschen, die sich uberwiegend von Mais ernahrten, verschwand die Pellagra bei Zulage von Fleisch- und Milchprodukten. Wurden diese Zulagen nicht mehr gewahrt, trat die Mangelkrankheit wieder auf. Aufgrund dieser und parallel laufender Tierversuche konnte der PP-Faktor (peZlagrupreventive) als Niacin identifiziert werden.
Epidemiologische Untersuchungen erfordern au13erst sorgfaltige Planung und Auswertung. Mogliche systematische Verzerrungen der Ergebnisse (bias) mussen ebenso berucksichtigt werden wie Storfaktoren (confounders)8 [82]. Ein Bias kann zum Beispiel durch die Auswahl der Personen der Kontrollgruppe bei einer Fall-Kontroll-Studie verursacht werden. Es ist bekannt, daB bestimmte Krankheiten bei Angehorigen der unteren sozialen Schichten haufiger vorkommen als bei Angehorigen der wohlhabenderen Schichten. Wenn die soziale Schichtung in der Kontrollgruppe unerkannterweise von derjenigen in der Fallgruppe erheblich abweicht, kann dieser Bias zu einer falschen Interpretation der Ergebnisse fuhren. Ein haufiger Confounder ist das Zigarettenrauchen. Vor einiger Zeit veroffentlichte Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen schienen fur ein gehauftes Vorkommen von Krebserkrankungen bei starken Kaffeetrinkern zu sprechen. Durch weitere Untersuchungen wurde jedoch klar, da13 starke Kaffeetrinker haufig auch starke Zigarettenraucher sind, und da13 dieser Effekt in den alteren Studien nicht genugend berucksichtigt worden war. Die englischen Ausdrucke haben sich in der deutschen Fachliteratur so stark eingebiirgert, daR es kaum Versuche gibt, deutschsprachige Aquivalente, wie Storfaktoren fur confounders und Verzerrung fur bias, zu venvenden
Einige Grundhegriffe
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Epidemiologische Methoden haben sich bei der Prufung von Arzneimitteln auf Nebenwirkungen, ebenso wie in der Arbeitsmedizin, nicht nur als nutzlich sondern als unerlaBlich erwiesen. Ihr Einsatz zur Klarung von Zusammenhangen zwischen Ernahrungsweise und Krankheitsrisiko hat in letzter Zeit oft widerspriichliche Ergebnisse geliefert und Kontroversen ausgelost. Dies liegt zum einen daran, daB der Abstand zwischen Expositionsdosis und Wirkungsdosis beim Nahrungsverzehr meist sehr viel groaer ist als bei Arzneimitteln und Arbeitsstoffen. Zum anderen liegt es daran, daB Ernahrungsverhalten viel weniger in einen strengen Versuchsplan eingepaBt werden kann, als die Arzneimittelanwendung oder die Exposition am Arbeitsplatz. Der behandelnde Arzt kann sich mehr oder weniger darauf verlassen, darj seine Patienten die verschriebenen Medikamente tatsachlich einnehmen, oft hat er auch die Moglichkeit, die Einhaltung (compliance) zu uberwachen, zum Beispiel durch Urinanalysen. Der Betriebsarzt hat die Moglichkeit, die Hohe und die Dauer der Exposition am Arbeitsplatz zu uberprufen. Dagegen kann man bei der Durchfuhrung einer retrospektiven Ernahrungsstudie nur hoffen, daB sich die Teilnehmer einigermanen daran erinnern, wie sie sich in der Vergangenheit ernahrt haben - und mu13 sich im ubrigen bemuhen, in der Befragung der Versuchsteilnehmer nach ihren Verzehrsgewohnheiten nicht bei bestimmten Fragen starker nachzuhaken als bei anderen, weil sonst ein Bias entstehen konnte. Das AusmaB der Fehler, die durch falsches Erinnern und falsches Befragen entstehen konnen, ist wiederholt beschrieben worden und es gibt immer wieder neue Vorschlage zur Verbesserung der Befragungs- und Auswertungsmethoden [83, 841. Beim prospektiven Vorgehen besteht das Problem der oft ungenugenden Einhaltung einer bestimmten Diat durch die Teilnehmer. Es ist nicht leicht, eine groBere Kohorte von Freiwilligen zu finden, die bereit sind, uber einen langen Zeitraum eine bestimmte Diat zu verzehren oder zum Beispiel taglich eine bestimmte Menge eines Zusatzstoffs zu sich zu nehmen und eine zweite Gruppe, die bereit ist, nur solche Lebensmittel zu verzehren, die diesen Zusatzstoff nicht enthalten. Andererseits ist ein Vorteil prospektiver Studien, daB die Verzehrsprotokolle durch Biornarker-Untersuchungen an den teilnehmenden Versuchspersonen erganzt werden konnen, zum Beispiel durch Urin- und Blutanalysen zur Bestimmung von bestimmten Stoffwechselprodukten, Vitaminen, Spurenelementen, Umweltchemikalien [%I. Das Ergebnis von Untersuchungen, in denen die Haufigkeit einer bestimmten Erkrankung in einer exponierten Gruppe verglichen wird mit der Haufigkeit in einer Kontrollgruppe, wird im allgemeinen als relatives Risiko (RR) ausgedruckt. Relatives Risiko =
Risiko der exponierten Gruppe Risiko der nichtexponierten Gruppe
Bei R R = 1 besteht kein Unterschied in der Haufigkeit des Auftretens der Krankheit in den beiden Kohorten. RR<1 bedeutet ein vermindertes, R R > l ein erhohtes Risiko in der exponierten Kohorte. Oft wird das Ergebnis einer epidemiologischen Untersuchung in folgender Art angegeben, zum Beispiel: R R = 2,9 (0,9-3,5). Die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung
Epidemiologische Untersuchungen
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spricht in diesem Fall fur RR = 2,9, der tatsachliche Wert kann aber irgendwo im Vertrauensbereich (confidence interval) von 0,9-3,5 liegen. Je kleiner die Zahl der Probanden in einer solchen Studie, desto weiter wird der Vertrauensbereich sein, also desto geringer das Vertrauen auf die Richtigkeit des Ergebnisses. Eine uberwiegende Wahrscheinlichkeit einer Assoziation von Substanzexposition und pathologischer Wirkung besteht erst bei RR>2. Wegen der oft kaum zu uberblikkenden Einflusse von Bias und Confounders bei epidemiologischen Untersuchungen, die der Aufdeckung von Risikofaktoren in der Nahrung dienen, empfehlen manche Epidemiologen heute, erst bei RR>4 eine Assoziation von Substanzexposition und Krankheitshaufigkeit zu akzeptieren [%I. Die bisher vorliegenden Ergebnisse epidemiologischer Suche nach Zusammenhangen zwischen Ernahrung und Krebs haben selten RR>2 ergeben - und sind daher mehr oder weniger heftig in Frage gestellt worden. Zum Vergleich: fur den Zusammenhang zwischen Zigarettenrauchen und Bronchialkarzinom fanden DOLLund PETO[87] ein relatives Risiko von 14. Wir wollen den Abschnitt uber epidemiologische Methoden nicht verlassen, ohne auf etwas eigentlich Selbstverstandliches hinzuweisen, das aber leider wieder und wieder ignoriert wird: Mit Ausnahme von Interventionsstudien konnen epidemiologische Untersuchungen nur Assoziationen aufzeigen, aber keine Kausalzusammenhange beweisen. Erst wenn mehrere, unter verschiedenen Bedingungen an verschiedenen Populationen durchgefuhrte Studien eine deutliche Assoziation zwischen einem Krankheitsrisiko und einem Ernahrungs- oder sonstigen Umweltfaktor gezeigt haben, kann ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich betrachtet werden. Sehr hilfreich zur Klarung der Frage, ob ein Kausalzusammenhang besteht, sind die von BRADFORD-HILL [88] formulierten und in Tabelle 2.7 [89] genannten Kriterien. Der falsche Glaube an die Aussagefahigkeit von Studien, die relative Risiken von 1-2 ergaben und sonst kaum eine der BradfordHill-Kriterien erfullten, hat den Massenmedien in den letzten Jahren unzahlige Gelegenheiten gegeben, den Burger mit Schlagzeilen wie Krebs durch Mundwasser, mehr Herzinfarkte bei Vollmond, Arzte warnen vor Siiflstoffen oder Leukamie durch Elektrosmog zu verwirren. Wung epklemiobgmcher Sfudien auf 9n Aussagen zu der Frage Gibt es wiederholte Beobachtungen durch verschmdene Untersucher an verschiedenen Populationen? Was 1st die GrOk des Risikos? 1st der Efhkt spezitisch oder gibt es
weitere Ursachen? Geht die Exposition dem Ettekt voran? Gibt es eine Doris-WirkungsBeziehung! 1st der Etfekt glsubhafl und
vorhersehbar?
I
'Vertragt" sich das Ergebnis rnit anderen wissenschaftlichen Oaten?
I Anslagie
Haben ahnliche S u b s tm ien Lhnliche
Aurwirkungen?
3 Ruckstande
Pflanzenschutzmittel (PSM) Die Gesamtheit aller Bemuhungen, Schaden und Leistungsminderungen von Nutzpflanzen abzuwenden oder zu mildern, wird als Pflanzenschutz bezeichnct. Hierzu gehoren vielerlei Maljnahmen, von der Standortwahl uber die Bodenbearbeitung, die Wahl geeigneten Saat- oder Pflanzguts, Fruchtfolge, bedarfsgerechte Dungung, Vernichtung von Ernteriickstanden, bis hin zur Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat die chemische Komponente im Pflanzenschutz und Vorratsschutz eine uberragende Bedeutung erlangt. Der enorme Aufschwung der chemischen lndustrie in dieser Zeit stellte der Landwirtschaft chemische Pflanzenschutzmittel zur Verfugung, die mit geringem Arbeitsaufwand einsetzbar waren, die im Vergleich zu alternativen Methoden geringe Kosten verursachten und die auljerdem schneller und nachhaltiger wirkten. Die Verwendung des Begriffs Pflanzenschutzmittel wird oft getadelt, weil ja nur die Kulturpflanzen geschutzt, Unkrauter dagegen, zumindest bei Anwendung von Herbiziden, vernichtet werden sollen. Nach dem im Englischen ublichen pesticides (von pest = Schadling) wird oft der Begriff Pestizide verwendet, der jedoch manche MiMverstandnisse verursacht, da er mit dem deutschen Wort Pest assoziiert wird. In letzter Zeit findet man zunehmend die Benennung Biozide, die jedoch alle fur Lebewesen schadlichen Substanzen einschlieljt, also auch Holzschutzmittel, Desinfektionsmittel usw. Im folgenden wird, wie in den Gesetzes- und Verordnungstexten, der Begriff Pflanzenschutzmittel verwendet, mit PSM abgekurzt.
Pflanzenschutz in fruheren Zeiten Bereits im klassischen Griechenland und Rom hat man zur Bekampfung von Insekten- und Mehltaubefall Arsen, Schwefel, Bitumen und die verschiedensten sonstigen Praparate verwendet, teils durch Verbrennen der Praparate und Einrau-
Pflanzenschutzmittel (PSM)
41
chern der befallenen Felder, teils durch Anwendung wassriger oder oliger Mischungen [90]. Im 19. Jahrhundert wurden verstarkt Arsen-, Kupfer-, Quecksilberpraparate, sowie Natriumchlorid, Natrium-, Calcium- und Kaliumkarbonat, Calciumhydroxid, Schwefelsaure und viele weitere Stoffe in Land- und Forstwirtschaft zur Schadlingsbekampfung eingesetzt [91]. Bleiarsenat, Kupferarsenit (Scheelesches Griin) und Kupferarsenitacetat (Schweinfurter Grun) wurden in groBem Umfang als Pflanzenschutzmittel im Gartenbau und im Weinbau verwendet. In den Jahren kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde ein gehauftes Auftreten von Leberkrebs bei Winzern festgestellt; als Ursache fur den Winzerkrebs erwies sich die langjahrige Aufnahme von Arsen. Fur den Eigenverbrauch stellten die Weinbauern seinerzeit durch Vergarenlassen von Traubentrester, Zucker und Wasser einen Haustrunk her, der erhebliche Arsengehalte erreichen konnte. Die Erkenntnis dieser Zusammenhange fuhrte 1942 zum Verbot der Arsenanwendung im Weinbau. In der Bundesrepublik wurde 1974 die Verwendung arsenhaltiger PSM generell verboten. Weniger extrem als im Haustrunk, aber fur heutige Begriffe doch oft erstaunlich hoch, waren die Arsengehalte im Wein. In Weinen aus der 1. Halfte dieses Jahrhunderts wurden bis zu 392 pg AslL gefunden. Ab Jahrgang 1950 lagen die As-Gehalte im Mittel unter 15 pg/L [92]. In historischen Proben von haushaltsmaBig in Weckglasern sterilisiertem Obst und Gemuse aus dem siidwestdeutschen Raum, von denen die alteste aus dem Jahr 1911 stammte, fielen die alteren Proben durch hohere Arsengehalte und im Fall von Kirsch- und Pfirsichkompott auch durch hohere Bleigehalte auf [93]. Sehr wahrscheinlich ist dies auf die damalige Verwendung von Arsen- bzw. Blei-Arsenpraparaten zuruckzufiihren. Neben solchen anorganischen Wirkstoffen wurden seit langer Zeit auch organische Naturstoffe im Pflanzenschutz verwendet, zum Beispiel aus Tabakblattern hergestellte Nikotinbriihe. Bei peroraler Aufnahme besitzt Nikotin eine hohe akute Toxizitat. Hier ist auch das aus Chrysanthemenbliiten hergestellte Pyrethrum zu erwahnen. Getrocknete Bluten verschiedener Chrysanthemenarten wurden schon im alten China und im Mittelalter in Persien als Insektizid beniitzt. Von dort brachten armenische Handler vor etwa 200 Jahren das Praparat nach Europa, wo es als Persisches Pulver bekannt wurde. Mit dem kommerziellen Anbau von Chrysanthemen zur Gewinnung des Pyrethrums wurde um 1840 in Dalmatien begonnen. Heute werden die Bluten vor allem in Kenia produziert, daneben auch in Brasilien und Japan. Sie werden als Trockenbluten oder als Rohextrakt exportiert. Die darin enthaltenen Wirkstoffe, Pyrethrine, sind isoliert und ihre chemische Struktur ist aufgeklart worden. Durch chemische Synthese gewinnt man heute die in ihrer Grundstruktur ahnlichen Pyrethroide, die den Bestandteilen des Pyrethrums in manchen Eigenschaften uberlegen sind. Ein weiteres Insektizid botanischer Herkunft ist das Derrispulver, das aus den Wurzeln von Derris elliptica, einer im tropischen Asien beheimateten Pflanze, gewonnen wird. Es enthalt als wichtigsten Wirkstoff Rotenon, auch Tbbotoxin genannt, das sich in Langzeitversuchen an Ratten als kanzerogen erwiesen hat (Tumore der Brust, Schilddruse und Nebenschilddriise). Auch wenn es sich bei diesen Insektiziden um Naturstoffe handelt, durfen sie nicht ausgeklammert werden, wenn die gesundheitliche Bedeutung von PSM-Ruckstanden in der Nahrung des Menschen zu priifen ist. Wie in Kapitel7 ausfuhrlicher belegt, ist die weitverbreitete Annahme, Naturstoffe seien grundsatzlich harmloser als synthetisch hergestellte Substanzen, unbegriindet.
42
Ruckstande
Die DDT-Epoche Die zunehmende Verwendung chemischer Schadlingsbekampfungsmittel zur Eindammung von Massenerkrankungen beim Menschen trug in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sehr zur bereitwilligen Akzeptanz chemischer Mittel in der Landwirtschaft bei. Paradebeispiel dieser Entwicklung ist das DDT (Dichlordiphenyl-trichlorethan). In der Schweiz wurde 1939 die Wirksamkeit des bereits ZEIDLER synthetisierten D D T gegen 1874 von dem deutschen Chemiker OTHMAR den Kartoffelkafer erkannt. Das Verdienst, diese, wie sich herausstellte, nicht nur gegen den Kartoffelkafer sondern gegen ein breites Spektrum von Insekten wirksame Substanz in ihrer Bedeutung erkannt und sie zur industriellen GroBproduktion gefiihrt zu haben, kam dem bei der Firma Geigy in Basel tatigen Chemiker PAULMULLERzu, der dafur 1948 den Nobelpreis fur Physiologie und Medizin erhielt. In der offentlichen Diskussion iiber Umweltgifte wird heutzutage D D T haufig verdammt und die Preisverleihung von 1948 als Fehlentscheidung beschrieben. Dabei wird ubersehen, daB dank der nach 1945 in groBem Umfang einsetzenden DDT-Verwendung innerhalb weniger Jahre verheerende Seuchen wie Flecktyphus und Malaria durch Bekampfung der Ubertrager (Lause bzw. Anopheles Moskito) unter Kontrolle gebracht werden konnten. Vorher wegen der Malariagefahr kaum bewohnbare Gebiete im Mittelmeerraum wurden innerhalb weniger Jahre malariafrei und in weiten tropischen Regionen konnte die den Malariaerreger ubertragende Anophelesmiicke weitgehend ausgerottet werden. In der Turkei wurden 1950 noch etwa 1,2 Millionen Malaria-Neuerkrankungen registriert; 1969 waren es noch 2200. In einem Bericht der Akademie der Wissenschaften der Vereinigten Staaten hiel3 es 1970: ,,In gut zwei Jahrzehnten hat D D T iiber 500 Millionen Todesfalle durch Malaria verhindert, die ohne D D T unvermeidlich gewesen waren". Zu den Pluspunkten des D D T zahlte seine relativ geringe akute Giftigkeit fur den Menschen. Mit einer oralen LD,,, von 250 mg/kg Korpergewicht bei der Ratte (Tabelle 2.2) gehort D D T zu den mindergiftigen Stoffen. Der ADI-Wert fur den Menschen betragt 0,02 mg/kg Korpergewicht; bei 70 kg Gewicht konnten demnach langfristig 1,4 mg D D T taglich aufgenommen werden, ohne Gesundheitsschaden befurchten zu mussen. Im Rahmen einer der vielen toxikologischen Prufungen des D D T nahmen 17 mannliche Versuchspersonen ohne Anzeichen schadlicher Wirkungen fast zwei Jahre lang taglich 35 mg D D T zu sich (entsprechend etwa 0,s mg/kg Korpergewicht) ([94] S. 230). Als weiterer Pluspunkt wurde die hohe Bestandigkeit (Persisknz) dieser Verbindung betrachtet, die zur Folge hatte, dal3 in vielen Fallen eine einmalige jahrliche Anwendung genugte. Aber gerade diese hohe Persistenz, zusammen mit der Fettloslichkeit des DDT, erwies sich immer mehr als Nachteil. D D T reicherte sich in der gesamten Biosphare an, wurde auch im Plankton der Weltmeere gefunden, in Fischen und in Vogeln, in menschlichen Organen und in Frauenmilch. Das D D T wird in der Umwelt und im menschlichen Organismus langsam dechloriert, wobei D D E (Dichlordiphenyl-dichlorethen) und D D D (Dichlordiphenyl-dichlorethan) entstehen (Formelbild 3.1), die ebenfalls persistent sind und ebenso fettloslich wie das DDT. In den Fettgeweben von Tieren und Menschen wurde so seit 1945 immer mehr DDT, D D E und D D D akkumuliert.
43
Pjlanzenschutzmittel (PSM)
JyvJ cc12
’
\
cc13
CI
CI
DDE
/
JyHQ DDT
c1
\
CI
CHC12
DbHQ DDD
CI
Formelbild 3.1: DDT und seine Abbauprodukte DDE und DDD.
Auch wenn es keine Anzeichen fur Gesundheitsschaden beim Menschen durch die nahrungsbedingte DDT-Aufnahme gab [95], waren diese Befunde beunruhigend. Bei uneingeschrankter Weiterverwendung des DDT war es nur eine Frage der Zeit, wann toxische Konzentrationen im Korper des Menschen erreicht wurden. Zunehmend wurde auch als Nachteil erkannt, da13 das DDT wegen seines breiten Wirkungsspektrums nicht nur Schadlinge, sondern auch Nutzinsekten vernichtete.
Mafinahmen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes Seit 1961 befarjten sich internationale Organisationen, wie die Ernahrungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) in Rom und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mit der Abwendung moglicher Gefahren einer Gesundheitsschadigung des Menschen, die aus dem Verzehr von PSM-haltigen Lebensmitteln resultieren konnten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde um diese Zeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Kommission fur Pflanzenschutz-, Pflanzenbehandlungs- und Vorratsschutzmittel gegrundet, die 1962 eine erste Liste von Toleranzwerten (Hochstmengen) aufstellte. Eine Grundvoraussetzung fur eine staatliche Kontrolle der Ruckstande und fur die wissenschaftliche Erforschung der damit zusammenhangenden Fragen war die Verbesserung der Analytik. In den ersten Jahren der groBflachigen Anwendung des DDT war die daraus resultierende weltweite Verbreitung dieses PSM nicht aufgefallen, weil es noch keine Methoden gab, mit denen man Spuren von DDT in Lebensmitteln oder in sonstigen Umweltproben zuverlassig hatte entdecken oder gar quantitativ bestimmen konnen. Erst als die Gaschromatographie zur Routinemethode entwickelt wurde und in den 70er Jahren die Untersuchungsamter auf breiter Basis mit Gaschromatographen ausgeriistet wurden, anderte sich diese Situation. Um die gleiche Zeit wurde die toxikologische Erforschung der PSM stark intensiviert. Das FAO/WHO Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) setzte 1963 die ersten ADI-Werte fur PSM fest. In der Bundesrepublik trat 1968 die Verordnung uber Pflanzenschutz-, Schadlingsbekampfungs- und Vorratsschutzmittel in
Riickstande
44
oder auf Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft (Hiichstmengen-V~-Pflunienschutz) in Kraft, der 1974 die Hiichsfmengen-VO-tierische-Lebensmittel folgte. Die Einsicht, dalj im Falle des DDT die Festsetzung von Hochstmengen nicht genugte, um der zunehmenden Umweltkontamination durch diesen Stoff Einhalt zu gebieten, fuhrte in der Bundesrepublik 1972 zum DDT-Gesetz, das Anwendung und Herstellung dieses PSM verbot.' Neben dem DDT waren im Lauf der Jahre einige andere persistente Pflanzenschutzmittel vom Typ der chlorierten Kohlenwasserstoffe (auch als Organochlorverbindungen bezeichnet) entwickelt worden, wie Aldrin, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Hexachlorbenzol (HCB), Hexachlorcyclohexan (HCH), Mirex. Sie sind alle ebenfalls verboten worden.'" Wegen der Persistenz dieser Verbindungen ist es nicht moglich, sie schlagartig aus dcr Umwelt zu verbannen, aber der Erfolg der getroffenen gesetzlichen Maljnahmen zeigte sich schon bald in der Abnahme der Ruckstandsgehalte in Lebensmitteln. Fur das Beispiel Kuhmilch wird dies in Abbildung 3.1 gezeigt, fur das Beispiel Rheinfische in Abbildung 3.2. (Die in Abb. 3.2 miterwahnten PCB gehoren nicht zu den PSM. Sie werden in Kap. 4 besprochen). Einzelwerte lagen zum Teil erheblich uber oder unter diesen Mittelwerten. In den 70er Jahren kam es nicht selten zu Uberschreitungen der in Abb. 3.1 markierten Hochstmengen in Kuhmilch, insbesondere bei alpha- und beta-HCH. Verbote persistenter chlororganischer PSM erfolgten um die gleiche Zeit wie in der Bundesrepublik Deutschland auch in anderen Industriestaaten der westlichen Welt. Dagegen wird in manchen tropischen Landern DDT auch heute noch zur Seuchenbekampfung eingesetzt. Indien hat seit einiger Zeit eine eigene DDTHerstellung und produziert auch andere PSM fur den eigenen Bedarf und fur den Export. Gleiches gilt fur Mexiko. Mit importierten Futtermittel- und Lebensmittel-Rohstoffen, aber auch durch Aufnahme von in heimischen Boden noch enthaltenen Ruckstanden, kommen immer wieder Spuren von persistenten PSM auch hierzulande in die Nahrungskette.
Nichtpersistente Pflanzenschutzmittel Schadlingsbekampfung war nach dem Verbot der persistenten Mittel in den Industrielandern weiterhin notwendig, und die chemische Industrie hat verschiedene Gruppen von PSM auf den Markt gebracht, die nach ihrer Anwendung schnell abgebaut werden. Nennenswerte Ruckstande solcher Stoffe in Lebensmitteln gibt es nur dann, wenn die vorgeschriebenen Wartereiten zwischen Ausbringung und Ernte nicht eingehalten werden oder die Mittel auf Kulturen verwendet werden,
' Das in der Bundesrepublik
Deutschland zunachst in einem Gesetz festgelegte Anwendungsverbot fur DDT ist inzwischen in die Verordnitng uber Anwendungsverhotefur Pflunzenschutzmittel vom 10. November 1992 ubernommen worden "' Es gibt auch nach diesen Verboten eine ganze Anzahl chlororganischer Wirkstoffe, die als Pflanzenschutzmittel ;rugelassen sind (2.B. Lindan. Dichlorvos, Trichlorfon), deren Persistenz jedoch relativ gering ist. Die weitverbreitete Meinung, Organochlorverbindungen seien immer synthetische, nur als Folge menschlicher Aktivitaten in der Umwelt vorhandene Substanzen, ist unzutreffend. Nur ein geringer Anteil der in der Umwelt vorhandenen groRen Menge von chlororganischen Stoffen ist anthropogenen Ursprungs [96,97].
45
PJZanzenschutzmittel (PSM) HCB
Gesarnt DDT
r1000- -7500-
- 800
-400
- 600
-300
- 400 iE
-200
Lindan a-HCH Aldrin Heptach'or @-HCH Dieldrin
+
- - 200- - -100-- - -100- - - -100 - - -1 50
-1 00
e m
LL
cn
2
- 300
+
1
- 80 - 80 - 60 - 60 - 40
- 80
-
60
- 40
- 200
Abbildung 3.1: Ruckstande von persistenten Pflanzenschutzmitteln in Trinkmilch. Bundesrepublik Deutschland, Mittelwerte 1974-1981. Nach [98].
1976
1977
1978
1979
1980
1981
Abbildung 3.2: Riickstande von drei Chlorkohlenwasserstoffgruppenin Fischen aus dem Oberrhein. Jahresmittelwerte 1976-1981. Quelle: [99].
Riickstande
46
Tabelle 3.1: Zahl und Art der in der BundesrepublikDeutschland 001) zugelassenen Pflanzenschutzmittel (Quelle: [I Zahl der zugelassenen Praparate u. Wirkstoffe
I I
Kaienderjahr
I Praparate
1986
I
I Wirkstoffe I 308
1695
1989
1996
I
1997
I
21 6
1992
I
I
914
I I
21 6
I I
963 977
Zahl
%
254 248
I I
zum Vergleich 1988
56 Herbizide
301
30.8
43.7
Fungizids
239
24.5
16,l
Insektizide, Akarizide
244
25.0
21 .o
Sonstige
193
19.7
19.2
fur die sie nicht erlaubt sind. Durch das Pflnnzenschutzgesetz von 1986 wurden die Vorschriften fur die Zulassung von PSM erheblich verscharft. Vcrmutlich als Folge dieser Verscharfung nahm die Zahl der zugelassenen Praparate und Wirkstoffe in den Jahren 1986-1992 erheblich ab (Tabelle 3.1). Seither ist wieder eine leichte Zunahme festzustellen. Die Wirkstoffe werden in unterschiedlicher Zubereitungsform (Pulver, Granulat, Losung) und in verschiedenen Mischungen vermarktet. Daher ist die Zahl der Praparate groljer als die Zahl der Wirkstoffe. Wahrend zur Zeit der Einfuhrung des D D T und der anderen chlororganischen PSM die Insektizide die Hauptrolle spielten, nahm die Bedeutung der Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel) mit steigenden Lohnkosten seit elwa 1960 stark zu; Arbeiter fur das Unkrauthacken waren fur die meisten Landwirte nicht mehr bezahlbar. Mit dichteren Kulturbestanden wuchs der Infektionsdruck bei pilzlichen Erkrankungen und so haben auch die Fungizide (Schimmelbekampfungsmittel) in den letzten 2&30 Jahren an Bedeutung gewonnen. Dazu hat auch der zunehmende Unterglas- und Unterfolienanbau mit seiner besonderen Anfalligkeit fur Schimmelpilzinfektionen beigetragen. Nach der Zahl der zugelassenen Stoffe (Tab. 3.1) ist die groBte PSM-Gruppe die der Herbizide, gefolgt von den der Bekampfung von Insekten und Milben (Acuri) dienenden Insektiziden bzw. A k a riziden und den Fungiziden. Zur Gruppe ,,Sonstige" gehoren gcgen Nagetiere (z. B. Feldmause) eingesetzte Rodentizide, zur Bekampfung von Nematoden (Fadenwurmern) verwendete Nematizide, zur Schneckenbekampfung (sie gehoren zu den Mollusken) gebrauchte Molluskizide, sowie Wuchstumsregler, die zum Beispiel eingesetzt werden, urn bei Getreide die Halme kurz zu halten.
Pjlanzenschutzmittel (PSM)
47
30 25
c)
20
0 0
.0
15 10 5
0 1970
1975
1980
1985
1990
1995
Abbildung 3.3: Inlandsabsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland 1970-1995. (Bis einschlieBlich 1990 alte Bundeslander, 1995 Gesamtdeutschland; Angaben fur
Insektizide ohne die zur Schadlingsbekampfungverwendeten inerten Gase). Nach [ 102,1031 und fruheren Ausgaben des Statistischen Jahrbuchs.
Die Pflanzenschutzmittelindustrie ist weiterhin bemuht, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die den bisher verwendeten durch hohere Wirksamkeit (das heiljt geringere Aufwandmenge pro Flacheneinheit), hohere Wirkspezifitat, geringere Humantoxizitat und/oder geringere Persistenz uberlegen sind. Neuzulassungen erfolgen im allgemeinen nur fur einen Zeitraum von 10 Jahren. Neue Wirkstoffe verdrangen alte, so daB auch kunftig nicht mit einer groljen Zunahme der Zahl der zugelassenen Stoffe zu rechnen ist. Eine Liste der in Deutschland zugelassenen PSM wird jahrlich von der Biologischen Bundesanstalt fur Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig herausgegeben [loll. Nach 5 19 des Pjlanzenschutzgesetzes mussen Art und Menge der in Deutschland hergestellten und der eingefuhrten PSM jahrlich der Biologischen Bundesanstalt gemeldet werden. Eine vollstandige Auflistung der in den Jahren 1993-1995 gemeldeten Wirkstoffe bietet [lo21". MengenmaBig hat der Inlandsabsatz von PSM in Deutschland bis etwa 1980 stark zugenommen, verursacht durch die Zunahme bei den Herbiziden (Abbildung 3.3). Die Angaben beziehen sich bis einschliefllich 1990 auf das Gebiet der alten Bundeslander, das heiBt auf eine landwirtschaftliche Nutzflache von etwa 13 Mio ha. Dagegen gelten die Werte von 1995 fur das vereinte Deutschland, mit einer landwirtschaftlichen Nutzflache von etwas uber 17 Mio ha. Die Aufwandmengen pro ha sind demnach noch deutlicher zuruckgegangen als nach Abb. 3.3
"
Internetbenutzer konnen von der Biologischen Bundesanstalt uber http://www.bba.deden jeweils neuesten Stand der PSM-Zulassungen erfahren
die
Anwahl
48
Ruckstande
Tabelle 3.2: Aufwandrnengen einiger Pflanzenschutzrnittel (Angaben zur Dosierung nach [94]) Wirkstoff (Art der chem.
Status
Dosierung (g/hal
Verbindung)
Bleiarsenat DDT (Chlorkohlenwasserstoff) Triazophos
I Nicht mehr zugelassen
I
I 2000-5000
~~
Nicht mehr zugelassen
1000-2000
1970 als lnsektizid beschrieben
300-600
1972 als lnsektizid beschrieben
125-250
(Organophosphat) Diflubenzuron (Benzoylharnstoff) ~~
Alpha-Cypermethrin
~
1983 als lnsektizid beschrieben
5-30
(Pyrethroid) FUNGlZlDE Schwefel
2000-5000
seit dem Altertum als Fungizid verwendet
Mancozeb
1961 als Fungizid beschrieben
1500-3000
1973 als Fungizid beschrieben
200-400
(Dithiocarbamatl Carbendazim
Metalaxyl
125-200
(Acylalaninderivat) Triadirnenol
1978 als Fungizid beschrieben
50-125
(Triazoll
Natriumarsenit
nicht mehr zugelassen
2.4-D
1942 als Herbizid beschrieben
IPhenoxyessigsBureI Dichlorprop
1500-3000
I
300-2300
1952 als Herbizid beschrieben
1200-1500
Metribuzin (Triazinon)
1968 als Herbizid beschrieben
350-1000
Tribenuron
1985 als Herbizid beschrieben
(Propionslurederivat)
(Sulfonylharnstoffl
5-35
Pflanzenschutzmittel (PSM)
49
zu vermuten ware”. Verantwortlich fur diesen Ruckgang sind mehrere Faktoren: Sparsamerer Einsatz von PSM durch die Landwirte; Entwicklung neuer Ausbringungsgerate fur den Obst- und Weinbau, die die Spritznebel wieder auffangen, die sich nicht auf den Pflanzen niedergeschlagen haben; Resistenzzuchtung bei Getreidesorten, die weniger Fungizidanwendungen benotigen, als die fruher angebauten Sorten; verbesserte Produktionsverfahren fur PSM 13. Eine ganz grofle Rolle spielt auch die starkere Wirksamkeit moderner PSM, fur die in Tabelle 3.2 einige Beispiele gegeben werden. Toxikologische und chemisch-physikalische Daten, Analysemethoden zur Ruckstandsbestimmung sowie Angaben uber behordliche Schutzauflagen und weitere wichtige Fakten uber alle in Deutschland, Osterreich und der Schweiz zugelassenen PSM enthalt das Standardwerk von PERKOW und PLOSS[104], wahrend sich [lo51 mehr auf die Situation in USA bezieht.Das Pesticide Manual [94] bietet auch Angaben uber in anderen Landern zugelassene Wirkstoffe. Beispiele fur Strukturen von PSM einiger Wirkstoffgruppen werden in Formelbild 3.2 wiedergege ben. Von den 1996 in Deutschland zugelassenen 254 Wirkstoffen wird in Tabelle 3.3 nur ein kleiner Teil genannt, mit dem in Tierversuchen ermittelten no observed effect level (NOEL), dem daraus abgeleiteten acceptable daily intake (ADZ) fur den Menschen und den in Deutschland zugelassenen Hiichstmengen in Lebensmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft. Anhand der in Tab. 3.3 gebotenen Daten kann man ausrechnen, wie hoch bei jedem der genannten PSM der Sicherheitsabstand zwischen der im Tierversuch ermittelten Dosis ohne Wirkung (NOEL) und der in Lebensmitteln erlaubten Hochstmenge ist. Nehmen wir als Beispiel das in Tab. 3.3 an erster Stelle genannte Insektizid Azinphos-ethyl. Die im Langzeitversuch bestimmte Dosis ohne Wirkung ist 0,86 mgkg Korpergewicht (KG) bei der Ratte. Als ADI-Wert wurde 0,005 mg/kg KG festgesetzt. Es wurde also ein Sicherheitsfaktor von 170 verwendet. Die Hochstmenge in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft betragt 0,05 mg/kg. Nehmen wir an, an einem Tag wurden 200 g eines die Hochstmenge enthaltenden Produkts verzehrt, das waren 0,Ol mg Azinphos-ethyl. Bei 60kg KG ergibt sich aus dem ADI-Wert eine duldbare tagliche Aufnahme von 0,3 mg. Zwischen der theoretisch moglichen Tagesaufnahme von 0,Ol mg und der duldbaren Aufnahme von 0,3 mg ergibt sich demnach nochmals ein Sicherheitsfaktor von 30. Man kann es auch so ausdriicken: der ADI-Wert wiirde an diesem Tag zu 3,3 % ausgeschopft. Nicht bei allen PSM ist der Abstand zwischen ADI-Wert und moglicher Aufnahme mit der Nahrung so groJ.3.
Auf den ersten Blick mag es verwundern, dafl Hochstmengen auch fur solche PSM festgesetzt werden, die in Deutschland nie zugelassen waren oder die fruher verwendet werden durften, aber schon lang verboten sind. Um im Bedarfsfall eingreifen zu konnen, braucht die amtliche Lebensmittelkontrolle Hochstmengen auch fur solche Stoffe, die auBerhalb Deutschlands verwendet werden durfen und daher in importierten Lebensmitteln enthalten sein konnen und fur fruher
’* Die Pflanzenschutzmittel werden zwar iiberwiegend, aber nicht ausschliel3lich in der Landwirt-
schaft verwendet. Insofern 1aBt sich aus der im Inland abgegebenen Wirkstoffmenge nicht exakt auf den pro ha Verbrauch in der Landwirtschaft schlieRen l 3 Beispiel: Dichlorprop und Mecoprop, zwei breit eingesetzte Getreideherbizide, bestanden friiher aus einer Mischung von zwei Isomeren, von denen nur das eine wirksam war. Neue Produktionsverfahren machen es moglich, nur noch das biologisch wirksame Isomer herzustellen, wodurch sich die Aufwandmenge fur diese wichtigen Herbizide halbierte.
50
Riickstande Chlorkohlenwasserstoffe CI
CI clQC1
CI
c1 Hexachlorbenzol HCB (Fungizid)
CI
Cl
Hexachlorcyclohexan HCH (Insektizid)
Heptachlor (Insektixid)
Organophosphate c ' H 5S 0 \ ~ - O ~ N 0 2 \ /
C~HSO Parathion (Insektirid)
-
Carbamate
/
0 I/,OCH3 CI3C-CHP I ' OH OCH3 Trichlorfon (Insektizid)
Y/OCH> C=CHO-P
\
Dichlorvos OCH? (Insektirid)
Dithiocarbamate ,CH3
y'"Y"'CH3 /CH3 0-C-N
Pirimicarb 'CH3 (Insektirid)
6
c
S
II
H?C -NH-
c-
H ~ -NHC
C-S'
!
S, Mn
/I
S
Mancozeb (Fungizid)
Nitroverbindungen ,NO?
F,c
0 -
/CH~CH~CHJ N, CHzCHzCHi
Trifluralin (Herbizid)
Forrnelbild 3.2: Einige Pflanzenschutzmittel der Gruppen Chlorkohlenwasserstoffe. Organophosphate, Carbamate. Dithiocarbamate und Nitroverbindungen.
erlaubte Stoffe, wie das DDT, die wegen ihrer hohen Persistenz noch in Boden und daher auch in Lebensmitteln vorkommen konnen. Um Tab. 3.3 nicht zu lang werden zu lassen, sind die Hochstmengen in einer verkiirzten Form wiedergegeben worden. In der Ruckstands-Hochstmengen-Verordnung werden die Hochstmengen vie1 detaillierter festgelegt. In Tabelle 3.4 wird dies an den Beispielen Ethion und Iprodion gezeigt. Aus den Tab. 3.3 und 3.4 geht hervor, dalJ in den meisten Lebensmitteln nur sehr niedrige Hochstmengen zugelassen sind, meist Gehalte unter 1 mg/kg, haufig nur 0,05 oder sogar nur 0,01 mg/ kg. In alteren Fassungen der Huchstmengen-VO lagen die Toleranzwerte zum Teil um den Faktor 10 hoher. Die Senkung der Hochstmengen auf diese niedrigen Werte ist in den seltensten Fallen das Ergebnis einer toxikologischen Neubewer-
I
40 (Rt)
16 (Msl
(Benzoylharnstoffl
1 IRt)
mglkg Futter
NO EL
Diflubenzuron
[Chlorkohlenwasserstoffl
DDTlDDE
(Pyrethroid)
Cyfluthrin
(Organophosphat)
Chlorpyrifos-methyl
(Organophosphat)
Chlorfenvinphos
(Amidin)
Amitraz
(Organophosphatl
Azinphos-ethyl
(Art der cham. Verbindung)
Wirkstoff
I
I
I
~
2 (Hdl
2,2 (Ms)
2 IRt)
KG
KG.Tag
:D
0,02
0,Ol
0,0005
0,003
0,005
mglkg
mglkg
AD1
(Hopfen 20)
0.02-0,5
0,05-0,5
0.05-2
10,05-1
1
I
0.05-1
(Hopfen 70)
0,05-5
0.05
Herkunft
pflanzl.
0.05-5'
1 1 0.02-0.05'
0.05-0.2
Herkunft
tier.
Lebensmitteln, mg/kg
Hdchstmenge in
Anwendg. in D nicht zulassig
Anwendung in D nicht zulassig
Auch als Akarizid wirksam
Anwendg.in D nicht zulassig
Bemerkungen
1
i
I
L
CA
~
Hd)
30 (Rt) 15 (Ms) 120 (Hd)
1500 (Rt)
Chlorthalonil
(Chlorphenylnitrii)
Dichlofluanid
(Pyrimidinbenzhydrol)
Fenarimol
(N-Trihalomethylthio-Verbindung)
>25 (Rtl >600 (Msl
38 (Msl 15 (Rt) 6 iHd)
300 (Rt,Ms,
(Benzimidazoll
(Dimethylcarbamat)
Carbendazim
40 (Rt) 107 (Ms) 12.5 (Rt) 1,8 (Hd)
I
250 (Rtl
Pirimicarb
(Pyrethroidl
Permethrin
>lo0 (Rtl
2 (Rt)
Parathion
(Organophosphat)
25 (Rt) 50 (Hd)
gamma-HCH, Lindan
(Organophosphat)
Ethion
(Chlorkohlenwasserstoff)
Endosulfan
~~
0,Ol
0,02
0.02-5
0,05-1
0.05-50
0,1-0,5
0,005
0.05
0,Ol-2
0,008
0.05-2
0,l-30
I
0,02
0.5-1.25'
0,2-2'
0,Ol-2'
I0,01-0,1
I
I
H M berechnet zus. mit Paraoxon
Anwndg. in D nicht zullssig
Auch als Akarizid wirksarn.
Anwendg.in D nicht zulissig
5 IRtl
0.25 (Rt)
5 (Rt) 30 IHd)
100 (Rt) 1100 15 (Hd)
(Chlorkohlenwasserstoff)
Fenbutatin-oxid (Organozinnverbindung)
(Chlorphenylharnstoff)
Linuron
Arencarboxylshrel
Dicamba
(Chlorierte Phenoxyalkan&ure)
Dichlorprop-P
HERBlZlDE
(Phenoxycyclohexylsulfii)
Propargit
Dicofol
50 (Rt) 125 (Hd)
>500 (Rt)
300 (Rt) 900 (Hd)
3,6 (Rtl
I
7.2 (Hd)
100 (Hdl
200 (Hd) 27,2 (Rt) 87 (Ms)
(Dicarboximid)
Vinclozolin
{Dithiocarbarnat)
Mancozeb
486 (Rt) 486 (Ms)
115 (Ms) 18 (Hd)
21 (Rt)
2,s (Hd)
17 (Ms) 4,8 (Rt) 7 (Hdl
400 (Hd)
300 IRtl 600 (Ms)
100 (Rtl
100 (Ms) 125 (Rtl
f Dicarboximid)
lprodion, Glycophen
(Chlorphenylimidazol)
lmazalil
0,05
0,05-2
I
I
_
0.01-30 O
~
0.2-6
0.02-30
0.05-40
0,05-25
0.02-10
0,02-5
~ 0,15 [
0,002
0,07
0’03
0.2
0,03
I
_
, ~
~
I ~
10.01-2 .
_
0,05 ?
0,05
0.05)
0,02
~
I
~ Anwendgh ~ D nicht ~ zuliissig
Anwendg.in D nicht zu@ssig
HM berechnet als Schwefelkohlenstoff
I
J
54
Riickstande
Pflanzenschutzmittel (PSM)
55
Tabelle 3.4: Hdchstmengen fur das InsektizidlAkarizid Ethion und das Fungizid lprodion in Lebensrnitteln(nach Ruckstands-Hdchstmengen-Verordnung vom 1Sept.1994, zuletzt geilndetvberichtigt 8.Mai 1996) Substanz Ethion
I mg/kg I Lebensmittel
F-
0.5''
Rindfleisch, Rindfleischerzeugnisse, Rinderfett Milch, Erzeugnisse auf Milchbasis Schweinefleisch, Schweinefleisch-erzeugnisse, Schweinefett,
I
Schaffleisch, Schaffleischerzeugnisse, Schafsfett, Ziegenfleisch, Ziegenfleischerzeugnisse, Ziegenfett, Gefldgelflaisch,
Geflugelf leischerzeugnisse, Gef IOgelfett Eier, Eiprodukte andere Lebensmittel tierischer Herkunft ~
~_________
Tee, Zitrusfruchte Kernobst, Steinobst, Trauben
I 0.1 lprodion
GemQse, Qbriges Obst. Zitrussiifte
0,05
andere pflanzliche Lebensmittel
0.05
Fleisch, Fleischerzeugnisse, tierische Speisefette, Eier, Eiprodukte, Milch, Erzeugnisse auf Milchbasis
10
Erdbeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Kernobst, frische Krluter, Trauben, Salatarten, Stachelbeeren
5
Kiwis, Knoblauch, Kopfkohl, Schalotten, Solanaceen, Speisezwiebeln, Steinobst, Strauchbeerenobst
2
Cucurbitaceen mit geniel3barer Schale
1
Chicor4e
0.5
Gerste, Rapssamen, Reis, Weizen
0.2
Hdlsenfrdchte, Leinsamen, Senfsaat
0.1
Hopfen, Kohlrabi, Tee
0,02
andere pflanzliche Lebensmittel
"I bezog
tung, also einer Senkung der ADI-Werte, sondern meist Folge eines sorgsameren Umgangs mit PSM in der Landwirtschaft. Wie in Kapitel 2 erwahnt, werden Hochstmengen immer so niedrig festgesetzt, wie sie bei guter landwirtschaftlicher Praxis eingehalten werden konnen. Am Beispiel Ethion in Tabelle 3.4 1aBt sich das illustrieren. Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch konnen bei guter landwirtschaftlicher Praxis mit Ethiongehalten unter 0,2 mg/kg Fett erzeugt werden. Bei Rindfleisch dagegen wird ein lOfach hoherer Gehalt toleriert, weil auch bei guter Praxis Ethiongehalte vorkommen, die nahe bei 2 mg/kg Fett liegen. Die Erfahrung
56
Riickstande
hat gezeigt, daR fur einen wirksamen Schutz von Zitrusfruchten gegen Insekten eine Ethion-Hochstmenge von 2 mg/kg geduldet werden muB. Die Erzeuger von Kernobst, Steinobst und Trauben kommen aber mit dem Hochstwert von 0,5 mg/ kg zurecht, wahrend Gemuse mit einem Hochstwert von 0,l mg/kg erzeugt werden kann. Diese Unterschiede beruhen zum Teil auf unterschiedlicher Resistenz der Insekten, die in den jeweiligen Kulturen zu bekampfen sind, zum Teil auf unterschiedlicher Abbaurate der PSM-Ruckstande in den Gemiise- oder Fruchtarten.
PSM-Ruckstande in Lebensmitteln Wie oft in den letzten Jahren in Obst und Gemuse des deutschen Marktes bei der amtlichen Lebensmittelkontrolle PSM-Riickstande gefunden und wie haufig wegen Uberschreitung der Hochstmengen Beanstandungen ausgesprochen wurden, geht aus Tabelle 3.5 hervor. Demnach lag die Haufigkeit der HochstmengenUberschreitungen bei diesen Produkten bei etwa 2,5%. Ein ahnliches Bild vermittelt der 1998 erschienene Vierte Schweizerische Ernahrungsbericht [ 1071. Im Jahre 1995 wurden in der Schweiz bei 54,3% der Proben aus einheimischer Produktion keine PSM-Ruckstande gefunden, bei 42.9Yolagen die gefundenen Konzentrationen unterhalb der Hochstmengen und bei 2,8YOwurde die Hochstmenge iiberschritten, wobei sich diese Angaben auf Obst, Gemuse, Getreide, Milch, Fette und Eier beziehen, wahrend Tab. 3.5 nur Obst und Gemuse betrifft. In Deutschland betrug im Jahre 1993 die Haufigkeit der Hochstmengen-Uberschreitungen bei Kartoffeln 0,6 YO, bei Weizen 1 %, bei Apfeln 0,8% ([log], S.125). Wie in Kap. 2 erwahnt, bedeuten diese gelegentlichen Uberschreitungen kein nennenswertes Gesundheitsrisiko fur den Verbraucher, weil die Hochstmengen nicht unmittelbar aus den ADI-Werten abgeleitet, sondern niedriger festgesetzt werden, so niedrig wie die gute landwirtschaftliche Praxis es gestattet. Wenn in den Medien Uberschreitungen der Hochstmengen immer wieder unter Schlagzeilen wie ,,Giftgrenzwert uberschritten" beschrieben werden, so ist dies irrefuhrend. Die festgesetzten Hochstmengen sind eben keine Giftgrenzwerte, deren
Tabelle 3.5: Ergebnisse von Untersuchungen aus der amtlichen Lebensmitteluberwachung von Obst und G e m h e auf Ruckstiinde von Pflanzenschutzmitteln. Prozentuale Verteilung der Proben ohne bestimmbare Rijckstande (n.b.) und mit Befunden unter (cHM) und uber (>HM) der HBchstmenge (nach [108]) Obst Quelle
ErnBhrungs-
Anzahl
n.b.
Praben
%
Gemiise
>HM
Anzahl
n.b.
%
%
Proben
%
>HM %
8603
46.3
51,6
2.2
9100
80.8
34,5
4.9
a415
43.4
53,9
2,7
11783
65,s
32,s
2,4
bericht 1992 Ernahrungsbericht 1996
Pflanzenschutzrnittel (PSM)
57
Uberschreitung Gefahr bedeutet. Selbst wenn die HM einmal so stark uberschritten wird, daB der Verzehr dieses Produktes zu einer Uberschreitung des ADIWertes fuhrt, bedeutet dies keine Gesundheitsgefahrdung, weil der ADI-Wert sich auf die tagliche Aufnahmehohe wahrend des ganzen Lebens bezieht. Als Ursache der Uberschreitungen bei Obst und Gemuse werden meist Fungizide wie Vinclozolin, Iprodion, Procymidon, Chlorpyrifos und Dichlofluanid festgestellt. Ruckstande in Apfeln stammen etwa zur Halfte von DithiocarbamatFungiziden (wie Mancozeb, Ziram), auBerdem von den Insektiziden Phosalon und Endosulfan. Herbizide fallen bei Ruckstandskontrollen selten auf, da sie meist in fruhen Wachstumsstadien angewendet werden, wenig persistent sind und bis zur Ernte vollstandig oder bis auf unbedeutende Restmengen abgebaut werden. Die fruher in Brotgetreide haufig zu findenden Ruckstande an Chlorkohlenwasserstoff-PSM haben in den letzten Jahren soweit abgenommen, daB trotz verbesserter Analysetechnik die Gehalte jetzt in den meisten Proben unter der Nachweisgrenze liegen. Riickstande von Chlorkohlenwasserstoff-PSM in Lebensmitteln tierischer Herkunft weisen in neuerer Zeit Mittelwerte von unter 0,Ol mg/kg Fett auf, zum Beispiel HCB in Hiihnerei 0,005, in Milch 0,009, in Rindfleisch 0,007 und in Forelle 0,0009 mg/kg Fett ([lo81 S. 120). Die Tendenz ist weiterhin fallend. Auch bei sonstigen PSM-Ruckstanden in Lebensmitteln tierischer Herkunft liegen die Gehalte meist so niedrig, dab sie nicht mehr routinemaaig zuverlassig erfaBt werden konnen ([lo81 S. 117). Zusatzlich zu den im Rahmen der Lebensmittelkontrolle durchgefuhrten Analysen, auf denen die Daten der Tab.3.5 beruhen, werden Monitoring Programme durchgefuhrt, bei denen die Probenahme nach den Regeln der statistischen Reprasentativitat erfolgt. Seit 1988 wurde ein bundesweites Monitoring-Programm aufgebaut, dessen Ergebnisse in gemeinsam von Bund und Landern verfafiten jahrlichen Berichten veroffentlicht werden. Die SchluBfolgerungen unterscheiden sich nicht wesentlich von denjenigen, die aus den Jahresberichten der Landesuntersuchungsanstalten hervorgehen. In der Zusammenfassung des 1999 erschienenen Berichts iiber das Monitoringjahr 1997 heiBt es, die Ergebnisse hatten die allgemein geringe Kontamination der Lebensmittel mit unerwunschten Stoffen bestatigt [109].
PSM-Riickstande in Gesamtnahrungsprobenund in Blutplasma Die Analysenwerte aus der amtlichen Lebensmittelkontrolle und aus Monitoring Programmen stammen aus Untersuchungen an ungewaschener Rohware, berucksichtigen also nicht die durch Waschen, Schalen, Erhitzen und sonstige Verarbeitungs- und Zubereitungsschritte erfolgten Verluste. Will man die mit der Nahrung aufgenommenen PSM-Mengen erfassen und die Ausschopfung der ADI-Werte berechnen, mussen kiichenfertig zubereitete Lebensmittel analysiert werden. In Hessen durchgefuhrte Untersuchungen an verzehrsfertigen Gesamtnahrungsproben (Tagesrationen stationar verpflegter Patienten) ergaben pro Tag und Person bei Lindan eine Aufnahme von 1,15 pg, bei Gesamt-DDT 1,16 pg. Bei HCB und bei alpha- und beta-HCH lag der Gehalt unterhalb der Nachweisgrenze
58
Riickstande
von 1 ng/Tag und Person. Die ADI-Werte fur Lindan und D D T wurden damit zu 0,16 % bzw. 0,33 YOausgeschopft [110]. Bei einer ahnlichen Untersuchung in Bayern [ l l l ] wurde eine Tageszufuhr von 0,9 yg bei Lindan ermittelt, wahrend bei D D T und anderen Organochlor-PSM die in den Tagesrationen vorhandenen Konzentrationen unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze lagen. Diese Ende der 80er Jahre durchgefuhrten Studien zeigen einen starken Ruckgang der nahrungsbedingten Aufnahme chlororganischer PSM-Ruckstande gegenuber der Situation zu Beginn der 70er Jahre. Im Ernahrungshericht 1972 war eine 5 %ige Ausschopfung der ADI-Werte durch in pflanzlichen Lebensmitteln enthaltene PSM-Ruckstande geschatzt worden und eine 10 %ige Ausschopfung durch in Lebensmitteln tierischer Herkunft enthaltene. Bei einer neueren Untersuchung in Bayern [112] lag die Tageszufuhr von Lindan bei 0,5 yg und D D T war wiederum bei der Analyse von Tagesrationen nicht bestimmbar. Der ADI-Wert fur Lindan wurde im Mittel zu 0,l YOausgeschopft, Vinclozolin zu 0,OS YOund Dichlofluanid zu 0,004 O h . In der Schweiz werden Gesamtverzehrsstudien zur Ermittlung der mittleren taglichen Aufnahme von PSM und anderen Fremdstoffen seit Beginn der 70er Jahre durchgefuhrt. Im Vierten Schweizerischen Ernahrungsbericht wird uber in den Jahren 1991-1995 erfolgte Warenkorbuntersuchungen referiert. Auch dort lag bei den meisten PSM die Ausschopfung der ADI-Werte bei unter 1 %. Lediglich bei den Insektiziden Phosalon und Omethoat wurden 1,l bzw. 1,7 YOund bei den Dithiocarbamat-Fungiziden 1 , 1 4 3 % erreicht ([lo71 S. 125f). Den Zeitraum von 1971 bis 1996 umfal3t der sehr aufschlufireiche Bericht [113]; fur 13 Gruppen tierischer und 13 Gruppen pflanzlicher Erzeugnisse werden die gefundenen Konzentrationen von 36 Insektiziden, 25 Akariziden, 24 Fungiziden, 14 Vorratsschutzmitteln und zwei Keimhemmern in yg/kg Lebnsmittel angegeben und mit dem Tagesverzehr und den ADI-Werten in Bezug gesetzt. Die im Jahre 1996 gemessenen PSM-Gehalte erreichten nur noch einen Bruchteil der 1971 festgestellten. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden die ADI-Werte 1996 zu weit weniger als 1 YO ausgeschopft. Die zeitliche Abnahme der Ruckstandsgehalte von Chlorkohlenwasserstoffen in Gesamtnahrung seit 1971 ist Abbildung 3.4 zu entnehmen. Ausfuhrliche Warenkorbuntersuchungen zur Ermittlung der Aufnahme von PSM-Ruckstanden werden seit Jahren auch in Finnland durchgefuhrt. Im Zeitraum 1977-1 980 lag die tagliche Aufnahme von PSM insgesamt durch Lebensmittel einheimischer Erzeugung bei 16,9 pg pro Person; bis 1993 wurde ein Ruckgang auf 3,7 pg festgestellt. Die ADI-Werte wurden 1993 bei den meisten PSM zu weniger als 1 Yo ausgeschopft. Lediglich bei dem Tnsektizid Monocrotophos und dem Fungizid Carbendazim lag die Ausschopfung bei 1 bis 2 YO [114]. Ein starker Ruckgang der PSM-Ruckstande in den letzten Jahrzehnten und eine geringe Ausschopfung der ADI-Werte werden auch aus anderen Industrienationen berichtet: Schweden [115], Ttalien [116], USA [117], Japan [lls]. Dagegen erreicht die Aufnahme bestimmter PSM-Ruckstande in manchen Entwicklungslandern die ADIWerte oder uberschreitet sie erheblich, zum Beispiel in manchen Regionen Nigerias [119]. Eine Untersuchung des Blutplasmas von uber 1000 Frauen und uber 800 Mannern auf PSM-Gehalte wurde im Rahmen der VERA-Studie in den Jahren 19871 88 in der Bundesrepublik Deutschland durchgefuhrt. Die gefundenen Konzentra-
59
Pflanzenschutzmittel (PSM) pg/Penon Tag 10 9
8
0 197lR2
7 6
5 4
3 2 1 0
H 1981I83
c
01991/96
HCB
HCH
DDT
Dieldrin
HEPTA
Abbildung 3.4 Abnahme der mittleren Tageszufuhr von Chlorkohlenwasserstoff-Riickstlnden in der Schweiz von 1971 bis 1996. Quelle: [113].
tionen waren durchweg niedrig, fur Gesamt-DDT z.B. lagen sie im Mittel bei 2,5 pg/kg, Maximalwert 13 pg/kg. Als eines der Ergebnisse wird im Abschluljbericht der VERA-Studie festgestellt, es hatten sich keine Hinweise auf eine Gefahrdung der Probanden durch persistente Chlorkohlenwasserstoffe ergeben [1201. Der Fettgehalt des Blutplasmas steigt nach einer fetthaltigen Mahlzeit an; da die persistenten PSM fettloslich sind, wird auch ihre Konzentration im Blutplasma stark vom Abstand zwischen letzter Nahrungsaufnahme und dem Zeitpunkt der Blutabnahme beeinflufit. Bei der Interpretation der Ergebnisse von PSM-Analysen von Blutplasma mufi dies beriicksichtigt werden. Vie1 weniger beeinfluRt von solchen kurzzeitigen Schwankungen sind die PSM-Gehalte im Fettgewebe. Untersuchungen an Humanfettproben sind jedoch im allgemeinen nur an Autopsiematerial oder an bei chirurgischen Operationen entferntem Gewebe moglich. Untersuchungen von Humanfettgewebe auf Gesamt-DDT-Gehalte ergaben Hochstwerte von 29 mg/kg in der Tiirkei [121] und 162 mg/kg (!) in Mexiko [122]. Eine in Deutschland durchgefiihrte Studie zeigte bei gesunden Kindern im Alter von bis zu 16 Jahren einen DDT-Mittelwert von 0,6 und einen Hochstwert von 4,2 mg/kg Fett [123].
PSM-Ruckstande in Humanmilch Die Akkumulation der persistenten PSM im Menschen hat auch zu einer entsprechenden Anreicherung in der Frauenmilch gefuhrt. Dies hat in den 70er Jahren, als die Ruckstandskonzentrationen in Humanmilch relativ hoch waren, erhebliche Besorgnis ausgelost, da zum einen der kindliche Organismus als besonders emp-
60
Riickstande
findlich gegenuber Giftwirkungen gilt und da zum anderen die Nahrungsaufnahme bei Kleinkindern, bezogen auf das Korpergewicht, besonders hoch ist. Die alleinige Muttermilchernahrung bis zum vollendeten 4.-6. Lebensmonat gilt als die optimale Ernahrung fur den jungen Saugling. Als zu Beginn der 70er Jahre in der Offentlichkeit die Besorgnis uber die zunehmende Umweltkontarnination durch chlororganische PSM-Riickstande zunahm und bekannt wurde, daB die Gehalte in Frauenmilch um das Zehnfache hoher lagen als in Kuhmilch, wurde von medizinischer Seite befurchtet, es konnten sich immer mehr Mutter vom Stillen abwenden. Die DFG-Kommission zur Prufung von Ruckstanden in Lebensmitteln gab bekannt, beim Abwagen aller wissenschaftlichen Argumente sei sie zu dem SchluB gekommen, daB der Nutzen des Stillens hoher einzuschatzen sei als ein moglicherweise vorhandenes Gesundheitsrisiko durch die festgestellten Ruckstande in Frauenmilch [124]. Die Kommission bestatigte 1984 ihre fruhere Empfehlung, stellte jedoch fest, der Anteil der lange stillenden Mutter habe zugenommen und wies darauf hin, daB nach Ablauf der ersten vier bis sechs Lebensmonate die Vorteile des Stillens zunehmend ihr Gewicht verlieren. Die Stillempfehlung von 1974 wurde insofern eingeschrankt, da13 Mutter, die ihr Kind wesentlich langer als sechs Monate stillen wollten, im Sinne eines verniinftigen NutzenRisiko-Vergleichs uberprufen lassen sollten, welche Mengen an persistenten Organochlorverbindungen mit der Milch ausgeschieden werden [ 1251. Die Landerregierungen boten stillenden Muttern an, den Gehalt an Chlorkohlenwasserstoffen in ihrer Milch kostenlos bei den staatlichen Untersuchungsanstalten errnitteln zu lassen. Aufgrund der Analysenergebnisse und einer von der Komrnission aufgestellten Liste von Richtwerten konnten die Untersuchungsamter den Muttern raten, ob das Stillen nach dem vierten Lebensmonat uneingeschrankt fortgesetzt werden sollte oder nicht. Nach einern Bericht des Landesuntersuchungsamtes fur das Gesundheitswesen Nordbayern wurden im Zeitraum von 1984-1989, in dem 1600 Frauenmilchproben untersucht wurden, in 83 Fallen (4,9 YO)Richtwertuberschreitungen festgestellt und der Rat gegeben, weniger zu stillen oder das Stillen ganz einzustellen [126]. Die DFG-Kommission verglich die 1984 vorliegenden Daten iiber PSM-Ruckstande in Frauenmilch mit den NOEL-Werten der chlororganischen Verbindungen und stellte fest, daB der ublicherweise geforderte Sicherheitsfaktor von 100 fur voll gestillte Sauglinge im Fall des HCB und des beta-HCH nicht mehr gegeben war. In Tabelle 3.6 werden die aus den NOEL-Werten mit Sicherheitsfaktoren von 10, 100 und 1000 berechneten duldbaren Konzentrationen in der Milch fur einen 4 Monate alten Saugling angegeben. Die ca. 1982 gemessenen Konzentrationen (Spalte 5 ) waren fur HCB im Mittelwert so hoch, dal3 der Sicherheitsfaktor nur wenig uber 10 lag. Die individuellen Abweichungen vom Mittelwert konnen je nach Ernahrungsweise, Lebensalter, Zahl der vorherigen Geburten und einigen anderen EinfluBfaktoren erheblich sein. Bei Frauen, deren Milch eine uberdurchschnittliche Konzentration von PSM-Ruckstanden enthielt, nahrn der Saugling Ruckstandsmengen auf, die im Fall des HCB und gelegentlich auch einiger anderer Stoffe nur noch einen geringen oder gar keinen Sicherheitsabstand zum NOEL hatten. Auch wenn die Ruckstandsgehalte in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu osteuropaischen und erst recht zu tropischen Landern gering waren [125], bestand Anlalj zur Besorgnis.
Pflanzenschutzmittel (PSM)
Substanz
Duldbare Konzentration
Gemessene Konzentrationen [mgikg
[mg/kg Milchfettl
Milchfett)
Sicherheitsfaktor
Gesamt-
61
0,096
0,96
Baden-
957
Baden-
0,oo
10.02
0,02
0,02
0,Ol
0,Ol
1,511
DDT ”
Mittleres Kdrpergewicht 6,6 kg; iiber die ersten vier Lebensmonate gemittelte tfigliche
Aufnahme an Frauenmilch: 850 ml, mit 34,5 g Milchfett
Als Folge der abnehmenden Ruckstandsgehalte der Nahrung haben erfreulicherweise die Ruckstandsgehalte in Frauenmilch, wie Tab. 3.6, Spalten 6 und 7, sowie Abbildung 3.5 und Abbildung 3.6 zu entnehmen ist, inzwischen so stark abgenommen, daf3 der Sicherheitsfaktor fur HCB bei etwa 100 und fur die ubrigen Chlorkohlenwasserstoffe zum Teil bei uber 1000 liegt. Uber einen ahnlichen Ruckgang der Konzentration chlororganischer PSM in Humanmilch wird aus anderen Landern berichtet - zum Beispiel Schweiz [133] und Schweden [134]. Beispiele fur auch in neuerer Zeit in manchen Gebieten noch hohe Gehalte von DDT-Ruckstanden in Frauenmilch sind Tabelle 3.7 zu entnehmen. Die Bestimmung der Gesamt-DDT-Gehalte in Humanmilch in Norwegen ergab einen Mittelwert von 1mg/kg Milchfett bei einheimischen Frauen, dagegen 6 m a g bei Immigrantinnen aus Entwicklungslandern [143]. Ein Vergleich der in neuerer Zeit in Entwicklungslandern gemessenen Werte mit den dort in den 70er Jahren gemessenen [124, 1251 zeigt, daf3 auch dort ein mehr oder weniger starker Ruckgang der Ruckstandsgehalte erfolgte. Die DFG-Kommission zur Prufung von Ruckstanden in Lebensmitteln existiert nicht mehr. Uber Stillempfehlungen wird jetzt in der Nationalen Stillkommission beraten. In ihrer Sitzung vom November 1995 hat sie festgestellt:
62
Ruckstiinde
[mg/kg Fett]
HCB
gesamt-DDT 0 beta-HCH
1970 1974 1979 1984 1989 1994 Abbildung 3.5: Ruckstande von Gesamt-DDT, HCB und beta-HCH in Humanmilch. Bundesrepublik Deutschland, Mittelwerte 1970-1994. Quellen: fur 1970 [124]; fur 1974 und 1979 [129]; fur 1984 [130];fur 1989 [131] und [126]; fur 1994 [128].
[mg/kg Fett] 0,l 0,09 0,08 0,07
0,06
0,05
1
IIIHeptachlorepoxid' E Dieldrin
0 Lindan
0,04
0,03 0,02 0,Ol
0 1974 1979 1984 1989 1993 Abbildung 3.6: Ruckstande von Dieldrin, Heptachlorepoxid und Lindan in Humanmilch. Bundesrepublik Deutschland. Mittelwerte 1974-1YY3. Quellen: fur 1974 und 1979 [129]; fur 1984 [130]: fur 1989 [12h]; fur 1993 [132].
63
Pflanzenschutzrnittel (PSM) rrTabOll0 3.7: Geaamt-DDT in Humanmilch in verschiedenen Regionen
I
Region
Jahr der Probenahme'
I
Zahl der Probanden
(mglkg Fettl
Baden-
11351
Wiirttemberg BadenWiirttemberg Polen
[
1995
I
110
Frankreich
1991
20
Kairo,
1994
1 00
11381
1994
31
11381
Delhi, Indian
1994
25
Kariba, Zimbabwe
1995
39
Iganga, Uganda
1992
83
iigypten Kafr El-Zayat, Agypten
I I'
Kampala City,
Uganda Swaziland
I
1992 1997
I
11401
4
60
I
11391
103
Wenn sine Zeitangabe in der Veroffentlichung fehlt, wurde eine Spanne von 2
Jahren zwischen Probenahme und Veriiffentlichungsjahr angenommen
,,Die Belastung der Frauenmilch mit Organochlorverbindungen ist in den letzten 5-1 5 Jahren deutlich zuruckgegangen: Organochlorpestizide um 50-80 %, PCB und Dioxine urn 50 %... Es gibt keine Hinweise darauf, daR die - friiher hohere - Belastung mit den Organochlorverbindungen zu einer gesundheitlichen Schadigung der gestillten Sauglinge gefuhrt hat. Um so weniger durften gesundheitliche Risiken in der heutigen Situation zu erwarten sein ...[Die Empfehlung von 19841 kann aufgrund der neuen Daten zuruckgezogen werden: Die derzeit gernessenen Gehalte an Organochlorverbindungen machen keirierlei Einschrankung des Stillens mehr erforderlich. Untersuchungen von individuellen Frauenmilchproben erubrigen sich" [144].
Auf Sensationsmeldungen bedachte Berichterstatter werden durch die Entwarnungen der Fachgremien nicht davon abgehalten, das Thema der PSM-Gehalte in Muttermilch immer wieder zu dramatisieren. Der starke Ruckgang der Gehalte seit den 70er Jahren wird dabei meist verschwiegen, dagegen wird betont, wieviel hoher der Pegel in Humanmilch im Vergleich zu Kuhmilch sei. Solche Berichte gipfeln meist in der Feststellung, wenn die fur Kuhmilch geltenden Hochstwerte auch fur Frauenmilch gelten wiirden, muljte das Stillen in Deutschland verboten werden. In der Tat sind die PSM-Gehalte in Frauenmilch hoher als in Kuhmilch. Zum einen liegt das am hoheren PSM-Gehalt der menschlichen Kost, die - auOer bei strikten Vegetariern - auch Lebensmittel tierischer Herkunft enthalt, in denen bereits eine Anreicherung der fettloslichen persistenten PSM erfolgt ist, zum
64
Ruckstande
anderen liegt es an der hohen Milchproduktion des auf Milchleistung gezuchteten Haustiers und dessen im Vergleich zum Menschen geringen Lebensalter. Mit der Milch werden standig die fettloslichen PSM ausgeschieden, so dalj es zu einer Akkumulation, wie sie beim Menschen uber einen Zeitraum von Jahrzehnten erfolgt, nicht kommt. Die Hochstwerte fur PSM-Ruckstande in Kuhmilch sind so niedrig festgesetzt, wie sie bei guter landwirtschaftlicher Praxis eingehalten werden konnen - und somit zwangslaufig niedriger als die tatsachlichen Gehalte der Humanmilch. Der in Abb. 3.5 und 3.6 demonstrierte abnehmende zeitliche Trend wird sich, wenn auch weniger ausgepragt als in den 70er und 80er Jahren, fortsetzen, da der Einsatz persistenter Wirkstoffe weltweit abnimmt. Das liegt zum einen an der auch in Entwicklungslandern wachsenden Wahrnehmung okologischer Probleme, zum anderen an der durch Entwicklung resistenter Insektenstamme geschwachten Wirksamkeit der schon seit Jahrzehnten verwendeten PSM. Vermutlich wird man in den malariagefahrdeten Gebieten erst dann bereit sein, ganz auf diese Mittel zu verzichten, wenn der Fortschritt der Wissenschaft andere Wege zur Malariakontrolle eroffnet hat. Einer dieser Wege sieht vor, in den Brutgebieten der Anopheles gentechnisch veranderte Algen anzusiedeln, die ein fur die algenfressenden Moskitolarven todliches Hormon enthalten [145]. Im September 1999 wurde bei Verhandlungen in Genf iiber ein weltweites Totalverbot von D D T eine von hunderten von Wissenschaftlern, darunter auch Nobelpreistragern, unterschriebene Petition gegen ein solches Verbot vorgelegt, das den armsten der armen Lander ihr immer noch wichtigstes Mittel zur Malariabekampfung nehme und ihnen dadurch eine ethisch nicht vertretbare Last aufbiirde. Eine Autorengruppe hat 1998 vorhergesagt, daB HCB und TJ-HCH noch 10-15 Jahre und Gesamt-DDT noch 35-50 Jahre mit durchschnittlichen Gehalten von iiber 0,Ol mg/kg Fett in Humanmilch nachweisbar sein werden [146]. Die in einer Veroffentlichung des Okologischen Arztebundes erhobene Forderung, ,,Mutter und Vater sollten ihren Unmut uber die Schadstoffbelastung der Muttermilch vie1 starker zum Ausdruck bringen, damit Politiker die notwendigen Gegenmaljnahmen erzwingen konnen" [147], wird leider nicht von Vorschlagen begleitet, worin diese GegenmaBnahmen bestehen konnten. Im iibrigen ist vorauszusehen, daB die zu erwartende weitere Abnahme der Ruckstandsgehalte in Frauenmilch von weiteren Steigerungen der Empfindlichkeit der Nachweismethoden begleitet werden wird, so darj man hochst wahrscheinlich auch 50 Jahre nach dem weltweiten Ende jeglicher Anwendung persistenter PSM in der Lage sein wird, Spuren von DDT und anderen chlororganischen Verbindungen in der Frauenmilch zu finden. Und was der Analytiker als Spuren bezeichnet, sind, wie bereits dargelegt wurde, immer noch Aberbillionen Molekule/kg. Wer eine ,,vollige Verbannung aller potentiellen Schadstoffe aus der Umwelt" [148] wunscht, verlangt das Unmogliche.
Pji’anzenschutzmittel(PSM)
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Gesundheitsrisiken PSM diirfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen sind. Voraussetzung fur die Erteilung der Zulassung ist u. a., darj das Mittel bei bestimmungsgemal3er und sachgerechter Anwendung keine schadlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier hat. Neu entwickelte Wirkstoffe miissen, ehe sie zugelassen werden konnen, eingehenden toxikologischen Priifungen unterzogen werden, wie sie in Kapitel2 beschrieben wurden. Von der umfangreichen Literatur iiber die Toxikologie der PSM sol1 hier nur das dreibandige Standardwerk von HAYESund LAWSerwahnt werden [149]. Bei der Diskussion von Gesundheitsrisiken, die sich aus der Anwendung von PSM ergeben konnten, geht es nicht nur um die PSM-Riickstande in der Nahrung. Einem ungleich hoheren Risiko als ruckstandshaltige Lebensmittel verzehrende Verbraucher sind die Anwender von PSM ausgesetzt. Die akute Toxizitat fur den Menschen ist zwar bei DDT und einigen anderen persistenten Mitteln gering, bei manchen der nicht persistenten Mittel dagegen sehr hoch. Es sei hier an das E 605 (Parathion) erinnert (siehe Tab. 2.2), das haufig als Mittel zum Mord oder Selbstmord diente. Durch Nichtbeachtung von vorgeschriebenen Vorsichtsmahahmen kommt es immer wieder zu akuten Vergiftungen bei den Anwendern [150]. Im Jahre 1990 weist die Todesursachenstatistik fur die Bundesrepublik Deutschland (alte und neue Bundeslander) 230 Todesfalle durch PSM-Vergiftung aus, wovon 220 Falle als Folge suizidaler Handlungen und 7 als Unfallfolge klassifiziert wurden; in 3 Fallen waren die zur Vergiftung fuhrenden Umstande unklar [151]. Die langzeitige gewerbliche Exposition von Personen, die als Abfuller, Verpacker oder Schadlingsbekampfer intensiven Kontakt mit PSM hatten, kann zu chronischen Gesundheitsschuden fiihren. Im Blutplasma solcher Personen werden zum Teil hohe PSM-Gehalte gefunden. In Deutschland ist dies ein abnehmendes Problem, da diese Personengruppe nach § 10 des P~anzenschutzgesetzesvon 1986 ihre Fachkunde nachweisen muB. Im Zeitraum 1982-1990 wurden in den Altbundeslandern 178 Falle als Berufskrankheiten nach PSM-Exposition anerkannt, von denen 110 auf die seit langer Zeit verbotene Verwendung von Arsenverbindungen zuriickzufiihren waren, 41 auf Organophosphate, 10 auf Halogenkohlenwasserstoffe [152]. Wiederholt ist es zu Massenvergiftungen gekommen, weil bei Transport, Lagerung oder Anwendung von PSM fahrlassig gehandelt wurde [153]. Mit Beizmitteln behandeltes Saatgut wurde vermahlen und zum Brotbacken verwendet, zusammen mit Lebensmitteln transportierte Wirkstoffe drangen aus undichten Behaltern aus und kontaminierten die Lebensmittel, in unbeschrifteten Behaltern aufbewahrter Wirkstoff wurde mit Zucker oder Salz verwechselt und Lebensmitteln zugefugt. Allerdings liegen die schlimmsten so verursachten Ereignisse schon einige Jahrzehnte zuriick. So die durch Verzehr von mit Hexachlorbenzol gebeiztern Saatgut verursachte Epidemie in der Turkei, an der zwischen 1955 und 1959 iiber 3000 Menschen erkrankten, von denen mehrere hundert starben. Mit Methylquecksilber, das wie Hexachlorbenzol eine hohe fungizide Wirksamkeit besitzt, gebeizter Weizen verursachte 1971/72im Irak eine Epidemie, die iiber 400 Todesopfer kostete. Im Irak hatten sich bereits 1956 und 1960 ahnliche Katastrophen durch Verzehr von gebeiztem Weizen ereignet. Zweck des Beizens ist, das Verschimmeln des Saatguts im Boden zu verhindern. Das Getreide war in allen
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Riickstande
diesen Fallen als Saatgut und als nicht zum Verzehr geeignet gekennzeichnet, aber die Warnhinweise wurden nicht beachtet. Vor allem in Entwicklungslandern ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch Personen, die des Lesens unkundig sind und daher die auf den Originalpackungen aufgedruckten Hinweise nicht zur Kenntnis nehmen konnen, weiterhin ein groBes Problem. Nicht endgiiltig geklart ist die Frage, ob auch die aus der vorschriftsmaljigen Anwendung von PSM resultierende Exposition in bestimrnten Fallen ein quantifizierbares Gesundheitsrisiko mit sich bringt. Bei hoher Dosierung wird durch Chlorkohlenwasserstoffe wie DDT, Dieldrin, Chlordan Leberkrebs in bestimmten Mausestammen verursacht. Von vielen, vielleicht den rneisten Krebsforschern wird bezweifelt, daf3 dies fur den Menschen, der diesen Stoffen in sehr geringer Dosierung ausgesetzt ist, irgendeine Relevanz hat. Vor allem in den Vereinigten Staaten ist diese Problematik jahrzehntelang intensiv diskutiert worden. Der dort 1958 eingefuhrte, nach dem KongreBabgeordneten DELANEYbenannte Zusatz zurn Lebensmittelgesetz verbot grundsatzlich die Verwendung von Zusatzstoffen, die bei Mensch oder Tier Krebs verursachen, ohne Rucksicht auf Dosis oder Art der Applikation. Dieses Verbot wurde in einer Zeit zum Gesetz, als man glaubte, es gebe in der Umwelt nur wenige krebserregende Stoffe, sie seien hauptsachlich anthropogenen Ursprungs und man konne durch Verbot der Anwendung dieser Kanzerogene die Krebshaufigkeit verringern. Auch fur Ruckstande von Pflanzenschutzmitteln galt die Delaney Klausel, allerdings nur bei verarbeiteten Lebensmitteln, nicht bei Rohprodukten, was zu vielen rechtlichen Schwierigkeiten fuhrte. Andere Probleme ergaben sich aus der Fortentwicklung wissenschaftlicher Methoden. Einerseits lieBen die immer empfindlicher werdenden Analysemethoden der Chemiker Spuren von PSM in vielen Produkten erkennen, die man zu DELANEY’S Zeiten als PSM-frei betrachtet hatte und andererseits fiihrte die Forderung nach mehr Sicherheit zu immer harteren Priifbedingungen bei toxikologischen Untersuchungen, was zur Folge hatte, daB viele Substanzen - auch viele Naturstoffe - die man fruher als nichtkanzerogen betrachtet hatte, nun als kanzerogen klassifiziert wurden [ 154, 1551. Im August 1996 verabschiedete der US Kongress ein neues Lebensmittelgesetz (Federal Food Quality Protection Act of 1996), nach dem das Vorkommen von PSM-Ruckstanden in rohen und verarbeiteten Lebensmitteln nach einheitlichen Kriterien und ohne Rucksicht auf die Delaney Klausel beurteilt wird. Das neue Gesetz unterscheidet nicht mehr grundsatzlich zwischen kanzerogenen und nichtkanzerogenen Stoffen; es verlangt vielmehr eine ausreichende GewiBheit, daR durch den Stoff kein Schaden verursacht wird ( a reasonable certainty that no harm will result). Nicht im Gesetz festgeschrieben, aber heute in den Vereinigten Staaten weithin akzeptiert, gilt der Grundsatz, daB diese ausreichende GewiBheit dann gegeben ist, wenn durch die Anwesenheit des Stoffes in Lebensmitteln die Haufigkeit von Gesundheitsschaden (wie Krebs) um weniger als einen Fall in einer Population von einer Million iiber eine 70-jahrigc Lebenszeit erhoht wird. Das Konzept, Risiken von unter 1:l Million als vernachlassigbar (negligible risk) zu betrachten, wird im ubrigen nicht nur im Lebensmittelbereich zunehmend verwendet. Es resultiert aus der Erkenntnis, da13 ein Nullrisiko nicht zu verwirklichen ist, und daf3 das Bemiihen, Risiken moglichst niedrig zu halten, irgendwo seine praktisch erreichbare Grenze finden muB.
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In der Annahme, da13 die lebenslangliche Aufnahme einer Substanz, die in einer Konzentration von weniger als 0,5 pg/kg in Lebensmitteln vorhanden ist, ein Risiko von weniger als 1:l Mio. mit sich bringt, betrachtet die FDA 0,5 pg/kg als threshold of regulation, als einen Schwellenwert unterhalb dessen amtliche Maljnahmen entweder nicht mehr erforderlich sind oder in verkurzter, vereinfachter Form angewendet werden konnen [156]. Neuerdings hat eine Gruppe europaischer Toxikologen Argumente zusammengetragen, die dagegen sprechen, eine Substanz nur wegen erhohter Inzidenz von Lebertumoren bei Mausen als kanzerogen zu klassifizieren [1571. Spontane, also auch ohne Verabreichung eines Kanzerogens auftretende Lebertumore, sind bei manchen Mausestammen sehr haufig. Wird bei Kanzerogenitatspriifungen eine erhohte Inzidenz von Lebertumoren festgestellt, so betrifft dies meist nur die Tiergruppe, der man die hochste Dosis (MTD) verabreicht hat. Substanzen, die nur in der Mauseleber, nicht in anderen Organen und nicht bei anderen Tierarten Krebs auslosen, sind iiberwiegend nicht gentoxisch, wirken also nicht als Initiatoren, sondern als Promotoren. Beim Menschen sind Lebertumoren in Industrielandern selten und wenn sie auftreten, kann fast imrner eine Virusinfektion (wie Hepatitis B) oder eine akoholbedingte Zirrhose als Ausloser festgestellt werden. (In tropischen Regionen kann auch das Schimmelpilzgift Aflatoxin eine ursachliche Rolle bei der Entstehung von Leberkrebs spielen - Kap. 7). Nach allen diesen Beobachtungen ist das Auftreten von Leberkrebs bei Mausen keine brauchbare Basis fur die Vorhersage des Krebsrisikos beim Menschen. (Bereits in Kap. 2 wurde festgestellt, dalj es viele in Tierversuchen krebserzeugende Stoffe gibt, von denen kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko fur den Menschen erwartet wird). Kontroversen gibt es nicht nur uber die Ergebnisse der mit sehr hoher Dosis durchgefuhrten Tierversuche, sondern auch hinsichtlich der epidemiologischen Studien iiber Zusammenhange zwischen geringer PSM-Exposition und Krebshaufigkeit beim Menschen. Bedenken hatte eine Untersuchung an nur 9 Brustkrebspatientinnen ausgelost, bei denen im Durchschnitt eine hohere Konzentration von Organochlorverbindungen im Krebsgewebe als in benachbartem gesunden Gewebe gefunden wurde [158]. Dagegen unterschieden sich bei einer Untersuchung an 183 gesunden, 46 an bosartigen Tumoren erkrankten und 33 an gutartigen Tumoren erkrankten oder mit Miljbildungen geborenen Kindern die mittleren Gehalte von Organochlorverbindungen im Fettgewebe nicht signifikant [123]. Bedenken wurden erneut genahrt durch eine Fall-Kontrollstudie mit 229 Teilnehmerinnen in New York (58 Brustkrebsfalle, 171 Kontrollen). Der mittlere Blutplasma-DDE-Gehalt der Erkrankten lag bei ll,O, der der Gesunden bei 7,7 pg/L. Frauen, deren DDE-Spiegel im Blut 20 pg/L betrug, hatten im Vergleich zu Frauen rnit 2 pg/L ein vierfach erhohtes relatives Risiko fur Brustkrebs [159]. Ein Jahr spater wurde eine an 150 Brustkrebspatientinnen und 150 Kontrollen aus dem Gebiet um San Francisco durchgefuhrte Untersuchung veroffentlicht [160], die einen derartigen Zusammenhang nicht erkennen lie& obwohl die PlasmaDDE-Gehalte bei den Teilnehmerinnen dieser Studie zum Teil erheblich hoher lagen als bei den Teilnehmerinnen in New York. Schwedische Forscher kamen in einem diese und mehrere andere epidemiologische Studien analysierenden Ubersichtsartikel zu dem Ergebnis, ein Zusammenhang zwischen Brustkrebsrisiko und Chlorkohlenwasserstoff-Expositionsei nicht nachgewiesen [ M I .
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Ruckstande
Seither sind weitere Ergebnisse bekannt geworden, die gegen einen Zusammenhang zwischen DDT-Exposition und Brustkrebs sprechen. In USA lauft seit 1976 die Nurses’ Health Study, in deren Rahmen der Gesundheitszustand von iiber 100000 Krankenschwestern verfolgt wird. Von 240 Teilnehmerinnen, bei denen bis 1992 Brustkrebs diagnostiziert wurde, und von 240 Kontrollpersonen standen Blutproben zur Verfugung, die in den Jahren 1989 bis 1990 entnommen worden waren. Die Erkrankten hatten einen mittleren DDE-Gehalt von 6,Ol pg/L Plasma, die Kontrollen 6,97 pg/L [162]. Eine in Deutschland, den Niederlanden, Nordirland und Spanien durchgefuhrte Untersuchung, bei der DDE-Gehalte nicht im Blut sondern im Fettgewebe bestimmt wurden, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, ein Zusammenhang zwischen DDE-Gehalten und Brustkrebsrisiko sei nicht zu erkennen [163]. Auch in Mexiko [164] und Nordvietnam [165] durchgefuhrte Untersuchung zeigten keinen Zusammenhang zwischen DDT/DDE-Exposition und Brustkrebsrisiko. Neuere Auswertungen der Literatur kommen wiederum zu der SchluBfolgerung, ein Zusammenhang zwischen DDT/DDE und Brustkrebsrisiko sei den verschiedenen Studien nicht zu entnehmen [ 166, 1671. Bei einer in Deutschland durchgefiihrten Untersuchung wurden nicht nur DDT/ DDE sondern auch HCH und HCB in Geweben von Brustkrebs-Patientinnen und Kontrollpersonen bestimmt [ 1681. Die Autoren fanden keine Korrelation zwischen der Konzentration dieser Substanzen im menschlichen Korper und dem Auftreten von Brustkrebs. Bisher durchgefiihrte Untersuchungen iiber mogliche Zusammenhange zwischen PSM-Exposition und Krebshaufigkeit bei Kindern haben wegen methodischer Schwachen (kleine Fallzahl, Unklarheit iiber die Hohe der Exposition, Bias bei der Auswahl der Kontrollgruppe) keine klaren SchluSfolgerungen erlaubt [169].
Metabolite und Kombinationswirkungen Oft wird argumentiert, die Wirkstoffe selbst seien zwar toxikologisch gepruft und amtlich zugelassen, uber die aus diesen Stoffen entstehenden Umwandlungsprodukte (Metabolite) und deren toxikologische Eigenschaften sei jedoch so gut wie nichts bekannt. Dieser Einwand war vor einigen Jahrzehnten berechtigt, trifft jedoch heute nicht mehr zu. Uber Umwandlungs- und Abbauprodukte der PSM ist inzwischen vie1 gearbeitet worden [170], und es wird schon seit einiger Zeit kein Mittel neu zugelassen, dessen Abbauverhalten in der Urnwelt und im tierischen Organismus nicht griindlich untersucht wurde. Von einigen Wirkstoffen ist bekannt, daB sie erst durch ihre Metabolite zum Schadlingsbekampfungsmittel werden. Auch uber die Bindung von PSM-Ruckstanden an Bodenpartikel und die allmahliche Freisetzung des Wirkstoffs oder seiner Abbauprodukte ist vie1 veroffentlicht worden [171]. GewiS besteht hinsichtlich der Umwandlungsprodukte der PSM noch weiterer Forschungsbedarf, aber nach allen bisherigen Erkenntnissen ist es wenig wahrscheinlich, daS neue Informationen auf diesem Gebiet eine grundsatzliche toxikologische Neubewertung der PSM erfordern werden. Kritik an der Verwendung von PSM entziindet sich auch immer wieder an der Befiirchtung, der einzelne Stoff rnoge zwar gesundheitlich unbedenklich sein, gefahrlich sei jedoch die Kumbinationswirkung der Vielzahl von Fremdstoffen.
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Hier ist an die in Kap.l erwahnten Bedenken von RACHELCARSONund FRITZ EICHHOLTZ zu erinnern. Auch heute heiljt es haufig, diese Frage sei noch vollig unerforscht. Tatsachlich sind jedoch Kombinationswirkungen schon seit langer Zeit Gegenstand intensiver Untersuchungen in der Toxikologie und speziell in der Krebsforschung [172-1741. Wirken zwei kanzerogene Stoffe auf einen Organismus gleichzeitig ein, so kann die Gesamtwirkung starker sein, als man durch Addition der Einzeleffekte erwarten wurde. Man spricht dann von uberadditiven oder synergisrischen Wirkungen. Dies gilt zum Beispiel fur das Lungenkrebsrisiko von zigarettenrauchenden Asbestarbeitern, das vie1 hoher ist, als man durch Addition der Effekte des Rauchens und der Einatmung von Asbestfasern erwarten wurde. Gleiches gilt fur die Kombination von Rauchen und Alkoholkonsum [175]. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat schon in den 70er Jahren einen Bericht uber Kombinationswirkungen von Pflanzenschutzmitteln vorgelegt [1761, in dem die Ergebnisse von 85 zu diesem Thema durchgefuhrten Untersuchungen zusammengefarjt wurden. Synergistische Effekte sind zwar bei der Verabreichung hoher Dosen von PSM gelegentlich festgestellt worden, nicht jedoch, wenn niedrige Dosen verabreicht wurden, die den tatsachlichen Ruckstandsgehalten der Lebensmittel entsprachen. Die krebserregende Wirkung eines Stoffes kann durch gleichzeitige Verabreichung eines anderen Kanzerogens sowohl verstarkt als auch abgeschwacht werden. Die meisten derartigen Untersuchungen betrafen die Kombinationswirkung von zwei Substanzen [177], es sind jedoch auch komplexe Mischungen von vielen PSM gepruft worden, zum Teil in Kombination mit Kanzerogenen. So haben japanische Autoren gepruft, ob die Verabreichung einer Mischung von 20 PSM (19 Organophosphatverbindungen und ein Chlorkohlenwasserstoff) an Ratten die Leberkrebs verursachende Wirkung des Kanzerogens Diethylnitrosamin vestarkt. Dies war nicht der Fall, wenn jedes PSM entsprechend seinem ADI-Wert dosiert war. Wurde jedoch das 100-fache des AD1 verabreicht, verstarkte dies die Wirkung des Kanzerogens [ 1781. In einer weiteren Untersuchung [179] wurden 40 PSM in Kombination mit funf bekannten Kanzerogenen gepruft. Die entsprechend ihrem ADI-Wert dosierten PSM verstarkten auch in diesem Versuch die krebsverursachende Wirkung nicht. Die Autoren schlierjen aus diesen Ergebnissen, dafi das ADI-Konzept auch bei gleichzeitiger Aufnahme vieler Stoffe seine Gultigkeit hat. Um Tierversuche so weit wie moglich zu vermeiden, werden Kombinationsversuche auch unter in vitro Bedingungen durchgefuhrt. Als Beispiel sei eine Arbeit erwahnt [180], in der die Herbizide Atrazin und Cyanazin gemeinsam mit dem als Mutagen bekannten Naturstoff Quercetin auf Mutagenitat/Gentoxizitat gepruft wurden. Es ergaben sich keine Hinweise auf synergistische Wirkungen; im Gegenteil traten, vor allem bei hohen Testkonzentrationen, unteradditive Wirkungen auf. Zweifellos besteht weiterer Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Kombinationswirkungen. Die Zahl der moglichen Kombinationen ist jedoch so grolj, darj man auch bei grorjtem Forschungsaufwand niemals in der Lage ware, alle denkbaren Varianten zu testen. Aufgrund der bisher vorliegenden Ergebnisse ist es jedoch unwahrscheinlich, darj die immer wieder beschworene Gefahr synergistischer Wirkungen bei so geringer Exposition, wie sie heute durch PSM-Ruckstande in der Umwelt gegeben ist, eine nennenswerte Rolle spielt. Aufgrund theo-
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retischer Uberlegungen aul3erte der Ziircher Toxikologe CHRISTIAN SCHLATTER die Meinung, im Bereich der Spurenkonzentrationen (um den Faktor 10,100 und mehr unterhalb der pharmakologischen Schwellenwerte) sei die Wahrscheinlichkeit von Kombinationswirkungen praktisch gleich Null [181]. Forschungsarbeiten uber mogliche Langzeitwirkungen von PSM-Ruckstanden in der Nahrung galten jahrzehntelang uberwiegend dem Krebsrisiko. In den letzten Jahren sind andere Themen starker in den Vordergrund getreten. Kann durch PSM das Immunsystem geschadigt werden? Konnen PSM den Hormonhaushalt des Menschen beeinflussen? Unter in vitro Bedingungen und in Tierversuchen sind immuntoxische Wirkungen von Organochlorverbindungen gefunden worden. Ebenfalls bei Organochlorverbindungen hat man in vitro und im Tierversuch estrogene und anti-androgene Wirkungen festgestellt. Wie eine Ubersicht aus dem Robert Koch-Institut in Berlin zeigt, wurden nicht nur bei Organochlorverbindungen, sondern auch bei Herbiziden und Fungiziden verschiedener Art in Tierversuchen bei hoher Dosierung Einflusse auf das Reproduktions- und Hormonsystem beobachtet [182]. Dal3 solche Wirkungen auch bei den geringen Expositionen, denen der Mensch durch Ruckstande von PSM heutzutage ausgesetzt ist, irgendeine gesundheitsrelevante Rolle spielen, ist nach den bisher vorliegenden Ergebnissen wenig wahrscheinlich. Tm Vergleich zur Hormonwirksamkeit der im menschlichen Korper gebildeten Estrogene (weibliche Geschlechtshormone, wie das Estradiol), Androgene (mannliche Geschlechtshormone, wie das Testosteron) und Gestagene (fur die Vorbereitung und Erhaltung der Schwangerschaft wichtige Steroidhormone, wie das Progesteron), ist die Wirksamkeit der mit der Nahrung aufgenommenen hormone11 aktiven Chlorkohlenwasserstoffe und ihrer Metabolite jedenfalls sehr gering [183-1851. In Formelbild 3.3 werden einige Strukturen von Substanzen mit Hormonwirksamkeit gezeigt, die entweder im menschlichen Organismus gebildet oder synthetisch erzeugt werden (3.3a) OH
Estradiol
Diethylstilbestrol (DES) CHI
I
0
& Testosteron
& o
Progesteron
Formelbild 3.3a: Natiirliche Geschlechtshormone und das synthetische Estrogen DES.
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Pflanzenschutzmittel(PSM)
DDE
CI
Dieldrin
Methoxychlor
CI
Endosulfan
Formelbild 3.3b Hormonwirksame Chlorkohlenwasserstoffe: der antiandrogen wirksame DDTMetabolit D D E und drei estrogen wirksame Pflanzenschutzmittel.
oder als Ruckstande der Anwendung von PSM in Lebensmitteln vorhanden sein konnen (3.3b)14. Seit 1996 das Buch Our Stolen Future erschienen ist (auch auf deutsch [186]), ist die angeblich zunehmende Unfruchtbarkeit des Mannes durch abnehmende Spermiendichte (,,die Spermienkrise") ein beliebtes Thema der Medien. Als Ursache wird meist die Umweltverschmutzung oder noch spezifischer, die Belastung durch PSM-Ruckstande angegeben. In der Tat gibt es Studien, aus denen hervorgeht, daCj in den 30er Jahren in USA und Europa hohere Spermiendichten bestimmt wurden, als in den 80er Jahren [187] und dalj in einer Untersuchungsgruppe von Mannern aus ungewollt kinderlosen Partnerschaften die Spermienqualitat innerhalb eines Jahrzehnts deutlich abgenommen hat [185]. Dies als Folge der Umweltverschmutzung zu interpretieren, ist reine Spekulation. Zum einen gibt es auch Studien, in denen keine Abnahme oder sogar ein Anstieg der Spermiendichte beobachtet wurde [188], zum anderen wird die Spermiendichte von vielerlei Faktoren beeinflufit, zum Beispiel von der Abstinenzzeit vor Abgabe einer Spermaprobe. In einer Stellungnahme der D FG-Senatskommission zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln heirjt es: ,,Eine Abnahme von Spermienzahl und Samenqualitat beim Menschen wird diskutiert, die bisher vorliegenden Untersuchungen hierzu sind jedoch widerspriichlich und konnen wegen methodischer Mange1 nicht als zuverlassig angesehen werden. Eindeutige Hinweise auf eine Beeintrachtigung von Spermienzahl und Samenqualitat des Menschen liegen somit bisher nicht vor" ([189], s.56).
Befurchtungen, in der Umwelt weit verbreitete Ruckstande von PSM konnten, wegen deren estrogener Wirksamkeit, die Fortpflanzungsfahigkeit von Menschen und Tieren beeintrachtigen, wurden sehr verstarkt durch eine Veroffentlichung l4
In Pflanzen kommen natiirlicherweise viele Substanzen vor, die ahnliche Strukturmerkmale haben und ebenfalls hormonell wirksam sind (Kap. 7). Man bezeichnet sie als Phytoesrrogene, wahrend die hormonell aktiven Umweltchemikalien, wie DDE, Xenoestrogene genannt werden
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Ruckstande
der Arbeitsgruppe von MCLACHLAN an der Tulane University in New Orleans [190]. Nach diesem Bericht sollten fur sich allein nur schwach estrogenwirksame PSM wie Endosulfan und Dieldrin bei gleichzeitiger Einwirkung synergistisch so zusammenwirken, daB der Hormoneffekt 150- bis 1600fach verstarkt werde. Ein halbes Jahr spater berichtete eine andere Forschergruppe, sie hatten erfolglos versucht, die Ergebnisse der Tulanegruppe zu reproduzieren [191]. Schlieljlich nahm MCLACHLAN die erste Veroffentlichung zuruck und erklarte bedauernd, er und seine Kollegen seien nicht in der Lage, ihre fruher mitgeteilten Ergebnisse zu bestatigen. Es musse ihnen ein fundamentaler Fehler bei der Planung ihrer ursprunglichen Versuche unterlaufen sein [ 1921. Inzwischen sind auch in weiteren Untersuchungen keine synergistischen Wirkungen gefunden worden [193]. Manche widerspruchlichen Befunde sind vermutlich auf die Verwendung sehr unterschiedlicher Methoden zur Bestimmung der estrogenen und antiestrogenen Wirkungen von Substanzen zuruckzufuhren. Eine nutzliche Ubersicht mit Beschreibung von 25 Methoden, von denen vier als empfehlenswert bezeichnet werden, haben REELund Mitarbeiter geliefert [194]. Haufig beruhen die Angaben uber hormonelle Wirksamkeit einer Substanz nur auf in vitro Versuchen, deren Ubertragbarkeit auf die in vivo Situation fraglich ist und an deren Standardisierung noch gearbeitet wird [ 1951. Die estrogene Wirkung bestimmter Pflanzenschutzmittel wird durch manche naturliche Nahrungsbestandteile, wie Isoflavonoide, aufgehoben [196].
Medienkampagnen gegen PSM-Verwendung Auch wenn die Frage nach moglichen Zusammenhangen zwischen nahrungsbedingter PSM-Exposition und Gesundheitsrisiko durch Krebs oder andere chronische Erkrankungen nicht endgultig beantwortet ist, vielleicht nie endgultig beantwortet sein wird, machen die epidemiologischen Untersuchungen klar, dal3 das Risiko bei dem heute in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen existierenden Kontaminationsgrad nur ein sehr geringes sein kann. Dies hindert an dramatisierenden Schlagzeilen interessierte Medien nicht daran, das Thema immer wieder hochzuspielen. Beispielhaft sei hier der Aufruhr urn Gift in Babykost im April 1994 erwahnt, der mehrere Handelsketten und Hersteller von Babykost veranlaflte, Hunderttausende von Glasern mit Babynahrung aus dem Verzehr zu ziehen. (Die hohen finanziellen Kosten solcher Ruckholaktionen zahlt letztendlich der Verbraucher). Was war geschehen'? In aus Spanien importierten Glasern mit Gemusebrei war bis zu 0,04 mg/kg Lindan gefunden worden, eine nach spanischem Lebensmittelrecht nicht zu beanstandende Konzentration. Nach der deutschen Hochstmengenverordnung gelten Hochstmengen fur Lindan von 2 mg/kg fur Schaffleisch, 1 mg/ kg fur sonstiges Fleisch und Eier, 0,5 mg/kg fur Fische und Fischerzeugnisse, 0,2 mg/kg fur Milch- und Milcherzeugnisse, jeweils bezogen auf den Fettgehall dieser Lebensmittel. Die Hochstmengen fur pflanzliche Erzeugnisse liegen zwischen 2 mg/kg bei Blatt-, Kohl- und SproBgemuse und 0,l mg/kg bei Getreide und Kartoffeln (bezogen auf das Produktgewicht). Fur Babykost gelten diese Hochstmengen jedoch nicht. Hier schreibt die Diatverordnung fur alle PSM eine Hochstmenge
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von 0,Ol mg/kg vor, ein Vorsorgewert, der praktisch die Bestimmungsgrenze der zur Verfugung stehenden modernen Analyseverfahren fur die meisten Wirkstoffe darstellt; ein Wert der toxikologisch nicht begrundet ist, sondern zum Ausdruck bringt, daB Ruckstande von PSM in Babykost aus der Sicht des Verordnungsgebers, also des Bundesgesundheitsministeriums, grundsatzlich unerwunscht sind. Die Hersteller von Babykost konnen diesen Grenzwert nur dann einhalten, wenn sie mit den landwirtschaftlichen Erzeugern Anbauvertrage abschlieljen, die entweder jegliche Verwendung von PSM untersagen oder Verwendungsbedingungen festlegen, die meBbare PSM-Ruckstande mit Sicherheit vermeiden. Dies ist moglich, verursacht jedoch hohere Kosten. Ein aus frischem Gemuse selbsthergestellter Babybrei kann dagegen bis zu 2 mg/kg Lindan enthalten, was auljerst selten vorkommen wird, aber wenn es vorkommt, vollig legal ist.15 Bundesgesundheitsministerium, Bundesgesundheitsamt und zahlreiche sonstige Institutionen versicherten im April 1994, auch von 0,04 mg/kg Lindan gehe keine Gefahr fur Babies aus. Fur die aufgeregten Verbraucherschutzer, fur die Aufbauscher der Medien und fur manche Politiker, die im Bundestag eine Debatte uber Gifrstuffe in Babynahrung beantragten, zahlte nur, daB der angebliche Giftgrenzwert fur Babynahrung (0,Ol mg/kg) um das Vierfache uberschritten war. Die ganze Aufregung beruhte darauf, daB man einen Vorsorgewert falschlicherweise als Giftgrenzwert aufgefaBt hatte. So etwas gibt es nicht nur in Deutschland. Die Alar-Affre des Jahres 1989 in den Vereinigten Staaten mag dafur als Beispiel dienen. Die Umweltschutzgruppe Natural Resources Defense Council (NRDC) verbreitete damals die Behauptung, das von amerikanischen Apfelerzeugern verwendete PSM Diaminozid, von der Firma Uniroyal unter dem Handelsnamen Alar vermarktet, sei a potent carcinogen. Der Fernsehkanal CBS lieB einen Sprecher vor dem Hintergrund eines mit Totenkopf und gekreuzten Knochen markierten Riesenapfels berichten. Die Schauspielerin MERYLSTREEPnahm sich der Sache an und verlangte in Pressekonferenzen ein sofortiges Alar-Verbot. Die Schulen, in USA durchwegs Ganztagsschulen, die den Schulern eine Mittagsmahlzeit anbieten, kauften keine Apfel mehr. Der Markt fur Apfel brach zusammen. Die Apfelerzeuger in den Vereinigten Staaten verkauften 1989 fur mindestens 120 Millionen $ weniger Apfel als in den Vorjahren. Aussagen von Wissenschaftlern, die die Behauptungen von NRDC in Zweifel zogen, gingen in der allgemeinen Panik unter. Die Experten von FAO/WHO sahen keinen Grund fur eine Klassifizierung von Diaminozid als krebserregende Substanz und erteilten einen ADI-Wert von 0,s mgkg Korpergewicht. Aber in der amerikanischen Offentlichkeit wurde dies nicht zur Kenntnis genommen. Ruhe kehrte erst ein, als Uniroyal dem offentlichen Druck nachgab und das nach allen Regeln der Toxikologie geprufte und mehr als 20 Jahre lang problem10s verwendete Produkt vom Markt nahm. Die Wirkung des Mittels ist (oder war) die eines Wachstumsregulators. Durch seine Anwendung konnte das vorzeitige Reifen und Abfallen von Apfeln verhindert werden, die Fruchte eines Baumes erreichten etwa gleichzeitig den selben Reifegrad und behielten nach der Ernte Ianger eine feste, knackige Beschaffenheit. In Frankreich sol1 das Mittel von einigen Erzeugern verwendet worden sein, in Deutschland hat es nie eine Rolle gespielt. Die amerikanischen Erzeuger kommen seit 1989 auch ohne Alar aus - insofern konnte man sagen, die Aktion von NRDC habe mehr genutzt als geschadet. Die kleinen Erzeuger in USA, die 1989 ihren Betrieb aufgeben muBten, weil sie ihre Apfel nicht mehr verkaufen und ihre Bankschulden nicht mehr bezahlen konnten, sehen das gewiS anders - von den Aktionaren der Firma Uniroyal ganz zu schweigen. l5
AuBer Deutschland haben auch Belgien, Luxemburg, Osterreich und Italien eine generelle 0,Ol mgkg Hochstmenge fur PSM-Ruckstande in Babynahrung. Die EU-Kommission beabsichtigt, diesen Wert EU-weit festzulegen. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung war eine derartige Regelung jedoch noch nicht in Kraft
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Riickstande
Integrierter Pflanzenschutz und okologischer Anbau Seit 30 Jahren gibt die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung (DGE) im Auftrag der Bundesministerien fur Gesundheit und fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten alle vier Jahre einen Ernahrungsbericht heraus. Mit diesen Berichten sollen der Offentlichkeit, speziell den Meinungsbildnern in den Medien, den Verantwortlichen fur Ernahrungs- und Gesundheitspolitik und der Emahrungswirtschaft zuverlassige Informationen und kritische Darstellungen der Ernahrungssituation als Grundlagen fur weitere Maljnahmen der Aufklarung und Pravention geliefert werden. Die Ernahrungsberichte werden national und international als seriose und ergiebige Quelle fur aktuelle Informationen uber die Ernahrung in der Bundesrepublik Deutschland geschatzt und akzeptiert. Im Ernahrungsbericht 1992 ([131], S. 167) heil3t es: ,,Die als unerwunschte Fremdstoffe in Lebensmitteln nachzuweisenden Substanzen, unabhangig von der Ursache der Anwesenheit (naturlichen oder synthetischen Ursprungs), sind in so geringen Mengen vorhandcn, daR eine biologische Wirkung unwahrscheinlich ist. Eine absolute Sicherheit kann nie gegeben werden, d a eine Nicht-Wirkung, d. h. eine absolute Wirkungslosigkeit, nicht zu beweisen ist".
Weil dies so ist, weil die Nichtexistenz einer Gefahrdung nicht bewiesen werden kann, wird es immer gesundheitliche und Umweltschutzbedenken wegen der Anwendung von PSM geben. Die Anwender sind daher gut beraten, wenn sie diese Mittel so sparsam wie moglich verwenden. Dieses Ziel wird weltweit unter dem Begriff integrierter Pflanzenschutz empfohlen. Nach Q 2 des Pflanzenschutzgesetzes von 1986 versteht man darunter ,,eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berucksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzuchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maljnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige MaB beschrankt wird". Nach D 6 dieses Gesetzes ,,durfen Pflanzenschutzmittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden". Zur guten fachlichen Praxis gehort, daB die Grundsatze des integrierten Pflanzenschutzes berucksichtigt werden. Im Aktionsprogramm Agenda 22 der 1992 in Rio de Janeiro veranstalteten Konferenz fur Umwelt und Entwicklung liest man: ,.Ein integrierter Pflanzenschutz. der die biologische Bekampfung, Wirtspflanzenresistenz und angepaRte Anbaupraktiken miteinander verkniipft und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum reduziert, ist die optimale Liisung fur die Zukunft, d a er die Ertrage sichert, die Kosten senkt. umweltvertraglich ist und zur Nachhaltigkeit der Landwirtschaft beitragt".
Wie in den Erlauterungen zu Abb. 3.3 dargelegt, ist der Einsatz von PSM pro ha landwirtschaftlicher Nutzflache in den letzten Jahren deutlich zuruckgegangen. Die Anwendung der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzcs durfte hierzu erheblich beigetragen haben. Wie jedoch in ciner Veroffentlichung der Biologischen Bundesanstalt (BBA) bedauernd festgestellt wird, hat sich die Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes in der landwirtschaftlichen Praxis ,,wohl doch cher zogerlich vollzogen" [197]. Nach Auffassung der BBA existiert bisher keine verlaljliche Methode zur Bewertung des integrierten Pflanzenschutzes im land-
Pflunzenschutzrnittel (PSM)
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wirtschaftlichen Betrieb. Es bestehe die Gefahr, dal3 der integrierte Pflanzenschutz aufgrund unrealistischer Vorstellungen uber eine rasche Umsetzung verwassert und der einst hohe Anspruch in reger Deutungsvielfalt aufgeweicht werde [198]. Bei einem volligen Verzicht auf PSM ware die in der Agenda 21 geforderte Sicherung der Ertrage und Senkung der Kosten nicht moglich. In den einschlagigen Schriften der F A 0 wird daher konsequent fur den integrierten Pflanzenschutz, nicht jedoch fur einen volligen Verzicht auf chemische PSM pladiert. Im okologischen Landbuu wird zwar nicht auf alle, aber doch auf synthetische PSM verzichtet. Zusammen mit dem weitgehenden Verzicht auf mineralische Dungemittel (Kap. 5) fuhrt dies zu geringeren ErtragenI6 und wegen des erforderlichen hoheren Personalaufwands zu hoheren Produktionskosten [202]. Daher sind so erzeugte Lebensmittel zu recht teurer, oft erheblich teurer, als die Produkte des konventionellen Landbaus. Zum Teil werden jedoch Preise erzielt, die durch die Produktionskosten nicht gerechtfertigt sind. An der Bundesforschungsanstalt fur Ernahrung in den Jahren 1992 und 1996 durchgefiihrte Erhebungen ergaben bei Gemuse Preisunterschiede zwischen konventionell erzeugter Ware und in Naturkostladen angebotener Bio-Ware von bis zum Sechsfachen. Der Preisabstand zwischen den beiden Warengruppen nahm sogar von 1992 bis 1996 noch erheblich zu [203]. Solche Preise konnen nur deshalb verlangt werden, weil die Nachfrage groSer ist als das Angebot. Bio-Produkte sind offensichtlich beliebt. Die Europaische Union, der Bund und die Lander fordern die Umstellung auf okologischen Landbau und die Beibehaltung dieser Wirtschaftsweise als besonders umweltvertragliche Form der Landbewirtschaftung. Die EU-Verordnung iiber den okologischen Landbau (Oko-Verordnung)brachte 1991 europaweit einheitliche Vorschriften fur die Erzeugung, Verarbeitung, Kennzeichnung und Kontrolle von Lebensmitteln aus okologischem Landbau. Werden solche Erzeugnisse mit Hinweisen wie okologisch, biologisch, organisch oder ahnlichen Begriffen gekennzeichnet und vermarktet, so gelten fur sie die Bestimmungen der Oko-Verordnung. Die EU-Verordnung sol1 den Verbraucher vor Tauschung und Landwirte und Handel vor unlauterem Wettbewerb schutzen. Sie gilt bisher nur fur die Pflanzenproduktion; eine Ausdehnung auf die Tierproduktion ist in Vorbereitung. Nach einem BeschluS des Agrarministerrates sollen ab Mitte des Jahres 2000 auch fur Oko-Erzeugnisse tierischer Herkunft entsprechende Bestimmungen gelten. Nicht zuletzt aufgrund der staatlichen Unterstutzung hat sich der okologische Landbau in Deutschland und noch mehr in Osterreich erheblich ausgedehnt. Die EU-Mitgliedstaaten haben die Moglichkeit, im Rahmen der EU-Verordnung 2078/92 fur umweltgerechte und den landwirtschaftlichen Lebensraum schiitzende Produktionsmethoden Forderprogramme zu erstellen, die anschliel3end der 16
Die Ertragsrninderungensind bei verschiedenen Produkten,sehr unterschiedlich. Bei langjahrigen Anbauversuchen in der Schweiz lagen die Ertrage irn Oko-Anbau bei Kleegras urn 10 YO, bei Winterweizen urn 15 %, bei WeiDkohl und Rote Bete urn 25 YOund bei Kartoffeln urn 40 % unter denjenigen des konventionellen Anbaus [199]. Nach anderen Angaben sind die Unterschiede zwischen den Systernen noch groaer; so wird fur Wintenveizen ein Minderertrag von 30 % angegeben [200]. Von der Landwirtschaftskarnrner Rheinland durchgefiihrte Arbeiten ergaben bei Gerniise eine Ertragsrninderungvon 17 %, bei Apfeln je nach Sorte 20 bis 37 % [201].
76
Riickstande
EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden. Prinzipiell werden die genehmigten Forderungen zu 50 Yo aus dem EAGFL (Europaischer Ausgleichsund Garantiefonds fur die Landwirtschaft) kofinanziert. In Deutschland wurden 1996 im Rahmen dieser MaBnahmen rund 354 000 ha landwirtschaftlich genutzter Flache mit insgesamt 130Mio. DM gefordert. Ein weiterer Grund fur die positive Entwicklung des okologischen Landbaus in zahlreichen europaischen Staaten liegt in den besseren Absatzmoglichkeiten, die sich durch den Einstieg groBer Handelsketten ergeben haben. Dadurch haben Bioprodukte ihr Nischendasein in Spezialladen verloren und sind einer breiten Kauferschicht zuganglich geworden. Die gestiegene Nachfrage kann durch die Pioniere der Okobewegung, die meist auf kleineren Hofen und oft mehr aus Idealismus als aufgrund wirtschaftlicher Erwagungen den Oko-Anbau praktizieren, nicht mehr befriedigt werden. Mit den groBen Handelsketten konnen nur Grol3betriebe ins Geschaft kommen, die in der Lage sind, jederzeit die gewunschten Mengen zu liefern. Offensichtlich konnen aber auch die hocheffizienten, durchrationalisierten Oko-GroBbetriebe, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind, den Bedarf nicht decken. Der Oko-Handel bietet heute Reis aus Norditalien, Weizen aus Polen, Tschechien und Estland, Friihkartoffeln aus Israel, Avocados aus Siidafrika, Palmol aus Brasilien, Bananen aus Costa Rica. Diese Entwicklung ist nicht ungefahrlich. In seinem kritischen Bericht uber den ,,BioBluff" schreibt der Journalist GRIMM [204]: .,Mit wachsenden Umsatzen neigen manche Bio-Produzenten zu einer zwar geschaftsfordernden, aber fragwurdigen Aufweichung der okologischen Prinzipien....Die Bio-Bewegung hat ihren Elchtest noch nicht bestanden. Noch ist offen, oh sie sich mit hochwertigen, auch teuren Produkten und hohen okologischen Standards behaupten kann, oder ob sie abkippt in den unbarmherzigen Preiskampf der Supermarktketten, in die High-Tech-Kuchen der Lebensmittelkonzerne, ins Big Business der globalen Agro-Industrie. Fur den Konsumenten, der eigentlich ,,Bio" will, wird die Lage ebenfalls komplizierter. Je grof3er das Angebot, je vielfaltiger die Bio-Palette aus aller Welt, desto schwieriger ist es auch zu beurteilen, ob das Angepriesene den hehren Zielen entspricht ".
Trotz der staatlichen Forderung und trotz der ausgepragten Sympathien, die der Oko-Anbau in der Offentlichkeit geniefit, vor allem in den besserverdienenden Schichten der Bevolkerung, lag der Anteil nach okologischen Prinzipien bewirtschafteter Flachen an der landwirtschaftlichen Gesamtflache in Deutschland Ende 1998 nur bei 2,4 %, der Anteil der okologisch wirtschaftenden Betriebe bei 1,5 YOder Gesamtzahl der Betriebe. In Osterreich, das damit weltweit eine Spitzenposition einnimmt, hat 1996 der Anteil der Okoflachen 6,5 %, der Anteil der anerkannten Biobetriebe und Umstellungsbetriebe 7,3 YOerreicht. Allerdings ist zu berucksichtigen, daB hier 80 Yoder Bio-Flachen auf Grunland entfallen, das in Bergregionen (,,Erschwerniszonen") angesiedelt ist, und nur auf 20 Yo der Flachen Ackerbau betrieben wird. Auch in Deutschland wird okologischer Landbau meist auf ertragsschwacheren, integrierter Pflanzenbau auf ertragsstarkeren Standorten praktiziert, da der Anreiz, den staatliche Fordergelder ausuben, auf benachteiligten Standorten hoher ist. Damit ist eine zunehmende Anwendung des integrierten Landbaus - als okonomisch und okologisch optimierte Modifizierung konventioneller Anbausysteme - wahrscheinlicher als eine uberwiegende Umstellung auf okologischen Landbau. Zu berucksichtigen ist auch, daB in Oko-
Pflanzenschutzmittel (PSM)
77
betrieben Hackfruchte (wie Kartoffeln) und Feldgemuse (wie Mohren, Rote Bete, Kohl), Futtergraser und die als Stickstofflieferanten wichtigen Leguminosen eine vie1 groBere Rolle spielen als im konventionellen Landbau, daB andererseits Zukkerriiben, Olsaaten und Kornermais von Oko-Landwirten selten angebaut werden. Beim Getreideanbau sind Roggen und Dinkel wichtiger als bei konventionell wirtschaftenden Betrieben. Eine weitere starke Ausdehnung des Oko-Anbaus konnte zu einem Uberangebot van Oko-Gemuse, -Kartoffeln und -Getreide fuhren und damit zu einem Preisverfall bei denjenigen Produkten, von denen die Oko-Betriebe hauptsachlich leben. Ferner ist zu bedenken, dal3 Oko-Betriebe fast immer Viehhaltung haben; sie brauchen den Stallmist als Dunger. Ein grol3er Anteil der landwirtschaftlichen Nutzflache wird heute von viehlos arbeitenden Betrieben des konventionellen Landbaus bewirtschaftet. Wurden diese Betriebe auf Oko-Anbau umstellen, ware ein Uberangebot an Fleisch und Milch die Folge. Selbst bei positivster Beurteilung moglicher Steigerungsraten der Biolandwirtschaft ist anzunehmen, daB auch kunftig der gri5Bte Teil der landwirtschaftlichen Nutzflachen konventionell bewirtschaftet wird, mit zunehmender umweltvertraglicher Orientierung im Sinne des integrierten Landbaus [205]. Blickt man uber den Bereich der Europaischen Union hinaus, wo die UberschuBproduktion den Agrarpolitikern die groaten Probleme macht, erscheinen die Chancen des extensiven Landbaus erheblich geringer. In Gebieten mit stark wachsender Bevolkerung und begrenzten Resourcen an Wasser und landwirtschaftlicher Nutzflache kann nur eine intensive Bewirtschaftung fur eine ausreichende Versorgung der Bevolkerung sorgen (mehr dazu in Kap. 9).
Ernahrungsberichte zum Thema PSM-Riickstande Im Ernahrungsbericht 1988 [206] wird mit Bezug auf PSM festgestellt (S. 84): ,,Es sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, den Verbraucherschutz auf diesem Gebiet der Spurenanalytik zu intensivieren und zu optimieren. Dies ist in Verbraucherkreisen meist nicht bekannt. Aufgrund von Unkenntnis und nicht selten unsachlicher Information ist wachsende Beunruhigung iiber die Situation der Belastung der Lebensmittel mit Pflanzenschutzmittelriickstanden entstanden. Die Ausraumung unbegriindeter Angst und tief verwurzelter Vorurteile bedarf hier einer verstarkten Offentlichkeitsarbeit".
Uber Oko-Lebensmittel ist im Ernahrungsbericht 1988 zu lesen (S. 178): ,,Bisher konnte durch lebensmittelchemische Untersuchungen nicht gezeigt werden, daB alternativ erzeugte Lebensmittel in ihrem ernahrungsphysiologischen Wert und nach ihrer Belastung mit unerwiinschten Inhaltsstoffen hoher einzustufen sind als im konventionellen Landbau erzeugte Lebensrnittel; ein wissenschaftlicher Beweis fur die bessere Qualitat alternativ erzeugter Lebensmittel steht also aus".
Im Ernahrungsbericht 2992 ([131], S. 118) wird festgestellt, aus der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erwuchsen keine nennenswerten Ruckstandsprobleme und hinzugefugt: ,,In der Offentlichkeit ist vie1 zu wenig bekannt, wie umfassend der vorbeugende Gesundheitsschutz nach dem Prinzip der Vorsor.ge und Minirnierung auf diesem Gebiet gewahrleistet ist. Hier mussen noch viele Vorurteile und Angste ausgeraumt werden".
78
Riickstiinde
In der Schweiz werden Ernahrungsberichte im Auftrag des Bundesamtes fur Gesundheit von der Eidgenossischen Ernahrungskommission erstellt. Der 1998 veroffentlichte Vierte Schweizerische Ernuhrungsberichf ([lo71 S. 124) sagt zusarnmenfassend: ,,Nach aktuellen toxikologischen Kenntnissen besteht demnach keine gesundheitliche Gefahrdung der Konsumentinnen und Konsumenten durch heute in der Landwirtschaft und im Vorratsschutz verwendete Pestizide".
Tierarzneimittel und Futterzusatzstoffe Allgemeine und lebensmittelrechtliche Aspekte In Deutschland gab es 1997 fast 156 Millionen landwirtschaftliche Nutztiere: 15,2Mio Rinder, 24,8Mio Schweine, 2,3Mio Schafe, 93 Tsd Ziegen, 650 Tsd Pferde und 112,5Mio Stuck Geflugel [103]. Etwa 80 YO aller der Lebensmittelproduktion dienenden Nutztiere erhalten dauernd oder vorubergehend pharrnazeutische Praparate. Weltweit werden 42 Yo der gesamten Erzeugung veterinarpharmazeutischer Produkte als Futterzusatzstoffe, 19 YO gegen Infektionen (bakterielle, pilzliche oder virale), 13 YO gegen Parasiten und 26 fur sonstige Zwecke verwendet [207]. Den Einsatz von Veterinarpraparaten und Futterzusatzstoffen fur einen Markt dieser Dimensionen unter Kontrolle zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Die Verhaltnisse auf dem Tierarzneirnittelmarkt waren lange Zeit unbefriedigend. Damit ist weniger die ordnungsgemaBe Verwendung zugelassener Antibiotika, Hormone oder Beruhigungsmittel gemeint, als vielmehr die illegale Anwendung (,,Grauer Markt") und die Nichteinhaltung vorgeschriebener Wartezeiten zwischen Applikation und Schlachtung. Die Aufdeckung derartiger MiBstande gelang meist durch Entwicklung neuer, empfindlicherer Nachweisverfahren, und diese wiederum bewirkten in aller Regel, daB die widerrechtlichen Arzneimittelanwendungen rasch zuruckgingen. Als wesentlicher Fortschritt ist die Festlegung von maximalen Riickstandswerfen (maximum residue level, MRL) in Lebensmitteln tierischer Herkunft zu betrachten. Sie beruht auf der EWG-Verordnung 2377190, durch die die Zulassung von Tierarzneimitteln in allen Mitgliedstaaten der Europaischen Union einheitlich geregelt wurde und die 1992 in Kraft trat. Wie bei den PSM-Ruckstanden beruht die Festlegung der zugelassenen Hochstmengen einerseits auf der Bestimrnung von ADI-Werten, die nicht uberschritten werden sollen, andererseits auf der moglichst geringen Ruckstandskonzentration, die nach giiter fachlicher Praxis erzielbar ist, das heiBt in diesem Fall bei vorschriftsmafiiger Dosierung des Mittels und Einhaltung der vorgeschriebenen Wartezeit. Die MRL-Werte liegen meist vie1 niedriger, als nach den ADI-Werten rnoglich. Je nach Wirkungsweise der betreffenden Substanz sind unter Umstanden neben dem ADI-Wert weitere, die tolerierbare Riickstandskonzentration bestimmende Faktoren zu berucksichtigen. Handelt es sich zum Beispiel um ein Antibiotikum, so sol1 der Ruckstandsgehalt im Lebensmittel so gering sein, daB diese Menge nicht zur Entstehung von resistenten Krankheitskeimen beirn Menschen fiihrt. Beispielhaft werden in Tabelle 3.8 einige Wirkstoffe mit den fur bestimmte Gewebe geltenden MRL-
Tierarzneimittel und Futterzusatzstoffe
Substanz
Tiererten
Sulfonamide
alls zur
MRL ( p g k g l
Lebensmittelerzeugung genutzten Arten
I Ampicillin
I alle alte zur Lebensmittelerzeugung
(Antibiotikum)
ge nutzten Arten Rinder
Spiramycin
I I
79
I
Zielgewebe'
100
loo 50 50
l4
I M.M.Mi L,L,
N, N,
FF
I
300 200
(Antibiotikum)
400
Gefliigei
300
I lvermectin
200 Rinder
(Antiparasitikum) Schweine,Schafe und Pferde Diarinon
Rinder, Schafe,
(Antiparasitikuml
Ziegen und
100
L
40
F
15 20
L
F F
1 N, L, M
Schweine;
1
Rlnder, Schafe
Mi
und Ziegen Carerolol (&Blocker) Vedaprofen (Antiphlogistikuml
I Schweine I
~~~
25
1 Pferde
5 lo00 100 50 20
N L M
F
Werten genannt. Die Festsetzung hoherer Werte fur Leber und Niere und niedrigerer Werte fur Muskelfleisch berucksichtigt einerseits die physiologischen Funktionen des Tierkorpers, also die Anreicherung der Stoffe in Leber und Niere, und andererseits den im Vergleich zum Muskelfleisch geringeren Verzehr dieser Innereien. Vor dem Inkrafttreten der genannten EWG-Verordnung wurde zum Schutz des Verbrauchers vor gesundheitlich bedenklichen Ruckstanden pharmakologisch wirksamer Stoffe dem Tierhalter lediglich die Einhaltung der Wartezeit rechtlich vorgeschrieben - die sich aber in der Praxis schwer kontrollieren lielJ. Als die Nachweisgrenzen analytischer Methoden noch bei 1 oder 0,l mg/kg lagen, hielt
80
Riickstande
man die unter Einhaltung der vorgeschriebenen Wartezeit gewonnenen Lebensmittel tierischer Herkunft fur ,,ruckstandsfre?'. Als die Nachweisgrenzen auf 1 oder 0,l pg/kg oder noch weniger gesenkt werden konnten, erkannte man, daf3 auch bei ordnungsgemal3er Dosierung und langer Wartezeit noch Ruckstande vorhanden waren [208]. Nach der neuen Rechtslage werden Lebensmittel bei Uberschreitung der maximalen Ruckstandswerte von der amtlichen Lebensmittelkontrolle beanstandet; demjenigen, der solche Erzeugnisse in den Verkehr gebracht hat, droht strafrechtliche Verfolgung. Nachdem die E U den Gemeinsamen Binnenmarkt geschaffen hat und Importkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten entfallen sind, hangt eine wirksame Bekampfung der illegalen Anwendung von pliarmakologisch wirksamen Stoffen entscheidend von der Schaffung eines einheitlichen Uberwachungssystems in den Mitgliedstaaten ab. Die Grundlage fur eine systematische Durchfuhrung der Ruckstandsiiberwachung fur Schlachttiere und Fleisch ist durch die Richtlinie 86/ 469/EWG vorhanden. In allen EU-Staaten wurden Ruckstandskontrollplane aufgestellt und Zentralstellen eingerichtet, in Deutschland die Zentralstelle zur Koordinierung und Erfassung von Riickstandskontrollen bei Schlachttieren und Fleisch (F/ZERF) beim Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin (BgVV) in Berlin. Die Verwendung von Zusatzstoffen in Futtermitteln wird durch die Futterrnittel-Verordnung von 1992 geregelt, durch die mehrere Richtlinien der Europaischen Kommission in nationales Recht umgesetzt wurden. Wie Vertreter der amtlichen Lebensmitteluberwachung uberzeugend dargelegt haben [209], ist die unterschiedliche rechtliche Regelung fur Futterzusatzstoffe und Tierarzneimittel sehr unbefriedigend. Es gibt Stoffe, die als Tierarzneimittel verboten, jedoch als Futterzusatzstoff erlaubt sind und deren Verwendung nur uber eine vorgeschriebene Wartezeit, nicht uber Hochstmengen geregelt wird. Werden Ruckstande eines solchen Stoffes, zum Beispiel in Geflugelfleisch gefunden, so ist ein behordliches Einschreiten kaum moglich, weil unklar ist, o b die Substanz unerlaubt als Arzneimittel oder erlaubt als Zusatzstoff verwendet wurde und weil schwer zu beweisen ist, daf3 die vorgeschriebene Wartezeit nicht eingehalten wurde. Der Dioxinskandal in Belgien, der im Fruhjahr und Sommer 1999 hohe Wellen geschlagen hat und der durch die Verwendung dioxinkontaminierter Futtermittel ausgelost wurde (Kap. 4), wird vermutlich eine durchgreifende Neufassung des Futtermittelrechts in der E U nach sich ziehen.
Ruckstande pharmakologisch wirksamer Stoffe Wie aus Tabelle 3.9 hervorgeht, war in den Jahren 1993 und 1994 der Anteil der Fleischproben, in denen Ruckstande pharmakologisch wirksamer Stoffe gefunden wurden, in manchen Stoffgruppen gleich null und lag bei anderen Gruppen hochstens bei 2,5 %. Neuere Ergebnisse zeigen zumindest keine Verschlechterung der Situation. So wurden in Sachsen-Anhalt im Jahre 1998 von 12604 Untersuchungen auf pharmakologisch wirksame Stoffe in Lebensmitteln tierischer Herkunft 24 Proben (das sind 0,2 %) wegen Uberschreitung von Hochstmengen oder wegen des Nachweises verbotener Substanzen beanstandet [210].
Tierarzneimittel und Futterzusatzstoffe
1994
1993
Substanzgruppe
81
Anzahl
Anzahl
Anteil
Anteil positiv
positiv Unter-
Unter-
positiv
suchungen
positiv
,%)
suchungen
Hemrnstoff e
211 496
1282
0,61
203 133
1 536
0,76
Sulf onamide
3 654
36
0,99
3 258
66
2,03
Chlorarnphenicol
5 048
16
0,32
5 012
27
0,54
lvermectin
1 569
0
0.00
1 738
0
0,oo
Sedativa
1971
2
0,lO
1171
1
0,09
Thyreostatika
4 009
2
0.05
2 043
0
0.00
Stilbene
3 679
0
0,oo
2 563
0
0,oo
Stoffe mit
16 446
18
0.11
12 020
9
0,07
7 438
189
2,54
6 812
88
1,29
estrogener, androgener und gestagener Wirkung i3-Agonisten
Unter Hemmstoffen sind Antibiotika zu verstehen, die mit dem DreiplattenTest nachweisbar sind, der schnell und preisgunstig durchfuhrbar ist, der jedoch keine Identifizierung bestimmter Stoffe erlaubt. Aufwendigere Methoden, mit denen einzelne Antibiotika spezifisch bestimmt werden konnen, stehen ebenfalls zur Verfugung [207]. Antibiotika werden bei Rindern, Schweinen und Geflugel sowohl zur Leistungsforderung (schnelleres Wachstum, bessere Futterausnutzung), als auch zur Prophylaxe und Therapie von Infektionskrankheiten eingesetzt [208]. Es handelt sich dabei um I3-Laktame (wie Penicillin), Tetracycline, Aminoglycoside (wie Streptomycin), Makrolide (wie Erythromycin), Peptide (wie Virginiamycin) und Ionophore (wie Monensin). Auch Sulfonamide, Nitrofurane und Chloramphenicol sind antimikrobiell wirkSam. Die letzteren beiden durfen im EU-Bereich wegen toxikologischer Bedenken nicht mehr verwendet werden. Ein grol3es Problem des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung ist die Gefahr der Selektion von antibiotikaresistenten Krankheitskeimen [211]. Zu den Voraussetzungen fur die Zulassung von Antibiotika bei der Tierhaltung gehoren heute mikrobiologische Untersuchungen zur Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration MHK (minimal inhibitory concentration MZC). Das zu prufende Antibiotikum 1aI3t man in verschiedenen Konzentrationen auf die moglichenveise im menschlichen Darm vorkommenden Bak-
82
Riickstande
terienarten einwirken, um festzustellen, ab welcher Verdunnung keine Hemmwirkung mehr eintritt. Der maximale Ruckstandswert MRL wird so festgesetzt, da13 bei Verzehr von Lebensmitteln, die Ruckstande des betreffenden Antibiotikums enthalten, die MHK im Darminhalt des Menschen nicht uberschritten werden kann [212]. Bei diesem Vorgehen wird vorausgesetzt, da13 antimikrobiell wirkende Stoffe, solange sie in Konzentrationen unterhalb der MHK vorkommen, nicht zur Resistenzbildung beitragen konnen; ob diese Annahme zutrifft, ist noch nicht gesichert. Bis heute ist unklar, ob die Zunahme resistenter Stamme mehr durch den Antibiotikaeinsatz in der Humanmedizin oder mehr durch die Verwendung in der Tierhaltung verursacht wird - der weltweite Verbrauch von Antibiotika entfallt etwa je zur Halfte auf diese beiden Einsatzgebiete. Abwechselnd wirft die Bundestierarztekammer den Humanmedizinern das eine und die Bundesarztekammer den Tierarzten das andere vor. Es mehren sich jedenfalls die Stimmen, die eine starke Einschrankung der Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung befurworten. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt einen generellen Verzicht auf den Einsatz von antimikrobiell wirksamen Wachstumsforderern. In Schweden wurde 1986 die Verwendung von Antibiotika in Futtermitteln generell verboten. Mit Wirkung vom 1.Juli 1999 wurde vier in der Humanmedizin wichtigen Antibiotoka die Zulassung als Futterzusatzstoff in den EU-Mitgliedstaaten entzogen (Zink-Bacitracin, Spiramycin, Virginiamycin und Tylosinphosphat). Die EU-Kommission beabsichtigt Ende 1999 auch die Zulassung von Avilarnycin zuruckzuziehen und die verbleibenden drei antibiotischen Leistungsforderer schrittweise ebenfalls zu verbieten. Ivermectin ist eine gegen Parasiten wirksame Substanz. Es spielt bei den in Tab. 3.8 erfaRten Tierarten als Ruckstand keine Rolle. Bei Gefliigelfleisch dagegen sind Ruckstande von Kokzidiostatika relativ haufig. Das sind gegen spezielle Parasiten, die Kokzidien, wirksame Mittel. Sedativa sind Beruhigungsmittel, die vor allem bei Schweinen angewendet werden, um die Tiere wahrend des Transports ruhig zu stellen. Diese Substanzen werden relativ schnell aus dem Korper ausgeschieden; Ruckstande werden nur selten gefunden. Thyreostatika, die die Schilddrusenfunktion hemmen, dadurch den Grundumsatz senken und Fleischansatz und Gewichtszunahme fordern, durfen schon lange nicht mehr als Wachstumsforderer verwendet werden. Sie sind durch histologische Untersuchung der Schilddruse relativ leicht nachzuweisen und ihre (illegale) Verwendung ist sehr selten geworden. Zu den Stilbenen, synthetischen Estrogenen, zahlt das Diethylstilbestrol, DES, das fruher wegen seiner das Muskelwachstum fordernden (anabolen) Wirkung vor allem in der Kalberaufzucht verwendet wurde. In USA wurde DES seit etwa 1948 zur Erhaltung der Schwangerschaft bei drohendem Abort hochdosiert und Iangerfristig in der Humanmedizin eingesetzt. Etwa 20 Jahre spater entwickelten sich bei Tochtern DES-behandelter Frauen Adenokarzinome des Gebarmutterhalses und der Vagina. DES gehort somit zu den wenigen Stoffen, die als humankanzerogen gelten. Das Verbot der DES-Anwendung in der Tierzucht war damit unumganglich, auch wenn die zur Erreichung der anabolen Wirkung benotigte Dosis sehr vie1 geringer war, als die fur humantherapeutische Zwecke verwendete. Eine Anwendung von DES ist seit 1979 in der Bundesrepublik und in USA nicht mehr erlaubt und wurde 1981 auch in denjenigen Staaten
Tierarzneimittel und Futterzusatzstofle
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der Europaischen Gemeinschaft verboten, die bis dahin noch kein Verbot erlassen hatten. Die DES-Verwendung ist inzwischen uberall in der Welt verboten. Dagegen durfen zwei andere korperfremde Hormone rnit anaboler Wirkung, Trenbolon und Zeranol, in vielen Staaten auBerhalb der Europaischen Union als Wachstumsforderer eingesetzt werden. Beide gelten als nichtmutagen und nicht kanzerogen; fur Trenbolon gilt ein ADI-Wert von 0,02 pg/kg Korpergewicht [213], fur Zeranol 0,5 pg/kg [214]. Auch der Einsatz von korpereigenen Sexualhorrnonen (Estradiol, Testosteron, Progesteron) als Masthilfsmittel ist auljerhalb der E U weit verbreitet. P-Agonisten, wie Clenbuterol, bremsen die Fettbildung, fordern das Muskelwachstum und begunstigen so die Erzeugung von magerem Muskelfleisch. Umfassend wird der Einsatz von Tierarzneimitteln bei [215, 2161 beschrieben.
Illegale Anwendung von DES und von korpereigenen Masthormonen Der illegale Einsatz von DES in der Kalber- und Jungrinderaufzucht konnte erst ab 1979 unter Kontrolle gebracht werden, als rnit dem Radioimrnunassay (RIA) eine hochempfindliche Methode zum Nachweis dieses Stilbens zur Verfugung stand. In der Untersuchungspraxis konnte nun die Nachweisgrenze auf etwa 0,05 pg/kg gesenkt und durch die Einbeziehung von Urin und Kot in die Untersuchungsprogramme konnten grolje Probenserien schon bei lebenden Tieren durchgefuhrt werden. Nach Befunden des Staatlichen Veterinaruntersuchungsamtes Krefeld wurde 1979 fast die Halfte aller untersuchten Kalbfleischproben wegen ihres DES-Gehaltes beanstandet. Bis 1982 war die Beanstandungsquote auf 0,5 % zuruckgegangen. Im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle der Babykost-Hersteller wurden vom Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. 1981 und 1982 jeweils uber 11000 Kalber auf DES untersucht; 1981 waren davon 5 Proben positiv, 1982 keine ([129], S. 90). Wie aus Tab 3.9 hervorgeht, wurden auch in neuerer Zeit keine stilbenhaltigen Fleischproben gefunden. Nach dem Verbot der Verwendung von DES wurden verstarkt naturliche Sexualhormone als Masthilfsmittel eingesetzt. Bei Verabreichung im Futter werden die naturlichen Hormone (im Gegensatz zu DES) kaum resorbiert und sind daher unwirksam. Wo die Verwendung zu Mastzwecken erlaubt ist, wie in USA, erfolgt die Verabreichung im allgemeinen durch subkutanes Implantieren eines die Hormone langsam in den Organismus abgebenden Praparates in ein Ohr. Das Ohr mit dem Implantat wird bei der Schlachtung verworfen. Der Einsatz von Sexualhormonen mit anaboler Wirkung, ob synthetischer oder naturlicher Herkunft, ist seit 1988 im gesamten Bereich der E U verboten. Ruckstande dieser Hormone konnten, wie Tab.3.8 ausweist, in den Jahren 1993 und 1994 nur selten festgestellt werden. Bei der illegalen Anwendung wird statt rnit Ohrimplantaten rnit Injektionen gearbeitet. Da die Hormone aus den Implantaten nur langsam freigesetzt und dann im Tierkorper schnell abgebaut werden, liegt die Hormonkonzentration im Fleisch der rnit Ohrimplantaten behandelten Tiere nicht deutlich uber der stark schwan-
84
Riickstande
kenden Konzentration der im Korper selbst gebildeten Hormone [217]. Ein unerlaubter Import der mit naturlichen Sexualhorrnonen behandelten Tierkorper, z. B. von USA in das Gebiet der EU, kann daher durch Analysen nicht erkannt werden. Die Europaische Union hat 1988 ein Einfuhrverbot fur Rindfleisch von hormonbehandelten Tieren verhangt. Seitdem darf aus den USA und anderen Fleischexportlandern nur noch Rindfleisch importiert werden, fur das die betreffenden Regierungen garantieren, dalj es ohne Verwendung von Masthormonen erzeugt wurde. Die Exportnationen, mit den Vereinigten Staaten als Wortfuhrer, haben dagegen bei der fur die Beseitigung von Handelshemmnissen zustandigen Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) geklagt. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriumsbetrug der Wert der Rindfleischexporte nach Europa vor 1989 jahrlich rund 150Mio. Dollar. Nach dem Embargo sei er auf 15-20 Mio. Dollar zuruckgegangen. In den vergangenen zehn Jahren sei den USA durch das europaische Einfuhrverbot somit ein Gesamtschaden von uber einer Milliarde Dollar entstanden. Die amerikanische Regierung hat Handelssanktionen in dieser Hohe angedroht, falls das Embargo nicht aufgehoben werde. Die WTO stimmt einem Einfuhrverbot im allgemeinen nur dann zu, wenn gesundheitliche Grunde dafur vorgebracht werden konnen. Nach Ansicht aller zustandigen wissenschaftlichen Gremien ist jedoch der Verzehr des Fleisches von mit korpereigenen Sexualhormonen behandelten Tieren gesundheitlich unbedenklich. Das Joint FAO N HO Expert Committee on Food Additives (JECFA) hat, da die moglicherweise mit der Nahrung aufgenommenen Mengen dieser Hormone erstens im Vergleich zu der im menschlichen Korper selbst gebildeten Menge sehr gering sind und zweitens im menschlichen Verdauungstrakt kaum resorbiert werden, die Festsetzung von ADI-Werten als nicht erforderlich bezeichnet (ADZ not specified) [213]. Die korpereigene Hormonproduktion im Menschen ubersteigt die rnogliche Zufuhr mit Fleisch von hormonbehandeltem Schlachtvieh um mehr als das 1000fache. Das Verbot der Anwendung naturlicher anaboler Hormone in der Europaischen Union erfolgte entgegen dem Rat des von der Europaischen Kommission eingesetzten Expertenausschusses (Lamming Committee). Im Januar 1998 bestatigte das Berufungsgremium der WTO die im September 1997 ergangene Entscheidung des Hauptverfahrens, darj das 1988 von der E U verhangte Einfuhrverbot fur Hormonfleisch gegen die internationalen Verpflichtungen aus dem Abkommen uber sanitare und phytosanitare MaBnahmen verstorjt. Die EU habe keine angemessene Risikoanalyse vorgelegt, die Gesundheitsgefahren durch Hormonruckstande im Rindfleisch belege. Der Union wurden 15 Monate Zeit gegeben (bis 13. Mai 1999), um diese Analyse nachzuliefern. Im Mai 1999 lie6 die EU-Kommission wissen, sie sehe sich aurjerstande, die gesetzte Frist einzuhalten; sie habe nicht weniger als siebzchn Studien in Auftrag gegeben, um die aurjerhalb der E U zugelassenen Masthormone auf mogliche Gesundheitsgefahren zu prufen. Mit endgultigen Ergebnissen dieser Untersuchungen sei erst Ende 1999 oder Anfang 2000 zu rechnen. Der Anreiz fur Master zum Einsatz wachstumsfordernder Hormone, vor allem bei Kalbern, liegt in der Erzielung eines um 15-20 % hoheren Gewichts, was pro Tier 25-35 kg mehr Fleisch bedeuten kann, bei gleichzeitig geringerem Futterverbrauch durch effizientere Umwandlung von Futterprotein in Fleischprotein. Pro kg Fleischzuwachs wird nicht nur weniger Futter verbraucht, sondern auch weni-
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ger Gulle und weniger Methan produziert. Das Fleisch ist aul3erdem fettarmer und qualitativ ansprechender [218]. Mitte 1988 wurde in Nordrhein-Westfalen die Verwendung eines Hormoncocktails aus Estradiol- und Testosteronestern entdeckt, worauf etwa 14000 Kalber in 47 Bestanden beschlagnahmt und von diesen fast 9 OOO getotet und vernichtet wurden ([131], S. 107)17.Die Kalbfleischproduktion spielt in USA kaum eine Rolle. Dort geht es vielmehr um die Ochsenmast, bei der die Auswirkung der Hodenentfernung auf das Korpergewicht durch Sexualhormonsubstitution kompensiert wird 12191. Es lal3t sich durchaus der Standpunkt vertreten, das Steak von amerikanischen Ochsen, die auf der Weide aufwuchsen, sei gesunder als das Fleisch europaischer Bullen, die durch die reichliche Hormonproduktion ihrer Hoden vie1 agressiver sind als Ochsen und daher meist im Stall angekettet bleiben. In einem Leitartikel der ZEIT vom 15.Juli 1999 hat HANSSCHUHseine Meinung zu den wahren Griinden des europaischen Hormonverbots unter der Uberschrift ,,Vie1 Larm, wenig Gift. Hormonfleisch, Eier, CocaCola - wir sind nicht in Gefahr" deutlich ausgesprochen: ,,Vie1 Aufregung, aber wenig Grund zur Sorge. Wir sind nicht in Gefahr. Doch nicht nur die Medien, sondern auch die Politiker schuren und nutzen die Hysterie. Nirgends wird das so deutlich wie im Streit um das ,,Hormonfleisch". Darf die Europlische Union die Einfuhr des Fleisches hormonbehandelter Tiere aus Nordamerika verhindern? Am Montag sagte das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO wieder einmal nein. Seit fast zehn Jahren fuhren die Europaer einen verlogenen und deshalb aussichtslosen Kampf. Sie geben vor, die Verbraucher zu schutzen. In Wahrheit wollen sie den eigenen Markt schutzen ....."
Illegale Anwendung sonstiger Anabolika Das Verbot des Einsatzes anaboler Hormone in der E U hat zum Auftauchen einer anderen Gruppe von Wachstumsforderern gefuhrt, der B-Adrenozeptoragonisten, kurz JkAgonisren. Das zu dieser Gruppe gehorende Clenbuterol war als Therapeutikum zur Behandlung von Atemwegserkrankungen und zur Wehenunterdruckung zugelassen. Der ADI-Wert von Clenbuterol betragt 0,004 &kg Korpergewicht [218]. Bei einer Dosierung die 5-20fach uber der fur therapeutische Zwecke verwendeten liegt, beschleunigt dieser Stoff das Muskelwachstum, was gegenuber unbehandelten Tieren zu etwa 10 % erhohtem Fleischanteil fiihrt. Im Jahre 1988 wurden in Nordrhein-Westfalen 60 000 Tiere beschlagnahmt, als sich herausstellte, darj viele Tiere dieser Herden Clenbuterolruckstande aufwiesen ([131], S. 107). Bei 1989 in Bayern, Baden-Wurttemberg und Nordrhein-Westfalen durchgefuhrten Untersuchungen wurden bei 740 Proben nur noch zwei positive Befunde festgestellt. Stattdessen nahm die Verwendung eines anderen P-Agonisten, des durch die damals verfugbare Clenbuterol-Analytik nicht erfaBbaren Salbutamols zu. Nachdem auch fur diese Substanz eine Nachweismethode entwickelt MULLER,Leiter des Staatlichen Medizinaluntersuchungsamtes in Braunschweig, schrieb hierzu in der FAZ vom 6. April 1989:Viele tausend Kalber wurden im letzten Jahr in Nordrhein- Westfalen sinnlos abgeschlachtet und dem Abdecker iiberlassen, weil ihnen dieselben Hormone in den gleichen Konzentrationen, wie sie beim ausgewachsenen Rind ohnehin vorkommen, kiinstlich zugefiihrt worden waren, um ihr Wachstum zu beschleunigen
" HANSE.
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Riickstande
worden war, wurden 1989 wegen positiver Salbutamolbefunde a k i n in Nordrhein-Westfalen 37 Bestande rnit 11500 Kalbern gesperrt. Wie Clenbuterol ist Salbutamol oral wirksam, mulj also nicht gespritzt, sondern kann dem Futter beigemischt werden. Die Verwendung von P-Agonisten als Masthilfsmittel kann wegen der fur diesen Zweck hohen Dosierung und der Anreicherung dieser Stoffe in der Leber eine hohe Ubersteigung des ADI-Wertes und unangenehme Folgen fur den Leber verzehrenden Verbraucher zur Folge haben: Muskelzittern, Herzrasen, Kopfschmerzen, Nervositat, unter Umstanden Erbrechen. Das Auftreten dieser Symptome nach Verzehr von Kalbsleber wurde zuerst 1990 in Spanien [220] und Frankreich [221], sowie 1992 erneut in Spanien beobachtet [222]. Clenbuterol wurde sowohl in Leberproben der Schlachttiere als auch im Urin der betroffenen Patienten gefunden. In Deutschland sind derartige Falle nicht beobachtet worden. A m 1. Juli 1997 trat in der Europaischen Union ein allgemeines Anwendungsverbot fur Clenbuterol in Kraft. Zur illegalen Anwendung solcher Mittel bereite Tierhalter haben sich in der Folge eines weiteren P-Agonisten bedient. Im Mai 1997 teilte das Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin mit, der nicht als Tierarzneimittel zugelassene Wirkstoff Brombuterol sei in Lebensmitteln tierischer Herkunft gefunden worden und bat die Landesuntersuchungsanstalten, besondere Aufmerksamkeit auf die Kontrolle von Brombuterol zu legen. Die Verfugbarkeit hochempfindlicher, zuverlassiger Analysemcthoden ist die wichtigste Voraussetzung fur die Entdeckung illegal verwendeter Tierarzneimittel. Uber die groljen Fortschritte, die auf diesem Gebiet erzielt worden sind, berichtet eine umfangreiche Literatur, die hier nur rnit wenigen Beispielen erwahnt werden kann [223-2251. Stoffe wie Clenbuterol kann man heute sogar in den Haaren der Tiere nachweisen [226], womit die Kontrolle bereits in den Tierstallen und nicht erst nach der Schlachtung durchgefiihrt werden kann. Clenbuterolfunde gaben immer wieder AnlaB zu Schlagzeilen. So wurden nach Agenturmeldungen vom 9. Oktober 1998 im Landkreis Vechta im Emsland drei weitere Viehbetriebe rnit insgesamt 536 Kalbern gesperrt, nachdem der Mastbeschleuniger in Haarproben gefunden worden war. Die Frage drangt sich auf, o b das in der E U ausgesprochene Verbot der Anwendung naturlicher anabol wirksamer Hormone dem Verbraucher geniitzt hat. In USA, Kanada, Argentinien, Sudafrika, Neuseeland und anderen Staaten rnit grol3er Fleischproduktion hat sich die legale Anwcndung naturlicher Anabolika uber Ohrimplantate als gut kontrollierbar und als weitgehend problemlos erwiesen. In Europa dagegen hat das Verbot die illegale und daher schwer zu kontrollierende Verwendung wechselnder Wirkstoffe zur Folge gehabt, in einigen Fallen, wie in Spanien und Frankreich, mit gesundheitsschadlichen Folgen fur Verbraucher, in vielen Fallen rnit der Vernichtung wertvoller Tiere und letztendlich rnit hohen Kosten fur die Allgemeinheit durch betrachtlichen Kontrollaufwand, durch die Notwendigkeit massenhafter Tierkorperbeseitigung und durch Steuerausfalle. Der Weihenstephaner Tierphysiologe MEYERhat bereits 1991 festgestellt, das Briisseler Verbot der naturlichen Sexualhormone habe, statt existierende Probleme zu losen, neue Sicherheitsprobleme geschaffen [227]. Dies hat sich inzwischen vielfach bestatigt. Die Aufrechterhaltung des Embargos fur rnit korpereige-
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nen Hormonen erzeugtem Ochsenfleisch wird auljerdem Sanktionen der Amerikaner auslosen, die bereits Strafzolle fur Motorrader, Schokolade und Fleischwaren aus der E U angekundigt haben. Die ,,zunehmend bittere Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und der Europaischen Union uber hormonbehandeltes Rindfleisch droht vollig aurjer Kontrolle zu geraten" schrieb C. K. in der FAZ vom 5. Mai 1999.
Bovines Somatotropin (BST) Ein Hormon das bisher in der E U nicht erlaubt ist, das jedoch im Zuge der in der Uruguay-Runde von der WTO beschlossenen Liberalisierung des Weltagrarhandels erneut zur Diskussion steht, ist das BST, das bovine Somatotropin, in der Laienpresse als ,,Turbokuh-Hormon" bezeichnet. Die Milchproduktion einer Kuh steigt nach dem Abkalben steil an, erreicht nach vier bis acht Wochen ein Maximum und fallt dann kontinuierlich wieder ab - gesteuert durch die ansteigende und dann wieder abfallende Konzentration des korpereigenen Hormons Somatotropin. Den Ruckgang der Laktation nach Erreichen des Maximums kann man verhindern oder zumindest bremsen durch Verabreichung von BST-Praparaten, die heute aus gentechnisch veranderten Bakterien gewonnen werden konnen (rekombinantes bovines Somatotropin, rBST). Die Angaben uber die so erzielbare Steigerung der taglichen Milchleistung liegen bei bis zu 36 %; dabei handelt es sich aber um relativ kurzzeitige Versuche. Uber das Jahr gerechnet ist eine Mehrleistung von 290 bis 980 kg Milch pro Kuh moglich, entsprechend 4 bis 12 % Steigerung. Da dies mit einer besseren Futterverwertung verbunden ist, ist die rBSTVerwendung von erheblichem wirtschaftlichen Interesse. Der Einsatz des rBST ist in den USA und in vielen anderen Staaten erlaubt, findet jedoch nicht im gleichen Umfang statt wie der von korpereigenen Masthormonen. Bei amerikanischen Verbraucherorganisationen gibt es erhebliche Widerstande gegen dieses Mittel. Das auch bei europaischen Verbrauchern ausgeloste Unbehagen hat der Karikaturist DIETMAR DANECKE zum Ausdruck gebracht (Abbildung 3.7).
Abbildung 3.7: ,,Sol1die Milchproduktion urn mehr als die Hllfte erhohen: Modell einer zukiinftigen Kuh", nach den Vorstellungen des Illustrators Dietmar Danecke in DIE ZEIT, 3. November 1989. (Mit freundlicher Genehmigung des ZEIT-Verlags).
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Die Zusammensetzung der Milch wird durch den rBST-Einflufl nicht starker verandert, als unter dem Einflufl unterschiedlicher Konzentrationen von korpereigenem BST in den Monaten nach dem Abkalben. Die Frage nach einem moglichen toxikologischen Risiko fur den Menschen ist eingehend gepriift und von verschiedenen Fachgremien verneint worden. Da die mit der Nahrung moglicherweise aufgenommene Menge an rBST sehr gering und die Substanz bei oraler Aufnahme nicht bioverfugbar ist, hat JECFAdie Festsetzung eines ADI-Wertes fur rBST als nicht erforderlich erklart [228]. In seiner Sitzung vom Februar 1998 hat JECFAdie gegen den Einsatz von BST vorgebrachten Argumente gepriift und als nicht stichhaltig bewertet. Die Einstufung der BST-Anwendung in die unbedenklichste Kategorie ADZ not specified wurde erneut bestatigt [229]. In der Bundesrepublik Deutschland war die BST-Anwendung zu keiner Zeit erlaubt. In der EU besteht ein bis zum 31. Dezember 1999 befristetes Moratorium fur den Einsatz von BST. Als Begrundung wurden von der EU-Kommission, wie im Falle der naturlichen Sexualhormone, unspezifizierte gesundheitliche Bedenken vorgebracht, dann auch das Argument, europaische Verbraucher lehnten derartige Manipulationen ab. Fur ihre Absicht, Ende 1999 ein Verbot auf Dauer auszusprechen, hat die Kommission neuerdings Tierschutzgrunde ins Feld gefuhrt. Bei BSTbehandelten Tieren traten ofter als sonst Euterentzundungen auf. Ob die Entscheidungsgremien der WTO sich mit den Verbotsbegrundungen der EU abfinden werden, bleibt abzuwarten. Abschlieflend sei zum Thema Tierarzneimittelriickstande der Vierte Schweizerische Ernahrungsbericht zitiert: ,,Die vorgestellten Analysedaten lassen den Schluss zu, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse in der Schweiz zwar nicht ruckstandsfrei sind, die Belastung mit Kontaminanten aus der Gruppe der Tierarzneimittel aber auch nicht aufsehenerregend ist" ([lo71 S. 138). Die Situation in Deutschland unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen in der Schweiz.
Sonstige Ruckstande Losungsmittel Aliphatische Chlorkohlenwasserstoffe, wie Tetrachlorethen (Perchlorethylen, ClzC= CCI2,PER), Trichlorethen (Trichlorethylen, ClHC = CCI2,TRI), 1,2-Dichlorethan (ClH2C-CH2Cl)und Dichlormethan (Methylenchlorid, CH2C1,) sind friiher in der Lebensmittelindustrie in groljem Umfang als Losungs- und Extraktionsmittel verwendet worden, so zur Dekoffeinierung von Kaffee, zur Extraktion von Bitterstoffen aus Hopfen, zur Gewinnung von Carotinoiden aus Orangenschalen, von Kakaobutter aus Kakaobohnen. Nach Verdampfen des Losungsmittels konnten mit den damals verfugbaren Analysemethoden im allgemeinen keine Ruckstande von Chlorkohlenwasserstoffen in den so gewonnenen Produkten festgestellt werden. Man hielt daher die Verwendung dieser Losungsmittel fur gesundheitlich unbedenklich. Diese Ansicht wurde erstmalig im Futtermittelbereich in Frage gestellt, als in den 20er Jahren bei Rindern, die mit TRI entfettetes Sojaschrot als Futter erhal-
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ten hatten, die in der Gegend von Duren beobachtete Blutarmut (aplastische Anamie) auftrat (,,Durener Krankheit"). Die Verabreichung von TRI selbst hatte diese Wirkung nicht. Drei Jahrzehnte spater konnten amerikanische Wissenschaftler die Ursache dieser Erkrankung klaren. TRI reagiert mit der im Sojaschrot enthaltenen Aminosaure Cystein unter Bildung von S-Dichlorvinyl-Lcystein, das die Anamie hervorruft. Es konnten also, auch wenn keine Losungsmittelruckstande nachweisbar waren, Reaktionsprodukte in einem Extrakt oder einem extrahierten Lebensmittel vorhanden sein, die moglicherweise gesundheitsschadlich waren. Empfindlichere Nachweismethoden zeigten dann, da13 in den vorher als losungsmittelfrei betrachteten Produkten durchaus Ruckstande der Losungsmittel, wenn auch in geringer Konzentration, vorhanden waren. In Tierversuchen wurde nach Inhalation oder Ingestion bestimmter Chorkohlenwasserstoffe in hoher Dosierung eine krebsauslosende Wirkung festgestellt, zum Teil nur bei Mausen (Dichlormethan), zum Teil auch bei Ratten (Tetrachlorethen, Trichlorethen, 1,2-Dichlorethan). Auch wenn damit noch kein erhohtes Krebsrisiko fur den Menschen durch die geringen Losungsmittelruckstande in Lebensmitteln bewiesen war, forderte das Prinzip des vorbeugenden Verbraucherschutzes eine moglichst vollstandige Vermeidung von Ruckstanden dieser Substanzgruppe. In der Lebensmittelindustrie hat man sich inzwischen weitgehend auf die Verwendung von Kohlenwasserstoffen umgestellt, wie Heptan, die gegenuber den nicht brennbaren Chlorkohlenwasserstoffen den Nachteil der Entflammbarkeit besitzen, oder auf fliissiges (iiberkritisches) Kohlendioxid [230], allein oder kombiniert mit unter Druck verflussigtem Propan. Der Einsatz von reinem Kohlendioxid ist zwar wegen der erforderlichen Hochdruckanlagen relativ teuer, liefert jedoch von Losungsmittelruckstanden freie Produkte und besitzt den Vorteil, dalj das Extraktionsmittel nicht brennbar ist. Nach der Losungsmittef-Hochstmengenverordnung vom 25. Juli 1989 durfen Lebensmittel, deren Gehalt an Tetrachlorethen, Trichlorethen oder Trichlormethan (Chloroform) 0,l mg/kg einzeln oder 0,2 mg/kg insgesamt uberschreitet, nicht in den Verkehr gebracht werden. In den letzten Jahren sind diese Stoffe in Konzentrationen von uber 0,05 mg/kg in Lebensmitteln nur noch hochst selten vom 8. November gefunden worden [231]. Nach der Extruktionsmittelveror~~u~g 1991 (inzwischen in Technische Hiffsstoff-VO umbenannt) darf Dichlormethan nur fur die Extraktion von Koffein, Reizstoffen und Bitterstoffen aus Kaffee und Tee verwendet werden; in gerostetem Kaffee durfen nicht mehr als 2 mg/kg, in Tee nicht mehr als 5 mg/kg Dichlormethan enthalten sein. Dichlorethan darf im Lebensmittelbereich nicht mehr verwendet werden. Indessen verstarken neuere toxikologische Untersuchungen die Zweifel an der Aussagekraft der bei hoher Dosierung bei Nagetieren festgestellten Kanzerogenitat fur den Menschen [49]. Nach GREENund Mitarbeitern [232] beruhen die durch Trichlorethen bei Mausen verursachten Lungentumore auf spezifischen Zellschadigungen, die beim Menschen nicht beobachtet werden; sie folgern daraus, darj das durch Trichlorethen bedingte Lungenkrebsrisiko fur den Menschen geringer ist, als man aufgrund der Mauseversuche erwarten konnte. Unabhangig von der Frage, ob Ruckstande von Chlorkohlenwasserstoffen in Lebensmitteln mit einem Krebsrisiko fur den Menschen verbunden sind, ist der starke Riickgang in der
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Verwendung dieser Losungsmittel, nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern auch in anderen Industrie- und Gewerbezweigen, zu begruaen. Durch ihre Fluchtigkeit, relativ hohe Persistenz und Verwendung in grorjen Mengen (in den 80er Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland allein von PER jahrlich etwa 100000 t produziert) haben sich diese Stoffe ubiquitar verbreitet und zur Luftverschmutzung beigetragen. Ruckblickend ist es nicht uninteressant, sich daran zu erinnern, wie viele der in den 80er Jahren so zahlreichen Lehensmittefskandafernit Ruckstanden von Chlorkohlenwasserstoffen zusammenhingen. Im Januar 1981 machte die Entdeckung von PER in Eiern Schlagzeilen. Wochenlang berichteten die Medien iiber Halogen-Eier. Es stellte sich heraus, darj in Tierkorperbeseitigungsanlagen Tiermehl rnit PER entfettet wurde. Das Tiermehl wurde Huhnerfutter beigemischt, Ruckstande des Extraktionsmittels gelangten so in die Eier. Das Problem wurde durch Umstellung auf chlorfreie Losungsmittel oder durch Entfernung des Fetts unter Druck und Erwarmung gelfist. Im Juli 1987 informierte das Bundesgesundheitsamt in Berlin die Offentlichkeit iiber PER-Gehalte von Lebensmitteln aus Geschaften, die Chemischen Reinigungen benachbart waren. Uber die Raumluft wurde das als Reinigungsmittel verwendete PER auf fetthaltige Lebensmittel iibertragen. In Geback wurde bis zu 2,7 mg/kg gefunden, in Speiseeis bis zu 19 mg/kg. ,,Chemische Reinigungen bedrohen Lebensmittel" und ,,Krebsgefahr durch Reinigungsmittel" waren typische Schlagzeilen in den folgenden Wochen. Technische Verbesserungen in den Anlagen der Chemischen Reinigungen haben seither zu einer deutlichen Verminderung der Emissionen gefuhrt und die Festlegung einer PER-Hochstmenge von 0,l mg/kg ermoglicht es den Untersuchungsiimtern, Lebensmittel aus dem Verzehr zu ziehen, die diesen Grenzwert uberschreiten. Ein neues Problem tauchte im folgenden Jahr auf. Am 25. Marz 1988 meldete die ZEZT ,,Verseuchte Lebensmittel - KaltgepreBt, eiskalt kassiert - Auch in hochwertigen Olivenolen wurde die Chemikalie PER gefunden". Chemiker des Stuttgarter Untersuchungsamtes hatten in zahlreichen Olivenolen, iiberwiegend aus Spanien und Frankreich, 1-2 mg/kg PER gefunden. Die baden-wiirttembergische Verbraucher-Zentrale rief die Verbraucher zum Boykott von Olivenol aller Art auf, da die Landesregierung sich weigere bekanntzugeben, welche Marken von der Verseuchiing rnit PER betroffen seien. Die Berliner TAGESZEITUNG spekulierte unter der Schlagzeile: ,,Oliveno1 mit Krebserregern", wegen der bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Wurttemberg habe die Landesregierung Informationen iiber den neuen Lebensmittelskandal zuruckgehalten. In wohltuendem Gegensatz zu der aufgeregten Berichterstattung in der Bundesrepublik meldete die NEUE Z U R C H E R Z E I T U N G am 27. Marz 1988: ,,Die in der Bundesrepublik registrierten Mengen von Perchlorethylen in kaltgepreatem Oliveno1 stellen nach Darstellung des Bundesamtes fur Gesundheitswesen keine Gesundheitsgefahrdung dar ..." Spater wurde auch in italienischen und griechischen Olivenolen PER gefunden, meist weniger als 1 mg/kg. Die Ursache des PER-Vorkommens in kaltgeprerjtem Olivenol ist nie rnit Sicherheit geklart worden. Vermutungen, unter Verwendung von PER extrahiertes minderwertiges 0 1 sei mit dem hoherwertigen kaltgeprel3ten verschnitten worden, wurden von den spanischen und franzosischen Behorden zuriickgewiesen.
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Eine Absorption aus der Luft erscheint denkbar und wurde fur andere Kohlenwasserstoffe (Benzol, Toluol) nachgewiesen [233]. Wie dem auch sei, die Hersteller haben die Quellen der Kontamination beseitigt - man hat jedenfalls in den letzten Jahren nichts mehr von Uberschreitungen der durch eine EG-Verordnung von 1991 festgelegten Hochstmenge von 0,2 mg/kg halogenierter Losungsmittel in Olivenolen und Oliventresterolen gehort. Schweizer Autoren haben Berechnungen vorgelegt, nach denen die Aufnahme von Liisungsmitteln (darunter auch PER) uber die Atmung um den Faktor 40-500 hoher liegt, als die mogliche Aufnahme uber die Nahrung bei dem damaligen Kontaminationsgrad [234].
Desinfektionsmittel Bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendete Anlagen, Behalter, Rohrleitungen, Warmeaustauscher usw. mussen periodisch gereinigt und desinfiziert werden, um eine hygienisch einwandfreie Produktion zu ermoglichen. Dabei kommen starke Sauren und Laugen, Detergentien und mikrobizide Mittel wie Formaldehyd oder Natriumhypochlorit zum Einsatz. Durch grundliches Nachspiilen mulj sichergestellt werden, dalj keine Ruckstande der verwendeten Mittel, oder wie es 0 31 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandegesetzes vorschreibt, nur gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche Anteile, die technisch unvermeidbar sind, in Lebensmittel ubergehen. Durch Bedienungsfehler oder technische Pannen kommt es jedoch gelegentlich zu sensorisch bemerkbaren oder sogar zu gesundheitlich bedenklichen Ruckstanden von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln in Lebensmitteln. Im Oktober 1985 berichteten die Medien uber Formaldehydgehalte von bis zu 70 mg/kg in Wurstwaren, die von Metzgereibetrieben in der Pfalz stammten. Anfang November 1985 berichtete das baden-wurttembergische Gesundheitsministerium uber Untersuchungen an 500 Proben von Fleisch- und Wurstwaren. Die hochste gefundene Formaldehyd-Konzentration lag, wie vorher in der Pfalz, bei 70 mg/kg. Bei 13 Proben bestand der Verdacht, dalj Formaldehyd als Konservierungsstoff zugesetzt wurde. In allen anderen Fallen bewegten sich die gefundenen Konzentrationen in dem Bereich von bis zu 50 mg/kg. Bei den zahlreichen Medienberichten zu diesem Thema blieb das naturliche Vorkommen von Formaldehyd in menschlichem und tierischem Gewebe unerwahnt. Die Substanz ist ein normales Stoffwechselprodukt im Pflanzen- und Tierreich. Im menschlichen Korper wird Formaldehyd in einer Menge von etwa 50 g/ Tag gebildet. In Fleisch von Saugetieren findet man bis zu 6 mg/kg, in Fischfleisch bis zu 45 mg/kg, in Wurstwaren (ohne Formaldehydzusatz) 20 mg/kg, in Obst und Gemuse bis zu 35 mg/kg [235]. Die Fremdstoffkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft auljerte keine gesundheitlichen Bedenken gegen Formaldehydgehalte von bis zu 50 mg/kg in geraucherten Lebensmitteln [236].'* Bei der Herstellung von italienischem Provolone darf Hexamethylentetramin (E 239) zugesetzt werden, eine Substanz, die im Lebensmittel Formaldehyd freisetzt und
'' Holzrauch enthalt Formaldehyd; die konservierende Wirkung des Raucherns beruht zum Teil auf dem Ubergang von Formaldehyd aus dem Rauch in das geraucherte Lebensmittel
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dadurch als Konservierungsstoff wirkt. Der Zusatz darf nicht mehr als 25 mg Formaldehyd pro kg Kase betragen. In den Medienberichten wurde Formaldehyd als krebsverdachtig, wenn nicht gar als krebsverursachend bezeichnet. Der Karikaturist Pepsch Gottscheber erfand das schone Wort ,,Formaldehysterie" (Abbildung 3.8). Aus der Sicht des Wissenschaftlers statt aus der des Humoristen betrachtet, hatte der beruhigende Zuruf der zeitunglesenden Ehefrau lauten mussen ,,schadlich fur Tiere nur bei uberhohter Dosierung!" Tatsachlich hat man bei Ratten, die uber lange Zeitraume hohen Formaldehydkonzentrationen in der Atemluft ausgesetzt waren, zunachst Entzundungen, Hyperplasien (Vermehrung der Parenchymzellen) und schlieljlich Karzinome des Nasenhohlenepithels beobachtet. Die Tumorhaufigkeit nahm mit zunehmender Formaldehydkonzentration nicht linear sondern uberproportional zu. Diese Beobachtungen sprechen dafur, dalj Forrnaldehyd bei diesen Versuchen nicht direkt kanzerogen wirkte, dalj vielmehr die erhohte Tumorinzidenz eine Folge der Dauerreizung des Gewebes und der damit verbundenen erhohten Zellteilungsrate war. Ahnlich wie bei den durch hohe Dosierung von Chlorkohlenwasserstoffen bei Nagetieren ausgelosten Tbmoren ist es nicht gerechtfertigt, aus diesen Beobachtungen an hochexponierten Ratten auf ein erhohtes Krebsrisiko durch geringe Exposition beim Menschen zu schliel3en. Vor allem AMESund Mitarbeiter [49,237] haben wiederholt auf den Zusammenhang zwischen erhohter Zellteilungsrate und erhohtem Krebsrisiko hingewiesen und haben davor gewarnt, mit MTD (maximumtolerated dose) durchgefuhrte Kanzerogenitatsteste zur Basis von Extrapolationen auf den Menschen zu machen. Die meisten epidemiologischen Untersuchungen an Arbeitern, die langjahrig mit Formaldehyd zu tun hatten, haben keinen Zusammenhang zwischen Formalde-
Abbildung 3.8 Ein Beitrag des Karikaturisten Pepsch Gottscheber zum Thema Formaldehyd in BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN, 27. August 1984. (Mit freundlicher Genehmigung).
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hydexposition und Krebsrisiko erkennen lassen. Die wenigen Studien, die doch fur einen solchen Zusammenhang zu sprechen scheinen, sind auf methodologische Kritik gestooen. Es gibt bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte, um Formaldehyd als humankanzerogen zu klassifizieren. Bedenklicher als der Nachweis von Formaldehydkonzentrationen, die nur wenig uber den in geraucherten Erzeugnissen akzeptierten Gehalten lagen, waren die im Februar 1985 veroffentlichten Meldungen uber den Nachweis von Monochloressigsaure und Monobromessigsaure in Bieren mehrerer bayerischer Brauereien durch das Landesuntersuchungsamt fur das Gesundheitswesen in Erlangen. Diese Behorde verfugte damals als einzige in der Bundesrepublik uber ein Nachweisverfahren fur geringe Konzentrationen dieser Chemikalien in Bier [238]. Die gefundenen Gehalte lagen im Fall der Bromverbindung bei bis zu 3 mg/L, bei der Chlorverbindung wurden Spitzenwerte von 50 mg/L gefunden. Die betroffenen Brauereien erklarten zunachst, es handle sich um unbeabsichtigte Ruckstande von Desinfektionsmitteln, die bei der Reinigung ihrer Anlagen verwendet wurden. In den folgenden Wochen verdichtete sich jedoch der Verdacht, die Stoffe seien dem Bier zur Verlangerung der Lagerungsfahigkeit als unerlaubte Konservierungsstoffe zugesetzt worden. Als Anfang Marz 1985 die Hamburger Illustrierte STERN berichtete, mindestens 40 bundesdeutsche Brauereien hatten die verbotenen Chemikalien von einer Beratungsstation fur Brauerei bezogen und sie auf Empfehlung des Leiters dieser Station, eines Ordinarius fur Brauereitechnologie, zum Teil schon seit 1979, dem Bier zugesetzt, war der Skandal k0mp1ett.l~ Der entscheidende Beitrag, den die moderne Analytik zur Sicherung der Lebensmittelqualitat leistet, ist durch diese Episode erneut belegt worden. Inzwischen steht diese Analysemethode auch anderen Untersuchungsamtern zur Verfugung. Wahrend 1985 noch in Produkten mehrerer Brauereien, auch auBerhalb Bayerns, Monochlor- und Monobromessigsaure entdeckt wurde, sind anscheinend nach 1986 keine weiteren Falle des MiSbrauchs dieser Stoffe festgestellt worden.
Migrationsstoffe Kunststoffe bestehen im allgemeinen nicht nur aus dem polymerisierten Hauptbestandteil, sondern enthalten Zusatze (Additive), wie Weichmacher, die fur Biegsamkeit, Dehnbarkeit, Bearbeitkarkeit sorgen, Antioxidantien, die den oxidativen Abbau verhindern oder bremsen, Antistatika, die der elektrischen Aufladung entgegenwirken, und Lichtschutzmittel (UV-Absorber), die der Verbesserung der Lichtbestandigkeit dienen. Reste von Monomeren, wie Vinylchlorid in Polyvinylchlorid, konnen ebenso vorkommen, wie Polymersisationskatalysatoren (z. B. Benzoylperoxid). Bei der Verwendung von Kunststoffen als Material fur Lebens19
Fur die deutsche Brauwirtschaft war die Angelegenheit insofern besonders unangenehm, als um diese Zeit die Bundesregierung in die Endrunde des vor dem Europaischen Gerichtshof in Luxemburg anhangigen Prozesses ging, der - so hofften die Brauer - auslandischen Konkurrenten weiterhin verbieten sollte, ihre nicht nach deutschem Reinheitsgebot gebrauten Biere in der Bundesrepublik zu vermarkten. Die Bundesregierung unterlag und seit dieser ProzeB im Marz 1987 endlich zum AbschluB kam, darf der Verkauf nicht nach dem Reinheitsgebot gebrauter Biere aus anderen Mitgliedstaaten der EU in Deutschland nicht mehr behindert werden
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mittelbehalter oder Verpackungsfolien mu0 bedacht werden, daB diese Stoffe in Lebensmittel uberwandern konnen. Sie werden dann als Migrationsstoffe oder Migrate bezeichnet. Um ein Beispiel aus der Praxis zu nennen: in Milch hat man Weichmacher (Phthalate) gefunden, die aus den Plastikschlauchen der Melkanlage stammten [239]. Nach der Richtlinie 89/109/EWG vom 21 .Dez.1988 durfen Materialien, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Beruhrung zu kommen, an Lebensmittel keine Bestandteile in einer Menge abgeben, die geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu gefahrden oder die sensorischen Eigenschaften der Lebensmittel zu beeintrachtigen. Kunststoffe fur den Lebensmittelbereich miissen fur diesen Zweck gepruft und ihre amtliche Zulassung mu13 beantragt werden. Zur Priifung gehoren Migrationsversuche, bei denen durch Analyse bestimmt wird, welche Mengen welcher Migrate in einem bestimmten Zeitraum von dem Kunststoff in bestimmte Prufflussigkeiten oder in Lebensmittel ubergehen. Fur den Erfolg dieses Bemuhens ist nichts wichtiger als die Verfugbarkeit geeigneter Nachweismethoden. Das haben Mitarbeiter des Kantonalen Laboratoriums in Zurich gezeigt, die eine Methode (Fliissigkeitschromatographie LC-LC mit Fluoreszensdetektion) entwickelt haben, mit der sie BADGE mit einer Nachweisgrenze von 5 pg/kg in Lebensmitteln nachweisen konnen. Diese Abkurzung steht -eine als Stabilisator und Weichmacher fur PVCfur Bisphenol-A-Diglycidylether, Innenlackierungen von Koiservendosen verwendete Substanz. Bei Anfang 1996 durchgefiihrten Analysen an fetthaltigen Konserven (wie Olsardinen) fanden die Ziircher Autoren in 55 % der untersuchten Proben BADGE-Gehalte von uber 20 pg/kg, in einigen Fallen bis zu 10 mg/kg. Nach Beschlagnahme von Ware, die mehr als 100 pg/kg BADGE enthielt und Bekanntwerden dieser Ergebnisse wurden ab Juni 1996 erneut Analysen durchgefuhrt. Jetzt lag in 81 % der untersuchten Proben der BADGE-Gehalt bei unter 20 pg/kg [240]. Der Wissenschaftliche LebensmittelausschuB (SCF) der E U stellte im Juni 1996 fest, es gebe zwar keine Anhaltspunkte fur eine krebserregende Wirkung von BADGE, empfahl jedoch einen vorlaufigen Grenzwert von 1 mg/kg Lebensmittel. Bei einer Untersuchung an Fischkonserven, die aus allen EU-Mitgliedslandern stammten, wurde in 3 % der Proben eine Uberschreitung dieses Grenzwerts festgestellt [241]. Wahrend zunachst angenommen wurde, die Migration von BADGE erfolge nur in ein fetthaltiges Medium, ist das Migrat inzwischen auch in waBrigen Konserven, wie SuBmais und Spargel, festgestellt worden [242]. Die in Gesamtnahrungsproben aus der Schweiz gefundenen Mengen an Weichmachern betrugen bei Bis-n-butyl-phthalat 0,3 und bei Bis-2-ethylhexyl-phthalat 0,2 mg/Person/ Tag, womit die ADI-Werte zu 10 bzw. 6 % ausgeschopft wurden [113]. Der Dritte Schweizerische Ernahrungsbericht von 1991 kam zu dem Ergebnis: ,,Die durch die Nahrung aufgenommene Menge an Verunreinigungen aus Kunststoffverpackungen stellt aufgrund unserer heutigen toxikologischen Kenntnisse keine Gefahrdung der menschlichen Gesundheit dar. Dennoch muss auch in Zukunft alles daran gesetzt werden, die Migratmengen aus Lebensmittelverpackungen auf ein technisch machbares und sinnvolles Minimum zu reduzieren" ([243], S. 196).
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Verunreinigungen (Kontaminanten)
Im Interesse einer besseren Ubersichtlichkeit wird bei der Besprechung fremder Stoffe in Lebensmitteln im allgemeinen zwischen den im vorhergehenden Kapitel behandelten Ruckstanden und den Verunreinigungen oder Kontaminanten unterschieden. Erstere sind Reste von Stoffen, die wahrend der Urproduktion pflanzlicher oder tierischer Lebensmittel oder wahrend deren Lagerung absichtlich und wegen einer erwunschten Wirkung eingesetzt werden. Letztere dagegen gelangen unabsichtlich aus der Umwelt in die Rohprodukte oder die verarbeiteten Lebensmittel. Oft laBt sich jedoch zwischen den beiden Gruppen nicht klar unterscheiden. So konnte man DDT sowohl den Riickstanden (wenn es aus landwirtschaftlichen Anwendungen stammt) als auch den Verunreinigungen (wenn es aus der Malariabekampfung stammt) zuordnen.
Elemente Giftwirkungen von Schwermetallen sind seit Jahrhunderten bekannt und spielten vor allem in der Arbeitsmedizin seit jeher eine Rolle. Sie gewannen ein sehr groBes offentliches Interesse ab etwa 1970, als Informationen uber Massenvergiftungen durch quecksilberhaltige Fische und cadmiumhaltigen Reis aus Japan in die westliche Welt gelangten und gleichzeitig von Wissenschaftlern auf eine bedrohlich zunehmende Umweltverschmutzung durch Blei hingewiesen wurde. Es sollen hier jedoch auch einige andere Spurenelemente, wie Arsen und Selen berucksichtigt werden, die auch in nichtmetallischer Form auftreten, sowie Aluminium, das zu den Leichtmetallen zahlt.
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Verunrein igungen
Blei (Pb) Die unerlaubte Verwendung von Bleiacetat (Bfeizucker)zum SuBen von Wein hat in fruheren Jahrhunderten immer wieder Vergiftungen verursacht, obwohl diese Praxis mit drakonischen Strafen geahndet wurde. Bei Aufbewahrung von Getranken oder Speisen in bleihaltigen ZinngefaBen oder in mit bleihaltiger Innenglasur versehenem Keramik- oder Tongeschirr konnte so viel Blei in die Speisen ubergehen, daB deren Verzehr schwere, nicht selten todliche Erkrankungen verursachte. Zum Schutz des Verbrauchers legte das Zink- und Bfeigesetz von 1887 fest, wieviel Zink und Blei maximal aus Bedarfsgegenstanden in Speisen uberwandern darf. Wahrend in Deutschland produziertes Geschirr gefahrlos verwendet werden kann, fuhren als Urlaubssouvenirs aus dem Ausland mitgebrachte Keramik- und Topferwaren immer noch gelegentlich zu Bleivergiftungen. Wenn von der Kontamination der Lebensmittel durch Blei die Rede ist, geht es im allgemeinen nicht um akute Bleivergiftungen, sondern um die Frage, oh geringe Bleigehalte, wie sie mit heutigen Analysemethoden in fast allen Lebensmitteln nachweisbar sind, langfristig zu chronischen Gesundheitsschaden fiihren konnen. AnlaB zu Besorgnissen, wie sie der Geochemiker CLAIRC. PATTERSON vom California Institute of Technology 1965 als erster alarmierend zum Ausdruck gebracht hat [244], gab die Umweltkontamination durch die weltweite Verwendung von Bleitetraethyl als Antiklopfmittel in Benzin, aber auch als Folge der lokalen Freisetzung von Blei durch Bergwerks- und Huttentatigkeit und der Verwendung von Bleipigmenten in Anstrichfarben. Das im menschlichen Organismus vorhandene Blei stammt im allgemeinen zum uberwiegenden Teil aus der Nahrung, der Rest aus Atemluft, Trinkwasser und (vor allem bei Kleinkindern) aus dem Verschlucken von Staub und Erde [245]. In Deutschland wurde die Bleikontamination der Umwelt zum vielbeachteten Thema, als im Fruhjahr 1972 in der Umgebung der Bleihutte von Nordenham/ Unterweser nach dem Weideauftrieb uber 100 Rinder an akuter Bleivergiftung verendeten. Die Hutte arbeitete seit iiber 70 Jahren; akute Rindervergiftungen waren bereits in den 30er Jahren aufgetreten, hatten jedoch kein derartiges Ausma13 erreicht. Anreicherungen mit den Elementen Blei und Zink lierjen sich im Boden und im Weideaufwuchs bis zu etwa 12 km Entfernung von dem Industriezentrum nachweisen. Bei den Bewohnern der Umgebung wurden erhohte Blutbleigehalte gefunden, um so hoher, je naher an den Huttenwerken sie wohnten. Untersuchungen an der Bevolkerung dieser Region ergaben zwar keine Hinweise auf bleibedingte Gesundheitsschaden, aber die erhohten Blutbleigehalte und die Verluste von Weidevieh machten deutlich, daB der BleiausstoB der Huttenwerke drastisch vermindert werden muBte. Eine ahnliche Situation trat einige Jahre spater in der Umgebung der Huttenwerke Oker-Harlingerode bei Goslar auf. Auch hier gab es zuerst tote Rinder, dann Blutanalysen in grorjer Zahl und die Feststellung erhohter Blei- (und Cadmium-) Gehalte im Blut der Anwohner. Das Freiburger Oko-Institut forderte die sofortige SchlieBung der Hiittenwerke bei Goslar. Ein 42 Quadratkilometer grol3es Gebiet um die Bleihutten herum musse his zu einer Tiefe von 30 cm abgetragen werden, wegen akuter Gesundheitsgefahrdung seien 27 000 Einwohner zu evakuieren. Die Niedersachsische Landesregierung stellte Millionenbetrage zur Unterstiitzung von Familien bereit, die einen Wcgzug
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wunschten (SPZEGEL vom 3. Marz 1980: ,,Blei im Blut - Katastrophe im Harz"). Untersuchungen des Bundesgesundheitsamtes ergaben keine Hinweise auf schwermetallbedingte Gesundheitsschaden. Die Niedersachsische Landesregierung stellte bei der Beantwortung einer Anfrage in der Landtagssitzung vom 3. Marz 1980 fest: ,,Weder das allgemeine Krankheitsbild der dortigen Bevolkerung im Vergleich zu anderen Raumen Niedersachsens noch die Ergebnisse der bisher durchgefuhrten Untersuchungen bieten Anhaltspunkte fur Gesundheitsschaden, die auf Blei- oder Cadmiumeinwirkung zuruckgefiihrt werden konnen....Die verzerrende Berichterstattung in weiten Teilen von Presse, Rundfunk und Fernsehen ist nicht geeignet, den betroffenen Burgern im Raum OkerMarlingerode zu helfen".
Die bereitgestellten Landesmittel zur Unterstiitzung umzugswilliger Familien wurden, soweit spater zu erfahren war, nicht in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen. Tote Rinder auf Weiden in der Nahe von Huttenwerken hat es auch friiher schon gegeben. Die Werke zahlten den Bauern eine Entschadigung - und emittierten weiterhin unvermindert Schwermetallstaube in die Umwelt. Was sich ab etwa 1970 geandert hat, war die Verfiigbarkeit von Analysemethoden und -geraten, die es erlaubten an hunderten, ja tausenden von Blut- und Urinproben Analysen mit hoher Empfindlichkeit und Zuverlassigkeit auszufiihren. Jetzt wurde klar, darj die Bevolkerung in der Umgebung der Anlagen zwar nicht die klassischen Symptome einer Bleivergiftung zeigte, aber vie1 mehr Blei im Blut hatte, als dem Normalwert entsprach. Damit stellte sich die Frage, ob nicht doch bei den weniger widerstandsfahigen Personengruppen (Kinder, Schwangere, Alte, Kranke) schadliche Folgen zu befurchten waren. Umweltschutzvorschriften wie das Bundes-Immissionsschutz-Gesetzvon 1974 und die darauf basierende TALuft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) von 1978, die strenge Emissionsgrenzwerte festlegte, waren die notwendige Folge. (Der Medientumult von 1980 uber die ,,Katastrophe im Harz" erfolgte also nachdern die erforderlichen Mafinahmen ergriffen worden waren). Bei den Pb-Emissionen von Industriewerken handelt es sich uberwiegend um anorganische Bleiverbindungen. Das fruher dem Benzin zugesetzte Bleitetraethyl wird bei der Verbrennung in Ottomotoren ebenfalls in anorganische Bleiverbindungen umgewandelt. Wenn im folgenden von Bleiablagerungen in der Umwelt gesprochen wird, so sind immer anorganische Verbindungen gemeint. Von PflanZen werden Bleiionen kaum uber die Wurzeln aufgenommen; der Bleigehalt von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft stammt vielmehr ganz uberwiegend von staubformiger Deposition auf der Oberflache von Blattern und Fruchten. Dies bedeutet zum einen, dafi Produkte mit groBer, rauher, haariger Oberflache iiberdurchschnittliche Bleigehalte aufweisen, Pflanzen aus dem Unterglasanbau dagegen besonders geringe. Es bedeutet zum anderen, dai3 sich der Bleigehalt pflanzlicher Produkte durch Waschen und Schalen oder Entfernen von aurjeren Blattern (bei Kopfsalat) weitgehend entfernen 1aBt. Der schrittweise Verzicht auf verbleites Benzin, die Begrenzung des Bleiausstofie, von Grorjfeuerungsanlagen und Industriebetrieben und weitere Mafinahmen bewirkten seit Mitte der 70er Jahre einen stetigen Ruckgang der Bleiemissionen. Wahrend 1974 allein in der Bundesrepublik 14 800 t Blei, davon 5 400 t durch den
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Verunreinigungen
Kraftfahrzeugverkehr, in die Atmosphare gelangten [246], waren es 1995 im vereinten Deutschland noch etwa 600 t [247]. Auch das Verbot der Anwendung bfeihaltiger Schadlingsbekampfingsmittel im Obst- und Gemiisebau hat zum Riickgang der alimentaren Bleizufuhr beigetragen. Untersuchungen an bis in das Erntejahr 1911zuruckreichenden Proben von haushaltsmafiig in Glasern sterilisierten Obstkonserven ergaben den hochsten Bleigehalt bei Kirschkompott aus dem Jahr 1929 [93]. Auch bei Wein aus sehr alten Jahrgangen wurden hohe Bleigehalte gefunden (Zitate bei [93]). Es ist nicht bewiesen aber sehr wahrscheinlich, daR die Anwendung bleihaltiger Spritzmittel, wie des friiher vie1 verwendeten Bleiarsenats, fur diese erhohten Bleiruckstande verantwortlich war. Fortschritte in der Konserventechnologie sind ein weiterer Grund fur den beobachteten Ruckgang der nahrungsbedingten Bleiexposition. Zur Versiegelung von Konservendosen wurde fruher bleihaltiges Lot verwendet, und aus dem Lot konnten erhebliche Bleimengen in die konservierte Ware iibergehen. Die zunehmende Verwendung von 2-teiligen gefalzten Weiablechdosen und Aluminiumdosen statt der fruher iiblichen bleiverloteten 3-teiligen Konservendosen wirkte sich erheblich auf den Ruckgang der Bleiexposition aus. In Abbildung 4.1 wird dies am Beispiel des Bleigehaltes von Dosensardinen gezeigt. In USA ging der mittlere Bleigehalt von in Dosen konservierten Lebensmitteln im Zeitraum 1982-1991 von 0,20 auf 0,Ol mg/kg zuruck [249].
1.5-
1 .o-
0.5-
Tmax' 3-teilige (gelotete) WeiBblech-
2-teilige (gefalzte) WeiBblech-
dosen
dosen
Aluminium-
dosen
I min.
I
1
I
* I
I
Abbildung 41: Bleigehalt von Sardinen in 0 1 in geioteten (links) und nicht geloteten Dosen (Mitte und rechts). Nach [248].
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Zu unrecht sind auch andere Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie als bleibelastet bezeichnet worden. Als Beispiel sei die Erregung in der Offentlichkeit uber angeblich hohe Bleigehalte von Fertigsuppen erwahnt, die im Oktober 1973 durch Aurjerungen eines Giessener Professors ausgelost wurde. In seinem Arbeitskreis durchgefuhrte Messungen sollten bei Ochsenschwanzsuppe das Doppelte, bei Tomatencremesuppe das Vierfache der zulassigen Hochstmenge nachgewiesen haben. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbande (AgV) nahm dies zum AnlaB, die Offentlichkeit vor dem Kauf von Fertigsuppen zu warnen. Verangstigte Burger warfen ihre Suppenvorrate in den Abfall; der Verkauf solcher Produkte kam fast zum Stillstand, Handel und Industrie erlitten groBe Verluste. Der Bundestag befal3te sich mit dem Thema in der Sitzung vom 7. November 1973. Von der amtlichen Lebensmitteluberwachung, von Forschungsanstalten und von der Suppenindustrie in grorjem Umfang an Fertigsuppen aller Art durchgefuhrte Untersuchungen ergaben Gehalte, die um ein bis zwei Zehnerpotenzen unter den in Giessen gefundenen Werten lagen [250]. Erst als die AgV ihre Warnung zuruckgenommen hatte (VERBRAUCHERPOLITISCHEKORRESPONDENZ vom 30. April 1974: ,,Trockensuppen unbedenklich. Giessener Alarmmeldung nicht bestatigt") beruhigten sich die Gemuter. Die Spurenanalytik von Blei ist schwierig und in der ersten Phase der Aufregung uber die Umweltverschmutzung durch Blei waren die Analysemethoden in manchen Laboratorien noch nicht ausgereift; es wurden viele Werte veroffentlicht, die sich spater als falsch (meistens als erheblich zu hoch) erwiesen. Wegen der fragwurdigen Zuverlassigkeit alterer Angaben und wegen der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Abnahme der Bleiemissionen sind altere Literaturangaben uber Blei in Lebensmitteln oder sonstigem biologischen Material zur Beurteilung der heutigen Situation nicht brauchbar. Uber den Stand der Elementspurenanalytik (also nicht nur Blei betreffend) informieren [251, 2521. Der Ernahrungsbericht 1976 ging - aufgrund von unzuverlassigen alteren Literaturangaben uber Bleigehalte von Lebensmitteln - von einer wochentlichen Bleizufuhr von etwa 3,9 mg pro Person aus. Mit neueren analytischen Methoden durchgefuhrte Analysen zeigten, daB dieser Wert um den Faktor 3 zu hoch war [253]. Wie Tabelle 4.1 zu entnehmen ist, gab der Ernuhrungsbericht 1984 fur die wochentliche Bleizufuhr 1,03 mg an. Wahrend der scheinbare Ruckgang von 1976 bis 1984 sicher uberwiegend eine Folge verbesserter Analytik war, ist seither eine echte Abnahme erfolgt. Nach neueren Befunden liegt die nahrungsbedingte Bleiexposition in Deutschland bei unter 200, inzwischen vermutlich sogar bei unter 100 pg pro Woche und Person. Auch fur die in Tab. 4.1 genannten anderen Lander gilt, daB die Werte urn so niedriger liegen, je neueren Datums sie sind. Blutbleigehalte dienen als gutes MaS fur die Bleizufuhr in den letzten Wochen vor der Probenahme. Die langerfristige Bleiexposition wird besser durch die Analyse von Knochen [266] oder Zahnen [267] wiedergegeben. Auch Haaranalysen konnen niitzliche Informationen liefern, wobei allerdings darauf geachtet werden muB, daB die Ergebnisse nicht durch auSerlich den Haaren anhaftenden Staub oder kosmetische Mittel verfalscht werden. Entsprechend dem Ruckgang der Zufuhr haben sich die Bleigehalte in menschlichen Organen und im Blut vermindert. Von den zahlreichen Arbeiten, die dies belegen, konnen hier nur wenige zitiert werden. Bei Berliner Schulkindern wurde von 1976 bis 1985 ein Ruckgang
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Verunreinigungen
Tabelle 4.1: Bleizufuhr durch Verzehr von Lebensmitteln
Quelle, Berichtsjahr [Zitat] (Zeitraum der Erhebung)
pg/Person .Woche
Methode
I
Erni4hrungsbericht 1976 [2541 (bis etwa 1974)
Mittelwert aus Literaturdaten
I Duplikat, 26 Frauen B 4 Tage
BFE Karlsruhe 1983 12551 (1981) Ernlhrungsbericht 1984 11291 (bis etwa 19821
I 1309
I
Warenkorb 7
lo30 980
Ernshrungsbericht 1988 I2061 (bis etwa 19861
Warenkorb
Kibler 1989 11111 (19871
Duplikat. 20 Personen A 4 Tage
81
~
Stelz et al. 1990 [2561 (19887)
Tagesrationen BUS Krankenhauskuchen
544
Arnold et at. 1998 (1121 11989-91)
478 Tagesrationen aus HeimkUchen
85
Umwelt-Survey 1996 [2651 11990-91)
I Duplikat. 318 Personen a 1 Tag
1
224 ~
175
Duplikat. 7 Frauen, 7 Manner B 7 Tage
MCiller et at. 1993 [2571 (1990-92) Niederlande
1 Warenkorb
Ellen 1977 [2581 (1974-76) Brussaard et a1.1996 12591 (1988-89)
I
850 168 175
Warenkorb. Manner, Altersgr. 22-50 J. Frauen, ARersgr.22-50 Jahre
I Warenkorb I Warenkorb
I 770 I 170
Varo, Koivistoinen 1980 [2611 (1975-781
Warenkorb
460
Tahvonen 1997 [2621 ("early 1990s")
Warenkorb
Becker u.Kumpulainen 1991 (2631 (1987)
Waren korb
119
Gartrell et al. 1985 12641 (1979)
Warenkorb, Manner, Altersgr.16-19 J.
574
Bolger et at. 1996 [2491 (1990-91)
Warenkorb, Manner, Altersgr.25-30 J.
29
Ysart et al. 1999 t2601 (1976) Ysart et al. 1999 I2601 (1994) Finnland ~~
~
I
85
Vereinigte Staaten
Elemente
101
der Medianwerte des Blutbleispiegels (PbB) von 12 pg/dL auf 7 pg/dL beobachtet [268]. Bei Berliner Frauen wurde Ende der 70er Jahre ein mittlerer PbB-Gehalt von 10,6 pg/dL gefunden [269], bei einem vergleichbaren Kollektiv Mitte der 90er Jahre 3,4 pg/dL [270]. Die VERA-Studie an 862 Mannern und 1144 Frauen ergab 1987/88PbB-Medianwerte von 5-6 bei Frauen und 6-7,5 pg/dL bei Mannern verschiedener Altersgruppen, mit leicht steigender Tendenz bei zunehmendem Alter. Steigender Alkoholkonsum und starkes Zigarettenrauchen waren rnit hoheren Blutbleigehalten assoziiert. Ein signifikanter EinfluB unterschiedlicher Ernahrungsweisen war dagegen nicht zu erkennen 12711. Bisher ist ungeklart, ob die rnit dem Alkoholkonsum steigende Bleiexposition rnit dem Bleigehalt alkoholischer Getranke oder rnit einer durch Alkohol erhohten Resorption des Bleis zusammenhangt. Aus fruher in der Kellertechnik vie1 verwendeten bleihaltigen Messingarmaturen ging Blei in den Wein uber. Seit Messing mehr und mehr durch Edelstahl ersetzt wurde, sind die Bleigehalte in Wein weiter zuriickgegangen [272]. Nach dem Umwelt-Survey 1990/91 betrug der (geometr.) PbB-Mittelwert fur Erwachsene in den alten Bundeslandern 4,5 pg/dL, fur 6-14 Jahre alte Kinder 3,2 pg/dL [265]. Im Zeitraum von 1976 bis 1991 hat der mittlere Blutbleigehalt der U.S. Bevolkerung von 12,8 auf 2,s pg/dL abgenommen [273] und bis 1994 weiter auf 2,3 pg/ dL [274]. In Mexico City, wo relativ hohe Blutbleigehalte durch Luftverschmutzung (bleihaltiges Benzin) und durch die weitverbreitete Verwendung von Topferwaren mit bleilassiger Innenglasur festgestellt wurden, ging der mittlere PbBSpiegel bei 6 Monate alten Kindern in den Jahren von 1989 bis 1993 von 143 auf 7 pg/dL zuriick [275]. So erfreulich diese weltweite Abnahme ist, sie stellt keine Ruckkehr zum Pegel der Bleiexposition in vorindustrieller Zeit dar - die auch in Zukunft nicht moglich sein wird, da die im Zeitraum von etwa 1925-1990, vor allem als Verbrennungsprodukte des Bleitetraethyls, in aller Welt in die Atmosphare emittierten uber 100000 t Blei pro Jahr als ubiquitar verbreitete Aftlust vorhanden sind. Wie Knochenanalysen gezeigt haben (Blei wird in den Knochen gespeichert), war die Bleikontamination im Mittelalter und im Rom des klassischen Altertums teilweise sehr hoch (Verwendung von WeingefaSen und Wasserleitungen aus Blei, bleihaltigem Zinngeschirr, bleihaltigen Tonglasuren [276]), wahrend Knochen aus vorgeschichtlicher Zeit nur einen Bruchteil der heute anzutreffenden Bleigehalte aufweisen [277]. Als noch in groBem Umfang verbleites Benzin verwendet wurde, lag der Blutbleigehalt bei Stadtbewohnern deutlich hoher als bei Landbewohnern, aber dieser Unterschied ist inzwischen weitgehend verschwunden. Die in Tab. 4.1 erwahnten FAONHO-Werte bezogen sich zunachst auf Entscheidungen des Gemeinsamen F A O N H O Sachverstandigenausschusses fur Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA), der 1972 Grenzwerte fur die Schwermetallaufnahme bekanntgab, fur Blei 50 pg/kg Korpergewicht pro Woche, bei 60 kg Korpergewicht also 3 mgAVoche. Im Gegensatz zu den von JECFA festgelegten ADIWerten fur Zusatzstoffe beruhten diese Grenzwerte nicht auf Tierversuchen, sondern orientierten sich einerseits an der damaligen Schwermetallexposition des Menschen durch Nahrung, Luft und Trinkwasser und andererseits an toxikologiwhen Erfahrungen rnit Schwermetallvergiftungen beim Menschen. Den sonst ublichen Sicherheitsabstand von 1:100 gab es hier nicht. Um den Unterschied zu
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Verunreinigungen
ADI-Werten deutlich zu machen, wurden diese Grenzwerte vorlaufig duldbure wochentliche Aufnahmemengen genannt (provisional tolerable weekly intake, P W I ) . Der umstandliche Name wird in der Literatur meist als FAO/WHOWerte oder als PTWI abgekurzt. Die toxikologische Risikobewertung der Bleizufuhr hat sich seit 1972 erheblich verandert. Damals galten PbB-Spiegel von uber 120 pg/dL als Anzeichen einer Bleivergiftung. Ein WHO-Bericht stellte 1977 fest, bleibedingte Beeintrachtigungen der Hamoglobinbildung bei Erwachsenen seien bereits ab 50, bei Kindern ab 40 yg/dL aufgetreten, mefibare Wirkungen auf das Zentralnervensystem ab 50, auf das periphere Nervensystem ab 40 pg/dL [278]. Neuere Untersuchungen haben Wirkungen auf den Intelligenzquotienten IQ von Kindern sogar im Bereich von 10-15 pg/dL gezeigt. In mehrerern Untersuchungen ging eine Verdoppelung des Blutbleigehaltes von z.B. 10 auf 20 pg/dL mit einem IQ-Abfall von etwa 1-3 Punkten einher [245]. Kann der Blutbleispiegel spater gesenkt werden, so ist die Intelligenzschadigung nur teilweise reversibel [279]. Die US Food and Drug Administration (FDA) bezeichnet 10 pg/dL als Pegel der Bedenklichkeit (level of concern) fur Kinder und Schwangere, 30 pg/dL fur sonstige Erwachsene [280]. In Deutschland setzte die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes einen Human-Biomonitoring-Wert I (HBMI) von 10 pg/dL fur Kinder und fur Frauen im gebarfahigen Alter und von 15 pg/ dL fur sonstige Personen fest, sowie einen HBM-ff-Wertvon 15 pg/dL fur die genannten Risikogruppen und 25 wg/dL fur sonstige Personen. Blutbleikonzentrationen >70 yg/dL sind als medizinischer Notfall stationar zu behandeln [281].20 Die Festlegung von Bedenklichkeitsgrenzen von 10, 15,25 oder 30 pg/dL ist eher eine Mafinahme des vorbeugenden Verbraucherschutzes als Ausdruck eines wissenschaftlich belegten Schwellenwerts. Bei Untersuchungen uber IQ-Unterschiede zwischen Populationen spielen Bias und Confounders eine besonders grolje Rolle und die Ergebnisse solcher Untersuchungen uber Wirkungen der Bleiexposition waren oft widerspruchlich [283]. Da die Haufigkeit hoher Bleiexpositionen in Deutschland erheblich geringer war als in den Vereinigten Staaten erwiesen sich Untersuchungen uber Zusammenhange zwischen Bleiexposition und IQ oder sonstigen neuropsychologischen Wirkungen in der Bundesrepublik bereits in den 70er und 80er Jahren als besonders schwierig. Seither ist die Bleiexposition auch in industriellen Belastungsgebieten, wie in der Gegend um Stolberg, so stark zuruckgegangen [267], dalS Untersuchungen dieser Art nur mit grofiem Aufwand und standig verfeinerten neurophysiologischen und -psychologischen Testmethoden Aussicht haben, Unterschiede zwischen Gruppen von wenig exponierten und etwas starker exponierten Kindern zu erkennen.’l Neuere Studien in der Bundesrepublik ergaben bei 6-jahrigen Kindern (Blutbleigehalte mit geom. Mittelwert 4,2, Maximalwert 17,4 pg/ dL) signifikante Zusammenhange zwischen PbB-Werten und verhaltenstoxikolo-
’” Der HBM-I-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Korpermedium, bei dessen Unterschreitung nicht mit einer gesundheitlichen Beeintrachtigung zu rechnen ist. Bei Uberschreitung des HBM-II-Wertes ist eine gesundheitliche Beeintrachtigung rnoglich. HBM-I ist Priif- oder Kontrollwert, HBM-I1 Interventionswert. Nahere Erlauterungen bei [282] ” Die Bleideposition im Raum Stolberg ging von 240 mg/m2im Jahre 1981 auf 15 mg/m’ im Jahre 1995 zuriick [284]
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gischen Parametern (u. a. Daueraufmerksamkeit im Continuous Performance Test, CPT) [285]. Da die Plazenta keine Schranke fur Bleiionen darstellt, kann eine erhohte Bleiexposition der Mutter die Entwicklung des Foetus beeintrachtigen. Das sich entwickelnde Nervensystem wird durch vie1 geringere Bleikonzentrationen geschadigt als das des Erwachsenen [286]. Eine erhohte Gefahrdung besteht auch nach der Geburt. Wahrend beim Erwachsenen nur etwa 10 YO des peroral aufgenommenen Bleis resorbiert werden, sind es bei Kleinkindern um 50 YO. Auf StraBen oder Spielplatzen in industriellen Belastungsgebieten konnen Kinder mit stark bleihaltigem Staub in Beruhrung kommen und durch Ablecken der Finger und Verschlucken von Erde Blei aufnehmen. In den Vereinigten Staaten hat man beobachtet, dal3 das Verschlucken von ubbriickelnden Bfeifurben heruntergekommener Hauser hohe Bleiexpositionen - auch akute Bleivergiftungen - verursachen kann. In einer 1972 veroffentlichten Untersuchung, die in einer Slumgegend von Boston durchgefuhrt wurde, hatten 34 Yoder Kinder PbB-Spiegel von uber 39yg/dL, 12 YO sogar uber 49 pg/dL [287]. In den Vereinigten Staaten hangt der Blutbleigehalt umgekehrt proportional mit dem Familieneinkommen zusammen und ist im Mittel hoher bei Schwarzen als bei WeiBen [288]. Dies wird mit dem hoheren Anteil in Slumgebieten wohnender Schwarzer und der damit verbundenen erhohten Bleiexposition durch alte Bleifarbenanstriche erklart. Es sind dort Mahahmen ergriffen worden, um die Situation zu verbessern, gelost ist das Problem jedoch nicht [274, 2891. Bei der 1991 in USA bundesweit durchgefuhrten Untersuchung von Blutbleigehalten hatten 5,s YO der weiBen Kinder im Alter von 1-51 Jahren den PbB-Richtwert von 10 pg/dL uberschritten, dagegen 20,6 % der schwarzen Kinder [273]. Auch eine erhohte Bleikontamination in der unmittelbaren Umgebung von Bleihutten wurde weltweit an mehreren Orten zum AnlaB fur langfristig angelegte Untersuchungen zur weiteren Klarung der Zusammenhange zwischen Bleiexposition und Lern- und Verhaltensstorungen bei Kindern, so fur die Port Pirie Cohort Study in Australien [290]. Das Problem der besonderen Bleiexposition von Kindern durch abblatternde Bleifarben alter Holzhauser existiert vornehmlich in Nordamerika. In der Bundesrepublik sind bleihaltige Farben fur Innenanstriche schon seit langer Zeit nicht in Gebrauch. Hier richten sich Bedenken eher gegen das Vorhandensein von Wasserleitungen aus Blei in alten Wohnhausern [291]. Untersuchungen in Leipzig ergaben bei Bewohnern von Hausern mit Bleileitungen PbB-Konzentrationen von 6,s pg/dL bei Mannern und S,7 bei Frauen, dagegen ohne Bleileitungen 4,7 bzw. 3,4 pg/dL [292]. Eine unterschiedliche Bleiexposition ist erkennbar, die Mittelwerte liegen jedoch auch bei der starker exponierten Gruppe deutlich unter dem HBM-l-Wert. JECFA hat 1987 fur Kinder den PTWI fur Blei auf 25 mg/kg Korpergewicht festgesetzt. Seit 1993 gilt auch fur Erwachsene statt des 1972 beschlossenen PTWI von SO mg/kg der herabgesetzte Wert von 25 mg/kg, was bei 60 kg Korpergewicht 1500 mgiWoche bedeutet [293]. Dies sollte bei Interpretation der Tab.4.1 berucksichtigt werden.
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Verunreinigungen
Quecksilber (Hg) Die Spurenanalytik von Quecksilber in biologischem Material war - im Gegensatz zur Situation bei Blei - bereits in den 30er Jahren gut entwickelt. Damals hat vor allem ALFREDSTOCKan der Technischen Hochschule Karlsruhe umfangreiche Untersuchungen an Umweltproben der verschiedensten Art durchgefuhrt. E r schrieb 1934: ,,Die Verbreitung des Quecksilbers im Erdboden macht verstandlich, daR alle naturlichen Wasser, alle pflanzlichen und tierischen Stoffe, alle unsere Nahrungsmittel, auch die Erdatmosphare und das Regenwasser Spuren Quecksilber enthalten.....Auffallend groR ist die Quecksilbermenge in Fischen, in SiiBwasser- wie in Seefischen" [294].
In Kap. 3 wurden Massenvergiftungen im Irak durch unerlaubte Verwendung von mit quecksilberhaltigen Beizmitteln behandeltem Saatgut bei der Brotherstellung erwahnt. In den 50er Jahren trat bei an der Minamatabucht in Japan lebenden Fischern und deren Angehorigen eine zunachst ratselhafte Erkrankung auf [295]. Es dauerte Jahre, bis die Minamata-Krankheit als Methylquecksilbervergiftung erkannt wurde und es dauerte nochmals Jahre, bis Informationen hieruber aus dem Japanischen in westliche Sprachen ubersetzt und in USA und Europa zur Kenntnis genommen wurden. Die japanische Regierung gab erst 1968 zu, dalj Umweltverschmutzung Ursache der Erkrankungen war und erst seit 1973 erhielten die Opfer Entschadigungen. Bis 1997 waren nach offiziellen Angaben uber 1000 Menschen an den Folgen der Minamata-Krankheit gestorben und mehr als 700 blieben unheilbar behindert. Es handelte sich urn eine der groljten Umweltkatastrophen der Industriegeschichte. Eine ahnliche Katastrophe, wenn auch in kleinerem Ausmal.3, ereignete sich 1965 bei am Agano-Flul.3in der Niigata Prafektur lebenden Fischerfamilien. Ursache waren in beiden Fallen Abwasser von Betrieben der chemischen Industrie, die in Fischen und Schalentieren Quecksilbergehalte verursachten, die bis zum lOOfachen uber den Normalgehalten lagen. Durch Berichte uber diese Falle in Japan aufmerksam geworden, begann man uberall in der Welt Quecksilber in Fischen und Gewassern zu analysieren. Hohe Gehalte wurden insbesondere in Schweden und Kanada gefunden, in Schweden vor allem verursacht durch die Verwendung quecksilberhaltiger Mittel zur Verhinderung der mikrobiellen Schleimbildung in Papiermaschinen, in Kanada durch die Verwendung von Quecksilberkathoden bei der Chloralkalielektrolyse (Herstellung von Chlorgas und Natronlauge aus Natriumchlorid). Auch in der Bundesrepublik und in vielen anderen Landern wurden in Fischen aus Binnengewassern Quecksilbergehalte festgestellt, die auf industriebedingte Kontaminationen hinwiesen. Die Berichterstattung in den Medien (vor allem in USA und in der Bundesrepublik) erweckte den Eindruck einer weltweiten, standig zunehmenden Quecksilberkontamination und schilderte die wahrscheinlichen Folgen fur die Menschheit in den dustersten Farben. Mit der Beschlagnahme von uber 10 Millionen Dosen Thunfisch und dem Verbot des Verkaufs von Schwertfisch in den Vereinigten Staaten wurde im Dezember 1970 ein Hohepunkt der in der Offentlichkeit entstandenen Erregung erreicht [296]. L. J. GOLDWATER, Professor fur Offentliches Gesundheitswesen und eine Autoritat auf dem Gebiet der Quecksilbertoxikolo-
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gie, schrieb 1971: ,,Das journalistische Geschrei uber das ,,Quecksilberproblem" hat in der Offentlichkeit einen Alarmzustand ausgelost, der an Hysterie grenzt" [297]. Nur langsam setzte sich die Einsicht durch, daB es zwar lokale Kontaminationsprobleme gab, darj es jedoch (im Gegensatz zur damaligen Situation bei Blei) keine Anzeichen einer zunehmenden weltweiten Quecksilberkontamination gab. An bis zu 90 Jahre alten Thunfischexemplaren aus Museen durchgefiihrte Analysen ergaben etwa die gleichen Hg-Gehalte wie bei in neuerer Zeit gefangenen Proben. Ein Vergleich der Analysenergebnisse von STOCKaus den 30er Jahren mit neuen Untersuchungsergebnissen an Fischen und anderen Lebensmitteln zeigte kaum Unterschiede [298]. In Fischen hat STOCK bis zu 0,l (Thunfisch hat er leider nicht untersucht), in sonstigen Lebensmitteln zwischen 0,002 (Kartoffeln) und 0,07 (Rinderniere) mg Hg/kg gefunden - in sehr guter Ubereinstimmung mit 35 Jahre spater mittels Neutronenaktivierungsanalyse durchgefuhrten Messungen [299]. SCHELENZ und DIEHLstellten 1973 aufgrund von Untersuchungen an taglichen Gesamtnahrungsproben (Duplikatmethode) fest, daB es bei den auf den Markt kommenden Lebensmitteln in der Bundesrepublik Deutschland ein Quecksilberproblem nicht gab [300]. Hg-Emissionen konnen in anorganischer (Quecksilbersalze, metallisches Quecksilber) oder organischer Form (Alkylquecksilberverbindungen,insbesondere Methylquecksilber) erfolgen. Durch Mikroorganismen werden die wasserloslichen anorganische Verbindungen in Methylquecksilber umgewandelt, das sich in biologischem Material anreichern kann. Eine derartige Anreicherung erfolgt insbesondere in der Kette Plankton-Friedfische-Raubfische.In Raubfischen wird im allgemeinen mehr Quecksilber gefunden als in Friedfischen, in alteren (groBen) Exemplaren mehr als in jiingeren (kleinen). In der Verordnung uber Hochstmengen an Schadstoffen in Lebensmitteln wird dies beriicksichtigt, indem fur Raubfische wie Hecht, Lachs, Schwertfisch (und einige andere Arten) eine Hochstmenge von 1,0 mg Hg/kg gilt, fur sonstige Fische und Krusten- und Schalentiere 0,5 mg/kg. Methylquecksilber wird im Darm zu 95 YOresorbiert und verteilt sich im ganzen Korper, auch im Zentralnervensystem (ZNS), wo es seine Haupt-Giftwirkung entfaltet. Die altere Literatur betonte in diesem Zusammenhang die Fettloslichkeit des Methyl-Hg und vermutete eine Anreicherung vor allem im Fettgewebe, wahrend in neuerer Zeit auf die starke Bindung des Methylquecksilbers an Thiolgruppen hingewiesen wird. Letztere kommen in Proteinen und in anderen hydrophilen Verbindungen wie dem Glutathion vor, und so findet sich Methyl-Hg in allen wasser- und proteinreichen Geweben des Korpers. In der Nahrung enthaltene anorganische Hg-Verbindungen werden im Verdauungstrakt nur zu etwa 7 YO resorbiert und dringen sehr vie1 langsamer als Methylquecksilber in das ZNS und die Plazenta ein. In der Lebensmitteltoxikologie gilt dem Methylquecksilber wegen seiner im Vergleich zu anorganischen Hg-Verbindungen etwa lOfach hoheren Toxizitat das grorjere Interesse. Durch MaBnahmen wie das Verbot der Einleitung Hg-haltiger Industrieabwasser, der Verwendung Hg-haltiger Beizmittel fur Saatgut und Hg-haltiger Fungizide im Obstanbau haben Hg-Gehalte in Flurjfischen und vielen anderen Lebensmitteln deutlich abgenommen. In Abbildung 4.2a wird dies fur Fische aus dem Oberrhein gezeigt. Die steile Abnahme der Hg-Gehalte von 1976 bis 1980 (syste-
106
Verunreinigungen o,8
Hg [mgkgl
0,7 -
W030,4-
0,3-
02.
-
0917 ' 1976 1978
"
1980
'
1982
1984
Abbildung 4.2a: Quecksilberpehalte von Fischen aus dern Oberrhein. Jahresrnittelwerte 1976-1983. Quelle: [301].
B8
Abbildung 4.2b Quecksilber- und Cadmiumfracht dcs Rheins, gemessen an der deutsch-niederIandischen Grenze, 1972-1988. Quelle: [302].
matische Untersuchungen wurden in der Zeit vor 1976 nicht durchgefuhrt) war eine Folge der seit Beginn der 70er Jahre erreichten Verringerung der Quecksilberkontamination des Rheins, wie sie Abbildung 4.2b zu entnehmen ist. Nach dem Jahre 1984 durchgefiihrte Messungen haben nur eine geringe weitere Absenkung der Hg-Gehalte in Rheinfischen gezeigt. An einem naturlich (durch Auswaschen Hg-haltiger Mineralien) bedingten Hg-Gehalt des Rheinwassers und der Fische wird sich auch kunftig nichts andern lassen. Belgische Autoren haben auch in Meeresfischen aus kustennahen Gebieten der Nordsee im Zeitraum 1971 bis 1990 eine deutliche Abnahme der Hg-Gehalte beobachtet [303].In kiistenfernen Gebieten dagegen ist, in den Jahrzehnten seit entsprechende Analysen durchgefuhrt werden, keine Anderung erfolgt. Die Ausbringung von quecksilbergebeiztem Saatgut fuhrte fruher zu relativ hohen Hg-Gehalten in Geweben von Wild, das dieses Saatgut aufnahm. Bei Feldhasen, Fasanen, Wildenten und Wildgansen wurden besonders hohe Hg-Konzentrationen gefunden, besonders in Nieren und Lebern. Das 1982 erlassene gene-
Elemente
107
relle Anwendungsverbot fur quecksilberhaltige Saatbeizmittel bewirkte einen in raschen Ruckgang der Hg-Spiegel in Wild. Wahrend HOLLERER und CODURO Hasenlebern des Jagdjahres 1972/73 im Mittel 0,55 mgkg gefunden hatten [304], wiesen Proben der Jagdjahre 1982/83 und 1983/84 nach RIMKUS und WOLFnur 0,083 mg/kg Quecksilber auf [305]. Obwohl Moweneier im allgemeinen nicht als Lebensmittel betrachtet werden, sind sie hier von Interesse, weil im Rahmen der Umweltprobenbank des Bundes seit Jahren unter gleichbleibenden Bedingungen Eier von Silbermowen aus der Weser- und der Elbemiindung auf Quecksilber untersucht werden [306]. Durch Umweltschutzmaanahmen ist, ahnlich wie im Rhein, die Quecksilberkontamination in Weser und Elbe zuruckgegangen. Auf dem Gebiet der fruheren DDR wurden jedoch lange Zeit groBe Mengen quecksilberhaltiger Abwasser ungeklart in die Elbe eingeleitet und haben diese bis in ihr Mundungsgebiet kontaminiert. Diese Verhaltnisse spiegeln sich (Abbildung 4.3) im unterschiedlichen zeitlichen Verlauf der Hg-Gehalte von Moweneiern der Brutgebiete auf den Inseln Mellum (Weser) und Trischen (Elbe). JECFA hat 1972 einen PTWI von 3,3 pg Methyl-Hg oder 5 pg Gesamt-Hg pro kg Korpergewicht festgesetzt, also bei 60 kg Korpergewicht 200 pg Methyl-Hg oder 300 pg Gesamt-Hg pro Woche. In neueren WHO-Verlautbarungen wurden diese Werte bestatigt [307]. Nach den Angaben des Ernahrungsberichts 1976 (Tabelle 4.2) schien der FAO/WHO-Wert fur Quecksilber in der Bundesrepublik zu 2/3 ausgeschopft zu werden. Die damalige Datenbasis war jedoch, ahnlich wie hinsichtlich der Bleizufuhr, wenig zuverlassig. Erst der Erniihrungsbericht 1984 konnte sich auf reprasentative Daten stutzen. Inzwischen sind die Quecksilbergehalte soweit gesunken, daa sie in Tagesrationen, die keinen Fisch enthalten, mit den verfugbaren Analysemethoden nicht mehr zuverlassig bestimmt werden konnen. In den meisten Gesamtnahrungsstudien der letzten Jahre ist daher Quecksilber nicht mehr bestirnmt worden. Im Rahmen des Umwelt-Survey 1990-1991
I
4.5
-+ Trischen
4
3.5
3
2 1.5 1
03
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995
Abbildung 4.3: Quecksilbergehalte in Silbermoweneiern aus dem Miindungsgebiet der Elbe (Insel Trischen) und der Weser (Insel Mellum), 1988-1995. Quelle: [306].
108
Verunreinigungen
Tabelle 4.2: Quecksilberzufuhr durch Verzehr von Lebensmitteln Duldbar nach FAOWHO 1972 13261 bei 60 kg Korpergewicht 300, bei 70 kg 350 Quelle, Berichtsjahr, Zitat (Zeitraum der Erhebung)
Methode
puglPerson.Woche
Ernahrungsbericht 1976 [2541 (bis etwa 1974)
Mittelwert aus Literaturdaten
205
BfE Karlsruhe 1983 12551 (1981)
I Duplikat, 26 Frauen
ti
4 Tage
147
Ernahrungsbericht 1984 [129] (bis etwa 1982)
Warenkorb
110
Ernghrungsbericht 1988 [2061 Ibis etwa 1986)
Warenkorb
117
Stelz et al. 1990 [2561 (19881)
Tagesrationen aus Krankenhauskuchen
< 70
Wilhelm et a1.1995 [3081 (1988-89)
Duplikat. 47 Kinder B 2 Tage (Umgerechnet auf 70 kg KBrpergew.1
ohne Fischkonsum: 8 bei tBgl. Fischkonsum: 61
Ellen 1975 12581 (1974-1976)
Warenkorb
77
Van Dokkum et al. 1989 [3091 (1984-86)
Warenkorb
5
Ysart et al. 1999 [2601 (1976)
Warenkorb
35
Ysart et al. 1999 [2601 (1994)
Warenkorb
28
Warenkorb
13
Tagesrationen aus Rekrutenschule u.a.
<35
Gartrell et al.1985 [2521 11979)
Warenkorb. MBnner, Altersgr.16-19 J.
35
Gunderson 1995 [1151 (1986-91)
Warenkorb, MBnner, Altersgr. 25-30 J.
19,5
~
~~
Becker u. Kumpulainen 1991 [2631 (1987) Schweiz 3.Schweiz.Ern.Ber. 1991 [2431 (1983)
I I
USA
Elemente
109
durchgefuhrte Duplikatanalysen zeigten bei 307 von 318 Tagesproben HgGehalte, die unter der Bestimmungsgrenze lagen [311]. Eine Duplikatstudie an Kindern ergab eine unter 2 %ige Ausschopfung des PTWI ohne Fischverzehr und eine 17 %ige mit Fischverzehr [308]. Alle Angaben in der Tabelle beziehen sich auf Gesamtquecksilber. Die WHO gab 1990 als weltweiten Mittelwert fur die nahrungsbedingte tagliche Hg-Zufuhr Erwachsener 2,4 pg in Form von Methyl-Hg und 0,6 pg anorganisches Hg aus dem Fischverzehr, sowie 3,6 pg anorganisches Hg aus sonstigen Lebensmitteln an, zusammen also 6,6 pg Hg/Tag oder 46 pg/Woche [307]22.Da die durch Methylquecksilber verursachten Schaden am ZNS weitgehend unumkehrbar sind, bleiben nach einer uberstandenen Vergiftung meist schwere Lahmungen und geistige Storungen. Die Plazenta stellt keine Schranke fur Methylquecksilber dar, und das sich entwickelnde ZNS des Foetus reagiert besonders empfindlich. Bei Bevolkerungsgruppen, die sich uberwiegend von Meerestieren ernahren, kann die Zufuhr erheblich uber den in Tab. 4.2 genannten Mittelwerten und uber dem PTWI liegen. Bei Fischessern auf Neuguinea wurde eine Hg-Zufuhr von etwa 500 pg/Woche ermittelt. Der Hg-Gehalt der Kopfhaare dieser Population betrug im Mittel 21 pg/g (Extremwerte 3,7 und 71,9 pg/g), bei einem Normalwert von 0,75 pg/g [314]. Bei einer nordamerikanischen Indianerpopulation wurden Blut-Hg-Spiegel von bis zu 3,3 pg/dL gefunden, wahrend 0,5 pg/dL als Obergrenze des Normalbereichs betrachtet werden [315]. Erste Anzeichen einer neurologischen Schiidigung durch Methylquecksilber, namlich eine 5 %ige Zunahme der Hbfigkeit von Parasthesie (Pelzigkeit, Kribbeln in den GliedmaBen), wurden bei MinamataiNiigata-Patienten ab einem Methyl-Hg-Spiegel von 20 pg/dL im Blut oder 50 pg/g in den Kopfhaaren beobachtet [307]. Klinische und neurophysiologische Anzeichen einer Schadigung durch Methyl-Hg sind bei Fischerpopulationen im allgemeinen nicht gefunden worden, wohl aber Hinweise auf neuropsychologische Effekte bei Kindern, die schon im Mutterleib einem erhohten Methyl-HgPegel ausgesetzt waren [316, 3171. Wie fur Blei kann fur Methyl-Hg ein wissenschaftlich gesicherter Schwellenwert fur das Auftreten subtiler neuropsychologischer Wirkungen bei Kindern bisher nicht angegeben werden. Fische enthalten im allgemeinen relativ vie1 Selen und die Abwesenheit von klinischen Symptomen einer Methyl-Hg-Vergiftung auch bei Personen mit hohem Fischverzehr hangt moglicherweise mit einer Schutzwirkung des Selens zusammen. Bei der VERA-Studie an Erwachsenen in der Bundesrepublik lag der Gesamt-Hg-Spiegel im Blut in Norddeutschland etwas iiber, in Suddeutschland etwas unter 0,l pg/dL, ein Unterschied der moglicherweise auf den hoheren Fischverzehr in Kustennahe zuriickzufiihren ist. Der gefundene Hochstwert betrug (bei zwei von 2006 Probanden) 2 pg/dL [271]. Der Umwelt-Survey 1990/92 ergab fur Erwachsene ein arithmetisches Mittel von 0,077, ein geometrisches von 0,051 und
*'Dazu kommen bei Tragern von Amulgumfillungen bis zu etwa 20 pg Hg/Tag in Form von aus dem Mundraum aufgenommenen Dampfen, also 140 pg/Woche [307]. Die WHO betrachtet diese Dosis als gesundheitlich nicht bedenklich [312]. In Deutschland immer wieder auftauchende Befiirchtungen einer Gesundheitsgefahr durch Zahnamalgam stiitzen sich auf das ,,Kieler Amalgam-Gutachten" von 1992. Nach Ansicht des Instituts der Deutschen Zahnarzte weist das von Autoren um den Kieler Toxikologen OTMARWASSERMANN verfaOte Gutachten methodische Mange1 auf, argumentiert widerspriichlich und iiberschatzt die Risiken stark [313].
110
Verunreinigungen
einen Hochstwert von 1,22 pg/dL [311]. Warum einzelne Personen Blut-HgGehalte hatten, die etwa 20fach uber dem Mittelwert lagen, ist nicht bekannt. Bei den vorher erwahnten Fischer- und Indianerpopulationen wird taglich, meist sogar mehrfach taglich Fisch gegessen. Ein derartig hoher Fischverzehr ist in Mitteleuropa kaum denkbar. Moglicherweise waren die Personen mit hohen BlutHg-Werten beruflich quecksilberexponiert. In einigen Gebieten der Welt gibt es immer noch - oder sogar zunehmend anthropogene Umweltkontaminationen durch Quecksilber. Hier fallt derzeit vor allem die Situation im oberen Amazonasbecken auf. Goldgraber verwenden metallisches Quecksilber, um durch Amalgambildung Gold von Begleitmineralien zu trennen. Es wird geschatzt, da13 in den letzten Jahren uber 100 t Quecksilber durch wilde (staatlich nicht kontrollierte) Goldgewinnungsaktivitaten in den Amazonas gelangten. Nach GRANDJEAN hat dies bereits zu neurotoxischen Schadigungen bei Kindern der vor allem vom Fischfang lebenden Bewohner dieses Gebietes gefuhrt [318]. Die in Hochseefischen gemessenen Gehalte wurden zunachst oft als Zeichen einer weltweiten anthropogenen Umweltverschmutzung interpretiert, was sich jedoch als nicht richtig erwiesen hat. Die Methyl-Hg-Gehalte sind bei Hochseefischen meist gar nicht, bei Fischen aus Kusten- und Binnengewassern nur teilweise auf Umweltverschmutzung zuruckzufuhren. Untersuchungen an Fischen von in industriefernen Gegenden neu angelegten Stauseen haben sehr unterschiedliche Methyl-Hg-Gehalte ergeben, deren Hohe weniger vom Hg-Gehalt des Stauseewassers, als von der mikrobiologischen Aktivitat und der dadurch bedingten Methylierung anorganischen Quecksilbers in diesem Wasser abhing [319]. Bei Hochseefischen wurde eine Abhangigkeit der Quecksilberakkumulation vom Biomassegehalt des Meerwassers festgestellt. Quecksilberverbindungen werden an Plankton gebunden und von Fischen mit dem Plankton aufgenommen. 1st im Wasser vie1 Biomasse vorhanden, so tritt ein Verdunnungseffekt ein, die Fische nehmen (pro g Plankton) weniger Quecksilber auf [320]. Dies gilt primar fur die von Plankton lebenden Friedfische, sekundar jedoch auch fur die von den Friedfischen lebenden Raubfische. In planktonarmen Gewassern konnen also auch niedrige Hg-Gehalte zu relativ hohen Methyl-Hg- und Gesamt-Hg-Gehalten in Fischen fuhren. Eine uberdurchschnittliche Hg-Zufuhr kann nicht nur durch erhohten Fischverzehr, sondern auch durch eine an Wildpilzen reiche Kost erfolgen [321,322]. Wahrend bei sonstigen Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft die Quecksilbergehalte selten 0,01 mg/kg Frischgewicht uberschreiten, hat man bei manchen Pilzarten, wie dem Feldchampignon (Agaricus campestris) und dem Schafchampignon (Agaricus arvensis) 0,1-2 mg/kg gefunden. Der Anteil Methyl-Hg liegt dabei meist unter 10 %, oft unter 1 % [323]. Das Bundesgesundheitsamt sprach 1978 die Empfehlung aus, bei regelmanigem Pilzverzehr sollten pro erwachsene Person und Woche nicht mehr als 200-250 g Wildpilze verzehrt werden. Begrundet wurde die Empfehlung mit relativ hohen Quecksilber- und Cadmiumgehalten bei Wildpilzen.z3Bei Personen mit ungewohnlich hohem Pilzverzehr gibt es (soweit nicht versehentlich Gift~
'' Blei
wird von Pilzen nicht akkumuliert, wohl jedoch Selen. Hohe Schwermetallgehalte im Boden begunstigen zwar die Anreicherung von Quecksilber, Cadmium und Selen. sind jedoch nicht Voraussetzung dafur
Elemente
111
pilze verzehrt wurden!) keine Hinweise auf durch den Pilzverzehr bedingte Gesundheitsschaden. Die Empfehlung des B G A wurde zu einer Zeit ausgesprochen, als der Ernahrungsbericht 1976 den Eindruck erweckt hatte, der PTWI-Wert fur Cadmium sei - auch ohne Pilzverzehr - bereits vollstandig, der fur Quecksilber zu etwa 2/3 ausgeschopft (Tab. 4.2). Nachdem sich inzwischen gezeigt hat, dalj die Zufuhr beider Elemente die PTWI-Werte nur zu 1 5 % oder weniger ausschopft, und da es sich - im Gegensatz zur Situation bei Fischen - bei Pilzen ganz uberwiegend um anorganisches Quecksilber handelt, ist fur diese Empfehlung kein guter Grund mehr zu sehen').
Cadmium (Cd) Cadmium kommt in der Erdkruste immer gemeinsam mit Zink vor und ist seit Jahrhunderten bei der Zinkgewinnung mit angefallen. Es wurde fruher bei der Verhuttung mehr oder weniger unvollstandig vom Zink getrennt. Daher enthielten alle zum Schutz gegen Verrosten verzinkten EisengefaSe und -rohre auch Cadmium. Durch Aufbewahrung saurer Speisen in verzinkten oder cadmierten Gefaljen oder in mit cadmiumhaltigen Innenglasuren versehener Keramik kam es zu Cadmiumvergiftungen uber die Nahrung. Das Reichsgesundheitsamt warnte 1940 vor akuten und chronischen Gesundheitsschaden durch Cadmium und erklarte die Verwendung von Geraten, die Cadmium in Lebensmittel abgeben konnen, als strafbaren VerstoB. Die Moglichkeit von Massenvergiftungen durch Cadmium in der Nahrung wurde durch Berichte iiber die Zcai-Ztui-Krankheitdramatisch verdeutlicht, die um 1970 aus Japan nach Europa und USA gelangten. Die Krankheit war in den Jahren der Unterernahrung nach dem 2. Weltkrieg im Tal des Jintsu-Flusses in der Prafektur Toyama bei alteren Frauen aufgetreten, die mehrere Kinder geboren hatten [324]. Sie auljerte sich durch Nieren- und Knochenschadigungen (Osteomalazie, Osteoporose). Erst in den 60er Jahren wurde der Zusammenhang der Krankheit mit dem Verzehr von stark cadmiumhaltigem Reis erkannt. Fur die Bewasserung der Reisfelder hatte man Wasser verwendet, das durch fluBaufwarts gelegene Bergwerke eine hohe Cadmiumkonzentration enthielt. Unterversorgung der Frauen rnit Calcium, Vitamin D und EiweiS verstarkte die Wirkung des Cadmiums. Neue Falle von Itai-Itai sind nach 1960 nicht aufgetreten. Offensichtlich verhinderte die Verbesserung der Ernahrungslage die Krankheit selbst in denjenigen Gebieten Japans, in denen die Cadmiumexposition der Bevolkerung auch spater noch hoch war. Noch 1977 wurde uber eine wochentliche Cadmiumzufuhr von bis zu 2,2 mg in einigen Gegenden berichtet [325], etwa das 5-fache des von JECFAfestgesetzten PTWI von 0,42 mg bei 60 kg Korpergewicht [326]. Die Cadmiumgehalte der Boden und daher auch die der dort angebauten Pflanzen sind in Japan aufgrund naturlicher geologischer Gegebenheiten relativ hoch. Als Mittelwert der wochentlichen Cd-Zufuhr wurden 1995 in Japan 0,24 mg nach der Warenkorbmethode und 0,19 mg nach der Duplikatmethode angegeben [327] - fast das Dreifache der in neuerer Zeit in Deutschland ermittelten Werte (Tabelle 4.3). *)
Auch Verzicht auf Fischverzehr bei Schwangerschaft ist nach HALBACH und RAMBECK unbegriindet [Ern. Umschau 47 (2000) 58-59]
Verunreinigungen
112
labelle 4.3: Cadmiumzufuhr durch Verzehr von Lebensrnitteln 3uldbar nach FAONHO 1972 [326] bei 60 kg K6rpergew.420, bei 70 kg 490 pg/Person.Woche
I
Methode
ug/Person.Woche
Ernahrungsbericht 1976 12541 1bis etwa 19741
Mittelwert aus Literaturdaten
476
BFE Karlsruhe 1983 [2551 11981)
Duplikat, 2 6 Frauen a 4 Tage
210
Warenkorb
240
Quelle, Berichtsjahr [Zitat] IZeitraum der Erhebung)
Ernahrungsbericht 1984 [1291 Ibis etwa 19821 ~~
I
192
Erntihrungsbericht 1988 [2061 Ibis etwa 1986) Kibler 1989 [ I 111 (1987) Stelz et al. 1990 [2561 I19887)
I Duplikat. 20 Personen 8 4 Tage
I
89
lagesrationen aus Krankenhauskuchen
100
Duplikat. 1988: 56 Erwachsene B 7 Tage 1991: 84 Erwachsene a 7 TaQe
1988 Manner: 72 1988 Frauen: 6 0 1991 Manner: 80 1991 Frauen: 68
Warenkorb
1988 Manner: 99 1988 Frauen: 71 1991 Manner: 98 1991 Frauen: 68
Arnold et al. 1998 [1121 I1989-91 )
478 Tagesrationen aus Heimkuchen
85
Umwelt-Survey 1996 I2651 (1990-91)
Duplikat. 318 Personen a 1 Tag
49 (geom.Mittelw.)
Ellen 1977 [2581 11974-76)
Warenkorb
221
Ellen et al. 1990 I3291 11984-85)
Duplikat. 110 Erwachsene 8 1 l a g
70
Brussaard et al. 1996 [2591 (1988-89)
Warenkorb. Manner, AlterSgr.22-50 J. Frauen, AlterSQf.22-50 J.
112 84
Ysart et al. 1999 P601 11976)
Warenkorb
140
Ysart et al. 1999 12601 (19941
Warenkorb
96
3.Schweiz.Ern.Ber. 1991 12431 11983)
Tagesration aus Rekrutenschule u.a.
84
Muller et al. 1993 13281 I1988/1991)
Elemente
Becker u. Kumpulainen 1991 [2631 (1987)
113
War enkorb
84
Warenkorb, Manner, Altersgr.16-19 J.
224
Gunderson 1995 11 171 (1986-9 1)
Warenkorb, Manner, Altersgr.25-30 J.
90
Tsuda et al. 1995 13271 (1 992)
Warenkorb Duplikat. 40 Frauen a 3 Tage
I
I USA Gertrell et 81.1985 E641
I1979)
245 189
In den 60er und 70er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland durchgefiihrte Analysen von Cadmium in Tagesrationen zeigten eine vollstandige Ausschopfung des PTWI. Da dies Durchschnittswerte waren und die individuelle Aufnahme von Verzehrsgewohnheiten abhangt, war damals anzunehmen, darj bei manchen Verbrauchern der PTWI stark uberschritten wurde. Die Situation erschien kritisch, und das Bundesgesundheitsamt warnte davor, besonders cadmiumhaltige Lebensmittel, wie Nieren und Wildpilze, haufig zu verzehren. Die alimentare Cadmiumzufuhr stammt etwa zu 50 YOaus Getreideprodukten und zu 25 % aus Wurzel- und Knollengemuse (einschlieRlich Kartoffeln) [330,331]. Uberdurchschnittliche CdGehalte werden in bestimmten Arten von Wildpilzen [323, 3321 und in Nieren alterer Schlachttiere [333] gefunden. In Schweden [334] und in Deutschland [335] haben Analysen menschlicher Autopsieproben aus vorindustrieller Zeit deutlich geringere Cadmiumgehalte im Vergleich mit Proben aus neuerer Zeit ergeben. Cadmiurnemissionen erfolgen bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und in der zinkverhuttenden und zink- und cadmiumverarbeitenden Industrie. Friiher spielten cadmiumhaltige Pigmentfarben eine grorje Rolle, wahrend heute grol3e Cadmiummengen bei der Herstellung von Nickel-Cadmium-Batterien verwendet werden. Cadmiumtellurid-Solarzellenerreichen hohere Wirkungsgrade und sind einfacher herzustellen als amorphe Silizium-Solarzellen. Die Weiterentwicklung der Solartechnik wird moglicherweise zu einer steigenden Cadmiumproduktion fuhren. Untersuchungen an Sedimenten von Binnengewassern haben ein Maximum der Schwermetallkontamination, auch durch Cadmium, zwischen 1960 und 1970 gezeigt [336]. Wie stark die seither getroffenen MaRnahmen zu einer Verbesserung der Situation gefiihrt haben, ist Abbildung 4.2b fur das Beispiel Rhein zu entnehmen. Die atmospharische Cadmiumemission betrug 1985 in der Bundesrepublik 20, in der DDR 22 t. Bis 1995 ist sie im vereinigten Deutschland auf 11 t gesunken [247]. Fur die wochentliche Cadmiumzufuhr hatte der Ernahrungsbericht I976 noch 476 pg pro Person genannt. Diese Angabe wurde in den folgenden Jahren nach unten korrigiert [330]; die nahrungsbedingte Zufuhr liegt heute (aul3er in Japan) bei 10-20% des PTWI (Tab. 4.3). Wie bei Blei ist dieser Riickgang zu einem
114
Verunreinigungen
erheblichen Teil auf Verbesserung der Spurenanalytik zuruckzufuhren. Es gibt aber auch Anzeichen einer echten Abnahme, insbesondere bei Lebensmitteln tierischer Herkunft. Durch das ehemalige Bundesgesundheitsamt eingefuhrte Richtwerte fur Schwermetallgehalte in Lebensmitteln, die Festsetzung von Hochstmengen fur Schwermetallgehalte in Futtermitteln durch die Futtermittef-Verordnung, verscharfte Vorschriften fur das Aufbringen der friiher oft stark Cd-haltigen Klarschlamme auf die Felder und ahnliche Mafinahmen sind dafur verantwortlich. In den Niederlanden, wo seit langer Zeit ein systematisches Lebensmittel-Monitoring stattfindet, hat man eine starke Abnahme der Cd-Gehalte in Innereien festgestellt; eine ebenfalls abnehmende Tendenz, wenn auch weniger stark ausgepragt, zeigte ein Monitoring in Niedersachsen (Zitate bei [330]). Hinsichtlich des Cadmiumgehaltes der Pflanzen gibt es bisher keine Anzeichen fur eine Abnahme. Cadmium wird uber die Wurzel aufgenommen und eine einma1 im Boden vorhandene Cadmiumlast gibt selbst bei volliger Unterbindung neuer Emissionen noch lange Zeit Cadmium in die Pflanzen ab. Seit 1975 im Rahmen des Programms Besondere Ernteermittfung jahrlich durchgefuhrte Untersuchungen an Getreideproben aus der ganzen Bundesrepublik haben in diesem Zeitraum keinen anhaltenden zu- oder abnehmenden Trend der Cadmiumkonzentration erkennen lassen [337]. Bei Weizen schwankte der Mittelwert zwischen 0,05 und 0,06, bei Roggen zwischen 0,Ol und 0,02 mg/kg. Das Rauchen ist bei vielen Menschen ein noch bedeutenderer Einfluflfaktor der Cadmiumexposition als die Ernahrung. Der Tabak enthalt relativ vie1 Cadmium (1-2 pg/Zigarette). Dieses verdampft bei der Temperatur der Zigarettenglut. Im Rauch enthaltenes Cadmium wird uber die Lunge starker resorbiert (zu 25-50 %) als peroral zugefuhrtes Cadmium uber den Magen-Darm-Trakt (zu 5 "/o). Wie die VERA-Studie [271] und mehrere andere Untersuchungen gezeigt haben, korreliert der Blutcadmiumgehalt mit der Zahl der pro Tag gerauchten Zigaretten und liegt bei Rauchern 2-4 ma1 so hoch wie bei Nichtrauchern (Abbildung 4.4). Cadmium wird in der Niere, vor allem in der Nierenrinde gespeichert. Daher verwendet man fur Analysen meist dieses Organ. Eine kanadische Untersuchung ergab bei mannlichen Rauchern 5mal so hohe und bei weiblichen 4mal so hohe Cadmiumgehalte der Nieren im Vergleich zu Nichtrauchern [338]. Das Umweltbundesamt hat 1981 die Vermutung geauflert, es gebe in der Bundesrepublik 10000 bis 100000 Menschen, die an cadmiumbedingten Nierenfunktionsschiidigungen litten [339]. Wie kam das Amt zu diesen Zahlen? In seiner Doktorarbeit hatte der Schwede KJELLSTROM ein Modell zur Berechnung der Zusammenhange zwischen Cadmiumzufuhr und Haufigkeit der Uberschreitung der kritischen Konzentration von Cadmium in der Nierenrinde entwickelt. Nach in Japan bei hoher Cadmiumexposition gemachten Erfahrungen gilt der Wert von 200 vg Cd/g Nierenrinde als kritische Konzentration, bei der erste Anzeichen einer Cadmiumwirkung auf die Nieren feststellbar sind: verstarkte Ausscheidung niedermolekularer Proteine, wie p2-Mikroglobulin, und von Cadmium im Harn bei Personen im Alter von etwa 45 Jahren und dariiber [340]. Im Korper von Neugeborenen ist die Cadmiumkonzentration aul3erst gering, sie nimmt dann allmahlich zu, weil dem Korper mehr Cadmium zugefuhrt wird, als er im Harn ausscheidet, bis etwa im Alter von 50 Jahren ein Maximum erreicht wird. Wieviel Cadmium im Lauf von 50 Jahren akkumuliert wird, hangt bei Nichtrauchern von der alimenta-
115
Elemente
IuorLl
2,6/07,6-Permntile
.................
0
1-10
11-20
21-30
XH
Zh/d
Abbildung 4.4: Einflua des Zigarettenkonsums auf Cadmiumgehalte im Blut von Frauen und Mannern in Deutschland. Quelle [271].
ren Cadmiumzufuhr, das heifit, von den Verzehrsgewohnheiten des Einzelnen ab (und von individuellen Resorptions- und Ausscheidungsraten fur Cadmium). KJELWTROMS Rechenmodell geht von einer logarithmisch-normalen Haufigkeitsverteilung der Nieren-Cd-Gehalte aus, wie in Abbildung 4.5 dargestellt. Die linke Glockenkurve gilt fur eine Population mit einer mittleren Cd-Konzentration von 20 pg/g in der Nierenrinde, die rechte fur eine mit 50 pg/g. Im ersteren Fall gibt es keine Individuen, die die kritische Konzentration von 200 pg/g erreichen, im letzteren gibt es einige (schraffierte Flache) - immer vorausgesetzt, daB die Annah-
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Cadmium in Nierenrinde Cpglgl
Abbildung 4.5: Haufigkeitsverteilung des Cadmiumgehaltes in der Nierenrinde von Personen im Alter von uber 45 Jahren, nach KJELLSTROM[341]. Die ausgezogene Kurve gilt fur eine mittlere Cd-Konzentration von 20, die gestrichelte fur eine von 50 pg/g.
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men, auf denen das Rechenmodell beruht, zutreffen. Wie an anderer Stelle ausfiihrlicher erlautert [342], wird nach KJELLSTROM bei einer mittleren taglichen Zufuhr von 32 pg Cd die kritische Konzentration von 200 pg/g bei 0,l Yo einer uber 45 Jahre alten Population erreicht. Eine tagliche Zufuhr von 60 pg wirkt sich entsprechend bei 1 YO,80 pg bei 2,5 %, 100 pg bei 5 % der Population aus usw. Das Umweltbundesamt iibertrug die fur die schwedische Bevolkerung gemachten Annahmen auf die Situation in der Bundesrepublik und ging dabei, nach den damals verfugbaren Angaben uber den Cadmiumgehalt der Nahrung, von einer taglichen Cd-Zufuhr von 30-60 pg aus. Nach dem oben gesagten bewirkt der untere Wert (30 pg) bei 0,1%, der obere (60 pg) bei 1 % der Population ein Erreichen der kritischen Cadmiumkonzentration in der Nierenrinde. Bezogen auf die 10 Millionen uber 45 Jahre alte Menschen, die es damals in der Bundesrepublik gab, bedeutete dies eine berechnete Uberschreitung der kritischen Konzentration bei 10000 (0,l O h ) bzw. 100000 (1 Yo)Personen. Als der damalige Bundesinnenminister BAUMdiese Zahlen im Januar 1981 bei einer Pressekonferenz bekanntgab, verstanden wohl die wenigsten Journalisten, daf3 kein einziger cadmiumgeschadigter Verbraucher in der Bundesrepublik tatsachlich entdeckt worden war, sondern daf3 es sich um Schlul3folgerungen aus einem Rechenmodell handelte, das auf einer Reihe unbewiesener Annahmen beruhte. Der SPIEGEL zum Beispiel berichtete (Heft 48/1981, S. 200): ,,Schon jetzt leiden nach Angaben des Umweltbundesamtes in der Gruppe der uber 50jahrigen Westdeutschen 10000 bis 100 000 Personen an eindeutig cadmiumbedingten Nierenfunktionsstorungen". Die trockenen Ausfuhrungen des UBABerichts wurden von der Presse in zundende Schlagzeilen verwandelt (Abbildung 4.6). Zum Teil wurden die Artikel mit dem Bild einer durch Itai-Itai verkruppelten Japanerin illustriert. Cadmium wurde als vermutlich krebserregend und fur das weitverbreitete Vorkommen von Bluthochdruck verantwortlich bezeichnet. Redaktionen, die auf moglichst kurze Darstellung Wert legen, verzichteten auf das Wort vermutlich. Fernsehen und Illustrierte uberboten sich gegenseitig mit Schreckensbildern einer cadmiumverseuchten Welt. Mutter wurden davor gewarnt, ihre Kinder mit bunten Plastiksachen spielen zu lassen, denn die konnten Cadmiumpigmente enthalten. Die Verbraucherzentralen richteten Telefondienste ,,Wie schiitze ich mich vor Cadmium?" ein, Burgerinitiativen gegen Cadmium wurden gegrundet, auf Autos sah man den Aufkleber Cadmium - Nein danke! Selbst in wissenschaftlichen Texten wurde Cadmium als ,,das heimtiickische Element" bezeichnet. Einer kritischen Uberprufung hat die Hochrechnung des Umweltbundesamtes schon damals nicht standgehalten [342-3441. Bei inzwischen durchgefuhrten epidemiologischen Untersuchungen liel3en sich keine Belege fur die Hochrechnung des Umweltbundesamtes finden. Das mag daran liegen, daf3 die Annahmen, die KJELLSTROM seinem Rechenmodell zugrunde legte, nicht zutreffen, noch starker aber daran, daf3 in Deutschland die tatsachliche tagliche Cadmiumzufuhr nicht, wie damals angenommen bei 30-60 pg, sondern eher bei 10-15 pg liegt - und auch damals unter 30 pg lag. Abgesehen von beruflich exponierten Personen sind die fur Cadmium typischen Nierenschadigungen (vermehrte Ausscheidung niedermolekularer Proteine und von Cadmium im Urin) in Deutschland nirgends gefunden wurden - nicht einmal in Gebieten starker industrieller Kontamination oder bei
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Oer Stoff geht uns an_-die Nieren Von mwrm Mitirh-*'
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Abbildung 4.6: Zeitungsausschnitte zum Thema Cadmium vom Januar 1981.
starken Rauchern [345]. An Autopsieproben durchgefiihrte Analysen der Nierenrinde lieferten (mit Ausnahme von 2 Zigarettenrauchern bei [346]) nirgends Werte, die an die kritische Konzentration von 200 pg/g herankamen. In neuerer Zeit durchgefiihrte Untersuchungen zeigen eine abnehmende Tendenz der Cadmiumgehalte. Ein 1997 erschienener Bericht gibt als Hochstwert bei Frauen 62, bei Mannern 78 pg/g an; die Mittelwerte bei 4MOjahrigen betrugen bei Frauen 23, bei Mannern 31 pg/g [347]. Da bei dieser Studie Raucher nicht ausgeschlossen
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wurden (nicht ausgeschlossen werden konnten, da Datenschutzvorschriften ein Zuruckverfolgen von den Autopsieproben zu den verstorbenen Personen nicht gestatteten!), gelten fur Nichtraucher noch deutlich niedrigere Werte. In den durch Schwermetalle kontaminierten Gebieten in der Umgebung von Huttenoder Bergwerken hat die Cadmiumexposition der Bevolkerung in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen [267]. In Schweden wurde bei Analysen der Nierenrinde von etwa 50jahrigen Personen eine Abnahme der Cd-Gehalte von 20 pg/ g in den 70er Jahren auf 14 pg/g (geometrischer Mittelwert) in den Jahren 1995/96 gefunden [348]. Um die Zeit als in der Bundesrepublik Deutschland die kommende Itai-ItaiKatastrophe beschworen wurde, berief die britische Regierung einen Expertenausschufi, der das Risiko der Cadmiumexposition prufen sollte. Es gibt im Vereinigten Konigreich Gegenden mit starker Cadmiumkontamination aus historischen Zeiten des Bergbaus und der Huttenindustrie. Am bekanntesten wurde die Ortschaft Shipham in Somerset, die auf den eingeebneten Schutthalden eines jahrhundertelang betriebenen und dann stillgelegten Zinkbergwerks steht. Der Boden enthalt dort uber 100 mg Cd/kg, 100-200fach mehr als unkontaminierte Boden. Nach ausfuhrlichen Untersuchungen an den dortigen Bewohnern, die keine cadmiumtypischen Gesundheitsschaden zeigten, legte der RegierungsausschuB 1983 seinen Bericht vor, in dem es hie& ,,Aufgrund theoretischer Erorterungen und vorliegender Daten sieht der AusschuB keine Hinweise auf eine signifikante Gesundheitsgefahrdung durch die Cadmiumzufuhr uber Lebensmittel, Trinkwasser und Atemluft im Vereinigten Konigreich" (Zitate bei [330]). Als nicht untypisch fur die britische Reaktion auf das Cadmiumproblem mag die aus jener Zeit stammende Zeichnung aus einer Londoner Tageszeitung gelten (Abbildung 4.7). In Belgien gibt es Gebiete mit hoher industriebedingter Cadmiumkontamination. Eine epidemiologische Untersuchung an 1700 Personen im Alter von 20-80 Jahren ergab dort bei 10 YO der Nichtraucher eine Uberschreitung der taglichen
..The c a d m i u m finally got him
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Abbildung 4.7: Folgen der Cadmiumkontamination in dem ehemaligen Bergwerksort Shipham, aus der Sicht des britischen Karikaturisten Ewaldt. (Mit freundlicher Genehmigung des Copyright-Eigners).
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Cadmiumausscheidung im Urin von 2 pg, die einer Nierenrindenkonzentration von 50 pg/g entspricht [349]. (Bei 200 pg/g in der Nierenrinde rechnet man mit einer taglichen Cd-Ausscheidung von 10 pg). Die von einigen Autoren vermutete blutdrucksteigernde Wirkung von Cadmium wurde weder in Tierversuchen noch am Menschen bestatigt und kann wohl als widerlegt gelten [350].Eine kanzerogene Wirkung wurde bei langfristigen Inhalationsversuchen mit Ratten festgestellt. Ob beim Menschen chronische berufsbedingte Einwirkung von Cadmiumdampfen das Lungenkrebsrisiko erhoht, ist nicht gesichert. In der alteren Literatur zu findende Angaben uber einen Zusammenhang zwischen berufsbedingter Cadmiurnexposition und Haufigkeit von Prostatakrebs wurden durch neuere Studien nicht bestatigt. Es gibt keine Hinweise auf Kanzerogenitat bei peroraler Verabreichung [340]. Die bereits von der Itai-Itai-Krankheit her bekannte Osteoporose haben STAESSEN et al. in schwacherer Auspragung in Belgien bei in der Nahe von Zinkhutten wohnenden Personengruppen beobachtet [351]. Neben erhohter Cadmiumausscheidung im Urin wurde eine etwas geringere Knochendichte und eine etwas erhohte Neigung zu Knochenbruchen bei diesen Personen festgestellt. Da in der Bundesrepublik selbst bei Rauchern und bei Bewohnern von Gebieten der Huttenindustrie keine Hinweise auf cadmiumbedingte Gesundheitsschaden gefunden wurden, bedeutet das in Lebensmitteln vorhandene Cadmium fur die Allgemeinbevolkerung hier kein nennenswerte Gefahrdung. Die 1980 ausgesprochene Warnung vor zu haufigem Verzehr von Nieren ist uberflussig geworden, seit Cd-Richtwerte von 0,5 mg/kg fur Rinder-, Schweine- und Kalbsnieren (und 0,l mg/kg fur Fleisch, Fleischerzeugnisse und Wurstwaren) festgesetzt wurden. Nach der Ffeischhygiene-Verordnung sind diese Produkte beim Uberschreiten des Doppelten des Richtwertes nicht mehr handelsfahig. Nieren alterer Tiere, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Richtwertuberschreitung gegeben ist, gelangen daher nicht zum Verkauf oder zur Verarbeitung. Die uberholte Warnung des Bundesgesundheitsamtes steht trotzdem noch in den Buchern und wird gern von denjenigen zitiert, die beweisen wollen, dal3 die Schwermetallsituation kritisch sei.
Sonstige Spurenelemente Das Leichtmetall Aluminium (Al) ist nach Sauerstoff und Silizium das dritthaufigste Element in der Erdkruste. Es kommt in allen Lebensmitteln vor, in Konzentrationen von etwa 0,l-10 mg/kg. Das Interesse an diesem Element stieg sprunghaft an, nachdem eine Aluminiumanreicherung in bestimmten Bezirken des Gehirns als Ursache fur die Alzheimersche Krankheit, eine Form des senilen oder prasenilen Schwachsinns, vermutet oder behauptet wurde. Eine erhohte Wurzelverfugbarkeit des Aluminiums im Boden als Folge des sauren Regens diente Katastrophenaposteln zur Vorhersage einer ,,zunehmenden Senilisierung der Menschheit durch Umwelt-Aluminium". Zweifel an einem Zusammenhang zwischen Aluminiumzufuhr und der Atiologie der Alzheimerschen Krankheit haben sich jedoch immer mehr verstarkt. Die Forschung hat sich inzwischen anderen Hypothesen der Entstehung dieser Krankheit zugewandt. Ein 1997 veroffentlichter Bericht der WHO stellt fest: ,,Es gibt keine Belege fur eine primare, ursachliche Rolle von
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Aluminium bei der Alzheimerschen Krankheit; in vivo verursacht Aluminium in keiner Spezies, auch nicht im Menschen, die pathologischen Erscheinungen der Alzheimerschen Krankheit" [352]. Die tagliche Al-Zufuhr durch Speisen und Getranke betragt bei Erwachsenen etwa 3 mg [353]. Der Ubergang von A1 aus Kochgeschirr, Dosen, Folien etc. in Speisen und Getranke ist eingehend untersucht worden. AuBer bei extrem sauren Lebensmitteln, wie Rhabarberkompott und Schwarzem Johannisbeersaft, ist die Migration von A1 in die Lebensmittel sehr gering. Die duldbare wochentliche Aufnahme (PTWI nach FAO/WHO) betragt 7 mg/kg KG, oder 490 mg bei 70 kg KG [354] - ein Wert der zu weniger als 10 YOausgeschopft wird. Wer gegen Ubersauerung des Magens Al-haltige Antacids entsprechend den Herstellerempfehlungen zu sich nimmt, erhoht die AlZufuhr auf mehrere 100 mg pro Tag. Es gibt keine Hinweise auf schadliche Wirkungen, selbst bei dieser hohen Zufuhr. Eine Ausnahme sind Nierenkranke, die Aluminium nur unvollstandig im Urin ausscheiden und das Element daher bis zu toxischen Konzentrationen im Korper akkumulieren konnen. Amen (As) gilt seit Jahrhunderten als Inbegriff von Gift. Gleichwohl nimmt jeder Erwachsene etwa 40 pg As pro Tag mit der Nahrung zu sich [353], in der Schweiz 30 pg [355]. Meerestiere enthalten mehr As (bis etwa 4mg/kg in Fischen, erheblich mehr in Schalen- und Muscheltieren) als die meisten anderen Lebensmittel (um 10 pg/kg in Getreide und Gemuse) [356]. Bei starkem Verzehr von Meeresprodukten kann die Tageszufuhr - ohne schadliche Wirkungen - auf mehrere mg As ansteigen [354]. Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen den wenig toxischen organischen Bindungsformen des Arsens, wie sie vor allem in Meeresprodukten und SuBwasserfischenvorkommen, und den weitaus toxischeren anorganischen Arseniten und Arsenaten. (Gegensatz zu Quecksilber, wo die anorganische Form die weniger giftige ist). Solange ein gewisser Schwellenwert nicht uberschritten wird, kann der Saugetierorganismus anorganisches Arsen durch enzymatische Methylierung entgiften, ein Prozelj der die Ausscheidung methylierter Arsenverbindungen im Urin ermoglicht [357]. Fur anorganisches Arsen wurde ein PTWI von 0,015 mg/kg KG festgesetzt, also bei 70 kg etwa 1 mg/Woche, ein Wert der zu weniger als 10 YOausgeschopft wird. Vor Jahrzehnten, als Arsenate noch als Pflanzenschutzmittel verwendet werden durften, war die Zufuhr erheblich hoher, zum Teil so hoch, darj sie krebserregend wirkte (Winzerkrebs, Kap. 3; siehe auch [358]). Fur organisch gebundenes Arsen gibt es keinen Grenzwert. Bei weiteren Diskussionen um die Risikobewertung von anorganischem Arsen geht es nicht urn Arsen in Lebensmitteln, sondern um das durch naturliche geologische Gegebenheiten mogliche Vorkommen hoher Arsenkonzentrationen in Trinkwasser, das in einigen Regionen Indiens und Taiwans zu Massenvergiftungen gefuhrt hat. UTHUS[359] hat die experimentellen Befunde zusammengestellt, die dafur sprechen, dal3 As fur Ratten, Hamster, Ziegen, Huhner und moglicherweise auch fur den Menschen essentiell ist. C h u m (Cr) ist toxikologisch von besonderem Interesse, weil es in seiner dreiwertigen Form als fur den Menschen essentiell gilt, in seiner sechswertigen Form dagegen hochtoxisch und kanzerogen wirkt. Cr(II1) ubt eine Funktion im Kohlenhydratstoffwechsel aus und bei gestorter Glucosetoleranz kann haufig cine Verbesserung durch Chromzulagen erreicht werden. Die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung empfiehlt fur Erwachsene eine Tageszufuhr von 50-200 pg [%I, wobei
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die tatsachliche Zufuhr eher bei 25 pg liegt [311]. Nachdem neuere Untersuchungen eine schon fruher vermutete Abnahme der Chromreserven des menschlichen Korpers mit zunehmendem Alter bestatigt haben [360], ist die Diskussion uber die fur verschiedene Altersgruppen empfehlenswerte Chromzufuhr erneut in Gang gekommen. Es gibt hier noch viele offene Fragen, die zum Teil rnit der Unzuverlassigkeit von alteren Analysenergebnissen in diesem Spurenbereich zusammenhangen. Nennenswerte Mengen Chrom sind in Fleischerzeugnissen, Bierhefe, Kase und Vollkornprodukten enthalten. Werden Pflanzen Cr(V1)-Salze in Nahrlosungen angeboten, so findet in den Wurzeln aller untersuchten Arten eine Reduktion zu Cr(II1) statt [361]. Die kanzerogene Wirkung von Cr(V1) findet weiterhin das Interesse der Forschung; dies betrifft jedoch nicht den Lebensmittelbereich, sondern die berufliche Exposition bei der industriellen Verwendung von Chrom oder Chromsalzen, wie bei der Herstellung von rostfreiem Stahl, von Chrompigmenten oder in der Ledergerberei. Kobalt (Co) ist als Bestandteil des Vitamins BI2fur den Menschen essentiell. Der tagliche Kobaltbedarf wird auf 1-2 pg geschatzt, die tagliche Zufuhr auf 5-160 pg, wovon etwa 80% resorbiert werden. Zur Behandlung von Anamien (Blutarmut) hat man Patienten uber Wochen mit taglichen Dosen von bis zu 300 mg Co behandelt, ohne toxische Wirkungen festzustellen. Als potentiell giftiges Element geriet Kobalt 1965/66 in die Schlagzeilen. Zuerst in der kanadischen Provinz Quebec, dann auch in USA wurde uber eine zunachst ratselhafte Haufung von Herzinsuffizienz bei Biertrinkern berichtet, die in einem hohen Prozentsatz todlich verlief. Man gab ihr den Namen Quebecer Biertrinkermyokardose. Als Ursache wurde der Zusatz von Kobaltsulfat als Schaumstabilisator bei der Bierherstellung ausgemacht, obwohl die Kobaltkonzentration im Bier nur 0,7 mg/L betrug und somit selbst bei hochstmoglichem Bierkonsum nur ein Bruchteil derjenigen Kobaltdosis aufgenommen werden konnte, die in der Therapie verwendet wurde. Es konnte nicht geklart werden, ob eine synergistische Wirkung von Kobalt und Alkohol verantwortlich war oder ob der bei Alkoholikern haufige Thiaminmangel oder alkoholbedingte Leberschadigungen die ausschlaggebende Rolle spielten. Unverstandlich blieb auch, darj das Syndrom nur bei Flaschenbiertrinkern, nicht bei FaBbiertrinkern auftrat, obwohl beide Angebotsformen den Kobaltzusatz enthielten. Myokardose ist bei Alkoholikern nicht selten und im Ruckblick erscheint es fraglich, ob es die damals behauptete Haufung von Myokardosefallen uberhaupt gab. Uberzeugende epidemiologische Studien, die bei kanadischen Biertrinkern haufigere oder in ihrem Verlauf hartnackigere Falle von Myokardose belegt hatten, gab es nicht. Der Zusatz von Kobalt zu Bier wurde verboten, soweit er nicht, wie in der Bundesrepublik Deutschland, immer verboten war. Weitere Falle wurden danach nicht mehr beschrieben. Ob die Quebecer Episode ursachlich rnit dem Kobaltgehalt des Biers zusammenhing oder mehr rnit den damals besonders hochschlagenden Wellen der Abneigung gegen die Verwendung von Zusatzstoffen, bleibt offen. Kupfer (Cu) ist als fur den Menschen essentielles Element bekannt (Bestandteil zahlreicher Enzyme, wie der Cytochrom-Oxidase, der Tyrosinase); der tagliche Bedarf Erwachsener wird rnit 1,5-3,0 mg angegeben [58], die tagliche Zufuhr betragt jedoch nach neueren Angaben in Deutschland nur etwa 1 mg [353] oder 0,75 mg [311], ohne zu Kupfermangelsymptomen zu fiihren. Gute Kupferlieferan-
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ten in der Nahrung sind Vollkornprodukte, Leguminosen, Innereien, Sonnenblumenkerne und Austern. Kupfervergiftungen durch Aufbewahrung saurer Speisen oder Getranke in Kupfer- oder MessinggefaBen gab es in Zeiten, als dieses Metal1 in groBem Umfang fur die Herstellung von Eljgeschirr verwendet wurde. DaB die Gefahr von Kupfervergiftungen auch heute noch besteht, zeigen in den Jahren 1987 bis 1992 erschienene Berichte uber 24 Falle von fruhkindlicher Leberzirrhose (davon 14 mit todlichem Verlauf) in der Bundesrepuiblik Deutschland [362]. Als Ursache wurde in allen Fallen eine hohe orale Kupferzufuhr ausgemacht, verursacht durch Eigenwasserversorgung in landlicher Gegend, saures Brunnenwasser (pH-Wert unter 6,5), Installation von Kupferrohr fur die Wasserversorgung, Zubereitung von Sauglingsmilch unter Verwendung von Wasser aus diesen Kupferleitungen. Wegen seiner pilztotenden Wirkung ist Kupfersulfat seit 1883 in wachsendem Umfang im Weinbau verwendet worden (Bordeauxbruhe: Kupfersulfat rnit Kalk), spater auch zur Peronosporabekampfung am Hopfen und zur Bekampfung der Kraut- und Knollenfaule (Phytophtheru infestuns) bei Kartoffeln. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ging man mehr und mehr zu synthetischen Spritzmitteln uber - aber neuerdings gewinnt die Bordeauxbruhe als ,,naturliches" Pflanzenschutzmittel wieder an Bedeutung. Es erscheint daher angebracht, an die umfangreichen pflanzenphysiologischen, okologischen und toxikologischen Untersuchungen zu erinnern, die in der Vergangenheit vor allem im Zusammenhang mit Kupferspritzungen im Weinbau durchgefuhrt wurden (Literatur bei [363]). Uber bedenklich hohe Kupferkonzentrationen in Lebern von Mastkalbern (bis zu etwa 600 mg Cu/kg Frischsubstanz), vermutlich als Folge uberhohter Kupferzusatze zum Futter, ist in neuerer Zeit berichtet worden [364]. Nach der Ruckstunds-Hochstmengen-Verordnunggibt es zwar Kupferhochstmengen fur pflanzliche Lebensmittel (50 mg/kg fur Blattsellerie, 40 mg/kg fur Gewurze, Tee, Trauben, 20 mg/kg fur iibriges Gemuse und Obst) jedoch nicht fur Lebensmittel tierischer Herkunft. HADRICH[364] empfiehlt die Festsetzung einer Hochstmenge von 300 mg Kupfer/kg Leber-Frischsubstanz. Die Trinkwusserverordnung schreibt fur Kupfer einen Richtwert von 3 mg/L vor, gemessen nach 12stundiger Stagnation des Wassers. In Untersuchungen an mehreren Tierarten ist Nickel (Ni) als essentielles Element erkannt worden [365]. Uber den Tagesbedarf des Menschen IaiSt sich noch nichts aussagen. Wahrend uber die Atmung aufgenommenes Nickel beim Menschen Lungen- und Nasenkrebs verursachen kann, gilt peroral aufgenommenes Nickel als wenig toxisch. In der Arbeitsmedizin war schon lange bekannt, dalj intensiver Kontakt rnit Nickelsalzen zu Uberempfindlichkeitsreaktionen der Haut, speziell zu Ekzemen an den Handen fuhren kann. In neuerer Zeit wurden Nickelkontuktullergien auch nach anhaltendem Hautkontakt rnit Nickellegierungen enthaltendem Modeschmuck oder mit Nickelknopfen an Jeanshosen beobachtet. Die Frage, o b auch Nickel in der Nahrung Allergien auslosen oder Kontaktallergien verstarken kann hat das fruher geringe Interesse am Vorkommen von Nickel in Lebensmitteln stark stimuliert. Nachdem 1975 berichtet wurde, die orale Verabreichung von Nickelsalzen habe Handekzeme bei Patienten rnit einer Nickel-Kontaktallergie verschlimmert, wurde in mehreren klinischen Studien gepruft, ob eine nickelarme Diat sich gunstig auf Ni-Kontaktallergien auswirkt. Auch wenn die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht frei von Widerspruchen
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sind [366], hat diese Hypothese weitere Forschungsarbeiten uber Nickel in der Nahrung angeregt. Erzeugnisse tierischer Herkunft sind generell nickelarmer als solche pflanzlicher Herkunft [367]. Von der zugefuhrten Menge werden 1-10 % im Dunndarm resorbiert. Die durch Zubereitung in nickelhaltigen Edelstahlgefa6en mogliche Migration von Nickel in Speisen ist so gering, dal3 sie meist unter der Grenze der analytischen Nachweisbarkeit liegt. Aus elektrischen Wasserkochern mit offener Heizspirale konnen bis zu 55, bei der ersten Benutzung nach Entkalken bis zu 640 pg Ni/L in das aufgekochte Wasser ubergehen [368]. Die tagliche Nickelzufuhr betragt in USA 0,3 mg [369], in Deutschland 0,08 mg [311], nach anderen Angaben bei Mannern 0,18, bei Frauen 0,15 mg [353]. Wegen der weiten Verbreitung von Nickel in der Natur ist eine nickelfreie Ernahrung nicht moglich; sie ware in Hinblick auf die Zurechnung des Nickels zu den essentiellen Elementen auch nicht zu empfehlen. Die Einhaltung einer konsequent nickelarmen Diat ist mit grol3em Aufwand verbunden und nur bei sehr seltenen Fallen therapieresistenter Kontaktallergien erwagenswert ([131], S. 239). Selen wird zu den essentiellen Elementen gerechnet und ist in der Erdkruste weit - jedoch sehr ungleichmal3ig- verbreitet. Es gibt Gegenden mit sehr selenreichen Boden, wie Sud-Dakota, wo in den 30er Jahren akute und chronische Erkrankungen von Weidetieren als Folge einer zu hohen Selenzufuhr erkannt wurden, und andererseits Sefenmungefgebiete,wie Finnland, wo die Regierung Maanahmen ergriffen hat, um durch Import von selenreichem Weizen aus USA und durch Forderung der Verwendung von selenhaltigem Dunger eine Unterversorgung der Bevolkerung und der Haustiere mit Selen zu verhindern. Auch Deutschland wird zu den Selenmangellandern gezahlt [370]. Die tagliche Zufuhr betragt hier bei Frauen 30, bei Mannern 42 pg [371]. Im Vergleich zu USA (60-160 pg) und Japan (45-135 pg) sind dies niedrige Werte. Selenspiegel im Blutserum liegen in USA bei 100 (gebietsweise bis 200), in Deutschland bei 70, in besonders selenarmen Gebieten Chinas, wo die Keshan-Krunkheit haufig ist, bei unter 25 pg/L. Bei 4 0 pg/L tritt diese Krankheit immer, bei >40 pg/L nie auf. Sie bewirkt eine niedrige Glutathionperoxidase-Aktivitat in den roten Blutkorperchen, verstarkte Hamolyse und Methamoglobinbildung. Dies fuhrt zu mangelhafter Sauerstoffversorgung der Gewebe, insbesondere der Skelett- und Herzmuskulatur, die dadurch zunehmend geschadigt wird. Selenmangel gilt als Risikofaktor fur kardiovaskulare Erkrankungen und scheint das Risiko bestimmter Krebserkrankungen zu erhohen [372]. Immunfunktionen werden durch Se-mange1ungunstig, durch Se-Zulagen gunstig beeinfluljt [373]. Das sehr starke Interesse der Forschung an diesem Element hat seinen Niederschlag in zahlreichen Buchern und Ubersichtsartikeln gefunden, wie [374, 3751. Der Abstand zwischen minimal notwendiger und maximal duldbarer Zufuhr ist bei Selen relativ gering. Geht man von einem taglichen Selenbedarf von 1 pg/kg Korpergewicht und einer duldbaren Tagesdosis von 5 pg/kg aus, so ergibt sich ein Faktor 5 [376]. Die Probleme, die sich nicht nur bei Selen sondern auch bei einigen anderen essentiellen Elementen aus dem kleinen Abstand zwischen notwendiger und zu hoher Dosis ergeben, sind bei [377] ausfuhrlich diskutiert worden. In manchen Pilzarten kommen naturlicherweise (also nicht als Folge von Umweltverschmutzung) so hohe Selenkonzentrationen vor, daB man rnit einer einzigen Pilzmahlzeit die tolerierbare Tagesdosis um ein Mehrfaches uberschreiten kann [378].
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Thallium (Tl), fruher in Form von Thalliumsulfat als Rattengift verwendet, machte in der Bundesrepublik im Jahre 1979 Schlagzeilen, nachdem in der Umgebung der Zementwerke in Lengerich, Westfalen, Vegetationsschaden als Folge von Thalliumimmissionen24erkannt worden waren. Ursache war die Verwendung stark thalliumhaltigen Schwefelkiesabbrandes als Eisenoxidtrager bei der Herstellung von Eisenportlandzement. Wie sich herausstellte, wurde dieses Material auch von anderen Zementwerken verwendet, in deren Umgebung Boden und Bewuchs mehr oder weniger stark durch Thallium kontaminiert waren. Bis zu diesem Zeitpunkt war uber die Empfindlichkeit verschiedener Pflanzenspezies gegenuber Thallium, uber die Wurzelverfugbarkeit des Thalliums in verschiedenen Boden, uber die Tolerierbarkeit von Thalliumgehalten in Lebens- und Futtermitteln und andere okotoxikologische Eigenschaften dieses Elements noch sehr wenig bekannt. Die Kontaminationsfalle von 1979 haben eine Fulle von Untersuchungen auf diesem Gebiet ausgelost. Hinweise auf thalliumbedingte Gesundheitsschaden bei Anwohnern der Zementwerke gab es nicht. In der TA Luft ( Technische Anleitung zur Reinhaltung der Lufr) wurden strenge Grenzwerte fur Emissionen von Thallium festgelegt. Das damalige Bundesgesundheitsamt gab als Richtwert fur das Vorkommen von Thallium in Obst und Gemuse 0,l mg/kg Frischsubstanz bekannt. Neuerdings wurde - ohne uberzeugende Begrundung die Festlegung von Hochstmengen fur Thallium in Lebensmitteln empfohlen [379]. Die mittlere tagliche Zufuhr Erwachsener wird auf 5 pg geschatzt, wovon 3,8 pg von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft starnmen [380]. Zinn (Sn) wird fur die Herstellung von verzinntem Stahlblech (WeiBblech) fur die Konservenindustrie verwendet. Bei fehlender oder schadhafter Innenlackierung, bei saurem Doseninhalt und bei langerer Aufbewahrung nach dem Offnen der Dose kann eine erhebliche Migration von Zinn in den Doseninhalt erfolgen. Es kam fruher gelegentlich zu akuten Erkrankungen nach Verzehr zinnhaltiger Konserven. In neuerer Zeit sind derartige Falle aulSerst selten geworden. Verbesserte Innenlackierungen und eine zunehmende Verwendung anderer Materialien (Glas, Aluminium, Kunststoffe) durch die Konservenhersteller sind dafur verantwortlich. Die duldbare wochentliche Zufuhr (PTWI) fur anorganisches Zinn betragt 14 mg/kg Korpergewicht, rund 1 g fur Erwachsene [381]. Die tatsachliche wochentliche Zufuhr wurde in GroBbritannien [260] und in Frankreich [382] zu etwa 0,25 mg/kg ermittelt, schopft also den PTWI-Wert nur zu 2 % aus. Organozinnverbindungen, wie Mono-, Di- und Tributylzinn, werden als Hitze- und Lichtstabilisator fur Polyvinylchlorid und fur einige andere technische Zwecke verwendet. Auch als Molluskizide, Fungizide und Insektizide sind Organozinnverbindungen in die Umwelt gelangt. Spuren dieser Verbindungen konnen mit hoher Empfindlichkeit in biologischem Material nachgewiesen werden [383]. Die okotoxikologischen Aspekte des Vorkommens von Organozinnverbindungen in pflanzlichen und tierischen Geweben sind eingehend untersucht worden [384]. Zusammenfassend kann man zu erhohten Spurenelementgehalten in Lebensmitteln feststellen, daB sie weiterhin die Wachsamkeit der zustandigen Behorden 24
Emission: Von einer Anlage an die Umwelt abgegebene Verunreinigung der Luft, des Wassers etc. Immission: Einwirkung von Verunreinigungen der Luft etc. auf Menschen, Pflanzen, Tiere, Gebaude
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
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erfordern, daB es aber fur die ublichen Dramatisierungen keinen Grund gibt. Die Situation sieht heute vie1 giinstiger aus als zur Zeit der Veroffentlichung des Ernahrungsberichts 1976. Schwermetallkatastrophen, wie es sie in Japan gegeben hat, haben in Mitteleuropa auch in der Vergangenheit nicht gedroht. Subtilere gesundheitliche Schadigungen, wie sie durch Blei und Quecksilber bei Kindern ausgelost werden konnen, sind durch den Ruckgang der Exposition zunehmend unwahrscheinlich geworden.
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) Ein Markstein in der Geschichte der Krebsforschung ist der 1775 veroffentlichte P o n (1714-1788) uber das gehaufte VorBericht des englischen Arztes PERCIVAL kommen von Skrotumkrebs bei Londoner Schornsteinfegern. Der von POTTvermutete Zusammenhang zwischen Krebsentstehung und engem Kontakt mit RUB wurde 1916 durch die japanischen Forscher YAMAGIWA und ICHIKAWA experimentell bestatigt, die Kaninchenohren mit Kohleteer bestrichen und an der Applikationsstelle Hautkrebs (Sarkome) feststellten. Wenige Jahre danach gelang es KENNAWAY und Mitarbeitern in England, Kohleteer zu fraktionieren und polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe als kanzerogene Teerbestandteile zu identifizieren. Was zunachst nur ein Problem der Arbeitsmedizin zu sein schien gewann allgemeinere Bedeutung, als die Verbesserung der Analytik in den 60er Jahren die weite Verbreitung von PAK in der Umwelt erkennen liefi. Jahrzehntelang spielten die PAK eine groBe Rolle in der experimentellen Krebsforschung. Kaum eine andere Stoffgruppe ist so griindlich an verschiedenen Tierarten auf kanzerogene Wirkungen untersucht worden. Die hochste kanzerogene Potenz in dieser Gruppe wird dem Benz(a)pyren zugeschrieben. Bei den PAK handelt es sich urn mehrere hundert Verbindungen, von denen einige typische Strukturen in Formelbild 4.1 gezeigt werden. Sie entstehen bei der
An thracen
Benz(a)pyren
Pyren
Chrysen
1,2,5,6-Dibenzanthracen
Formelbild 4.1: Einige polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe.
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Verunreinigungen
unvollstandigen Verbrennung und Pyrolyse (Hitzezersetzung) von organischem Material, wie Kohle, Holz, Heizol, Motorkraftstoffe, Rauchtabak. Da PAK nicht nur durch menschliche Aktivitaten gebildet werden, sondern auch als Folge von Wald- und Steppenbranden und Vulkanausbruchen, hat es eine PAK-freie Umwelt nie gegeben. Hohere PAK-Konzentrationen in der Luft uber stadtischen Wohn- und Industriegebieten im Vergleich zu landlichen Gebieten zeigen jedoch den hohen Beitrag anthropogen erzeugter PAK. Aus der Atmosphare gelangen PAK in Boden, Gewasser und Pflanzen; die PAK-Aufnahme der Pflanzen erfolgt uberwiegend direkt aus der Luft und nur zu einem unbedeutenden Anteil aus dem Boden. Der Mensch nimmt PAK sowohl mit der Atemluft wie mit der Nahrung zu sich. Diese Erkenntnis wurde in den 70er Jahren zum AnlaB zahlreicher Vorschriften, die u.a. das Ziel hatten, die PAK-Emissionen zu beschranken (Wartung und Kontrolle von Heizungsanlagen in Wohnhausern, TA Luft fur Feuerungsanlagen in der Industrie, Katalysator fur Kraftfahrzeuge u. a.). Wie sehr sich diese MaBnahmen ausgewirkt haben, ist Abbildung 4.8 zu entnehmen; am Beispiel Dusseldorf und Duisburg wird gezeigt, wie die Benz(a)pyrenkonzentration der Luft sich Ende der 70er Jahre der im landlichen Raum gemessenen Konzentration angenahert hat. (Da es praktisch unmoglich ist, alle PAK zu bestimmen, beschrankt man sich haufig auf die Analyse des Benz(a)pyrens als Leitsubstanz. Dabei bedient man sich meist der Hochleistungs-Fliissigkeitschromatographie, HPLC, mit Fluoreszensdetektor). Der Ruckgang der PAK-Konzentration in der Atmosphare hat sich unmittelbar auf die PAK-Gehalte von Pflanzen ausgewirkt. So wurde in Grunkohl Mitte der 60er Jahre 12 bis 24 pg Benz(a)pyren/kg Frischsubstanz gemessen, Anfang der 90er Jahre 0,8 bis 1,4 pg/kg ([log], S. 145). Alle Prozesse der Be- und Verarbeitung, bei denen Lebensmittel stark erhitzt werden oder mit Verbrennungsgasen in Kontakt kommen, konnen den PAKGehalt der Lebensmittel ansteigen lassen: die Trocknung von Olsaaten oder ng/m’
9a
-
80 -
70
Meastationen: A Duisburg DGsseldorf 0 Krahm (Berg. Land)
-
m
60 -
BaP50:
40 -
30 -
20 10 -
a 1969 70
71
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3
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81
82 83 84 Kalenderjahr
Abbildung 4.8 Benz(a)pyrenkonzentration in der Atmosphare. Jahresmittelwerte an zwei stadtischen und einer landlichen MeBstation im Rhein-Ruhr-Gebiet, 1969-1984. Quelle: [385].
Poiycyclische aromatische Kohlen wasserstoffe (PAK)
127
Getreide mit offener Feuerung, das Backen von Brot, das Rosten von Kaffee, das Braten und insbesondere das Grillen von Fleisch iiber offenem Feuer. Eingehend wurde das Vorkommen von PAK in geraucherten Fleischwaren untersucht [386]. Lebensmittelrechtlich verursachte der Nachweis kanzerogener Stoffe in geraucherten Lebensmitteln ein Dilemma. Raucherrauch gilt nach deutschen Recht als Zusatzstoff. Nachweislich krebserregende Substanzen diirfen jedoch als Zusatz zu Lebensmitteln nicht zugelassen werden. Sollte man ein seit Jahrtausenden praktiziertes Verfahren der Haltbarmachung generell verbieten? Eine kaum begrundbare Maanahme, zumal Frischgemiise etwa die gleichen PAK-Mengen enthielt wie Raucherwaren. SchlieBlich wurde in der Fleisch-Verordnung vom 28. Marz 1973 eine Hochstmenge von 1 pg Benz(a)pyren/kg Produkt festgesetzt. Die Hersteller von Raucherwaren muRten mit groaem Aufwand ihre Raucherkammern und deren Steuer- und Kontrolleinrichtungen soweit verbessern, dalj dieser Grenzwert eingehalten werden konnte. Auch in anderen Bereichen der Lebensmittel-Verfahrenstechnik wurden Maanahmen ergriffen, um die PAK-Gehalte der Lebensmittel so weit wie moglich zu reduzieren. Eine 1983 veroffentlichte Studie aus GroRbritannien ergab eine mittlere tagliche Zufuhr von 0,25 pg Benz(a)pyren/Person und eine Gesamt-PAK-Zufuhr von 3,7 pg. Ahnliche Zahlen nannte eine schwedische Studie von 1986 (Zitate bei [387]). Eine der umfassendsten Untersuchungen von PAK in der taglichen Nahrung wurde 1984-86 in den Niederlanden durchgefiihrt [388]. Im Rahmen einer Warenkorbanalyse wurden 17 verschiedene PAK in einer Vielzahl von Lebensmitteln bestimmt. Die mittlere tagliche Zufuhr von Benz(a)pyren wurde mit 0,12 bis 0,29 pg, von Gesamt-PAK mit 5,22 bis 17,06 pg angegeben. Von den verschiedenen Lebensmittelgruppen lieferten Getreideprodukte den hochsten Anteil der Gesamtzufuhr; der von Fleisch und Fleischwaren stammende Anteil war weniger als halb so grolj. In Tierversuchen hat sich etwa die Halfte aller gepriiften PAK als kanzerogen erwiesen. Das eigentliche krebsauslosende Agens sind dabei nicht die PAK selbst, sondern die daraus im Stoffwechsel gebildeten Diolepoxide. In diesen Tierversuchen wurden die Testsubstanzen meist dermal (auf die Haut) appliziert oder subcutan gespritzt oder durch Inhalation aufgenommen. Bei peroraler Verabreichung liegt die Dosis von Benz(a)pyren, die in Tierversuchen Krebs verursacht, 10000 ma1 hoher als die tagliche Zufuhr beim Menschen [387]. Der Mainzer Ordinarius fur Physiologische Chemie und damalige Vorsitzende der Frerndstoffkornmission der Deutschen Forschungsgerneinscha, KONRAD LANG,schrieb 1970: ,,Bei Extrapolierung der Dosis aus den vorliegenden Tierversuchen, erscheint die Gesamtaufnahme an polycyclischen Kohlenwasserstoffen durch die Nahrung und das Trinkwasser zu gering, um [im Menschen] wirksam zu werden" [389]. In einer Zeit, die davon iiberzeugt war, dalj Krebs durch Verbannung kanzerogener Substanzen aus der Umwelt besiegt werden konnte und miiBte, paste diese Ansicht nicht ins Bild. Erst in neuerer Zeit nahert sich die toxikologische Bewertung der PAK in der Nahrung wieder dem von LANGvertretenen Standpunkt. Schweizer Autoren kamen zu dem Ergebnis, das durch PAK in Lebensmitteln gegebene Risiko sei deutlich geringer als das durch PAK in der Luft [390] (man kann hinzufugen: durch den starken Ruckgang der PAK-Konzentration in der Luft ist auch dieses Risiko, sieht man von Rauchern ab, gering geworden). Als Basis der Risi-
128
Verunreinigungen
kobewertung wird neuerdings die Bestimmung des Stoffwechselprodukts 1Hydroxypyren als Biomarker empfohlen [391]. Im Ernuhrungsbericht 1996 ([108], S. 146) wird die Wahrscheinlichkeit einer kanzerogenen Wirkung des mit der Nahrung aufgenommenen Benz(a)pyrens fur den Menschen als gering eingeschatzt. Wenn es uberhaupt je ein nennenswertes Gesundheitsrisiko durch das Vorkommen von PAK in Lebensmitteln gab, so kann man jedenfalls feststellen, darj es durch die Abnahme der PAK-Gehalte in Lebensmitteln noch deutlich geringer geworden ist.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) Bei gaschromatographischen Untersuchungen uber das Vorkommen von D D T in Meerestieren stiel3 der schwedische Analytiker S. JENSEN 1966 auf eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht in der Biosphare nachgewiesene Gruppe von Verbindungen, die polychlorierten Biphenyle. Es handelt sich dabei um Substanzgemische, die seit 1929 industriell produziert wurden und ab etwa 1950 in groBem Umfang unter Namen wie Clophen A 40 oder Aroclor 1260 als Transformatorenol, Hydraulikflussigkeit, Warmeiibertrager, Dielektrikum von Kondensatoren, als Weichmacher in Kunststoffen und Lacken, Zusatz von Druckfarben und Kopierpapier, Schneid- und Bohrol bei der Metallverarbeitung und fur vielerlei weitere Zwecke in den Handel kamen. Die PCB hatten viele Vorteile: sie waren hitzebestandig, nicht brennbar, stabil gegen Sauren, Basen und Oxidation, elektrisch gut isolierend, wenig fliichtig und akut wenig giftig. Ahnlich wie bei D D T erwies sich jedoch ihre hohe Persistenz in der Umwelt und ihre Fettloslichkeit, die zur Anreicherung (Kumulation) in Nahrungsketten fuhrte, als Problem. Bald nach JENSENS Entdeckung wuBte man, dal3 PCB von der Arktis bis zur Antarktis im Fettgewebe samtlicher Tiere vorkommen. Der Nachweis dieser Verbindungen in Frauenmilch in Konzentrationen von mehreren mg PCB/kg Fett machte die PCB zu einem der groljen Umweltprobleme der 70er Jahre. Aus toxikologischer Sicht besonders bedenklich war die Festellung, dalj bei Verbrennungsprozessen aus PCB die hochtoxischen polychlorierten Dibenzofurane (PCDF) und polychlorierten Dibenzodioxine (PCDD) entstehen konnen (daruber mehr im folgenden Unterkapitel). In der Bundesrepublik wurde die Verwendung von PCB ab 1978 nur noch in geschlossenen Systemen (zum Beispiel Transformatoren) gestattet und 1989 wurden Herstellung und Verwendung vollig untersagt. Die bis dahin weltweit produzierte PCB-Menge wird auf mehr als eine Million Tonnen geschatzt, wobei etwa die Halfte aus den USA kam, wo die Herstellung 1977 eingestellt wurde [392]. Theoretisch sind 209 Kongenere (Einzelverbindungen) der PCB moglich, mit unterschiedlicher Zahl von Chloratomen in unterschiedlicher Position am Biphenyl-Grundgerust. Einige Beispiele werden in Formelbild 4.2 wiedergegeben. Bei der grorjtechnischen Herstellung entstehen manche Kongenere in hoher, andere in geringer Ausbeute. Auch ihre Persistenz in der Umwelt ist verschieden, so dalj in neuerer Zeit analysierte Umweltproben sich von der vor Jahren gefundenen Zusammensetzung erheblich unterscheiden. Zu dieser zeitlichen Veranderung trugen auch geanderte industrielle Verwendungen bei: fruher mehr hochchlo-
129
Polychlorierte Biphenyle (PCB) CI
Biphenyl
CI CI 2,2',5,5'-Tetrachlorbiphenyl (Nr. 5 2 )
2,4,4'-Trichlorbiphenyl (Nr. 28)
CI c1 2,2',4,5,5'-Pentachlorbiphenyl (Nr. 101)
Formelbild 4.2: Biphenyl und einige in der Schadstoff-Hochstmengen-Verordnunggenannte und ZELL[392]. polychlorierte Biphenyle rnit der Numerierung nach BALLSCHMITER
rierte, zuletzt mehr niedrigchlorierte PCB [393]. Nach MCFARLAND und CLARKE ist 36 von den 209 Kongeneren eine Umweltrelevanz zuzusprechen [394]. In der Schadstoff-Huchstmengen-Verordnungvom 23. Marz 1988 wurden fur 6 Kongenere Hochstmengen angegeben, die von 0,008 mg/kg in Fleisch bis 0,4 mg/kg in Dorschleber reichen. Mit der von JENSEN verwendeten gaschromatographischen Methode war eine Auftrennung in einzelne Kongenere noch nicht moglich. Hierzu dient heute meist die Kapillargaschromatographie mit Elektroneneinfangdetektion und haufig mit Massenspektrometrie zur Identifizierung der Kongenere. Sehr verstarkt wurden die gesundheitlichen Bedenken gegen das Vorkommen von PCB in der Biosphare durch Berichte uber die Reisol-Krankheit (Yusho),die 1968 in Japan auftrat und von der mehrere tausend Menschen betroffen waren. Eine ahnliche Massenerkrankung (hier als Yu-Cheng bezeichnet) trat 1979 bei etwa 2000 Einwohnern von Taiwan auf. In beiden Fallen war Reisol durch undichte Apparaturen bei der Herstellung mit PCB kontaminiert worden. Die Symptome (Schwachegefuhl, Taubheit der Extremitaten, Sehschwache, Kopfschmerzen, langanhaltende, als Chlorukne bezeichnete Hautveranderungen) wurden zunachst den PCB zugeschrieben. Es stellte sich jedoch heraus, darj das technische PCB-Gemisch mit PCDF verunreinigt war; die beobachteten gesundheitsschadlichen Wirkungen werden heute primar auf den PCDF-Gehalt des Reisols zuruckgefiihrt. Untersuchungen an PCB-exponierten Arbeitern und an der Allgemeinbevolkerung ergeben nach RENATEKIMBROUGH keine klaren und iiberzeugenden Anzeichen fur einen ursachlichen Zusammenhang zwischen PCB-Exposition und irgendwelchen Gesundheitsschaden, einschlieBlich Krebs [395]. Bei der et al. Auswertung von 33 epidemiologischen Untersuchungen haben SWANSON keinen Zusammenhang zwischen PCB-Exposition und Gesundheitsschaden festgestellt [396]. PCB-Gehalte in Geweben von Brustkrebspatientinnen und gesunden Kontrollpersonen zeigten keine Korrelation von Krebsrisiko und PCB-Konzentration [168].
130
Verunreinigungen
In verschiedenen Testsystemen zeigten PCB keine mutagene Wirkung. In Langzeitversuchen an Ratten traten bei hoher Dosierung von stark chlorierten PCB (60 % Chlorierung, wie in Aroclor 1260 und Clophen A 60) vermehrt Lebertumore auf, die auf eine Promotorwirkung der PCB hinweisen. Schwacher chlorierte Praparate, wie das zu 54 % chlorierte Aroclor 1254 oder das zu 42 % chlorierte Clophen A 30 zeigten keine tumorpromovierende Wirkung. Auch hinsichtlich reproduktionstoxischer und immuntoxischer Wirkungen unterscheiden sich die einzelnen PCB-Kongenere erheblich. Altere Studien, in denen diese unterschiedlichen Eigenschaften der Kongenere nicht genugend berucksichtigt wurden, haben nach MARYSMITH[397] das Krebsrisiko um den Faktor 4 uberschatzt. In neueren Arbeiten wird zwischen dioxin-ahnlichen und dioxin-unahnlichen toxischen Wirkungen von PCB-Kongeneren unterschieden [398,399]; als dioxin-ahnlich gelten acht mono-ortho-substituierte und vier non-ortho-substituierte Kongenere2' [400]. Bei der gesundheitlichen Beurteilung des Vorkommens von PCB in Lebensmitteln geht man von einem ADI-Wert von 1 pg/kgKG aus [392]. Die bei Gesamtnahrungsuntersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland gemessene Tageszufuhr lag 1986/87 bei 0,06 pg/kg KG, mit abnehmender Tendenz [401]. Zufuhrberechnungen sollten, wie bei dieser Untersuchung geschehen, auf der Analyse von verzehrsfertiger Nahrung beruhen, da die PCB-Verluste, die durch Verarbeitung und Zubereitung entstehen, 20-100 % betragen konnen [402]. Hauptquelle der Zufuhr sind Lebensmittel tierischen Ursprungs. In Schweden wurde 1975 eine Tageszufuhr von 0,15 und 1990 eine von 0,lO pg/kgKG ermittelt [115]. Ein Beispiel fur die Abnahme der PCB-Gehalte in Lebensmitteln brachte Abb. 3.2: PCB in Rheinfischen 1976-81. Die Angaben uber Gesamt-PCB-Gehalte in Frauenmilch lassen ebenfalls einen Ruckgang erkennen (Abbildung 4.9, wenn auch iiber das genaue AusmaB der Abnahme eine gewisse Unsicherheit besteht, da die in den 70er Jahren verfugbare analytische Methodik nicht den in neuerer Zeit geforderten Anspruchen genugt. In den Jahren seit die analytische Bestimmung einzelner Kongenere moglich ist, wird von verschiedenen Autoren in Deutschland und in anderen Landern eine deutliche Abnahme der hauptsachlichen Kongenere und des Gesamt-PCB in Frauenmilch festgestellt. Auf der Basis von uber 3500 zwischen 1986 und 1997 an Proben aus Schleswig-Holstein durchgefiihrten Analysen eine 60 %ige Abnahme des Gesamt-PCB in konstatieren SCHADE und HEINZOW diesem 12-Jahreszeitraum [403]. Die Chemischen Landesuntersuchungsanstalten in Baden-Wurttemberg haben zwischen 1980 und 1996 uber 16 000 Muttermilchproben untersucht und in dieser Zeit einen Ruckgang der PCB-Gehalte von 3 auf 0,8 mg/kg Fett festgestellt [146]. In der Schweiz nahm der PCB-Spiegel in Humanmilch von 2 mg/kg Fett im Zeitraum 1977/78 auf 0,75 mg/kg in den Jahren 1993/95 ab [133]. In Schweden wurden Humanmilchproben aus den Jahren 1972-1992 tiefgekuhlt aufbewahrt und vor kurzem mit moderner analytischer Methodik untersucht; der Gesamt-PCB-Gehalt nahm in dieser Zeit um 65 % ab [404]. Da die PCB vor allem in der Industrie eingesetzt wurden, hatten Stadtbewohner meist hohere PCB-Gehalte im Korperfett als Landbewohner, und in westlichen Industrielandern wurden hohere Gehalte in Humanmilch und Blut gefunden als in
'' Die ortho-Positionen
der Biphenyle sind in Forrnelbild 4.2 mit 2. 6 und 2', 6' gekennzeichnet
131
4
~
0 I
1974 1979 1984 1989 1994 Abbildung 4.9: Polychlorierte Biphenyle in Humanmilch, Mittelwerte 1974-1994. Quellen: fiir 1974 und 1979 [129], fur 1984 [130], fur 1989 [131], fur 1994 [108].
Entwicklungslandern. Mit abnehmenden PCB-Gehalten verwischten sich jedoch diese Unterschiede. Bei der 1987/88 in der Bundesrepublik durchgefuhrten VERAStudie hatten Bewohner von GroBstadten etwa die gleichen PCB-Gehalte im Blut wie die von Kleingemeinden [271]. Eine besondere Situation besteht bei Bevolkerungsgruppen, die sich iiberwiegend von Meerestieren ernahren, wie Teile der Inuit in Kanada, deren PCB-Zufuhr um ein Mehrfaches uber derjenigen der kanadischen Allgemeinbevolkerung liegt [405]. Da die PCB-Altlasten in der Biosphare allmahlich abnehmen und die toxischen Eigenschaften der PCB heute weniger bedrohlich erscheinen als noch vor einiger Zeit, kommt dem Gesundheitsrisiko durch PCB in der Nahrung nicht mehr die Bedeutung zu wie vor einigen Jahren. Wie im Fall der persistenten Pflanzenschutzmittel ist jedoch darauf hinzuweisen, daB der Ruckgang der PCB-Exposition von einer Zunahme der Empfindlichkeit des analytischen Nachweises begleitet sein wird. Von PCB in der Umwelt wird daher noch lange die Rede sein.
Dioxine Polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) und Dibenzodioxine (PCDD) sind nie absichtlich produziert worden, sie entstehen vielmehr als unerwunschte Nebenprodukte bei chlorchemischen Prozessen, der Miillverbrennung oder der Metallverarbeitung. PCDD konnen bei Branden und Vulkanausbruchen auch natiirlicherweise entstehen und waren daher schon immer in der Umwelt des Menschen
132
Verunreinigungen
vorhanden [406, 4071. Man fand sie zum Beispiel in einer 1933 in eine Glasampulle eingeschmolzenen getrockneten Probe von Miillklarschlamm [408]. PCDF und PCDD zeichnen sich durch hohe Persistenz in der Umwelt aus. Zusammen mit ihrer Fettloslichkeit fiihrt dies, ahnlich wie bei den oben besprochenen PCB, zur Anreicherung in der Nahrungskette Pflanze-Tier-Mensch. Die Grundstrukturen und einige Beispiele von Kongeneren sind Formelbild 4.3 zu entnehmen. Theoretisch sind 135 PCDF und 75 PCDD moglich, von denen jedoch derzeit nur etwa 20 in der Biosphare tatsachlich nachgewiesen werden aber das ist eine Frage der Leistungsfahigkeit der Analytik, an die bei einem so komplexen Gemisch und so niedrigen Konzentrationen hochste Anforderungen gestellt werden. Ohne die grol3en methodischen Fortschritte, die auf dem Gebiet der Analytik erzielt worden sind (hochauflosende Gaschromatographie, Massenspektrometrie, HPLC und Kombinationen dieser Methoden) wuBte man bis heute nicht, darJ es so etwas wie polychlorierte Dibenzofurane und Dibenzodioxine in Lebensmitteln gibt. In ihren toxikologischen Eigenschaften sind sich die 210 Verbindungen qualitativ ahnlich. Daher bespricht man sie meist zusammengefalSt unter der Bezeichnung PCDD/PCDF oder PCDD/F oder noch einfacher Dioxine. Hinsichtlich ihrer Wirkungsintensitat, also quantitativ, unterscheiden sich diese Verbindungen erheblich. Urn trotzdem ein Gemisch von Kongeneren toxikologisch bewerten zu konnen, hat man den einzelnen Kongeneren Toxizitiits-AquivaZenzfaktoren (TEF, vom englischen toxicity equivalency factor) zugeordnet [409]. Sie charakterisieren die relative Wirkungsintensitat des einzelnen Kongeneren im Vergleich zu 2,3,7,8-TCDD, dem am starksten toxischen und toxikologisch am besten untersuchten Kongeneren, fur das TEF = 1,0 gilt. Das 1,2,2,7,8-PentaCDD hat 1/10, das 1,2,3,4,6,7&HexaCDD hat M O O der Toxizitat des 2,3,7,8-Dioxins; fur sie gilt also TEF = 0,l bzw. 0,Ol. Um ein Gemisch von PCDF- und PCDD-Kongeneren bewerten zu konnen, bestimmt man die Konzentration jeder Einzelverbindung im Gemisch, multipliziert mit dem jeweiligen TEF und erhalt fur jede Verbindung das 2,3,7,8-TCDD-Toxizitatsaquivalent (TE, manchmal auch TEQ abgekurzt) in pg/kg oder ng/kg. Durch Addition der TE-Werte ergibt sich der Summen-TE-Wert des Gemischs. Als pragmatisches Hilfsmittel haben sich TEFund TE-Werte als nutzlich erwiesen [410], man darf aber ihre Aussagekraft nicht uberbewerten. Wie vor allem der Berliner Toxikologe NEUBERT wiederholt betont
Dibenzodioxin (DD)
Dibenzofuran (DF) C1
Formelbild 4.3: Einige Dibenzodioxine und Dibenzofurane.
Dioxine
133
hat, fehlt diesem Hilfsmittel weitgehend die wissenschaftliche Basis [411]. Langzeit-Tierversuche sind bisher nur mit sehr wenigen Dioxinen durchgefuhrt worden. Bei allen anderen beruhen die Aquivalenzfaktoren auf akuten Toxizitatspriifungen oder sogar nur auf in vitro Versuchen. Die hohe akute Giftigkeit dieser Substanzgruppe ist seit den 50er Jahren aus der Arbeitsmedizin bekannt. Bei Betriebsunfallen kamen Chemiearbeiter mit Trichlorphenol in Kontakt. Manche litten dann unter einer langwierigen Hauterkrankung, Chlorakne, die - wie sich herausstellte - nicht durch das Trichlorphenol selbst, sondern durch das im Trichlorphenol vorhandene Nebenprodukt 2,3,7,8TCDD verursacht wurde. Andere Symptome der Erkrankung waren Reizungen der Augen und der Nase, Schwindel, Ubelkeit, Erbrechen, zum Teil auch Leberschaden. Etwa 20 Jahre nach hoher Exposition traten bei Chemiearbeitern auch vermehrt Krebserkrankungen auf [412]. Hohe Exposition bedeutet, da13 diese Arbeiter dem 100- bis 1OOOfachen der Dosis ausgesetzt waren, die durch Umweltkontamination auf die Allgemeinbevolkerung einwirkt [413]. Bei der Firma Icmesa in Seveso ereignete sich 1976 durch Uberhitzung und Explosion eines Trichlorphenol enthaltenden Druckkessels der in der ganzen Welt bekannt gewordene Unfall. Etwa 2,5 kg TCDD wurden freigesetzt; der Hauptanteil davon verteilte sich auf ein Gebiet von 2,8 km2 um Seveso. In den Wochen danach trat bei 193 dort wohnenden Personen Chlorakne auf. Die Bevolkerung von Seveso und Umgebung wurde in einem speziellen Krebsregister erfal3t. Nach einem 1993 veroffentlichten Bericht konnte bis zu diesem Zeitpunkt kein Zusammenhang zwischen Dioxinexposition und Krebshaufigkeit festgestellt werden [414]. Da Krebs unter Umstanden erst nach einer Latenzzeit von 20 bis 30 Jahren auftritt, ist es fur die SchluBfolgerung,der Sevesounfall habe die Krebsrate nicht erhoht, zu friih. In den Massenmedien kolportierte Berichte iiber eine erhohte Haufigkeit von Geburtsmiobildungen im Raum von Seveso nach 1976 sind durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht bestatigt worden [415]. Tierversuche haben eine sehr unterschiedliche akute Toxizitat bei verschiedenen Tierspezies erkennen lassen. Die LD50des 2,3,7,8-TCDD betragt bei Meerschweinchen 0,6-2,0, bei Rhesusaffen 70 und bei Hamstern 1157-5051 pg/kg Korpergewicht (KG). Menschen sind anscheinend eher am oberen als am unteren Ende dieser Skala einzuordnen. Wurden sie so empfindlich reagieren wie das Meerschweinchen, hatte es in Seveso hunderte von Toten gegeben. Wichtiger als die akute Toxizitat bei relativ hoher Exposition ist fur die Beurteilung des Risikos fur die Allgemeinbevolkerung die Frage nach der chronischen Toxizitat bei geringer Exposition. Verschiedene Expertenkommissionen und Behorden sind, je nachdem auf welche experimentellen Ergebnisse sie sich stutzten und je nachdem, ob sie die Dioxine als Tumorinitiator ohne Wirkungsschwelle oder als lhmorpromotor mit Wirkungsschwelle betrachteten, zu unterschiedlichen Zahlenwerten fur die duldbare tagliche Aufnahme gelangt. Die Bund-Lander-Arbeitsgruppe Dioxine hat 1992 zur Vorsorge vor einer gesundheitlichen Gefahrdung des Menschen einen Zielwert von 1 pg TE/kgKG fur die maximale tagliche Zufuhr von PCDFIPCDD genannt. Eine WHO-Konferenz hat sich 1998 nicht auf einen klaren Grenzwert fur die duldbare Tageszufuhr einigen konnen sondern hat einen duldbaren Bereich von 1 bis 4 pg TE/kg festgesetzt [400]. Ob die Befurworter einer 1 pg-Grenze iibervorsichtig oder die fur 4 pg pladierenden Teilnehmer der
134
Verunreinigungen
Konferenz zu unbesorgt argumentierten, werden die weiteren Forschungsarbeiten zeigen. Fur Vertreter des in Kap. 3 erwahnten negligible risk Konzepts ist auch ein Grenzwert von 4 pg unnotig niedrig angesetzt. Die tatsachliche Tageszufuhr wurde 1994 in Deutschland mit 2,3 pg TE/kgKG angegeben [416], also mehr als das Doppelte des Zielwerts der Bund-Lander-Arbeitsgruppe. Die Exposition erfolgt zu etwa 95 o/o uber die Nahrung, wobei fast nur die Lebensmittel tierischer Herkunft ins Gewicht fallen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes (Tabelle 4.4) gingen die Dioxinemissionen im Funfjahreszeitraum nach 1989 auf weniger als ein Viertel zuriick. Dies hat sich unmittelbar in einem Ruckgang der PCDD/F-Gehalte in Lebensmitteln ausgewirkt. Die Tageszufuhr war um das Jahr 1995 auf 1,5 pg/kg KG zuruckgegangen und nach FURST[417] war der Zielwert von 1 pg/kg im Jahre 1996 erreicht. Seit die Analytik den Nachweis von Dioxinen in Humanmilch ermoglicht hat, gab dieser Befund AnlaB zu Besorgnis. Die PCDD/F-Konzentrationen in Frauenmilch sind erheblich hoher als in Lebensmitteln des Marktes und aul3erdem ist der Nahrungsverzehr pro kg Korpergewicht bei Sauglingen um ein Mehrfaches hoher als bei Erwachsenen. BECKund Mitarbeiter [416] haben 1994 fur brustgestillte Sauglinge ( 5 kg KG, 800 ml Milch pro Tag, 3 YoFettgehalt) eine mittlere Tageszufuhr von 142 pg TE/kg KG berechnet - also das 142fache des fur Erwachsene geltenden Zielwertes. Hinweise auf schadliche Folgen fur die Gesundheit der Kinder sind nicht gefunden worden, und die zustandigen Fachgremien haben nach Abwagen der Risiken die Vorteile des Stillens fur groBer gehalten als die moglichen Nachteile durch das Vorhandensein von Dioxinen in der Muttermilch [418]. Von 1989 bis 1996 haben die PCDDF-Gehalte in Frauenmilch in Deutschland um 50 % abgenommen [417] und ein ahnlicher Ruckgang wird in anderen Regionen
1
Tabelle 4.4: Gesamtbilanz der bekannten Dioxinemissionen in Deutschland 12471 (TE = Toxizitgtsequivalente. Siehe Text) 1989190 g TElJahr
I Abfallverbrennung
I 400
1994195 Q TENahr
I
30
Prognose 199912000 Q TElJahr
I
<4
750
220
<40
5
3
<3
Industrie- und Gewerbefeuerungen
20
15
< 10
Sonstige thermische Prozesse der lndustrie
c1
<1
€1
Hausbrandfeuerstatten
20
15
10
Krematorien
4
2
<1
Verkehr
10
4
<1
I Summe
1210
290
<70
MetallQewinnung und -verarbeitung Kraftwerke
I
~
I
Dioxine
135
festgestellt (zum Beispiel Schweden [404]). Im Jahre 1997 betrug die nach der Duplikatmethode bestimmte Tagesaufnahme bei Kindern im Alter von 22 Monaten bis 5 Jahren 2,6 pgTE/kg [419]. In Humanblut verminderte sich bei >500 Probanden im Ruhrgebiet der PCDD/F-Gehalt im Zeitraum 1991-1996 auf die Halfte [420]. Die Art und Weise, wie in den deutschen Medien das Thema Dioxine behandelt wurde, hat nicht gerade dazu beigetragen, die Mutter zum Stillen zu ermutigen. Fur den SPZEGEL war das ,,Supergift Dioxin" nicht nur das giftigste der ChemieVORgifte, sondern ,,der unheimliche Killer, die Pest der Neuzeit" [421]. FRITZ HOLZ, Oko-Redakteur der Hamburger ZEZT, entwarf unter der Uberschrift ,,Unser taglich Gift - Die Bundesrepublik ist flachendeckend mit Dioxin verseucht" ein ahnliches Schreckensbild; das ,,giftigste aller Gifte" begleite den Menschen von der Wiege bis zur Bahre. Das Fernsehmagazin Monitor von KLAUS BEDNARZ berichtete am 28. Februar 1984, der schwedische Wissenschaftler RAPPE habe in Frauenmilchproben aus dem Raum Hamburg das Sevesogift gefunden: ,,Es ist das erste Mal, daS in deutschen Muttermilchproben Dioxin gefunden wurde. Das Sevesogift ist beim Menschen angekommen". RAPPEwar bei den ersten, die durch Weiterentwicklung der Analytik in der Lage waren, Dioxingehalte in Frauenmilch zu bestimmen. Er hatte sechs Frauenmilchproben aus Deutschland untersucht und darin zwar nicht das Sevesogift 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin, wohl aber einige andere Kongenere in einer Konzentration von 03- 1,O ng/L gefunden. Die Aussage der Monitorsendung, Hamburger Frauenmilch habe hohere Dioxingehalte als Frauenmilch in anderen Gegenden, war unzutreffend, weil es unmoglich ist, anhand von sechs Proben mit Gehalten, die an der Grenze der analytischen Erfaabarkeit liegen, regionale Unterschiede zu erkennen [422]. Es war nicht das Supergift 1984 neu nach Hamburg gekommen, sondern es war eine neue Supermethode gekommen, die es moglich machte, die unvorstellbar geringe Konzentration von 0,5 ng Dioxine pro L Milch zu messen. Monitor setzte die Panikmache am 29. Mai 1984 mit dem Versuch fort, einen Zusammenhang zwischen Dioxinverseuchung im Hamburger Raum und dem Auftreten von Fehlbildungen bei Neugeborenen zu konstruieren. Vielleicht haben die Analytiker TOLGund GARTENan diese Monitorsendungen gedacht als sie wenig spater schrieben: ,,lmmer nachweisstarkere Methoden bergen die Gefahr, daB diese Methoden auch mifibraucht werden konnen. Diejenigen, die am liebsten das Rad der Geschichte zuriickdrehen mochten, nutZen die verfeinerte Analytik, um oft sehr unkritisch noch mehr Schadstoffe aufspuren zu konnen. Sie stiften dadurch in erster Linie Unsicherheit und Angst" [423].
In neuerer Zeit hat der Dioxinskandaf in Befgien die Offentlichkeit stark beschaftigt. Man sollte nicht jeden VerstoB gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen zum Skandal erklaren. Zum offentlichen Argernis, zum Skandal, werden solche VerstoSe, wenn die Burger den Eindruck haben, Behorden, die fur Rechtssicherheit und Gesundheitsschutz sorgen sollten, kamen dieser Aufgabe nicht oder ungenugend nach. In diesem Sinne kann man die Geschehnisse des Jahres 1999 auf dem belgischen Futter- und Lebensmittelmarkt gewiB als Skandal bezeichnen. Im Marz wurde das belgische Landwirtschaftsministerium uber erhohte Tierverluste, eine Abnahme der Legeleistung und schlechte Schlupfergebnisse bei Brut-
136
Verunreinigungen
Abbildung 4.10 Meldungen uber hohe Dioxingehalte in Futtermitteln und Geflugelprodukten aus Belgien illustrierte Ivan Steiger in der FAZ vom 8. Juni 1999 (mit freundlicher Genehmigung der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG).
eiern in bestimmten Betrieben informiert. Im April wurden in Proben aus den betroffenen Betrieben stark erhohte Dioxingehalte in Futtermitteln (780 pg TEQ/ g Futter, bei einem Normalgehalt von <1 pg) und in Geflugelfett gefunden (960 pg TEQ/g Fett in Gefliigelfleisch, bei einem durchschnittlichen Normalgehalt von 0,2 pg). Im Mai wurden erhohte Dioxingehalte auch in Schweinefleisch und Schweinefutter festgestellt.” Erst am 27. Mai informierten die belgischen Behorden die EU-Kommission und die Presse uber das Dioxinproblem. Klare Angaben machte sich seine eigenen iiber den Hergang fehlten jedoch. IVAN STEIGER Gedanken, uber das was geschehen war (Abbildung 4.10). Am 21. Juni leitete die EU-Kommission eine Klage gegen Belgien wegen der verschleppten Information und der nicht zugigen Umsetzung der SchutzmaBnahmen ein. Am 22. Juni gaben die belgischen Ermittlungsbehorden bekannt, die Verunreinigung von Tierfutter und Lebensmitteln mit Dioxin habe in einer wallonischen Fettschmelze ihren Anfang genommen; der Geschaftsfiihrer dieses Betriebs sei verhaftet worden. Nach Agenturmeldungen vom 1. August schatzte man in Belgien die durch die Krise fur Landwirtschaft und Handel entstandenen Verluste auf 3,7 Milliarden DM. Wie die Kontamination verursacht wurde, versehentlich (technischer Defekt in der Fettschmelze?) oder als Folge krimineller Machenschaften (Strecken von Tier- oder Pflanzenfett durch Motor-Altol?) werden wohl erst die Ermittlungen der belgischen Staatsanwaltschaft klaren. In Deutschland haben unmittelbar nach Bekanntwerden der erhohten Dioxinkontamination von Lebensmitteln in Belgien die fur die amtliche Lebensmittelkontrolle zustandigen Behorden der Lander intensivierte Untersuchungen verdachtiger Lebensmittel auf Dioxine und PCB ”’
Die Dioxinbestimmung in biologischem Material ist sehr aufwcndig und es gibt nur sehr wenige Laboratorien, die sie durchfuhrcn konnen. In der Annahme, daB Dioxine und PCB zusammen vorkommen, hat man in Belgien nur die leichter zu bestimmenden PCB analysiert und rechnerisch TEQ-Werte ermittelt. Die oben genannten TEQ-Werte wurden vom Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veleriniirmedizin (BgVV) im Internet bekanntgepeben
Moschusduftstoffe
137
beschlossen. Nach einer Mitteilung des Bundesinstituts fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin, bei dem die Befunde gesammelt werden, wurden bis 2. September 1999 uber lo00 Lebensmittelproben auf Dioxine und/oder PCB untersucht. Mit Ausnahme einer Suppenhuhnprobe aus den Niederlanden mit hohem PCB/Dioxingehalt wurden nur bei wenigen Proben erhohte Werte gefunden. Der weitere Ruckgang der Emissionen, wie er in Tab. 4.4 prognostiziert ist, wird - trotz des Skandals in Belgien - fur eine weiterhin abnehmende Tendenz der PCDDR-Gehalte in Lebensmitteln und in Frauenmilch sorgen. Eine dioxinfreie Umwelt, die es nie gegeben hat, wird es jedoch auch in Zukunft nicht geben konnen.
Moschusduftstoffe Im folgenden sol1 nicht von Aromastoffen die Rede sein, die Lebensmitteln absichtlich zugesetzt werden, sondern von den synthetischen Moschusduftstoffen, die Kosmetik-, Seifen- und Waschmittelprodukten zugefugt werden und die sich, bedingt durch hohe Persistenz und Fettloslichkeit, auch in Lebensmitteln und im Fettgewebe des menschlichen Korpers finden. Die Mannchen des in Hochtalern Tibets und Chinas beheimateten Moschustieres produzieren in ihren Duftdrusen ein extrem stark riechendes Sekret, das als Moschus bezeichnet wird. Es ist seit Jahrtausenden in China als Parfum, Heilmittel und Aphrodisiakum hoch geschatzt worden und kam durch die Araber auch nach Europa. Statt des sehr teuren echten Moschus werden heute synthetische Verbindungen verwendet, die moschusahnlich riechen, ohne chemisch mit dem Riechstoff des naturlichen Moschus verwandt zu sein. Es handelt sich einerseits um die Nitromoschusverbindungen, wie das Moschus Xylol und das Moschus Keton, andererseits um polycyclische Moschusduftstoffe wie das HHCB und das AHTN (Formelbild 4.4). Weitere Vertreter beider Gruppen werden bei [424] genannt. Japanische Forscher fanden im Jahre 1981 mittels Gaschromatographie Moschus Xylol in FluBfischen in einer Konzentration von 0,016 mg/kg Frischgewicht. In Deutschland berichteten RIMKUS und WOLF1993 uber mittlere Gehalte von 0,33 mg Moschus Xylol und 0,14 mg Moschus Keton pro kg Fett in Regenbogenforellen. Seither wurden diese beiden Nitromoschusverbindungen in SuBwasserfischen, Aalen, Muscheln, Krabben aus zahlreichen Gewassern gefunden. Anscheinend gelangen die Duftstoffe aus Waschmitteln in Abwasser, werden in Klaranlagen kaum abgebaut und erreichen dann die FluBlaufe, wo sie von im Wasser lebenden Tieren direkt aus dem Wasser aufgenommen werden. In anderen Lebensmitteln tierischer Herkunft waren diese Verbindungen bisher nicht eindeutig nachweisbar. In Frauenmilch und Humanfett wurden Maximalgehalte von 0,22 mg Moschus Xylol und Keton /kg Fett gefunden, eine Konzentration, die sich aus dem Verzehr von SuBwasserfischen und Meeresprodukten allein nicht erklaren laat. Es wird daher angenommen, daB Nitromoschusverbindungen weniger aus der Nahrung als iiber die Haut aus Kosmetika und aus der Wasche aufgenommen werden. Ahnliches gilt fur polycyclische Moschusduftstoffe, die sogar in noch hoheren Konzentrationen in aquatischen Okosystemen und in Frauenmilch gefunden wurden (Zitate bei [424]).
138
Verunreinigungen
Polycyclische Moschusverbindungen
Hexahydrohexamethylcyclopentabenzopyran
Acetylhexamethyltetrahydronaphthalin
(HHCB)
(AHTN)
Formelbild 4.4: Zwei Nitro- und zwei polycyclische Moschusverbindungen.
Die akute Toxizitat von synthetischen Moschusduftstoffen ist gering und liegt fur Ratte und Maus bei einigen g/kg KG. Uber die chronische Toxizitat ist noch wenig bekannt. Moschus Xylol hat bei Verabreichung an Mause in hoher Dosierung (90 und 170 mg/kgKG und Tag) gehauft Lebertumore induziert. Dieses Ergebnis ist bisher nicht an anderen Tierarten bestatigt worden - und Lebertumore bei Mausen sind von fragwurdiger Relevanz fur die Kanzerogenitatsbewertung (wie an anderer Stelle ausfuhrlicher dargelegt wurde). Mutagenitatstests an Moschus Xylol (Zitate bei [425]) und an polycyclischen Moschusverbindungen [426] verliefen negativ. Der Sicherheitsabstand zwischen den mit Lebensmitteln aufgenommenen und den im Mauseversuch tumorauslosenden Mengen ist grol3 [427]. Die friihere Fremdstoffkommssion der DFG, jetzt Kommission zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, sagte in einer Stellungnahme vom Juni 1996: ,.Potentiell toxische Stoffe. die sich im Korper Jes Menschen anreichern konnen, sind generell unerwiinscht. Im Sinne des privcntiven Verbraucherschutzes sollte daher angestrebt werden, die derzeitige Belastung des Menschen mit Nitromoschusverbindungen zu vermeiden oder soweit wie moglich zu verringern" [ 1891.
Vorsichtshalber hat die Riechstoffindustrie bereits seit 1993 die Anwendung von Nitromoschusverbindungen stark eingeschrankt. Dies hat innerhalb von vier Jahren zu einem Riickgang der mittleren Moschus Xylol-Gehalte in Humanmilch von 0,06 auf 0,Ol mg/kg Fett gefuhrt [428]. Wenig ist bisher bekannt uber die biologischen Eigenschaften der Aminoverbindungen, die als Abbauprodukte der Nitro-
Populare Irrtumer zum Thema Kontaminanten
139
moschusverbindungen in aquatischen Okosystemen entstehen [429]. Hier bleibt fur die toxikologische Forschung noch einiges zu tun.
Populare Irrtumer zum Thema Kontaminanten Die Hauptsorge wegen des Vorkommens chemischer Kontaminanten in Lebensmitteln galt in den letzten Jahrzehnten der Moglichkeit einer krebsfordernden Wirkung einzelner Kontaminanten oder der Kombination vieler dieser Stoffe. Epidemiologische Untersuchungen haben keinen Grund fur derartige Befiirchtungen geliefert. Die Gehalte der Lebensmittel an chemischen Verunreinigungen sind heute erheblich geringer als vor 20 oder 30 Jahren. Sofern uberhaupt ein Krebsrisiko durch diese Kontaminanten besteht, ist es heute vie1 geringer als damals. In dem von einem internationalen ExpertenausschuB im Auftrag des World Cancer Research Fund und des American Institute for Cancer Research verfaBten grundlegenden Bericht uber Ernahrung und Krebs ([430], S. 477) heifit es zum Thema Kontaminanten: ,,In der Offentlichkeit wird allgernein angenomrnen, daB chemische Kontaminanten in Speisen und GetrInken eine wesentliche Ursache f i r Krebserkrankungen des Menschen sind. Diese Ansicht, die zum Teil auf der irrigen Annahrne beruht, Krebs wiirde typischenveise durch einzelne kanzerogene Stoffe ausgelost, wird durch die Berichterstattung der Medien verstarkt und wird von manchen Verbraucher- und Umweltschutzgruppen wie auch von einigen Wissenschaftlern vertreten .... Nach Auffassung des Ausschusses gibt es keine soliden Hinweise auf ein erhohtes Krebsrisiko des Menschen durch die in Speisen und Getrinken gefundenen Riickstande von Chemikalien".
5 Dungemittel, Nitrat,Nitrit,Nitrosamine
Notwendigkeit des Dungereinsatzes Die agrikulturchemische Forschung des 19. Jahrhunderts, charakterisiert durch LAWESin EngNamen wie JUSTUS VONLIEBIGin Deutschland und JOHNBENNET land, hat die Grundlagen fur das Verstandnis der Pflanzenernahrung geschaffen. Zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit mussen die mit den Ernteprodukten entzogenen Nahrstoffe dem Boden wieder zugefuhrt werden. Die wichtigste Rolle spielen dabei Stickstoff, Phosphor und Kalium (neben weiteren Mineralstoffen und Spurenelementen). Kalidunger konnte durch Abbau von Kalisalzen gewonnen werden, Phosphordunger stand in Form von Thomasschlackenmehl als Nebenprodukt der Eisenerzverhuttung zur Verfugung und konnte zusatzlich aus Phosphatlagerstatten in Westafrika oder Nordamerika beschafft werden - aber Stickstoffdunger erwies sich immer mehr als EngpaB. Chilesalpeter und Peruguano waren wegen der langen Transportwege teuer - und letzterer war bald CROOKES schrieb 1898: ,,Die erschopft. Der englische Chemiker S I RWILLIAM Frage der Bindung von Luftstickstoff ist eine Frage auf Leben und Tod fur kornmende Generationen ..... und es ist der Chemiker, der der bedrohten Menschheit zu Hilfe kommen muB. Durch das Laboratorium kann Hungersnot schlieljlich in UberfluB verwandelt werden" (zitiert nach [431]). Das von FRITZHABERerfundene und von CARLBOSCHzur industriellen Reife entwickelte Verfahren der katalytischen Arnrnoniaksynthese aus Stickstoff and Wasserstoff unter hohem Druck lieferte ab 1913 grol3technisch hergestellten Stickstoffdunger. Die Bedeutung dieser Erfindung fur die Ernahrung der wachsenden Weltbevblkerung kann kaum uberschatzt werden. Die aus Abbildung 5.1 hervorgehende Steigerung der Weizenertrage, die als Beispiel dient fur ahnliche Ertragssteigerungen bei anderen Feldfruchten, hat mehrere Grunde. Sie beruht auf besserem Kenntnisstand der Landwirte, auf Erfolgen der Pflanzenzuchtung und des Pflanzenschutzrnitteleinsatzesund auf sonstigen Fortschritten im Ackerbau - aber sie beruht auch ganz wesentlich (zu etwa 50 %) auf dem Einsatz von Diingemitteln.
141
Notwendigkeit des Diingereinsatzes [dffha]
1840
1890
1940
1990
Kalendejahr
Abbildung 5.1: Durchschnittliche Ertrage von Winterweizen in Deutschland (frliheres Reichsgebiet, alte Bundeslander). Nach [lo31 und friiheren Ausgaben des Statistischen Jahrbuchs.
Wie dieser sich in letzter Zeit in Deutschland entwickelt hat, ist Abbildung 5.2 zu entnehmen. Nach einem steilen Anstieg bis etwa 1980 hat die Verwendung von Handelsdunger pro Flacheneinheit in den letzten zwei Jahrzehnten stark (Phosphat und Kali) oder leicht (Stickstoff) abgenommen, mit Ausnahme der Anwendung von Kalk (CaO), die erst nach etwa 1990 abnahm. Die deutlich abnehmende
O! 1950
im
lorn
1980
im
2 ~ 0
Abbildung 5.2: Handelsdiingerverbrauch (ohne Kalk fur die Forstwirtschaft) je ha landwirtschaftlich genutzter Flache in der Bundesrepublik Deutschland (bis einschlieBlich 1990 alte Bundeslander, 1995 Gesamtdeutschland). Nach [lo31 und frliheren Ausgaben des Statistischen Jahrbuchs.
142
Dungernittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine
Tendenz hat vermutlich mehrere Grunde: das Diingemittelgesetz von 1977, das die Anwendung von Dungemitteln nur nach guter fachlicher Praxis gestattet, d. h. ausgerichtet auf den Nahrstoffbedarf der Pflanzen, verbesserte Beratung und gestiegenes Umweltbewuljtsein der Landwirte, durch Zuchtung verbesserte Pflanzen, die weniger Nahrstoffe benotigen - und nicht zuletzt die Einsicht, dalj unnotig hohe Dungergaben unnotig Geld kosten.
EinfluB der Dungung auf die Zusammensetzung der Ernteprodukte Der enorme Anstieg der Dungerverwendung bis etwa 1980 fordert die Frage heraus, ob dies nicht die Zusammensetzung der Ernteprodukte in unerwunschter Weise verandert hat. Der Einflulj der Dungung auf Vitamingehalte, Proteine und sonstige erwiinschte Bestandteile, wie auch auf unerwiinschte Stoffe (z. B. Oxalsaure in Gemuse, Solanin in Kartoffeln) ist seit langer Zeit eingehend gepruft worden. Die Befurchtung, der Verzehr mineralisch gedungter Lebensmittel wurde das Krebsrisiko erhohen, wurde schon 1933 durch das Reichsgesundheitsamt als unbegrundet bezeichnet [432], und diese Einschatzung wurde seither wiederholt bekraftigt [433]. JACOBschrieb 1935: ,,Nun hort man in stadtischen Verbraucherkreisen vielfach die Befurchtung, daB der Handelsdunger zwar die Ertrage steigert, daR dies aber auf Kosten der Qualitat und der Bekiimmlichkeit geschieht. Beweise fur diese Behauptung sind zwar nirgends erbracht worden, bekanntlich werden aber auf gesundheitlichem Gebiete die unglaublichsten Dinge auch ohne den Schatten eines Beweises geglaubt, vor allem wenn sie im Sinne der Parole ,,Zuruck zur Natur" liegen" [434].
Die Zusammensetzung der Ernteprodukte ist genetisch festgelegt, kann jedoch sowohl durch Unterernahrung der Pflanzen als auch durch Uberdungung in gewissen Grenzen verandert werden [435]. Andere EinfluRfaktoren, wie Temperatur, Licht, Niederschlage, Bodenbeschaffenheit, Reifegrad/Erntezeitpunkt, Anbautechnik (Kulturfolge, Standweite der Pflanzen, Bewasserung u. a.) konnen sich ebenfalls auswirken, so daB es bei Vergleichsversuchen oft schwierig ist, einen EinfluB der Dungung zu erkennen. Besonders intensiv ist die Frage untersucht worden, ob die Verwendung mineralischer Handelsdunger sich anders auswirkt als die Verwendung von organischem Dunger (verrotteter Stallmist, Kompost). Eine der bekanntesten Untersuchungen dieser Art war das Haughley Experiment, das 1938 von SIR ALBERT angeregt und finanziert wurde. Auf der HaughHOWARD und LADYEVEBALFOUR ley Farm in East Anglia wurde damit begonnen, in drei Sektionen zu wirtschaften. Die organische Sektion verwendete zur Dungung kompostierten Mist der eigenen Viehhaltung und Ernteabfalle der eigenen Produktion. Die Tiere erhielten nur Futter aus der eigenen Erzeugung. In der gemischten Sektion wurden zusatzlich Handelsdunger und Pflanzenschutzmittel verwendet. Die viehlose Sektion verwendete Mineraldunger und ebenfalls PSM. Nachdem die organische Sektion in den ersten Jahren erfolgreich wirtschaften konnte, setzte spater ein
Einflufi der Diingung auf die Zusammensetzung der Ernteprodukte
143
standiger Ruckgang der Ernteertrage und der Rinderfruchtbarkeit ein. Die Soil Association als Betreiber dieser Farm kam 1970 zu der Einsicht, daB ein Wirtschaften ohne jegliche Dungerzufuhr von auBen nicht moglich ist. Der Herausgeber des Soil Association Journal faljte das Ergebnis so zusammen: ,,Es gibt keine Uberlegenheit eines Diingers, nur weil dieser natiirlich oder organisch ist; praktisch hangt alles von der Zusammensetzung des Dungers ab - und nichts von seiner Herkunft" [436]. LADYBALFOUR schreibt in ihrem Buch iiber das Experiment: ,,In den Jahren, in denen wir die in den verschiedenen Sektionen angebauten Produkte analysiert haben, konnten wir keine eindeutigen Unterschiede im Gehalt an Gesamtprotein, Fetten, Kohlenhydraten, Mineralstoffen und Vitaminen aufzeigen" [437]. Langzeitversuche zum Vergleich verschiedener Varianten des Oko-Anbaus mit konventionellem Anbau sind seither mit sehr groljem Aufwand an mehreren Stellen durchgefuhrt worden. Uber bis 1976 beschriebene Studien dieser Art gaben DIEHLund WEDLEReine Ubersicht [438]. Neuere Untersuchungen haben WOESE et al. ausgewertet [439]. Beispielhaft sei hier der von 1974 bis 1995 in der Schweiz durchgefuhrte DOK-Versuch erwahnt. Nach mehjahrigen Vorarbeiten auf dem Bruderholzhof in Oberwil wurden seit 1978 auf dem Birsmattenhof in Therwil, ebenfalls im Kanton Basel, die Anbausysteme biologischdynamisch, organischbiologisch und konventionell (DOK) mit einander verglichen. Der Versuchsplan sah neben den genannten drei Anbausystemen eine Nullvariante ohne Dungung vor, 3 Kulturen jedes Jahr, 2 Dungungsstufen und 4 Wiederholungen. Dies erforderte die Bearbeitung von 96 Parzellen. Einem 7jahrigen Fruchtwechsel
Kartoffeln-Winterweizen-Weiljkohl-Winterweizen-Wintergerste-Kleegras-Kleegras folgte von 1985 bis 1991 nochmals ein 7jahriger Zyklus, bei dem allerdings Rote Bete den Weiljkohl ersetzte. Ertragsbildung, Dynamik von Krankheiten und Schadlingen und die Qualitat der Ernteprodukte waren Hauptgegenstand der Untersuchungen, die dariiber hinaus eine Fiille von Ergebnissen uber die okologischen Auswirkungen der verschiedenen Anbaumethoden lieferten [440]. Die Auswertung der fast uberwaltigenden Datenmenge war 1995 abgeschlossen [199]. Uns interessieren hier vor allem die Arbeiten uber die Produktqualitat. Bei den Gehalten an Mineralstoffen, Proteinen, Vitamin C und Saccharose sowie bei den fur die Verwertung wichtigen technologischen Eigenschaften der Erzeugnisse lieljen sich keine klaren Vorteile fur das eine oder andere Anbausystem erkennen. Das gleiche Fazit wurde aus dem von der Landwirtschaftskammer Rheinland in der Versuchsanstalt Auweiler durchgefuhrten langjahrigen Anbau von Obst und Gemiise nach biologisch-dynamischen Richtlinien im Vergleich zu konventioneller Wirtschaftsweise gezogen [201]. Wie zu erwarten, bewirkt erhohte Stickstoffzufuhr im allgemeinen erhohte Gesamtstickstoffgehalte; bei Getreide wirkt sich dies oft in erhohtem Proteingehalt aus (was die Backqualitat verbessert), bei nitratspeicherndem Blatt- oder Wurzelgemuse in erhohtem Nitratgehalt (was als unerwunscht gilt). Es kommt jedoch in dieser Hinsicht immer wieder zu unerwarteten Ergebnissen. So berichten Autoren des DOK-Versuchs, dalj die von den ungedungten Parzellen geernteten Kartoffeln und Rote Bete die hochsten Stickstoffgehalte aufwiesen, wahrend bei Weiljkohl die Diingung keinen erkennbaren EinfluB auf den N-Gehalt hatte [441].
144
Diingemittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine
An der Bundesforschungsanstalt fur Qualitatsforschung pflanzlicher Erzeugnisse (ab 1974 Bundesforschungsanstalt fur Ernahrung) in Geisenheim am Rhein wurden etwa 20 Jahre lang vergleichende Anbauversuche durchgefiihrt. Die Leiterin dieser Untersuchungen berichtet: .,Vergleichende Untersuchungen alternativ und konventionell angebauter Nahrungspflanzen haben bisher keine statistisch gesicherten Unterschiede sensorischer und ernahrungsphysiologischer Eigenschaften ergeben. Tendenziell konnen je nach Jahreszeit und Witterungsbedingungen alternativ angebaute Nahrungspflanzen niedrigere Nitratgehalte aufweisen. Diese Tcndcnz ist jedoch nicht gesichert" [442].
Auch in den Erniihrungsberichten 1988 ([206], S. 178) und 1992 ([131], S. 147) wird festgestellt, daB ein wissenschaftlicher Beweis fur bessere gesundheitliche Qualitat alternativ erzeugter Lebensmittel fehlt. Eine nach wissenschaftlichen Prinzipien gesicherte Methode zur Unterscheidung von Oko- und Nichtoko-Produkten gibt es nicht. Eine Uberwachung, ob ein als ,,okologisch" gekennzeichnetes Erzeugnis tatsachlich nach den Vorschriften des okologischen Landbaus produziert wurde, ist daher nur durch Kontrolle des Anbaus und der Vertriebswege moglich. Aber gibt es nicht doch einige Arbeiten, die von deutlichen Qualitatsvorteilen der Produkte des biologischen Anbaus berichten? Es gibt sie - aber sie halten einer kritischen Prufung nicht stand. Wenn zum Beispiel mit mineralischem Stickstoffdunger uberdungte Proben in der Qualitat schlechter abschneiden als mit organischem Dunger maBig gedungte, dann ist dies kein Beweis fur die Uberlegenheit organischen Dungers. Nur wenn die Dungermenge dem Bedarf der betreffenden Pflanze auf einem bestimmten Boden angepaot ist, sind solche Vergleiche sinnvoll. DaB Uberdungung - organisch oder mineralisch - zu Qualitatsminderungen fuhrcn kann, ist seit Liebigs Zeiten bekannt. Unzulassig sind auch Vergleiche von Proben des konventionellen Anbaus, die im Handel erworben wurden, mit Proben, die direkt von Betrieben des Oko-Anbaus stammen. Ein solcher Vergleich sol1 zum Beispiel Geschmacksvorteile fur Tomaten des Oko-Anbaus gezeigt haben. Wenn aber Tomaten von den Betrieben erntefrisch waren, die vom Markt jedoch schon mehrere Tage Transport und Lagerung hinter sich hatten, ist dieses Ergebnis zu erwarten. Das gleiche gilt fur angeblich gefundene deutliche Unterschiede in den Ruckstandsgehalten. Es ist bekannt, dalj lmportware haufiger hohere Ruckstandsgehalte hat als Inlandware; es ist ferner bekannt, daB im Unterglasanbau ein intensiverer Einsatz von Fungiziden erforderlich ist als im Freilandanbau. Der Vergleich von ab-Hof-Proben des Freilandanbaus mit Marktware, die auch Importe und Gewachshausprodukte einschlieBt, ist daher irrefuhrend. Ebensowenig uberzeugend sind einige Tierfutterungsversuche, in denen Futtermittel aus okologisch wirtschaftenden Betrieben mit nicht als okologisch gekennzeichneten Futtermitteln unbekannter Herkunft in ihrer Wirkung verglichen wurden. Es blieb dabei unberiicksichtigt, da13 die Futtermittel sich nicht nur nach der Anbauweise, sondern auch in anderer Hinsicht unterschieden. Uberzeugend konnen nur Vergleiche sein, bei denen Erzeugnisse der gleichen Sorte, des gleichen Aussaat- und Erntezeitpunkts und vom gleichen Standort verwendet werden. Was den Vertretern des Oko-Landbaus hoch angerechnet werden muB, ist ihre Beispielfunktion fur die gesamte Landwirtschaft. Wenn heute im konventionellen Landbau die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes genutzt werden, um den
Nitrat in Lebensmitteln
145
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu minimieren und wenn durch systematische Bodenuntersuchungen dafiir gesorgt wird, daB die Stickstoffdungung den Bedarf nicht ubersteigt, ist dies auch auf die AnstoBe zuruckzufuhren, die der Oko-Landbau geliefert hat. Im Novemberheft 1999 von DGE-info hat die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung eine Stellungnahme zum Thema ,,Einflulj der Intensivnutzung von Boden auf den Nahrstoffgehalt von Lebensmitteln" veroffentlicht. Darin heiljt es: ,,Eine von den Medien haufig zitierte Hypothese besagt, daR die Boden durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung sowie durch den sauren Regen an Nahrstoffen verarmt seien, so daR dies inzwischen zu einer Abnahme des Nahrstoffgehaltes in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs gefiihrt habe. Eine weitere Hypothese unterstellt, daR Treibhausgemiise aufgrund der besonderen Anbaubedingungen im Vergleich zu Freilandgemiise ebenfalls arm an essentiellen Nahrstoffen sei. Diese Hypothesen werden u. a. sehr offensiv von im Direktmarketing tatigen Anbietern von Nahrungserganzungsmittelnsowie Vertretern der orthomolekularen Medizin zu Werbezwekken verwendet".
In der Stellungnahme wird belegt, dalj diese Unterstellungen einer genaueren wissenschaftlichen Analyse nicht standhalten, dalj eher im Gegenteil die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse fur eine Ablehnung dieser Hypothesen sprechen. Das ganzjahrige Angebot von qualitativ hochwertigem Frischobst und Frischgemuse trage heute wesentlich zum guten Nahrstoffversorgungszustandder Bevolkerung bei. Nachdem die friiher oft behauptete bessere gesundheitliche Qualitat von Okoprodukten experimentell nicht bestatigt werden konnte, gilt die bessere Umweltvertraglichkeit heute als das Hauptargument fur den okologischen Anbau. Was die Stickstoffdungung betrifft, speziell das Problem des Nitrateintrags aus landwirtschaftlich genutzten Flachen in das Grundwasser, hat der okologische Landbau systemimmanente Vorteile. Die zunehmende Entwicklung des konventionellen Landbaus zum integrierten Landbau bringt jedoch eine Angleichung des Stickstoffeinsatzes an die Werte des okologischen Landbaus mit sich. Bezieht man den Stickstoffaustrag nicht auf die Produktionsflache sondern auf den Ernteertrag, so schneidet der integrierte Pflanzenschutz, da er pro Flacheneinheit hohere Ertrage bringt, haufig gunstiger ab, als die okologische Wirtschaftsweise [205].
Nitrat in Lebensmitteln Alle Pflanzen benotigen Stickstoff zur Synthese von Proteinen, Nucleinsauren, Chlorophyll und vielen anderen N-haltigen Inhaltsstoffen. Mit Ausnahme der Leguminosen, die ihren N-Bedarf von den an ihren Wurzeln sitzenden Knollchenbakterien geliefert bekommen, sind die Pflanzen darauf angewiesen, Stickstoff in Form von Nitrat- oder Ammoniumionen aus dem Boden aufzunehmen. Manche Pflanzen, wie Blattgemuse, Rettich, Radieschen und Rote Bete, konnen sehr vie1 mehr Nitrat speichern als Fruchtgemiise (wie Tomaten) oder Obst oder Getreide. Der Amerikaner RICHARDSON [443] veroffentlichte im Jahre 1907 Ergebnisse von Nitratanalysen, die im gleichen Bereich liegen wie in neuerer Zeit gefundene (Tabelle 5.1). Bei den nitratspeichernden Pflanzen hangt der Nitratgehalt von der
Apfei
Tomaten
Zwiebeln
Gurken
I
I
19
27
750
I 690
I 2
78
I
7
460
37
51
230
170
74
Kartoffeln
200
I 1590
150
I 1510
1710
13600
5240
2640
Blumenkohl
470
770
0 1410
5930
I 1870
70
~
2280
I 4800
Karotten
I I 1790
I I 450
5
I3890
1
965
I
~
I 6800
I 1630
11490
6680
2030
Mittelwert
I443I
~
61
90
850
540
92
390
I2920
3820
3560
8130
I3060
Hochstwert
nach Richardson 1907
460
~~
Mittelwert
Hochstwert
Mittelwert
1260
1987 14441
1988 12061 Hochstwert
nach Nitratbericht NRW
nach Ernahrungsbericht
Grune Bohnen
Weiakohl
Sellerie
Spinat
Kopfsalat
~
Rote Bete
Rettich
Produkt
Tabelle 5.1: Nitratgehalte in einigen Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft (mg NOJkg Frischgewicht)
I
I I
H W 2500 frisch; 2000 Konserve od.tiefgekuhlt
HW 2500 Ernte Mai-Oktober; 3500 Ernte November--April
RW 3000
RW 3000
Richtwert (RW); Hochstwert (HW) \
I
Nitrataufnahme durch den Menschen
147
Intensitat der N-Dungung ab, aber auch von anderen Faktoren, wie Bodenbeschaffenheit und Klima. Manche Pflanzen speichern bei Lichtmangel deutlich mehr Nitrat als bei guter Belichtung [445]. Das Auffallendste an den in Tab. 5.1 wiedergegebenen Daten ist deren grolje Schwankungsbreite. Kopfsalat kann 500 oder 5000 mg Nitrat/kg enthalten. Als Zusatzsroff darf Nitrat bei der Herstellung bestimmter Rohschinken, Rohwurste, Anchosen und Schnittkase verwendet werden. In diesen Erzeugnissen wird durch bakterielle Einwirkung Nitrat teilweise zu Nitrit reduziert und die erwunschte Wirkung wird von Nitrit ausgeubt. Bei Fleisch-und Fischwaren dient der Nitratzusatz der Konservierung (Vermeidung von bakteriellen Vergiftungen) und der Erzielung bestimmter sensorischer Eigenschaften (Geschmack, Umrotung), bei der Herstellung von Schnittkase dient er der Verhinderung einer Buttersauregarung, die den Kase ungenieBbar machen konnte.
Nitrataufnahme durch den Menschen Nitrat ist fur den Menschen wenig toxisch; aus Grunden, die noch zu erlautern sein werden, ist der nahrungsbedingten Nitrataufnahme in den letzten Jahren trotzdem sehr vie1 Aufmerksamkeit gewidmet worden. Die Nitratzufuhr stammt in Deutschland zu etwa 70 % aus dem Gemuseverzehr, etwa 15 O h liefern Fleisch und Wurst und der Rest verteilt sich auf Obst, Getreide- Milch-und Fischerzeugnisse. Dazu kommt das im Trinkwasser enthaltene Nitrat. Wie Tabelle 5.2 zu entnehmen ist, wird die taglich aufgenommene Gesamtmenge entscheidend vom Gemuseverzehr bestimmt; dieser lag 1960 bei etwa 50 kg/Kopf und Jahr und hat sich seither verdoppelt ([108], S. 20). Die alimentare Nitratzufuhr hat daher vermutlich in diesem Zeitraum zugenommen; systematische Untersuchungen daruber liegen jedoch nicht vor. Eine Ende der 80er Jahre an der Bayerischen Landesanstalt fur Ernahrung (LfE) durchgefuhrte Untersuchung an Gesamtnahrungsproben ergab eine mittlere pro-Kopf-Zufuhr von 104 mg Nitratmag (Median 70, Minimum 6, Maximum 453 mg) [ l l l ] . Nach dem Umwelt-Survey 1990/91lag der geometrische Mittelwert der Nitratzufuhr bei 68, das Maximum bei 1110 mgiTag [311]. Bei Verzehr von stark nitratspeicherndem Gemuse kann die Nitrataufnahme erheblich uber dem Mittelwert liegen, wie die Maximalwerte der LfE-Untersuchung und des Umwelt-
Gernbeverzehr (g/Kopf.Tag)
Mittlere Nitratzufuhr (mglKopf .Tag)
Bie 1 5 0
81
151 -300
116
Mehr a18 300
152
148
Diingemittel, Nitrut, Nitrit, Nitrosurnine
Tabelle 5 . 3 Epidemiologische Studien Ober Beziehungen zwischen Krebshaufigkeit und Gemuseund Obstverzehr (Quelle: [448]) Lebensrnittel
Gesarntzahl der Studien
gefundener Zuearnrnenhang
risikomindernd
kein Zu-
risiko-
sarnrnenhang
fbrdernd
rohes Gernuse
39
33
4
2
grunes Elattgemilse
79
61
5
13
Surveys zeigen. In Groljbritannien wird die mittlere Nitrataufnahme (ohne Getranke) mit 54 mg, die von Vegetariern mit 185-194 mg/Tag angegeben [446]. Es gibt keine Anzeichen dafur, daB die nahrungsbedingte Nitrataufnahme gesundheitsschadlich ist. Im Gegenteil zeichnen sich Vegetarier, also diejenige Bevolkerungsgruppe, die den hochsten Gemuseverzehr und damit die hiichste Nitratzufuhr hat, durch besonders gute Gesundheit aus [447]. Dies hat sicher vielerlei Grunde. Vegetarier leben im allgemeinen besonders gesundheitsbewuljt, rauchen nicht und trinken nicht oder wenig - aber jedenfalls ergibt die Epidemiologie keine Anhaltspunkte fur eine gesundheitsschadliche Wirkung hoher Nitratgehalte in Gemuse. Von 194 Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien (Tabelle 5.3) zeigten 71 % eine negative Korrelation, also ein niedriges Krebsrisiko bei hohem Gemuseverzehr, 13 Yo keinen Einflulj und 16 Yo eine positive Korrelation. Mit Ausnahme der Leguminosen erwiesen sich in der weitaus uberwiegenden Zahl der Untersuchungen entweder bestimmte Gemusearten oder Gemuse und Obst insgesamt als vor Krebserkrankungen schutzend. Am deutlichsten ist dieser Zusammenhang bei Magenkrebs zu erkennen, wo von 31 durchgefuhrten Studien 28 (93 YO)ein geringeres Krebsrisiko bei hohem Obst- und Gemuseverzehr zeigund POTTER[448] werden auch andere ten. In der Ubersicht von STEINMETZ Krebslokalisationen ausfuhrlich berucksichtigt. Auch das Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen wird durch hohen Obst- und Gemuseverzehr deutlich verringert [449]. Bemerkenswerterweise wird im menschlichen Organismus etwa ebensoviel Nitrat gebildet (etwa 1 mg/kg Korpergewicht.Tag), wie mit der Nahrung zugefuhrt wird. Wenn die Nitratzufuhr gering ist, wird sogar mehr Nitrat im Urin ausgeschieden, als mit der Nahrung aufgenommen. Die endogene Nitrutbifdung erfolgt
Nitrataufnahme durch den Menschen
Gebiet geringen Risikos filr Magenkrebs
Gebiet hohen Risikos filr MaQenkrebs
Nitrat
163
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Nitrit
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88
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I
hauptsachlich iiber die Umwandlung von Arginin zu Stickstoffmonoxid und Citrullin durch bestimmte Korperzellen (insbesondere Makrophagen), gefolgt von der Oxidation des NO zu N203und Reaktion des N203mit Wasser zu Nitrit. Letzteres wird durch Hamoglobin schnell zu Nitrat oxidiert. In Langzeitversuchen wurde Natriumnitrat in hoher Dosierung uber das Trinkwasser oder als Bestandteil des Futters an Versuchstiere verabreicht und auf kanzerogene Wirkung gepruft. Als Beispiel fur mehrere Untersuchungen dieser Art sei eine Arbeit japanischer Autoren genannt [450]. Ratten (des Stammes F-344) die 5 % Natriumnitrat im Futter erhielten, entsprechend 2500 mg Natriumnitratl kg Korpergewicht und Tag, erkrankten seltener an Leukamie als die Tiere der ohne Nitratzusatz ernahrten Kontrollgruppe. An Tumoren des blutbildenden Systems waren in der Kontrollgruppe 18 von 50 Mannchen und 14 von 50 Weibchen erkrankt, in der 5 %-Nitrat-Gruppe 1 Mannchen und 1 Weibchen. Bei allen anderen Tumoren gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Kontroll- und Versuchsgruppen. Auch keiner der sonstigen Tierversuche hat Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung von Nitrat geliefert. Einige altere epidemiologische Studien schienen einen Zusammenhang zwischen der Nitratzufuhr und der Haufigkeit von Magenkrebs beim Menschen anzuzeigen. Neuere Untersuchungen haben jedoch entweder keinen Zusammenhang oder eine gunstige Wirkung der Nitrataufnahme ergeben. In Gebieten Englands, die durch besonders hohe oder besonders niedrige Haufigkeit von Magenkrebs auffallen, wurden Nitrat und Nitrit im Speichel von Bewohnern bestimmt. In den Gebieten hohen Risikos wurden im Mittel deutlich geringere Nitrat- und Nitritkonzentrationen gefunden als in den Gebieten geringen Risikos (Tabelle 5.4). In Gemeinden mit hohem Nitratgehalt im Trinkwasser war das Magenkrebsrisiko geringer als in Gemeinden mit geringem Nitratgehalt im Trinkwasser [452]. Bei einer ahnlichen Untersuchung in Wisconsin wurde kein Zusammenhang zwischen Nitratgehalt des Trinkwassers und der Mortalitat durch Magenkrebs festgestellt [453]. Eine Untersuchung an Arbeitern, die zwischen 1946 und 1981 in Nitratdiinger-Fabriken beschaftigt waren, wo die Atemluft uber 10 mg Nitrat/m3 enthielt, zeigte keine erhohte Gesamtsterblichkeit oder Krebssterblichkeit dieser Arbeiter [454]. Die Autoren einer neueren zusammenfassenden Ubersicht kommen zu dem SchluB, ein Zusammenhang zwischen der nahrungsbedingten Aufnahme von Nitrat, Nitrit oder N-Nitrosoverbindungen und des Risikos fur Krebserkrankungen des Magens, Gehirns, der Speiserohre oder des Nasen-Rachenraumes sei durch die epidemiologischen Studien nicht nachgewiesen, konne aber auch nicht
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Diingemittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine
vollig ausgeschlossen werden [455]. ( D a m ist anzumerken, da13 die Abwesenheit eines Zusammenhangs grundsatzlich nicht bewiesen werden kann). Auf der Basis der Tierversuche und der epidemiologischen Studien hat das Joint FAONHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) 1995 festgestellt, daB es keine Anzeichen fur einen Zusammenhang zwischen Nitratexposition und Krebsrisiko gibt und hat Nitrat als nicht gentoxisch eingestuft: ,,No evidence of an association between nitrate exposure and the risk of cancer was found in either toxicological or epidemiological studies, and nitrate was not genotoxic" [456]. Zugleich hat das Komitee den bereits in einer fruheren Beratung festgesetzten ADI-Wert von 5 mg NaN03, entsprechend 3,7 mg NOy/kg Korpergewicht, bestatigt. Unter Hinweis auf gesundheitsfordernde Wirkungen fordern McKnight et al. [Brit.J.Nutrit. 81 (1999) 349-3581 eine grundsatzliche Neubewertung der Rolle des Nitrats in der Ernahrung. Das Nitrat musse vom Stigma der Assoziation mit Nitrosaminen befreit werden.
Nitrit in Lebensmitteln Die tagliche Nitritzufuhr betragt nach alteren Angaben 3-4 mg [446], nach neueren nur 0,25 mg [311]. Zu einem wesentlichen Anteil stammt dieses Nitrit aus gepokeltem Fleisch und Fleischwaren. Als Zusatzstoff darf es nur in Form von Pokelsalz verwendet werden, das aus Kochsalz mit einem Zusatz von 0,4-0,s YO N a N 0 2 besteht. In den Zeiten als in den Fleischereien noch reines Nitrit verarbeitet werden durfte, konnte es vorkommen, dal3 beim Pokeln von Fleisch oder bei der Wurstherstellung die Behalter mit Kochsalz und Nitrit verwechselt wurden und versehentlich viel zu groBe Mengen Nitrit in die Pokelware oder das Wurstbrat gelangten. Das hat noch in den 1950er Jahren zu schweren Vergiftungsfallen gefuhrt. Nitrit ist viel toxischer als Nitrat; der ADI-Wert betragt nur 0,06 mg NOz-/ kg Korpergewicht [456]. Die Giftwirkung von Nitrit besteht vor allem in der Umwandlung des roten Blutfarbstoffs Hamoglobin in Methamoglobin, das nicht in der Lage ist Sauerstoff zu transportieren. Das Enzym Methamoglobinreduktase (= Diaphorase) wandelt Methamoglobin wieder in Hamoglobin um; der Anteil von Methamoglobin im Blut bleibt daher normalerweise bei unter 2 %. Bei hoher Nitritzufuhr kann das Enzym nicht schnell genug Hamoglobin zuruckbilden. Ein Anstieg bis 20 O h Methamoglobin wird noch weitgehend symptomlos vertragen, 50 % sind lebensbedrohend. Epidemiologische Studien haben keine Beziehung zwischen Nitritexposition und Krebsrisiko gezeigt; auch in Tierversuchen zeigte Nitrit keine kanzerogene Wirkung [456], aul3er wenn gleichzeitig Nitrit und nitrosierbare Amine in hoher Dosierung verabreicht wurden [457]. Im menschlichen Organismus werden etwa 25 % des aus der Nahrung resorbierten Nitrats in den Speichel sezerniert, bis zu 7 9'0 werden in der Mundhohle innerhalb 24 Stunden durch Einwirkung der Nitratreduktase von Bakterien zu Nitrit reduziert und mit dem Speichel in den Magen befordert. Etwa 90 % der Gesamtmenge des in den Verdauungstrakt gelangenden Nitrits stammen aus der Nitratreduktion.
Endogene Nitrosaminbildung
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Endogene Nitrosaminbildung Im Ernahrungsbericht 1976 ([254], S. 279) stand, es sollten alle realisierbaren Ma& nahmen ergriffen werden, um den Nitrat- und Nitritgehalt der Lebensmittel herabzusetzen. Man hatte damals erkannt, darj Nitrit (NO,) mit in der Nahrung enthaltenen sekundaren Aminen gemal3 Formelbild 5.1 zu N-Nitrosaminen reagieren kann (der tatsachlich kompliziertere Reaktionsablauf wird hier vereinfacht dargestellt). In Tierversuchen hatte sich N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bereits in den 50er Jahren als hochgradig kanzerogen erwiesen und in den folgenden Jahren zeigten auch andere Nitrosamine eine je nach den Substituenten R und R' sehr unterschiedlich ausgepragte krebserregende Wirkung. Vom NDMA genugen 10 pg/kg Futter, um bei der Maus Tumore zu verursachen. Das in gepokelten Fleischwaren gefundene Nitrosopyrrolidin hat dagegen nur etwa M O O der Krebswirksamkeit des NDMA. Da ein Teil des mit der Nahrung aufgenommenen Nitrats im menschlichen Organismus zu Nitrit reduziert wird, erschien es damals im Interesse des vorbeugenden Gesundheitsschutzes richtig und notwendig, die Nitratexposition zu minimieren. Allerdings hatten DOLLund PETObereits in ihrer bahnbrechenden Veroffentlichung von 1981 geschrieben: ,,Es gibt wenig Anzeichen dafur, darj Nitrate, Nitrite oder nitrosierbare Verbindungen in der Nahrung zur Entstehung von Magenkrebs oder irgend einer anderen Art von Krebs beitragen - aber vielleicht liegt das nur am Mange1 geeigneter Daten zu diesem Thema" [458]. Inzwischen liegen viele weitere Daten vor, die ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen Nitratzufuhr und Krebsrisiko erkennen lassen [446, 4561. Eine endogene Nitrosaminbildung aus von Nitrat stammendem Nitrit kann zweifellos stattfinden, vor allem wenn die Nahrung einen hohen Amingehalt hat [459]. Aber sie scheint keine oder keine bedeutende gesundheitsschadigende Wirkung auszuuben, vermutlich weil sie durch in der Nahrung enthaltene Nitrosierungs-Inhibitoren (wie Vitamin C, Vitamin E, Polyphenole) unterdruckt wird. Diese Auffassung wird durch neuere Arbeiten gestarkt, die einen nichtlinearen Verlauf der Dosis-Wirkungskurve - also das Vorhandensein einer Dosisschwelle - bei Nitrosierungsreaktionen festgestellt haben [57]. Bei bestimmten Erkrankungen kann eine verstarkte Nitrosierung im Gefolge bakterieller Infektionen, zum Beispiel in der Harnblase oder im achlorhydrischen (saurearmen) Magen stattfinden. Die klinische Relevanz dieser Beobachtung ist jedoch noch unklar [460]. Der Zurcher SCHLATTER schrieb schon 1983, er sei der Meinung, darj die Toxikologe CHRISTIAN endogene Nitrosaminbildung ,,absolut zu vernachlassigen" ist [181]. Im ErnahBildung von Nitrosaminen 2HNOz N203 + H20
R; /
N-H
+ N203
R Sekundares Amin
-
R' \
/
N-N=O
+ HN02
R N-Nitrosamin
Forrnelbild 5.1: Reaktionsschema der Entstehung von Nitrosaminen
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Diingemittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine
rungsbericht 1996 wird die endogene Nitrosierung als praktisch bedeutungsfos bezeichnet ([log], S.144). Dal3 man iiberhaupt die in vivo-Bildung von Nitrosaminspuren nachweisen kann, ist der von FINEund ROUNBEHLER in USA entwikkelten Methode der gaschromatographischen Auftrennung und Bestimmung mittels thermal energy analyzer [461]zu verdanken, rnit der beim Einsatz von 20 g Probenmaterial noch 0,002pg Nitrosamine nachgewiesen werden konnen. Die umfangreichen Forschungsergebnisse der letzten Jahre liefern jedenfalls keinen Grund, dem Nitratgehalt der Nahrung mit den gleichen Bedenken zu begegnen, die 1976 gerechtfertigt waren. Zur Frage, ob eine Festsetzung von Hochstmengen fur Nitrat in Gemuse erforderlich sei, sagte der britische Krebsforscher SIR RICHARDDOLL,der sich intensiv rnit dem Nitrat-Nitrit-NitrosamineThema beschaftigt hat, er sehe keine Notwendigkeit fur weitere burokratische MaBnahmen zur Kontrolle der Nitratgehalte von Gemuse; es gebe schon mehr als genug Vorschriften in der Europaischen Gemeinschaft und die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse rechtfertigten keine weitere MaBnahme dieser Art [462].Wenn die E G Kommission es trotzdem fur richtig gehalten hat, durch die Verordnung 194/97vom 31.1.1997Hochstmengen fur Nitrat in Salat und Spinat festzulegen, so mag es dafiir politische Grunde geben, eine uberzeugende wissenschaftliche Begrundung gibt es nicht. Nach den Motiven fur den ErlaB dieser Verordnung befragt, antwortete ein damit befal3ter EU-Beamter: ,,Druck aus Deutschland". Auf die gleiche Frage sagte ein zustandiger deutscher Beamter: ,,Druck der Verbra~cherverbande".~'
Exogene Nitrosaminbildung Wahrend die Nitratzufuhr durch den gestiegenen Gemiiseverzehr in den letzten Jahrzehnten vermutlich zugenommen hat, hat die Verwendung von Nitrat und Nitrit als Pokelhilfsstoffe abgenommen, da heute vie1 milder gepokelt wird als in der Vergangenheit. In bestimmten Fleischwaren wurden um 1970 Nitritgehalte von 10-50, in Ausnahmefallen bis zu 300 mg/kg gefunden, im Ernahrungsbericht 1988 ([206],S.97) dagegen wurden Gehalte von 3,s-28 mg/kg angegeben. In den Vereinigten Staaten hat der mittlere Nitritgehalt gepokelter Produkte von 185 mg/ kg im Jahre 1925 auf 10 mg/kg im Jahre 1981 abgenomrnen [463].Als Folge verbesserter Pokeltechnologie (weniger Nitrit, Zusatz von Ascorbinsaure) hat auch der Nitrosarningehaft von Pokelware abgenommen. So hat sich in den Niederlanden der NDMA-Gehalt (N-Nitrosodimethylamin) von gepokelten Fleischwaren von 1,4pg/kg in den Jahren 1975/79 auf unter 0,l pg/kg im Jahre 1986 vermindert. Die Tageszufuhr rnit der Gesarntnahrung betragt weniger als 0,l pg [329]. In Deutschland wurde Bier als wesentliche Quelle von N-Nitrosoverbindungen in der Nahrung erkannt [464].Ursache fur dieses Vorkommen war die Reaktion
*'
In manchen Regionen gibt es durch Uberdungung - sei es mit Gullc oder rnit Mineraldunger zu hohe Stickstoffgchalte in den Boden, was zu erhohten Nitratgehalten im Grundwasser fuhren kann. Die Wasserwerke haben dort Schwierigkeiten, den Grenzwert von SO mg Nitrat/L Trinkwasser einzuhalten. Die Festsetzung von Nitrathochstwerten fur Kopfsalat und Spinat ist aber sicher nicht der richtige Weg, urn dieses Problem zu losen
Methamoglobinamie
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von im Malz vorhandenen Aminen mit Stickoxiden, die in den Brennern der Trocknungsanlagen aus Luftstickstoff gebildet wurden. Der Ubergang von offenen zu geschlossenen Anlagen fur die Malzdarre hat den NDMA-Gehalt von Bier auf etwa 1/10 reduziert. Die gesamte alimentare NDMA-Zufuhr hat in der Bundesrepublik Deutschland von 1 yglPerson und Tag im Jahre 1979 auf unter 0,3 pg im Jahre 1990 abgenommen [465]. Eine neuere Arbeit aus Finnland gibt eine mittlere NDMA-Zufuhr von 0,05 p o a g an [466]. Zweifellos sind in der Nahrung vorhandene N-Nitrosoverbindungen als Risikofaktor fur die Krebsentstehung beim Menschen zu betrachten. Wie hoch das Risiko eingeschatzt werden sollte, ist trotz zwei Jahrzehnte andauernder intensiver Forschung auf diesem Gebiet bis heute unklar. Die Anfang der 80er Jahre geauljerte Vermutung, der Verzehr von gepokelten Fleischwaren erhohe das Krebsrisiko von Kindern, konnte in zahlreichen epidemiologischen Studien nicht bestatigt werden [467]. Mit Sicherheit ist das Risiko heute deutlich geringer als vor 20 Jahren, da seither der Nitrosamingehalt der Nahrung erheblich gesenkt werden konnte. Die amerikanischen Nitrosaminforscher LEAFund TANNENBAUM meinen: ,,Obwohl N-Nitrosoverbindungen potente Toxine sind, gibt es keine Anzeichen dafur, dalj ihr spurenweises Vorhandensein in einer Nahrung, die frisches Obst und Gemuse enthalt, irgendwelche schadlichen Wirkungen auf den Menschen ausubt" [468].
Methamoglobinamie Weitere Bedenken gegen Nitrat in Gemuse beruhen auf der Beobachtung, dalj Nitrat durch Bakterien auch exogen zu Nitrit reduziert werden kann, 2.B. in einem nicht gekuhlt aufbewahrten Spinatgericht, und Nitrit die gefurchtete Muglingsbluusucht (Cyanose, Methamoglobinamie) verursacht. Tatsachlich gab es in den 1950er Jahren zahlreiche Falle dieser Krankheit, haufig mit todlichem Ausgang. In einer Erhebung in den Jahren 1956 bis 1963, die sich auf 745 Falle stutzte, zeigten SIMONet al. [469], daB Methamoglobinamie fast ausschlieljlich bei Sauglingen im Alter von bis zu drei Monaten auftrat. In diesem Alter reagiert das Hamoglobin besonders leicht mit Nitrit zu Methamoglobin. AuBerdem ist in diesem Alter die Methamoglobinreduktase noch wenig aktiv. Der entscheidende Faktor bei der Entstehung der Sauglingsblausucht war jedoch die Nitratkonzentration im Trinkwasser. In Rheinhessen wurden 1953 in groBen Wasserwerken Nitratgehalte von bis zu 190 mg/L gefunden. Im Moseltal gab es noch in den 60er Jahren Wasserwerke, die um 300 mg/L lieferten. Nicht an eine Trinkwasserversorgung angeschlossene Gehofte benutzten nicht selten Brunnenwasser, das noch hohere Konzentrationen enthielt. Wenn mit stark nitrathaltigem Wasser zubereitete Sauglingsmilch, Tees, Suppen usw. einige Stunden ungekuhlt oder gar am Rande damals noch ublicher holz- oder kohlebefeuerter Kuchenherde warmgehalten wurden, konnten sich durch Wachstum nitratreduzierender Bakterien sehr hohe Nitritkonzentrationen bilden, wahrend bei Aufbewahrung im Kuhlschrank (4 "C)kein Nitrit entstand [470]. Kuhlschranke waren damals in vielen Haushalten noch nicht vorhanden. Nach der Trinkwasser-Verordnung von 1975 durfte Trinkwasser den Grenzwert von 90 mg Nitrat/L nicht uberschreiten. Das Bundesgesundheitsamt stellte 1986
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Diingemittel, Nitrat, Nitrit, Nitrosamine
fest: ,,Im Trinkwasser enthaltenes Nitrat hat in Konzentrationen bis zum fruheren Grenzwert von 90 mg/L zu keiner nachweisbaren Gesundheitsschadigung der Bevolkerung gefuhrt. In den letzten 20 Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland kein Fall von Sauglingsblausucht, verursacht durch Nitrat im Trinkwasser, in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden" [471]. Trotzdem wurde durch die Trinkwasser-Verordnung von 1986 der Grenzwert im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes auf 50 mg/L herabgesetzt. Auch in jungerer Zeit ist kein Fall von nitratbedingter Sauglingsmethamoglobinamie bekannt geworden. Da Sauglingen im Alter von bis zu drei Monaten im allgemeinen kein Gemuse gegeben wird, kann der Nitratgehalt von Gemuse beim Auftreten der Sauglingsblausucht nur in seltenen Fallen eine Rolle gespielt haben. Entscheidende Ursache der Erkrankungs- und Todesfalle in den 50er Jahren war die Zubereitung der Sauglingsmilch mit stark nitrathaltigem Wasser und die ungekuhlte Aufbewahrung solcher Milch.
Der ADI-Wert fur Nitrat Als weiteres Argument fur die Festsetzung von Nitrathochstwerten in Gemuse wird gesagt, der durch FAO/WHO festgesetzte AD1 von 5 mg Natriumnitrat/kg Korpergewicht erlaube fur eine 60 kg schwere Person eine tagliche Aufnahme von nur 300 mg Natriumnitrat oder 222 mg NO3-.Diese Grenze werde bei Verzehr von stark nitrathaltigem Gemuse uberschritten und dies sei gesundheitlich bedenklich. Hier wird ubersehen, dal3 das ADI-Konzept zur Risikobewertung von Lebensmittelzusatzstoffen und Pestizidruckstanden eingefuhrt wurde, nicht zur Bewertung naturlich vorkommender Inhaltsstoffe der Lebensmittel. Wie in Kap. 2 beschrieben, wird der ADI-Wert im allgemeinen als 1/100 der im Tierversuch wirkungslosen Dosis ( n o effect level, NOEL) festgesetzt. Bei Zusatzstoffen und Pestizidruckstanden kann man sich diesen hohen Sicherheitsabstand leisten. Kann der geforderte 1:100 Abstand nicht eingehalten werden, wird der betreffende Stoff nicht zugelassen. Wurde man jedoch dieses Prinzip auf naturliche Inhaltsstoffe der Lebensmittel anwenden, so hatte man nicht mehr vie1 zu essen. Da Nitrat als Zusatzstoffbeirn Pokeln verwendet wird, muljte es einen ADI-Wert erhalten. Diesen AD1 auf naturlicherweise in Gemuse enthaltenes Nitrat anzuwenden, ist nicht zweckmaBig. Die hollandischen Nitrosaminforscher ELLENund SCHULLER beschwerten sich schon vor Jahren: ,,Obwohl es nicht sinnvoll ist, die gesamte nahrungsbedingte Nitrat- und Nitritaufnahme mit den ADT-Werten zu vergleichen, geschieht dies in der Literatur immer wieder" [472]. Das FAOIWHOKomitee hat in seinem Bericht ausdrucklich gesagt: ,,Das Komitee betrachtet es als unzulassig, die Nitratzufuhr aus Gemuse direkt mit dem ADI-Wert zu vergleichen und daraus Hochstwerte fur Nitratgehalte von Gemuse abzuleiten" [456].
Unnotige Warnungen an Verbraucher
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Unnotige Warnungen an Verbraucher Unter diesen Umstanden ist nicht einzusehen, warum Verbraucher immer wieder vor einer zu hohen Nitrataufnahme gewarnt werden und gesagt bekommen, was sie alles beachten sollten, um die Nitratzufuhr zu minimieren. Es muB Verbraucher verwirren, wenn man ihnen einerseits sagt, gefundene Nitratgehalte von Gemiise wiirden ,,nicht als gesundheitlich bedenklich eingestuft" und sie andererseits warnt ,,Dennoch sollten unnotige Belastungen, wo immer moglich, vermieden werden", wie dies in einer Pressemitteilung des BgVV geschehen ist [473]. Wie kann etwas gesundheitlich unbedenklich sein - aber zugleich eine Belastung, die man vermeiden soll? (Zur inflationaren Verwendung dieses Begriffs siehe Kap. 9). Die immer wieder zu horende Empfehlung, man solle nur Obst und Gemiise der Saison kaufen, wird einerseits mit der Feststellung begrundet, daB bestimmte Gemuse aus Gewachshausern hohere Nitratgehalte haben als bei Freilandanbau, und daB andererseits Obst und Gemuse der heimischen Saison seltener und weniger mit Pflanzenschutzmitteln belastet seien als die in anderen Monaten erhaltliche Importware [474]. Diese Empfehlung ist aus mehreren Grunden nicht zweckdienlich. - Erstens kann sie vom Verbraucher kaum befolgt werden. Die Erntesaison in Deutschland beschrankt sich, wenn man von einigen mengenmaBig wenig bedeutenden Produkten wie Grunkohl, Lauch und Rosenkohl absieht, auf die Zeit von Mai bis Oktober. Sollen deutsche Verbraucher in den ubrigen Monaten auf Frischobst und -gemuse verzichten? Irgendwann ist irgendwo - in Italien, in Israel, auf den Kanarischen Inseln, in Siidafrika - Erntesaison. Den Erzeugnissen oder den Behaltern, aus denen sie verkauft werden, ist meist nicht anzusehen, woher sie geliefert wurden. Oft weiB das auch der Handler nicht. Und selbst wenn man die Herkunft feststellen konnte, wer weiB schon, wann in Sizilien oder Israel oder Marokko Saison fur welche Produkte ist? Gewachshauser gibt es auch in Italien und Israel. Feldsalat wird am Oberrhein manchma1 bis in den Januar vom Freiland geerntet. Gleichzeitig ist Feldsalat aus Treibhausern in Deutschland oder den Niederlanden im Angebot. Der Verbraucher ist mit der Empfehlung zum saisongerechten Einkauf haufig uberfordert. - Zweitens wurde eine Befolgung der Empfehlung, wenn sie denn moglich ware, die Zufuhr von Nitrat oder Fungizidruckstanden wenig beeinflussen. Es zeigen keineswegs alle Gemiisearten einen jahreszeitlichen EinfluS auf den Nitratgehalt2'. Durch Verzicht auf bestimmte Gemusearten auBerhalb der heimischen Erntezeit konnte die Gesamtnitratzufuhr nur um wenige Prozent vermindert werden. Wie bereits erwahnt (Kap. 3), sind die PSM-Ruckstande in Freilandund Unterglasprodukten so niedrig, daB die ADI-Werte zu weniger als 1 % ausgeschopft werden. Gesundheitlich kann es keine Rolle spielen, ob es durch besondere Sorgfalt beim Einkauf moglich ware, diesen Wert auf 0,8 oder 0,5 % zu drucken.
** Eine Studie britischer Autoren bestatigt einen saisonalen EinfluS auf Nitratgehalte
in Kopfsalat, nicht jedoch in Spinat [475]. Bei einer Gesamtnahrungsstudie in Bayern wurde kein saisonaler EinfluS auf die Nitratzufuhr beobachtet [112]
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Drittens ist die Empfehlung geeignet, den Verbraucher zu verunsichern. Wenn die Verbraucher selbst Mafinahmen ergreifen mussen, um ihre ,,Belastung" zu verringern, dann heirjt dies doch, dal3 die lebensmittelrechtlichen Vorschriften und die staatliche Lebensmittelkontrolle keinen ausreichenden Schutz bieten. - Viertens besteht sogar die Gefahr, darj manche Verbraucher ihren Obst- und Gemusekonsum in den Winter- und Fruhjahrsmonaten einschranken, weil sie furchten, sich sonst mit Nitrat und Pestizidriickstanden zu ,,belasten". Damit ware das Gegenteil von dem erreicht, was die Ernahrungswissenschaft fordert, namlich den taglichen Obst- und Gernuseverzehr auf mindestens 400 g zu erhohen [476]. In einer von allen Verbraucherzentralen angebotenen Broschure [477] werden unter der Uberschrift ,,Was konnen Sie tun?" 22 (!) Verhaltensregeln gegeben, die es dem Verbraucher ermoglichen sollen, seine Nitrat-/Nitritbelastung zu verringern. Die erste lautet ,,Schranken Sie den Verzehr von nitratanreichernden pflanzlichen Lebensmitteln wie Radieschen, Rettich, Spinat, Kopf- und Feldsalat ein, besonders in den Wintermonaten". Weiter heiljt es ,,Bevorzugen Sie beim Einkauf Gemuse der Saison" und ,,Verzichten Sie wegen der langeren und moglicherweise ungunstigen Lagerung auf Gemuse aus dem Ausland". Eine gesundheitsfordernde Wirkung ist von der Befolgung dieser Empfehlungen nicht zu erwarten. Sie beruhen auf Befiirchtungen, die in den 70er Jahren begrundet gewesen sein mogen, die jedoch nicht mehr berechtigt sind. Dagegen sind diese Empfehlungen sehr wohl geeignet, den Gemuseverzehr zu verringern und damit gesundheitliche Nachteile zu bewirken. Die 12monatige Verfugbarkeit von frischem Obst und Gemuse ist aus ernahrungswissenschaftlicher Sicht ein Segen, von dem man zu jeder Jahreszeit reichlich Gebrauch machen sollte [478,479]. Bei den Ernahrungsempfehlungen aller wissenschaftlichen Organisationen, die solche Ernpfehlungen herausgegeben haben, spielt der Rat zu einem ganzjahrigen hohen Obst- und Gemiiseverzehr eine prominente Rolle.''
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'' In den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung Vollwertig Essen und Trinken lautete schon vor Jahren eine der Regeln: Reichlich Gemuse, Kartoffeln und Obst. Diese Lehensmittel gehiiren in den Mittelpunkt Ihrer Ernahrung....Taglich mindestens 200 g Gemiise, eine Portion Saki von ca. 7 5 g und ein Stuck Obst mit 150 g. Nach den 1997 veroffentlichten Ernahrungsempfehlungen des World Cancer Research Fund und des American Institute ,hr Cancer Research ([430], S. 522) sol1 man sogar taglich 400-800 g Gemuse und Obst verzehren. Neuerdings hat die DGE ihre Verzehrsempfehlung auf 200 g Gemuse gegart, 100 g Gemiise roh, 75 g Salat und 250-300 g Obst gesteigert - taglich und das game Jahr iiber![480]. In Deutschland ware dies bei Beschrankung auf Produkte der heimischen Saison unmoglich zu erreichen
6 In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
Verarbeitung und gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel Skepsis gegenuber der gesundheitlichen Qualitat verarbeiteter Lebensmittel, bis hin zur Ablehnung jeglicher industrieller Verarbeitung und selbst des Kochens, Bratens und Backens im Haushalt, gibt es wohl in allen Zivilisationen. Sie ist im deutschsprachigen Raum tief verwurzelt in der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts, die eine Erneuerung der gesamten Lebensfuhrung anstrebte, um der fortschreitenden Gesundheitsgefahrdung des modernen Menschen durch Zivilisationsschaden entgegenzuwirken (V. PRIESSNITZ, Pfarrer KNEIPP,die Bruder JUST, Pastor FELKEu.a.). Die Lebensreform mi13traute der an Zahl und Ma13 gebundenen rationalen Wissenschaft und hielt die schlichte, unvoreingenommene Erfahrung fur den richtigen Weg zum wirklichen Leben. Die Bemuhungen der Reformer galten, neben Kleidung, Wohnung und allgemeiner Gesundheitspflege, ganz besonders der Bewahrung des Nutiirlichen in der Kost [481]. Vegetarismus BALTZER und Rohkost spielten dabei eine wichtige Rolle. Der Pfarrer EDUARD grundete 1867 den ,,Verein fur naturgemaoe Lebensweise". Sein 1869 erschienenes Buch hat den vielsagenden Titel ,,Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung". Ganz in der Tradition der Reformbewegung sah der Zurcher Arzt M. 0. BIRCHER-BENNER (1867-1939) in Vegetabilien ,,Sonnenlichtakkumulatoren hochster Energiespannung" und betrachtete speziell grune Blatter, Fruchte und Getreidekorner als ,,wertvollste Nahrungsintegrale". Der Hygieniker WERNERKOLLATH (1892-1970) forderte 1942 einen ,,noch originalen Ordnungsverbund der Lebensmittel" und nahm eine Einteilung der Lebensmittel in sechs Wertstufen vor. Rohobst, Rohgemuse, Nusse, Samen, Getreidekorner und Rohmilch erhielten als ,,lebende Lebensmittel" die hochste Einstufung. Mit zunehmendem Verarbeitungsgrad (zunehmender ,,Denaturierung") wurden andere Erzeugnisse niedrigeren Wertstufen zugeordnet und in den unteren Stufen als ,,tote Nahrungsmittel" bezeichnet. Die Naturbelassenheit, die Ganzheit war fur
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
KOLLATH das entscheidende Kriterion der Qualitat. In neuerer Zeit sind im GieBener Arbeitskreis von LEITZMANN [482] die Vorstellungen KOLLATHS modifiziert worden. Die von diesen Autoren empfohlene Volfwert-Ernuhrungdarf zu immerhin 50% aus erhitzten Lebensmitteln bestehen und darf Milch und Milchprodukte, Eier, Fisch und (in maBigen Mengen) auch Fleisch enthalten. Die Forderung nach weitestgehender Naturbelassenheit wird beibehalten. Statt in sechs werden die Lebensmittel in vier Wertstufen eingeteilt, die von ,,sehr empfehlenswert" (Rohprodukte) bis ,,nicht empfehlenswert" (isolierte Stoffe, wie Starke und Zucker) reichen. Es gibt weiterhin Anhanger einer strikten Rohkosternahrung in den verschiedensten Varianten, von der veganen Rohkost nach WANDMAKER bis zur Instinktotherapie nach BURGER,die den Verzehr von rohem Fleisch einschliel3t [483]. Bei KOLLATH und seinen Anhangern sind die durch Verarbeitung bedingten Verluste an bekannten und an noch unerforschten essentiellen Nahrstoffen das Hauptargument fur eine moglichst weitgehende Erhaltung der Naturbelassenheit. EICHHOLTZ ging einen Schritt weiter, indem er dem von ALEXANDER vertretenen Standpunkt beipflichtete: ,,Je mehr unsere Lebensmittel gegenuber dem naturlichen Zustande verandert werden, um so gefahrlicher sind sie" ([lo] S. 147). Die Sorge um ungenugenden Nahrwert wird zur Furcht vor toxischen Wirkungen. Seither sind diese Befurchtungen durch zahlreiche Veroffentlichungen wachgehalten und verstarkt worden, von denen der in Kap. 1 erwahnte Bestseller IJ? und stirb [ 131 ein notorisches Beispiel ist. Die Journalistin ANNELIESE FURTMAYRSCHUHvertritt die These, Hauptverursacher der Zivilisationskrankheiten, wie Ubergewicht, Krebs, Herzinfarkt, Grauer Star, Alzheimersche Krankheit und Parkinsonsche Schuttellahmung seien die industriell verarbeiteten Lebensmittel [484]. Der Journalist HANS-ULRICH GRIMM behauptet: ,,Weil immer mehr Menschen industriell gefertigte Lebensmittel verzehren, breiten sich die Mangelerscheinungen aus.... Fur immer mehr Menschen wird der Besuch im Supermarkt zu einem Gesundheitsrisiko" [485]. Sachliche Griinde fur diese Behauptungen werden in dem einen Buch so wenig geliefert wie in dem anderen. Wie stark zunachst die Abneigung gegen jede Neuerung auf dem Gebiet der Lebensmitteltechnik ist und wie sehr diese Aversion auf Ideologie und auf Emotion statt auf uberprufbaren Fakten beruht, zeigt die historische Erfahrung. Nachdem der Pariser Koch NICOLAS APPERT1809 von NAPOLEON einen Preis fur die Erfindung der Hitzesterilisierung von Lebensmitteln erhalten hatte, dauerte es fast hundert Jahre, bis Konserven auf dem zivilen Markt eine bedeutende Rolle spielten. Das lag anfangs an technischen Schwierigkeiten bei der Produktion, spater vor allem an hartnackigen Gegnern, die den Verzehr von Konserven fur alle Arten von Gesundheitsschaden, von Schwindsucht bis zu Krebs, verantwortlich machten. FuB fassen konnte die Konservenindustrie zuerst in GroBbritannien, wo die Kriegs- und Handelsflotte und zahlreiche Garnisonen britischer Truppen in den Kolonien den entstehenden Konservenfabriken einen Absatzmarkt sicherten. Ahnliche Widerstande gab es gegen die Einfuhrung der Gefrierkost. In einem Informationsblatt der Kaltetechnischen Gesellschaft zu Hamburg vom Juni 1915 hieB es: ,,In einigen Stadten reden unverstandige Kreise mit Beharrlichkeit von schlechten Erfahrungen mit Gefrierfleisch und verbreiten haltlose Geruchte; hiergegen muB energisch Front gemacht werden, insbesondere durch offizielle
Verarbeitung und gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel
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Bekanntgabe der Erfahrungen in den einzelnen Orten, bevor eine Beunruhigung in die Bevolkerung getragen wird". Es dauerte dann noch Jahrzehnte, bis Tiefkuhlkost in grol3em Umfang von den Verbrauchern akzeptiert wurde. Aber auch heute kursieren noch Schriften, die gefrorene ebenso wie konservierte Erzeugnisse als ,,tote Nahrungsmittel" im Sinne von KOLLATH ablehnen. Auch gegen ein so praktisches und produktschonendes Verfahren wie das Erhitzen im Mikrowellenofen wird von einzelnen Warnern immer wieder Stellung bezogen. Obwohl alle einschlagigen Fachgremien die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Verzehrs mikrowellenerhitzter Lebensmittel bestatigt haben, finden sich Redaktionen, die AuSenseitern Gelegenheit geben, ihre durch nichts belegten Behauptungen in Fernsehsendungen oder illustrierten Zeitschriften zu verbreiten. Die absurdesten Formen hat der Widerstand gegen die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen in Deutschland angenommen, wo die Verbraucherschaft durch falsche Begriffe wie ,,radioaktive Bestrahlung" oder ,,verstrahlte Lebensmittel" in die Irre gefuhrt wird. Der Verfasser hat dieses Thema an anderer Stelle ausfuhrlich behandelt [486]. Auch wenn jede technische Neuerung zunachst bekampft wird - auf dem Lebensmittelsektor erbitterter als auf jedem anderen - letztendlich uberwiegt bei den meisten Verbrauchern doch der Wunsch, sich die technischen Neuerungen zunutze zu machen. Statt Rohware zu kaufen und sie in mehr oder weniger zeitund arbeitsaufwendiger Weise selbst zuzubereiten, greifen die Konsumenten immer mehr zu industriell vorbereiteter Kost, den sogenannten Convenience Produkten. In einer Meldung unter der Uberschrift ,,Zum Kochen keine Zeit mehr", heil3t es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN vom 20. August 1998 uber die Ergebnisse einer Verbraucheranalyse in Hamburg: ,,Die Zeit fur das aufwendige Kochen scheint immer geringer bemessen zu sein; Fertigprodukte landen dafur immer haufiger in deutschen Kochtopfen und Backofen ..... Die leichte und schnelle Zubereitung hat sich zum wichtigsten Argument fur den Kauf entwikkelt". Den damit verbundenen Verlust an El3kultur mag man beklagen, das Rad der Geschichte la& sich jedoch nicht zuruckdrehen. Die weitgehende Verlagerung der Kuchenarbeit in die Betriebe der Lebensmittelindustrie war eine der Voraussetzungen fur die Emanzipation der Frau. Wer kann, wer mag voll berufstatig sein und dann noch 2-3 Stunden taglich mit Kuchenarbeit verbringen? Im ubrigen wird niemand gezwungen, die Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie zu verwenden. Wer Freude am Kochen und Backen hat und bereit ist, sich die Zeit fur die Zubereitung aus Rohware zu nehmen, findet alles was er dam benotigt in reicher Auswahl. In nicht wenigen Haushalten werden beide Moglichkeiten genutzt: moglichst geringer Zeitaufwand an Werktagen, grol3es Kochen und Bakken am Wochenende und an Feiertagen. Von der uberwiegenden Zahl deutscher Verbraucher (in anderen Industrielandern ist es nicht anders) werden jedenfalls die Thesen KOLLATHS nicht befolgt, auch nicht in der abgemilderten GieSener Version. Auch wenn es die verstarkte Berufstatigkeit der Frau nicht gabe, hatte die zunehmende Urbanisierung eine wachsende Bedeutung der industriellen Lebensmittelbe- und -verarbeitung mit sich gebracht. Ohne Kuhlen, Tiefgefrieren, Pasteurisieren, Sterilisieren und die entsprechenden Transport- und Lagermoglichkeiten ware eine ausreichende Versorgung der grofistadtischen Ballungsgebiete nicht moglich. Auf der Welt gibt es
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
heute 41 Stadte mit uber 5 Millionen Einwohnern. Nach Vorhersagen der Vereinten Nationen werden es im Jahre 201 5 iiber 60 sein. Die Einsicht, dal3 industriell verarbeitete Produkte fur Erzeuger und Verbraucher niitzlich sein konnen, scheint sich im iibrigen auch unter denjenigen auszubreiten, die friiher strikt gegen die ,,Zerstorung der Ganzheit" der Lebensmittel waren. Im Hausblatt der Demeter-Bewegung wird Verarbeitung jetzt als Veredelungsprozel3 bezeichnet und unter den uber 3000 Erzeugnissen der Demeter-Produktliste findet man nicht nur Brote, Safte und Rohmilchkase, sondern auch geraucherte Wurste, Miisli-Riegel und ,,trendige Food-Kreationen" wie TiefkiihlLasagne und Pommes aus der Tiite. ,,Demeter darf nicht verharren in alten Prinzipien, sondern mu8 in den Herausforderungen der Zeit eigene MaBstabe setzen" [487].
Nahrwertverluste Durch Verarbeitung, ja schon durch Aufbewahrung bei Kuhltemperatur oder erst recht bei Raumtemperatur, kiinnen erhebliche Nahrwertverluste eintreten. Manche Vitamine sind empfindlich gegen Einwirkung von Hitze und Luftsauerstoff; wasserlosliche Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe werden durch Waschen und Kochen teilweise ausgelaugt und gehen verloren, wenn die Kochbriihe nicht verwendet wird; die biologische Wertigkeit von Proteinen kann durch Erhitzen vermindert werden. Diese Vorgange sind eingehend untersucht worden, und die lebensmitteltechnologische Forschung hat sich seit langer Zeit und mit grol3em Erfolg bemiiht, Verarbeitungsbedingungen zu finden, durch die solche Verluste minimiert werden [488-4901. Die praktische Nutzung dieser Erkenntnisse erfordert Kontroll- und Steuerungssysteme, wie sie im Haushalt nicht einsetzbar sind. Auch unsere Vorfahren muBten Lebensmittel verarbeiten, um iiber den Winter zu kommen. Pokeln, Salzen, Rauchern, Trocknen, Fermentieren und Sterilisieren durch Hitze wurden unter Bedingungen durchgefiihrt, die der Vitaminerhaltung durchaus nicht zutraglich waren. Vom Gesichtspunkt der Vitaminerhaltung ware der Verzehr von Obst und Gemiise direkt nach der Ernte ideal. Aber wie groB ist der Prozentsatz der Verbraucher, die heute noch iiber einen Garten verfiigen? Ernten konnen die Gartenbesitzer in unseren Breiten nur einige Monate im Jahr. In der iibrigen Zeit sind auch sie auf gelagerte, haltbargemachte oder von weit her transportierte Lebensmittel angewiesen. Bei der industriellen Lebensmittelverarbeitung wird heute - jedenfalls bei Herstellern von Markenartikeln - konsequent auf Bedingungen geachtet, die moglichst geringe Nahrstoffverluste bewirken. Das friiher iibliche Blanchieren in heiBern Wasser, das zu erheblichen Auslaugverlusten fiihrte, ist weitgehend durch das schonendere Dampfblanchieren ersetzt worden. Schnelle Kiihlung und Weiterverarbeitung nach der Ernte sorgen ebenfalls fur gute Erhaltung der Vitamine [491]. Tiefgefrorene Lebensmittel sind beziiglich Nahrwert verzehrsfertigen Produkten, die aus frischer Ware hergestellt wurden, praktisch gleichwertig und oft sogar iiberlegen [492]. Auch die industrielle Hitzesterilisierung wurde sehr verbessert. Hier kommt es darauf an, zwar stark genug zu erhitzen, um vorhandene Mikro-
Nahnvertverluste
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organismen abzutoten, aber andererseits moglichst wenig zu erhitzen, um Vitamine, biologische Wertigkeit der Proteine und sensorische Qualitat zu erhalten. Diesem Ziel dienen die in neuerer Zeit entwickelten Verfahren der Hochtemperatur-Kurzzeit-Erhitzung (HTST, high temperature short time). Auch bei den Trocknungsverfahren sind grol3e Fortschritte in der Qualitatserhaltung erzielt worden. Erhebliche Verluste an wichtigen Inhaltsstoffen entstehen durch die Herstellung von WeiBmehl aus Weizenkornern. Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine und Ballaststoffe sind vor allem in den AuBenschichten des Korns enthalten, die durch den Mahlvorgang weitgehend entfernt werden und als Kleie hauptsachlich in die Viehfutterung wandern. Nicht nur die Analyse sondern auch epidemiologische Untersuchungen [493J sprechen dafur, daB Vollkornprodukte erniihrungsphysiologisch wertvoller sind als WeiBmehlprodukte. Den Befurwortern der Vollwertkost dient dies als klassisches Beispiel fur die Nachteile der Verarbeitung. Man braucht aber die Bevorzugung des Vollkornbrotes nicht zum Dogma zu erheben. Wer auf WeiBmehlerzeugnisse nicht verzichten mochte, kann seinen Bedarf an lebenswichtigen Nahrstoffen und Ballaststoffen auch durch erhohte Zufuhr von Obst und Gemuse decken, wie die Erfahrung in den Mittelmeerlandern zeigt, in denen man Vollkornbrot kaum kennt und deren Bewohner nicht weniger gesund sind als die Mitteleuropaer. Die rnediterranian diet wird sogar oft als besonders gesund beschrieben [494,495]. Obwohl die Verarbeitung zu Vitaminverlusten fuhren kann, gibt es auch Beispiele fur verbesserte Vitarninerhaltungin verarbeiteten Produkten. In Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft ist das Enzym Ascorbinsaureoxidase weit verbreitet, das fur die oft rasche Abnahme der Vitamin C-Gehalte von Obst und Gemuse nach der Ernte verantwortlich ist. Wird dieses Enzym durch eine kurze Hitzebehandlung (Blanchieren) inaktiviert, so verlauft der Vitamin C-Abbau vie1 langsamer. In Abbildung 6.1 wird dies am Beispiel Tiefkuhlspinat gezeigt. Auch die Resorption mancher Nahrstoffe im Verdauungstrakt wird durch Verarbeitung von
L
Logerungsteit [Monatel Abbildung 6.l: EinfluB des Blanchierens und der Lagerungszeit auf den Vitamin C-Gehalt von tiefgefrorenem Spinat. Nach Paech (Zitat bei [491]).
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
Lebensmitteln verbessert. Das in gekochten Karotten enthaltene Provitamin A kann effektiver genutzt werden als das in rohen. Das Carotinoid Lycopin, dem krebsverhutende Wirkung zugeschrieben wird, ist in Tomatenmark besser bioverfiigbar als das in frischen Tomaten enthaltene [496, 4971. In vielen Gebieten der Welt war friiher die Vitaminrnangelkrankheit Pellugra weit vcrbreitet. Auffalligerweise waren dies immer Gebiete, in denen Mais das Hauptnahrungsmittel war. Lediglich in Mittel- und Siidamerika, wo der Mais in Form von Tortillas verzehrt wird, trat Pellagra fast nie auf. Beim Herstellen der Tortillas wird der Teig durch Zusatz von etwas Kalk alkalisch gemacht. Dadurch wird, wie man fruher vermutet hat, die Verfiigbarkeit des Vitamins Niacin verbessert, oder es wird, wie neuere Arbeiten zeigen, die Verfiigbarkeit essentiellcr Aminosauren der Maisproteine verbessert [49X]. (Der Niacinbedarf ist geringer, wenn mehr von der Aminosaure Tryptophan zur Verfiigung steht). Zahlreiche Tierversuche haben gezeigt, daO mit alkalibehandeltem Mais gefiitterte Tiere besser wachsen, als mit unbehandeltem Mais gefiitterte. Die Indios haben also irgendwann eine Verarbeitungsweise gefunden, die eine volle Nutzung des Nahrwerts von Mais gestattet. Als sich der Maisanbau in Spanien, Ttalien, den Balkanlandern und spater auch in Afrika und Indien ausbreitete, wurde die Kenntnis der Tortillaherstellung nicht mitverbreitet. Ohne Kalkzusatz kochte man Brei (Polenta, Mamaliga) und die Pellagra breitete sich in den armeren Bevolkerungsschichten, die eine proteinarme Kost verzehrtcn, immer weiter aus.
Rohkost bekommt manchen Menschen gut, wahrend andere mit Verdauungsbeschwerden reagieren. GroSere Mengen Kohl, Ruben oder Zwiebeln im Rohzustand zu verzehren, ist nicht jedermanns Sache. Manche Friichte, wie Quitten, Hagebutten, Holunderbeeren, sind nur in verarbeitetem Zustand genieflbar. Selbst die gemal3igte Vollwert-Ernahrung mit 50% Rohkost wird oft nicht auf Dauer vertragen, wie von dem erneritierten Frankfurter Professor fur Innere Medizin KARL PIRLETgeschildert [499]. Auch das als so gesund geltende Vollkornbrot bekommt Menschen mit empfindlichern Magen oft nicht gut, und die vielen Modifikationen der Herstellung (Schluter-, Finkler-, Steinmetz-, Grahambrot u. a.) gelten vor allern einer Verbesserung der Bekommlichkeit durch zusatzliche Verarbeitungsschritte. Neben subjektiven Befunden gibt es aber auch ganz konkrete experimentelle Beweise fur eine Verbesserung der Verdaulichkeit und Bekommlichkeit durch die Verarbeitung, insbesondere dusch Erhitzen. So ist die Starke in rohen Kartoffeln nur zu einem geringen Teil im Verdauungstrakt ausnutzbar. Erst wenn die Starkekorner durch Erhitzen aufgequollen sind und die Starke verkleistert ist, konnen die Verdauungssafte angreifen. Die bei vielen Lebensmitteln zu beobachtende Verbesserung der Proteinverdaulichkeit durch Erhitzen beruht meist auf der Inaktivierung von Proteaseinhibitoren, das sind Proteine, die die Proteinverdauung hemmen. Solche Proteaseinhibitoren, insbesondere Trypsininhibitoren, kommen vor allem in Leguminosen vor, aber auch in Eiklar, Milch, Weizenmehl und vielen anderen Erzeugnissen. Die Verfutterung roher Leguminosen an junge Versuchstiere fuhrt zu Wachstumshemmungen und bei hoherer Dosierung zum Tod. Durch Entfernung der Trypsininhibitoren und einer Reihe anderer unbekommlicher Inhaltsstoffe bei der Verarbeitung zu Tofu, Miso, Tempeh, Sojamehl oder Sojaol wird die im Rohzustand ungeniel3bare Sojabohne in wertvolle Lebensmittel verwandelt. Cassava oder Maniok, wichtigster Starkelieferant in vielen tropischen Gebieten, kann erst verzehrt werden, wenn die darin enthaltene Blausaure durch sorgfaltiges Zerkleinern, Wassern oder Fermentieren entfernt wurde. Weitere Beispiele von potentiell toxischen Inhalts-
Nahrwertverluste
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stoffen von pflanzlichen Lebensmitteln, die vor dem Verzehr durch Verarbeitung entfernt oder inaktiviert werden miissen, werden in Kap. 7 erwahnt. Die Grundnahrungsmittel Kartoffel, Mais, Soja und Maniok sind Beispiele dafiir, darj die Vorstellung, Lebensmittel seien urn so gefahrlicher, je mehr sie gegenuber dem natiirlichen Zustand verandert sind, grundfalsch ist. Der Glaube, Lebensmittel seien, so wie die Natur sie bietet am besten und ihre Ganzheit dude nicht durch technologische MaBnahmen zerstort werden, beruht auf der wirklichkeitsfremden Vorstellung, eine giitige Natur biete dem Menschen das was er braucht in einer optimalen Form. Tatsachlich werden von iiber 250 000 bekannten hoheren Pflanzenarten nur 160 in nennenswertem Umfang zur Lebensmittelgewinnung kultiviert - nicht weil die Natur sie als Nahrung fur den Menschen anbietet, sondern weil der Mensch im Lauf der Jahrtausende durch Erfahrung gelernt hat, darj gerade diese Pflanzen sowohl kultivierbar als auch gefahrlos el3bar sind oder durch Verarbeitung geniel3bar gemacht werden konnen. Im ubrigen sollte man nicht vergessen, dalj Vitaminmangelkrankheiten, wie Pellagra, Rachitis (Vitamin D-Mangel) und Skorbut (Vitamin C-Mangel), in Zeiten als es noch keine oder nur wenig industrielle Lebensmittelverarbeitung gab, haufig waren, wahrend sie jetzt in Industrielandern fast unbekannt sind. Bei Kindern von Familien, die eine rein pflanzliche Kost zu sich nehmen ist Vitamin D-Mange1- bis hin zur ausgepragten Rachitis - auch heute noch haufig [483, 5001. Ein klassisches Beispiel fur eine tatdchlich durch Verarbeitung eines Lebensmittels verursachte Vitaminmangelkrankheit ist Beriberi. Die Geschichte der Vitaminforschung ist eng mit dieser Avitaminose verknupft, die lange Zeit in all denjenigen Regionen ein grorjes Problem war, in denen Reis das Hauptnahrungsmittel ist. Der Hollander EIJKMAN beobachtete 1897 auf Java eine den Symptomen der Beriberi ahnliche Erkrankung bei Hiihnern, die nur mit poliertem Reis gefiittert wurden, wahrend Hiihner, die unpolierten Reis oder eine Zulage von Reiskleie zum polierten Reis erhielten, gesund blieben. Gefangnisinsassen, die iiberwiegend mit poliertem Reis ernahrt wurden, erkrankten an Beriberi, solche die dazu Fleisch und Gemiise erhielten, blieben gesund. Inzwischen weiB man, daB Beriberi durch Mange1 an Vitamin B, (= Thiamin) verursacht wird; durch Polieren wird die vitaminhaltige auBere Schale des Reiskorns entfernt. Die friiher in ganz Asien gefurchtete Massenkrankheit Beriberi ist praktisch verschwunden, weil man gelernt hat, eine polierten Reis enthaltende Kost durch andere Lebensmittel zu ergiinzen. Heute findet man ausgepragten B,-Mange1 fast nur noch bei Alkoholikern, die ihren Kalorienbedarf weitgehend durch Alkohol decken und daher zu wenig thiaminhaltige Lebensmittel zu sich nehmen. Und warum wird der Reis poliert, die thiaminreiche aufiere Schicht und der Keimling des Reiskorns entfernt? Vor allem weil der unpolierte Reis sich nur kurz lagern 1aBt. Wegen seines Fettgehalts wird er schnell ranzig und damit ungenieBbar. Der polierte Reis dagegen laRt sich bis zur nachsten Ernte gut lagern und macht eine Vorratshaltung moglich.
Zuruck zu der Frage nach moglichen Nachteilen des Verzehrs einer iiberwiegend industriell verarbeiteten Kost. Der Ernahrungsstand der deutschen Bevolkerung wird alle vier Jahre in den Ernahrungsberichten der DGE erfarjt und kommentiert. Ebenso gibt es in periodischen Abstanden die Schweizerischen Ernahrungsberichte und analoge Studien in vielen anderen Landern. Die Versorgung mit essentiellen Nahrstoffen erweist sich in den Industriestaaten im allgemeinen als gut. Vor allem bei alten Menschen wird gelegentlich eine Unterversorgung festgestellt. Das liegt offensichtlich nicht an einem ungenugenden Nahrstoffgehalt der
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprndukte
Lebensmittel, sondern an den Lebensumstanden oft alleinwohnender Senioren, die sich einseitig ernahren, weil ihnen das Tragen von Einkaufen zu schwer, das Zubereiten von Lebensmitteln zu miihsam ist oder sie nicht gut kauen kiinnen. Als das wichtigste Ernahrungsproblem in Deutschland wie in der Schweiz (und in anderen Industrienationen) wird in den Ernahrungsberichten immer wieder die Uberernahrung bezeichnet (Kap. 9). Bei Forschungsarbeiten iiber den EinflulS der Verarbeitung auf die gesundheitliche Qualitat von Lebensmitteln standen bis in die 1970er Jahre ernahrungsphysiologische Aspekte ganz im Vordergrund - also die Frage nach moglichen Nahrwertverlusten und deren Verminderung oder Vermeidung durch ProzeBoptimierung. Seit 1981 DOLLund PETO[458] die Ernahrung als den wichtigsten vermeidbaren Risikofaktor der Krebsentstehung bezeichnet haben, spielten Untersuchungen uber die Bildung potentiell gesundheitsschadlicher (besonders kanzerogener) Reaktionsprodukte bei der Verarbeitung eine zunehmende Rolle [Sol]. Tm folgenden werden einige Reaktionsprodukte besprochen, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen konnen und die gesundheitliche Bedenken ausgelost haben.
Maillardprodukte Der franzosische Chemiker L. C. MAILLARD beschrieb 1912 die Bildung braungefarbter Reaktionsprodukte beim Erhitzen der Aminosaure Glycin mit Glucose in wassriger Losung. An der Aufklarung der aufierordentlich komplexen Reaktionen, die zur Bildung der braunen Melanoidine fuhren, haben sich Generationen von Chemiedoktoranden versucht. Nicht nur Glycin sondern alle Aminosauren und die freien Aminogruppen von Proteinen konnen mit Glucose und Fructose und mit den Disacchariden Maltose und Lactose reagieren. Man bezeichnet die Maillardreaktion auch als nichfenzymatische Bruunung, zur Unterscheidung von der durch Polyphenoloxidasen katalysierten enzymatischen Braunung, die man zum Beispiel nach dem Anschneiden eines Apfels beobachten kann. Braunungsreaktionen sind in der Lebensmittelverarbeitung zum Teil erwunscht, wie die Entstehung der braunen Kruste beim Brotbacken oder der gelblich bis braunen Farbung des Biers, zum Teil unerwunscht, wie eine gelblich-braunliche Verfarbung bei der Herstellung von Sterilmilch, Trockenmilch oder Kartoffelpulver. Eine ernahrungsphysiologische Bedeutung hat die Maillardreaktion insofern, als beim Erhitzen von Proteinen in Gegenwart von Zuckern die epsilon-Aminogruppe der Lysinseitenkette zu Produkten reagiert, die der Organismus nicht mehr verwerten kann. Dies bedeutet eine Nahrwertrninderung, da die essentielle Aminosaure Lysin nicht mehr voll verfugbar ist. In Tierversuchen fuhrt die Verfiitterung von mit Zuckern erhitzten Proteinen zu Wachstumsverzogerungen, die durch Lysinzulagen verhindert werden konnen. Dariiber hinaus wurde 1973 von dem franzosischen Ernahrungsphysiologen ADRIAN eine toxische Wirkung von Maillardprodukten beschrieben [ S O 2 ] . Bald darauf fanden amerikanische [503] und japanische Autoren [SO41 unabhangig von einander eine starke mutqene Wirkung von Extrakten erhitzter Lebensmittel. Die Arbeiten zur Isolierung und
Maillardprodukte
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Charakterisierung der vielen bei der Maillardreaktion entstehenden Produkte wurden einerseits durch das Interesse an den toxischen Faktoren, andererseits durch die Arornuforschung vorangetrieben, die das Ziel hatte, die beim Rosten von Kaffee- und Kakaobohnen oder Erdniissen, beim Backen von Brot, beim Braten von Fleisch usw. entstehenden typischen Aromen zu identifizieren. Die Feststellung, da13 Maillardprodukte auch im lebenden Organismus gebildet werden und die Hypothese der Akkumulation solcher Produkte im Korper als einer Ursache des Alterns, hat die Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet weiter stimuliert [505, 5061. In der ersten Stufe der nichtenzymatischen Braunung reagieren Carbonylgruppen der Zucker mit Aminogruppen von Aminosauren oder freien Aminogruppen von Proteinen unter Bildung von Aminoketosen (auch Amadori-Verbindungen genannt). Diese sind nicht sehr stabil und konnen weiter reagieren unter Bildung verschiedenartigster Carbonyle, Dicarbonyle, Aldehyde und Amine, die wiederum miteinander reagieren konnen, wobei heterocyclische Verbindungen, darunter wichtige Aromastoffe, wie die in Formelbild 6.la darge~tellten~', sowie Ester, Sauren, Alkohole, Alkene, Alkane, Arene, Mercaptane und niedermolekulare farbige Verbindungen, die Prernelanoidine, gebildet werden. Aus diesen entstehen schliel3lich als stabile Endprodukte die hohermolekularen Melanoidine (Molekulargewichte >7000), uber deren Zusammensetzung und Struktur noch wenig bekannt ist. Welche Zwischen- und Endprodukte im Einzelfall entstehen, hangt von der Zusammensetzung des Ausgangsmaterials ab, von Temperatur und Dauer der Warmebehandlung, vom Wassergehalt, vom pH-Wert und von Anoder Abwesenheit von Sauerstoff. Unter den zahlreichen Maillardprodukten befinden sich auch Mutagene, von denen einige in Formelbild 6.lb gezeigt werden. Von diesen ist, sowohl wegen der gebildeten Menge wie wegen seiner biologischen Wirksamkeit, das 5-Hydroxymethyl-2-furfural (HMF) von besonderem Interesse. In Karamelprodukten wurden bis 9,5, in Dorrobst bis 33, in Likorweinen (Malaga, Madeira) bis 0,s glkg HMF gefunden [510]. HMF hat sich nicht nur in mehreren in vitro Systemen als mutagen erwiesen, sondern auch unter in vivo Bedingungen als Tumorinitiator und -promotor im Dickdarm von Ratten und Mausen. Die gentoxische Wirkung scheint nicht vom HMF selbst, sondern von dem daraus im Tierkorper entstehenden 5-Sulfooxymethylfurfural auszugehen [511]. Die erwahnten mutagenen Wirkungen wurden bei Priifung isolierter Produkte, wie des HMF, beobachtet. Wurde dagegen der Gesamtkomplex der aus Zuckern und Aminosauren/Proteinen entstehenden Maillardprodukte eingesetzt, fand M
Aus der Maillardreaktion und anderen chemischen Prozessen, die beim Erhitzen von Lebensmitteln ablaufen, geht eine auBerordentlicheVielfalt fluchtiger Verbindungen hervor; z. B. wurden in gerostetem Kaffee uber 800 fluchtige Verbindungen identifiziert [507]. Allerdings sind davon nicht rnehr als 40 fur das Aroma von Bedeutung, weil die Geruchsaktivitat der rneisten fluchtigen Verbindungen geringer ist als ihre Konzentration im Lebensmittel; aukrdem werden schwache von stark hervortretenden Geruchsstoffen rnaskiert [508]. In erhitztern Fleisch verschiedener Tierarten wurden uber 1000 Substanzen gefunden, von denen hochstens einige Dutzend zurn charakteristischen Aroma beitragen [509]. Im Formelbild 6.la sind die wichtigsten heterocyclixhen Aromastoffe aus der Maillardreaktion dargestellt; neben der Aromaqualitat sind Lebensrnittel angegeben, fur deren Aroma diese Verbindungen wichtig sind
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte /
SH
2-Furfurylthiol (,,rostig". Kaffee)
2-Ethyl-3,s-dimethylpyrazin (,,erdig, rostig". Kaffee, Pommesfrites)
2-Acetyl- 1-pyrrolin (,,riistig", Weillhrotkruste)
2-Acetyl-2-thia7olin (,,riistig", gehratcnes Fleisch)
2-Acetyltelrahydropyridin (,,riistig", Popcorn)
4-H ydroxy-2,s-dimethyl3(2H)-furanon
3-Hydroxy-4,S-dimcthyl2(SH)-furanon
(,,kararnelartig". Kaffee, gekochtes und gebratenes Fleisch, dunkles Bier)
(,,maggiartig", Wiirze. Kaffee, geschmortes Fleisch)
Formelbild6.la: Einige bei d e r Maillardreaktion gebildete Aromastoffe.
HOHzC a C H 0 5-Hydroxymethyl2-furfural
H-J-CO-CCHO Methylglyoxal
CH3 H 2-Methylthiazolidin
OR N
R=CH3
Mcthylpynzin
Formelbild 6 . l b Einige mutagene Produkte d e r Maillardreaktion.
Heterocyclische aromatische Amine (HAA)
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man entweder keine oder eine vie1 schwachere mutagene Wirkung, als nach dem Gehalt an HMF und anderen Mutagenen zu erwarten war. Ursache sind untimutugen wirksame Substanzen, die bei der Braunungsreaktion ebenfalls entstehen. Dabei handelt es sich vermutlich vor allem um die antioxidativen Reduktone, die in der Bierbrauerei seit langem als stabilisierend wirkende Maillardprodukte bekannt sind. Bei der gesundheitlichen Bewertung des Vorhandenseins sowohl mutagener wie antimutagener Maillardprodukte in der Nahrung kommt der Dritte Schweizerische Ernahrungsbericht zu dem Ergebnis: ,,Nach dem heutigen Stand des Wissens uberwiegt in der klassischen Maillard-Reaktion in erhitzten Lebensmitteln die antioxidative und antimutagene Wirkung..... In der Gesamtbeurteilung mussen daher die klassischen Maillard-Produkte durchaus positiv beurteilt werden" [243].
Heterocyclische aromatische Amine (HAA) Eine Variante der Maillardreaktion spielt sich in Produkten ab, die aufier Aminosauren/Proteinen und Zucker auch KreatidKreatinin enthalten, das heifit in Fleisch, Fleischprodukten und Fisch. Dabei entstehen die nicht zu den klassischen Maillard-Produkten zahlenden heterocyclischen aromatischen Amine [512]. Die Bildung von HAA in Fleisch und Fisch erfolgt bei Temperaturen, wie sie beim Braten, Backen und Grillen ublicherweise angewendet werden. AuBerdem konnen HAA bei der Hitzezersetzung (Pyrolyse) von Aminosauren, z. B. Tryptophan und Glutaminsaure, entstehen. Dies erfordert jedoch Temperaturen, wie sie bei der ublichen Verarbeitung und Zubereitung nicht vorkommen. Daher sollen die Pyrolyseprodukte hier nicht weiter berucksichtigt werden. Auf die Gruppe der HAA wurden um 1980 japanische Forscher aufmerksam, als sie in Extrakten von gegrillten Sardinen eine ungewohnlich starke mutugene Wirkung feststellten. Die Aufklarung der Struktur der mutagenen Stoffe, die dann auch in erhitztem Fleisch und in Fleischextrakt gefunden wurden, fuhrte zu Imidazolchinolinen und Imidazolpyridinen der in Formelbild 6.2 gezeigten Art. Da die vollstandigen chemischen Namen dieser Verbindungen unhandlich sind, verwendet man Kurzbezeichnungen, in denen I fur Imidazol, Q fur Chinolin (englisch quinolin), Qx fur Chinoxalin, Me fur Methyl, Ph fur Phenyl, P fur Pyridin steht. Die in Tierversuchen gepruften HAA erwiesen sich als nicht nur mutagen sondern auch kanzerogen. Die Menge der gebildeten HAA hangt von der Temperatur und der Erhitzungsdauer ab, wie in Abbildung 6.2 fur PhIP gezeigt; in Rind-, Schweine, Lamm- und Hahnchenfleisch liegt die Gesamtmenge der gebildeten HAA, je nach den Erhitzungsbedingungen bei bis zu 500 yglkg, im allgemeinen jedoch bei unter 100 pg/ kg. Die hochsten Konzentrationen werden in den stark gebraunten AuBenschichten gefunden. Bei der Mikrowellenerhitzung, die starke Temperaturdifferenzen zwischen innen und aufien vermeidet, werden nur sehr geringe HAA-Mengen gebildet. Die tagliche pro-Kopf-Zufuhr von HAA wurde in alteren Arbeiten auf bis zu 100 yg geschatzt, in neuerer Zeit auf 1 pg oder noch weniger [514]. Da die thermi-
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In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
IQ
MeIQ
Kurzname
Chemische Bezeichnung
IQ MeIQ MeIQx 4.8-DiMeIQx 7,X-DiMeIQx PhlP
2-Amino-3-methylimidazol[4,5-flchinolin 2-Amino-3,4-dimethylimidazo[4,5-~chinolin 2-Amino-3,8-dimethylimidazo[ 4,5-flchinoxal1n 2-Amino-3,4.8-trimetylimida~o[4.5-flchinoxalIn 2-Amino-3,7,8-trimethylimidazo[4,5-flchinoxalIn 2-Amino- 1-methyl-6-phenylimidazo[4,5-h]pyridin
Formelbild 6.2: Einige heterocyclische aromatische Amine.
PhlP 30 inglgl
4min
6min
lOrnin
20
10
0
150
190
Grilltsmperatur
230 [OCI
Abhildung 6.2: EinfluB von Temperatur und Erhitzungsdauer auf die Entstehung von PhIP in
gegrillten Frikadellen. Quelle: [513].
Lysinoalanin
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schen Braunungsreaktionen immer auch mit der Entstehung antimutagener Stoffe verbunden sind, la13t sich aus den in vitro und in vivo Versuchen rnit isolierten HAA nicht ohne weiteres auf eine kanzerogene Wirkung von erhitztem Fleisch oder Fisch schlieBen, zumal auch andere in Fleisch und Fisch oder in sonstigen Bestandteilen einer Mahlzeit vorhandene Inhaltsstoffe (bestimmte Fettsauren, Flavonoide, Cumarine, Indole, Ballaststoffe u. a.) eine antikanzerogene Wirkung ausuben konnen. Eine epidemiologische Untersuchung in USA lie13 keinen Zusammenhang zwischen Darmkrebs und HAA-Zufuhr erkennen [515]. Dagegen wurde in einer anderen Studie ein erhohtes Risiko des Auftretens von Adenomen (gutartige Geschwulste, die zu Adenokarzinomen fiihren konnen) in Kolon und Rektum von Personen gefunden, die stark gebratenes oder gegrilltes Fleisch zu verzehren pflegten; ein Zusammenhang mit dem HAA-Gehalt des Fleisches wurde vermutet, jedoch nicht belegt [516]. In einer Fall-Kontroll-Studie mit Kohorten von 273 Brustkrebspatientinnen und 657 Kontrollpersonen wurde ein fast Sfach hoheres Brustkrebsrisiko bei denjenigen Frauen festgestellt, die gebratenes Fleisch durchgebraten (well-done)verzehrten, im Vergleich zu denjenigen, die weniger stark erhitztes Fleisch (rare oder medium-done) bevorzugten [517]; als Ursache vermuten die Autoren einen hoheren HAA-Gehalt im starker erhitzten Fleisch, ohne jedoch Angaben uber die HAA-Zufuhr der teilnehmenden Personengruppen machen zu konnen. Eine Fall-Kontroll-Studie in Schweden an uber 1000 Krebspatienten und uber 500 Kontrollen ergab zwar bei einigen Krebspatienten eine hohe Zufuhr von HAA, insgesamt zeigte sich jedoch kein Zusammenhang zwischen HAA-Zufuhr und relativem Risiko fur Dickdarmkrebs (RR = 0,6), Mastdarmkrebs (RR = 0,7), Blasenkrebs (RR = 1,2) oder Nierenkrebs (RR = 1,O) [518]. Die Tierversuche, die eine kanzerogene Wirkung der HAA gezeigt haben, sind mit Dosierungen vorgenommen worden, die auf das kg Korpergewicht gerechnet, um etwa 5 Zehnerpotenzen hoher waren als die mittlere Zufuhr durch die menschliche Nahrung. Versuche, das eventuelle Krebsrisiko fur den Menschen zu berechnen, sind zu dem Ergebnis gekommen, da13 ein Zusammenhang zwischen HAA-Aufnahme und Krebs wenig wahrscheinlich ist [519, 5201. Vorsichtshalber wird empfohlen, unnotig hohe Temperaturen und lange Bratzeiten beim Garen von Fleisch und Fisch zu vermeiden. Industrielle Hersteller von Fleischextrakt haben schon bald nach Bekanntwerden der japanischen Befunde uber die HAABildung in erhitztem Fleisch damit begonnen, die Bedingungen bei der Produktion so zu optimieren, da13 der HAA-Gehalt im Fleischextrakt moglichst gering bleibt [521]. In neuerer Zeit lagen bei industriell hergestellten Lebensmitteln die HAA-Konzentrationen allgemein sehr niedrig oder unterhalb der analytischen Erfassungsgrenze [5141.
Lysinoalanin WOODARD und ALVAREZ berichteten 1967 uber Nierenschadigungen (Nephrocytomegalie) bei Ratten, denen man in subchronischen Futterungsversuchen Proteine verabreicht hatte, die unter alkalischen Bedingungen erhitzt worden waren
170
In Lehensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
15221. Als Verursacher der Schaden wurde in diesen Proteinen enthaltenes Lysinoalanin (LAL) ermittelt. Beim Erhitzen von Casein wird bereits bei pH 5 etwas und ab pH 8 sehr vie1 mehr LAL gebildet. Bei manchen anderen Proteinen, wie Gluten aus Weizen und Mais, entsteht erst bei pH 8-11 in nennenswertem Umfang LAL. Der erste Schritt der LAL-Bildung ist die Entstehung von Dehydroalanin in serin- oder cystinhaltigen Proteinen, die durch Erhitzen und alkalische pH-Werte gefordert wird. Durch Reaktion von Dehydroalanin mit Lysin entsteht LAL. Sind Dehydroalanin und Lysin Bestandteile von Proteinen, so vernetzt die gebildete LAL-Brucke die beiden Proteinketten (Formelbild 6.3). Hydrolysiert man Proteine (z. B. durch Kochen mit Salzsaure), so werden sie in ihre Bestandteile, die Aminosauren, aufgespalten. Das Hydrolysat LAL-haltiger Proteine enthalt freies LAL, das mit verschiedenen Methoden nachgewiesen werden kann. Lysinoalanin wurde in den bei der Lebensmittelherstellung vie1 verwendeten Caseinaten in Mengen von bis zu 7 g/kg Protein gefunden, in geringeren Mengen auch in Babynahrung, isolierten Sojaproteinen und vielen anderen proteinhaltigen Erzeugnissen. In den 70er Jahren losten diese Befunde starke gesundheitliche Bedenken aus; es wurde sogar eine krebserregende Wirkung LAL-haltiger Proteine diskutiert. Inzwischen sind diese Bedenken ganz in den Hintergrund getreten [523]. Zum einen wurden die Nierenschadigungen nur bei hoher Dosierung und auch dann nur bei Ratten und in abgeschwachter Form bei bestimmten Mausestammen beobachtet, nicht bei Kaninchen, Hunden, Affen und sonstigen Tierarten, zum anderen erwiesen sich die bei Ratten gefundenen Nierenlasionen als reversibel; einige Wochen nach Absetzen des LAL haben sich die geschadigten Zellen wieder regeneriert. In weiteren Tierversuchen wurden keine Anzeichen fur teratogene oder kanzerogene Wirkungen gefunden. Mit zunehmender LAL-Bildung verlieren Proteine an biologischer Wertigkeit, da einerseits LAL im Verdauungstrakt nicht gespalten wird, das so gebundene Lysin also nicht bioverfugbar ist, und da andererseits die Verdaulichkeit von Proteinen mit zunehmender Quervernetzung abnimmt. Auch unabhangig von der Frage moglicher toxischer Wirkungen gilt daher ein erhohtcr LAL-Gehalt von Lebensmitteln (etwa >500 mg LAL/kg Protein) als unerwunscht und als Zeichen einer nicht sorgfaltigen Prozefifuhrung. Erzeugnisse mit mehreren g LAL/kg Protein, wie sie in den 70er Jahren haufig auf dem Markt waren, sind heute nur noch selten zu finden. Italienische Autoren haben eine Methode entwickelt, urn auf der Basis der LAL-Gehalte naturlichen Mozzarellakase von schmelzkaseahnlichen Imitaten zu H2N- CH- COOH I
CH2 I NH (CH2h I HzN- CH- COOH Lysinoalanin
-
HN- CH- COI CH2 I NH
1 (CH?)J -HN-CH-COLysinoalaninbriicke zwischen 7wei Proteinen
Formelbild 6.3: Vernetzung zweier Proteine durch eine Lysinoalaninbriicke.
D-Aminosauren
171
unterscheiden; Originalmozzarella enthalt bis zu 4, Imitatmozzarella von 15-420 mg LAL pro kg Protein [524]. In der Fachliteratur wird das Vorkommen von Lysinoalanin in Lebensmitteln kaum mehr unter dem Gesichtspunkt moglicher gesundheitsschadlicher Wirkungen behandelt, sondern wegen seiner Nutzlichkeit als Indikator fur die Prozeljoptimierung. Soweit hier uberhaupt ein Gesundheitsrisiko gesehen werden kann, hat die durch Verbesserung der Prozeljtechnologie erreichte Abnahme der LAL-Gehalte in hitzebehandelten Erzeugnissen in den 70er und 80er Jahren mit Sicherheit eine Verringerung dieses Risikos gebracht.
D-Aminosauren In vorangegangenen Kapiteln wurde wiederholt erwahnt, wie die Steigerung der Nachweisempfindlichkeit analytischer Methoden zur Entdeckung von Substanzen in Lebensmitteln gefuhrt hat, von deren Anwesenheit man vorher nichts wuljte und wie dies Beunruhigungen in der Offentlichkeit verursachte. In anderen Fallen wurde die Beunruhigung nicht durch verbesserte Analytik ausgelost, sondern durch unvorsichtige oder falsche Interpretation von Analyseergebnissen. Ein Beispiel dafur ist der Nachweis von D-Prolin in mikrowellenerhitzter Milch, der 1990 und 1991 deutschen Print- und Bildmedien Stoff fiir Sensationsberichte lieferte. Im Dezember 1989 verilffentlichten drei Wiener Arzte in der angesehenen britischen Fachzeitschrift THE LANCET eine Kurzmitteilung [525], wonach sie in mikrowellenerhitzter Milch die Aminosaure D-Prolin gefunden hatten, die nach konventionellem Erhitzen nicht nachweisbar war. Sie wiesen darauf hin, daB DProlin neurotoxisch (nervenschadigend), nephrotoxisch (nierenschadigend) und hepatotoxisch (leberschadigend) sei. Die exakten Versuchsbedingungen unter denen die Milch mit Mikrowellen behandelt worden war, wurden von den Autoren nicht angegeben. Auch wurde nichts uber die Menge des gebildeten D-Prolins gesagt. Viele Redaktionen der Tages- und Wochenpresse nahmen diese Veroffentlichung zum AnlaB, mit dramatisierenden Formulierungen vor der Verwendung von Mikrowellengeraten zu warnen. Das Bundesgesundheitsamt trat der Medienkampagne gegen die Mikrowellenerhitzung im August 1990 mit einer ausfuhrlichen Stellungnahme entgegen [526]. Wie spater zu erfahren war, wurde die Milch in dem Wiener Experiment in einer Druckbombe 10 min. auf uber 170"Cerhitzt. Die konventionelle Erhitzung der Vergleichsprobe erfolgte bei 80" im Wasserbad, ebenfalls 10 min. Dalj unter diesen Umstanden Reaktionsprodukte in der mikrowellenbehandelten Probe zu finden waren, die sich in der Vergleichsprobe nicht finden lieBen, kann nicht verwundern. Am meisten verwunderlich an der ganzen Angelegenheit ist die Tatsache, daB eine renommierte Fachzeitschrift diese Mitteilung zum Druck angenommen hat. Inzwischen haben zwei Autorengruppen in Milch, die unter haushaltsublichen Bedingungen mittels Mikrowellen erhitzt wurde, kein D-Prolin finden konnen [527,528]. Die Massenmedien in Deutschland lieBen sich von den neueren Informationen, die den ursprunglichen Bericht in THE LANCET mehr und mehr in Frage stellten, wenig beeinflussen. Um nur ein Beispiel zu nennen: In ihrer Ausgabe vom 30. August 1991 (also bald zwei Jahre nach der ursprunglichen Mitteilung aus Wien)
172
In Lebensrnitteln entstehende Reaktionsprodukte
warnte die Zeitschrift FUNK UHR mit der Schlagzeile ,,Mikrowellen vergiften Nerven, Leber und Nieren" und weiter: ,,Diese immer beliebter werdenden Kuchenhelfer spalten Milcheiweirj in Bausteine, wie sie in der Natur nicht vorkommen. Wissenschaftler nennen diese Substanz rechtsdrehendes Prolin - sie wirkt giftig!" Alles frei erfunden. D-Prolin kommt sehr wohl in der Natur vor und es gibt nicht den geringsten Anlarj fur die Vermutung, dalj unter den ublichen Bedingungen mittels Mikrowellen erhitzte Milch D-Prolin in einer Konzentration enthalten konnte, die Nerven, Leber und Nieren schadigt oder sonst in irgend einer Weise giftig wirkt. Die Bezeichnung rechtsdrehendes Prolin ist unublich, die Substanz heist D-Prolin. Es gibt heute noch verunsicherte Eltern, die es vermeiden, Sauglingsmilch in der Mikrowelle zu erhitzen, weil sie gehort haben, dies sei fur den Saugling schadlich. Was heiljt das D vor dem Prolin? Mit Ausnahme des Glycins konnen die Aminosauren (wie alle organischen Verbindungen, die mindestens ein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthalten, d. h. eines, das mit vier ungleichen Atomen oder Atomgruppen verbunden ist) in zwei raumlichen Strukturen (Enantiomeren) vorkommen, die sich wie linke und rechte Hand unterscheiden: L-Form und D-Form, ursprunglich abgeleitet vom Lateinischen fur laevus = links und dexter = rechts. Die Proteine des Saugetierorganismus werden ausschlieOlich aus L-Aminosauren (und Glycin) aufgebaut. Bei der Totalhydrolyse der Proteine durch Kochen mit Salzsaure werden die L-Aminosauren etwa zur Halfte in die D-Form umgewandelt. Man erhalt so ein Gemisch (Racemat) aus L- und D-Enantiomeren. Als man vor einigen Jahrzehnten damit begann, Schwerkranke intravenos zu ernahren, standen reine L-Aminosauren nicht oder nicht in der erforderlichen Menge zur Verfugung. Die verwendeten Infusionslosungen enthielten daher die erforderlichen Aminosauren in der saurehydrolytisch gewonnenen Racemat- oder DLForm. Heute werden fur diesen Zweck reine L-Aminosauren in ausreichender Menge angeboten, aber viele Jahre lang hat man - unfreiwilligerweise - D-Aminosauren mitverabreicht und hat deren Verhalten im menschlichen Korper untersuchen konnen. Trotz relativ hoher Dosierung und langfristiger Anwendung hat sich dabei kein Verdacht auf toxische Eigenschaften ergeben. Die in Tierversuchen ermittelte akute Toxizitat der D-Aminosauren entspricht etwa der der jeweiligen L-Form. Giftwirkungen, auch von D-Prolin, treten erst bei Dosierungen auf die weit uber den in der Nahrung vorhandenen Mengen liegen. Da D-Aminosauren im Saugetierorganismus nicht in Proteine oder sonstige Produkte der Biosynthese eingebaut werden, findet eine Akkumulation mit der Nahrung (oder intravenos) zugefuhrter D-Aminosauren in den meisten Korpergeweben nicht statt. Nur in Zahnen, Augenlinsen und Hirn hat man mit zunehmendem Alter zunehmende Anteile von D-Aminosauren gefunden. D-Aminosauren werden zum Teil unverandert im Urin ausgeschieden, zum Teil werden sie durch die D-Aminosaureoxidase in Leber und Niere zu Ketosauren, also normalen Stoffwechselprodukten, oxidiert. Wegen ihrer Nichtnutzbarkeit zum Proteinaufbau und ihrer teilweisen Ausscheidung im Urin haben D-Aminosauren im Vergleich zur jeweiligen L-Form einen geringeren ernahrungsphysiologischen Wert. Auch unter milden Erhitzungsbedingungen und bei neutralem oder alkalischen pH konnen L-Aminosauren racemisieren, wenn auch nur langsam. Am leichtesten racemisiert L-Asparaginsaure, wahrend L-Leucin, L-Valin und L-Prolin
Chlorpropanole
173
gegen Racemisierung recht stabil sind. Da die meisten aminosaure- und proteinhaltigen Lebensmittel vor dem Verzehr einen oder mehrere Erhitzungsprozesse durchlaufen, nimmt man rnit diesen Erzeugnissen immer auch D-Aminosauren zu sich, wobei die Konzentrationen sehr unterschiedlich sein konnen. Dariiber hinaus kommen D-Aminosauren in Bakterien vor, wo sie Bestandteile der Zellwande sind. In allen durch Fermentationsprozesse gewonnenen Lebensmitteln, wie Joghurt, Kase, Brot, Bier, Sauerkraut lassen sich D-Aminosauren nachweisen. Auch in nicht fermentierten, nicht erhitzten Lebensmitteln, wie frisch gepreBten Obst- und Gemiisesaften kommen D-Aminosauren spurenweise vor. Moglicherweise nehmen Pflanzen schon aus dem Boden D-Aminosauren auf, wo sie beim Abbau von Bodenbakterien entstehen. Die Verfasser des Ernahrungsberichts 1996 kommen angesichts der langjahrigen Erfahrungen mit D-aminosaurehaltigen Infusionen beim Menschen und der Ergebnisse von Tierversuchen zu der SchluBfolgerung, rnit der Nahrung aufgenommene D-Aminosauren seien nicht gesundheitsschadlich ([108], S. 149). Seither durchgefiihrte Versuche rnit Ratten, denen vier Wochen lang D-Prolin im Trinkwasser (0,33 g/L) verabreicht wurde, haben keine toxischen Wirkungen erkennen lassen [529].
Chlorpropanole Suppenwiirzen werden im groBen MaBstab hergestellt, seit JULIUS MAGGI1887 in Singen am Hohentwiel mit der Fabrikation der nach ihm benannten Wurze begann. Zur Herstellung werden proteinreiche Rohstoffe, wie Getreidekleber, Hefe, Sojaprotein, PreBruckstande der Speiseolgewinnung, rnit Salzsaure unter Druck bei Temperaturen iiber 100"C partialhydrolysiert und anschlieBend mit Natronlauge neutralisiert. Das entstehende Gemisch aus Peptiden, Aminosauren, Bruchstucken von Aminosauren (wie die aus Threonin entstehende alpha-Ketobuttersaure) und Kochsalz wird filtriert und rnit Extrakten aus Gewurzkrautern und Pilzen aromatisiert. Mit neu entwickelten empfindlichen Analysemethoden (Kapillargaschromatographie mit massenselektiver Detektion [530]) wurden in den 80er Jahren gesundheitlich bedenkliche Nebenprodukte in diesem Gemisch entdeckt, Monochlorpropandiole und Dichlorpropanole. In Tierversuchen hatten sich 1,3-Dichlor-2-propanol und 3-Chlor-1,2-propandiol als kanzerogen erwiesen. In hoher Dosis verabreicht bewirkte die Monochlorverbindung aul3erdem Unfruchtbarkeit bei mannlichen Ratten - was eine deutsche Boulevardzeitschrift zu der Schlagzeile ,,Warnung vor Anti-Baby-Suppe" bewegte. JECFA, der Gemeinsame FAOWHO-ExpertenausschuB fur Lebensmittelzusatzstoffe, erklarte 1993 diese Substanzen als unerwunschte Verunreinigungen in Lebensmitteln und forderte eine Verminderung der in Wurzen vorkommenden Gehalte auf das niedrigste technisch erreichbare Niveau [293]. Wie in Formelbild 6.4 dargestellt, entsteht aus in den Rohstoffen enthaltenen Fetten (Triglyceriden) durch Hydrolyse Glycerin, das dann rnit Salzsaure unter Wasserabspaltung zu chlorierten Propandiolen und Propanolen reagiert. Die Hersteller von Suppenwurzen haben nach Bekanntwerden der ersten analytischen
In Lehensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
174
CHz-CI
CH-oH I I CH2-CI
I ,3-Dichlorpropanol ( I ,3-DCP)
CH2-OH
CH-cI I I CH2-OH TriHydrolyse glyceride
t
1 CH-OH I
Glycerin
+ HCI
2.3-Dichlorpropanol (2.3-DCP)
CH2-CI
- H20
CH-oH I I
3-Monochlorpropandiol (3-MCPD)
CH2-OH
I
CH-CI
I
2-Monochlorpropandiol (2-MCPD)
CH2-OH
Formelbild6.4 Entstehung von chlorierten Propanolen aus Triglyceriden bei der Herstellung von Suppenwurze Quelle: [530].
.
Befunde in den 80er Jahren Maljnahmen ergriffen, um die Bildung dieser Nebenprodukte zu unterdrucken. Dazu zahlen die Entfernung von Fettresten aus dem Rohmaterial, Entfernung von Dichlorpropanolen durch Wasserdampfdestillation und enzymatische Hydrolyse statt Sa~rehydrolyse~'. JECFA stellte 1993 fest, es sei den Herstellern gelungen, die Monochlordipropanolgehalte von hydrolysierten pflanzlichen Proteinen auf unter 2 mg/kg und die Dichlorpropanolgehalte auf unter 0,02 mglkg herabzusetzen [293]. In den Vorjahren hatten die Gehalte an chlorierten Propanolen oft bei uber 200 mg/kg gelegen. Wie aus dem Jahresbericht 1996 der Kantonalen Laboratorien der Schweiz hervorgeht [532],wurden die Toleranzwerte von 10 mg/kg fur 3-Monochlorpropandio1 und 0,05 mg/kg fur 1,3Dichlorpropanol von allen untersuchten Wurzeproben aus schweizerischer Produktion eingehalten, wahrend Sojasaucen aus China und Thailand diese Grenzwerte uberschritten und beschlagnahmt wurden. Das Vorkommen von Chlorpropanolen in Suppenwurzen ist ein weiteres Beispiel fur ein schon lange unentdeckt vorhandenes Problem, das dank der Fortschritte in der Analytik erkannt wurde und durch geeignete technische MaSnahmen gelost werden konnte.
I'
Die enzymatische Hydrolyse hat allerdings den Nachteil, dal3 dabei toxikologisch bedenkliche Konzentrationen von biogenen Aminen (Histamin, Tyramin u.a.) cntstehen konnen [531]
Trans-Fettsauren
175
Trans-Fettsauren Es gibt Fettsauren ohne und rnit Doppelbindungen zwischen den C-Atomen. Erstere bezeichnet man als gesattigt (weil rnit Wasserstoff gesattigt), letztere als ungesattigt. Bei ungesattigten Fettsauren unterscheidet man, je nach Konfiguration an den Doppelbindungen, cis- und trans-Isomere, wie in Formelbild 6.5 fur das Beispiel der Olsaure und ihres trans-Isomeren, der Elaidinsaure, gezeigt. Ob eine Fettsaure bei Raumtemperatur flussig oder fest ist, wird durch mehrere Strukturmerkmale bestimmt. Der Schmelzpunkt liegt um so niedriger, je kurzer die Kohlenstoffkette, je mehr Doppelbindungen in der Kohlenstoffkette und je mehr die Doppelbindungen in der cis-Konfiguration vorliegen. In Tabelle 6.1 wird dies fur einige Fettsauren rnit einer Kettenlange von 12 bis 18 Kohlenstoffatomen demonstriert. Wahrend sich die Fettsauremolekiile ohne Doppelbindungen oder mit trans-Doppelbindungen im Kristallgitter parallel lagern konnen, ist bei den Molekulen mit cis-Doppelbindungen die Anordnung im Kristallgitter behindert. Daher wird weniger Energie zum Schmelzen der Fettsaurekristalle benotigt, der Schmelzpunkt liegt tiefer. Diese Eigenschaften der Fettsauren gelten auch fur die aus ihnen gebildeten Fette (Triglyceride). Ein Fett das viel Stearinsaure und/oder Elaidinsaure enthalt, ist bei Raumtemperatur fest, eines das viel Olsaure und/oder Linolsaure enthalt ist flussig. Dies ist fur die Verwendung der Fette im Lebensmittelbereich sehr wichtig. Fur Brotaufstriche werden streichfahige Fette benotigt, fur die Herstellung vieler Backwaren, wie Blatterteig oder Kuchen rnit knuspriger Kruste, braucht man feste Fette, als Rohstoff stehen aber uberwiegend flussige Fette, wie Soja-, Sonnenblumen-, Baumwollsaat-, Raps- und Erdnuljol zur Verfugung. In Triglyceriden pflanzlicher Herkunft liegen im nativen Zustand die ungesattigten Fettsauren in der cis-Form vor. Wird der Rohstoff zur Olgewinnung heilj gepreBt, so kann bereits durch diese Hitzebehandlung ein kleiner Anteil (unter 0,l YO)von cis- in trans-Doppelbindungen umgewandelt werden. Eine intensivere Hitzebehandlung, wie sie bei der Raffination ublich ist, erhoht den Anteil der trans-Isomeren auf 1-2 %. Der Gehalt an trans-Fettsauren kann somit als ein
H
H
Olsaure: cis Doppelbindung
OH
H
0 C:
H
OH
Elaidinsaure: trans Doppelbindung
Formelbild 6.5: Olsaure (cis-Konfiguration) und Elaidinsaure (trans-Konfiguration).
In Lebensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
176
Tabelle 6.2: Schmelzpunkte einiger FettsBren Fettsaure"
Kettenllnge
Schmelzpunkt l°C)
12
12:O (LaurinsBure)
44
16
16:O (Palmitinslurel
63
18
18:0 [Stearinslure)
70
I Einfach ungesattigte Fettsauren
I
~
18
cis9-18:l (blsaure)
18
trans9-1 8:l (ElaidinsBurel
18
I cis9,cisl2-18:2 ILinolsaurel I trans9,trans 12-18:2 (trans-Linolsaure) 1 cis9,cisl2,cisl5-18:3 (Linolensaurel I trans9,trans 12,trans 15- 18:3 [trans-Linolensaurel ~
18
~
I
18
I
18
44
trans1 1-18: 1 (trans-VaccensBurel
18
I I
13
~
39
I I I I I
-5
28
I I
-1 1
29
I
~
Die Ziffer nach dem Doppelpunkt charakterisiert die Zahl der Doppelbindungen, die an CIS oder trans anschlteI3ende Ziffer gibt die Position der Doppelbindung an, gezahlt vom Carboxylende 'I
Indiz fur die unerlaubte Beimischung von raffinierten Olen zu als kaltgeprel3t angebotenen Olen dienen. Ein so geringer Gehalt an trans-Isomeren, der sich dann noch auf Fettsauren unterschiedlicher Kettenlange, sowie unterschiedlicher Zahl und Position der Doppelbindungen verteilt, war analytisch nicht bestimmbar, solange es die Kapillargaschromatographie nicht gab, mit der die veresterten Fettsauren aufgetrennt werden konnen. Ein breites Interesse der Forschung an der Rolle der trans-Fettsauren entwickelte sich daher erst Ende der 70er Jahre. Es wuchs besonders stark an, nachdeni KUMMEROW die trans-Fettsauren mitverantwortlich machte fur das Entstehen der Arteriosklerose und damit der koronaren Herzerkrankungen [533].Inzwischen wurde die Leistungsfahigkeit der Gaschromatographie auf diesem Gebiet noch durch Vorschalten der Silberionen-Diinnschichtgromatographie [534]oder -HPLC oder durch Kombination mit Infrarot-Spektroskopie gesteigert [535]. Noch starker als durch Erwarmen kann das partielle Hydrieren (Verminderung der Zahl der Doppelbindungen durch Wasserstoffanlagerung) bei den noch verbleibenden Doppelbindungen eine Umlagerung von cis nach trans bewirken. Die Fetthurtung, 1902 erfunden, wird seit etwa 1911 im industriellen MaMstab durchgefuhrt, einerseits um Ole in feste Fette zu verwandeln, andererseits um die Oxidationsstabilitat zu erhohen, die um so geringer ist, je mehr Doppelbindungen in einem 0 1 vorhanden sind. Bei dem Verfahren wird Wasserstoffgas in Gegenwart
Trans-Fettsauren
I
177
Tabelle 6.2: Anteil trans-Fettsauren am Gesamt-Fettsauregehalt im Fett verschiedener Lebensmittel (Gewichtsprozent) Lebensmittel
Mittel Milch, Butter
Maximum
3,9
7,9
Schaf-, Hammel-, Lamrnfleisch
717
10,6
PflanzenGle
03
13
Brat- und Backfette
12,7
31,8
Pommes frites
203
32,a
Margarine
10.8
23,4
Diiitmargarine
1,6
3,6
Margarine
5.0
10,6
Diatmargarine
02
OA
I Schweinefleisch, GeflQgel
Zitat (Berichtsjahr)
trans-Fetts8uren
I ~~~
~
[5361 ( 1 993)
15371 (1996)
eines Katalysators (meist Nickel) durch das auf 170-180 "C erhitzte 0 1 geleitet, bis der gewiinschte Hartungsgrad erreicht ist. Pflanzenole, die durch Hydrieren in feste Fette verwandelt wurden, enthalten bis zu etwa 50 Yo trans-Fettsauren. In unter Verwendung geharteter Fette hergestellter Margarine betrug der transAnteil friiher bis zu 25 %. Man kann die Zahl der Doppelbindungen in einem Pflanzenol auch durch Urnesterung (zum Beispiel mit den uberwiegend gesattigten Fettsauren von Palmfett) vermindern. So ist es moglich, Fette (und daraus Margarine) mit einem sehr geringen Anteil von trans-Fettsauren (0,5-2 %) herzustellen. In Tabelle 6.2 werden Gehalte von trans-Fettsauren im Fettanteil verschiedener Lebensmittel wiedergegeben [536, 5371. Die Veroffentlichung von 1996 zeigt im Vergleich zu der von 1993 eine deutliche Abnahme der trans-Gehalte in Margarine und Diatmargarine. Neuere Arbeiten bestatigen diese abnehmende Tendenz. Eine partielle Hydrierung ungesattigter Fettsauren kann auch durch Einwirkung von Bakterien erfolgen, insbesondere im Pansen von Wiederkauern. Korperfett und Milchfett von Rindern enthalt etwa 3 % trans-Fettsauren, mit starken saisonalen Schwankungen. In der Sommerzeit, wenn die Tiere auf der Weide sind, steigt der Gehalt an trans-C18:l Positionsisomeren auf etwa 5 Yo an, wahrend der Stallfutterung im Winter fallt er auf etwa 2,6 % ab [538]. In Hammelfett werden noch hohere Konzentrationen gefunden, wahrend bei Schweine- und Gefliigelfett der Gehalt an trans-Fettsauren bei 1YOliegt (Tab. 6.2). In einer groBen Zahl verschiedenartigster Lebensmittel sind die trans-Fettsaure-Gehalte bestimmt worden [539,540]. Die Analysen zeigen deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der geharteten Pflanzenole im Vergleich mit den Wiederkauerfetten. In ersteren kommt trans-C16:l-Fettsaure nicht oder nur in Spuren vor, wahrend sie in letzte-
178
In Lehensmittelnentstehende Reaktionsprodukte
ren 10-30 % des gesamten trans-Fettsauregehaltes ausmachen kann [536]. Im Vergleich zu geharteten Olen enthalten Wiederkauerfette auch deutlich mehr cis9,transll-C18:2. Diese Fettsaure und das Isomer trans9,cisl l-C18:2, bei denen zwei Doppelbindungen in der Kohlenstoffkette durch eine Einfachbindung unterbrochen werden, bezeichnet man als konjugierte Linolsiiuren (conjugated linoleic acids, CLA). Ihnen kommt, wegen ihrer antioxidativen, antikanzerogenen und antiarteriosklerotischen Wirkung ein starkes Interesse der Forschung zu [S41, 5421. Als wichtigste natiirliche Quelle von CLA gelten Milch und Milchprodukte; sie haben einen mittleren Gehalt von 8,s mg CLA/g Fett. Nach Untersuchungen der 80er Jahre (die inzwischen durch die Veranderungen in der Zusammensetzung der Margarine zum Teil uberholt sind), nahmen Spanier 2, Deutsche 4, Briten 7 und Niederlander 10 g trans-Fettsauren pro Kopf und Tag mit der Nahrung zu sich. Nach der in 14 EU-Landern durchgefuhrten neueren TRANSFAIR-Studie reicht die Tageszufuhr von 1,4 g in Griechenland bis 5,4 g in Island; 35-70 YOhiervon entstammen dem naturlichen trans-Fettsauregehalt tierischer Fette. Bezogen auf die Energiezufuhr tragen trans-Fettsauren in Mittelmeerlandern 0,s YObei, in Island 2,1 YO [543]. In der Zusammensetzung des Korperfettes des Menschen lassen sich dementsprechende Unterschiede erkennen. Die EURAMIC-Studie in 9 EU-Landern hat im Fettgewebe gesunder Personen trans-C18:l-Gehalte von 0,43 O h in Spanien und bis 2,43 YO in den Niederlanden ergeben, 1,38 YO in Deutschland [544]. Mehrere epidemiologische Studien haben zu der SchluRfolgerung gefuhrt, da13 eine hohere Zufuhr von trans-Fettsauren eine Zunahme der LDL-Cholesterinwerte im Blut bewirkt. In einigen Untersuchungen zeigte sich auch eine Zunahme des Gesamtcholesterins und der Triglyceride, sowie eine Abnahme der HDLWerte [S4S]. Die Nachricht, der Verzehr von trans-Fettsauren wirke sich ahnlich ungunstig auf Risikofaktoren der koronaren Herzkrankheiten aus wie ein erhohter Verzehr von gesattigten Fettsauren, verursachte groMes Aufsehen, hatte man doch den Herzrisikopatienten (solchen mit hohem Blutdruck, hohen Blutfettwerten, Ubergewicht, farniliarer Vorbelastung) seit Jahrzehnten empfohlen, Margarine statt Butter zu essen. Auch eine in Finnland durchgefuhrle Interventionsstudie, bei der die Versuchspersonen funf Wochen lang eine Diat mit hohem Anteil trans-C18:l (25 g pro Tag, entsprechend 8,7 Yo der Energie) verzehrten, zeigte eine ungunstige Wirkung auf die Blutfette [.546]. Die uber einen Zeitraum von 14 Jahren durchgefuhrte prospektive Studie an 80 000 Krankenschwestern (Nurses’ Health Study) in USA wies ebenfalls auf ein mit der Zufuhr von trans-Fettsauren zunehrnendes Risiko fur koronare Herzkrankheit hin [S47]. Die Aussagekraft der epidemiologischen Studien wird allerdings von vielen Autoren bezweifelt, da die Korrelation zwischen trans-Fettsaureverzehr und Risiko nicht iiberzeugend und Confounders nicht genugend beriicksichtigt worden seien [548, 5491. Die Ergebnisse der EURAMIC-Studie entsprechen der Interpretation erhohtes Risiko bei erhohtem Verrehr von trans-Fettsauren nur teilweise [544] und bei der Analyse des Korperfettes von 66 an Myokardinfarkt verstorbenen Mannern und von 286 gesunden Kontrollpersonen wurde sogar ein signifikant hoherer trans-Fettsauregehalt bei den Kontrollen festgestellt [SSO]. Es gibt keine Hinweise auf eine krebserregende Wirkung von trans-Fettsauren oder auf ungunstige Einflusse auf die embryonale und kindliche Entwicklung. Langfristige Tierfutterungsversuche
Ethylcarbamat
179
haben keine Wirkungen von trans-Fettsauren auf Wachstum, Fortpflanzungsfahigkeit und Lebenserwartung ergeben oder Auffalligkeiten bei der histopathologischen Untersuchung der Organe gezeigt. Es wurden auch keine mutagenen oder teratogenen Wirkungen festgestellt. Auch wenn nicht endgiiltig bewiesen ist, da13 es gesundheitlich eine Rolle spielt, ob man 2 oder 6 g trans-Fettsauren pro Tag zu sich nimmt, halten es manche Autoren fur ratsam, die Zufuhr von trans-Fettsauren, soweit dies ohne groBen Aufwand moglich ist, einzuschranken, wahrend andere dafur keinen Grund sehen [548]. In Deutschland ist im Zeitraum 1979-1996 die tagliche Zufuhr von transFettsauren von $4 g bei Mannern und 4,5 g bei Frauen [551] auf 2,3 bzw. 1,9 g zuruckgegangen [540]. Dazu hat die Umstellung der Margarineindustrie auf Erzeugnisse mit geringerem trans-Fettsauregehalt ebenso beigetragen, wie der Ruckgang im Fettverbrauch insgesamt. In jiingster Zeit durfte der abnehmende Verzehr von Rindfleisch und damit Rinderfett zum Ruckgang der Zufuhr von trans-Fettsauren beigetragen haben3'. Fur die Ernahrungsaufklarung sind jedenfalls die weitere Verminderung der Gesamtfettzufuhr und des Anteils gesattigter Fettsauren wichtigere Ziele als eine weitere Verminderung des bereits sehr geringen trans-Fettsaureanteils. In anderen Regionen, wie in Nordamerika, wo die Zufuhr von trans-Fettsauren deutlich hoher liegt, haben Bemuhungen zur Reduzierung der Zufuhr moglicherweise mehr Bedeutung. Die Tageszufuhr von transFettsauren betragt in USA bei 20- bis 49jahrigen Mannern 6,6, bei Frauen dieser Altersgruppe 4,6 g [552]. Auch hinsichtlich der trans-Fettsauren konnte eine schon lange vorhandene, aber unerkannte Situation erst nach Verbesserung der analytischen Methoden erforscht und konnten MaSnahmen zur Verbesserung dieser Situation ergriffen werden.
Ethylcarbamat Zu Beginn des Jahrhunderts wurde Ethylcarbamat (NH2COOGH5),auch Urethan genannt, haufig als Schlafmittel verschrieben. In einem damals mal3geblichen Lehrbuch der Pharmakologie [553] schrieben die Autoren im Jahre 1922: ,,Das Urethan genugt allen Anforderungen in bezug auf Freisein von unangenehmen Nebenwirkungen .... Es ist ein unschadliches und brauchbares Schlafmittel fur die Kinderpraxis". Zwei Jahrzehnte spater erwies sich Ethylcarbamat in Tierversuchen als kanzerogen und verschwand dann allmahlich aus den Apotheken. In den 80er Jahren wurde die Substanz mit den nun verfugbaren hochempfindlichen Analysemethoden in alkoholischen Getranken, dann auch in anderen fermentierten Erzeugnissen gefunden [554]. Ethylcarbamat wird bei der Fermentation aus Ethanol und Harnstoff oder Citrullin gebildet - alles normale Stoffwechselprodukte von Hefen. Insofern konnte man das Ethylcarbamat im folgenden Kapitel unter die toxischen Naturstoffe einordnen. Seine Bildung wird jedoch durch
'* Im fruheren Bundesgebiet betrug 1980 der Verbrauch von Rind- und Kalbfleisch pro Kopf und
Jahr 24,7 kg und 1990 noch 22,l kg. Irn vereinten Deutschland ist er bis 1996 auf 15.3 kg zuruckgegangen [ 1031
180
In Lehensmitteln entstehende Reaktionsprodukte
bestimmte Mafinahmen der Verarbeitung und Zubereitung, vor allem durch Erhitzen, verstarkt. Wahrend Wein selten uber 20 yg/L enthalt, wurde in Destillaten his zum hundertfachen dieser Konzentration gefunden: Branntwein um 40, Whiskey 100, Sake 100-200 yg/L, Steinobstbranntwein bis zu 20 mg/L, im Mittel 1-2 mg/L. Das im Stein von Pflaumen, Kirschen und anderem Steinobst enthaltene Amygdalin oder daraus gebildete Blausaure (HCN) kann in Gegenwart von Sauerstoff zu Cyanat (HOCN) oxidiert werden. Cyanat reagiert mit Ethanol zu Ethylcarbamat: C2H50H
+ HOCN = HzNCOIC2H5
Wird Steinobstbranntwein dem Tageslicht ausgesetzt, so kann der Ethylcarbamatgehalt erheblich ansteigen. In der Schweiz untersuchte Brotsorten enthielten im Mittel 5 pg/kg, mit einem Maximalwert von 27 pg/kg. Die Brotkruste enthalt hohere Konzentrationen als die Krume und durch Toasten kann der Gehalt von Brot auf das Sechsfache ansteigen. Sojasauce enthalt je nach Herstellungsverfahren sehr unterschiedliche Mengen Ethylcarbamat. Im Dritten Schweizerischen Ernahrungsbericht wurde die unvermeidbare tagliche Zufuhr von Ethylcarbamat (durch Erzeugnisse wie Brot, Joghurt, Kase, Sojasauce) auf 20 ng/kg Korpergewicht geschatzt, bei 70 kg KG also 1,4 pg/Tag. Das dadurch bedingte Krebsrisiko wird bei taglichem Konsum von 1/2 L Wein durch das darin enthaltene Ethylcarbamat um den Faktor 5 erhoht, bei taglichem Konsum von einem Glas Steinobstbranntwein (20-40 mL) um den Faktor 100 [555] (siehe auch [243], S. 231f). Diese rein rechnerischen Risikoabschatzungen lieBen sich bisher nicht durch epidemiologische Studien erharten, da es schwierig ist, eine eventuelle kanzerogene Wirkung des Ethylcarbamats von dem durch den Alkohol bedingten Krebsrisiko zu trennen. Nichtsdestoweniger werden die Bemuhungen fortgesetzt, durch geeignete Herstellungsbedingungen hohe Ethylcarbamatgehalte in Branntweinen zu vermeiden. Kanada hat 1985 Hochstmengen fur Ethylcarbamat in alkoholischen Getranken festgesetzt, zum Beispiel fur Obstbranntweine und Likore 400, fur sonstige Destillate 150, fur Port und Sherry 100 und fur Wein 30 pg/L.
Naturstoffe mit potentiell gesundheitsschadlichen oder gesundheitsfordernden Wirkungen
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe Im Laufe ihrer Evolution haben Pflanzen eine Reihe von Abwehrmoglichkeiten gegen Schadorganismen (wie Pilze, Bakterien, Viren, Nematoden) und gegen das Gefressenwerden entwickelt, die ihr Uberleben sichern. Das konnen einerseits besonders widerstandsfahige Zellwande sein, Dornen, harte Schalen der Friichte und andere morphologische Eigenschaften, es konnen andererseits chemische Stoffe sein, die durch fungizide oder bakterizide Eigenschaften, durch bitteren Geschmack, als klebrige AuBenschicht oder in sonstiger Weise Schutz bieten. Andere von Pflanzen produzierte Stoffe dienen der Fortpflanzung, wie Duft-, Geschmacks- und Farbstoffe, die Insekten oder Vogel anlocken sollen. Ferner gibt es Phytohormone, die den pflanzlichen Stoffwechsel steuern, sowie eine Reihe von Stoffen mit sonstigen Funktionen [556]. Es sind mehr als als 150000 Naturstoffe bekannt, von denen 4/5 in Pflanzen vorkommen - und wahrscheinlich gibt es weitere hunderttausende, die man noch nicht kennt. Zur Unterscheidung von den Makronahrstoffen (Kohlenhydrate, Proteine, Fette) und den Mikronahrstoffen (Vitamine, essentielle Fettsauren) die bei praktisch allen Organismen vorkommen und die man als primare Pflanzenstoffe bezeichnet, spricht man bei den nur in bestimmten Lebewesen vorhandenen und hier meist spezielle Funktionen ausiibenden Substanzen von sekundaren Pflanzenstoffen. Andere Bezeichnungen sind bioaktive Substanzen oder im Englischen phytochemicals. Viele dieser Stoffe sind so giftig oder so bitter oder in anderer Weise iibelschmeckend, daB die betreffende Pflanze als Lebensmittel nicht in Frage kommt. Es gibt aber auch viele sekundare Pflanzenstoffe, die in geringerer Dosis gesundheitsfordernd, in hoherer Dosis gesundheitsschadlich wirken [557]. Davon wird noch zu sprechen sein. Wie in vorausgehenden Kapiteln bereits erwahnt, war seit den 50er Jahren die Ansicht weit verbreitet - in der Offentlichkeit, aber auch in breiten Kreisen der Wissenschaft - Krebs werde in erster Linie durch vom Menschen produzierte Kanzerogene verursacht und konne am besten durch die Verbannung dieser
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Naturstoffe
anthropogenen Krebserreger aus der Umwelt bekampft werden. Die toxikologische Forschung, vor allem die Krebsforschung, widrnete sich bis in die 80er Jahre uberwiegend dem Studium der durch Produkte der chernischen Industrie gegebenen Gesundheitsrisiken. Die Naturstofftoxikologie wurde ausgesprochen vernachlassigt. Der bekannte britische Toxikologe LEONGOLDBERG schrieb 1972: ,,Seit langem bin ich davon iiberzeugt, dalj das Studium der toxischen Eigenschaften von Lebensmitteln - normalen, naturlichen, (,,bio"-) Lebensmitteln - das am meisten vernachlassigte Gebiet der Toxikologie ist. Paradoxerweise ist es wahrscheinlich gerade dieses Gebiet, das fur die Verbesserung der menschlichen Gesundheit am meisten bringen wird. Seine Zeit wird bestimmt kommen, wenn erst einmal die derzeitige frenetische Beschaftigung mit meist vBllig unbedeutenden Problemen zu Ende geht.' [558]".
Die von GOLDBERG vorhergesagte Wende ist inzwischen eingetreten, vor allem durch die bereits erwahnten Arbeiten von DOLLund PETO [458] und von AMES und Mitarbeitern [559-5611. Die Forschung iiber kanzerogene und antikanzerogene Naturstoffe in Lebensmitteln, iiber gesundheitsschadigende und gesundheitsfordernde sekundare Pflanzenstoffe, hat in den letzten Jahren einen starken Aufschwung erlebt. Es sol1 im folgenden nicht von bekannten Giftpflanzen die Rede sein, wie Tollkirschen oder Knollenblatterpilzen, sondern von ublichen Lebensmitteln, in denen der Laie keine gesundheitsschadlichen Inhaltsstoffe erwartet, die aber sehr wohl eine Vielzahl solcher Stoffe enthalten konnen [562-5641.
Glycoalkaloide Zu den Abwehrstoffen der Kartoffel (Sofunurn tuberosurn) zahlen Glycoalkaloide, die zu 95 % aus den chemisch eng verwandten Stoffen alpha-Solanin und alpha-Chaconin bestehen. Beide enthalten Solanidin, unterscheiden sich jedoch in dem mit Solanidin verknupften Zuckerrest (Formelbild 7.1). In der Kartoffelpflanze sind die Glycoalkaloide ungleich verteilt: hohe Gehalte finden sich in Blattern, Bliiten und Keimen, geringere in der Knolle, wobei die Schale hohere Konzentrationen enthalt, als das Innere der Knolle (Tabelle 7.1). Durch phy-
Solanidin: R = H a-Solanin: R = L-Rhamnosyl-D-galactosyl-D-rhamnosyl a-Chaconin: R = L-Rhamnosyl-D-glucosyl-D-Rhamnosyl
Formelbild 7.1: Solanidin und dessen Glycoside alpha-Solanin und alpha-Chaconin.
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe
183
Tabello 7.1: Glycoalkaloidgehalte in verschiedenen Teilen der Kartoffelpflanze. Nach [565], modlfizlert
Tell der Pflanze
Glycoalkaloide [mg/kg Feuchtgewicht)
Bliiten
21 50-5000 230-1000
BlBtter ~~
23-33
StenOel
180-400
Wurzeln ~~
Knollen Schale (10-12% der Knolle) Fleisch
I Keime
10-150 150-1070 12-100
I 2000-7300
I
siologischen StreS, wie mechanische Beschadigung, mikrobiellen Befall oder Lichteinwirkung, kann der Glycoalkaloidgehalt stark ansteigen. In Knollen, die 13 Tage lang kunstlichem Licht ausgesetzt waren, stieg der Gesamt-Glycoalkaloidgehalt von 23 mg/kg auf (je nach verwendeter Lampe) 210 bis 700 mg/kg an [566]. Die Glycoalkaloide sind wasserloslich und gehen daher beim Kochen der Kartoffeln teilweise in das Kochwasser. Sie sind recht hitzebestandig; bei haushaltsublichen Temperaturen der Zubereitung erfolgt kein Abbau. Unreife oder keimende, grun gewordene Knollen konnen Glycoalkaloidkonzentrationen enthalten, die bei Verzehr von mehreren Kartoffeln zu Erbrechen, Durchfall und Krampfen fuhren. Bei Kindern hat es todliche Vergiftungen gegeben. Die in der wissenschaftlichen Literatur dokumentierten Todesfalle liegen allerdings viele Jahrzehnte zuriick, ereigneten sich also in einer Zeit, als der Kartoffelverzehr vie1 hoher war als heute. Uber mildere Formen von Vergiftung wurde aber auch in neuerer Zeit berichtet. So erkrankten im Jahre 1978 in einer britischen Ganztagsschule 78 Jungen innerhalb 7-19 Stunden nach Verzehr einer Mahlzeit, die Kartoffeln enthielt; 17 mufiten in ein Krankenhaus eingeliefert werden, drei erforderten Intensivbehandlung. Die Untersuchung des Kartoffelgerichts ergab einen Glycoalkaloidgehalt von uber 300 mg/kg [567]. Eine Dosis von 1-5 mg/kg Korpergewicht wirkt akut toxisch, 6 mg/kg konnen todlich sein. Der Abstand zwischen moglicherweise verzehrter und akut toxischer Dosis ist relativ gering. Uber die chronische Toxizitat ist nichts bekannt. Bisher sind keine langfristigen Tierversuche mit Solanin oder Chaconin durchgefuhrt worden. Wenn die Kartoffel heute als novel food neu auf den Markt kommen sollte, hatte sie keine gute Chance, zugelassen zu werden. Dabei liegt der Glycoalkaloidgehalt heutiger Zuchtsorten weit unter demjenigen der Wildtypen. Dies wurde in den 60er Jahren deutlich, als in den Vereinigten Staaten eine Neuzuchtung namens Lenape zugelassen werden sollte, die durch Ruckkreuzung mit der Wildkartoffel Solanurn chacoense erhalten worden war. Lenape hatte ausgezeichnete agronomische und Verarbeitungseigenschaften, aber - wie sich erst kurz vor
184
Naturstoffe
der beabsichtigten Markteinfuhrung herausstellte - einen sehr hohen Glycoalkaloidgehalt, der sich eindeutig auf den genetischen Beitrag der Wildkartoffel zuruckfuhren liel3. Der Zulassungsantrag fur die Neuzuchtung wurde zuruckgezogen. (Mit Gentechnik hatte das nichts zu tun. Die gab es damals noch nicht). Glycoalkaloide kommen auch in anderen Nachtschattengewachsen, wie Tomaten und Auberginen vor. Grune Tomaten enthalten erheblich hohere Glycoalkaloidgehalte als ausgereifte rote.
Pyrrolizidinalkaloide Krautertees erfreuen sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit, und das Interesse an den Heilwirkungen der verschiedenartigsten Wildpflanzen hat stark zugenommen. Die Bemuhungen der Toxikologen und Naturstoffchemiker, zu klaren, welche Arten von Wirkstoffen in diesen Erzeugnissen enthalten und wie sie toxikologisch zu bewerten sind, konnen mit dieser Entwicklung kaum Schritt halten. Nicht selten kommt es zu Vergiftungen bei Personen, die trotz fehlender botanischer Kenntnisse selbst Blatter, Bluten und Wildfruchte sammeln und sich daraus Krautertees bereiten [568]. Um nur ein Beispiel zu nennen: In ein osterreichisches Krankenhaus wurde ein 18 Monate alter Junge in schwerkrankem Zustand eingeliefert. Hepatischer Block mit portaler Hypertonie und hochgradige Bauchwassersucht (Ascites) wurden festgestellt. Man hatte ihm seit seinem dritten Lebensmonat taglich Krautertee gegeben, der aus Blattern von Pfefferminze und einer zweiten Pflanze zubereitet wurde, die man fur Huflattich (Tussilugo furfara) gehalten hatte, die sich jedoch als Alpendost (Adenostyles ulliuriae) erwies. (Einem Kleinkind Huflattichtee zu geben, ware auch nicht empfehlenswert gewesen!). Analyse des Tees ergab einen hohen Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden. Berechnungen zeigten, dal3 das Kind 15 Monate lang taglich mindestens 60 pg dieser Toxine pro kg Korpergewicht zu sich genommen hatte [569]. Die Pyrrolizidinalkaloide stellen eine Gruppe von etwa 200 chemisch verwandten Verbindungen dar, von denen sich viele als mutagen und in chronischen Untersuchungen an Ratten oder Mausen als kanzerogen erwiesen haben. Wie aus Formelbild 7.2 hervorgeht, leiten sich diese Alkaloide von l-Hydroxymethylpyrrolizidinen ab, die entweder gesattigt oder 1,2-ungesattigt sind und in Position 7 eine Hydroxylgruppe tragen konnen. In den Pflanzen kommen sie als Monoester (Position 9) oder als Diester (Positionen 9 und 7) vor, in denen die Hydroxylgruppen mit verschiedenartigsten Sauren verbunden sind, von der Essigsaure mit zwei his zu Pimelinsaurederivaten mit zehn Kohlenstoffatomen. Bei manchen Pyrroli-
1 -Hydroxymethylpyrrolizidin
Formelbild 7.2: Einige Pyrrolizidinalkaloide.
I -Hydroxymethyl7-hydroxypyrrolizidin
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe
185
zidinalkaloiden besteht eine ringformige Verbindung zwischen den Positionen 7 und 9. Was viele Menschen in dem Glauben, ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun, ihrem Korper zumuten, zeigt das Beispiel Cornfrey. Dies ist der englische Name fur den deutschen Beinwurz, Beinheil oder Wallwurz (Symphiturn officinafe). Im deutschsprachigen Raum werden in neuerer Zeit Beinwurzpraparate bevorzugt unter der Bezeichnung Comfrey angeboten, nicht nur als Krautertee und Krautertropfen, sondern auch in Form von Blattern, Wurzeln und Mehl, mit Rezepten zur Herstellung von Comfrey-Nahrmusli, -Gesundheitsbrot, -Salat, -Spinat, -Omelet4 -Wein u. a. Der Verzehr sol1 der Blutreinigung, Regenerierung, Erfrischung, Kraftigung etc. dienen und gegen Ischias und diverse andere Krankheiten gut sein. In der Pharmakologie weiB man aber schon lange, daB Symphitum officinafe erhebliche Konzentrationen verschiedener Pyrrolizidinalkaloide, wie Symphitin, enthalt, die eine relativ hohe toxische Wirksamkeit besitzen. In den genannten Comfreypraparaten sind Gesamtalkaloidgehalte von bis zu 80 mg/kg festgestellt worden, eine aus toxikologischer Sicht bei wiederholtem oder gar Dauerverzehr durchaus bedenkliche Konzentration. Durch Verfiitterung von Symphitumblattern und -wurzeln an Ratten kann man Leberkrebs verursachen. Massenvergiftungen beim Menschen durch Verzehr pyrrolizidinhaltiger Lebensmittel, gekennzeichnet durch schwere Leberschaden, hat man in Indien und Pakistan beobachtet. Einzelerkrankungen nach GenuB pyrrolizidinhaltiger Buschtees kennt man vor allem aus der Karibik, sie sind aber auch in Siidafrika, USA und England beschrieben worden. Als Ursache sind nicht nur die verschiedenen Arten von Symphitum zu nennen, sondern auch andere pyrrolizidinhaltige Pflanzen der Gattungen Senecio (Kreuzkraut), Tussifago(Huflattich), Hefiotropiurn (Sonnenwendkraut) und Cynoglossurn (Hundszunge). Es sind iiber 6000 Pflanzenarten bekannt, die Pyrrolizidinalkaloide enthalten. Vergiftungen von Weidetieren, die solche Pflanzen gefressen haben, sind haufig beschrieben worden.
Chinolizidinhaltige Alkaloide Die Lupine, eine Gattung aus der Familie der Leguminosen, von der iiber 200 Arten bekannt sind, ist bereits im Agypten und Griechenland des Altertums, ebenso wie im Sudamerika der Inkazeit als Futterpflanze angebaut worden. Die Samen konnen nach ihrem Gehalt an biologisch hochwertigem Protein und Fett mit der Sojabohne konkurrieren. Die Pflanzen gedeihen auch auf armen Boden und zeichnen sich durch ihre Schadlingsresistenz aus; durch ihre Fahigkeit zur Stickstoffbindung (uber die Knollchenbakterien an ihren Wurzeln) eignen sie sich ideal zur Grundiingung. Problematisch ist ihr Gehalt an bitter schmeckenden und toxischen Alkaloiden, die sich vom Chinolizidin ableiten. Es sind uber 70 Chinolizidinalkaloide beschrieben worden, zum Teil2-Ring-Strukturen, wie das Lupinin, zum Teil3-Ring-, wie Cytisin, und 4-Ring-Strukturen, wie Spartein und Anagyrin (Formelbild 7.3). Lupinensamen wurden im Altertum und werden heute in vielen Teilen der Welt auch zur menschlichen Ernahrung verwendet. Voraussetzung dafur ist die weitgehende Entfernung der Bitterstoffe durch Wassern, Kochen, Dampfen und andere
186
Naturstoffe CH20H
I
Chinolizidin
Lupinin
0
Spartein
Cytisin
0
Anagyrin
Formelbild 7.3: Einige Chinolizidinalkaloide.
Verfahren - oder die Verwendung durch Zuchtung gewonnener bitterstoffarmer Sorten (SuBlupine). Wahrend die wilden Varietaten bis zu 4 % Alkaloide enthalten, stehen heute Zuchtstamme mit weniger als 0,005 % zur Verfugung. Trotzdem sind auch in neuerer Zeit Vergiftungen beschrieben worden, mit Symptomen wie Ubelkeit, Sehstorungen, Pupillenerweiterung, SchweiBausbruch, Muskelschwache, Atemstillstand, Koma [570].
Blausaurehaltige Glycoside Eine bedeutendere Rolle als die Vergiftungen durch Glyco- und Pyrrolizidinalkaloide spielt die akute und chronische Toxizitat der Blausaure (Cyanwasserstoff, HCN), die in Form verschiedener Glycoside (d. h. an Zucker gebunden) in vielen Pflanzen vorkommt, in bitteren Mandeln, den Kernen von Apfeln, Zitronen und Birnen, den Steinen von Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen und Pflaumen als Amygdalin, in Cassava, Bohnen und Leinsamen als Linamarin (Formelbild 7.4). Man bezeichnet diese Glycoside als Cyanogene. Die HCN-Konzentrationen in verschiedenen Pflanzenarten und Pflanzenteilen reichen von 20 mg/kg bei heimischen Bohnen und Erbsen bis zu 8 g/kg in unreifen Bambussprossen. In den PflanZen, die blausaurehaltige Glycoside enthalten, kommen, von den Glycosiden getrennt, 6-Glucosidasen vor, die bei Verletzung des Gewebes freigesetzt werden und dann die Glucose vom Cyanogen abspalten. Die dabei gebildeten Hydroxynitrile (auch Cyanohydrine genannt) werden durch Hydroxynitril-Liase oder nichtenzymatisch zu HCN und einem Aldehyd oder Keton hydrolysiert. Im Falle des Amygdalins entsteht Benzaldehyd, der Aromastoff des Bittermandelols. Fur den Erwachsenen konnen 60 bittere Mandeln zu einer todlichen Vergiftung fuhren, bei kleinen Kindern bereits 5-10 bittere Mandeln. Bei echtem Bittermandelol konnen 10 Tropfen fur Kinder todlich sein [562]. Derartige Vergiftungen
Toxische Pflanzeninhaitsstoffe CN I H -C -0-Glucose-
Amygdalin
Linamarin
CN I H -C -0- Glucose
I
OH Dhunin
Glucose
187
CN I H-C-OH
Mandelsaurenitril
Acetonc yanhydrin
Benzaldehyd
Aceton
CN I
H-C-OH
I
OH p-Hydroxymandelsaurenitril
OH p-Hydroxybenzaldehyd
Formelbild 7.4: Bildung von Hydroxynitrilen durch Einwirkung von P-Glucosidase auf Amygdalin, Linamarin und Dhurrin und Freisetzung von Blausaure (HCN) aus den Hydroxynitrilen.
sind selten geworden, weil statt bitterer Mandeln und Bittermandelol in der Kuche heute Bittermandelaroma verwendet wird, das das ungefahrliche, synthetisch hergestellte Benzaldehyd enthalt, das HCN-frei ist. Eine ganz andere Dimension haben durch Cyanogene bedingte Vergiftungen in den tropischen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, wo fur uber 500 Millionen Menschen Cassava, die Pfeilwurzel (Munihot esculentu), ein Hauptnahrungsmittel ist. Die bis zu 15 kg schwere Wurzel kann bis zu 1,5 g glycosidisch gebundenes HCN/ kg Trockenmasse enthalten, und dieser Blausaureanteil mul3 weitgehend entfernt werden, ehe die Cassava- oder Maniokstarke als Nahrungsmittel verwendet wird. Die dafur eingesetzten Methoden des Zerkleinerns, Zerstampfens, Wasserns, langen Stehenlassens, Kochens, Trocknens, Rostens oder der Fermentation dienen der Abspaltung der Glucose vom Linamarin durch endogene und/oder bakterielle Glucosidasen, der Hydrolyse des so entstandenen Hydroxynitrils und der Entfernung des HCN durch Evaporation oder Wassern. Diese Methoden sind zeit- und arbeitsaufwendig und werden oft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgefuhrt. Es verbleiben dadurch HCN-Konzentrationen (als Glycosid, Hydroxynitril und freie HCN) in den Speisen, die - vor allem bei Kindern - akute und chronische Vergiftungen zur Folge haben konnen [571]. Die HCN-Zufuhr laSt sich durch einen Anstieg des Thiocyanatspiegels im Blutserum nachweisen, da Cyanid in der Leber mit Thiosulfat zu Thiocyanat reagiert. Die Jodaufnahme in der Schilddriise wird durch Thiocyanat blockiert, und gehauftes Auftreten von Jodmangel-Kropf ist eine der Folgen chronischer HCN-Exposition. Daneben treten
188
Naturstoffe
in Gebieten mit hohem Cassavaverzehr gehauft neurologische Schaden, wie sensorische Ataxie (Storung der Bewegungsablaufe), spastische Muskelschwache und Amblyopie (Sehstorungen) auf, die ebenfalls auf HCN-Vergiftung zuruckgefuhrt werden. Andere wichtige Nahrungsmittel, deren hohe Gehalte an cyanogenen Glycosiden eine sorgfaltige Zubereitung erfordern, sind bestimmte Varietaten der Lima- oder Mondbohne (Phaseolus lunatus), der Yamwuzel (Dioscorea spp.) und Bambussprossen. Die Pflanze der Zucker- oder Mohrenhirse (Sorghum vulgare) enthalt das Cyanogen Dhurrin, in besonders hoher Konzentration in den SchoBlingen, deren Verwendung als Futter zu Blausaurevergiftungen bei Tieren fuhren kann. Dagegen sind die Sorghumsamen, als Brei oder fermentiert als Bier ein Hauptnahrungsmittel in Trockengebieten Afrikas und Asiens, nicht cyanogenhaltig.
Lectine Weiter oben wurde der Gehalt von cyanogenen Glycosiden in Erbsen und Bohnen erwahnt. Rohe Hulsenfruchte (Leguminosen) enthalten noch eine Reihe weiterer potentiell gesundheitsschadlicher Substanzen, wie Lectine, Proteaseinhibitoren, Phytate, Phytoestrogene, Tannine und Saponine. Durch Erhitzen konnen diese Stoffe weitgehend inaktiviert und Hulsenfruchte so zu wertvollen Nahrungsbestandteilen gemacht werden. Verabreichte man wachsenden Ratten ein Futter, das als einzige Proteinquelle rohe Bohnen enthielt, so starben die Tiere je nach verwendeter Bohnensorte nach 4-8 Tagen [572]. Bei dieser Untersuchung korrelierte die Toxizitat mit dem Lectingehalt der Bohnen; von den genannten Substanzgruppen kommt den Lectinen die hochste akut toxische Potenz zu. Die Lectine sind eine sehr heterogene Gruppe von mehreren hundert Pflanzenproteinen, die sich durch eine hohe Fahigkeit auszeichnen, Kohlenhydrate reversibel zu binden. AuBer in Leguminosen kommen sie, wenn auch in geringerer Konzentration, mit unterschiedlicher Hitzestabilitat und mit sehr unterschiedlicher Toxizitat, in vielen anderen Arten vor, so in Weizen, Kartoffeln, Knoblauch und Tomaten. Sie schutzen diese Pflanzen indem sie fungizid, insektizid und fraBhemmend wirken. Ein besonders toxisches Lectin ist das Rich in Ricinussamen, eines der potentesten Gifte, die man kennt; die todliche Dosis fur den Menschen liegt bei 5 pg/kg Korpergewicht. Durch ihre Bindung an Kohlenhydrate in der AuBenschicht von Erythrozyten (rote Blutkorperchen) verursachen Lectine, wenn man sie diesen in vitro zusetzt, ein Zusammenklumpen (Agglutination), weshalb man sie auch als Phytohamagglutinine bezeichnet. Mit der Nahrung aufgenommene Lectine binden an Kohlenhydrate der intestinalen Mucosa und beeintrachtigen die Resorptionsfahigkeit der Mucosazellen. Bei hoherer Dosierung zerstoren sie die Villi (Darmzotten), verursachen blutige Durchfalle und beim Menschen Erbrechen. Gelangen sie in die Blutbahn, konnen sie die inneren Organe schadigen, vor allem Leber und Niere. Gastroenteritis (Schleimhautentzundung des Magens und Diinndarms) nach Verzehr roher Bohnen (Phaseolus spp.) ist haufig beschrieben worden und wird vor allem durch das Bohnenlectin Phasin verursacht. Wahrend der Blockade von Berlin trat dort eine epidemieartige Erkrankungswelle auf, als wegen des Brennstoff-
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe
189
mangels amerikanische Trockenbohnen halbgar oder ungekocht verzehrt wurden. Bereits der GenuB von 5-6 rohen grunen Bohnen kann zu schweren hamorrhagischen Gastroenteritiden fuhren [573]. In jungerer Zeit wurde eine Massenerkrankung durch das Phasin ungenugend gekochter Bohnen in den Niederlanden beschrieben [574].
Lathyrogene Substanzen Der Lathyrisrnus ist eine bereits von HIPPOKRATES beschriebene Krankheit, die durch langfristigen Verzehr von Samen der Gattung Lathyrus (Platterbsen) verursacht wird. Das auffallendste Symptom der Erkrankung ist die charakteristische Art des Ganges, der wie ein Fallen von einem FuB auf den anderen wirkt. Die Kranken miissen unter den Armen gestutzt werden, um nicht einzuknicken. In schweren Fallen fuhrt die Krankheit zum Tod. sie war fruher, vor allem in Notzeiten, in Italien und Algerien weit verbreitet und ist in neuerer Zeit immer noch in Indien, Bangladesh und Athiopien aufgetreten. Die verschiedenen Lathyrusarten, vor allem Lathyrus sativus, die Kichererbse, zeichnen sich durch Widerstandsfahigkeit gegen Trockenheit, geringen Dungerbedarf, Resistenz gegen Schadlinge und relativ guten Ertrag aus. Sie werden vor allem als Futtermittel angebaut, in Zeiten der Nahrungsknappheit aber, trotz ihrer bekannten Toxizitat, auch als Lebensmittel genutzt. Fur die neurotoxischen Wirkungen wird vor allem die nicht in Proteinen vorkommende Aminosaure P-N-Oxalylamino-L-alanin verantwortlich gemacht. Pflanzenzuchter bemuhen sich, neue Varietaten zu zuchten, die die wunschenswerten Eigenschaften der bekannten Lathyrusarten mit einem moglichst geringen Gehalt an P-N-Oxalylamino-L-alanin verbinden [575]. Eine andere Moglichkeit ware die Entwicklung von Nachernteverfahren, mit denen man das toxische Prinzip extrahieren oder abbauen konnte. Beide Wege setzen die Verfugbarkeit von wenig aufwendigen und doch zuverlassigen Analysemethoden voraus [576].
Enzyminhibitoren Pflanzenzellen enthalten Enzyminhibitoren, die zum einen der Regulierung des eigenen Stoffwechsels dienen (sie helfen zu verhindern, da13 die Zelle sich durch ihre endogenen Enzyme selbst verdaut), zum anderen Schutz gegen Schadorganismen bieten. Die letztere Funktion wurde durch Untersuchungen an Kartoffeln und Tomaten demonstriert [577]. Wenn Insektenlarven an deren Blattern zu fressen begannen, bildeten sich in den Pflanzen in kurzer Zeit Proteaseinhibitoren. Die Larven horten auf zu fressen, vermutlich weil ihr Verdauungssystem durch die Proteaseinhibitoren gestort wurde. Die Inhibitoren hemmen auch die Verdauungsenzyme von Saugetieren und konnen die Ausnutzung der Nahrstoffe im menschlichen Verdauungstrakt erheblich behindern. Es handelt sich um Proteine, die durch Hitze inaktiviert werden, wobei es erhebliche Unterschiede in der Hitzestabilitat gibt [578]. Proteaseinhibitoren kommen in verschiedenen Pflanzenarten in sehr unterschiedlicher Konzentration vor. Sojabohnen enthalten 20, andere Bohnen 0,25-3,6, Getreidekorner 2-3, und Kartoffeln 1-2 g Proteaseinhibitoren pro kg
190
Naturstoffe
0 2 4 6
10
20
Erhitzungszeit [rnin bei 100' C]
Abbildung 7.1: Verbesserung des Nahrwerts von Sojaprotein (gemessen in PER-Einheiten, p r o tein efficiency ratio) durch Hitzeinaktivierung der Trypsin Inhibitor Aktivitat (gemessen in TIU, trypsin inhibitor units). Quelle: [580].
[57Y]. Der Inhibitorgehalt hangt stark von der Sorte, dem Reifegrad und der Lagerdauer nach der Ernte ab. In vielen Pflanzen hat man mehr als einen Proteaseinhibitor gefunden, in Gerste zum Beispiel 25, in Kartoffelknollen 13. Wie in Abbildung 7.1 am Beispiel von Sojabohnenmehl demonstriert, ist die Proteinqualitat im unerhitzten Material schlecht (Protein Efficiency Ratio, PER, etwa 1,6 ); mit zunehmender Hitzeeinwirkung nimmt die Inhibitoraktivitat ab und der PERWert steigt auf etwa 3. AuOer durch Erhitzen kann man die Proteaseinhibitoren auch durch Fermentation inaktivieren, wie fur das in Sudostasien aus Sojabohnen hergestellte tempeh und andere Fermentationprodukte nachgewiesen wurde. Wahrend man fruher das Vorhandensein von Proteaseinhibitoren in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft nur unter dem negativen Aspekt der schlechten Proteinnutzung gesehen hat, weisen in neuerer Zeit zahlreiche Arbeiten auf eine die Krebsentstehung hemmende Wirkung dieser Inhibitoren hin [SSl]. Proteaseinhibitoren gibt es auch in Lebensmitteln tierischer Herkunft; vor allem im Eiklar roher Huhnereier kommen Trypsin- und Chymotrypsininhibitoren vor. Amylasen sind Enzyme, die die Hydrolyse von Starke zu Glucose und Maltose katalysieren. Alpha-Amylaseinhibitoren kommen in allen Getreidearten, in Erdnussen und Bohnen vor. Lipasen katalysieren die Hydrolyse von Triglyceriden zu Fettsauren, Di- und Monoglyceriden und Glycerin. Lipaseinhibitoren kommen in Getreidekornern vor. Es gibt zahlreiche weitere Enzyminhibitoren in pflanzlicher Nahrung iiber deren Rolle im Verdauungssystem des Menschen noch wenig bekannt ist.
Phytoestrogene Die Phytoestrogene sind Pflanzenstoffe, die Wirkungen wie das weibliche Geschlechtshormon 17b-Estradiol auslosen: sie stimulieren das Wachstum weiblicher Geschlechtsorgane und losen bei weiblichen Saugetieren die Brunst aus. Sie entstammen hauptsachlich den drei Verbindungsklassen der Isoflavone, Lignane und Coumestane (Formelbild 7.5), es gibt aber auch estrogen wirksame Verbin-
191
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe ISOFLAVONE
Formononetin
Daidzein
Biochanin A
OH
Genistein
Equol
LIGNANE
Enterolacton
Enterodiol
COUMESTAN
ESTROGEN
HO
HO Coumestrol
17P-Estradiol
Formelbild 7.5 Einige Phytoestrogene aus den Gruppen der Isoflavone, Lignane und Coumestane und das Estrogen 17p-Estradiol.
dungen anderer Struktur. Das Interesse an derartigen Verbindungen wurde durch eine 1946 erschienene Veroffentlichung australischer Wissenschaftler geweckt, in der diese uber Unfruchtbarkeit bei Schafen berichteten, die auf Kleefeldern geweidet hatten. Im Klee wurden die Isoflavone Daidzein und Genistein und deren Pracursoren Formononetin und Biochanin A identifiziert, sowie das Equol. Die estrogene Wirksamkeit der Phytoestrogene ist sehr vie1 geringer als die des weiblichen Geschlechtshormons 17P-Estradiol oder des synthetischen Diethylstilbestrols (DES) (vgl. Formelbild 3.2a). Im Mauseuterustest verhalt sich die Wirksamkeit von DES : Genistein : Daidzein wie 100000 : 1,0 : 0,26 [582]. Sojabohnen und Sojaerzeugnisse sind die wichtigsten Quellen von Isoflavon- und Coumestan-
192
Naturstoffe
Phytoestrogenen in der menschlichen Nahrung. Da in ostasiatischen Landern sehr vie1 mehr Sojaerzeugnisse verzehrt werden als in anderen Teilen der Welt, licgt dort die tagliche Zufuhr von Phytoestrogenen entsprechend hoher. Geringere Konzentrationen von Isoflavonen kommen in anderen Leguminosen vor. Coumestrol wurde in verschiedenen Bohnen- und Erbsenarten nachgewiesen. Enterolacton und Enterodiol entstehen durch Einwirkung von Bakterien im menschlichen Darm aus pflanzlichen Lignanen, deren Hauptquelle Olsamen sind. Wie aus Tabelle 7.2 hervorgeht, bewirkt der Konsum einer traditionellen japanischen Kost sehr vie1 hohere Plasmaspiegel von Isoflavonen als europaische Kostformen, wahrend das Lignan Enterodiol bei vegetarischer Ernahrungsweise die hochste Plasmakonzentration erreicht. Es gibt keine Anzeichen gesundheitsschadlicher Wirkungen durch die hohere Zufuhr von Phytoestrogenen bei ostasiatischen Bevolkerungsgruppen oder bei Vegetariern [583]. Sauglingen, die gegen Kuhmilch allergisch sind oder Lactose nicht vertragen, gibt man seit Jahrzehnten Sojamilch. Bei mit dieser isoflavonreichen Kost groB gewordene Personen wurden keine nachteiligen Wirkungen hinsichtlich Gewichtszunahme, Alter bei Eintritt der Pubertat, Fruchtbarkeit oder sonstiger Gesundheitsindikatoren gefunden [584].Nachteilige Wirkungen, wie die erwahnte Unfruchtbarkeit bei australischen Schafen, sind nur bei Tieren und hochdosierter Zufuhr festgestellt worden. Dagegen gibt es in neuerer Zeit verschiedene Arbeiten, die den Phytoestrogenen gesundheitsfordernde Wirkungen beim Menschen zuschreiben. Der Ersatz tierischer Proteine in der Nahrung durch Sojaprotein oder der Zusatz von Sojaprotein zur ublichen Kost bewirkt eine Abnahme des Gesamt- und des LDL-Cholesterins im Blut und vermindert dadurch das Herzinfarktrisiko. Isoflavone sollen dafur verantwortlich sein. Ein hoher Sojaverzehr korreliert mit geringerem Risiko von Brustkrebs bei Frauen und Prostatakrebs bei Mannern [583]. Dem hohen Genistein-Gehalt der Sojabohnen wird eine Schutzwirkung gegen Brustkrebs zugeschrieben [585].Ferner scheinen Isoflavone dem nach der Menopause eintretenden Knochenverlust entgegenzuwirken, also Ostcoporose verhindernde Eigenschaften zu besitzen [582].
Finnische Vegetarierinnen
1 Daidzein
4.2
I 60-924
17,l
4.9
90-1 204
Equol
0,7
0.8
0,54-24.6
I
183
5.4
I
Japanische Manner
Genistein
I Enterodiol
I
Finnische NichtVegetarierinnen
I
1.4
I 0.68-1.61
I I
Toxische Pflunzeninhaltsstoffe
193
Goitrogene (strumigene) Substanzen Wie bei der Besprechung der cyanogenen Substanzen erwahnt, treten Jodmangelerscheinungen (Kropf = Struma, engl. goitre) bei chronisch erhohter HCN-Exposition gehauft auf. Ursache ist die Bildung von Isothiocyunat, das den gleichen Ionenradius wie Jod hat und mit diesem um die Aufnahme und Speicherung in der Schilddruse konkurriert. Der Isothiocyanatspiegel im Blutserum wird auch durch den Verzehr von glucosinolathaltigen Pflanzen erhoht, das sind alle zur Gattung Brussica gehorenden Arten (Kohlpflanzen, Ruben, Raps, WeiBer und Schwarzer Senf), andere Cruciferen, wie Kresse und Rettich und manche zu anderen Pflanzenfamilien gehorende Arten, wie Papaya. Die Glucosinolatgehalte reichen von etwa 0,5 g/kg in Blumenkohl bis zu 5 g/kg in Meerrettich und 60 glkg in Samen von WeiBem Senf. Sie konnen bei verschiedenen Sorten der gleichen Pflanzenart sehr unterschiedlich sein und werden von zahlreichen Faktoren, wie Klima, Dungung und Erntezeitpunkt beeinflufit. Die tagliche Zufuhr von Glucosinolaten rnit der Nahrung wurde fur britische Verbraucher rnit 46 mg (bezogen auf Rohware) bzw. 29 mg (bezogen auf verzehrsfertig zubereitete Nahrung) ermittelt; entsprechende Untersuchungen in der Bundesrepublik ergaben einen Schatzwert von 43 mg. Von den Kohlarten enthalt Rosenkohl die groaten Glucosinolatmengen (0,8-5 g k g Frischgewicht), gefolgt von WeiBkohl und Kohlriibe. Relativ geringe Mengen (0,4-1,3 g/kg) wurden in Blumenkohl gefunden [586]. Die Glucosinolate haben die in Formelbild 7.6a gezeigte Struktur eines rnit einem Glucoserest verbundenen schwefelhaltigen Aglycons (als Aglycon bezeichnet man den nicht-Kohlenhydratteil eines Glycosids). Es sind uber 100 Glucosinolate bekannt, die sich durch die Seitengruppe R unterscheiden. In jeder der genannten Pflanzenarten kommen meist mehrere Glucosinolate vor, in denen R fur Methyl-, Allyl-, 2-Butyl-, 3-Butenyl-, 3-Indolylmethyl- und vielerlei andere Seitengruppen stehen kann. Raumlich getrennt von den Glucosinolaten kommt im pflanzlichen Gewebe das Enzym Myrosinase vor. Wird es freigesetzt, zum Beispiel durch mechanische Beschadigung des Gewebes, so katalysiert es die Abspaltung der Glucose. Der freie Aglyconrest ist wenig stabil und zerfallt, wie in Formelbild 7.6a dargestellt, in Isothiocyanate, Thiocyanate und Nitrile. Welche dieser drei Verbindungsklassen uberwiegt, hangt von mehreren Faktoren, wie pH-Wert und Temperatur ab. Die meisten dieser Substanzen sind fluchtig; sie sind teils selbst, teils nach Reaktion rnit anderen Pflanzeninhaltsstoffen fur das typische Aroma der betreffenden Pflanzenart verantwortlich. Wird das pflanzliche Material erhitzt, so wird die Myrosinase inaktiviert, der Glucosinolatgehalt bleibt weitgehend erhalten, geht jedoch zum groBen Teil in das Kochwasser uber. Durch langeres Kochen werden die Glucosinolate auf nichtenzymatischem Wege hydrolysiert. Thiocyanat hat den gleichen Ionenradius wie Isothiocyanat und konkurriert wie dieses rnit Jod um die Aufnahme in die Schilddruse. Die goitrogene Wirkung des Isothiocyanats/Thiocyanatsim Organismus von Mensch und Tier kann durch zusatzliche Verabreichung von Jod aufgehoben werden. Die Bestimmung der Thiocyanatkonzentration im Blutserum von fast 6000 in verschiedenen Regionen Deutschlands wohnenden Personen fuhrte zu der SchluBfolgerung,daB selbst eine thiocyanatreiche Ernahrung (uberwiegend lactovegetabile Kost) hier keine Gefahrdung fur die Schilddruse darstellt [587].
194
Natu rstoffe Isothiocyanat /
R-C
S-Glucose
*NOS0j Glucosinolat
(Myrosinase) +H20
/
*
R-C
\\
NOSOj
R-CEN Nitril
+
Glucose
a
Thiocyanat
+H2O (Myrosinase) - Glucose
7/”\ CH2-CH-CH-CH2CN
- HSOi
I
OH
OH b
Nitril
CHz=CH--CH-CH2 I 1
5-Vinyloxazolidin-2-thion (Goitrin)
Formelbild 7.6 Entstehung goitrogener Verbindungen (Isothiocyanat/Thiocyanat)aus Glucosinolaten (7.6a) und des Goitrins aus dem Glucosinolat Progoitrin (7.6b).
Einige Glucosinolate, wie das Progoitrin, uben auf anderem Wege eine goitrogene Wirkung aus, die nicht durch Jodgaben aufgehoben werden kann. Wie aus Formelbild 7.6b hervorgeht, entsteht durch Myrosinaseeinwirkung auf Progoitrin eine instabile Hydroxybutenylverbindung, die sich teilweise zu Goitrin (5-Vinyloxazolidin-2-thion) umlagert. Letzteres behindert die Oxidation von Jodid zu Jodat, die eine notwendige Vorstufe der Jodierung des Tyrosins in der Schilddruse ist, und wirkt dadurch goitrogen. Bisher sind nur wenige Glucosinolate auf kanzerogene Wirksamkeit gepruft worden. Das in Kohlarten, Meerrettich, Schwarzem und Braunem Senf sowie Kapern vorkommende Sinigrin hat eine Allyl-Seitenkette, die bei Einwirkung von Myrosinase Allylisothiocyanat liefert. Dieses wirkt mutagen und hat sich in Futterungsversuchen mit Ratten als kanzerogen erwiesen. Die Haufigkeit von Speiserohrenkrebs in bestimmten Gebieten Indiens scheint mit der dort ublichen Verwendung von Senfol zur Speisenzubereitung zusarnmenzuhangen [588].
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe
195
Wenn in relativ hoher Dosis verabreicht, kommen den Glucosinolaten noch weitere gesundheitsschadliche Wirkungen zu. Wurde wachsenden Ratten 4 Wochen lang ein Futter verabreicht, das bis zu 20 % getrockneten Rosenkohl enthielt, so traten neben goitrogenen Wirkungen in dosisabhangiger Weise auch Wachstumsverzogerung, erhohte Leber- und Nierengewichte und histopathologisch feststellbare Leberschaden auf [589]. Dies ist kein AnlaS, vor dem Verzehr von Rosenkohl zu warnen, denn es wird niemand taglich Rosenkohl in solchen Mengen zu sich nehmen. Es besteht jedoch, wie vorher hinsichtlich des Solaningehaltes der Kartoffeln, AnlaS darauf hinzuweisen, daB Rosenkohl, wenn er heute als Lebensmittel neu zugelassen werden sollte und dabei die Kriterien angewendet wurden, die fur die Zulassung von novel foods gelten, kaum eine Chance hatte. Die aus Glucosinolaten freigesetzten Isothiocyanate haben zum Teil eine sehr ausgepragte fungizide und bakterizide Wirkung, die sich auf die Haltbarkeit nicht steril verpackter glucosinolathaltiger Lebensmittel gunstig auswirkt [590]. AuBer in der Lebensmitteltechnologie haben die Glucosinolate auch in der Ernahrungswissenschaft in neuerer Zeit verstarktes Interesse gefunden, da ihnen oder ihren Abbauprodukten auch antikanzerogene Wirkungen zugesprochen werden [557].
Sonstige potentiell toxische Pflanzeninhaltsstoffe Von den Aromastoffen in atherischen Olen haben sich, soweit sie uberhaupt schon auf krebserregende Wirkung gepruft wurden, nicht wenige in Tierversuchen als kanzerogen oder cokanzerogen erwiesen. Dies gilt fur einige Terpene wie das Limonen, das in Orangenol, Kummel, Sellerie, Pfefferminz, Lavendel und vielen anderen Pflanzen vorkommt, wie fur alpha-Pinen und P-Pinen in Zitronen, MuskatnuB und Pfefferminz, fur alpha- und P-Phellandren in Eukalyptusol und Linaloo1 in Bergamotol und Sassafras [588]. Das fenchelartig riechende Safrol kommt in allen Pflanzenteilen des Sassafraslorbeers vor, auch in Sternanis, MuskatnuB, Zimt, Petersilie und Schwarzem Pfeffer. Es wurde fruher vie1 als Geschrnacksstoff in Getranken, Kaugummi und Zahnpasten venvendet. Bei Versuchen an Ratten (0,5-1 % Safrol im Futter) verursachte die Substanz Leberzirrhosen und Lebertumore. In vivo Versuche an Mausen erwiesen Safrol als gentoxisch [591]. Das im Pflanzenreich weit verbreitete Cumarin riecht angenehm nach Waldmeister. Es kommt aul3er in Waldmeister in Datteln, Erdbeeren, Brombeeren, Aprikosen, Kirschen, Klee und Grasern vor. In vitro wirkt Cumarin mutagen und bei Verfutterung an Hunde (>lOmg/kg Korpergewicht) stark leberschadigend [562]. Eine kanzerogene Wirksamkeit bei Ratten ist umstritten [592] (Formelbild 7.7). Die in Petersilie, Sellerie, Feigen, Leguminosen und vielen anderen Pflanzen vorkommenden Furocumarine, wie Psoralen und Angelicin, wirken photosensibilisierend. Gleichzeitige Anwendung von UV-Strahlen und Furocumarinen verursacht bei Tieren und wahrscheinlich auch bei Menschen Hautkrebs [588]. Zwischen der moglichen Furocumarinzufuhr mit der Nahrung und dem Schwellenwert fur das Auftreten phototoxischer Wirkungen beim Menschen liegt ein Sicherheitsfaktor von 2-10, also ein relativ geringer Abstand [593] (Formelbild 7.8).
196
Naturstoffe
Lirnonen
a-Pinen
I CH*-CH=CH? Safrol
b-Pinen
Curnarin
Formelbild 7.7: Einige natiirliche Aromastoffe, die sich in Tierversuchen als kanzerogen oder cokanzerogen erwiesen haben.
Psoralen Angelicin
Formelbild 7.8 Die photosensibilisierenden Furocumarine Psoralen und Angelicin.
Toxische Ppunzeninhaltsstoffe
197
In tropischen Gebieten des Pazifiks und Australiens kommt die Cycaspalme vor, deren Nusse und Mark des Stammes zu Futter- und Nahrungszwecken verwendet werden. In diesen Gebieten tritt eine Erkrankung des Ruckenmarks gehauft auf, die man als amyotrophische Laterulsklerose bezeichnet und deren Symptome denen der Alzheimerschen Krankheit ahnlich sind (Senilitat, spastische Bewegungen, Muskelschwund, Lsihmung der Beine). Als Ursache gelten zwei Inhaltsstoffe der Cycaspalme, die Aminosaure P-Methylaminoalanin und das Glucosid Cycasin. Welche Rolle bei der Entstehung der Krankheit das P-Methylaminoalanin und welche das Cycasin oder seine Abbauprodukte spielen, ist noch nicht im einzelnen geklart. Durch mehrtagiges Wassern, Kochen und andere Verfahren kann die Konzentration der toxischen Substanzen bis auf ungefahrliche Reste beseitigt werden, was aber oft nicht in ausreichender Weise geschieht. Auf der Insel Guam, wo die Krankheit fruher haufig war, ist sie weitgehend verschwunden, seit sich die dortige Bevolkerung an eine westliche Ernahrungsweise angepaljt hat und Cycasprodukte kaum mehr verzehrt werden [594]. Das Cycasin ist auch deshalb von Interesse, weil es bei Verabreichung an Ratten in einer Dosierung von 0,4 O h des Futters fur nur 2 Tage Leber-, Nieren- und Dickdarmkrebs ausgelost und sich auch bei anderen Tierarten als kanzerogen erwiesen hat [562]. Baumwollsamen enthalten biologisch wertvolles Protein und 0 1 , jedoch auch eine Gruppe von Farbpigmenten, von denen das gelbe Gossypol am besten untersucht ist. Mit einer LDS0von 660 mg/kg Korpergewicht bei der Ratte gehort es zu den mindergiftigen Stoffen (vgl.Tab. 2.2), bei chronischer Verabreichung ist jedoch die Toxizitat vie1 hoher. Hunde, denen lOmal50 mg/kg Korpergewicht verabreicht wurden, starben innerhalb von 37 Tagen [562]. Gossypol verhindert die Abgabe von Sauerstoff aus dem Hamoglobin und wirkt leber- und herzschadigend. Auf der Mausehaut wirkt Gossypol als Tumorinitiator und -promotor. Protein und 0 1 aus Baumwollsamen sind nur dann als Futter- oder Lebensmittel verwendbar, wenn sie sorgfaltig von Gossypol befreit wurden, was beim 01 durch Raffination gewahrleistet wird. Die Entfernung des Gossypols aus dem proteinhaltigen PrelJkuchen kann mit alkoholischen Extraktionsmitteln erfolgen. Anfhruchinone sind verantwortlich fur die Wirkung pflanzlicher Abfiihrmittel wie Senna und Aloe; sie kommen in geringerer Konzentration auch in Kopfsalat, Bohnen und Erbsen vor. Einige Anthrachinone, wie Emodin und Danthron, haben sich in mehreren Systemen der Mutagenitatsprufung als gentoxisch erwiesen [595]. Tierversuche zur Prufung dieser Verbindungen auf Kanzerogenitat sind bisher nicht durchgefuhrt worden. Zuchtchampignons (Agaricus bisporus) enthalten 300-500 mg Agaritin pro kg. Dieses Hydrazinderivat scheint dafur verantwortlich oder mitverantwortlich zu sein, dalj die langfristige Verfutterung von rohen Zuchtchampignons an Mause zu einer Erhohung der Tumorhaufigkeit in Knochen, Vormagen, Leber und Lunge der Versuchstiere fuhrt. Auf Grund der Tierversuche in der Schweiz durchgefiihrte Berechnungen der Dosis, bei der das Risiko einer Tumorentstehung bei lebenslanger Zufuhr nicht grol3er als 1:l Million ist, ergaben einen Wert von 100 ng/kg Korpergewicht, entsprechend einer taglichen Dosis von etwa 6 pg Agaritin pro Mensch. Die in einer Pilzmahlzeit von etwa 50 g Champignons enthaltene Agaritinmenge von 25 mg ubersteigt diese Dosis um das 4000fache ([243], S. 237).
198
Naturstnffe
Als novel food hatten Zuchtchampignons noch vie1 weniger eine Aussicht auf Zulassung als Kartoffeln oder Rosenkohl. Die Autoren von denen diese Berechnung stammt, weisen zwar beruhigend darauf hin, da13 man nicht taglich und wahrend seines ganzen Lebens Pilze iBt - aber auch der mittlere tagliche Konsum von Champignons, der in der Schweiz 4-5 g betragt, ware gemail3 obiger Abschatzung vie1 zu hoch. Das Agaritin beschaftigt jedenfalls die toxikologische Forschung weiterhin [596]. Gelegentlich wird uber Vergiftungen durch den GenuB von Honig berichtet, den die Bienen aus den Bluten von Rhododendronarten und anderen Ericaceen, von Euphorbiaceen, der Tollkirsche oder anderen giftproduzierenden Pflanzen gewonnen haben. Vor allem bei Honig aus der Turkei ist mit erhohten Giftgehalten zu rechnen, da dort gebietsweise die verantwortlichen Straucher, wie Rhododendron ponticum und Azalea pontica in Massen wachsen. Intoxikationen wurden aber auch aus anderen Gebieten mit Ericaceae-dominierter Vegetation mitgeteilt: Japan, Nepal, Nordamerika, Brasilien, Britisch Kolumbien [597]. Als auslosende Substanz ist das Andromedotoxin (auch Grayanotoxin I genannt) identifiziert worden. Seine Wirkung ist der des Atropins ahnlich, das in der Tollkirsche vorkommt: Hautrotung, Schluckbeschwerden, Darm- und Blasenlahmung, Herzrythmusstorungen, Halluzinationen, Krampfe, Atemstillstand. Ahnliche Vergiftungsfalle sind aus Australien und Neuseeland bekannt geworden. Dort erwies sich das Gift als das aus dem Tutu-Strauch (Coriaria arborea) stammende Tutin. Bereits die Aufnahme von 1 mg Tutin kann beim Erwachsenen Ubelkeit und Erbrechen verursachen. Es sind bis zu 7 mg Tutin pro 100 g Honig gefunden worden. Es kann also schon ein EBloffel Honig eine toxische Dosis enthalten. Atropin kommt im Samen des Stechapfels (Datura srramonium) vor, der als Unkraut auf Getreidefeldern wachst. Nach einer Agenturmeldung, die am 30. Oktober 1998 durch die Presse ging, hatten sich Jugendliche in einem Landschulheim in Mecklenburg-Vorpommern aus Stechapfeln einen berauschenden Tee gekocht; 19 Schuler mufiten mit Vergiftungserscheinungen in Krankenhauser eingeliefert werden, einige von ihnen auf Intensivstation. Neuerdings wird in Mitteleuropa wieder der Anbau von Hanf (Cannabis satiua) zur Gewinnung der Hanffaser propagiert. Die Pflanze liefert Samen, die bis zu 35 YO0 1 und rund 25 YOProtein enthalten. Daraus werden Hanfol und eine Reihe weiterer Lebensmittel (Hanfbrot, Schokolade mit Hanfsamen, Hanf-Bier u. a.) hergestellt. Im Gegensatz zum Indischen Hanf (Spezies Indica), der zur Gewinnung von Marihuana (getrocknete Spitzen der weiblichen Pflanze) und Haschisch (braunes Harz aus den Blattern und Bluten weiblicher Pflanzen) verwendet wird, produziert der Nutzhanf relativ wenig von dem rauscherzeugenden Inhaltsstoff delta-9,lO-Tetrahydrocannabinol(THC) - aber doch genug, um beim Verzehr grol3erer Mengen von Hanfsamenol Wirkungen, wie Schwindel, BewuBtseinsstorungen, Schlaflosigkeit, Ubelkeit und Angstgefuhle auszulosen. Nachdem in der Schweiz Vergiftungen durch THC-haltiges Hanfsamenol aufgetreten waren und die Uberwachungsbehorden dort bis zu 1500 mg THClkg 0 1 gefunden hatten, sah sich das Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin in Berlin veranlafit, auf die gesundheitliche Problematik des Verzehrs von Hanfprodukten hinzuweisen. Nach Ansicht des BGVV sollte die tagliche Aufnahmemenge an THC 1-2 pg/kg Korpergewicht nicht uberschreiten; THC-Hochst-
Toxische Pflanzeninhaltsstoffe
199
mengen fur Hanferzeugnisse sollten festgesetzt werden, sobald die analytische Datenlage dies erlaubt [598]. Physiologisch aktive Stoffe, die zur Gruppe der biogenen Arnine gehoren, kommen in zahlreichen Lebensmitteln vor [599]. Manche dieser Amine haben eine dem Adrenalin ahnliche Struktur und wirken wie dieses auf das symphatische Nervensystem (Sympathomimetika) (Formelbild 7.9). In Zitronen findet sich Synephrin, das blutgefafienveiternd wirkt und dadurch bei Schnupfen das Atmen durch die Nase erleichtert (heiBer Tee mit Zitrone), in Bananen Serotonin (5Hydroxytryptamin), das die Darmperistaltik anregt und blutdrucksteigernd wirkt, in Tomaten, Pflaumen und Apfelsinen Tiyptamin und in Kase Tyramin, beide ebenfalls blutdrucksteigernd. Die blutdrucksenkenden Amine Histamin, Putrescin und Cadaverin kommen vor allem als Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen in Lebensmitteln vor. Ihre Konzentration steigt mit zunehmendem Verderb der Lebensmittel an. Biogene Amine sind jedoch nicht immer ein Anzeichen von Verderb. In allen Fermentationsprodukten lassen sich biogene Amine nachweisen, so in Wein, Bier und Kase. Histamin gilt als das toxikologisch interessanteste der biogenen Aminen und ist entsprechend haufig und grundlich untersucht worden. Uber die toxischen Eigenschaften der anderen Vertreter dieser Gruppe ist weniger bekannt. Die in der Nahrung enthaltenen Amine werden normaler-
H
O
b
c
- CHz-NHz
(Norepinephrin) Noradrenalin
OH HO&e;--CH2-NH-
CH,
H o ~ T c H 2 - c H 2 - N H 2
H2N-(CH2)5--NH*
Cadaverin
H2N -(CH2)4-NH2
Putrescin
Formelbild 7.9 Einige biogene Amine.
Adrenalin (Epinephrin)
(5-H ydroxytryptamin) Serotonin
200
Naturstojye
weise bereits im menschlichen Darm durch das dort vorhandene Enzym Monoaminoxidase (MAO) weitgehend abgebaut und gelangen daher nur teilweise in die Blutbahn. Bestimmte Mittel gegen Bluthochdruck und gegen psychische Depressionen wirken als MAO-Hemmer und es kann bei Patienten, die diese Mittel einnehmen, bei Verzehr von tyraminhaltigem Kase zur lebensbedrohenden Blutdrucksteigerung kommen. (Kase kann bis zu 900 mg Tyramin pro kg enthalten). Manche Menschen reagieren auf Wein oder Schokolade mit Migraneanfallen, und einige Untersuchungen sprechen dafur, dalj der Gehalt dieser Erzeugnisse an biogenen Aminen fur die Reaktion verantwortlich ist. Bei anderen Untersuchungen wurde jedoch haufig kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Migrane und dem Gehalt der Nahrung an biogenen Aminen gefunden [600]. Histamingehalte, wie sie vor allem in nicht mehr frischen Fischerzeugnissen auftreten konnen, verursachen immer wieder Falle von Erbrechen, Atemnot, Bauchkrampfen, Blutdruckabfall, Hautrotungen und Nesselausschlag mit Juckreiz [601]. Die Fischhygiene-Verordnung von 1994 begrenzt in 0 16 fur Makrelenund Heringsfische und daraus hergestellte Erzeugnisse den Histamingehalt auf 200 mg/kg. Welche gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen eine Uberschreitung dieser Hochstmenge haben kann, zeigt eine Agenturmeldung vom 27. Januar 1999, wonach bei jemand nach Verzehr von Dosen-Thunfisch Symptome einer Histaminvergiftung aufgetreten waren; die Analyse von Proben der gleichen Herstellungscharge ergab in zwei Dosen einen die Hochstgrenze deutlich uberschreitenden Histamingehalt. Daraufhin nahm der Hersteller 250 OOO Dosen Thunfisch aus dem Handel. Aus Rohmilch hergestellte Kase haben im allgemeinen hohere Gehalte an biogenen Aminen als aus pasteurisierter Milch hergestellte. In Rohmilchkase wurden bis zu etwa 600 mg/kg Histamin und insgesamt 5 g/kg biogene Amine gefunden. Verschiedene Spezies von Mikroorganismen unterscheiden sich stark in ihrer Fahigkeit zur Bildung von biogenen Aminen; bei der Auswahl von Starterkulturen fur die Herstellung fermentierter Lebensmittel sollten Stamme gewahlt werden, die moglichst wenig biogene Amine produzieren. Bestimmte Futterpflanzen konnen nicht nur Qualitatsminderungen bei Lebensmitteln tierischer Herkunft verursachen, sondern auch zu Vergiftungen fuhren. Als Beispiel fur Qualitatsminderungen seien die Dotterverfarbungen und Geschmacksabweichungen in Huhnereiern genannt, die durch Baumwollsaatschrot (Cyclopropensaurcn, Gossypol), Leinsamenschrot (Linamarin u.a.), Ackerpfennigkraut (Sinigrin), Hirtentaschelkraut (Tyramin, Thioglucoside u.a.), Rapsschrot (Sinapin), Lupine (Lupinin) verursacht werden konnen. Die Gefahr der Vergiftungen durch Futterpflanzen wird in der F~ttermittef-VerorrtnLcngberucksichtigt, in der Hdchstmengen fur bestimmte Inhaltsstoffe festgelegt wurden. Dabei gcht es in erster Linie urn die Vermeidung von Vergiftungen der Tiere, aber auch urn die Verhinderung der Ubertragung bedenklicher Giftmengen auf den Menschen, vor allem iiber die Milch. Danach darf zum Beispiel als Futtermittel verwendeter Leinsamen nicht mehr als 250 mg/kg Blausaure enthalten, Baumwollextraktionsschrot nicht mehr als 1200 mg/kg Gossypol, andere Einzelfuttermittel nicht mehr als 20 mg. Rizinus darf in Einzel- und Mischfuttermitteln 10 mglkg nicht iibersteigen. Rapsextraktionsschrot darf maximal 4000 mglkg Senfdl, berechnet als Allylisothiocyanat, enthalten, andere Einzelfuttermittel 100 mgikg.
Schimmelpilzgifte (Mycotoxine)
201
Schimmelpilzgifte (Mycotoxine) Wahrend die bisher beschriebenen potentiellen Giftstoffe, mit Ausnahme der von Bakterien produzierten biogenen Amine, von den Pflanzen selbst gebildet werden, sol1 nun von Mycotoxinen die Rede sein, die von auf Pflanzen wachsenden Schimmelpilzen stammen [602]. Es sind rund 400 Schimmelpilzgifte bekannt, von denen etwa 20 in Lebensmitteln in einer Konzentration vorkommen konnen, die als ein gesundheitliches Risiko betrachtet wird. Eine Ubersicht iiber die wichtigsten in Lebensmitteln vorkommenden Mycotoxine bietet Tabelle 7.3. Nur einige von diesen konnen hier etwas eingehender besprochen werden. Die am langsten bekannte, durch ein Schimmelpilzgift verursachte Krankheit und wahrscheinlich auch diejenige, die die meisten Opfer gekostet hat, ist der Ergotismus, auch Kriebel- oder Kribbelkrankheit und im Mittelalter Antoniusfeuer genannt, da St.Antonius der Schutzheilige der so Erkrankten war. Der Antoniterorden widmete sich der Pflege dieser Kranken. Ergotismus ist die Folge des Verzehrs von Mutterkorn. Der Schlauchpilz Claviceps purpurea bildet vor allem auf den Ahren von Roggen, seltener auf Gerste und Weizen, an Stelle eines Korns einen leicht gekriimmten, violett bis schwarz gefarbten Korper, aus dem im folgenden Jahr die der Fortpflanzung des Pikes dienenden Sporen hervorgehen (Abbildung 7.2). In diesem als Mutterkorn oder Secale cornutum bezeichneten Pilzmycel wurden uber 100 Substanzen identifiziert, darunter mehrere Dutzend Ergotalkaloide, deren Muttersubstanz das Lysergsaurediethylamid (LSD) ist; der wichtigste Vertreter dieser Stoffgruppe ist das Ergotamin. Im Mittelalter trat die Krankheit immer wieder als Massenepidemie auf, vor allem in Frankreich, aber auch in anderen europaischen Landern. Sie auDerte sich entweder als gangranoser oder als konvulsivischer Ergotismus. Bei ersterem kommt es zu Durchblutungsstorungen, die ein Absterben der GliedmaBen (Gangran) zur Folge haben konnen, bei letzterem treten Krampfe und Psychosen auf. Die Not der von der Krankheit befallenen Menschen wurde in der mittelalterlichen Kunst oft dargestellt [603]. Eines der altesten Bilder dieser Art findet man als Fresko im Chorhaus von St. Kunibert in Koln. Die Wandmalerei von 1270 zeigt den hl. Antonius Eremita, umgeben von Opfern des Antoniusfeuers. Bekannter ist das um 1512 von Matthias Grunewald fur das Antoniterkloster von Isenheim bei Colmar geschaffene Altarbild. Zu FiiDen des hl. Antonius sieht man einen mit Schwaren bedeckten Kranken, dem die linke Hand fehlt und von dessen rechtem FuB fast nur noch Knochen vorhanden sind (Abbildung 7.3). In Deutschland trat die letzte groBe Epidemie des Ergotismus im Herbst 1879 in der Gegend von Frankenberg in Oberhessen auf. Die zunehmende Verbesserung der Mullereitechnik ermoglicht inzwischen eine weitgehende Abtrennung des Mutterkorns vor der Vermahlung des Getreides. Manche Verbraucher, die glauben, besonders gesund zu leben, wenn sie direkt beim Erzeuger Getreide kaufen, das sie dann selbst mahlen, setzen sich damit einer Gefahr aus, von der sie vermutlich nichts ahnen. Uber einen Fall von Mutterkornvergiftung durch Verzehr von aus derartigem Getreide hergestelltem Miisli berichten PFANDER et al. [604]. Bei mehr als 1 % Mutterkorn im Brot treten Vergiftungssymptome (Erbrechen, Durchfall) und bei mehr als 7 % schwere Vergiftungen (Delirium, Herzkrampfe) auf. Etwa 5 g frisches Mutterkorn sind fur den Erwachsenen todlich. Durch Teigbereitung und Backen nimmt der
Teratogen, hautrsizend, kanzerogen (7) Neurotoxin, hautreizend Schleimhautreizend, estrogen, Unfruchtbarkeit verursachend
Getreide, grune Kaffebohnen, Kase
Mais, Gerste, Sorghum Getreide
Aspergillus versicolor, Aspergillus nidulans
Fusarium sporotrichioides
Fusariurn graminearurn
T-2 Toxin
Zearalenon
~
Sterigmatocystin
~
Neurotoxisch
~
Mais, Gerste, Bohnen
Kanzerogen, mutagen, leberschadigend
Apfel, Birnen, Bohnen, Weizen
Penicitlium puberulum,
Kanzerogen, teratogen, neurotoxisch, nierenschBdigend
Getreide, Bohnen, g r h e Kaffeebohnen
PeniciIlinGure
I I
Penicillium patulum, Aspergillus clavatus
Aspergillus ochraceus, &nicillium verrucosum
Patulin
I
Neurotoxin, leberschadigend, lungenschldipend, kanzerogen
Mais
Fusarium moniliforme
Neurotoxin
Fumonisine
Weizen, Gerste, Mais, Roggen
Neurotoxin
Erdnusse, Mais, Kase
Leberschidigend, mutagen, kanzerogen, teratogen NierenschBdigend, mutagen, kanzerogen (7)
I
I
Gerne, Hafer, Mais, Reis, WalnGsse
~~
Nkse, Erdnusse, Pistazien. Getreide, Sorghum, Milch
Neurotoxin, Durchblutungsstdrungen
I
I
I
Giftwirkungen
ROggen, Weizen, Hafer
Fusarium graminearurn
Aspergillus flavus, Penicillium cvclopium
Penicillium citrinum
~
Aspergillus flavus, Aspergillus parasiticus
Hauptsijchlich betroffene Lebensmittel
Claviceps purpurea
I
I
I
Produzierende Mikrorganismen
Ergot Alkaioide
Ochratoxin A
~~
Deoxynivalenol (Vomitoxin)
CyclopiazonsBure
Citrinin
Aflatoxine
Mycotoxine
Schimmelpilzgifte (Mycotoxine)
203
Abbildung 7.2: Mutterkorn in einer Roggenahre.
Alkaloidgehalt des Mehls auf etwa die Halfte ab. Da dieser Effekt bei der Muslizubereitung fehlt, ist der Mutterkorngehalt in fur Musli verwendetem Getreideschrot noch kritischer zu sehen als derjenige des Brotgetreides. Der zulassige Hochstgehalt fur Brotgetreide des Handels betragt 0,05 'YOMutterkorn, fur Futtergetreide 0,l 'YO. Das Interesse an der Mykotoxinforschung nahm stark zu, nachdem 1960 in England etwa 100000 Truthuhner starben, die mit verschimmeltem ErdnuBschrot gefuttert worden waren. Als wirksames Agens wurde aus dem ErdnuBschrot ein von dem Schimmelpilz Aspergillus fzavus produziertes Gift isoliert, das den Namen Aflatoxin erhielt. Man erkannte bald, daB es mehrere Aflatoxine gibt, die eine hohe akute und chronische Toxizitat besitzen. Das am starksten toxische Aflatoxin B, (Formelbild 7.10) hat sich in Tierversuchen als leberschadigend und hochgradig kanzerogen erwiesen. AuBer in Erdnussen findet man Aflatoxine auch in Mais, Pistazien, Walniissen, Mandeln, Feigen, Gewiirzen und vielen anderen Produkten. Wenn Milchkuhe verschimmeltes Futter erhalten, kann Aflatoxin MI,
204
Naturstoffe
Abbildung 7.3: Darstellung eines an Mutterkornvergiftung(Antoniusfeuer, Ergotismus) leidenden Kranken auf dem Isenheimer Altarbild des Mathias Griinewald.
Schimmelpilzgifte (Mycotoxine)
205
Aflatoxin B I
Ochratoxin A
c1
CH3 YHS I C H ~ ~ ( C H ~ ) ~ ~ C H - C H ~ C H ~ C H ~ ~ C H ~ C H ~ ~ C H ~ ( C H ~ ) ~ ~ C I I I I I I OR OR OH OH OH NH2 R = COCH2CH(C02H)CH2C02H Fumonisin B1
Formelbild 7.10: Die Schimmelpilzgifte Aflatoxin B1,Ochratoxin A und Fumonisin B1.
ein Stoffwechselprodukt des Aflatoxins B1, in Milch und Milchprodukten auftreten. In gewissen tropischen Gegenden Afrikas und Asiens besteht ein enger Zusammenhang zwischen hohem Aflatoxingehalt der Nahrung und einer auffallenden Haufigkeit von Leberkrebs beim Menschen. Es ist jedoch noch unklar, zu welchem Anteil Aflatoxine, Virushepatitis und Alkoholkonsum fur die hohe Leberkrebsrate in diesen Gegenden verantwortlich sind. IARC, die Internationale Organisation fur Krebsforschung in Lyon, hat Aflatoxin B1 als probable human carcinogen klassifiziert [605]. Erst seit empfindliche Analysemethoden zur Erkennung der Aflatoxine entwickelt wurden, kann die Verwendung zu stark aflatoxinhaltiger Rohware zur Gewinnung von Futter- und Lebensmitteln verhindert werden. Die Aflatoxin-Verordnung schreibt fur Lebensmittel einen Hochstwert von 4 pg Gesamtaflatoxin, davon nicht mehr als 2 pg Aflatoxin Bl/kg vor; fur Milch gilt ein Hochstwert von 0,05 pg Aflatoxin Ml/kg. In der Futtermittel-Verordnung wurden ebenfalls Hochstgrenzen fur Aflatoxine festgelegt: je nach Verwendungszweck 0,005-0,05 mg/kg. Durch Einhaltung geeigneter Lagerungs- und Transportbedingungen sowie durch vorbeugende Konservierungsmaanahmen kann das Schimmelwachstum und damit die Bildung der Mykotoxine nach der Ernte weitgehend vermieden werden. Gegen den Schimmelbefall und die Aflatoxinbildung vor der Ernte gibt es dagegen keinen zuverlassigen Schutz. Es gibt bisher keine praktisch durchfuhrbare Methode zur Entfernung von einmal gebildetem Aflatoxin aus Lebensmitteln. Kochen, Backen, Braten bewirken keine nennenswerte Abnahme der Aflatoxinkonzentration. Bei Erdnussen kann der Aflatoxingehalt durch Auslesen verschim-
Natii rstof f e
206
70
60 50 40 30
20 10
0 1976
1977
i978
1979
1980
Abbildung 7.4: Prozentsatz von Milchproben mit einem Aflatoxin MI-Gehalt von uber 50 nglkg vor und nach Festsetzung dieses Grenzwertes in der Schweiz im Jahre 1977. Nach [17].
melter Nusse vermindert werden. Zur Reduzierung des Aflatoxingehalts konnen manche Futtermittel mit Ammoniak behandelt werden [606]. Zweifellos haben hier moderne Methoden, sowohl in der Lebensmitteluberwachung wie in der industriellen Verarbeitung, in den letzten Jahren erheblich mehr gesundheitliche Sicherheit fur den Verbraucher gebracht. Der Abbildung 7.4 ist zu entnehmen, wie rasch das Vorkommen von Aflatoxin M, in Kuhmilch abgenommen hat, nachdem in der Schweiz ein Hochstwert von 50 ng/kg festgelegt wurde. Leider werden die Erkenntnisse der Mykotoxinforschung von manchen Verbrauchern - und gerade von solchen, die besonders gesund leben mochten - nicht befolgt. So machte in der Zeit nach der Katastrophe von Tschernobyl ein Flugblatt bei Frauengruppen in Berlin (und vermutlich auch sonstwo) die Runde, das empfahl, Getreideschrot-Miisli mit ungekochtem, handwarmem Wasser anzusetzen und etwa 5 Tage bei Raumtemperatur stehen zu lassen, ,.bis sich dichter, buntfarbiger Schimmelrasen gebildet hat". Dieses Jeckere milchsauer vergorene Schimmelmusli" sollte man taglich zum Schutz gegen Strahlenwirkung verzehren. Angesichts der Wahrscheinlichkeit, daB ein solches Miisli grol3e Mengen Aflatoxin enthalt, ist dieser Rat hochst gefahrlich. Vielleicht ist das leckere Schimmelmiisli eine der Speisen, die VLADIMIR RENCIN der erwartungsvollen Familie zugedacht hat (Abbildung 7.5). Das Ochratoxin A (Formelbild 7.10) ist zuerst 1965 von siidafrikanischen Autoren beschrieben worden, die es aus Aspergillus ochruceus isolierten, einer Schimmelpilzart, die vor allem in tropischen und subtropischen Regionen vorkommt und inzwischen Aspergillus aliitaceus umbenannt wurde. Dieses Mycotoxin kann auch von einigen anderen Aspergillus Species und von Penicillien gebildet werden (u. a. Penicillium verrucosum), die in gemaljigten Klimazonen weit verbreitet sind. Im Gegensatz zu den Aflatoxinen, die vor allem in Erzeugnissen heirjer Klimagebiete gefunden werden, kommen Ochratoxine daher besonders haufig und in besonders hohen Konzentrationen in Produkten aus Europa und anderen Gebieten mit milderem Klima vor. Neben Ochratoxin A sind fiinf weitere Ochratoxine bekannt, die jedoch weniger toxisch wirken. Ochratoxin A ist in Weizen, Roggen,
Schimmelpilzgifte (Mycotonine) ..
207
.
Abbildung 7.5: ,,Krebs aus der Kornkammer". VLADIMIR RENCINS Kommentar zum Thema Schimmelpilzgifte in DIE ZEIT, 24. Marz 1989. (Mit freundlicher Genehmigung des ZEIT-Verlags).
Hafer, Gerste und Mais gefunden worden, z.T. in so hoher Konzentration, dal3 die Verwendung des Getreides im Schweinefutter zu schweren Nierenerkrankungen der Tiere fuhrte.Das Mycotoxin tritt in Brot, Teigwaren, Bier und (uber die Futtermittel) im Fleisch auf und kann so auch in die menschliche Nahrung gelangen. In grunen Kaffeebohnen enthaltenes Ochratoxin wird durch den Rostprozea nur teilweise zerstort und das im gerosteten Kaffee vorhandene Toxin geht bei der Kaffeezubereitung vollstandig in den Extrakt uber. Pro Tasse Kaffee nimmt man im Durchschnitt 2-5 ng Ochratoxin A zu sich. Wein enthalt etwa 0,05 pg/L, mit Spitzenwerten von bis zu 7 pg/L [607]. Bei Futterungsversuchen mit Mausen und Ratten hat sich Ochratoxin A als krebserregend erwiesen; es wirkt auaerdem teratogen und immunsuppressiv. Es steht im Verdacht, Ursache der in Balkanlandern auftretenden endemischen Nierenerkrankung (Balkan endemic nephropathy) zu sein - bewiesen ist dieser Zusammenhang jedoch nicht [608]. IARC hat Ochratoxin A als possible human carcinogen klassifiziert [609]. Bei einem in Deutschland durchgefuhrten Monitoringprogramm wurde bei etwa der Halfte aller untersuchten Personen Ochratoxin A im Blutplasma (bis zu 8 pg/L) und in Humanmilch gefunden (bis zu 30 ng/L). Eine von 1990-1992 durchgefuhrte Studie ergab etwa die gleichen Ochratoxin AGehalte in Getreide wie in den 15 Jahren vorher; die Gehalte in Brot und Teigwaren erwiesen sich dagegen als deutlich niedriger als in dieser Vorperiode, vermutlich ein Ergebnis der Qualitatskontrolle des Getreidehandels und der Muhlenindustrie [610]. JECFA hat fur Ochratoxin A eine duldbare wochentliche Aufnahme (PTWI) von 100 ng/kg KG festgelegt [611], die geschatzte wochentliche Aufnahme in verschiedenen europaischen Landern liegt bei 3,5 bis 35 ng/kg KG [607]. Hochstmengen fur Ochratoxin A in Lebensmitteln gibt es bisher nur in wenigen Landern, z.B. gilt in Danemark fur Getreide eine Hochstmenge von 5 pg/kg. In Deutschland hat das Bundesinstitut fur gesundheitlichen Ver-
208
Naturstoffe
braucherschutz und Veterinarmedizin 3 pg/kg fur Lebensmittel vorgeschlagen [612]. Zu den in jiingster Zeit entdeckten Mycotoxinen zahlt das von Fusarien gebildete Fumonisin B, (Formelbild 7.10), das zuerst 1988 in Sudafrika isoliert und charakterisiert wurde. Inzwischen sind weitere Fumonisine beschrieben worden, das B, scheint jedoch mengenmaaig der wichtigste und toxikologisch der wirksamste Vertreter dieser Gruppe von Mycotoxinen zu sein. Die wichtigsten Fumonisinbildner sind Fusarium moniliforme und Fusarium proliferatum, die vorrangig auf Mais, seltener auch auf anderen Getreidearten und landwirtschaftlichen Produkten vorkommen. Bei Untersuchungen an Lebensmitteln des deutschen Marktes wurden Fumonisine vor allem in Maiserzeugnissen gefunden, in Konzentrationen von meist unter 30 pg /kg, gelegentlich jedoch auch iiber 5 mg/kg [613]. Fumonisin B1ist sehr hitzestabil und wird durch die ublichen Verfahren der Lebensmittelverarbeitung und -zubereitung nicht abgebaut. Die Verfiitterung fumonisinhaltiger Maiserzeugnisse ruft bei verschiedenen Tierarten sehr unterschiedliche Krankheitsbilder hervor. Pferde reagieren besonders empfindlich; es treten Hirnschaden (Equine Leukoenzephalomalazie) und Leberschaden auf, bei Schweinen Lungenodeme und ebenfalls Leberschaden. Rinder und Geflugel reagieren deutlich weniger empfindlich [614]. Uber mogliche Gesundheitsschaden bei Menschen ist noch wenig bekannt. Gehauftes Vorkommen von Speiserohrenkrebs in der Transkei (Sudafrika) und in Gebieten Chinas korreliert mit zum Teil sehr hohen Konzentrationen von Fumonisinen in Mais, der in diesen Gebieten ein Hauptnahrungsmittel ist. Auch die besondere Haufigkeit von primarem Leberkrebs in einigen Regionen Chinas ist mit hoher Fumonisinzufuhr in Zusammenhang gebracht worden [615]. Hochstmengen fur Fumonisingehalte in Lebensmitteln sind bisher nur in wenigen Landern festgelegt worden. So gilt in der Schweiz fur die Summe von Fumonisin B, und B2 in fur die menschliche Ernahrung bestimmten Maiserzeugnissen ein Grenzwert von 1 mg/kg Trockenmasse. Die in Formelbild 7.10 gezeigten ganz unterschiedlichen Strukturen von drei Mycotoxinen lassen ahnen, iiber welche Vielfalt von Synthesewegen die zahlreichen auf Lebensmitteln vorkommenden Schimrnelpilzarten verfiigen.
Alkohol Ein Bericht iiber potentiell schadliche Naturstoffe in der Nahrung ware ohne eine Erwahnung des Alkohols (Ethanol, C2Hs0H) sehr unvollstandig. Wie die Mycotoxine ist der Alkohol kein eigenes Produkt hoherer Pflanzen, sondern ein Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen, vor allem der Hefen, wie Saccharomyces cerevisiae, die in Pflanzen vorhandene oder durch Starkeabbau entstandene Glucose in Ethanol (und Kohlendioxyd) umwandeln. Auch Fructose und Mannose konnen so vergoren werden; bestimmte Hefen (Milchzuckerhefen) konnen auch Galaktose vergaren. Die gesundheitlichen Implikationen des Konsums alkoholischer Getranke werden in zahlreichen Werken, wie [616,617] beschrieben. Der Genulj von alkoholischen Getranken ist uber die ganze Erde verbreitet, auch wenn einige Religionen, wie der Islam, ihn verbieten. Bei manchen Bevolke-
Alkohol
209
rungsgruppen, vor allem in Afrika, sind aus Getreide, Maniok oder Milch hergestellte vergorene Getranke ein wichtiger Teil der Nahrungszufuhr. Der kalorische Wert von Ethanol betragt 29,7 kJ/g oder 7,l kcaYg. Nach Tabelle 7.4 konsumierten in der Bundesrepublik Deutschland Manner mittleren Alters im Zeitraum 1985-1989 im Durchschnitt taglich 23,6 g Alkohol, entsprechend etwa 7 % der Energiezufuhr. Bei Problemtrinkern kann die tagliche Alkoholzufuhr 50 % der Energieaufnahme erreichen. Manner miissen bei einem iiber mehrere Jahre anhaltenden Konsum von uber 80 g/Tag und Frauen bei iiber 40 g/Tag rnit dem Entstehen von Leberzirrhose rechnen. Eine 0,75 L-Flasche Wein rnit 12 vol.% Alkohol enthalt 90ml oder 71 g Ethanol. Pilsner Bier mit 4,2 vol% Alkohol enthalt im Liter 33 g Ethanol. Eine Flasche Wein oder 2 L Bier am Tag kommen also fur Manner der Gefahrengrenze schon nah, fur Frauen gilt die Halfte. Berucksichtigt man auch andere Schadwirkungen des Alkoholkonsums, so muB man sich, wie weiter unten dargelegt, noch weiter beschranken. In neuerer Zeit wird als Obergrenze fur die tagliche Alkoholzufuhr bei Mannern meist 40 g, bei Frauen 20 g empfohlen. Ehe es zur Ausbildung der Leberzirrhose kommt, machen sich andere Folgen eines anhaltend uberhohten Alkoholkonsums bemerkbar. Wenn ein hoher Anteil des Energiebedarfs durch Alkohol gedeckt wird, ist die Zufuhr von verschiedenen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zu gering. Besonders betroffen ist die Versorgung mit Thiamin, Folsaure, Vitamin A, Vitamin E, Zink und Selen. Die entstehende Mangelsituation wird noch verscharft durch die geringere Resorptionsfahigkeit der durch Alkohol geschadigten Magen- und Darmschleimhaut. Eine haufige Folge hohen Alkoholkonsums ist die Schadigung der Bauchspeicheldriise, die sich wiederum ungiinstig auf Verdauungs- und Resorptionsvorgange auswirkt. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Verdauung von Proteinen und die Resorption von Aminosauren gestort; die rnit der Nahrung aufgenommenen Proteine werden zum grol3en Teil mit den Faeces ausgeschieden. Wahrend die Anfangsphase des Alkoholismus wegen der durch Alkohol erhohten Energiezufuhr haufig von Ubergewicht begleitet wird, ist die Endphase meist durch allgemeine Auszehrung (Kachexie) charakterisiert. Die toxischen Wirkungen des Alkohols, die im wesentlichen Wirkungen des Acetaldehyds sind, der durch Einwirkung der Alkoholdehydrogenase aus Ethanol gebildet wird, werden beim Alkoholiker durch die vielfache Mangelernahrung der Organe verscharft. Zur Schadigung von Leber, Bauchspeicheldriise und Muskulatur (Myopathien) kommen solche des peripheren (Polyneuropathien) und des zentralen Nervensystems (Wernicke Enzephalopathie u. a.), sowie Immunsuppression und damit verminderte Abwehrkraft gegen ansteckende Krankheiten. Infektionen sind die haufigste Todesursache bei Alkoholikern. Das Risiko, an Krebs zu erkranken, nimmt mit steigendem Alkoholkonsum zu; Rauchen und Trinken wirken synergistisch. Wer 120 g Alkohol pro Tag trinkt, verdoppelt das Risiko, an Speisrohrenkrebs zu erkranken. Wer 30 g Tabak pro Tag raucht, verachtfacht dieses Risiko. Wer aber sowohl Tabak wie Alkohol in diesen Mengen konsumiert, erhoht sein Risiko auf das 150fache [175]. Zu den tragischsten Folgen des ubermaBigen Alkoholkonsums zahlt die Alkoholernbryopathie, die Schadigung des Embryos durch Alkohol. Die Plazenta ist fur Alkohol voll durchgangig, im Blut der Mutter zirkulierender Alkohol geht ungehindert in den Blutstrom des Embryos iiber. Dessen Leber verfugt jedoch nur iiber etwa 10 % der Alkohol-Abbaukapazitat der Leber des Erwachsenen.
Alkoholzufuhr g/Person 56 der Energiezufuhr
Energiezufuhr MJ/Person kcaliPerson
Altersgruppe
15,3
4,3
1,2
2512
10,5
19 bis unter 25 Jahre
4.5
11.0 2618
15 bis unter 19 Jahre
Winner
6,9
23,6
10,o 2405
25 bis unter 51 Jahre
6,7
22,5
9.8 2347
Jahre
51 bis unter 65
0.9
23
7,7 1841
15 bis unter 19 Jahre
Frauen
23
63
73 1863
19 bis unter 25 Jahre
3,7
9.7
7,6 1821
Jahre
25 bis unter 51
3,O
8,O
7,7 1845
Jahre
51 bis unter 65
Tabelle 7.4: Mittlere tagliche Energie- und Alkoholzufuhr von Mlnnern und Frauen verschiedener Altersgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Quelle: Nationale Verzehrsstudie 1985-1989,zitiert nach [la81 ~
Alkohol
211
Wahrend der ersten Monate der Schwangerschaft ist die Gefahr der Schadigung besonders groB. Bleibende geistige Retardierung, Minderwuchs,gestorte Organentwicklung sind die Folgen. In Deutschland wird die Zahl der durch Alkoholembryopathie lebenslanglich geschadigten Neugeborenen mit 1800 pro Jahr angegeben. UnmaBigkeit im AlkoholgenuB, schon fruh weit verbreitet, erreichte im 16. Jahrhundert in Deutschland in allen Gesellschaftsschichten, einschliefilich der Geistlichkeit, einen Hohepunkt. Immer wieder prangerte MARTINLUTHERin Schriften und Predigten den ,,Sauffteufel" an, der Leib und Seele verderbe. In seiner Erklarung des 101. Psalms schreibt er: ,,Es muR ein jeglich Land seinen eigenen Teufel haben, Welschland seinen, Frankreich seinen; unser deutscher Teufel wird ein guter Weinschlauch seyn, und muR Sauff heiflen, dafl er so durstig und hellig ist, der mit so groflem Sauffen Weins und Biers nicht kann gekuhlet werden, und wird solcher ewig Deutschlands Plage bleiben (habe ich Sorge) bis an den jiingsten Tag".
In seiner Geschichte der deutschen Nationalneigung zum Trunke verfolgt J. W. PETERSEN [618] diese Eigenschaft zuruck bis zu den Germanen: ,,Man kann an allen rohen Volkern die Bemerkung machen, dafl sie dem starken Getrank auRerst ergeben sind. Indem es das Blut erwarmet, die Nerven kitzelt und die Einbildungskraft befeuert, entflammt es die Seele und halt sie einigermaflen vor dem Mange1 anderer Tatigkeit schadlos. Fur den alten Teutschen aber hatte es noch besondere Reize. Bei dem vielen Schwimmen, dem immerwahrenden Jagen und Kriegen in einem feuchten, waldichtwilden Himmelstriche muate ihm ein reizendes, erwarmendes Mittel die erquickendste Starkung; andererseits wegen dem MiiRiggang und der stolzen Arbeitsscheue, eine unwiderstehlich-lockendeUnterhaltung sein" [618].
In den seither vergangenen uber 200 Jahren hat sich an dieser deutschen Nationalneigung anscheinend nicht vie1 geandert. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim Alkoholkonsum in der Spitzengruppe (Tabelle 7.5). Die Zahl der behandlungsbedurftigen Alkoholkranken wurde in der Bundesrepublik in den 80er Jahren auf 1,5 Millionen geschatzt. Bei der Tagung der Deutschen
Tabelle 7.5 Alkoholkonsum im Jahr 1992 (Liter Ethanol pro Kopf und Jahr). Quelle: JUNQE, zitiert nach [619] Lander
1
Frankreich Spanien Portugal Ungarn
I ::;:1
USA
Danemark
10,3
ltalien
8,9
Niederlande
8,l
Groabritannien
I Finnland
j
10,4
7.2
I
7.2
I
I
6,9
212
Naturstofje
Gesellschaft fur Suchtforschung in Miinster im Marz 1998 wurde die Zahl 3 Millionen angegeben. Die insgesamt in Deutschland durch AlkoholmiBbrauch verursachten Todesfalle werden auf 30-40.000 pro Jahr geschatzt. In Deutschland sterben jahrlich etwa 20 000 Menschen an Leberzirrhose, Uberwiegend als Folge exzessiven Alkoholkonsums, Alkoholismus kann aber nicht nur zur Leberschadigung fuhren, sondern bringt auch ein erhohtes Risiko von Krebserkrankungen mit sich, insbesondere Mund-, Rachen-, Kehlkopf- und Speiserohrenkrebs. Mit zunehmendem Alkoholkonsum steigt, ab einer gewissen Dosis, auch die Sterblichkeit als Folge von Unfallen und Schlaganfallen. Andererseits wirkt sich ein maBiger Alkoholkonsum giinstig auf koronare Herzerkrankungen aus [620]. E r erhoht den Anteil an HDL-Cholesterin und wirkt damit der Arteriosklerose entgegen. AuBerdem bewirkt mal3iger Alkoholkonsum eine geringere Thromboseneigung. Die geringere Haufigkeit von Todesfallen durch koronare Herzkrankheiten hat einen J-formigen Verlauf der Gesamtsterblichkeit zur Folge (Abbildung 7.6). Bei geringem Alkoholkonsum sinkt die Kurve der Gesamtsterblichkeit unter den Wert 1, liegt also niedriger als bei alkoholabstinenten Vergleichsgruppen. Erst wenn mehr als etwa 40 g Alkohol pro Tag konsumiert werden, steigt das relative Risiko der Gesamtsterblichkeit iiber den Wert 1. Die der Abb. 7.6 zugrundeliegenden epidemiologischen Daten beziehen sich nicht auf Personen, die reinen Alkohol zu sich nehmen, sondern auf Bier- und Weintrinker und Konsumenten sonstiger Alkoholika. Es ist daher unsicher, ob die giinstige Wirkung eines mal3igen Konsums alkoholischer Getranke auf den Alkohol zuriickzufuhren ist oder auf die in Wein, Bier usw. vorkommenden Begleitstoffe. Die gunstigen Wirkungen auf das Herz scheinen eine Folge des
Koronare Hetzkrankheit
I
I
-Gesamts!erblichkei!
0
10
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40
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60
70
Alkohol g I Tag
Abbildung 7.6: Wirkung des Alkoholkonsums auf die Gesamtsterblichkeit und auf die Sterblichkeit durch Unfalle, Krebs. Schlaganfall und koronare Herzkrankheiten. Quelle: [621].
Sonstige sekundare Pjlanzenstoffe
213
Alkoholkonsums zu sein, denn sie werden bei Bier- ebenso wie bei Weinkonsum beobachtet. Dagegen ist eine Antitumorwirkung mailjigen Weinkonsums eher auf andere Inhaltsstoffe des Weins zuruckzufuhren. Eine in diesem Zusammenhang oft genannte Substanz ist das vor allem in Rotwein vorkommende Resveratrol, dem eine krebsverhindernde Wirkung zugeschrieben wird [622]; es ist ein Chinolizidin-Alkaloid vom Sparteintyp mit einer Hydroxylgruppe (vgl. Formelbild 7.3). Es wirkt als Phytoestrogen und konnte nach Ansicht einiger Autoren auch an den gunstigen kardiovaskularen Wirkungen beteiligt sein [623]. Andere sehen vor allem die antioxidativen Eigenschaften der Polyphenole im Rotwein als Ursache fur dessen gunstige Wirkungen an. Es gibt hier noch viele Fragen zu klaren. Ob man alkoholabstinenten Personen einen mal3igen Alkoholkonsum empfehlen soll, um den Tiefpunkt der J-Kurve der Sterblichkeit zu nutzen, wird in der medizinischen Fachpresse lebhaft diskutiert. Von manchen Autoren wird diese Frage bejaht, von anderen verneint, da die Gefahr, der mailjige Alkoholkonsum konne sich zum iibermal3igen steigern, als zu gravierend betrachtet wird. Ein anderer Alkohol, der immer wieder Opfer fordert, ist Methanol (CH,OH). Alle Fruchte enthalten Pektine, bei deren hydrolytischer Spaltung Methanol gebildet wird. Alle Fruchtsafte, Moste und Weine enthalten daher etwas Methanol. Bei Weinen liegt der Methanolgehalt im Bereich 40-200 mg/L, in Ausnahmefallen auch bis 270 mg/L. Wahrend bei der WeiBweinherstellung der Most unvergoren von den Trauben abgeprel3t wird, lafit man bei der Rotweinherstellung im allgemeinen den garenden Most auf den Traubenschalen stehen, damit Farbstoffe und Gerbstoffe moglichst gut extrahiert werden. Die in den Schalen vorhandenen Pektine konnen dabei weitgehend hydrolysiert werden und infolgedessen haben Rotweine generell hohere Methanolgehalte als Weil3weine. Tresterbranntweine enthalten oft 1-2 % Methanol. Durch Einwirkung der Alkoholdehydrogenase wird Methanol im Korper zu Formaldehyd oxydiert, welcher durch Aldehyddehydrogenase zu Ameisensaure umgewandelt wird. Durch diese Bildung von Ameisensaure ist die akute Toxizitat des Methanols erheblich hoher als die des Ethanols. Wahrend bei Ethanol (wenn innerhalb kurzer Zeit konsumiert) 280 g als todliche Dosis fur den Mann gilt (190 g fur die Frau), konnen bei Methanol bereits 7-8 g zur Erblindung und 25-80 g zum Tod fuhren. Da Methanol erheblich billiger ist als (versteuerte) ethanolhaltige Getranke, kommt es immer wieder zu Vergiftungen, die zur Erblindung oder zum Tod fuhren, wenn aus Ignoranz oder als Folge krimineller Manipulationen Methanol oder stark methanolhaltige Getranke konsumiert werden. Die geringen Mengen Methanol, die in Fruchtsaften und Weinen enthalten sind, liegen weit unterhalb der toxischen Schwelle.
Sonstige sekundare Pflanzenstoffe Nach dieser Exkursion zu von Mikroorganismen produzierten Stoffen wenden wir uns wieder pflanzlichen Inhaltsstoffen zu. In vorhergehenden Abschnitten ist bereits mehrfach ein wachsendes Interesse der Forschung an gesundheitsfiirdernden Eigenschuften vieler nichtessentieller Bestandteile der Nahrung erwahnt worden; dabei war von Stoffgruppen wie den Glucosinolaten und den Proteaseinhibi-
214
Naturstoffe
toren die Rede, die schon lange wegen ihrer bei hoher Dosierung gesundheitsschadigenden Eigenschaften interessierten und deren bei geringerer Dosierung gesundheitsfordernde Wirkungen erst in neuerer Zeit Aufmerksamkeit erregten. Es sollen nun noch einige weitere Stoffe erwahnt werden, die fruher wenig beachtet wurden, weil sie weder als fur den Menschen essentiell galten, noch wegen toxischer Wirkung auffielen, die jedoch neuerdings wegen ihrer krebshemmenden oder sonstigen protektiven Eigenschaften sehr stark in das Blickfeld der Ernahrungswissenschaftler und Toxikologen geraten sind. In den 70er Jahren wurden die Ballaststoffe, fruher in der Ernahrungslehre als nicht nur uberflussiger, sondern nachteiliger Bestandteil der Kost beschrieben, Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. Kranken hatte man bevorzugt eine ballaststoffarme Kost verabreicht, die man fur leichter verdaulich hielt. Fur einen volligen Wandel der Ansichten auf diesem Gebiet sorgten vor allem die britischen Arzte DENISBURKITT und HUGHTROWELL [624, 6251. In ihren Veroffentlichungen wurde die in westlichen Industrielandern vorherrschende ballaststoffarme Ernahrungsweise fur eine ganze Reihe von Western Diseases verantwortlich gemacht, die man im Deutschen oft unter dem Begriff Zivilisationskrankheiten zusammenfafit (Verstopfung, Divertikulitis, Polypen des DickdarmdMastdarms, Zwolffingerdarmgeschwiire, Hamorrhoiden, Blinddarmentzundung, Crohn Krankheit, Darm-, Brust- und Prostatakrebs, Ubergewicht, Typ-11-Diabetes, koronare Herzkrankheiten, essentieller Bluthochdruck, Gallensteine, Osteoporose, Gicht, Zahnkaries u. a.). Den beiden Autoren fie1 die geringere Haufigkeit dieser Krankheiten bei traditionelle Kost verzehrenden Schwarzafrikanern im Vergleich zu Europaern auf und sie vermuteten einen ursachlichen Zusammenhang mit der unterschiedlichen Emahrungsweise. AuBerdem stellten sie fest, daB die pro Tag produzierte Stuhlmenge bei Afrikanern erheblich hoher ist (250-550 g) als bei Europaern (50-200 g). Die Stuhlmenge hangt vom Gehalt der Nahrung an unverdaulichen Anteilen - also Ballaststoffen - ab. In den Vereinigten Staaten, w o Schwarze sich ahnlich ernahren wie WeiBe, werden sie auch ahnlich haufig von Zivilisationskrankheiten befallen. Fur BURKITr und TROWELL wurde immer deutlicher, dafi diese Krankheiten durch geeignete Ernahrung vermeidbar waren; eine reichliche Ballaststoffzufuhr schien ihnen dabei die Schlusselrolle zu spielen. Die seither auf diesem Gebiet durchgefuhrten Forschungsarbeiten bestatigen einige der ursprunglich postulierten Zusammenhange und lassen andere als sehr fraglich erscheinen [626, 6271. Vor allem hat sich gezeigt, daB unter der Bezeichnung Ballaststoffe (dietary fibre) Substanzen zusammengefafit werden, die sich im Verdauungstrakt sehr unterschiedlich verhalten. Zu den fur die menschlichen Verdauungsenzyme unverdaulichen Bestandteilen der Nahrung zahlen Zellulose, Hemizellulosen, Pektine, Lignine und resistente Starke. Diese Substanzen unterscheiden sich in ihrer Wasserloslichkeit, ihrem Wasserbindungsvermogen, ihrem Bindungsvermogen fur Gallensauren, ihrer Nutzbarkeit durch Darmbakterien und in mancherlei anderer Hinsicht. Was fur Ballaststoffe von Weizen gilt, braucht nicht fur die des Hafers zu gelten und beide haben andere Wirkungen als die von Leguminosen oder Obst. Wegen der so unterschiedlichen Eigenschaften dieser einzelnen Substanzen oder Substanzgruppen sind Verallgemeinerungen uber die Rolle der Ballaststoffe in der menschlichen Ernahrung meist nicht hilfreich. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Feststellung, daB eine Kost
Sonstige sekundare Pflanzenstoffe
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mit hohem Ballaststoffgehalt meist einen geringen Fett- und Proteingehalt hat und mehr pflanzliche Vitamine enthalt als eine ballaststoffarme Kost. Es ist daher oft unsicher, ob eine beobachtete Wirkung tatsachlich vom Ballaststoffgehalt der Kost abhangt oder von einem (oder mehreren) der anderen Faktoren. Sehr fraglich erscheint heute ein ursachlicher Zusammenhang zwischen ballaststoffarmer Kost und dem Auftreten von Zwolffingerdarmgeschwuren, Morbus Crohn, Blinddarmentziindung, Gallensteinen, Gicht, Osteoporose, Bluthochdruck, Zahnkaries und Ubergewicht. Auch fur die oft postulierte Rolle einer ballaststoffarmen Ernahrungsweise bei der Entstehung von Altersdiabetes (Typ-IIDiabetes) gibt es keine uberzeugenden epidemiologischen Grundlagen. Vieles spricht fur eine gesundheitsfordernde Rolle der Ballaststoffzufuhr zur Vermeidung von Divertikulitis, Reizdarmsyndrom, Hamorrhoidalleiden und Darmkrebs. Zwar konnte in der grolj angelegten nurses’ health study eine Schutzwirkung erhohter Ballaststoffzufuhr gegen Dickdarm-/Mastdarmkrebs nicht bestatigt werden [628], nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung ist jedoch damit nicht bewiesen, dalj Ballaststoffe nicht vor Darmkrebs schutzen. In dieser Studie nahmen die Teilnehmerinnen mit der hochsten Ballaststoffaufnahme lediglich 25 g Ballaststoffe pro Tag auf, was fur einen Schutzeffekt zu wenig ist [629]. Andere Autoren weisen darauf hin, wie wichtig es ist, auch in diesem Fall zwischen verschiedenen Ballaststoffen zu differenzieren. Pektine und andere losliche Ballaststoffe ubten keine Schutzwirkung aus, wohl dagegen Weizenkleie [630]. Die genannten Darmkrankheiten haben komplexe Ursachen und der Ballaststoffverzehr ist im allgemeinen weder fur Entstehung noch fur Heilung dieser Krankheiten allein bestimmend. Durch eine Reihe von Untersuchungen belegt ist die abfuhrende Wirkung einer kleiereichen Ernahrung, auch wenn nicht jede Verstopfung darauf anspricht [631]. Gunstige Wirkungen bei verschiedenen Darmerkrankungen werden vor allem den Ballaststoffen der Weizenkleie zugeschrieben, die ein hohes Wasserbindungsvermogen haben (das 2-4fache des Eigengewichts, wobei grobe Kleie mehr Wasser bindet als fein gemahlene). Dies bewirkt ein grol3es Stuhlvolumen und eine geschmeidige Konsistenz. Durch die Intestinalflora werden die Ballaststoffe im Dickdarm zum Teil abgebaut, solche aus Kohlgemiise zu 92 %, aus Weizenkleie nur zu 27 %; dabei entstehen kurzkettige Fettsauren, wie Essig-, Propion- und Buttersaure, die den pH-Wert in den Faeces senken. Die Fettsauren werden zum Teil resorbiert und dem Stoffwechsel des Menschen zugefuhrt, zum Teil dienen sie dem Stoffwechsel der Mikroorganismen. Zusammen bewirken diese Folgen des Kleieverzehrs eine erhohte Darmperistaltik und eine kiirzere Transitzeit durch den Verdauungstrakt. Die Bindung kanzerogener Stoffe an unverdauliches Pflanzenmaterial, die Verdunnung durch den hohen Wassergehalt, kurze Beruhrungszeit des Darmepithels mit Schadstoffen durch kurze Transitzeit und schlieljlich ein durch die Fettsaureproduktion gesenkter pH-Wert und eine Hemmung der Proliferation von Tumorzellen durch Buttersaure mogen zur Verhinderung von Darmkrankheiten beitragen. Wie wichtig die einzelnen Faktoren dabei sind und wie groS ihre Rolle bei der Verhinderung von Darmerkrankungen ist, bleibt noch zu klaren. In alteren Arbeiten wird die protektive Rolle der Ballaststoffe vor allem der Verdiinnung potentieller Schadstoffe und deren schnellerer Darmpassage zugeschrieben; neuerdings wird mehr die Schutzfunktion der kurzkettigen Fettsauren betont [632]. Epidemiologische Untersuchungen
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Nuturstoffe
sprechen fur eine gunstige Wirkung eines hohen Obst- und Gemuseverzehrs auf das Risiko von Krebserkrankungen, nicht nur des Dickdarms sondern auch anderer Organe (Kap. 5 ) . Inwieweit dies mit dem Ballaststoffgehalt zusammenhangt oder ob dafur andere Inhaltsstoffe dieser Lebensmittelgruppe verantwortlich sind, ist noch unklar. Dies gilt auch fur Vollkornprodukte, denen ebenfalls protektive Wirkungen gegenuber Krebs und kardiovaskularen Erkrankungen zugeschrieben werden [633]. Bei Personen mit hohem Blutcholesterinspiegel kann man durch Verabreichung pektin- oder hemizellulosereicher Ballaststoffe, zum Beispiel von Apfeln oder Haferkleie, nicht jedoch zellulosereicher Ballaststoffe, wie sie fur Weizenkleie charakteristisch sind, den Cholesterinspiegel und damit das Risiko kardiovaskularer Erkrankungen deutlich senken [634,635]. Gunstigerweise betrifft dies das unerwunschte LDL-, nicht das erwunschte HDL-Cholesterin. Cholesterin wird in der Leber zu primaren Gallensauren abgebaut (Cholsaure, Chenodesoxycholsaure) und letztere gelangen mit der Galle in den Darm. Wasserlosliche Ballaststoffe, wie Pektine, und die wasserunloslichen Lignine haben eine starke Bindungskraft fur primare Gallensauren und behindern dadurch deren Riickresorption im Darm (Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs). Dies ist vermutlich der Grund fur eine verminderte Cholesterinbildung in der Leber bei erhohter Pe ktin-/Ligninaufnahme. Die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung empfiehlt fur Erwachsene eine Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 f l a g [58]. Nach dem Erniihrungsbericht 1996 ([log], S. 42f) betragt die tatsachliche Zufuhr bei Mannern (je nach Altersstufe) im Durchschnitt 20-21 g, bei Frauen 17-19 g. Die empfohlene Menge wird also nur zu etwa 70 bzw. 60 % erreicht. Wenn ein Lebensmittel oder ein Lebensmittelinhaltsstoff als gesundheitsfordernd beschricbcn wird, gibt es immer einige Menschen, die iibertriebene Mengen davon verzehren, in der falschen Annahme, doppelt so vie1 wirke doppelt so gut. So sind auch Erkrankungen durch iibermaSige Ballaststoffzufuhr beschrieben worden. Ein 75jahriger Mann wurde wcgen Ubelkeit und akuten Bauchschmerzen hospitalisiert, nachdem er, um seine Ballaststoffzufuhr zu verbessern, taglich groBere Mengen Haferkleiegeback verzehrt hatte - vermutlich ohne fur reichliche Fliissigkeitszufuhr zu sorgen. Zur Beseitigung eines Darmverschlusses (Ileus) muRte eine Wcm lange Festmasse operativ aus seinem Darm entfernt werdcn [636]
Nach der Zahl der Veroffentlichungen und der diesem Thema gewidmeten Konferenzen zu schliefien, lag die grolje Zeit der Ballaststofforschung in den 80er Jahren. Teilaspekte, wie die Rolle der resistenten Starke oder der das Wachstum von Bifidobakterien im Darm fordernden unverdaulichen Oligosaccharide, finden noch lebhaftes Interesse, aber insgesamt haben sich die an protektiven Nahrungsfaktoren interessierten Forscher mehr dem Vorkommen und der Rolle von Antioxidantien zugewandt. Sauerstoff ist zwar lebensnotwendig, kann aber auch schadliche Wirkungen ausuben. Die oxidierende Wirkung komml nicht dem molekularen Sauerstoff zu, sondern verschiedenen Spezies von aktiviertem Sauerstoff [637-6391. Dazu zahlen freie Radikale, wie das Superoxidanion 02'-, das Perhydroxylradikal HOz', das Hydroxylradikal H O , sowie nicht radikalische Oxidantien, wie Wasserstoffperoxid H202.Hydroperoxid ROOH und Singulettsauerstoff, ein elektronisch angeregter Zustand des Sauerstoffs. Diese oxidierenden Spezies konnen mit
Sonstige sekundare Pjlanzenstoffe
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vielen Zellbestandteilen reagieren, zum Beispiel mit der DNA des genetischen Materials, den Proteinen, den Lipiden. Gegen diese Schadigungen schutzende antioxidative Systeme sind daher in allen Zellen vorhanden, enzymatische, wie Superoxiddismutase, Glutathionperoxidase, Katalase und nichtenzymatische, wie alpha-Tocopherol (Vitamin E), Ascorbinsaure (Vitamin C), Glutathion, fJ-Carotin und bestimmte Plasmaproteine, wie Coeruloplasmin. Oxidatiwer Streji’ [640] wird fur mancherlei pathologische Veranderungen verantwortlich oder mitverantwortlich gemacht, fur Krebserkrankungen, fur kardiovaskulare Krankheiten und fur das Altern. Allen Arten von antioxidativ wirkenden Nahrungsbestandteilen wird daher in der Forschung groBes Interesse entgegengebracht [641]. Methoden zur Bestimmung der antioxidativen Wirksamkeit von Einzelsubstanzen und von Lebensmitteln werden entwickelt [642] und Biomarker werden gesucht, die den Antioxidans-Status im menschlichen Korper anzeigen [643]. Pflanzen schiitzen sich gegen oxidative Zellschadigung durch Synthese von Antioxidantien. Von diesen zahlen einige, wie alpha-Tocopherol und Vitamin C, zu den fur den Menschen essentiellen Nahrungsfaktoren. Als Provitamin A kann man auch das p-Carotin zu den essentiellen Nahrungsbestandteilen zahlen. GroBangelegte Untersuchungen uber Zusammenhange zwischen der Zufuhr dieser antioxidativen Vitamine und Krebs und Atherosklerose wurden in den 80er Jahren begonnen. Neueren Datums ist das wachsende Interesse an den protektiven Wirkungen von sekundaren Pflanzenstoffen, also solchen die keine Vitaminfunktion haben. Hier sind vor allem die Carotinoide zu nennen, die groljenteils nicht zur Provitamin A-Gruppe gehoren. Es sind uber 600 Vetreter dieser Stoffklasse bekannt, die man in die sauerstoffreien Carotinoide und die sauerstoffhaltigen Xanthophylle einteilt (Formelbild 7.11). Das rote Lycopin kommt vor allem in Tomaten vor, alpha- und p-Carotin, beide orangefarbig, in Karotten. Das gelbe Zeaxanthin findet sich im Mais und vielen anderen Pflanzen, das rote Luteoxanthin ist das Hauptcarotinoid der Orangen, Lutein kommt in vielen grunen Blattern vor. Im Gegensatz zu den recht hitzestabilen sauerstoffreien Carotinoiden werden die Xanthophylle durch Kochen weitgehend zerstort. In unterschiedlichem AusmaB wirken die Carotinoide antimutagen und tumorhemmend und stimulieren die Immunantwort im Saugetierorganismus [557]. Die Ergebnisse von Interventionsstudien unterstutzen die Hypothese, daB Verzehr carotinoidhaltiger pflanzlicher Erzeugnisse durch Verhinderung oxidativer DNA-Schaden eine vor Krebs schutzende Wirkung ausiibt [644,645]. Wie stark ihre antioxidative Potenz ist, wurde bei vielen Carotinoiden noch gar nicht untersucht. Die bisherigen Arbeiten gelten meist einer kleinen Gruppe von Substanzen. Bei einer solchen Untersuchung wurde dem Lycopin die starkste antioxidative Potenz zugeschrieben, starker als fi-Carotin [646]. Zahlreiche retrospektive und prospektive Studien haben ein erhohtes Lungenkrebsrisiko bei geringer Zufuhr von fi-Carotin gezeigt, einige auch ein erhohtes Risiko fur Krebs anderer Lokalisationen (Speiserohre, Magen, Harnblase, Brust, Gebarmutterhals und Gebarmutter). Interventionsstudien haben jedoch keine Schutzwirkung von p-Carotinzulagen erkennen lassen. Im Gegenteil wurden solche Projekte abgebrochen, als bei den mit zusatzlichem p-Carotin versorgten Zigarettenrauchern eine erhohte Sterberate durch Lungenkrebs zu erkennen war [647]. Einer von mehreren moglichen Erklarungsversuchen fur dieses Versagen
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Naturstoffe Sauerstoff-freie Carotinoide
a-Carotin
Sauerstoff-haltige Carotinoide (Xanthophylle)
HO
OH
Zeaxanthin
Formelbild 7.11: Einige Carotinoidc.
nimmt an, dalj durch das relativ hoch dosiertc P-Carotin die Resorption anderer, starker antioxidativ wirkender Carotinoide (wie des Lycopins) gehemmt wurde. Die das Krebsrisiko senkende Wirkung von Gemuse und Obst hangt vermutlich nicht vom Vorhandensein einer einzelnen Substanz, sondern vom Zusammenwirken mehrerer oder vieler Inhaltsstoffe ab. Um welche Stoffe es sich dabei handelt und worauf ihre Schutzwirkung beruht, ist Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Neben p-Carotin werden andere Carotinoide, Cumarine, Folsaure, Vitamin E, Vitamin C, Isothiocyanate, Phytosterole, Saponine, Allyle und viele andere Inhaltsstoffe genannt. Eine Vielzahl antioxidativ wirkender Pflanzenstoffe gehtirt zu den Polyphenolen [648], so die Fluvonoide, die Phenofcurbonsuuren (wie Chlorogensaure, Ferulasaure, Kaffeesaure, Gallussaure, Ellagsaure) und die polymeren Tunnine. Es
Sonstige sekundare Pflunzenstoffe
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sind uber 5000 Flavonoide bekannt, die zum groljen Teil auch in Lebensmitteln vorkommen. Alle hoheren Pflanzen enthalten Flavonoide. Einigen davon, Isoflavonen und dem Coumestrol, sind wir in Formelbild 7.5 begegnet. Je nach Oxidationszustand des Flavonoidgerustes unterscheidet man Flavone, Flavonole, Flavanone, Flavanole, Anthocyanidine und einige weitere Untergruppen. Eine gute Ubersicht iiber die verwirrende Vielfalt dieser in der Pflanze meist als Glycosid vorliegenden Verbindungen bietet [649]; die gesundheitlichen Aspekte werden ausfuhrlicher bei [650] behandelt. Zu den in der Pflanzenwelt am weitesten verbreiteten Flavonoiden zahlt das Quercetin, ein funf Hydroxylgruppen tragendes Flavonol. Basierend auf einem bayerischen Teilkollektiv der Nationalen Verzehrsstudie wurde die Flavonoidzufuhr in Deutschland auf 54 mg/Tag geschatzt. Den groljten Anteil stellten Flavanone (13,2 mg), Flavonole (12 mg), Catechine (8,3 mg) [651]. Die meisten Flavonoide sind kraftig gefarbt, die Flavone iiberwiegend gelb, die Anthocyanidine kommen in vielen Farbtonen von blau bis rot vor. Flavonoiden werden vielfaltige biologische Wirkungen zugeschrieben: antioxidative, antiallergische, entzundungshemmende, antivirale und antikanzerogene. Die Frage, welchen der vielen Flavonoide eine gesundheitsfordernde Wirkung zukommen konnte, zum Schutz vor Atherosklerose ebenso wie vor Krebs, beschaftigt zahlreiche Arbeitsgruppen [652]. Die systematische Untersuchung der antioxidativen Wirksamkeit der einzelnen Flavonoide ist erst in jiingster Zeit in Angriff genommen worden [653]. Erhebliche Unklarheit besteht noch uber den Anteil der verschiedenen Flavonoide, der von der Intestinalflora abgebaut und dem der resorbiert wird. Besonders griindlich ist die Bioverfiigbarkeit von Isoflavonen der Sojabohne untersucht worden [654]. Die Liste sekundarer Pflanzenstoffe, die gegenwartig wegen vermuteter oder nachgewiesener gesundheitsfordernder Eigenschaften intensiv erforscht werden, ist lang, und die wissenschaftlichen Befunde fiillen Bande [655, 6561. Dahinter steckt nicht nur wissenschaftliches Interesse. Der Wunsch der Lebensmittelindustrie, Erzeugnisse zu entwickeln, deren Gehalt an bestimmten als gesund geltenden Bestandteilen angereichert ist, hat zuerst in Japan, dann aber auch in USA und allmahlich auch in Europa den bliihenden Markt der functional foods hervorgebracht - ein Thema das im folgenden Kapitel ausfiihrlicher angesprochen wird. So wie die Periode von etwa 1910 bis 1950, in der die meisten Vitamine entdeckt und die Rolle vieler Mineralstoffe und Spurenelemente aufgeklart wurde, als das Goldene Zeitalter der Ernahrungsforschung betrachtet wird, so haben einige Wissenschaftler bereits die kommenden Jahrzehnte, in denen man den sekundaren Pflanzenstoffen den ihnen gebuhrenden Platz in der Ernahrungslehre erkampfen will, zum Zweiten Goldenen Zeitalter der Ernahrungswissenschafi erklart [657]. Man wird die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet mit grol3em Interesse verfolgen.
Naturstoffe
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Toxische Stoffe in Meerestieren Nachdem bisher nur von Pflanzenstoffen die Rede war, sol1 darauf hingewiesen werden, dalj es auch in Lebensmitteln tierischer Herkunft biologisch sehr aktive Substanzen geben kann. Die Moglichkeit der Bildung von biogenen Arninen in Fischerzeugnissen durch verderbserregende Mikroorganismen wurde bereits erwahnt. Die Amine entstehen durch Einwirkung bakterieller Aminosauredecarboxylasen auf im Fischfleisch vorhandene Aminosauren: Histamin entsteht aus Histidin, Tyramin aus Tyrosin, Tryptamin aus Tryptophan, Putrescin aus Ornithin, Cadaverin aus Lysin. Erkrankungen nach Verzehr von Fisch mit erhohtem Histamingehalt werden in der englischsprachigen Literatur als scornbroid fish poisoning bezeichnet, weil sic zuerst mit dem Verzehr von Fischen der Familie Scombroidae (Makrelenartige) in Verbindung gebracht wurden. Es konnen aber beim Verderb jeder Fischart erhohte Histamingehalte entstehen. Dariiber hinaus kann cine Vielzahl weiterer potentiell toxischer Stoffe in Meerestieren vorkommen, die nicht erst durch bakteriellen Verderb gebildet werden, sondern bereits im lebenden Tier vorhanden sind. Sic entstehen nicht im Stoffwechsel dieser Tiere, sondern werden mit als Nahrung aus dem Meerwasser herausgefilterten Algen aufgenommen oder von im Darm der Tiere lebenden Bakterien gebildet [658]. Nach den Vergiftungssymptomen, die diese Toxine auslosen, unterscheidet man PSP - Paralytic Shellfish Poisoning33.Saxitoxin und einige Derivate des Saxitoxins werden in den zu den Algen zahlenden Dinoflagellaten bestimmter Gattungen (Gyrnnodiniurn catenaturn u. a.) gebildet - moglicherweise nicht von den Dinoflagellaten selbst, sondern von rnit ihnen assoziierten Bakterien. Es sind jedenfalls Bakterien bekannt, die PSP-Toxine produzieren [659]. Die toxinhaltigen Dinoflagellaten werden von Muscheln, Krabben, Hummern und anderen Schalentieren (shellfish)aufgenommen, welche die Toxine speichern. Nach Verzehr solcher Meerestiere treten beim Menschen innerhalb einer Stunde Parasthesie (Pelzigkeit der Haut) im Mundbereich, Ubelkeit und Erbrechen auf. In schweren Fallen konnen Lahmungen der Gliedmaljen und Atemlahmung folgen. Derartige Vergiftungen und der Zusammenhang mit dem Verzehr von Schalentieren sind schon im 19. Jahrhundert beschrieben worden und konnen iiberall vorkommen, wo solche Tiere verzehrt werden. Nach der FischhygieneVerordnung durfen Muscheln oder daraus hergestellte Fischereierzeugnisse, in denen mehr als 800 yg PSP-Toxine pro kg Muschelfleisch nachgewiesen wurden, nicht in den Verkehr gebracht werden. - DSP - Diarvhetic Shellfish Poisoning. Auch diese Muschelvergiftung kommt weltweit vor; sic wurde erstmals 1961 in den Niederlanden beschrieben. Das Gift ist eine Mischung von Okadasaure, Yessotoxin und einigen anderen Toxinen. Es wird ebenfalls in bestimmten Gattungen von Dinoflagellaten produziert (Dinophysis u. a.). Tnnerhalb von 30 min nach dem Verzehr kontaminierter Muscheln treten Ubelkeit, Erbrechen und Durchfall auf. Nach der Fischhy-
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’’ Auch in der deutschsprachigen Fachliteratur ist fur die verschiedenen Arten von shellfish poisoning die englische Bezeichnung ublich
Toxische Stoffe in Meerestieren
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giene-Verordnung durfen Muscheln nicht in den Verkehr gebracht werden, in denen DSP-Toxine nachweisbar sind. ASP - Amnesic Shellfish Poisoning. Zu den Symptomen des erstmals 1987 im Osten von Kanada beobachteten ASP zahlen auljer Ubelkeit und Erbrechen auch Verhaltensstorungen, Gedachtnisverlust, epilepsieartige Anfalle und Besinnungslosigkeit. Die neurologischen Storungen konnen monatelang anhalten. Es sind auch Todesfalle beschrieben worden. Das Toxin Domoinsaure wird von Diatomeen (Pseudonitzschia spp.) produziert. Es ist auch fur Massensterben von Seevogeln in Kalifornien und Mexiko verantwortlich gemacht worden. NSP - Neurologic Shellfish Poisoning. Relativ milde neurologische Symptome und Ubelkeit werden von den Brevetoxinen verursacht, die von Dinoflagellaten der Spezies Gymnodinium breve produziert werden. Die ersten Veroffentlichungen uber NSP erschienen vor einigen Jahren und es ist noch relativ wenig uber diese Vergiftungsart bekannt. Die Ciguatera-Vergiftung kennt man in den tropischen und subtropischen Kustenregionen des Pazifiks, des Indischen Ozeans und der Karibik seit Jahrhunderten. Mit jahrlich 10000 bis 50 000 Vergiftungsfallen kommt ihr zahlenmaBig die groBte Bedeutung aller Algentoxinvergiftungen zu. Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Arten von shellfnh poisoning handelt es sich im wesentlichen um eine Fischvergiftung. Produzenten der in uber 400 Fischarten gefundenen Ciguateratoxine sind Dinoflagellaten der Spezies Gumbierdiscus toxicus. Es handelt sich um ein komplexes Gemisch aus zahlreichen Derivaten des Ciguatoxins, Maitotoxins, der Okadasaure und anderer Toxine. Tetrodotoxin-Vergiftungen.Der Igelfisch (Fugu) wird in Japan als Delikatesse betrachtet, obwohl er in Leber, Ovarien und Hoden das Tetrodotoxin enthalt, eines der potentesten Gifte die man kennt. Der Fisch darf nur in speziell lizenzierten Restaurants angeboten werden, deren Koche gelernt haben, wie man diese Organe entnimmt, ohne sie anzuschneiden. In diesen Restaurants sind Vergiftungen sehr selten, auserhalb der lizenzierten Lokale kommt es aber immer wieder zu todlichen Intoxikationen. Im Gegensatz zu den Algengiften, die in den Muscheln mit dem Anwachsen und Absterben der Algen (Algenbliite) zunehmen und wieder abnehmen, ist das Tetrodotoxin im Kugelfisch dauernd vorhanden. Die Konzentration hangt allerdings von Umweltbedingungen ab. In Aquakultur gehaltene Fugufische haben vie1 geringere Toxingehalte, als im freien Meer gefangene [660]. Das Tetrodotoxin kommt nicht nur im Fugu, sondern in zahlreichen anderen Fischarten und in anderen Meerestieren vor. Es wird von Bakterien produziert, die im Intestinaltrakt dieser Tiere leben. Nachdem es Anfang der 90er Jahre in Taiwan wiederholt zu Tetrodotoxin-Vergiftungen nach Verzehr von Meeresschnecken gekommen war, hat man festgestellt, dalj das Tetrodotoxin in diesen Tieren vor allem durch Vibrio alginofyticus produziert wird, daB jedoch auch bestimmte Spezies von Pseudomonas, Aeromonas und Plesiomonas Tetrodotoxin produzieren konnen [661].
Uber Nachweismethoden fur die verschiedenen marinen Toxine haben BURKet al. berichtet [662]. Dort findet man auch Strukturformeln dieser chemisch ganz verschiedenartigen Substanzen, von denen einige eine auljerordentlich hohe Giftwirksamkeit besitzen. An der Maus getestet (intraperitoneal) betragt die LD50
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Naturstoffe
von Tetrodotoxin und Saxitoxin 10 pg/kg Korpergewicht, die von Maitotoxin sogar nur 0,05 pg. Mit einer Molmasse von 3422 ist Maitotoxin eines der grol3ten nichtpolymeren Molekiile, die es in der Natur gibt. Es besteht aus 32 aneinandergereihten 6- oder 7gliedrigen Etherringen. Die Vielfalt und die biologische Wirksamkeit der von der Natur produzierten marinen Gifte bietet ein besonders interessantes Kapitel der Naturstofftoxikologie.
8 Lebensmittelzusatzstoffe
Warum werden Zusatzstoffe verwendet Viele Lebensmittel verderben schnell. Schon vor langer Zeit wurde erkannt, daB man dies durch bestimmte Behandlungen und Zusatze verhindern oder verzogern kann, und daS die so behandelten Erzeugnisse oft auch schmackhafter sind. Die ersten Stoffe dieser Art waren Salz, Salpeter und Rauch. Der groSe Bedarf an Salz zur Konservierung von Fleisch, Fischen, Gemuse und Butter hat jahrtausendelang dem Salzhandel eine auBerordentliche Bedeutung verliehen. In neuerer Zeit haben die industrielle Verarbeitung und der mit der Urbanisierung verbundene Zwang zu Transport und Lagerung der Lebensmittel den Einsatz weiterer Zusatzstoffe erforderlich gemacht. Von besonderer Bedeutung fur die Lebensmittelherstellung sind - Konservierungsstoffe. Sie sollen eine langere Haltbarkeit des Lebensmittels bewirken und den Verbraucher vor gesundheitlicher Schadigung durch Bakterien und Schimmelpilze und durch von diesen gebildeten Giften schutzen. - Emulgatoren und Stabilisatoren. Sie erlauben das Zusammenfugen von Wasser und Fett, und helfen, das Entmischen zu vermeiden. - Verdickungs- und Geliermittel. Sie ermoglichen eine gezielte Beeinflussung der Konsistenz des Lebensmittels. - Sauerungsmittel. Sie bewirken einen mehr oder weniger sauren Geschmack und tragen zur Haltbarkeit und gesundheitlichen Sicherheit bei, weil sie das Wachstum von Mikroorganismen hemmen. - Backtriebmittel. Sie machen den Teig locker. - Antioxidationsmittel. Sie verzogern das Ranzigwerden von Fetten und die Zerstorung sauerstoffempfindlicher Vitamine und Aromastoffe. Manche andere Zusatzstoffe werden fur ganz spezielle Zwecke benotigt, z. B. Trennmittel, die das Anhaften an Formen und GefaBen vermeiden helfen und trockene Lebensmittel (wie Speisesalz) rieselfahig machen. Farbstoffe spielen bei
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Lebensmittelzusatzstoffe
Lebensmitteln des deutschen Marktes eine geringere Rolle als in vielen anderen Landern. Grundnahrungsmitteln darf im allgemeinen kein Farbstoff zugesetzt werden [663,664]. Zusatzstoffe haben in den letzten Jahrzehnten zunehmende Bedeutung gewonnen, weil die heutige Industriegesellschaft Erzeugnisse benotigt, die ohne Verwendung von Zusatzstoffen oft nicht hergestellt werden konnen. Auf den wachsenden Marktanteil von Convenience Produkten wurde in Kap. 6 hingewiesen. Die SoBe eines Fertiggerichts soll auch nach dem Gefrieren und Wiederauftauen eine ansprechende Konsistenz haben, die Mayonnaise soll sich auch im Kuhlschrank nicht in eine Fettschicht und eine wal3rige Schicht trennen, die Eiscreme soll auch nach monatelanger Lagerung in der Tiefkuhltruhe keine sandige Textur bekommen. Suppen- und SoBenpulver sollen gut rieselfahig sein und ohne Klumpenbildung in Wasser eingeriihrt werden k6nnen.Unverzichtbar sind Zusatzstoffe bei der Herstellung vieler diatetischer Lebensmittel, z. B. kalorienarmer oder als Diabetikerkost geeigneter Erzeugnisse. Zusatzstoffe braucht aber nicht nur die lebensmittelverarbeitende Industrie. Jedes Backpulver besteht aus Zusatzstoffen. Die im Haushalt bei der Herstellung von Marmeladen und Gelees verwendeten Geliermittel sind Zusatzstoffe. Wer Ostereier farbt, verwendet Farbstoffe, die als Zusatzstoffe zugelassen sind.
Die lebensmittelrechtliche Situation Die Verwendung von Zusatzstoffen bei der kbensmittelherstellung ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sehr kritisch gesehen worden - von Verbrauchern wie auch seitens des Gesetzgebers und der Behiirden. Einige fruher erlaubte Zusatzstoffe wurden verboten, Neuzulassungen gab es selten. In dieser Situation zeichnen sich Anderungen ab, die zum Teil mit der Entwicklung des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts in der EU zusammenhangen, zum Teil aber auch mit gewandelten Ansichten im Bereich der Wissenschaft. In Deutschland wird die Verwendung von Zusatzstoffen durch das Lebensrnittel- und Bedurfsgegenstandegesetz ( LMBG) und durch zahlreiche Verordnungen (VO) ge~-egelt.'~ Nach 9 11 LMBG durfen Zusatzstoffe nur verwendet werden, wenn eine Zulassung dafur erteilt wurde. Nach 9 12 darf eine Zulassung nur erteilt werden, ,,soweit dies unter Berucksichtigung technologischer, ernahrungsphysiologischer und diatetischer Erfordernisse mit dem Schutz des Verbrauchers vereinbar ist". 0 16 verlangt, den Gehalt der Lebensmittel an Zusatzstoffen kenntlich zu machen. 9 17 verbietet die Verwendung eines zugelassenen Zusatzstoffes, wenn dieser geeignet ist, ,,den Verbraucher uber den geminderten Wert oder die geminderte Brauchbarkeit eines Lebensmittels zu tauschen." Einzelheiten werden durch die Zusatwtoff-Zulassungs-VOund die ZusutzstoffVerkehrs-VO festgelegt. Erstere zahlt auf, welche Zusatzstoffe unter welchen I'
Die folgenden Ausfuhrungen beziehen sich auf das LMBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997 und auf die Verordnung zur Neuordnung lebensmittelrechtlicher Vorschriften uber Zusatzstoffe vom 29. Januar 1998
Die lebensmittelrechtliche Situation
225
Bedingungen (Hochstmengen, Kenntlichmachung u. a.) beim gewerbsmarjigen Herstellen und Behandeln von Lebensmitteln verwendet werden diirfen. Letztere enthalt die Vorschriften iiber die Beschaffenheit der Zusatzstoffe (z. B. Reinheitsanforderungen) sowie uber das Inverkehrbringen dieser Zusatzstoffe und ihrer Mischungen. Weitere Vorschriften fur die Verwendung von Zusatzstoffen ergeben sich aus einigen anderen Verordnungen; so sind Weinbehandlungsmittel schon seit langerer Zeit europaweit in einer besonderen Wein-VO geregelt. Im Zuge der Schaffung eines Gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts in der EU muBte das gesamte in der Bundesrepublik Deutschland geltende Regelwerk den Richtlinien der EU angeparjt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung erfolgte schon vor Jahren durch die europaeinheitliche Kennzeichnung der zugelassenen Zusatzstoffe mit E-Nummern (E fur Europa). Begrundet wurde diese Briisseler Neuerung mit dem Argument, es sei fur den Verbraucher, der einen bestimmten Zusatzstoff in seiner Nahrung meiden wolle, leichter, sich dessen Nummer zu merken, als den chemischen Namen. Fur Lebensmittelindustrie und -handel werde der grenzuberschreitende Warenverkehr erleichtert, wenn auf Etiketten europaweit giiltige E-Nummern verwendet werden konnten, statt der Substanznamen in vielen verschiedenen Sprachen. Die deutsche Ernahrungswirtschaft hat sich zunachst vehement gegen die Einfuhrung der E-Nummern gestraubt. Ein Hauptgrund dafur war die in Deutschland schon lange eingefuhrte und auch bei Verbrauchern wohlbekannte Bezeichnung eines hochgiftigen Pflanzenschutzmittels als E 605 - nicht selten als Mittel zum Mord oder Selbstmord verwendet und entsprechend schreckerregend in den Medien zitiert. Auf die Dauer konnte jedoch der Widerstand gegen die Einfuhrung der E-Nummern nicht aufrecht erhalten werden. In der E-Liste sind die Zusatzstoffe nach Gruppen geordnet. Farbstoffe haben Nummern von 100-199, Konservierungsstoffe von 200-299, Sauerungsmittel von 300-399, Emulgatoren, Dickungs- und Geliermittel von 400-499. Mit Ziffern ab 500 sind diverse weitere Zusatzstoffe, wie Backtriebmittel, Geschmacksverstarker und SuBstoffe versehen worden3’. Die Einigung auf die E-Nummern war nur der Anfang der Bemuhungen um die Harmonisierung des Lebensmittelrechts in der EU. Inzwischen sind in Briissel durch den ErlaB mehrerer Richtlinien die Grundlagen fur die Schaffung eines Gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts in der E U gelegt worden. Die Zusatzstoff-Rahmenrichtlinie 891107lEWG vom 21.12.1988 ist die Basis fur die Schaffung des gemeinschaftlichen Zusatzstoffsystems. Sie definiert sowohl Lebensmittelzusatzstoffe als auch Verarbeitungshilfsstoffe und legt die Voraussetzungen fur die Zulassung eines Zusatzstoffes fest, namlich - den Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit - den Nachweis der technologischen Notwendigkeit - den Ausschlurj einer Irrefuhrung des Verbrauchers.
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Eine vollstandige Liste der E-Nummern ist zu beziehen vom Auswertungs- und Informationsdienst fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten (aid) e.V., Konstantinstr.124, 53179 Bonn (Bestell-Nr. 1135) oder vom Bund fur Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) e.V. Godesberger Allee 157,53175 Bonn
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Lebensmittelzusatzstoffe
Diese Kriterien sind identisch mit denjenigen, die in Deutschland schon fruher fur die Zulassung eines Zusatzstoffes galten. Wenn die Liste der von der E U zugelassenen Zusatzstoffe trotzdem mit der fruheren deutschen nicht vollig ubereinstimmt, so liegt dies eher an unterschiedlichen Auffassungen uber die technologische Notwendigkeit als an unterschiedlichen Bewertungen in den beiden anderen Kriterien. Ursache fur unterschiedliche Ansichten uber die technologische Notwendigkeit sind zum einen klimatische Unterschiede in den verschiedenen EUMitgliedstaaten; manche Arten von nichtsteril abgepackten Lebensmitteln, die in Deutschland ohne Zusatzstoffe hergestellt werden konnen, wurden unter den in Mittelmeerlandern herrschenden Bedingungen zu schnell an Qualitat verlieren oder verderben, wenn sie solche Mittel nicht enthielten. Zum anderen spielen auch nationale Gewohnheiten eine Rolle. Am deutlichsten zeigt sich dies bei der Farbstoffverwendung. So schatzen die Briten bei den kippers, den Raucherheringen, eine goldgelbe Farbung der Fischhaut, die rnit dem Farbstoff E 154 (Braun FK) erzielt wird; breakfast sausages, Fruhstuckswurstchen, durfen rnit E 128 (Rot 2G) gefarbt werden. Beide Farbstoffe waren bisher in Deutschland nicht zugelassen. In Frankreich gibt es die StraBburger Rotwurst, die in einen rnit Canthaxanthin (E 161g) rot gefarbten Darm gefullt wird. In Spanien kennt man die rnit E 120 (Echtes Karmin) gefarbte Chorizo-Wurst. Offensichtlich wird der Begriff der technologischen Notwendigkeit nicht uberall in Europa gleich interpretiert. Wahrend die lebensmittelrechtlichen Vorschriften in der Bundesrepublik Deutschland primar von der Vorstellung gepragt waren, der Staat m u s e den Verbraucher durch moglichst umfassende Verbote schutzen, hat sich rnit den EURichtlinien eine Auffassung durchgesetzt, die zwar an der Forderung, Gesundheitsschaden zu vermeiden, uneingeschrankt festhalt, die jedoch einerseits der Produkthaftung des Herstellers und andererseits der Entscheidungsfahigkeit des miindigen Verbrauchers eine hohe Bedeutung zumiBt. Der Verbraucher soll durch die Kenntlichmachung der Ware, also durch die Verkehrsbezeichnung und das Zutatenverzeichnis, eindeutig und klar uber die Zusammensetzung des Produkts informiert werden und soll dann seine Kaufentscheidung aufgrund dieser Angaben selbst treffen - im vorliegenden Fall also, ob er bestimmte Zusatzstoffe vermeiden will oder nicht. Die verbraucherschutzorientierte deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung ist im Lebensmittelrecht ebenso wie im Wettbewerbsrecht bisher vom Leitbild des fluchtigen Verbrauchers ausgegangen, der die Angaben auf Packungen im allgemeinen nur oberflachlich priift. Der Europaische Gerichtshof (EuGH) unterstellt dagegen, daf3 die Verbraucher aufgeklart und kritisch sind und daher alle Angaben vollstandig wahrnehmen und richtig einschatzen. DREWS vertritt den Standpunkt, daB dieses Leitbild eines idealen Verbrauchers an der Wirklichkeit vorbeigeht und befurchtet nachteilige Auswirkungen auf den Verbraucherschutz [665]. Die erwahnten EU-Richtlinien sind durch die Verordnung zur Neuordnung lebensmittelrechtlicher Vorschriften iiber Zusutzstoffe vom 29. Januar 1998 in nationales Recht umgesetzt worden. Nach der neuen Zusatzstoff-Zulassungs-VO sind etwa 400 Zusatzstoffe zugelassen, 64 mehr als nach bisherigem deutschen Recht [666]. Fur etwa die Halfte dieser Stoffe gelten Anwendungs- und Mengenbegrenzungen, sie durfen also nur bestimmten Lebensmitteln und nur bis zu einer
Die lebensmitteirechtlicheSituation
227
bestimmten Hochstmenge verwendet werden. Der anderen Halfte wird eine praktisch unbegrenzte Vertraglichkeit zugebilligt; sie durfen vielen Lebensmitteln nach dem Prinzip quantum satis (so vie1 wie notig) zugesetzt werden. Es sind meist Stoffe, deren Anwendung sich von selbst linitiert; zum Beispiel wiirde eine uberhohte Zugabe eines Sauerungsmittels das Lebensmittel ungenieflbar sauer machen. Es sind meist auch Stoffe, fur die kein AD1 (acceptable daily intake) festgelegt wurde, weil sie den Charakter eines Lebensmittels oder Lebensmittelinhaltsstoffes haben oder aus anderen Grunden als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden. Beispiele sind Suuerungsmittel, wie Essigsaure (E 260), Milchsaure (E 270), Zitronensaure (E 330), Weinsaure (E 334), die Vitamine Ascorbinsaure (E 300) und alpha-Tocopherol (E 307), der Geschmacksversturker Glutaminsaure (E 620) und deren Salze, die Glutamate (E 621-E 625); Dickungs- und Gefiermittel wie Guarkernmehl (E 412), Traganth (E 413), Gummi arabicum (E 414), Karayagummi (E 416), Gellan (E 418), Pektin (E 440), Zellulose (E 460); bestimmte Enzympraparate wie die aus Aspergillus niger gewonnenen; einige Siifiungsmittel wie Maltit (E 965); das Blattgrun Chlorophyll (E 140), der Farbstoff der Roten Beete (E 162) und Glycerin (E 422). In den EU-Richtlinien werden 296 Zusatzstoffe mit E-Nummern genannt. Dazu kommen etwa 100 Zusatzstoffe ohne E-Nummer. Dabei handelt es sich z.B. um Stoffe, die der Kaumasse von Kaugummi zugesetzt werden durfen, wie Gutta, Kautschuk, Kolophonium und um Aminosauren, wie L-Alanin, L-Cystein, L-Cystin. Das Prinzip der Festlegung von Hochstmengen nach ADI, voraussichtlich verzehrter Menge und technologischer Notwendigkeit wurde in Kap. 2 beschrieben. Die gesundheitliche Beurteilung eines Zusatzstoffes erfolgt international durch JECFA (Joint Expert Committee on Food Additives der FAONHO), innerhalb der EU durch den Wissenschafrlichen Lebensrnittefausschufi (SCF) und in Deutschland durch die Senatskommssion zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmittefn der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Eine gute Ubersicht zur Toxikologie der Zusatzstoffe bietet [667]. Bei einigen in der Positivliste genannten Zusatzstoffen ist eine toxikologische Prufung durch Tierfutterungsversuche nicht moglich und erscheint auch nicht erforderlich. Hier sind die Edelgase Argon (E 938) und Helium (E 939) und die ebenfalls reaktionstragen Gase Kohlendioxid (E 290) und Stickstoff (E 941) zu nennen, die zur Haltbarkeitsverlangerung sauerstoffempfindlicher Lebensmittel als Schutzatmosphare verwendet werden. Da auch Sauerstoff (E 948) als Treibgas zugelassen ist, kann man als Kuriosum feststellen, daB unsere Atemluft aus einem Gemisch von Lebensmittel-Zusatzstoffen besteht. Eine Sonderstellung bei der toxikologischen Bewertung haben die uber 3000 Aromastoffe, die bei der Lebensmittelherstellung verwendet werden, die jedoch nach EU-Recht nicht als Zusatzstoffe gelten. Die meisten haben eine so starke Geruchsintensitat, daB sie in auflerordentlich geringer Konzentration verwendet werden. Bei vielen betragt die Weltproduktion nur wenige kg pro Jahr, die tagliche Zufuhr weniger als 0,Ol pg/Person. Die toxikologische Bewertung dieser Stoffe stutzt sich statt auf die bei anderen Zusatzstoffen geforderten langfristigen Futterungsversuche an mehreren Tierarten auf die Kenntnis der chemischen Struktur und auf die Frage, ob der betreffende Aromastoff im menschlichen Organismus zu harmlosen Produkten abgebaut wird [668].
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Lebensmittelzusatzstoffe
Bei den im Vergleich zu den bisher geltenden deutschen Verordnungen durch die EU-Angleichung neu hinzugekommenen Zusatzstoffen handelt es sich meist um solche, von denen kaum zu erwarten ist, dal3 sie auf dem deutschen Markt eine Bedeutung erlangen werden, wie das erwahnte Braun FK (E 154), das ausschlieBlich zur Farbung von kippers verwendet werden darf. Im ubrigen tauscht die genannte Gesamtzahl von 296 E-Nummern. Oft wird ein Zusatzstoff in mehreren Formen angeboten, von denen jede eine E-Nummer erhalten hat. So das Dikkungs- und Geliermittel Alginsaure, das auch als Natrium-, Kalium-, Ammoniumund Calciumsalz verwendet wird ( E 400-404). Alle fiinf haben denselben ADIWert von maximal 25 mg/kg Korpergewicht. Zieht man diese Mehrfachnennungen ab, kommt man auf etwa 200 Wirkstoffe [666].
Gesundheitliche Bedenken Befiirchtungen von Verbrauchern richten sich vor allem gegen die Verwendung von Konservierungsstoffen. Dabei spielt vor allem die Vorstellung eine Rolle, was fur Bakterien und Schimmelpilze todlich sei, konne doch wohl fur den Menschen nicht gesund sein. Hier ist wieder an PARACELSUS zu erinnern und an seine Erkenntnis, nur die Dosis entscheide, ob ein Ding Gift oder kein Gift sei. Die geringen Mengen von Konservierungsstoffen, die der Mensch zu sich nimmt, sind fur ihn nicht giftig oder in sonstiger Weise schadlich [669]. In Tabelle 8.1 werden zugelassene Konservierungsstoffe mit ihren E-Nummern und ADI-Werten genannt. Die chemischen Strukturen werden, aul3er fur das Polypeptid Nisin und das Protein Lysozym, in Formelbild 8.1 wiedergegeben. Die Angaben in der Spalte Hochstmengen in Tab. 8.1 sollen nur eine ungefahre Vorstellung von den erlaubten Hochstmengen und von den Lebensmitteln geben, die chemisch konserviert werden diirfen. Im Bundesgesetzblatt fullt die Zusatzsroff-Zulassungs-VO 38 engbedruckte Seiten, auf denen detailliert angegeben wird, welche Zusatzstoffe welchen Lebensmitteln in welcher Menge zugesetzt werden diirfen. Von allen dort genannten Substanzen lal3t sich die Verwendung von Konservierungsstoffen am besten begrunden: sie dient ebenso der Vermeidung des fruhzeitigen Verberbs der Lebensmittel, wie dem Schutz der Konsurnenten vor durch Lebensmittel ubertragbaren Krankheiten, die zu einem zunehmend ernsten Problem des offentlichen Gesundheitswesens geworden sind. Fruher, ehe es in nennenswertem Umfang Kiihlschranke in den Haushalten gab, war vor allem der Botulismus gefiirchtet, die durch Clostridium botulinum verursachte, oft todliche Krankheit, die jetzt sehr selten ist. Dagegen wurde, wie man dem jeweiligen Kapitel iiber mikrobiologische Aspekte der Erniihrungsberichte entnehmen kann, in den letzten Jahrzehnten eine starke Zunahme der Haufigkeit von Erkrankungen registriert, die durch Salmonellen und durch andere Erreger der Enteritis infectiosa verursacht werden (Campylobacter, Shigellen, Listerien u. a.). Besondere Sorgen macht weltweit die Zunahme der sogenannten EHEC-Infektionen (entero-hamorrhagische Escherichia coli) [670]. Angesichts der heutigen Kenntnisse uber die kanzerogene Wirkung mancher Schimmelpilzgifte (Kap. 7) kommt auch der Verhinderung der Schimmelbildung besondere Bedeutung zu. Unter
229
Gesundheitliche Bedenken
1 Tabelle 6.1:
E-Nurnrnern, ADI-Werte und Hechstmengen von Konservierungsstoffen E-Nr.
Stoff
HBchstmenge Img/kg Lebensmittel)
200
Sorbinsiure
E
Kaliumsorbat Calciumsorbat
E 202 E 203
25
von 200 in Obst-u. Fruchtwein [auch alkoholfrei) bis 2000 in abgepackten Backwaren u. Schnittbrot
Benzoesaure
E 210
Natriurnbenzoat
E 211
aromatisiarten Getranken bis 8000
Kaliumbenzoat
E 212 E 213
in gekochten Krabben
Calciumbenzoat
E 214 E 215
Ethyl-p-hydroxybenzot Na-Ethyl-p-hydroxybenzoat
5
70
von 150 in nichtalkoholischen,
von 300 in Krabbenerzeugnissen bis lo00 in Geleeuberzug von
Na-Methyl-p-hydroxybenzoat
E 216 E 217 E 218 E 219
PropionsSure
E 280
not
Natriumpropionat
E 281
specified
von 1000 in Christmas puddinQ bis 3000 in abgepacktem Schnittbrot
Calciumpropionat Kaliumpropionat
E 282 E 283
Biphenyl (nur zur
E 230
0.05
70 in Zitrusfruchten
E 231
082
12 in Zitrusfruchten
Propyl-p-hydroxybenzoat Na-Propyl-p-hydroxybenzoat Methyl-p-hydroxybenzoat
Fleischerteugnissen
OberflBchenbehandlung von Zitrusfruchtenl Orthophenylphenol Na-Orthophenylphenol b u r
ZUI
E 232
Oberfllchenbehandlung von Zitrusfruchtenl Nisin
E 234
0,13 fur
von 3 in GrieS- und Tapiokapudding
ein
bis 12,5 in gereiftem KIse und
Produkt
SchmeIzMse
mit 40
000 Einheiten Ig ~~
Natamycin (nur zur Oberfliichenbehandlungl
E 235
1 rngldm’ Oberflache bei Hartkiise, Schnittkiise, gepokelten Trockenwursten
230
Lebensmittelzusatzstoffe
Tabelle 8.1 Fortsetzung Lysozym
E 1105
”quantum satis” in gereiftem Kase
not specified
I
1 ::: 1 E 284 E 285
Borshre Natriumtetraborat (Borax) Schwefeldioxid (Schweflige Saure) Natriumsulfit Natriumhydrogensulfit
E 220 E 221
Natriummetabisulfit (Na-pyrosulfit)
E 222 E 223
Kaliummetabisulfit IK-pyrosulfit)
E 224
Calciumsulfit Calciumhydrogensulfit
E 226
Kaliumhydrogensulfit
E 228
not allocated :;lcated
0,7 0.7
I
4000 in Kaviar
von 10 in Lebensmitteln allgemein bis 2000 in petrockneten Aprikosen, Pfirsichen, Trauben, Pflaumen oder Feigen
E 227
“AD1 not Specified”: toxikologisch 80 unbedenklich. daB Spezifirierung sines numerischen Wertes fur nicht
eehalten wird. ”AD1 not allocated”: nicht aenua Daten. urn AD1 erteilen zu konnen
H3C -CH=
CH-COOH
CH-CH=
H3C-CH2-COOH
Propionsaure
COOR
Sorbinsaure
COOH
0 I
Benzoesaure
p-Hydroxybenzoat (R = Alkyl) H3B03 Borsaure
OH SO2 Schwefeldioxid
H$O, Schweflige SBure
OH
phenol
HO
HOOC
Formelbild 8.1: Konservierungsstoffe.
Biphenyl
I
Gesundheitliche Bedenken
23 1
diesen Umstanden erscheint nicht die Verwendung von Konservierungsstoffen als nennenswertes Risiko, sondern deren Nichtverwendung. Das heifit selbstverstandlich nicht, da13 allen Lebensmitteln Konservierungsstoffe zugesetzt werden sollten; es geht nur um verderbliche Lebensmittel, in denen sich krankheitserregende Keime vermehren konnen. Bei hitzesterilisierten oder Trockenprodukten ware ein Konservierungsstoffzusatz ebensowenig sinnvoll wie bei Tiefkiihlprodukten. Bei anderen Zusatzstoffen kann man uber den Begriff der technologischen Notwendigkeit durchaus geteilter Meinung sein. Prinzipiellen Gegnern der Zusatzstoffverwendung ist allerdings entgegenzuhalten, dal3 ein Gehalt an Zusatzstoffen in den meisten Fallen kenntlich gemacht werden mul3. Der miindige Verbraucher kann dem Zutatenverzeichnis entnehmen, welche Zusatzstoffe ein Produkt enthalt und kann seine Kaufentscheidung danach richten. Obwohl zusatzstoffhaltige Lebensmittel nicht weniger gesund sind als zusatzstofffreie, gelingt es Gegnern der Zusatzstoffverwendung immer wieder, bei Verbrauchern Verunsicherung und Angste auszulosen. Typisch dafur ist die anonyrne E-Nurnrnern-Liste, die seit 20 Jahren periodisch in der Offentlichkeit auftaucht. Erstmals wurde sie 1976 in Frankreich verbreitet. Sie enthielt 139 Substanzen, die nicht mit Namen, sondern nur rnit E-Nummern gekennzeichnet waren, von denen 30 als ,,toxisch" (davon 11 als ,,krebserregend") und 37 als ,,verdachtig" eingestuft wurden. Als Verfasser wurde das Krankenhaus von Villejuif genannt, zu dem ein Institut fur Krebsforschung gehort. Krankenhaus und Institut distanzierten sich von dieser Liste, die franzosische Regierung erklarte sie als Falschung und warnte vor der Weiterverbreitung. Mit wie wenig Sachverstand das Villejuif-Flugblatt erstellt wurde, zeigt sich am Beispiel von E 330, das als krebserregend bezeichnet wurde. Dabei handelt es sich um Zitronensaure, die natiirlicherweise in Obst, besonders in Zitrusfruchten, enthalten ist und die eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Menschen spielt. Es gibt nicht die geringsten Anzeichen fur eine kanzerogene Wirkung der Zitronensaure. Wer die Erfinder dieser Liste waren, ist nie bekannt geworden. Das gleiche Flugblatt verursachte 1979 in Belgien und Italien Unruhe in der Verbraucherschaft. Jetzt wurden Krankenhauser oder Institute in Belgien und Italien als Absender genannt, die auch wieder erklarten, nichts damit zu tun zu haben. Wieder gab es amtliche Dementis und allmahliche Beruhigung. In Frankreich tauchte eine leicht modifizierte Villejuif-Liste 1983 erneut auf - jetzt wurden noch 18 Stoffe als toxisch und 27 als verdachtig bezeichnet. Wieder sah sich die Regierung veranlaflt, vor der Falschung zu warnen. Die Bundesrepublik wurde 1986 von dieser Liste geradezu iiberschwemmt. Sie wurde im Freundes- und Bekanntenkreis kopiert und weitergereicht, von Lehrern im Unterricht ausgehandigt, in Kindergarten den Eltern gegeben, in Wartezimmern von Arztpraxen ausgelegt (zum Teil mit dem Arztstempel versehen) und in Betriebskantinen verteilt. Einige Zeitschriften druckten sie ab und versahen sie rnit dramatisierenden Schlagzeilen und rnit Kommentaren, in denen der Hinweis auf E 605 nicht fehlte, das hochgiftige Pflanzenschutzmittel, das mit Lebensmittelzusatzstoffen uberhaupt nichts zu tun hat%. Nachdem das Bundesgesundheits36E605 hat seinen Namen vom Hersteller erhalten, viele Jahre ehe in Briissel jemand daran dachte, Lebensmittel-Zusatzstoffe durch E-Nummern zu charakterisieren
232
Lebensmittelzusutzstoffe
ministerium, mehrere Landerregierungen und diverse wissenschaftliche Institutionen Erklarungen abgegeben hatten, in denen die Liste als Falschung und als irrefuhrend bezeichnet wurde, ebbte die Kampagne in der zweiten Jahreshalfte 1987 ab. Ein Ende ist jedoch nicht abzusehen. Die Urheber dieser Falschinformationen lassen nicht locker und finden offensichtlich immer wieder lcichtglaubige Anhanger, die sich an der Weiterverbreitung beteiligen. Die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung wies in der Marz- und Juli-Ausgabe 1994 von DGE-info darauf hin, daR die Liste erneut in Umlauf war, jetzt mit der CJberschrift Aus dem Lehensmittellubor der Uni-Klinik Diisseldorf: Wie schon die fruheren angeblichen Verfasser, so hat sich auch die Uni-Klinik Dusseldorf, an der es ein Lebensmittellabor nicht gibt, von der Liste distanziert. In neuerer Zeit wurde die Kampagne in Osterreich angekurbelt; diesmal solltc das St. Anna Kinderspital Verfasser der Liste gefahrlicher Zusatzstoffe sein. Im Mai 19Y7 schickte das Wiener Bundeskanzleramt einen ErlaB an alle Landeshauptmanner mit der Aufforderung, gegen die Verbreitung der gefalschten Flugblatter einzuschreiten. In Deutschland warnte das Bundesinstitut fur gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinarmedizin im Marz 1997 erneut vor den gefalschten Listen und versicherte: ,,LehensmitteIzusurzstoffe sind gesundheirlich unbedenklich ' I .
Warnungen der Verbraucher-Zentralen Die Verbraucher-Zentralen verteilen unter dem Titel ,,Was bedeuten die E-Nummern?" eine eigene, von der Hamburger Verbraucher-Zentrale produzierte und 1997 in 55. Auflage erschienene Liste. Darin werden von den 296 Stoffen mit ENummer 141 als ,,unbedenklich" eingestuft, 85 erhalten das Urteil ,,Vom haufigen Verzehr ist abzuraten", bei 64 heiBt es ,,Fur Allergiker bedenklich". Von 11 Stoffen wird gesagt, daR ab einer gewissen Dosis gesundheitliche Nebenwirkungen, z. B. Durchfall, auftreten konnen; sie erhielten die Einstufung ,,Vom Verzehr groBerer Mengen ist abzuraten". Von weiteren 13 Stoffen wird behauptet, es lagen konkrete Hinweise auf Gesundheitsbeeintrachtigungen vor; bei ihnen wird gewarnt ,,Vom Verzehr ist abzuraten". SchlieBlich heiRt es bei 33 Stoffen ,,AbschlieBende Bewertung zur Zeit nicht moglich". In der Broschure werden Stoffe. vor deren Verzehr gewarnt wird, mit einem nach unten gewendeten Daumen gekennzeichnet. Diesen Nein-Daumen findet man 105 ma1 - also bei etwas mehr als einem Drittel aller E-Nummer-Stoffe. Besteht wirklich Grund fur die Befurchtung, als Verbraucher konne man sich nicht auf die gesundheitliche Qualitat des Lebensmittelangebots verlassen? Eine vollstandige Besprechung der Broschure und ihrer Einstufungen ist hier nicht erforderlich. Einige Beispiele werden genugen, um diese Art der Verbraucherinformation als hiichst fragwurdig zu charakterisieren. In der kritischsten Kategorie, wo von jeglichem Verzehr abgeraten wird, finden sich u.a. Borsaure/Borax (E 284/285) und Erythrosin (E 127). Die einzige zugelassene Verwendung von Borsaure und ihres Natriumsalzes Borax ist die als Konservierungsstoff fur Kaviar. Nach Aussage der Kaviarfachleute ist kein anderer Konservierungsstoff fur diesen Zweck so gut geeignet wie die Borsaure. Die Toxikologen hatten durchaus Bedenken gegen einen breiten Einsatz dieses Stoffes, aber die alleinige Verwendung bei Kaviar wird akzeptiert. AnlaB der Bedenken
Wurnungen der Verbruucher-Zentraien
233
ist die langsame Ausscheidung des Elements Bor aus dem menschlichen Korper. Beim Verzehr groBerer Mengen borsaurehaltiger Lebensmittel konnte es zu einer Akkumulation dieses Elements im menschlichen Korper kommen. Solche akkumulierenden Stoffe sind aus toxikologischer Sicht in Lebensmitteln grundsatzlich unerwunscht. Da aber niemand taglich grolje Mengen Kaviar iBt, kann die geringe Borsauremenge im Kaviar nicht zu einer Akkumulierung oder zu Gesundheitsschaden fuhren. Eine Warnung vor E 284/285 ist uberfliissig. Der rote Farbstoff Erythrosin ( E 127) ist nur zugelassen fur Cocktailkirschen, kandierte Kirschen und die in konservierten Obstcocktails enthaltenen Kirschen. JECFA hat 1988 einen temporary ADZ von 50 @kg Korpergewicht erteilt und hat 1990, nach Vorliegen weiterer Untersuchungsergebnisse, einen ADI-Wert von 100 pg/kg KG festgesetzt [387]. Die Mengen Erythrosin, die man sich durch Verzehr gefarbter Kirschen zufuhren kann, sind weit vom AD1 entfernt. Warum die Verbraucherzentralen kategorisch vom Verzehr E 127-haltiger Kirschen abraten, ist unklar. In der Kategorie ,,Vom haufigen Verzehr ist abzuraten" werden z. B. Hexamethylentetramin (E 239), Glutaminsaure (E 620), Silber (E 174), Gold (E 175), Polyvinylpyrrolidon (E 1201) und Propionsaure (E 280) genannt. Die Verwendung von Hexamethylentetramin als Zusatzstoff ist in Deutschland nicht gestattet. In Italien darf dieses Konservierungsmittel zur Herstellung von Provoloneund Gran Padano-Kase verwendet werden und die Einfuhr so produzierter Kase ist erlaubt. Die Wirkung beruht auf der allmahlichen Abspaltung von Formaldehyd. Fruher wurde Hexamethylentetramin unter dem Namen Urotropin in hoher Dosierung (mehrere Gramm pro Tag) zur Behandlung von Blasen- und Nierenbeckenentzundungen verabreicht. Die Mengen Hexamethylentetramin, die man sich durch Provoloneverzehr zufiihren kann, liegen dagegen im Milligrammbereich und sind vie1 zu gering, um irgendwelche der Gesundheit abtraglichen Folgen befiirchten zu miissen. Wie in Kap. 3 erwahnt, ist Formaldehyd ein naturlicher Bestandteil des menschlichen Stoffwechsels. Die Warnung vor E 239 ist uberflussig. Glutaminsaure (E 620) und Glutamate (E 621-625) werden in aller Welt, besonders aber in den Landern des Fernen Ostens, seit langem als Geschmacksverstarker verwendet. In westlichen Landern betragt die als Zusatzstoff durch die Nahrung durchschnittlich aufgenommene Menge etwa 0,3 g/Tag, in asiatischen Landern dagegen rund 3 g/Tag. Glutaminsaure ist als Bestandteil von Proteinen in der Natur weit verbreitet. Der Korper des Erwachsenen enthalt etwa 10 g freie und 1,skg in Proteinen gebundene Glutaminsaure. Die meisten Lebensmittel enthalten naturlicherweise Glutaminsaure, sowohl in freier wie in gebundener Form. Pro Tag werden auf diese Weise vom Erwachsenen 10-25 g Glutaminsaure verzehrt, also 30-80 ma1 mehr als in westlichen Landern in Form des Zusatzstoffes. Toxikologisch gehort Glutamat zu den unbedenklichen Stoffen (ADZ not specified). Verabreicht man Versuchspersonen Glutamat auf leeren Magen, dann treten bei einem geringen Anteil dieser Personen ab einer Dosierung von etwa 5 g Symptome wie Kopf- und Nackenschmerz, Druck auf der Brust und Ubelkeit auf. Vor fast 30 Jahren hat ein Autor berichtet, er verspure solche Beschwerden gelegentlich nach dem Besuch von Chinarestaurants und hat vermutet, dalj Glutamat die Ursache sei. Eine Vielzahl seither durchgefiihrter Probandenversuche hat
234
Le6ensmittelzusatz.stoffe
jedoch diesen Verdacht nicht erharten konnen. Bei TARASOFF und KELLY[671] heiBt es, das sogenannte China Restaurant Syndrom sei eine Anekdote. Der wissenschaftliche Nachweis einer Beziehung zwischen dem Syndrom und dem Glutamatverzehr sei nicht erbracht worden. Irn Rahmen eines Hohenheimer Konsensusgespraches sind die im Lauf von Jahrzehnten gesammelten toxikologischen und ernahrungsphysiologischen Erfahrungen mit Glutamat erneut uberpruft worden, rnit dem Ergebnis, dal3 gegenuber einem vernunftigen Einsatz von Glutamat in der rnenschlichen Ernahrung keine Bedenken bestehen [672]. Welche Verrenkungen die Autoren der E-Nummern-Broschure der Verbraucherzentralen machen, um einen Stoff, dem man toxikologisch nichts Schlechtes nachsagen kann, doch noch irgendwie abzuwerten, zeigt die dort zu findende widerspruchliche Bezeichnung des Glutamats als ,,Kunstlicher Geschmacksverstarker auf pflanzlicher Basis". Kunstlich und doch pflanzlich? Glutamat wurde traditionell in Asien aus Algen gewonnen. Auch heute wird es nicht synthetisch sondern biotechnisch rnit Hilfe des Bakteriums Pseudomonas glutamicus produziert, ist also eindeutig ein Naturstoff. Aber wie hier schon mehrfach betont wurde, ist die Frage ob naturlich oder kunstlich fur die gesundheitliche Beurteilung sowieso irrelevant. Was hat Gold rnit Lebensrnitteln zu tun? Es wird seit Jahrhunderten in Form von Blattgoldflitterchen dem Danziger Goldwasser zugesetzt, das schon im Mittelalter als Guldinwasser mit einer alchimistisch dosierten Goldzugabe hergestellt wurde, wohl die Urform aller deutschen Likore. Im Verdauungstrakt kann das Gold nicht resorbiert werden, es verlaBt den menschlichen Korper unverandert auf naturlichem Wege. Der Rat an Verbraucher, nicht zu haufig Danziger Goldwasser zu trinken, ist vertretbar - wegen des Alkoholgehalts, gewia nicht wegen der Goldflitter. Silber wird ebenso wie Blattgold gelegentlich in winzigen Mengen zur Dekoration von Konditorwaren verwendet. Es wird wie Gold unverdaut ausgeschieden. Polyvinylpyrrolidon (PVP, E 1201) ist ein wasserlosliches, Polyvinylpolypyrrolidon (E 1202) ein starker vernetztes, wasserunlosliches Polymerprodukt. Beide sind nach oraler Aufnahme nicht resorbierbar. PVP wurde im Zweiten Weltkrieg als Blutplasmaersatz entwickelt und vielen Verwundeten, die starken Blutverlust erlitten hatten, intravenos verabreicht. Die gesundheitliche Vertraglichkeit ist also im grol3en Stil am Menschen erprobt worden, ehe der Stoff im Lebensrnittelbereich Verwendung fand. Der ADI-Wert betragt 50 rng/kg KG. E 1201 und E 1202 durfen als Zusatz quantum sutis zu Nahrungserganzungsmitteln in Form von Komprimaten oder Dragees und zu SuBstoffpraparaten verwendet werden. In beiden Fallen dienen sie als Tragerflussigkeit bzw. als Tragerstoff fur die in sehr kleinen Mengen in den Praparaten vorhandenen Vitamine und Spurenelemente bzw. SUBstoffe. E 1202 dient auBerdem als Flockungsmittel zur Entfernung von Trubstoffen aus Getranken. Das Flockungsmittel wird beim Filtrieren entfernt und mu13 nicht deklariert werden. Die Propionsaure ( E 280) mit ihren Natriurn-, Kalium- und Calciumsalzen ( E 281-283) zahlt zu den Konservierungsstoffen. Sie ist vor allem zur Verhinderung der Schimmelbildung bei Brot geeignet, da sie nicht die erwiinschten Hefen irn Teig abtotet und doch gegen Schimmel wirksam ist. Schnittbrote sind besonders anfallig fur das Verschimmeln, da beim Schneidevorgang Schimrnelpilzsporen
Warnungen der Verbraucher-Zentralen
235
zwischen die Brotscheiben gelangen konnen. In Deutschland wurden daher verpackte Schnittbrote meist mit Propionsaure oder Propionaten, seltener mit Sorbinsaure (E 200) konserviert. Als dann die Welle der werbenden Etikettierung mit FREI VON KONSERVIERUNGSSTOFFEN einsetzte, bemuhten sich die Grorjbackereien, ohne Konservierungsmittel auszukommen. Der Weg dahin waren neu entwickelte Anlagen, in denen das fertig geschnittene und verpackte Brot zur Abtotung von Schimmelpilzsporen nochmals erhitzt wurde. Diese Anlagen waren zu teuer fur den handwerklichen Backbetrieb. Bald wurde verpacktes Schnittbrot nur noch in wenigen GroSbackereien hergestellt, die mit der Nichtverwendung von Konservierungsstoff fur ihre Erzeugnisse werben. Propionsaure kommt naturlicherweise in vielen Lebensmitteln vor; Emmentaler Kase enthalt davon bis zu 1 %. Sie wird von Mikroorganismen, vor allem Propionibakterien, wahrend der Kasereifung erzeugt. Im menschlichen Organismus wird sie, wie die Essigsaure, zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt. Sie wurde von JECFA als so unbedenklich angesehen, da13 sie mit ADZ not specified eingestuft wurde. Dann aber wurde 1985 aus dem damaligen Bundesgesundheitsamt in Berlin uber einen langfristigen Rattenfutterungsversuch berichtet, bei dem man Propionsaure in der hohen Dosierung von 4 % des Futters verabreicht und Veranderungen der Vormagenschleimhaut beobachtet hatte. Uberraschend war diese Beobachtung nicht, denn derartige Schleimhautschadigungen des Rattenvormagens waren von anderen Autoren schon 30 Jahre fruher bei Verabreichung von Propionsaure, Buttersaure und anderen Fettsauren in hoher Dosierung gefunden worden. Wichtig war die Feststellung, darj die Veranderungen reversibel waren, also nach Absetzen der Fettsaurediat wieder verschwanden. Das sprach gegen eine kanzerogene Wirkung. Das Bundesgesundheitsamt (BGA) sah zunachst keinen Grund fur ein Verbot, empfahl aber weitere Untersuchungen [673]. Der Druck der Verbraucherorganisationen und der Medien fur ein Verbot der Propionsaure nahm jedoch zu. Nach Anhorung von Vertretern der Lebensmittelindustrie erklarte das BGA, die Propionsaure sei zwar weder gentoxisch noch kanzerogen, jedoch nicht mehr als technologisch notwendig zu betrachten - die Hersteller von verpacktem Schnittbrot hatten ja fast alle auf das Erhitzungsverfahren umgestellt. Das Bundesgesundheitsministerium nahm daraufhin die Zulassung der Propionsaure und der Propionate zuriick. Fur die wenigen Produzenten, die einen Konservierungsstoff verwenden wollten, stand noch die Sorbinsaure zur Verfugung. Die Vormagenschadigung bei Dauerverabreichung eines Futters mit derartig hohem Propionatgehalt ist die Folge einer Reizwirkung, aus der sich eine Schadlichkeit bei niedrigerer Dosierung keineswegs ableiten 1aiBt. International galt und gilt die Propionsaure weiterhin in der Dosierung, in der sie als naturlicher Bestandteil oder als Zusatzstoff in Lebensmitteln vorhanden sein kann, als unbedenklich. In anderen EU-Staaten ist weiterhin propionsaurekonserviertesSchnittbrot im Handel und Propionsaure wird weltweit als Konservierungsstoff auch fur einige andere Anwendungszwecke verwendet. Durch die Zusatzstoff-ZulassungsVO vom 29. Januar 1998 wurde die Propionsaure in Deutschland wieder zugelassen. Es ist also nicht so, wie gelegentlich behauptet wird, dal3 die Propionsaure 1988 in Deutschland als krebsverdachtig verboten wurde und nun von einer darauf keine Rucksicht nehmenden E U wieder zugelassen wird. Die Zulassung der
236
Lebensmittelzusatzstoff~
Propionsaure wurde in Deutschland zuruckgenommen, weil dieser Stoff als technologisch nicht mehr notwendig erachtet wurde; lediglich Osterreich schlol3 sich dem Verbot an. Die Kategorie ,,AbschlieBende Bewertung zur Zeit nicht moglich" enthalt Stoffe wie Thiabendazol (E 233), das als Konservierungsstoff fur die Oberflachenbehandlung von Bananen und Zitrusfruchten zugelassen ist3'. Die Substanz wird in der Human- und Veterinarmedizin als Anthelminticum (Mittel gegen Eingeweidewurmer) in hoher Dosierung verabreicht. Da Bananenschalen nicht mitgegessen werden und Zitrusschalen hochstens in Marmelade, wobei das Thiabendazol beim Erhitzen grorjenteils entweicht, werden uber den Nahrungsverzehr nur minimale Mengen dieser Substanz aufgenommen. Nach einer finnischen Untersuchung sind es 22 mg pro Jahr [674]. JECFA hat 1993 fur Thiabendazol einen ADIWert von 100 pg/kg Korpergewicht erteilt und hat, nach Uberpriifung neuerer Untersuchungsergebnisse, diesen Wert in seiner Sitzung von 1997 bestatigt [675]. Mit der Warnung ,,Fur Allergiker bedenklich" bei uber einem Funftel aller Zusatzstoffe verstarkt die Broschure der Verbraucherzentralen die weit verbreitete, jedoch falsche Ansicht, Lebensmittelzusatzstoffe spielten eine wichtige Rolle als Ursache von Lebensmittelallergien. Wie in Kapitel 9 dargelegt wird, werden Lebensmittelallergien ganz uberwiegend durch naturliche Lebensmittel ausgelost. Es ist im ubrigen darauf hinzuweisen, dalj es die von den Verbraucherzentralen geforderte ,,abschlierjende'' gesundheitliche Bewertung eines Stoffes nicht gibt. JECFA uberpriift immer wieder Zusatzstoffe, die vor Jahren bereits bewertet wurden, um zu klaren, ob inzwischen bekannt gewordene neue Forschungsergebnisse eine Neubewertung des Stoffes erfordern. Die Wissenschaft steht nie still. Es ware aber nicht gerechtfertigt, daraus die Folgerung abzuleiten, auf Zusatzstoffe solle man ganz verzichten, denn nur so konne jegliches Risiko vermieden werden. Mit jeder gesundheitlichen Beurteilung eines Stoffes - ob Lebensmittelzusatzstoff, Medikament, Pflanzenschutzmittel oder Arbeitsstoff - ist ein Abwagen von Nutzen und Risiko verbunden. Das vielzitierte Restrisiko ist nie auszuschlieflen. Aber es mu13 klein sein im Vergleich zum Nutzen. Das gilt fur Naturstoffe genauso wie fur synthetische. Wer die Einstufungen in der Broschure der Verbraucherzentralen vorgenommen hat, wird nicht verraten. Offensichtlich ist es weder die zustandige Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, noch der Wissenschaftliche Lebensmittelausschufl in Brussel, noch das international zustandige Gremium JECFA, deren ausdruckliche Aufgabe es ist, den Verbraucher vor dem Verzehr gesundheitlich bedenklicher Stoffe zu schiitzen. Die uberwiegend aus Haushaltsmitteln des Bundes und der Lander finanzierten Verbraucherzentralen halten es fur richtig, Zweifel an der Zuverlassigkeit dieser Institutionen zu wecken. Und nicht nur dieser Institutionen, die ja nur beratende Funktion haben. Verantwortlich fur die Zulassung sind nationale und EU-Behorden, die angeblich gesundheitlich bedenkliche und ,,noch nicht abschlieflend beurteilbare" Zusatzstoffe zugelassen haben. Es gibt durchaus Grunde, in diesem oder jenem Punkt Kritik an den
'' In der Zusatzstoff-Zulassungs-VO vom 29. Jan. 1998wird E 233 nicht mehr genannt, da Hochstmengen von Ruckstanden dieser Substanz neuerdings durch die Ruckstands-HochstmengenVO geregelt werden.
Warum so viele Zusatzstoffe?
237
EU-Richtlinien zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts zu iiben. Die Unterstellung jedoch, das EU-Recht erlaube den Lebensmittelherstellern die Verwendung gesundheitlich bedenklicher Zusatzstoffe, ist nicht berechtigt. In dem vom Bundesgesundheitsministerium herausgegebenen Verbruucherschutzreport vom 10. Februar 1987 las man im Zusammenhang mit der Warnung des Ministeriums vor der anonymen Kampagne gegen Zusatzstoffe: ,,Lebensmittelzusatzstoffe leisten einen Beitrag zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit, Lagerfahigkeit und Preisgunstigkeit unserer Lebensmittel." In der Broschure der Verbraucherzentralen dagegen heiJ3t es: ,,Meiden Sie Produkte, die Zusatzstoffe enthalten, die in dieser Broschure kritisch bewertet werden". Und das sind viele. Die Diskrepanz der Auffassungen ist offensichtlich. Die Verbraucher-Zentralen stehen mit ihren Warnungen vor Zusatzstoffen keineswegs alleine da. Berichte der Print- und Funkmedien auBern sich im gleichen ablehnenden Tenor, oft noch uberspitzter, noch starker desinformierend. Als typisch fur die dabei verwendeten Methoden sei die Sendung ,,Kennzeichen D" im ZDF am 29. Oktober 1997 erwahnt. Sie handelte von chemischen Giften, die im Weinbau und der Weinbereitung verwendet werden und betonte die Vorziige der Oko- und Bioweine, deren Erzeuger auf solche Substanzen verzichten. Als eines der bedenklichsten dieser Gifte wurde das Kaliumhexacyanoferrat erwahnt, das mit der ,,todlich wirkenden Blausaure verwandt" sei. Kaliumhexacyanoferrat (E 536) wird bei der Weinherstellung zur sogenannten Blauschonung verwendet, um durch Eisen-, Kupfer- und Zinksalze, zum Teil auch durch Proteine verursachte Trubungen zu entfernen. Toxikologisch wird diese Substanz als so unbedenklich betrachtet, daB sie dem Kochsalz zur Verhinderung des Zusammenklumpens zugesetzt werden darf. Sie in Zusammenhang rnit der Blausaure zu erwahnen, ist grobe Irrefuhrung. Genauso konnte man auf die Verwandtschaft von Kochsalz (NaC1) mit dem todlich wirkenden Chlorgas (Cl,) und dem in Wassergegenwart explosiven Natrium (Na) hinweisen. Wer so argumentiert, hat entweder nicht die geringste Ahnung von Chemie oder bedient sich ganz bewul3t eines faulen Tricks. Mit vielen weiteren Beispielen lieBe sich zeigen, daB diese Art der Berichterstattung uber ,,Chemie in Lebensmitteln" keine Ausnahme ist.
Warum so viele Zusatzstoffe? Ein oft genannter Kritikpunkt ist die Zahl der zugelassenen Zusatzstoffe. Warum mussen es denn so viele sein? Fruher genugte zum Beispiel als SuBstoff das Saccharin. Nur in Diatlebensmitteln durfte auch Cyclamat verwendet werden. Jetzt sind vier weitere Siifistoffezugelassen (Tabelle 8.2), die sich in ihrer SuBkraft und in anderen Eigenschaften, wie Hitze- und Saurebestandigkeit, erheblich unterscheiden und die daher fur verschiedene Lebensmittel unterschiedlich gut geeignet sind. Wie verschieden deren chemische Strukturen sind, geht (auBer fur das Protein Thaumatin) aus Formelbild 8.2 hervor. Die kombinierte Verwendung mehrerer SuBstoffe hat erhebliche Vorteile gegenuber der Verwendung eines einzelnen Sul3stoffs. Zum einen ist dies geschmacklich gunstig. So hat Saccharin einen leicht metallischen Nachgeschmack, wenn es allein verwendet wird. In der
238
Lebensmitteltusatzstnffe
Tabelle 8.2 E-Nurnmern, ADI-Werte und relative SOOkraft (bezogen auf Saccharose = 1) der zugelassenen SuRstoffe
E-Nummer
SijBstoff
AD1
''
SuSkraft
Img/kg KSrpergew.)
950
Acesulfam K
15
200
951
Aspartam
40
200
952
Cyclamat
11
35
954
Saccharin
5
5 50
957
Thaumatin
959
Neohesperidin DC
not specified
5
3500
330
0
NHS03Na Na-Cyclamat Saccharin
Acesulfam-K
Formelbild 8.2: SiiRungsmittel.
Kombination mit anderen Sunstoffen tritt dieser Nachgeschmack nicht auf. Sensorische Priifungen an verschiedenen Siiljstoffen und SiiBstoffmischungen ergaben fur Acesulfam/Aspartam-Mischungen das zuckerahnlichste Geschmacksprofil [6761. AuBerdem wird durch Kombination die Siirjkraft synergistisch verstarkt, das heiljt, bei der kombinierten Anwendung braucht man eine geringere Menge, als man durch Addition der SiiBkraft der Einzelstoffe erwarten wiirde. Wie Abbildung 8.1 zu entnehmen ist, wirkt eine Mischung von 200 mg Aspartam und 200 mg Acesulfam pro Liter doppelt so SUB wie 400 mg Aspartam oder 400 mg Acesulfam allein. Als das Denken noch stark durch die Hypothesen von EICHHOLTZ, CARSON und DELANEY gepragt war, begegnete jeder Antrag auf Zulassung eines Zusatzstoffes dem Wunsch, ihn moglichst abzulehnen. Je kiirzer die Positivliste war, desto besser sah sie aus. In dieser Hinsicht ist in der Toxikologie ein Wandel festzustellen.
Warurn so viele Zusatzstoffe?
Acesulfam:
400
Aspaltam:
0
200
0
200
400
239
[mg/L Sii6stoffI
Abbildung 8.1: Im Vergleich mit den einzeln getesteten SiiRstoffen Acesulfam K und Aspartam hat die 1:l Mischung der beiden fast die doppelte SiiBkraft [677].
Jetzt heifit es: lieber rnehrere Surjstoffe, von denen jeder in geringer Dosierung verwendet wird, als ein SiiBstoff, von dem vie1 mehr verwendet werden murj, um den gewunschten Zweck zu erreichen. Das gleiche Prinzip gilt fur andere Gruppen von Zusatzstoffen. Vom menschlichen Organismus mussen die mit der Nahrung aufgenommenen Stoffe, gleichgiiltig ob natiirliche Lebensmittelbestandteile oder Zusatzstoffe, entweder unverandert ausgeschieden oder verstoffwechselt und die Stoffwechselprodukte ausgeschieden werden. Hat der Organismus eine Substanz in hoher Dosierung zu verarbeiten, dann werden moglicherweise die Abbau- und Ausscheidungsmechanismen uberlastet. Verschiedene Stoffe werden meist uber unterschiedliche Wege abgebaut und ausgeschieden. Der Korper verarbeitet mehrere in niedriger Dosierung aufgenommene Stoffe leichter als einen in entsprechend hoherer Dosierung verabreichten. Wie bei den Surjstoffen gibt es auch bei anderen Zusatzstoffen technologische Griinde fur die Zulassung mehrerer Stoffe der gleichen funktionellen Gruppe. Die antimikrobielle Wirkung von Konservierungsstoffen zum Beispiel, hangt vom pH-Wert ab. Daher werden fur neutrale oder alkalische Lebensmittel andere Konservierungsstoffe benotigt als fur saure. Wichtig ist auch die unterschiedliche Wirksamkeit gegen Bakterien und gegen Schimmelpilze. Bei den Antioxidationsmitteln benotigt man manchmal einen fettloslichen, manchmal einen wasserloslichen Stoff. Bei den Dickungsmitteln ist die Wirkung oft temperaturabhangig. Je nachdem ob das Erzeugnis tiefgekiihlt oder bei Raumtemperatur aufbewahrt werden soll, ob es vor dem Verzehr gekocht wird oder nicht, benotigt man verschiedenartige Dickungsmittel. Die Berucksichtigung nationaler oder regionaler Besonderheiten in den EU-Richtlinien (Beispiel Provolone mit Hexamethylentetramin) hat neuerdings die Zahl der zugelassenen Zusatzstoffe nochmals anwachsen lassen. Zuruck zu den SuSstoffen. Verwirrung uber eine krebsfordernde Wirkung von Cyclamat und Saccharin hat seit den 60er Jahren sehr dazu beigetragen, den Ruf der Zusatzstoffe zu schadigen. Saccharin wird seit uber hundert Jahren in aller Welt als SuBstoff verwendet, Cyclamat seit Anfang der 1950er Jahre. Toxikologi-
240
Lebensmittelzusatzstof f e
sche Priifungen im heute geforderten Umfang waren damals nicht ublich. Der Schock der Contergankatastrophe hat ab etwa 1960 zu dem in Kap. 2 beschriebenen System aufwendiger toxikologischer Untersuchungen gefuhrt. Da das Schlankheitsideal in dieser Zeit die Verwendung von SiiBstoffen stark ansteigen lieB, gehorten Cyclamat und Saccharin zu den ersten Zusatzstoffen, die sehr griindlichen Prufungen nach diesem System unterzogen wurden. In USA wurde 1968 uber gehauftes Auftreten von Blasenkrebs bei Ratten berichtet, denen eine 1O:l Kombination von Cyclamat und Saccharin in sehr hoher Dosierung im Langzeittest verfuttert worden war. Der Verdacht fie1 auf das in groBerer Menge verabreichte Cyclamat und 1969 zwang die Delaney Klausel zu dessen Verbot durch die Food and Drug Administration. Weitere Untersuchungen mit einer Diat, die zu 5 '70 aus Saccharin (in Form des Na-Salzes) bestand, fuhrten wiederum zu Blasenkrebs bei mannlichen Ratten. Nun verlangte die Delaney Klausel das Saccharinverbot. Als die FDA dieses 1977 verkundete, erhob sich heftiger Protest der Verbraucher, besonders der Diabetiker, denen man den letzten SiiSstoff nehmen wollte. Der US KongreB erlieB schliefilich ein Gesetz zur Aufhebung des Saccharinverbots. In der Bundesrepublik blieben beide SiiBstoffe erlaubt, da das Gesundheitsministerium und die beratenden Toxikologen in den amerikanischen Versuchsergebnissen keinen Grund zu gesundheitlichen Bedenken sahen. Inzwischen mit riesigem Aufwand an vielen Stellen durchgefiihrte weitere Untersuchungen - sowohl weitere Tierfutterungsversuche als auch epidemiologische Studien - haben diese Auffassung voll bestatigt. Retrospektive Fall-Kontroll- und Kohortenstudien, an denen uber 27 OOO Diabetiker beteiligt waren, die zum Teil jahrzehntelang Saccharin benutzt hatten, lieBen im Vergleich zu NichtbeZusamnutzern keine erhohte Haufigkeit von Blasenkrebs erkennen [678]. OSERS menfassung der toxikologischen Arbeiten iiber Saccharin ist zu einem Lehrstuck dieses Fachgebiets geworden [679]. Saccharin wird bei der Ratte wie beim Menschen nicht abgebaut, sondern unverandert im Urin ausgeschieden. Verabreicht man Ratten lebenslanglich in stark uberhohter Dosierung Saccharin, dann fiihrt die hohe Saccharinkonzentration im Urin zu einer chronischen Irritation der Blasenwand, wodurch eine erhohte Zellteilungsrate ausgelost wird. Mit der beschleunigten Zellvermehrung steigt die Haufigkeit von Mutationen, was letztendlich zur erhohten Krebsrate fiihrt [680]. Bei niedrigerer Dosierung fehlt die Reizwirkung und die Haufigkeit von Blasentumoren unterscheidet sich nicht von der in saccharinfrei ernahrten Kontrolltieren. Der Effekt ist nicht spezifisch fur Saccharin, sondern wurde auch bei anderen SubstanZen beobachtet, die bei hoher Dosierung Entzundungsprozesse in bestimmten Geweben auslosen. Es ist bekannt, dab ein chronisch verletztes Gewebe, in dem als Teil des Heilungsprozesses eine beschleunigte Zellvermehrung stattfindet, tumoriis entarten kann [681]. Die Ergebnisse der Hochdosierungsvcrsuche mit Saccharin haben zu der Erkenntnis beigetragen, dal3 die der Delaney Klausel zugrunde liegende Annahme, jede im Tierversuch beobachtete Krebswirksamkeit bedeute Krebsgefahr fur den Menschen, nicht berechtigt ist. Wie im Fall der Propionsaure hat sich gezeigt, daB Tierversuche, die nicht unter realistischen Bedingungen durchgefiihrt wurden, zu vollig falschen SchluBfolgerungen fuhren konnen. Auch die anderen zugelassenen SuBstoffe sind sehr umfangreichen Tierfutterungsversuchen unterzogen worden. Die in Tab. 8.2 angegebenen ADI-Werte sind
Warum so viele Zusatzstoffe?
241
gut abgesichert. Diese Stoffe gehoren zu den am griindlichsten getesteten, was auch erwartet werden kann, da sie von manchen Verbrauchern in erheblichen Mengen verzehrt werden. Cyclamat ist, obwohl toxikologisch Iangst rehabilitiert, in USA immer nach verboten. PETERBARTONHum, einer der anerkanntesten Lebensmittelrechtsexperten in den Vereinigten Staaten, schrieb dazu: ,,Es ist eine der grol3ten Schwachen der FDA, dalj diese Institution unfahig ist, einen einmal begangenen Fehler zuzugeben. Es gibt kein besseres Beispiel dafur als das vom Pech verfolgte Cyclamat" [682]. Soweit in der Bundesrepublik Verbote von fruher zugelassenen Zusatzstoffen erfolgten, handelt es sich iiberwiegend um Naturstoffe, die man seit langer Zeit verwendet hatte, ohne sie toxikologisch gepriift zu haben. Erst als man diese Substanzen in langfristigen Tierfiitterungsversuchen untersuchte, zeigten sie schadliche Wirkungen, die zum Verbot fuhrten. Beispiele sind die friiher als Konservierungsstoff verwendete Salicylsaure, die naturlichwerweise in Stein- und Beerenobst vorkommt (0,3-0,6 mg/kg), Waldmeister und andere cumarinhaltige, sowie Sassfrasrinde und andere safrolhaltige Aromastoffe. Soweit von Toxikologen heute noch gewisse Zweifel an der Unbedenklichkeit einiger Zusatzstoffe vorgebracht und Empfehlungen zur reduzierten Verwendung dieser Stoffe ausgesprochen werden, handelt es sich weniger um die in neuerer Zeit zugelassenen, sorgfaltig gepruften synthetischen Stoffe, sondern um Uraltverfahren wie das Pokeln mit Nitrit, das Rauchern oder die Verwendung von karamelisiertem Zucker oder Zuckerkulor, der in groljem Umfang als brauner Farbstoff verwendet wird. Es ist schwer zu verstehen, dalS manche Firmen der Lebensmittelindustrie mithelfen, die Angst vor Zusatzstoffen zu schiiren. Wenn man ein Produkt rnit dem Aufdruck FREI VON KONSERVIERUNGSSTOFFEN anbietet, dann bestarkt man den Eindruck, Konservierungsstoffe seien etwas Schlechtes. Bei Erzeugnissen wie Schnittbrot oder Fruchtjoghurt, die mit oder ohne Konservierungsstoffe hergestellt werden konnen, mag man dies noch mit dem Informationswunsch des Kaufers rechtfertigen (obwohl der nur einen Blick auf die Zutatenliste werfen muljte, um festzustellen, ob das Produkt Konservierungsstoffe enthalt). Wenn dieser Spruch aber auf Produkten zu lesen ist, die gar keine Konservierungsstoffe enthalten durfen, wie Apfelsaft oder Rotkraut in Dosen, ist dies ,,Werbung mit Selbstverstandlichkeiten" und ein Versuch, Verunsicherung und Angst des Verbrauchers absatzsteigernd zu nutzen. Sogar in hygienisch besonders gefahrdeten Produkten, wie Feinkostsalaten, wird immer mehr auf Konservierungsstoffe verzichtet. Solange die Kiihlkette intakt ist, wird dies im allgemeinen folgenlos bleiben. Wie sicher kann man aber sein, dalj das Produkt nicht beim Verbraucher ein oder zwei Tage ohne Kuhlung aufbewahrt wird? Es stimmt bedenklich, dalj in einer Zeit, in der die Haufigkeit der durch Lebensmittel ubertragbaren Krankheiten, insbesondere der Salmonellose, dramatisch zugenommen hat (wie im Ernahrungsbericht 2996, Kapitel 5 nachzulesen ist), die Verwendung von Konservierungsstoffen immer mehr eingeschrankt wurde.
242
Lebensrnittelzusatzstoffe
Zufuhrmengen Hochstmengen eines Zusatzstoffs in verschiedenen Lebensmitteln werden so festgesetzt, daB der ADI-Wert auch bei denjenigen Verbrauchern nicht uberschritten wird, die uberdurchschnittlich vie1 von diesen zusatzstoffhaltigen Lebensmitteln verzehren. Dabei ist der Durchschnittsverzehr uber langere Zeitraume wichtig, nicht der Verzehr an einem Tag. In den vorher erwahnten EU-Richtlinien werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, ein Monitoring System fur Zusatzstoffe einzurichten, um sicherzustellen, dalj ADI-Werte nicht uberschritten werden oder falls Uberschreitungen festgestellt werden - eingegriffen werden kann. Die EUKommission ist verpflichtet, dem Europaischen Parlament uber ADI-Uberschreitungen zu berichten und gegebenenfalls Vorschlage fur eine Anderung von Hochstmengen zu unterbreiten. Die Suche nach moglichen Uberschreitungen von ADI-Werten orientiert sich zunachst an den Vielverbrauchern. In Kap. 2 wurde geschildert, wie unter der Annahme, daR alle Lebensmittel, bei deren Herstellung ein bestimmter Zusatzstoff verwendet werden darf, diesen tatsachlich in der maximal zugelassenen Konzentration enthalten, der TMDI-Wert (die theoretische maximale tagliche Aufnahme) dieses Zusatzstoffs errechnet wird. Setzt man den TMDI in Bezug zum ADI, so IaBt sich feststellen, ob beim hochsten denkbaren Verzehr der AD1 uberschritten wird. Von LUCK und REMMERT 1976 durchgefuhrte Berechnungen des TMDI von Konservierungsstoffen in der Bundesrepublik ergaben lediglich bei Sulfit - und hier nur bei Weintrinkern - eine Uberschreitung des ADI-Wertes [683]. Naher an der tatsachlichen Aufnahme liegen die EMDI-Werte (estimated maximum daily intake,. Kap. 2), die auf der Basis von Verzehrserhebungen ermittelt werden. Nach einer Anfang der 90er Jahre in GroBbritannien durchgefuhrten Untersuchung schopften die EMDT-Werte von S Zusatzstoffe den AD1 um mehr als 10 YOaus: die Konservierungsstoffe Sulfit ( E 220-228), Nitrat ( E 251/252) und Benzoesaure (E 210-219) und die Farbstoffe Erythrosin ( E 127) und Annatto (E 160b), bei denen 12-44 YO der jeweiligen ADI-Werte erreicht wurden [684]. (Erythrosin war damals in GroBbritannien nicht nur zur Farbung von Kirschen zugelassen). Ergebnisse einer analogen Studie in Finnland werden in Tabelle 8.3 wiedergegeben. Wie in der britischen Studie wurde bei Benzoesaure eine mehr als 10 %ige Ausschopfung des AD1 festgestellt; abweichend von den britischen Ergebnissen eine noch hohere Ausschopfung bei Nitrit, Folge eines hoheren Konsums von gepokelten Fleischwaren in Finnland. In den Niederlanden lag die Zufuhr von Benzoesaure bei 10 %, von Sulfit bei <10 YOund von Sorbinsaure bei <0,5 % des jeweiligen AD1 [686]. Die SO,-Zufuhr in Frankreich wurde 1992 mit 2 mg/Kopf.Tag bei Nichtkonsumenten und 31,s mg bei Konsumenten von alkoholischen Getranken angegeben [687]. Die 31,S mg bedeuten bei 70 kg KG eine 64 %ige Ausschopfung des ADIWertes. In Italien durchgefuhrte Untersuchungen ergaben eine im Sommer noch starker uber dem ADI-Wert liegende Zufuhr des Farbstoffs Cochenillerot ( E 120) als im Winter [688]. Offensichtlich lag dies an dem im Sommer hoheren Konsum von mit E 120 versetzten nichtalkoholischen Erfrischungsgetranken und Speiseeis. Alle diese Untersuchungen sind inzwischen uberholt, da die um 1997/98 erfolgte Ubernahme der in den EU-Richtlinien fixierten Regelungen in das nationale
Zufuhrmengen
243
Tabelle 8.3: Zufuhr von Lebensmittelzusatzstoffenin Finnland, 1982 [685]
% AusschSpfung des AD1 Erwachsene
Kinder (20 kg K6rpergew.)
Natriumnitrit
525
157,7
Benzoessure
17.3
51,9
Saccharin
389
7 ,O
Sorbinshe
2,7
8,O
BHA (Antioxidansl
22
6,6
Nitrate
2,1
6.4
Cyclamat
1 ,8
584
Sonstige
<1
<3
~
(Farbstoffe u.a.)
Recht die Bedingungen der Zusatzstoffverwendung in vielen Fallen erheblich verandert hat. Aus mehreren Grunden ist es schwierig, zuverlassige Informationen iiber den Verzehr von Zusatzstoffen zu erhalten [689]: - oft werden in verschiedenen Lebensmitteln unterschiedliche Konzentrationen eines Zusatzstoffs benotigt, um einen bestimmten technologischen Zweck zu erreichen. - die Verzehrsgewohnheiten einzelner Konsumenten konnen sich sowohl qualitativ (Auswahl der Lebensmittel) wie quantitativ (verzehrte Menge) stark unterscheiden. Mittelwerte sind wenig aussagekraftig. - zwischen Landern und zwischen Bevolkerungsgruppen innerhalb eines Landes gibt es oft starke Unterschiede in der Verfugbarkeit bestimmter Produkte und in deren Bevorzugung durch die Verbraucher. - oft wird ein technologischer Zweck von mehrerern Zusatzstoffen erfullt. Die Verwendung eines Zusatzstoffs vermindert die Verwendung anderer Stoffe der gleichen funktionellen Klasse. Wie man trotz dieser Komplikationen zu brauchbaren Zufuhrdaten kommen kann, ist von JECFA [690] beschrieben worden. Ein erster Schritt ist meist, den Inlandsjahresabsatz eines Zusatzstoffs (nach Angaben der Industrie) durch die Bevolkerungszahl zu dividieren, um zu einer durchschnittlichen Zufuhr pro Kopf und Jahr oder Tag zu kommen. Eine solche grobe Abschatzung kann zu einer starken Unterschatzung der Zufuhr fiihren, wenn es wenige Konsumenten und viele Nichtkonsumenten eines Zusatzstoffes gibt. Wenn aber diese Grobschatzung zeigt, daB der ADI-Wert im Durchschnitt nur zu wenigen Prozent ausgeschopft wird, kann man sich weitere, aufwendigere Untersuchungen oft sparen. Da standig neue Produkte auf den Markt kommen und sich die Verzehrsgewohnheiten
244
Lebensmittelzusatzstoffe
der Konsumenten andern, ist jede Erhebung nach einigen Jahren iiberholt. Man wird nie in der Lage sein, uber aktuell gultige Zufuhrdaten fur alle Zusatzstoffe zu verfugen. Daher ist eine Konzentration der Krafte auf die kleine Zahl von Stoffen geboten, bei denen die Zufuhr dem ADI-Wert nahe kommt oder ihn eventuell bei bestimmten Verbrauchergruppen iibersteigt. Die zuverlassigsten Aussagen uber die Aufnahme von Zusatzstoffen erlaubt die Analyse von Lebensmitteln in Kombination mit Verzehrsprotokollen oder die Analyse von Tagesrationen (Kap. 2). Da sie sehr aufwendig sind, werden solche Untersuchungen selten durchgefuhrt. Ein Beispiel liefert eine japanische Studie uber die Zufuhr des Konservierungsstoffs Sorbinsaure [691]. Es wurden uber 38 000 Proben analysiert. In Lebensmitteln, die Sorbinsaure enthalten durfen, wurden im Mittel 16,2 YO der erlaubten Hochstmenge erreicht. Die Tageszufuhr betrug 29 mg, was bei 60 kg KG einer 2 Yigen Ausschopfung des ADI-Wertes entspricht. Wird ein Zusatzstoff neu zugelassen, so kann man schwer voraussagen, wie er von Lebensmittelindustrie, -handel und Konsumenten akzeptiert werden wird. Projektierte TMDI-Werte sind daher unsicher. Bei Neuzulassungen wird daher oft dem Antragsteller eine Berichterstattung uber die Marktakzeptanz zur Auflage gemacht (post marketing surveillance). So hat die US Lebensmittel- und Arzneimittelbehorde FDA dem Hersteller des dort 1981 zugelassenen SuBstoffs Aspartam aufgetragen, in den Jahren nach der Zulassung regelmaaig uber den Einsatz von Aspartam in verschiedenen Lebensmitteln zu berichten [692]. Da mit light-Produkten, vor allem mit zuckerfreien Erfrischungsgetranken, erhebliche Mengen an SuBstoffen aufgenommen werden konnen, ist die Zufuhr von SuBstoffen besonders haufig untersucht worden. In einer Arbeit aus Italien [693] werden in anderen europaischen Landerm durchgefuhrte Studien zitiert. Bei den italienischen Verbrauchern wurden die ADI-Werte von Saccharin, Aspartam, Cyclamat und Acesulfam K in keinem Fall erreicht, in den anderen Landern nur ausnahmsweise. Bei solchen Ermittlungen mu13 der hohere Energiebedarf von Kindern berucksichtigt werden, falls der betreffende Zusatzstoff Lebensmitteln zugesetzt werden soll, die auch von Kindern verzehrt werden. Je nach Alter ist der Energiebedarf und damit der Lebensmittelverzehr pro kg Korpergewicht bei Kindern doppelt bis viermal so hoch wie bei alteren Erwachsenen (vgl. hierzu auch Tab. 8.3).
Nahrstoffangereicherte und funktionelle Lebensmittel Wie zu Beginn dieses Kapitels angedeutet, ist in der fruher uberwiegend ablehnenden Haltung von Verbrauchern und Gesundheitsbehorden gegenuber der Verwendung von Zusatzstoffen ein allmahlicher Wandel festzustellen. Nachdem in Deutschland jahrzehntelang selbst der Jodzusatz zu Kochsalz erbittert bekampft wurde, zeigt der Markt jetzt starke Umsatzzuwachse bei nahrstoffangereicherten Lebensmitteln, wie Multivitaminsaft oder Friihstiickscerealien mit zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen. Erfolgreich werden auch Nahrungserganzungen vermarkted, die - vorwiegend in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten
Nahrstoffangereicherte und funktionelle Lebensmittel
245
- der
gesteigerten Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen oder bestimmten Fettsauren dienen [694]. Ein neuer Trend waren vor einigen Jahren die kalorienarmen (oder light-) Produkte, in denen Zucker und Fette durch SUBstoffe, Ballaststoffe und Wasser ersetzt wurden. Viele dieser Erzeugnisse sind nicht ohne Zusatzstoffe (Emulgatoren, Stabilisatoren, Antioxidantien u. a.) herstellbar. In dem MaBe wie die Welle der light-Produkte abebbt, kommt nun, von Japan ausgehend und in den Vereinigten Staaten schnell angewachsen, die Welle der funktionellen Lebensmittel auf Europa zu. In USA heiljen sie functional foods, designer foods, nutritionally tailored foods, nutraceuticals oder agromedical foods. Uber den Namen besteht ebensowenig Einigkeit, wie uber die Definition. Die Bezeichnung functional foods scheint sich immer mehr durchzusetzen [695, 6961. Beratungen auf europaischer Ebene [697] fiihrten zur Einigung auf folgende Definition: ,,Ein Lebensrnittel kann als ,,funktionell" betrachtet werden, wenn in zufriedenstellender Weise gezeigt wurde, daR es eine oder rnehrere Zielfunktionen irn Korper - uber einen ausreichenden Nlhrwert hinaus - auf eine fur bessere Gesundheit oder Wohlbefinden wirksarne Weise und/oder durch Verrninderung des Erkrankungsrisikos gunstig beeinflufit"
Etwas weniger schwerfallig konnte man Produkte dieser Art als Lebensmittel mit einem zusatzlichen gesundheitlichen Nutzen bezeichnen, der uber den ublichen Nahrwert hinausgeht. Zum funktionellen Lebensmittel wird ein Erzeugnis durch gezielte Veranderung seiner Zusammensetzung. Sie kann durch Zusatze erreicht werden, aber auch durch Ziichtung (mit oder ohne Verwendung der Gentechnik) und, soweit es sich um Lebensmittel tierischer Herkunft handelt, durch Futterung. So werden zum Beispiel Eier mit gezielt veranderter Fettzusammensetzung (cholesterinarm, reich an omega-3-Fettsauren) zu den funktionellen Lebensmitteln gezahlt [698]. Im EU-Bereich gibt es bisher keine Richtlinie oder sonstige rechtliche Regelung fur funktionelle Lebensmittel. Das Interesse an solchen Produkten ist groB, es kommt in zahllosen Symposien und Konferenzen zum Ausdruck, in entsprechenden KongreSberichten [699] und Ubersichtsartikeln [700, 7011. Seit 1997 erscheint in USA das Journal of Nutraceuticals, Functional and Medical Foods. Funktionelle Lebensmittel sind nichts grundsatzlich Neues. Sauglingsmilch gehort in diese Kategorie. Das Ausgangsprodukt Kuhmilch wird durch Zusatze so verandert, daB sein Pr0tein:Kohlenhydrat:Fett-Verhaltnisetwa dem der Muttermilch entspricht. Ebenso kann man traditionelle Diatlebensmittel, wie zuckerarme Erzeugnisse fur Diabetiker oder natriumarme fur Hypertoniker, als funktionelle Lebensmittel bezeichnen, da in allen diesen Fallen Inhaltsstoffe modifiziert werden, um den Beitrag des Produkts zu einer gesunden Kost zu erhohen. Neu an den funktionellen Lebensmitteln ist, daB sie nicht mehr nur fur bestimmte, engumschriebene Verbrauchergruppen, wie Diabetiker oder Sauglinge, entwickelt und angeboten werden, sondern fur die gesamte Kundschaft der Supermarkte. Wegbereiter fur funktionelle Erzeugnisse waren schon in Japan und sind heute in Europa die pro- und prebiotischen Milchprodukte. Probiotika sind Kulturen lebender Mikroorganismen, die mit der Nahrung aufgenommen werden und die Zusammensetzung der Darmflora so verandern, daB positive Wirkungen fur den
246
Lebensmittelzusatzstoffe
menschlichen Organismus resultieren [702, 7031. Yakult heil3t das erfolgreichste japanische Produkt dieser Art, ein von der Firma Yakult Honsha vertriebenes Magermilcherzeugnis, das Lactobacillus casei Shirota enthalt und das fur eine ausgeglichene Darmflora und Verdauung sorgen soll. Prebiotika sind Substanzen, die im Dickdarm Mikroorganismen rnit probiotischen Eigenschaften als Nahrung dienen. Dabei handelt es sich um Inulin oder um Fructo-Oligosaccharide, die durch Partialhydrolyse von Inulin gewonnen werden. Inulin ist ein Fructose und Glucose enthaltendes Speicher-Kohlenhydrat, das in sehr vielen Pflanzen vorkommt, jedoch meist aus der Zichorienwurzel, Cichorium intybus, gewonnen wird. Auch Prebiotika sind nichts Neues; schon 1959 wurde das Disaccharid Lactulose verwendet, um die Anzahl der Bifidobakterien im Darm von Babies zu erhohen, die rnit der Flasche ernahrt wurden. Das Ziel der Verwendung von Pre- und Probiotoka ist, vereinfacht gesagt, die Verdrangung unenvunschter, eventuell krankmachender Mikroorganismen im Darm durch erwiinschte, wie die Bifidobakterien. Einige Probiotika (zum Teil rnit Prebiotika gemischt) auf dem deutschen Markt sind - der LC'-Joghurt von NestlC, mit Lactobacillus acidophilus 1, - das Milchmischerzeugnis DailyFIT von Ehrmann, rnit Lactobacillus acidophifus, Oligofructose, Magnesium und Calcium, - das Knusperflockenmiisli probiotisch von Schneekoppe, mit L. acidophilus. Daneben gibt es Milchprodukte rnit Krauterauszugen, wie den Joghurt ProCult rnit Gesundheitskrautern von Muller (enthalt u. a. WeilJdorn oder Johanniskraut/Melisse), - den Krautertopfen der Allgauland Kasereien ,,mit besonderen Auszugen aus der Enzianwurzel, einem alten Heilmittel der Bergbauern". -
DaB die Entwicklung funktioneller Lebensmittel bereits iiber den Bereich der pro- und prebiotischen Milchprodukte hinausgegangen ist, zeigen zum Beispiel - die Tiefkiihlgemiise Vivactiv von Iglo, rnit Vitaminen (A, C und E), Weizenkeimol und Distelol, - die Musliriegel Vibativ von Viba SiiBwaren, ,,Aktiv-Riegel rnit herzschutzenden Wirkstoffen", namlich Zitrusflavonoiden, Traubenschalenextrakt und Vitaminzusatzen, - die DHA-Eier von Eifrisch, die Docosahexaensaure, eine in Fischol vorkommende omega-3-Fettsaure, enthalten. Eine anscheinend besonders erfolgreiche Produktgruppe sind die Wellness-, Power- oder Energy-Drinks. Sie reichen von Marken wie Good Night von Rabenhorst (Friichtetrunk rnit Hopfen, Melisse und Salbei) uber Orange & Co von Merziger (Frucht-Coffein-Drink auf Basis von Orangen-, Bananen, Limettensaft und Joghurt, angereichert mit Coffein) bis zu Lifestyle-Getranken mit Namen wie Red Bull, Power Poppers, Magic Man, Red Kick, Flying Horse [704]. Es gibt geteilte Meinungen daruber, ob die Lifestyle- oder New-Age-Getranke noch zu den funktionellen Lebensmitteln zu rechnen sind, ob sie einen Beitrag zu einer gesunden Kost liefern. Manche dieser Getranke diirfen auch heute nicht in
Nahrstoffangereicherte und funktionelle Lebensmittel
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Deutschland fur den heimischen Markt hergestellt, wohl aber im Rahmen von Allgemeinverfugungen nach 9 47a LMBG3*eingefuhrt und verkauft werden. Was heute nur Importeuren erlaubt ist, wird aller Voraussicht nach in einigen Jahren [705] bezweifelt, ob viele auch deutschen Herstellern erlaubt sein. HAGENMEYER der nach 947a zugelassenen Produkte ohne den Umweg uber die europarechtliche Anerkennung hierzulande verkehrsfahig waren. Ernahrungswissenschaftler schwanken zwischen der Befurchtung, Verbraucher wurden durch ubertriebene Werbeaussagen fur funktionelle Lebensmittel irregefuhrt, und der Hoffnung, tatsachlich gesundheitsfordernde Eigenschaften solcher Erzeugnisse konnten sich giinstig auf das Risiko fur Krebs, koronare Herzkrankheiten und mancherlei andere Krankheiten auswirken. Die Befurchtungen deutet PASCAL[706] an, wenn er verlangt, das Marketing der neuen Produkte durfe schadliche Ernahrungsgewohnheiten nicht fordern und die gesundheitsbezogenen Werbeaussagen der Hersteller muaten wissenschaftlich begrundet sein. Andere Autoren mahnen die Beachtung ethischer Grundsatze bei der Vermarktung funktioneller Lebensmittel an [707]. CLYDESDALE [708] hat wissenschaftliche Kriterien fur die Uberprufung der beanspruchten Wirkungen (health claims) vorgeschlagen. Aber wer sorgt fur die Einhaltung dieser Kriterien? Krankheitsbezogene Werbung fur Lebensmittel ist sowohl nach deutschem (§ 17 LMBG) wie nach EURecht verboten. Diese Abgrenzung zu den Arzneimitteln wird aber immer unscharfer. In Deutschland ist gesundheitsbezogene Werbung fur Lebensmittel erlaubt, soweit die Aussagen wahr, also wissenschaftlich begrundet sind. Geschickte Werbung versteht es jedoch, gesundheitliche Wirkungen in Aussicht zu stellen, ohne sie konkret zu behaupten. Das ist kein spezielles Problem der funktionellen Lebensmittel, sondern beschaftigt die Gerichte seit langer Zeit. Gegen Aussagen wie ,,Gut fur die Gesundheit", ,,Mit Gesundheitskrautern", ,,Steigert das Wohlbefinden", ,,Starkt Ihre Abwehrkrafte" oder ,,Ein taglicher Beitrag zu Ihrer Gesundheit" schreiten aber Gerichte und amtliche Lebensmitteluberwachung kaum mehr ein, auch wenn eine uberzeugende wissenschaftliche Begrundung fur diese Anpreisungen fehlt. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, jedes Lebensmittel sei gut fur die Gesundheit. Wer kennt nicht die von vielen Konsumenten gern geglaubten Werbeaussagen fur Produkte wie Honig, Apfelessig, Rote Beetensaft und unzahlige andere? Bei vielen Energy Drinks steckt die Verlockung, vor allem fur Jugendliche, schon im Namen des Produkts (Power, Kick, Magic...), aber auch bei anderen Produkten wird versucht, mit dem Namen eine Gesundheitswirkung zu verbinden (Aktiv, Fit, Fitness, Slim, Vita, Vital, Pep, Sport....). Mit dem Wachsen des Marktes fur funktionelle Lebensmittel ist mit einer starken Zunahme dieser Art von Werbung zu rechnen.
''Nach 5 47 LMBG ist es verboten, Erzeugnisse, die nicht den in Deutschland geltenden lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprechen, in den Geltungsbereich des LMBG zu verbringen. Andererseits gilt in der EU der Grundsatz, daR ein Erzeugnis, das in einem Mitgliedsland legal im Verkehr ist, auch in allen anderen Mitgliedslandern verkehrsfahig ist (Cassis de DijonUrteil des Europaischen Gerichtshofs). Um dem gerecht zu werden, wurde 5 47a in das LMBG eingefugt. Er ermoglicht es dem Bundesgesundheitsministerium,die Verkehrsfahigkeit von nicht den Vorschriften des LMBG entsprechenden Erzeugnissen aus anderen EU-Staaten durch eine Allgemeinverfugung zuzulassen, soweit nicht zwingende Griinde des Gesundheitsschutzes entgegenstehen
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Lebensmittelz usatzstoffc
In USA wird die Entwicklung der functional foods als der neue Mega-Trend in der Lebensmittelindustrie beschrieben; eine ,,Konvergenz von Lebensmittel und Medizin“ werde vom Verbraucher gewunscht und erfreue sich zunehmender wissenschaftlicher Akzeptanz [709]; besonders optimistisch sieht man die Chancen funktioneller Lebensmittel in Japan [710] und in anderen fernostlichen Landern. Dies ist insofern nicht uberraschend, als in asiatisch gepragten Kulturen die Bevolkerung traditionellerweise mit dem Gedanken vertraut ist, daR bestimmte Lebensmittel gunstig auf die Gesundheit wirken und therapeutisch genutzt werden konnen - vermutlich der Hauptgrund fur den enormen Markterfolg funktioneller Lebensmittel in Japan [700].
Neue Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr Fruher wurde in der Ernahrungsberatung allgemein der Standpunkt vertreten, eine gemischte Kost versorge den Korper mit allen erforderlichen Nahrstoffen. Zusatzliche Gaben von essentiellen Nahrstoffen wurden allenfalls bei Kranken und Rekonvaleszenten empfohlen. Die ernahrungswissenschaftlichen Empfehlungen fur die Hohe der Nahrstoffzufuhr orientierten sich vor allem an der Vermeidung von Mangelkrankheiten. Seit einigen Jahren setzt sich jedoch immer starker die Ansicht durch, daB mehrere Vitamine gesundheitsfordernde Wirkungen haben, die uber die Vermeidung von Mangelkrankheiten hinausgehen. Eine wachsende Zahl von Ernahrungswissenschaftlern ist der Ansicht, die derzeit empfohlene Tageszufuhr einiger Vitamine (insbesondere der antioxidativen Vitamine E und C und des Provitamins p-Carotin) sei zu erhohen, da epidemiologische Untersuchungen ein geringeres Risiko fur koronare Herzkrankheiten und fur Krebs bestimmter Lokalisationen bei uberdurchschnittlichen Gehalten dieser Vitamine im Blut oder bei Einnahme von Vitaminsupplementen gezeigt haben (Tabelle 8.4). WEBERet al. [712] halten eine Vitamin C-Zufuhr von 80-120 mg/ Tag fur wunschenswert, deutlich mehr als die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung bisher empfahl”. In USA wurde eine Verdopplung des RDA-Wertes (recommended dietary allowance) fur Vitamin C von bisher 60 auf 120 mg/Tag empfohlen [713], aber es gibt auch Vorschlage, die bis 200 mg/Tag gehen [714]. DIPLOCK vertritt den Standpunkt, die bisherigen Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr seien zwar fur wasserlosliche Vitamine, die als Cofaktoren von Enzymen fungieren, nutzlich, da nach Erreichen des Sattigungspunktes cine weitere Zufuhr keinen biologischen Vorteil bringe. Dies treffe jedoch nicht auf antioxidativ wirkende Nahrstoffe zu, fur die der Bedarf mit steigender oxidativer Belastung zunehme [715]. Die vorgeschlagenen Empfehlungen (Tab. 8.4) gelten fur gesunde Erwachsene, die keinem speziellen StreB unterliegen. Der obere Wert des empfohlenen Bereichs der Tagesdosis ist mit einer sorgfaltig gewahlten, obst- und gemusebetonten Kost erreichbar. Fur Personen, die oxidativem StreR ausgesetzt Eine Neufassung der DGE-Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr (mit zum Teil erhiihten Zufuhrwerten) ist in Vorbcreitung, war aher zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht erschienen
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Neue Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr
DGE-Empfehlungen 1991 [58]
Hohenheimer Konsensus 1994
I71 11 Vitamin C
75
75-150
Vitamin E
12
15-30
8-Carotin
2
2-4
~~
~~
sind, wie Raucher oder an chronischen Entzundungen Erkrankte, werden noch hohere Dosierungen empfohlen, die nur mit entsprechend angereicherten Lebensmitteln oder mit Nahrungserganzungen gewahrleistet werden konnen. Auch der wachsende Anteil alter und sehr alter Menschen in allen Industrienationen fuhrt zu hoheren Zufuhrempfehlungen, da zusatzliche Gaben bestimmter Vitamine sich anscheinend zur Verlangsamung degenerativer Veranderungen eignen [716]. Besonders ausgepragt ist der Wandel der Ansichten hinsichtlich des B-Vitamins Folsaure. Seit langer Zeit wuljte man, dalj Folsauremangel eine Storung der Blutbildung zur Folge hat (megaloblastische Anamie). Die Zufuhrempfehlungen galten der Vermeidung dieser Mangelerscheinung. Vor etwa 10 Jahren entdeckte man uberraschend, dalj als Neuralrohr-Defekte bezeichnete Geburtsfehler (Spina bifida, Offener Rucken) praktisch vollig vermeidbar sind, wenn die Mutter von Beginn der Schwangerschaft an Folsaure-Supplemente eingenornmen hat. Da die Neuralrohrdefekte bei Folsauremangel bereits einen Monat nach der Konzeption entstehen, also wenn die Frauen noch nicht wissen, daB sie schwanger sind, sollte Frauen im gebarfahigen Alter die Einnahme zusatzlicher Folsauregaben empfohlen werden. Der Tagesbedarf zur Verhinderung der Neuralrohrdefekte ist zweibis dreimal so hoch, wie die mit einer ublichen gemischten Kost aufgenommene Menge. Es sollten also mit Folsaure angereicherte Lebensmittel verzehrt oder Folsaure-Supplemente eingenommen werden. Noch jungeren Datums ist die Erkenntnis, dalj erhohte Hornocystein-Spiegel im Blut ein Risikofaktor fur Herzkreislauf-Krankheiten sind, und daI3 zur Vermeidung dieses Risikos etwa die gleiche Folsaurezufuhr benotigt wird, wie zur Vermeidung von Neuralrohrdefekten [717]. Bei gesunden Erwachsenen werden 10-15 pmol/L Homocystein im Blutplasma gefunden; schon ab 10 WmoVL steigt das Herzinfarktrisiko mit dem Homocysteingehalt an. Es ist also wunschenswert, durch ausreichende Folsaurezufuhr ein Ansteigen auf uber 10 pmol/L zu vermeiden. Fur die Tagesaufnahme des Vitamins Folsaure empfiehlt die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung bei Erwachsenen, ausgenommen Schwangere und Stillende, bisher 150 pg freie Folsaure. Wie die Nationale Verzehrsstudie 1985-1989 gezeigt hat, wird dieser Wert von Mannern irn Durchschnitt zu 88 Yo, von Frauen zu 63 Yo,bei der Altersgruppe 13-15jahrige Madchen nur zu 57 % erreicht ([108], S. 42f). Die 1997 veroffentlichte Bayerische Verzehrsstudie von 1995 hat in den meisten Altersgruppen sogar noch niedrigere Werte ergeben. Wie Tabelle 8.5 zu entnehmen ist, sind in den Vereinigten Staaten die Zufuhrempfehlungen fur Vitamin D fur altere Menschen stark heraufgesetzt worden, fur
Lehensmittelzusutzstoffe
250
Empfehlungen 1989 [718] Vitamin D
Vitamin B,,
Folsaure
5
Empfehlungen 1997/98 [719, 7201
5
bis 50 Jahre
10
51-70 Jahre
15
ab 71 Jahre
2,O Miinner
2.4 MBnner
1,6 Frauen
2,4 Frauen
2 00 Manner
400 Manner
180 Frauen
400 Frauen
500 Stillende 600 Schwangere
alle Altersgruppen auch die Zufuhrempfehlungen fur Vitamin B12und Folsaure. Die empfohlene Folsaurezufuhr von 400 pg/Tag ist mit ublicher Mischkost kaum zu erreichen, die fur Stillende empfohlenen 500 und die 600 pg/Tag fur Schwangere erst recht nicht. Dabei mu13 man noch berucksichtigen, daB die naturlicherweise in Lebensmitteln enthaltene Folsaure uberwiegend in der schwer resorbierbaren Form von Folyl-Polyglutamaten vorkommt. Die Lebensmitteln zugesetzte und in Supplementen enthaltene synthctische Folsaure ist nicht nur besser resorbierbar, sondern auch chemisch stabiler [721]. Um eine den Empfehlungen entsprechende Versorgung der Bevolkerung sicherzustellen, ist in USA seit Januar 1998 ein Zusatz von Folsaure (1-3 mg/kg) zu Reis und zu Mehl, das fur die Herstellung von Brot und Teigwaren bestimmt ist, vorgeschrieben. Die Empfehlungen zu erhohter Vitaminzufuhr und das in Kap. 7 erwahnte wachsende Interesse an sekundaren Pflanzenstoffen, an bioaktiven Substanzen (,,zweites Goldenes Zeitalter der Ernahrungswissenschaft") gehen Hand in Hand mit dem Wunsch, die tatsachlichen oder angeblichen gesundheitsfordernden Wirkungen dieser Stoffe zu nutzen. Es gibt kaum Vitamine, Mineralstoffe und essentielle Spurenelemente, die nicht im Laufe der letzten Jahre als mogliche Zusatze zu funktionellen Lebensmitteln genannt worden waren. Bei einer 1994 im Raum Dortmund durchgefuhrten Erhebung wurden 288 nahrstoffangereicherte Lebensmittel (von 78 Herstellern) registriert; 10 Vitamine und 7 Mineralstoffe wurden zur Anreicherung eingesetzt. Die Zahl der pro Erzeugnis zugesetzten Nahrstoffe lag zwischen 1 (94 Erzeugnisse) und 16 (3 Erzeugnisse). Vor allem bei Getranken und Getrankepulvern wurden als uberhoht anzusehende Zusatze festgestellt - in einer Portion bis zu 660% der emfohlenen Tagesdosis [722]. D a m kommen in wachsendem Umfang die in Kap. 7 besprochenen bioaktiven Substanzen, wie Flavonoide, Carotinoide (vor allem Lycopin [497, 723]), omega-3-Fettsauren, nebst vielerlei mehr oder weniger undefinierten Extrakten aus Krautern, Knoblauch und anderen Pflanzen. Forschungsarbeiten zur besseren Charakterisierung gesundheitsfordernder Pflanzenstoffe werden in vielen Laboratorien vorangetrieuber Chemie ben, besonders in Japan. Beispielhaft seien die Arbeiten von NAMIKI und physiologische Wirkungen von Sesam [724] und die von MIZUNOund Mitarbeitern iiber antitumoraktive Substanzen in Pilzen [725] genannt. Mehrere
Neue Empfehlungen fur die Nahrstoffzufuhr
25 1
Arbeitsgruppen, vor allem in Japan und China, beschaftigen sich mit den krebsvorbeugenden und krebshemmenden Wirkungen von schwarzem [726] und grunem Tee [727]. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen werden vermutlich die Liste moglicher Zusatze zu funktionellen Lebensmitteln erheblich verlangern. Gesundheitsschadliche Wirkungen der bereits auf dem Markt befindlichen und der zweifellos in den kommenden Jahren in groBer Zahl auf den Markt drangenden funktionellen Lebensmittel sind wohl nicht zu befiirchten, solange diese Erzeugnisse in maBigen Mengen verzehrt werden. ErfahrungsgemaB gibt es aber immer auch Konsumenten, die sich nicht mit maBigen Mengen begnugen. Auch hinsichtlich der in Aussicht gestellten gesundheitsfordernden Wirkungen ist in vielen Fallen Skepsis angebracht [728]. Den Verbrauchern, die von einer guten Sache nicht genug bekommen konnen und damit das Risiko einer Uberlastung ihres Stoffwechsels eingehen, entsprechen Hersteller, die versuchen, die neu sich bietenden Marktchancen bis zum letzten auszureizen. Es ist daher zu erwarten, daB neue lebensmittelrechtliche Vorgaben diesen Markt kunftig strenger als bisher kontrollieren werden.
9 Ernahrung und Gesundheit
UberfluB und Hunger zugleich Der kalifornische Biologe PAULEHRLICH veroffentlichte 1968 sein beruhmt gewordenes Buch The Population Bomb [729], in dem er feststellte, die Weltbevdkerung wachse schneller als die landwirtschaftliche Produktion. Bereits fur die 70er Jahre prophezeite er hunderte Millionen von Toten durch Nahrungsmangel und Epidemien. Seine Thesen fanden ein gewaltiges Echo in den Medien. Glucklicherweise erfullte sich keine seiner Vorhersagen (was ihn nicht davon abhalt, alle paar Jahre ein neues Katastrophenszenario zu veroffentlichen). Weniger schrill formuliert und ohne sich bei den Vorhersagen kommender Katastrophen auf ein bestimmtes Jahrzehnt festzulegen, schilderte der Club of Rome 1972 ebenfalls ein Auseinanderklaffen von Agrarproduktion und Bevolkerungswachstum. In Wirklichkeit ist die WeltNahrungsmittelproduktion in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schneller gewachsen als die Weltbevolkerung. Wie Abbildung 9.1 zu entnehmen ist, hat die pro Kopf-Produktion von Nahrungsmitteln in der Welt in 30 Jahren um fast 20 % zugenommen. Historiker kommender Generationen werden dies als eine der bedeutendsten menschlichen Leistungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts feiern. Trotz dieses Erfolgs gibt es Hunger auf der Welt. Nach FAO-Schatzungen konnen sich etwa 700 Millionen Menschen in verschiedenen Entwicklungslandern nicht ausreichend ernahren. Das liegt aber nicht an mangelnder Nahrungsmittelproduktion, sondern an krasser Armut, an Verteilungsproblemen, an Regierungskorruption, an Burgerkriegen, an Durreperioden. Die zum Kummer der Landwirte und der Landwirtschaftsminister niedrigen Preise fur landwirtschaftliche Erzeugnisse sind der beste Beweis dafur, darj es einen Lebensmittelmangel auf dem Weltmarkt nicht gibt. Der Weltrnarktpreis fur Weizen hat im September 1998 den tiefsten Stand seit 11 Jahren erreicht und hat sich seither kaum erholt. Ahnlich sieht es bei Mais, Olsaaten, Zucker und vielen anderen Produkten aus. Fur Verbraucher ebenso ermutigend und doch in der Offentlichkeit ebensowenig bekannt, ist die groBe Steigerung der Produktion in den meisten Entwick-
253
Uberjlup und Hunger zugleich [Index (1961=100)]
220
200 -0-Landwirtsch.ProduMbn
180
--cWettbevilkerung
+Produktion pro Kopf 180
140
120
100 1961
1965
1969
1973
19??
1981
1985
1989
Abbildung 9.1: Zunahme von Welt-Landwirtschaftsproduktion,Weltbevolkerung und pro-KopfProduktion 1961-1990. Quelle: [730].
lungslandern. Aus Abbildung 9.2 geht hervor, daB in den Entwicklungslandern insgesamt in diesem 30-Jahreszeitraum das Marktangebot von Nahrungsenergie von 1900 auf 2500 kcal/Kopf.Tag angestiegen ist, eine Zunahme von iiber 30 %. Mit Ausnahme des zentralen und sudlichen Afrika konnte in allen Regionen die Versorgung der Bevolkerung durch einheimische Produktion deutlich verbessert und der werden. Angesichts der Katastrophenvorhersagen von PAULEHRLICH vielen anderen, die ihm nacheiferten, erscheint diese Leistung umso eindrucksvoller. Moglich wurde sie vor allem durch die Zuchtung ertragreicherer Pflanzensorten und durch moderne landwirtschaftliche Praktiken, einschlierjlich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldunger. Griine Revolution heirjt das Stichwort. Davon wollen viele in Deutschland nichts horen, die stattdessen die Extensivierung der Landwirtschaft fordern. Die Weltbevolkerung, die von 1970 bis 1999 von 5 auf 6 Milliarden Menschen zugenommen hat, wird nach Schatzung des Bevolkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) etwa im Jahre 2010 auf 7 und 2025 auf 8 Milliarden angewachsen sein. Da eine Ausweitung der Anbauflachen kaum mehr moglich ist, kann - weltweit gesehen - nur eine intensive, standig urn Produktionssteigerung bemuhte Landwirtschaft eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln ermoglichen.
254
Ernahrung und Gesundheit [kcalrrag]
3200
4 Naher Osten u.Nordafrika
30oo
+b-
Ostasien
+SLidasien
+Lateinamerika B Karibik
2800
+Zentrales
u. SOdLAfrika
2600
2400
2200
2000
1800
1600 1961
1965
1969
Abbildung 9.2: Pro-Kopf-Verfugbarkeit 1961-1990. Quelle: [730].
1973
von
1977
1981
Nahrungsenergie
1985
in
1989
Entwicklungslandern
Indikatoren der Volksgesundheit Wie kann man, abgesehen von der chemischen Analyse der Lebensmittel, die in den vorangegangenen Kapiteln das Hauptkriterium war, zu SchluBfolgerungen uber die gesundheitliche Qualitat des heutigen Lebensmittelangebots kommen? Wie gesund sind die Menschen? Hat sich die Situation verbessert oder verschlechtert? Nach der Satzung der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Gesundheit der Zustand volligen korperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens - ein Idealzustand, der sich kaum messen und in Statistiken schlecht erfassen lafit. Aus dem umfangreichen Datenmaterial, das vom Statistischen Bundesamt [731, 7321 und vom Bundesgesundheitsministerium [733] herausgegeben wird, konnen hier nur kleine Ausschnitte gezeigt werden. Der meistverwendete Indikator fur die Volksgesundheit ist die mittlere Lebenserwartung, die vom Statistischen Bundesamt aus den aktuellen Sterbeziffern berechnet wird. Die mittlere Lebenserwartung Neugeborener hat in diesem Jahrhundert standig zugenommen und betrug 1993/95 in den alten B~ndeslandern~' fur Frauen 79,8, fur Manner 73,5 Jahre 40
In der DDR lag die mittlere Lebenserwartung 1989 um 2 1/2 Jahre unter derjenigen in der Bundesrepublik. In den neuen Bundeslandern hat sie sich inzwischen dern Stand in den alten Bundeslandern angenahert
255
Indikatoren der Volksgesundheit verbleibende Lebensjahre
I
90, a0
0 Neugeborene
70
80 50
0 30 jirhrige
40
30 20
60 jahrige
10 0
m w
m w
m w
m w
m w
1901/1910 193211934 1949/1951 I98211984 199311995
Abbildung 9.3: Zunahme der mittleren Lebenserwartung Neugeborener, 30- und 60jahriger in Deutschland im Verlauf des 20. Jahrhunderts (m = mannlich, w = weiblich; Deutsches Reich, ab 1949 fruheres Bundesgebiet). Quelle: [731].
(Abbildung 9.3). Die Zunahme liegt nicht nur an der verringerten Kindersterblichkeit durch Impfungen und Antibiotika. Auch Erwachsene haben heute im Durchschnitt mehr Lebensjahre vor sich als in der Zeit unserer Eltern und GroBeltern. Der Abb. 9.3 sind die Daten fur 30- und 60jahrige Manner und Frauen zu entnehmen. Auch in den Entwicklungslandern hat die Lebenserwartung stark zugenommen, von einem Mittelwert von 40 Jahren 1950 auf 63 Jahre 1997. International reicht die Bandbreite von 34 Jahren in Sierra Leone bis 80 Jahre in Japan. Als der scheidende Generaldirektor der WHO,NAKAJIMA, im Mai 1998 diese Zahlen bekanntgab, wandte er sich zugleich gegen pessimistische Stimmen, die von zunehmender Krankheitshaufigkeit im Alter sprechen. Nach Angaben NAKAJIMA'S sind betagte Menschen in immer mehr Landern vitaler, ihre Zeiten der Hinfalligkeit also seltener geworden. In der Sprache der Bevolkerungsstatistiker heiBt dies: nicht nur die Lebenserwartung, sondern die behinderungsfreie Lebenserwartung nimmt zu [734]. Wie die vorher nicht fur moglich gehaltene Zunahme der landwirtschaftlichen Produktion kann auch die Steigerung der Lebenserwartung als eine der ganz groBen menschlichen Leistungen des 20. Jahrhunderts betrachtet werden4'. Die Zunahme der Lebenserwartung ist umso erstaunlicher, wenn man, statt auf Pseudoprobleme wie Ruckstande oder Zusatzstoffe in Lebensmitteln zu starren, auf die echten Gesundheitsprobleme unserer Zeit blickt. Nach Schatzung der Internationalen Krebsforschungsorganisationin Lyon (IARC) sterben in Deutschland jahrlich uber 100000 Menschen an den Folgen des Tabakrauchens, davon 40 000 bis 70 000 durch Krebs, die anderen durch Herzkreislauf-Versagen und durch 41
Die hier angegebenen Daten und viele weitere Informationen zur Bevolkerungsstatistik findet der Internetbenutzer auf den von der National Geographic Society (Washington) angebotenen Seiten unter www.nationalgeographic.com/features/2000/population.
256
Ernahrung und Gesundheit
Atemwegserkrankungen, die dem Rauchen angelastet werden. In den westlichen Industrienationen gilt die Adipositas (Fettsucht) nach dem Rauchen als die zweithaufigste vermeidbare Todesursache. Nach dem Ernahrungsbericht 1992 ([131], S. 34) waren in der Altersgruppe der 35-44jahrigen 10 % adiposj2 und dieser Anteil nahm bis auf etwa 20 % bei den 55-64jahrigen zu. Ubergewicht verstarkt die Auswirkungen von koronaren Herzkrankheiten, begunstigt die Entstehung von hohem Blutdruck und cerebraler Arteriosklerose, Altersdiabetes, Gicht und Arthritis und erhoht das Risiko von Operationen und von Krebserkrankungen verschiedener Lokalisation. Wie in Kap. 7 erwahnt, wird die Zahl der Alkoholabhangigen in Deutschland auf 3 Millionen geschatzt, die Zahl der als Folge der Alkoholwirkung vorzeitig Sterbenden auf jahrlich 30 000 bis 40 000. Nach Daten die bei der Tagung der Deutschen Gesellschaft fur Suchtforschung im Marz 1998 bekanntgegeben wurden, gibt es in der Bundesrepublik 1,4 Millionen Medikamentenabhangige. Von den Konsumenten illegaler Drogen gelten 125000 als abhangig. Jahrlich werden 1500-2000 Rauschgifttote registriert. Das sind aber im wesentlichen nur diejenigen, die an einer Uberdosis starben. Bei wievielen die chronische Drogenbenutzung lebensverkurzende Folgen hat, ist noch nicht bekannt. Diese Probleme werden in den Medien oder von Politikern oder in der Verbraucherberatung eher selten angesprochen. Wer verprellt gern seine Leser, Zuschauer, Wahler oder Kunden mit Warnungen vor den Folgen eines ungesunden Lebensstils? Man schieBt sich lieber auf Nitrat in Gemuse, Cadmium in Pilzen oder Zusatzstoffe in Convenience-Lebensmitteln ein - das ist ungefahrlich und kann nur Applaus bringen. Der damalige Bundesprasident ROMAN HERZOG sagte in seiner Berliner Rede vom April 1997: ,,Wir streiten uns um die unwichtigen Dinge, urn den wichtigen nicht ins Auge sehen zu miissen". Zuruck zu den Gesundheitsindikatoren, die vielleicht Hinweise auf Gift in der Nahrung geben konnten. Die oft zu horende Ansicht, der Krunkenstund habe allgemein zugenommen, wird durch die Statistiken der Krankenkassen nicht bestatigt. In Tabelle 9.1 werden Arbeitsunfahigkeitstage durch Krankheit angegeben, die sich in einern Zeitraum von 40 Jahren wenig verandert haben. Als weiterer Indikator konnen die Antworten auf die Frage nach Erkrankungen dienen, die im Rahmen des vom Statistischen Bundesamt durchgefuhrten Mikrozensus erhoben werden. Wie aus Tabelle 9.2 hervorgeht, hat sich in allen Altersgruppen in den letzten zwei Jahrzehnten der Anteil der Personen, die im Augenblick der Befragung oder in den Wochen vorher krank waren, deutlich verringert. Die Abnahme um etwa ein Viertel bei den mehr als 65 Jahre alten Menschen bestatigt die Aussage uber die zunehmende behinderungsfreie Lebensenvartung. In einer analogen Befragung in der Schweiz haben nur 6,8% der Uber-70jahrigen ihren Gesundheitszustand als schlecht bezeichnet (Tabelle 9.3). Auch Erfolg oder MiBerfolg von Schwangerschaften konnten Hinweise auf gesundheitsschadliche Lebensmittel geben. Wie aus Abbildung 9.4 hervorgeht, hat die Zahl der Totgeburten auf 1000 Lebendgeborene von 1950 bis 1993 von 22 auf 3 abgenommen. Ahnlich sieht es mit der Suuglingssterblichkeit aus. Die Zahl der im 1. Lebensjahr Zur Beurteilung des relativen Korpergewichts hat sich der Kbrpermassenindex BMI durchgesetzt. BMT= Korpergewicht (kg)/Quadrat der Korperlange (m'). Bei BMI >30 spricht man von Adipositas. >40 von massiver Adipositas
Indikatoren der Volksgesundheit
257
Tabdls 9.1: Arbeitsunfilhigkeitge der versicherungspflichtigen Mitglieder der Allgerneinen Ortskrankenkafsem (bis 1988 frilheres Bundesgebiet, dann Gesamt-Deutschland). Quelle: [731] Kalenderiahr
Mlnnsr
Frauen
I 1965
I 20.6
I 22.6
1973
22,5
22.5 21,l
1980
21,6
I 1984
1 17.8
1993
19,l
18,6
1995
21.6
21.1
I
Tabelle 9.2: Kranke Personen je 1.000 Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland nach den Ergebnissen des Mikrozensus. Quelle: Statist. Bundesamt
Kalenderjahr
im Alter von (Jahre) insgesamt unter 15
15-40
40-65
iiber 65
1974
155
94
89
183
345
1978
148
80
82
169
340
1982
152
83
75
175
351
1986
136
70
74
148
319
1989
136
76
80
146
295
1992
117
65
74
127
249
I1995
I123
I67
180
I132
I254
I
1
I
gestorbenen Sauglinge hat von 60 auf 5 je 1000 Lebendgeborene abgenommen; ebenso hat sich die Zahl der an angeborenen Mqbildungen gestorbenen Sauglinge ~ e r r i n g e r tAuch ~ ~ . hier also keine Anzeichen einer Verschlechterung. Ein Beweis fur gesundheitlich einwandfreie Lebensmittel sind diese Daten freilich nicht aber jedenfalls kann das angebliche Gift in unserer Nahrung nicht sehr giftig sein, wenn immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen und auch sonstige Gesundheitsindikatoren nicht Verschlechterung sondern Verbesserung anzeigen.
43
In der Bundesrepublik Deutschland sind Fehlbildungen bei der Geburt seit 1971 meldepflichtig. Leider erlitt diese Meldepflicht kein anderes Schicksal als andere Meldepflichten von Krankheiten: es wird nur ein Bruchteil der tatsachlich auftretenden Falle dem Statistischen Bundesamt gemeldet. Damit verfehlt die gesetzliche Meldepflicht ihren Zweck [736]
Ernahrung iind Gesundheit
258
65
Gesundhaitszustand
15-39jlhrig
40-69jahrig
70jahrig und mehr
gut
90,2
a2,g
68.6
mittelrnSEig
7,5
12,9
24,6
schlecht
2.3
4 2
6,8
h h l
i
h h l
+ Im 1. Lebantjah gestorbeneSiiugllnge je loo0 Lmbendgeborene
5-
o!
I
1950 55
I
,
I
,
I
,
,
I
60
86
70
75
80
85
90
95
04
I
,
I
I
197375 77 79 81
I
I
I
,
,
I
83
85
87
69
91
93
95
Abbildung 9.4: Abnahme der Haufigkeit von Totgeburten seit 1950, der Sauglingssterblichkeit insgesamt und der Sauglingssterblichkeitdurch kongenitale Anomalien seit 1973 (fruheres Bundesgebiet). Quelle: [731].
Ernahrung und Krebs Die Zahl der jahrlichen Krebstodesfalle hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, von 202 pro 100000 Einwohner im Jahre 1957 auf 264 im Jahre 1993 (Tabelle 9.4). Dies wird oft mit ungesunder Ernahrung in Zusammenhang gebracht. Die absoluten Zahlen der Krebsmortalitut sind jedoch insofern irrefiihrend, als vor allem altere Menschen an Krebs sterben (Abbildung 9.5). Erst im funften Lebensjahrzehnt beginnt die Kurve der Krebssterblichkeit deutlich anzusteigen, um dann bei den Uber-5Ojahrigen steil nach oben zu gehen. Je mehr alte Menschen in einer Bevolkerung vorhanden sind, desto mehr Krebstodesfalle gibt es. Um den Effekt der von Jahr zu Jahr sich verandernden Altersstruktur der Bevolkerung auszuschalten, kann man die Krebssterblichkeit bestimmter Altersgruppen heranziehen, wie dies in Tab. 9.4 geschehen ist. Wie die Spalte fur die Bis-zu-30jahrigen zeigt, ist die Annahme, vor allem bei jungen Menschen nehme die Krebssterblichkeit zu, nicht zutreffend. Im Gegenteil ist bei den Bis-zu-30Jahrigen, wie in der Gruppe der 30-60jahrigen, eine abnehmende Tendenz festzustellen. Eine andere Methode, den EinfluB der Veranderung der Altersstruktur zu eliminieren, ist die Berechnung der standurdisierten Krebsmorfalitiit, die sich auf
259
Erniihrung und Krebs Tabelle 9.4: Sterbefelle an basartigen Neubildungen, je I00 000 Einwohner (froheres Bundesgebiet). Quelle: [733] Kalenderjahr
insgesamt
davon im Alter unter
im Alter von 30-60
30 Jahren
Jahren
1957
201.6
8.8
144,l
1967
230’3
9.3
134.3
1977
249,6
6t9
117.3
1987
272.6
5,4
127.6
1990
ma,o
5,O
121.4
1993
264,3
4,9
119,7
Abbildung 9.5: Zunehmende Krebssterblichkeitmit zunehmendem Lebensalter. Quelle: [733].
eine bestimmte Altersstruktur bezieht. So sind die der Abbildung 9.6 zugrunde liegenden Daten in allen Kalenderjahren auf die Altersstruktur der Bevolkerung Deutschlands im Jahre 1987 bezogen (Bundesrepublik und ehemalige DDR zusammengerechnet). Hier zeigt sich, da13 die Krebssterblichkeit in den 60er Jahren bei Mannern etwas zugenommen hat und seit Ende der 80er Jahre leicht abnimmt; bei Frauen dagegen hat sie kontinuierlich abgenommen. FaBt man die Daten fur die beiden Geschlechter zusammen, so ergibt sich insgesamt von 1965 bis 1996 eine Abnahme von 274 auf 245 Krebstote pro 100000 Einwohner. Betrachtet man die (hier nicht wiedergegebenen) Zahlen fur die einzelnen Krebslokalisationen, so zeigt sich, dal3 die Zunahme bei Mannern in den 1960er Jahren
260
Ernahrung und Gesundheit Crebstote je 100 OOO Einwohner]
300
200
* Mjinner .8 Frauen
100
0 198264 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 941996
Abbildung 9.6: Zeitlicher Verlauf der durch bosartige Neubildungen verursachten Sterbefalle in der Bundesrepublik Deutschland seit 1962 (standardisiert auf den Bevolkerungsaufbau von 1987 in der Bundesrepublik und der damaligen DDR). Quelle: [737].
vor allem auf einer Zunahme bei Krebs der Lunge, Bronchien und Luftrohre beruhte. Schon lange ist nicht mehr daran zu zweifeln, dal3 dafur der Anstieg des Zigarettenkonsums nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich war. Die zunehmende Tendenz bei Krebs der Atmungsorgane der Manner hielt bis Ende der 80er Jahre an. Der Krebsatlas fur die Bundesrepublik Deutschland [738] konstatiert eine Trendwende seit Beginn der 90er Jahre. Dem zuruckgehenden Zigarettenkonsum bei Mannern folgt nun mit einigen Jahren Verzogerung ein deutlicher Ruckgang der Mortalitat dieser Krebsart und damit auch ein Ruckgang der Gesamt-Krebsmortalitat bei Mannern. Die starkste Abnahme ist fur Frauen wie fur Manner beim Magenkrebs festzustellen. Darmkrebs gehort zu denjenigen Tumoren, bei denen die Sterblichkeit in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg stark angestiegen ist. Seit Mitte der 70er Jahre war jedoch in den alten Bundeslandern keine weitere Zunahme zu verzeichnen. Bei Mannern deutet sich nach einer Zeit der Stagnation auf hohem Niveau seit Ende der 80er Jahre auch hier ein leichter Ruckgang an; bei Frauen ist die Abnahme deutlicher erkennbar. Vielleicht wird durch verbesserte medizinische Versorgung die Krebsmortalitat konstant gehalten oder sogar gesenkt, obwohl die Haufigkeit von Krebserkrankungen ansteigt? Diesem Einwand konnte man nur dann in befriedigender Weise Rechnung tragen, wenn es in Deutschland endlich ein der Forschung zugangli-
Ernahrung und Krebs
261
ches, flachendeckendes, bundesweites Krebsregister gabe4. Das brauchbarste Krebsregister ist das des Saarlandes, das seit 1979 aufgebaut wurde. Die Inzidenzdaten des Saarlandischen Krebsregisters lassen ebensowenig eine insgesamt zunehmende Tendenz erkennen, wie die Mortalitatsdaten. Im internationalen Vergleich liegen die Morbiditats- und Mortalitatsdaten in Deutschland im Mittelfeld, fallen weder durch besonders hohe noch durch besonders niedrige Werte auf. Die in Kap. 1 erwahnte Darstellung der Bundesrepublik als des Krebsnests Europas war, als sie 1981 veroffentlicht wurde [14], ebenso falsch, wie sie es heute ist. An anderer Stelle wurde dies ausfuhrlicher dargelegt [66].45 Wenn die Datenlage in Deutschland unbefriedigend ist, wie steht es in anderen Teilen der Welt, wo flachendeckende Krebsregister seit langer Zeit existieren? Wie in Kap. 1 erwahnt, verfestigte sich in den 60er Jahren unter dem EinfluD der benannten Gesetzgebung in USA und der Schriften von EICHnach DELANEY HOLTZ und CARSON die Ansicht, Lebensmittelzusatzstoffe und Ruckstande von synthetischen Chemikalien, insbesondere Pflanzenschutzmitteln, seien die Hauptursache von Krebserkrankungen. Die Zuversicht, die Krebsgefahr konne beseitigt oder doch wesentlich vermindert werden, wenn man die krebserregenden Stoffe in der Umwelt erkannt und sie aus der Umwelt verbannt hatte, herrschte weltweit jahrzehntelang vor. Die Krebsbekampfung wurde in den 60er und 70er Jahren in USA zur politischen Aufgabe ersten Ranges. Dem Krebs wurde der Krieg erklart (war on cancer). Das politische Ziel war, bis 1976, zur 200-Jahrfeier der Griindung der Vereinigten Staaten, den Krebs besiegt zu haben [12]. GroDe Summen wurden in die Krebsforschung investiert, besonders in die Suche nach jenen synthetischen in seiner Sorge um die toxische GesumtsituuKanzerogenen, die schon EICHHOLTZ tion entlarven und aus der Umwelt verbannen wollte. In der Bundesrepublik folgten Gesundheitspolitik und Forschung weitgehend dem amerikanischen Vorbild. Die Ergebnisse waren ernuchternd. Der Sieg uber den Krebs lag auch im Jahre 1976 noch in weiter Ferne. Immer deutlicher zeigte sich das Zigarettenrauchen als ein wichtiger vermeidbarer Risikofaktor fur die Krebsentstehung. Hoher Alkoholkonsum erwies sich ebenfalls als krebsfordernd. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurden von bedeutenden Krebsforschern wachsende Zweifel geauBert, daB durch Erkennung und Eliminierung anthropogener Umweltchemikalien 44
Das Bundeskrebsregistergesetz trat zwar am 1.1.1995 in Kraft, jedoch in einer fur die epidemiologische Forschung nicht gunstigen Fassung. Es verpflichtet die Lander, bis zum 1.1.1999 die Register aufzubauen, gestattet ihnen jedoch, Ausnahmen von der Flachendeckung zu bestimmen. Ein flachendeckendes Register wird es daher nicht geben. Das Gesetz sieht ferner ein Widerspruchsrecht des Patienten vor; falls er widerspricht, hat der Arzt die Meldung zu unterlassen. 1st der Patient bereits verstorben, muR die schriftliche Einwilligung des nachsten Angehorigen eingeholt werden. Wird sie verweigert, durfen die Daten dieses Falles nicht im Register gespeichert werden. Spatestens drei Monate nach der Meldung miissen die Daten im Register anonymisiert werden. Eine Zuriickverfolgung zum Patienten oder seiner Familie, z. B. zur Erhebung von Ernahrungsinformationen, ist damit unmoglich. Das Fehlen eines flachendeckenden, der epidemiologischen Forschung zuganglichen Krebsregisters in diesem Land ist ebenso unverstandlich, wie das in der vorhergehenden FuRnote erwahnte Fehlen eines zuverlassigen Registers der MiBbildungen 45 Aktuelle Daten iiber Krebshaufigkeit stellt das Robert-Koch-Institut in Berlin im Internet zur Verfugung. Weitere Daten der unter http:www.rki.de/CHRON/KREBS/KREBS.HTM Gesundheitsstatistik bietet das Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des BUNDES (ISGBE) unter http://www.gbe-bund.de
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Ernahrung und Gesundheil
eine nennenswerte Verminderung der Haufigkeit von Krebserkrankungen erreicht werden konnte [739, 7401. Immer mehr wandte sich die Krebsursachenforschung der Rolle des personlichen Lebensstils bei der Krebsentstehung zu. Einen tiefgreifenden Wandel in den Ansichten dokumentierte 1981 die Arbeit der britischen Epidemiologen DOLLund PETO[458]. Sie verglichen die Daten der in den Vereinigten Staaten seit langer Zeit gefuhrten amtlichen Krebsregister mit entsprechenden Angaben der internationalen Gesundheitsstatistik, um Krebsursachen auf die Spur zu kommen. Bei diesem Vorgehen spielen Migrationsstudien eine grolje Rolle. Man vergleicht die Krebshaufigkeit einer ausgewanderten Bevolkerungsgruppe mit der in ihrem Herkunftsland vorherrschenden. In Japan zum Beispiel ist Magenkrebs etwa 6mal haufiger als in USA, Brustkrebs dagegen etwa 1/4 so haufig und Prostatakrebs 1/7 so haufig. Bei nach USA ausgewanderten Japanern nimmt innerhalb von ein bis zwei Generationen Magenkrebs soweit ab und Brust- und Prostatakrebs nehmen soweit zu, da13 sich die Haufigkeitsverteilung vollig der in USA vorherrschenden anpaljt. Umweltfaktoren miissen also fur die Krebsentstehung eine grol3e Rolle spielen. Durch Vergleichen von unter unterschiedlichen Bedingungen lebenden Bevolkerungsgruppen versucht man, diese Umweltfaktoren zu erkennen und ihren Einflulj auf die Krebsentstehung zu quantifizieren: Vegetarier werden rnit Nichtvegetariern verglichen, Raucher rnit Nichtrauchern, Abstinenzler mit marjig trinkenden und mit Alkoholikern, Landbewohner rnit GroBstadtbewohnern, beruflich bestimmten Stoffen ausgesetzte Personen rnit Nichtexponierten, Mitglieder von Religionsgemeinden, die strenge Ernahrungsregeln befolgen, mit religios ungebundenen usw. Berucksichtigt man dariiber hinaus Geschlecht, Lebensalter, Sozialstatus und sonstige Lebensumstande, so lassen sich, wenn das Datenmaterial umfassend genug ist, Zusammenhange erkennen. Bei der Auswertung spielen dann auch die aus Tierversuchen und sonstigen biologischen Testsystemen vorhandenen Informationen eine Rolle. Aus der Gesamtschau kamen DOLLund PETOzu dem Ergebnis, dalj von den vermeidbaren Risikofaktoren die Fehl- und Uberernahrung mit 35 % den wichtigsten Einflurj auf die Krebssterblichkeit hat, unmittelbar gefolgt vom Tabakkonsum rnit 30% (Saulen 1 und 2 in Abbildung 9.7). Ruckstanden in Lebensmitteln wurde kein bedeutender Einflurj zuerkannt. Lebensmittelzusatzstoffe wurden als teilweise krebsverhindernd betrachtet (vor allem Antioxidantien), wodurch der Negativwert fur die niedrigste Schatzung zu Saule 11 zustande kam. Der grorje Abstand von niedrigstem zu hdchstem Schatzwert, der die Unsicherheit der Schatzung ausdruckt, ist in neueren Veroffentlichungen deutlich kleiner, wahrend sich an dem wahrscheinlichsten Schatzwert und damit an den Schluafolgerungen von DOLLund PETOnichts Wesentliches geandert hat [741,742]. Allerdings mussen aus heutiger Sicht die in Abb. 8.7 fur Saulen 3 und 4 angegebene Anteile etwas erhoht werden, da allein schon den Virusinfektionen ein Anteil von 15 % zugesprochen wird [743]. Welche Nahrungsfaktoren fur die Krebsentstehung verantwortlich sind, ist bisher nicht mit Sicherheit geklart, es spricht aber vieles dafiir, darj eine obst- und gemusearme, fettreiche, uberkalorische Kost tumorfordernd wirkt. Immer deutlicher wird auch, dalj tumorhemmende Stoffe in der Nahrung eine wichtige Rolle spielen (Kap. 7). Fur die in der Offentlichkeit immer noch weit verbreitete Meinung, synthetische Umweltchemikalien in der Nahrung stellten ein erhebliches
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KrebsauslZjsende Faktoren
70-
1 Ernahrung 2 Tabak 3 lnfektlonen 4 Reproduktions- und Sexualverhalten 5 Gewerbliche Exposition 6 UV-Licht, nat0rl. UmweltradioaktivitHt 7 Alkohol 8 Umweltverschmutzung 9 Medikarnente. sonst.Therapie, Diagnostik 10 lndustrieprodukte (Kosmetika, Farben. Reinigungs- und Lllsungsmlttel u.a.1 11 Lebensmittelzusatzstoffe
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Abbildung 9.7: Prozentualer Anteil verschiedener Ursachen der Krebssterblichkeit, nach DOLL und PETO[458].
Krebsrisiko dar, gibt es keine gesicherte Grundlage. Dagegen hat sich immer deutlicher gezeigt, daB jede Nahrung eine Vielzahl von Naturstoffen enthalt, die sich in Tierversuchen als kanzerogen erwiesen haben [744]- ein Thema, dessen Wichtigkeit vor allem von der bereits in vorangegangenen Kapiteln erwahnten Gruppe um BRUCEAMESherausgestellt wird [561,745].Diese Autoren bemuhen sich seit Jahren, weitverbreiteten Irrtumern uber Haufigkeit und Ursachen von Krebserkrankungen entgegenzutreten. Ein entsprechender Artikel erschien 1990 auf deutsch [746];in einer neueren Fassung [155]werden die Schlurjfolgerungen nach dem aktuellen Kenntnisstand bekraftigt. Es geht um die Irrtumer, die hier schon mehrfach angesprochen worden sind: die angebliche standige Zunahme von Krebserkrankungen; die Annahme, synthetische Chemikalien seien eine grol3ere Krebsgefahr als naturliche; die Behauptung, fur Naturstoffe gelte eine andere Toxikologie als fur synthetische; die Illusion, es diene der Volksgesundheit, wenn man auch geringste Spuren von synthetischen Kanzerogenen unter Kontrolle bringe. Warum es sich um Irrtumer handelt, wird von den Autoren eingehend
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Ernahrung und Gesundheit
begrundet. In einem Vorwort zu [155] schreibt JOHNDOULL.Herausgeber der Zeitschrift und einer der prominentesten Toxikologen in USA: ,,Many of the ideas expressed in this paper have been presented previously in various forms by AMESand collaborators, but what was initially a lonely voice has become a mainstream position" [747]. AMESwar zunachst ein einsamer Rufer - aber seine Thesen sind inzwischen allgemein akzeptiert. Wie in Kap. 7 berichtet, werden oxidative Schadigungen, vor allem der DNA, als wichtiger Faktor der Krebsentstehung und anderer, mit zunehmendem Alter gehauft auftretender Erkrankungen gesehen. Das Thema Ernahrung und Krebs findet weltweit weiterhin lebhaftes Interesse in der Forschung , wenn auch mit ganz anderem Tenor als in den Jahren der Suche nach anthropogenen Krebserregern. GroBe epidemiologische Studien gelten der Frage, wie die Nahrungszusammensetzung das Krebsrisiko (und die Herzkreislauf-Erkrankungen) beeinflufit [748, 7491, Untersuchungen auf molekularbiologischer, biochemischer Ebene gelten der Frage, wie die Regulation des Zellzyklus durch bioaktive Substanzen beeinflufit wird [750-7521. Im Kontext dieses Buches interessieren vor allem diejenigen Aktivitaten in der Krebsforschung, die der Rolle von Umwelt- und insbesondere Nahrungsfaktoren gelten. Es sol1 aber nicht der Eindruck erweckt werden. hier liege das Hauptgewicht der Krebsforschung. Die Erbanlagen eines Individuums tragen entscheidend dazu bei, oh krebsauslosende oder krebsverhindernde Faktoren zur Wirkung kommen konnen (Stichwort: genetischer Polymorphismus). Genetik und Genomforschung sind heute ganz wichtige Arbeitsgebiete in der Onkologie, ebenso wie die molekulare Epiderniologie, die Immunbiologie und 1mrnuntherapie.h der Krebsforschung ist man sich weitgehend einig, dalj die Hoffnung auf einen Sieg iiber den Krebs nicht in der Erkennung und Eliminierung von Spuren kanzerogener Substanzen in der Umwelt liegt, sondern in einem besseren Verstehen der biologischen Prozesse, die zum Tumorwachstum fiihren. Kennt man die Mechanismen der Krebsentstehung, wird man auch Wege finden, in dicse Vorgange einzugreifen. Bis dahin bleibt nur die Moglichkeit, zu einem Lebensstil zu raten, der das Krebsrisiko moglichst gering halt. Die Situation ist komplizierter als viele sich dies vor 40 Jahren vorgestellt haben, die glaubten, der Mensch miisse nur die von ihm selbst produzierten Kanzerogene aus der Umwelt fernhalten, um Krebs zu vermeiden. Der menschliche Organismus war schon immer einer Vielzahl krebserregender Faktoren ausgesetzt: natiirlichen Kanzerogenen in der Nahrung, Hohenstrahlung, Strahlung von in Mineralien vorhandenen radioaktivcn Stoffen, UV-Strahlung, Viren, Holzrauch in Wohnhohlen und Hiitten. Im Laufe der Evolution haben sich verschiedene Schutzmechanismen gegen diese Gefahr gebildet, z. B. Entgiftungsenzyme, die die schadlichen SubstanZen unwirksam machen, Reparaturenzyme, die Schaden am genetischen Material (DNA) ausbessern konnen und der programmierte Zelltod (Apoptosis), durch den Zellen, die geschadigte DNA enthalten, abgestoaen werden konnen. Es ware wichtig zu wissen, wie diese Schutzmechanismen durch antikanzerogene Stoffe in Obst und Gemiise gestarkt werden konnen, warum der Schutz mit zunehmendem Lebensalter haufiger versagt und es doch zur Krebsentstehung kommt, welche Rolle der Fettgehalt der Nahrung spielt (ist es das Fett selbst oder beruht die Wirkung auf dem meist geringen Ballaststoffgehalt fettreicher Nahrung?). Dagegen sind die langfristigen Tierversuche mit unterschiedlichen Dosen einzelner Testsubstanzen. wie sie jahrzehntelang Standbein der Krebsforschung waren. in den Hintergrund getreten, weil davon kein groRer Erkenntnisgewinn mehr envartet wird. (Zur routinemaljigen Prufung von Arzneimitteln, Lebensrnittelzusatzstoffen usw. werden sie weiterhin benotigt).
Nach REED[753] gelten als wichtigste Risikofaktoren fur die Krebsentstehung Infektionen durch Helicobacter pylori, Hepatitis B- und Hepatitis C-Viren, - Tabakerzeugnisse und - eine an Mikronahrstoffen, einschlieljlich Antioxidantien und Mineralstoffen arme Nahrung. -
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HILL[754] kommt bei seiner eingehenden Besprechung von experimentellen und epidemiologischen Arbeiten zum Thema Krebs und Ernahrung zu der Schluflfolgerung, bezuglich der Ernahrung konne man bisher nur zwei wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen zur Minderung des Krebsrisikos geben: - Man achte auf die Erhaltung eines ,,gesunden" Kijrpergewichts; viele Arten von Krebserkrankungen werden durch Ubergewicht gefordert. - Man verzehre reichlich Obst, Salate und Gemuse, da diese gegen vielerlei Krebsarten schutzen und keine Krebsart fordern. Mit den Vorstellungen der 60er und 70er Jahre, Krebs werde vor allem durch anthropogene Umweltkontaminanten verursacht, haben diese Schlufifolgerungen nichts mehr gemein. Die neue Situationsbewertung findet man nicht nur in schwer zu beschaffenden Fachzeitschriften, sondern seit einigen Jahren auch in Buchform. Der grundlegende Bericht der WHO Diet, Nutrition and the Prevention of Chronic Diseases erschien 1990 [755]; die Hauptpunkte daraus wurden auf deutsch vorgestellt [476]. Zwei wichtige Biicher, die das Thema vertiefen, stammen aus den Jahren 1994 [756] und 1996 [757]. In hervorragend klarer Darstellung ist seit 1997 das gemeinsam vom World Cancer Research Fund und dem American Znstitute for Cancer Research herausgegebene Werk [430] verfugbar, das als Quintessenz des derzeitigen wissenschaftlichen Konsensus zu diesem Thema betrachtet werden kann. Der 1998 erschienene, uber 600 Seiten starke Vierte Schweizerische Ernahrungsbericht [1071 widmet dem Problemkreis ,,Ruckstande und Kontaminanten" nur noch 20 Seiten, dem Thema ,,Verwendung einzelner Nahrungsmittel zur Verbesserung von Gesundheit oder Leistungsfahigkeit" ein ganzes Kapitel(70 S.), mit einem Unterkapitel uber ,,Antioxidative Vitamine in der Primarpravention von Krebs". Von den Medien, von der Politik und von der Verbraucherberatung in Deutschland ist dieser Paradigmenwechsel bisher noch kaum zur Kenntnis genommen worden. Die Medienberichte zum Thema Ernahrung thematisieren immer noch vorwiegend die ,,Gift auf dem Acker"- oder ,,Gift im KochtopP-Masche. Politiker profilieren sich gern durch Forderung niedrigerer Grenzwerte. Die rneisten Verbraucherzentralen und ihre Dachorganisation, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbande (AgV), haben bisher nichts oder wenig unternommen, um die breite Offentlichkeit iiber die Empfehlungen der WHO und anderer maBgebender Institutionen zur Steigerung des ganzjahrigen Obst- und Gemiisekonsums zu informieren. Stattdessen werden weiterhin die alten Broschuren verteilt, in denen vor angeblichen Gefahren durch Nitrat, durch Ruckstande und chemische Kontarninanten und durch Lebensmittelzusatzstoffe gewarnt und eine Beschrankung des Obst- und Gemiiseverzehrs auf Erzeugnisse der heimischen Saison empfohlen wird (Kap. 5). Die seit 1998 von der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung durchgeflihrte ,,5 am Tag" Kampagne, die Obst- und Gemiiseverzehr 5mal taglich empfiehlt, hat hier noch kein ausreichendes Echo gefunden. Eine erfreuliche Ausnahme bildet die Verbraucher-Zentrale Rheinland-F'falz, die sich der vorn rheinland-pfalzischen Ministeriurn fiir Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau initiierten Kampagne fur mehr Gemuseverzehr ,,Power pur!" angeschlossen hat und deren Informationsmaterialien anbietet.
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Ernahrung iind Gesundheit
Lebensmittelallergien und Pseudoallergien Gibt es nicht irgendwelche anderen Gesundheitsschaden, die sich zwar nicht in den Krebsstatistiken oder den Sterblichkeitsziffern niederschlagen, die aber doch die Lebensqualitat beeintrachtigen? Wie steht es mit der schon von EICHHOLTZ behaupteten rapiden Zunahme von allergischen Uberempfindlichkeiten gegen Zusatzstoffe und Kontaminanten? Eine dramatische Zunahme der Allergiehaufigkeit wird zwar in den Schriften verschiedener Interessenverbande und in den Medien immer wieder als Tatsache dargestellt, ist jedoch nach wie vor mehr Vermutung als durch uberprufbare Daten gesicherter Befund. Wie solche Behauptungen zustande kommen, mag folgende Sequenz illustrieren. Wie in Kap. 1 erwahnt, wurde am 12. Januar 1997 in vielen Tageszeitungen die Aussage des umweltpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion MICHAELMULLER gebracht, in Deutschland litten 30 Millionen Menschen an Alleregieerkrankungen, die groljtenteils auf schlechte Umweltbedingungen zuruckzufuhren seien. Eine Anfrage bei dem Bur0 des Abgeordneten, woher diese Information stamme, ergab die Antwort: Aus einer Annonce des Verbandes der Chemischen Tndustrie im SPIEGEL 10/1995. Dort wurde ein Dusseldorfer Allergologe mit der Aussage zitiert: ,,Millionen Allergiker brauchen dringend Hilfe. Ohne Gentechnik werden wir sie nicht geben konnen". Nicht als Zitat, sondern als Behauptung des Chemieverbandes hieB es in der Anzeige weiter, bereits 30 % der Bevolkerung litten an Allergien. (30 % von 82 Millionen waren 24,6 Millionen und nicht 30 - aber das nur nebenbei). Von schlechten Umweltbedingungen als Ursache der Allergien stand nichts in der Annonce. Auf Anfrage beim Verband der Chemischen Industrie, woher die Angabe 30 % stamme, teilte dieser die Anschrift des Dusseldorfer Professors mit. Anfrage bei diesem resultierte in der Antwort, 30 YOSensibilisierung in der Bevolkerung musse als ,,State of the Art" betrachtet werden, der bekannte Allergologe BRUNELLO WUTHRICH in Zurich konne dies bekraftigen. Diese Zahl werde im ubrigen auch durch demoskopische Untersuchungen bestatigt. Sensibilisierung ist aber nicht identisch mit Allergieerkrankung. Um festzustellen ob eine Person vermehrt Antikorper im Blut hat, bestimmt man den IgE-Spiegel (Immunglobulin E) im Blut und, um zu prufen, auf welche Substanzen der Proband iiberempfindlich reagiert, fuhrt man den Hauttesf durch. Die zu testende Substanz wird auf die Haut aufgetragen und die Haut wird an dieser Stelle mit einer Lanzette angeritzt (Prick oder Scratch Test) oder es wird ein Pflaster aufgeklebt, das die Testsubstanz enthalt (Patch Test) oder die Substanz wird intrakutan oder subkutan injiziert. 1st die Person iiberempfindlich gegen das Testmaterial, treten an der betreffenden Hautstelle Rotung und Schwellung (Quaddeln) auf, Zeichen fur eine Sensibilisierung gegenuber dieser Substanz - aber kein ausreichendes Zeichen dafur, dafi diese Person unter einer Allergiekrankheit leidet. Der amerikanische Allergologe RAYMOND SLAVIN schreibt: ,.Ein positiver Hauttest fur sich allein bedeutet wenig. [Er]...ist noch lange kein Beweis dafiir, daR in der Nase, Haut, Lunge oder im Gastrointestinaltrakt genug IgE-Antikorper vorhanden sind, urn eine volle allergische Reaktion auszulosen. Ein positiver Hauttest mu8 daher immer mit der Krankengeschichte des Patienten korreliert werden" [758].
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Viele Personen, die im Hauttest auf eine bestimmte Substanz reagieren und/oder erhohte IgE-Werte zeigen, haben keinerlei Beschwerden. Es ist irrefuhrend, sie als Allergiker zu klassifizieren oder zu sagen, sie litten an einer Allergie. Darauf wiederholt hingewiesen. Er hat ferner in fast jeder seiner hat auch B. WUTHRICH Veroffentlichungen betont, dal3 es kaum zuverlassiges Datenmaterial uber Allergiehtiufigkeit gebe, und daB alle entsprechenden Zahlenangaben mit groBer Vorsicht zu betrachten seien [759]. Er ist gewil3 nicht dafur verantwortlich zu machen, da13 das Schauermarchen von den 30 Millonen an Allergie leidenden Deutschen sogar die Titelseite der FRANKFURTER ALLGEMEINEN erreicht hat (Abb 1.2). WUTHRICH gab aufgrund langjahriger eigener Erfahrungen in einer grol3en Klinik die Haufigkeit von Pollinose in der Schweiz fur 1993 rnit 11% an [760].Wenn 11 % der Bevolkerung an Heuschnupfen leiden, ist dies Anlal3 genug, sich in der Forschung mit aller Kraft diesem Problem zu widmen. Aber von 30 % Allergiekranken ist in den Schriften dieses Autors nirgends die Rede - und auch sonst gibt es dafur nirgends eine Dokumentation [761]. Bestimmte Allergien haben anscheinend zugenommen: Allergien gegen Hausstaubmilben, besonders in Wohnungen mit Teppichboden; Schimmelpilzallergien, begunstigt durch Isolierungsmahahmen in Wohnungen seit der Energiekrise; Tierhaarallergien, durch Zunahme der Haustierhaltung in Wohnungen. Gut belegt sind Daten aus der Schweiz, die eine deutliche Zunahme der Pollenallergien zeigen - ein Befund, fur den es noch keine befriedigende Erklarung gibt. Durch Auswertung von Pollenfallen hat der ZurFEY im Zeitraum von 1969 bis 19% eine Zunahme cher Meteorologe THOMAS der Pollendichte in der Luft auf das 2,5fache bei Birke und Eiche, das 3,6fache bei Haselpollen und das mehr als 6fache bei Erle und Rotbuche festgestellt [762]. Ob dies die alleinige Ursache fiir vermehrtes Auftreten der Pollinose ist, bleibt zu klaren. Vollig unklar ist noch, was die Ursache der vermehrten Pollenproduktion sein konnte. Im Sauglingsalter auBern sich allergische Erkrankungen oft als Neurodermitis, auch atopisches Ekzem genannt, beim Kleinkind als Asthma und im Schulkindalter als Heuschnupfen. Oft mildern sich die Krankheitszeichen mit der Zeit, so dalj bei Erwachsenen Allergiebeschwerden seltener sind als bei Kindern. Nahrungsmittelallergien konnen sich in jedem Alter am Magen-Darm-Trakt in Form von Koliken, Erbrechen, Durchfall, an der Haut in Form von Ekzemen oder Nesselsucht (Urtikaria), sowie an den Atemwegen in Form von Schnupfen oder Asthma auBern. Im Extremfall kommt es zum lebensbedrohenden unuphyluktischen Schock. Hinsichtlich der durch Lebensmittel ausgelosten Uberempfindlichkeitsreaktionen wird unterschieden zwischen echten Allergien und Pseudoallergien. Bei den echten Allergien lassen sich bestimmte Immunoglobuline, besonders IgE, im Blut nachweisen. Lebensmittelallergien werden zu 90 % durch Kuhmilch, Hiihnerei, Weizen, Erdnusse, Sojabohnen, Nusse und Meerestiere ausgelost. Fur die restlichen 10 % sind mehr als 160 verschiedene allergene Lebensmittel verantwortlich, darunter Apfel, Sellerie, Linsen, Sesam- und Sonnenblumensamen [763]. Es gibt in Mitteleuropa neue Lebensmittelallergien. Solange hierzulande zum Beispiel keine Erdniisse, Kiwi oder Mango auf dem Markt waren, kannte man keine Erdnu&, Kiwi- oder Mangoallergie.
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Abbildung 9.8 Schema der IgE-vermittelten allergischen Reaktion, nach TAYLOR [765]. Erlauterungen im Text.
Den komplizierten Mechanismus der allergischen Reaktionen kennt man recht gut [764]. Er kann hier nur in sehr vereinfachter, verkurzter Form dargestellt werden. Den Lebensmittelallergien liegt fast immer die Typ I-Reaktion (Sofortreaktion) zugrunde, deren Symptome bereits kurz nach dem Verzehr des allergenen Lebensmittels auftreten. Wenn bestimmte korperfremde Stoffe, die man als Antigene bezeichnet (es handelt sich dabei um Proteine; niedermolekulare Verbindungen konnen durch Komplexierung mit Proteinen ebenfalls zu Antigenen werden), in die Blutbahn gelangen, reagieren die Plusmuzellen (eine Form der Lymphozyten) des gesunden menschlichen Organismus, wie in Abbildung 9.8 schematisch dargestellt, mit der Bildung von Antikorpern der Immunoglobulinklasse E (IgE). Die Antikorper werden an Rezeptoren auf der Oberflache von Mastzellen gebunden, die in groljer Zahl in der Haut und den Schleimhauten der Atemwege und des Verdauungstrakts vorkommen. Bei erneutem Kontakt mit dem Antigen finden die auf den Mastzellen sitzenden Antikorper und die spezifisch antigenen Bereiche des Allergenmolekuls wie Schlussel und SchloB zusammen. Dadurch erhalt die Mastzelle das Signal, in ihr gespeicherte physiologisch aktive Stoffe (Mediatoren, zu denen das Histurnin zahlt) in die Blutbahn auszuschutten. Die Mediatorsubstanzen (Vermittler-, Botenstoffe) losen weitere Reaktionen aus, die zu den Symptomen der allergischen Reaktion fuhren: Hautrotung, Ubelkeit, Asthma u. a. Beim Allergiker ist die Antikorperproduktion sehr verstarkt. Pseudoallergien (auch als Intoleranzreuktionen bezeichnet) verlaufen klinisch weitgehend unter dem gleichen Symptomenbild wie allergische Reaktionen; das Tmmunsystem ist jedoch nicht beteiligt, so dalj sich im Blut keine spezifischen Antikorper (wie IgE) nachweisen lassen. Als Ausloser gelten Naturstoffe wie Histamin und andere biogene Amine, sowie bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe aus den Gruppen der Farbstoffe, Konservierungsstoffe und Antioxidantien. Zum
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Teil kommen diese Stoffe, wie die Benzoesaure, auch naturlicherweise in Lebensmitteln vor. Auch Pflanzenschutzmittelruckstandeoder andere Umweltchemikalien in Lebensmitteln werden als Ausloser genannt - aber es gibt hierzu mehr Vermutungen als uberzeugende Nachweise. Es uberrascht nicht, daI3 mit Lebensmitteln aufgenommenes Histamin und andere biogene Amine die gleichen Symptome auslosen konnen wie die von Mastzellen ausgeschutteten Mediatoren. Uber die Wirkungsweise anderer, als Ausloser von Pseudoallergien geltender Stoffe, besteht noch weitgehende Unklarheit. Im Vergleich zu den Allergien sind die Pseudoallergien noch wenig erforscht. Das hat sicher mehrere Grunde: sie sind seltener, verlaufen weniger dramatisch (kein anaphylaktischer Schock und auch sonst mildere Symptome), die Intoleranzreaktion ist schwer objektivierbar, da weder Hauttest noch Immunoglobulinbestimmung anwenbar sind. Langwierige Eliminations-/Provokationstestesind erforderlich, um die Diagnose einer Pseudoallergie abzusichern. Wenn sie wissenschaftlich uberzeugen sollen, mussen diese Teste unter Doppelblindbedingungena durchgefuhrt werden - was bisher noch kaum geschehen ist. Allergien und Intoleranzreaktionen auf Zusatzstoffe in Lebensmitteln treten vie1 seltener auf als die durch Lebensmittel verursachten Allergien. Unter Berufung auf die Wiesbadener Allergologin CLAUDIA THIELhiel3 es in DGE-aktuell, Ausgabe April 1992: ,,Wer bisher Umweltschadstoffe und Zusatzstoffe in industriell verarbeiteter Nahrung als Hauptverursacher fur allergische Reaktionen ansah, muI3 umdenken. Nahrungsmittel-Allergien werden vor allem durch naturliche Lebensmittel ausgelost". Die Autoren der in Kap. 8 erwlhnte Broschure der Verbraucher-Zentralen sind von diesem Umdenken noch weit entfernt. Die Broschure fordert mit der bei vielen Zusatzstoffen ausgesprochenen Warnung ,,Fur Allergiker bedenklich" die weit verbreitete Ansicht, Lebensmittelzusatzstoffe spielten eine ganz wichtige Rolle als Ursache von Lebensmittelallergien - und verstarkt so die Verunsicherung der Verbraucher. Bei den meisten der so zum Allergen gestempelten Stoffe fehlt jegliche Basis fur diese Anschuldigung. Auch fur Allergien gilt das Grundprinzip der Toxikologie, wonach die Wirkung von der Dosis abhangt [766]. Die auf eine bestimmte Substanz uberempfindlich reagierende Person reagiert umso heftiger, je starker sie dieser Substanz ausgesetzt ist, sei es uber Atemwege, Verdauungstrakt oder Haut. Die Empfindlichkeit ist individuell aufierordentlich verschieden. Wie empfindlich manche Allergiker reagieren, zeigt der Fall eines gegen Kuhmilch allergischen Dreijahrigen, dem die Eltern ein milchfrei hergestelltes Fruchteis (Zitronensorbet) gaben. Das Kind reagierte innerhalb von 20 Minuten mit Rotung und Schwellung in Gesicht, Mund und Rachen (Quincke Odem) und Erbrechen. Untersuchung des Sorbets zeigte einen Gehalt von 9 pg MolkeproteinL. Bei der Herstellung des Sorbets war kein Milchprodukt verwendet worden, sie erfolgte jedoch im selben Gerat, in dem vorher Eiskrem unter Verwendung von Molkeprotein produziert worden war [767]. In ahnlicher Weise sind Falle von ErdnuBallergie nach Verzehr von Sonnenblumenbutter aufgetreten, wenn auf derselben Produktionsanlage im Wechsel Erdnu& und Sonnenblumenbutter hergestellt wurden. Fur hochsensibilisierte Aller46
Beirn Doppelblindversuch wissen weder der Untersucher (Arzt) noch der Patient, ob es sich bei der verabreichten Substanz urn einen Wirkstoff oder urn ein wirkungsloses Placebo handelt.
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giker ist das Vorkommen versteckter Allergene ein groljes Problem - aber auch fur die Hersteller von Lebensmitteln, die mit Schadensersatzforderungen rechnen miissen. Welche VorsichtsmaBnahmen in lebensmittelverarbeitenden Betrieben ergriffen werden sollten, um die Gefahr der Verschleppung von Allergenspuren von einem Erzeugnis in ein anderes so weit wie moglich zu minimieren, wird bei [768] beschrieben. Durch Verarbeitung und Zubereitung wird die allergene Wirksamkeit von Lebensmitteln oft erheblich vermindert. Manche Allergene sind jedoch sehr hitzebestandig. Nach einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der EU treten Lebensmittelallergien bei etwa 1 % der Bevolkerung auf [769]. Nach der gleichen Quelle liegt die Haufigkeit der durch Lebensmittelzusatzstoffe verursachten allergischen und Intoleranzreaktionen bei etwa 0.1 %.WUTHRICHbeziffert die Haufigkeit von Nahrungsmittelallergien in der Schweiz aufgrund eigener Untersuchungen im 10-Jahreszeitraum 1978-1 987 ebenfalls auf 1 YO [770]. Sehr vie1 hoher ist dagegen der Prozentsatz von Personen, die falschlicherweise glauben, sie oder ihre Kinder hatten eine Lebensmittelallergie. Insofern sind demoskopische Studien kein geeignetes Mittel zur Festellung der Haufigkeit von Allergien; sie konnen hochstens als Basisinformation fur weitere Studien dienen, in denen mittels klinischer Untersuchung, Hauttest, Immunoglobulinbestimmung und Doppelblindversuch festgestellt wird, wer tatsachlich Allergiker ist und auf welche Antigene sein Immunsystem reagiert. Untersuchungen, die eine starke Diskrepanz zwischen vermuteter und tatsachlicher Allergie zeigten, sind vor allem in GrorJbritannien durchgefiihrt worden. Von 23 Patienten, die iiber eine Uberempfindlichkeit gegen bestimmte Lebensmittel klagten, erwiesen sich bei der Untersuchung in einer Allergieklinik vier als tatsachlich iiberempfindlich [771]. Bei Befragungen gaben 17 YO der teilnehmenden Einwohner eine Unvertraglichkeit gegenuber Lebensmitteln an, 7,4 '30 eine Intoleranz gegenuber Zusatzstoffen. Eine klinische Uberpriifung dieser letzteren Gruppe ergab jedoch eine Haufigkeit von 0,026 YO [772]. Im placebokontrollierten Doppelblindtest, der einzigen als wirklich zuverlassig anerkannten Methode zur Bestatigung einer derartigen Intoleranz, reagierten von 19 Kindern, bei denen die Eltern eine Unvertraglichkeit gegeniiber Zusatzstoffen angaben, drei tatsachlich auf verabreichte Zusatzstoffe [773]. Eine in den Niederlanden durchgefiihrte Studie zeigte eine ahnliche Diskrepanz zwischen der Zahl der Personen, die angaben, gegen bestimmte Lebensmittel allergisch zu sein und der Zahl derjenigen, die im placebokontrollierten Doppelblindtest mit Allergie oder Pseudoallergie reagierten [774]. Die Uberzeugung der Eltern, ihr Kind leide an einer Lebensmittelallergie, kann sich, wenn diese Uberzeugung grundlos ist, fur das Kind sehr nachteilig auswirken. Amerikanische Kinderarzte [775] berichten uber Faille von Unterernahrung und Entwicklungsstorungen bei Kindern im Alter von bis zu drei Jahren, deren Eltern glaubten, die Kinder seien allergisch gegen eine Vielzahl von Lebensmitteln, und die den Kindern daher eine sehr einseitige Diat verabreichten. Die klinische Priifung zeigte lediglich in zwei Fallen eine Allergie, im einen nur gegen Milch, im anderen gegen Milch und Eier. Psychosomatische Faktoren spielen bei Allergien und erst recht bei Pseudoallergien eine erhebliche Rolle. Nach WUTHRICHentspricht es dem Kausalitats-
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bedurfnis des Patienten, seine Befindlichkeitsstorungen einem exogenen Faktor, namlich der Nahrung, und insbesondere der ,,Chemie" in der Nahrung zuzuschreiben. Daher wurden Lebensmittelallergien, und insbesondere Allergien auf Lebensmittelzusatzstoffe, grundlos als sehr haufig angenommen und fur eine ganze Reihe von Beschwerden angeschuldigt [776]. Die wissenschaftliche Untersuchung der Frage, inwieweit durch das Trommelfeuer der Massenmedien gegen Gift in der Nahrung bei Verbrauchern Angste geschurt werden, die sowohl bei Erwachsenen, wie auch (durch die Eltern vermittelt) bei Kleinkindern, zu behandlungsbedurftigen Erkrankungen ftihren, ware vermutlich lohnend. Woher kommt die Angst, die so viele Menschen krank macht? Der Leiter des MaxPlanck-Instituts fur Psychiatrie, H.-U. WITTCHEN,hat einen Ratgeber fur Arzte geschrieben, der ihnen helfen soll, angst-kranke Patienten richtig zu behandeln [777]. Nach seiner Erfahrung leiden etwa 25 YOder Patienten eines Allgemeinmediziners unter Angstsymptomen. In ahnlichem Sinn schreibt D. J. ZIEGENHAGEN [778]: Jeder Psychiater beobachtet in seiner Praxis eine stetige Zunahme phobischer Storungen aller Art. Wieviel hoher noch die Dunkelziffer der nicht behandelten, aber die Lebensqualitat beeintrachtigenden Angste sein mufi, zeigt sich immer wieder bei einer genauen Befragung von Patienten, auf welche Ursache sie gesicherte somatische Erkrankungen subjektiv zuriickfiihren. Ganz oben auf der Hitliste der Krankmacher stehen Allergien und JJmweltgifte' wie Ozon, Amalgam und Nahrungsmittelbestandteile.Wesentlich durch die Patienten selbst beeinflufibare Noxen wie Rauchen, Alkohol, Fettleibigkeit und Inaktivitat lassen sich um so besser aus dem BewuRtsein verdrangen,je groBer das Angebot an bedrohlichen Umweltfaktoren ist, an denen der einzelne ja doch nichts andern kann."
Bei der Neurodermitis spielen soziookonomische EinfluBfaktoren offensichtlich eine erhebliche Rolle. Bei Untersuchungen an etwa 4000 Kindern in Hannover stellten BUSERet al. [779] bei iiber 400 eine Neurodermitis fest; unter Auslanderkindern betrug die Haufigkeit 2,1%, unter deutschen 12,4 YO,bei Kindern der sozialen Unterschicht 6,5 %, der Oberschicht 18,l YO.Auch in anderen, bei [779] zitierten Arbeiten wurde ein klarer Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Neurodermitishaufigkeit festgestellt. Nach Ansicht der Autoren mu13 man nicht nur von einer emotionalen Beeinflussung des Immunsystems (Psychoneuroimmunologie), sondern auch von einer Beeinflussung des Immunsystems durch soziale Lebensbedingungen (Sozioneuroimmunologie) ausgehen. Vergleiche der Allergiehaufigkeit in neuen und alten Bundeslandern nach der Wende ergaben unerwartete Resultate. Die Pravalenz von Asthma und die Haufigkeit erhohter IgE-Werte waren in stark luftverschmutzten Gebieten der ehemaligen DDR geringer als in Regionen geringerer Luftverschmutzung im Westen. Mit abnehmender Umweltbelastung und zunehmender Anpassung an den ,,westlichen Lebensstil" haben die Indikatoren der Sensibilisierung in den neuen Bundeslandern zugenommen und sich denen im Westen angeglichen. Eine mogliche Erklarung fur diese Befunde ergibt sich aus in Sachsen-Anhalt durchgefuhrten Studien. Dort entwickelte sich bei Kindern aus kleinen Familien selten eine Allergie, wenn sie schon im Alter von 6 bis 11 Monaten in eine Tagesstatte gegeben worden waren (wie dies in der DDR ublich war). Erfolgte die Aufnahme erst mit 12 bis 23 Monaten, fuhrte dies zu einer Verdoppelung des Allergierisikos. Erst mit zwei Jahren oder noch spater in den Hort aufgenommene Kinder litten spater fast
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dreimal so oft an derartigen Beschwerden. Der fruhzeitige haufige Kontakt mit Krankheitserregern scheint uber eine Starkung des Immunsystems zu einer geringeren Allergieanfalligkeit zu fuhren. Bei Kindern aus grorjeren Familien, in denen es ohnehin haufiger zu Infektionen kommt, war ein solcher Zusammenhang nicht zu beobachten [780]. Moglicherweise liegt hier auch die Erklarung fur den Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Haufigkeit von Neurodermitis - mehr Grorjfamilien in der Unterschicht, mehr Einzelkinder, wohl auch mehr Hygienemafinahmen, in der Oberschicht. Das ernste Problem der Lebensmittelallergien und -intoleranZen sol1 hier nicht bagatellisiert werden. Die in Kap. 1 gestellte Frage, ob die von EICHHOLTZ postulierte Zunahme von durch Zusatzstoffe und Ruckstande in Lebensmitteln verursachten allergischen Erkrankungen eingetroffen ist, war zu beantworten. Erfreulicherweise haben sich die Befurchtungen von EICHHOLTZ nicht bewahrheitet. Das andert nichts an der Notwendigkeit, die vielen offenen Fragen auf dem Gebiet der durch Lebensmittel oder durch sonstige Faktoren ausgelosten Allergien und Pseudoallergien intensiv zu erforschen.
Vom hyperkinetischen Syndrom zum chronischen Mudigkeitssyndrom Der amerikanische Kinderarzt BENJAMIN FEINGOLD vertrat in den 70er Jahren die Hypothese, das hyperkinetische Syndrom (motorische Unruhe, Konzentrationsmangel, Aggressivitat, Jahzorn, Kontaktstorungen bei Kindern) werde durch naturliche salicylsaureahnliche Stoffe in der Nahrung und durch gewisse Zusatzstoffe, insbesondere Aroma- und Farbstoffe ausgelost. In Dutzenden von Studien hat man die Feingold-Hypothese experimentell uberpruft, mit meist negativem Ausgang. Bei einigen Untersuchungen hat ein Teil der Kinder tatsachlich auch im Blind- und Doppelblindtest auf bestimmte Zusatzstoffe reagiert. In solchen Untersuchungen werden farbige oder charakteristisch riechende Testsubstanzen nicht dem Essen zugemischt, sondern in Kapseln verabreicht. Gerade bei Aromastoffen und Farbstoffen larjt es sich kaum vermeiden, daB einzelne Kinder die Kapsel zerbeiljen und doch rnerken, ob ihnen ein Placebo oder eine Testsubstanz verabreicht wurde. Solche Studien bieten auch in anderer Hinsicht viele Schwierigkeiten. Hyperaktive Kinder wollen oft die Aufmerksamkeit von Erwachsenen auf sich lenken. Es ist kaum zu vermeiden, dalj schon die Versuchsbedingungen, die dem Kind mehr Beachtung schenken, die Ergebnisse beeinflussen. Nach dem verschwand dessen Hypothese allmahlich aus der Diskussion. Tod von FEINGOLD Inzwischen hat sich gezeigt, daB etwa ein Drittel der betroffenen Kinder auch im Erwachsenenalter Symptome einer Hyperaktivitatsstorung zeigt. Die Ursache wird nicht mehr bei Zusatzstoffen, auch nicht bei anderen Umweltfaktoren, sondern in einem Gendefekt gesehen [781]. Mit weniger internationaler Beachtung, aber in Deutschland doch mit einer stattlichen Anhangerschaft entnervter Eltern (Phosphat L i p ) , folgte auf FEINGOLD die Mainzer Apothekerin HERTHA HAFER, die aufgrund von Erfahrungen mit ihrem Sohn die Uberzeugung vertrat, Hyper-
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aktivitat hange mit dem Phosphatgehalt der Nahrung zusammen. Sie empfahl eine phosphatreduzierte Kost zur Abschwachung der Symptome. Phosphathaltige Lebensmittel wie Milch, Milchprodukte und bestimmte Getreide, sowie Lebensmittel mit Phosphatzusatzen (Cola-Getranke, Fleischwaren, Schmelzkase, die maximal 10 % zur gesamten Phosphatzufuhr beitragen), sollten ganz gemieden oder reduziert werden [782]. Da Phosphat ein essentieller Nahrungsbestandteil ist und eine phosphatarme oder gar -freie Ernahrung daher nicht befurwortet werden kann, stiel3 die Phosphathypothese bei Erntihrungswissenschaftlern auf groBte Skepsis. Trotzdem wurde von mehreren Arbeitsgruppen die Wirkung unterschiedlicher Phosphatzufuhr auf hyperaktives Verhalten untersucht. Ein eindeutiger Wirkungszusammenhang konnte nicht festgestellt werden. Auch um diese Hypothese ist es in letzter Zeit still geworden. Ebenso konnte die oft geauBerte Vermutung, ein hoher Verzehr von Zucker konne das hyperkinetische Syndrom auslosen oder verstarken, in Untersuchungen, bei denen groBe Mengen von Zucker verabreicht wurden, nicht bestatigt werden [783]. Dafiir sind andere Themen, zuerst in den Vereinigten Staaten, dann auch in Europa, in den Vordergrund getreten, wie die vielfache Chemikalieniiberempfindlichkeit (multiple chemical sensitivity, M C S ) . Es handelt sich dabei um individuell sehr unterschiedlich ausgepragte Beschwerden (Mattigkeit, Kopfschmerzen, Depression, Atemnot, Ubelkeit, Schwindel, Juckreiz, Augenrotung und viele andere), die von den Patienten als Allergie gegenuber Spuren von Chemikalien gesehen werden, auch wenn bei klinischen Untersuchungen weder Anzeichen fur Allergie noch analytisch nachweisbare Chemikalienexpositionen festzustellen sind. Von anderen Patienten werden ahnliche Beschwerden auf die Innenatmosphare am Arbeitsplatz zuruckgefuhrt (sick building syndrome) oder auf Einwirkung elektromagnetischer Felder. Wenn ein anhaltender Erschopfungszustand im Vordergrund der Beschwerden steht, wird auch vom chronischen Mudigkeitssyndrom (chronic fatigue syndrome) gesprochen. Amerikanische Psychologen sprechen vom Syndrom allergic to everything [784] oder allergic to life [785]. Es ist vorgeschlagen worden, alle Beschwerdebilder, die von den Patienten auf Umweltbedingungen zuruckgefiihrt werden, deren Ursache jedoch aus arztlicher Sicht unklar ist, unter der Bezeichnung idiopathische, d. h. ohne erkennbare Ursache entstandene, umweltbezogene Unvertraglichkeit (idiopathic environmental intolerance, IEI) zusammenzufassen. Patienten mit IEI fuhlen sich oft in ihrer Gesundheit so stark beeintrachtigt, daB sie zunehmend weniger in der Lage sind, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Zu sozialen Defiziten kommen haufig wirtschaftliche EinbuBen, wenn der Beruf nicht mehr ausgeubt werden kann. In dem Bestreben, vermuteten giftigen Einflussen aus dem Weg zu gehen, geraten die Patienten zunehmend in eine Isolation und damit in einen nur schwer zu durchbrechenden Teufelskreis der Selbstverstarkung des Krankheitsgefuhls. Behandelnde Arzte befinden sich in einem Dilemma zwischen der offensichtlichen Not der Patienten und dem noch sehr beschrankten Wissen uber das Wesen sagt dazu: ,,Vollig unabhangig von der Frage, dieser Erkrankungen. SUCHENWIRTH ob Ursache oder Begleiterscheinung, sind bei vielen Patienten Symptome des psychosomatischen Formenkreises zu beobachten und sollten entsprechend behanet al. fassen ihre Erfahrungen so zusamdelt werden" [786]. SCHULZE-ROBBECKE men:
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Ernahrung und Gesundheit
..Trot2 umfangreicher diagnostischer Maanahmen finden sich bei Patienten mit umweltbezogenen Gesundheitsstorungen meist keine ausreichenden Hinweise auf eine Verursachung durch Umweltnoxen. Dagegen entsprechen die geauRerten Beschwerden oft den diagnostischen Kriterien anderer Krankheiten, insbesondere psychischer Storungen" [787].
Wie ein Arzneimittel ohne nachweisbare pharmakologische Effekte allein durch den Glauben an seine Wirkung heilsam sein kann (Placebo Effeekt),so kann eine Substanz nur durch den Glauben an ihre giftigen Eigenschaften krankmachende Wirkungen auslosen (Nocebo Effeekt). In beiden Fallen hangt der Glaube an die Wirkung nicht von der tatsachlichen Anwesenheit einer Substanz ab. Der GieBener Pharmakologe HABERMANN beschreibt diese Phanomene unter der Uberschrift ,,Vergiftet ohne Gift" [788]. Der Innsbrucker Sozialmediziner KOFLER spricht von toxikopiebedingten Erkrankungen (Toxikopie= Kopie einer Vergiftung), der Miinchner Allergologe RINGvom ,,Oko-Syndrom". Die erste Beschreibung der multiple chemical sensitivity und ihrer Therapie durch das was er als Klinische Okologie (clinical ecology) bezeichnete, geht auf den Allergologen THERON RANDOLPH in Chicago zuriick, der um 1960 seine Patienten in einen rnit Aluminiumfolie ausgekleideten, mit gefilterter Luft klimatisierten, nur rnit Metallmobeln ausgestatteten Raum plazierte, den er als environmental control unit bezeichnete. In diesem als ,,chemiefrei" erklarten Aufenthaltsraum wurde der Patient dann in einem wochenlangen ProzeB nacheinander mit verschiedenen Mobeln, Kunststoffen, Textilien und Lebensmitteln konfrontiert und seine Reaktion darauf registriert. Ziel war, die Substanzen zu erkennen, gegen die der Patient sensibilisiert war. In der Schulmedizin hat sich die Klinische Okologie bis heute nicht durchgesetzt [789]. Sie kann sich auf Dankschreiben von Patienten berufen, denen sie geholfen hat - aber nicht auf unter kontrollierten Bedingungen durchgefiihrte Untersuchungsreihen, die kritische Wissenschaftler uberzeugt hatten. Wie von LUSTERet al. beschrieben [790], hat die besondere Rolle des als MCS oder IEI oder ,,Krankheit des Jahrhunderts" beschriebenen Syndroms auch etwas rnit der juristischen Praxis in USA zu tun, in der Schadensersatzprozesse eine sehr grol3e Rolle spielen. Nicht wenige dieser Patienten haben ihren Arbeitgeber oder benachbarte Chemiefabriken oder die Hersteller bestimmter Produkte verklagt, denen sie die Schuld fur ihre Erkrankung geben. Einigen sind durch amerikanische Geschworenengerichte erhebliche Schadensersatzsummen zugesprochen worden. Ahnliche Syndrome hat es unter anderer Bezeichnung schon friiher gegeben. Der amerikanische Neurologe G.M. BEARDfiihrte 1869 den Begriff der Neurusthenie ein, um die im ausgehenden 19. Jahrhundert zunehmend als belastend empfundenen Folgen von Urbanisierung und Industrialisierung zu beschreiben, die nach seiner Auffassung einen gegenuber dem Landleben gesteigerten Verbrauch von Nervenkruft rnit sich brachten. Das geschwachte Nervensystem reagiere rnit Kopfschmerz, Schwindel, vorzeitiger Ermiidung und einer Vielzahl wechselnder korperlicher Beschwerden. Der Wiener Psychiater VON KRAFFT-EBING, der wesentlich dazu beitrug, daB BEARDSVorstellungen cine enorme Resonanz in Europa fanden, schrieb 1885: ,,Man sollte meinen. dass der Mensch der modernen Civilisation immer mehr der Gesundheit, dem Gluck, der Zufriedenheit entgegengehe, wie Aufklarung, Bildung, Bequemlichkeit und Genusse eines verfeinerten Culturlebens es zu verburgen scheinen. Leider ist es nicht so. Der
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Wurm, der an der Frucht des Culturlebens nagt und Lebensfreude und Lebensenergie unziihliger Menschen vergiftet, ist die sogenannte Nervositat, ein popularer Ausdruck fur Zustande von Schwache und Erregtheit des Nervensystems" (zitiert nach ROELCKE[791]).
SHORTERS lesenswertes Buch iiber die Geschichte der psychosomatischen Krankheiten 17921 schlagt die Brucke von der Neurasthenie zum Erschopfungssyndrom unserer Tage. Wahrend BEARDdie Ursachen der Neurasthenie mehr in den rasanten technischen Entwicklungen seiner Zeit sah - Fabrikarbeit an Maschinen, erhohte Mobilitat durch Eisenbahn und Dampfschiffe, Informationsfulle durch die Presse, beschleunigte Kommunikation durch die Telegraphie - sieht SHORTER in unserer lockeren, offenen Zeit (anything goes und all is permitted) eine Uberforderung von Frauen und Mannern durch die unabsehbaren Wahlmoglichkeiten, die ihnen zur Verfugung stehen. Keiner der Mediziner, die uber diese Syndrome geschrieben haben, hat bezweifelt, daB es sich bei den Patienten um Kranke handelt, die des Beistands bedurfen. Diskutiert wird, ob die unspezifischen Umweltsyndrome unserer Tage immer, oder manchmal oder nie durch spurenhafte Einwirkung bestimmter Umweltchemikalien verursacht werden. Die erste Moglichkeit kann nach allem, was bisher in der Fachliteratur berichtet wurde, ausgeschlossen werden. Manche Autoren neigen mehr zur zweiten, andere mehr zur dritten Moglichkeit. Im Abschluflbericht einer 1996 in Berlin durchgefiihrten internationalen Arbeitstagung uber IEI [793] wird eine Konzentrierung der Forschung auf die Ermittlung der Natur und Ursachen umweltbezogener Unvertraglichkeiten gefordert. Die Schlusselfrage sei, ob Personen mit IEI in der Lage seien, in placebokontrollierten Doppelblindversuchen zwischen den von ihnen als ursachlich angesehenen Umwelteinfliissen (z. B. Chemikalien) und Placebos zu unterscheiden. Die Fahigkeit zur Unterscheidung wiirde auf eine toxische Ursache hindeuten, andernfalls waren eher seelische Ursachen anzunehmen. Die praktische Durchfuhrung solcher Untersuchungen wird nicht einfach sein, da viele IEI-Patienten, wenn sie den Eindruck haben, an einer chemischen Ursache ihrer Erkrankung werde gezweifelt, den Arzt wechseln.
Die desinformierte Gesellschaft Seit Jahren wird berichtet, wie sehr die Verbraucher in Deutschland iiber die gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel verunsichert sind. Bei einer Allensbach-Studie im Jahre 1980 gaben 47 YO der Befragten an, Angst vor ,,immer mehr chemisch verseuchten Lebensmitteln" zu haben; dieser Angstgrund rangierte an der Spitze aller Angste. Seither durchgefuhrte Befragungen haben immer wieder ein ahnliches Ergebnis gebracht. Reaktionen auf die 1995 durchgefiihrte Befragung werden in Tabelle 9.5 wiedergegeben . An die erste Stelle der angegebenen Angste war jetzt mit 47 % der befurchtete Wohnungseinbruch geruckt. An zweiter Stelle, mit einem Anteil von immer noch 42 %, folgte die Angst vor chemisch verseuchten Lebensmitteln. Das Risiko, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, wurde geringer eingeschatzt. Befurchtungen wegen gesundheitlicher Folgen des
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Ernahrung und Gesundheit
Tabelle 9.5 Ergebnis einer 1997 verOffentlichten Allensbach-Urnfrage nach Angsten deutschen BevOlkerung. Quelle: [794]
in der
Prozentzahl der Ja-Antworten auf die Frage: Kommt es in lerzter Zeit ofrer vor, daG Sie Angst haben vor etwas, was auf dieser Liste" steht ?
DaB bei mir zu Hause eingebrochen wird ~
144%
~~
~
Da13 man immer mehr chernisch verseuchte Lebensmittel zu such nimmt
742
Daa ich unheilbar krank werde, Krebs oder AIDS bekomme
I40
Da8 jemand aus meiner Familie oder gute Freunde Opfer eines Verbrechens werden
I 38
~
_
_
_
DaB ich Opfer einers Verkehrsunfalls werde
I35
Daa mein Einkommen, mein Wohlstand sinkt ~-
Da13 das Trinkwasser hier immer weniger zu genieaen ist DaB ich korperlich zu trage bin, zu wenig Sport treibe -
~~~
I29
23 17
-
DaB das Rauchen auf die Dauer rneinef Gesundheit schadet
15
DaB ich vielleicht zuviel alkoholische GetrEinke trinke
6
*) Die Liste wird hier leicht gekurzt wiedergegeben
Rauchens oder des Alkoholkonsums bewegten sich am unteren Ende der Angsteskala. Wie in Abbildung 9.9 dargestellt, ergab eine 1997 in Kiel durchgefiihrte Verbraucherbefragung bei einem hohen Anteil der Befragtcn Zustimmung zu der Aussage ,,Durch die heutigen Nahrungsmittel werden wir schleichend vergiftet". Eine Studie des Food Marketing Institute, Washington, zeigte in Deutschland ein starkeres MiBtrauen in Nahrungsmittel als in allen anderen EU-Landern (Abbildung 9.10). (Ware diese Untersuchung nach dem belgischen Dioxinskandal vom Fruhjahr 1999 durchgefuhrt worden, hatte sich fur Belgien vermutlich ein hoherer Miljtrauensindex ergeben). Dal3 diese Angste nicht nur ein aus Umfragen resultierendes Kuriosum sind, mogen die beiden folgenden Beispiele zeigen. Eine in Tubingen am Rande landwirtschaftlich gcnutzter Flachen wohnende Arztin beobachtete 1986/87 bei sich und einigcn ihrer Patienten entzundliche Reaktionen der Atemwege, als deren Ursache sie die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durch dortige Landwirte ansah. Nachdem die Arztin im Juli 1987 das zustandige Gesundhcitsamt informiert hatte, nahmen sich die Medien der Sache an. Die lokale Presse warnte die Tubinger und berichtete immer wieder uber neue Erkrankungsfalle. Das Umwelt-Magazin OKOTEST erstattete bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Verdachts fahrlassiger Totung und Korperverletzung (21. Juli 1987). BILD brachte am 24. Juli die Schlagzeile: ,,Tubingen - Felder gespritzt - Frau tot - 30 vergiftet". Vom ortlichen Gesundheitsamt bis zu den Ministerien wurden alle Instanzen zur Aufklarung der seltsamen Erkrankungswelle eingeschaltet. Der Landtag beschaftigte sich nach zwei dringenden Anfragen mit der Angelegenheit. Untersuchungcn an den Betroffenen und an Bodenproben lieferten keine auBerhalb des Ublichen liegenden Werte und keine Hinweise auf toxische oder allergische Reaktionen. Die Zahl der Patienten erreichte einen Hohepunkt, nachdem das FernsehmaALT am 26. April 1988 mit Vorstellung von Erkrankten gazin Report unter Leitung von FRANZ sensationell berichtet hatte. Im Juliheft 1988 produzierte OKOTEST noch die furchterregende,
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"Durch die heutigen Nahrungsmittel werden wir schleichend vergiftet" %
I
ZUSTlMMUNG
ABLEHNUNG
34
6
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Abbildung 9.9 Ein hoher Anteil der Bevolkerung glaubt, durch das heutige Nahrungsmittelangebot ,,schleichend vergiftet" zu werden. Ergebnis einer 1997 durch das Institut fur Agrarokonomie der Universitat Kiel durchgefiihrten Verbraucherbefragung. Quelle: [795].
Mifltrauen in Nahrungsmittel 1995 lnternationaler Vergleich
-
-
YiL)tnu~nrlnd*x( Europe Insp*ramr = 100 1
Oeutschland Osterreich Griechenland
143 136 112 109 103 100 100 100 97
USA
Norwegen EUROPA insgesamt
Italien Luxemburg Frankreich Niederlande Schweden
94 94
0
20.
40
60
80
100
120
140
160
Abbildung 9.10: Hochstes MiBtrauen gegeniiber Lebensmitteln in Deutschland. Den Teilnehmern wurde die Frage gestellt: Jnwieweit haben Sie Vertrauen in die Sicherheit unserer Nahrungsmittel? Wurden Sie sagen, daB Sie volliges Vertrauen, iiberwiegend Vertrauen, etwas Zweifel oder starke Zweifel haben?" Die Antworten wurden zu einem MiBtrauensindex rnit dern Europamittelwert = 100 zusammengefaat. Quelle: Food Marketing Institute, Washington 1995, nach [795].
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Ernahrung und Gesundheit
suggestive Uberschrift ,,66 Pestizid-Vergiftungsfalleim Raum Tiibingen 64 Patienten leben noch". Dann wurde es ganz plotzlich still um die Tubinger Krankheit. Die,,Arztin hatte ihre Praxis aufgegeben und fern von Tiibingen eine neue Tatigkeit angenommen. Uber neue Falle wurde seither nichts mehr bekannt. Der emeritierte Tubinger Toxikologe REMMERhat iiber die ganze Episode berichtet [796]. Zur gleichen Kategorie wie die Tiibinger Krankheit gehort wohl der Ausbruch der .,CocaCola-Vergiftungen" in Belgien. Am 26. Juni 1999 wurden Kinder einer Schulklasse, die CocaCola getrunken hatten, von Ubelkeit, Kopfschmerzen, Herzklopfen und Erschopfung befallen. Sie wurden in ein Krankenhaus gebracht und grundlich untersucht. Weder die klinische Untersuchung noch die Laborwerte ergaben ungewohnliche Befunde. Nach kurzer Beobachtungszeit konnten alle Kinder beschwerdefrei nachhause entlassen werden. Die Medien berichteten von dem Ereignis in dramatisierender Weise und in den folgenden Tagen kam es zu ahnlichen Phiinomenen in einzelnen Schulklassen in ganz Belgien. Sofort veranlaBte Analysen zeigten Spuren eines Fungizids an der AuRenseite von Coca-Cola-Dosen, die auf impragnierten Holzpaletten gestanden hatten. Vertreter der Firma aul3erten Vermutungen, die bei der Herstellung verwendete Kohlenslure konne Verunreinigungen enthalten haben. Nach Ansicht der zugezogenen Toxikologen lagen die gemessenen Spuren von Verunreinigungen weit unter den Konzentrationen, die akute Erkrankungen zur Folge gehabt haben konnten. Um die erregte Offentlichkeit zu beruhigen, nahm Coca-Cola in Belgien, Nordfrankreich und in den Niederlanden 14 Millionen Kisten des Getranks aus dem Handel und lieB den Inhalt in Abwasserkanale flieBen. Beteiligte arztliche Berater bezeichneten die in einer durch tagliche Berichte iiber BSE-Rindfleisch und den Dioxinskandal verunsicherten Bevolkerung ausgebrochenen Erkrankungen als mass sociogmic illness (MSI) [797]. Fruher hatte man wohl von Massenhysterie gesprochen.
Welche Risiken sind tatsachlich mit der Ernahrung verbunden? Welche sind wichtig, welche unbedeutend? Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt sich die in der oberen Halfte von Tabelle 9.6 dargestellte Reihenfolge [66]. An erster Stelle steht das durch falsches Ernahrungsverhalten gegebene Risiko. Hier ist vor allem die Uberernahrung mit ihren vorher erwahnten, vielfaltigen negativen Folgen zu nennen. Aber das ist nicht die einzige Art der Fehlernahrung. Auch Alkoholabusus, einseitige Kost, Anorexie4' und unvernunftige Modediaten konnen zu schweren Gesundheitsschaden fiihren. An zweiter Stelle der Ernahrungsrisiken stehen die durch Lebensmittel ubertragenen mikrobiellen Infektionen und Intoxikationen. Wie der Ernuhrungsbericht 1996 (S. 187) ausweist, werden pro Jahr um 200000 Erkrankungsfalle durch Enteritis infectiosa gemeldet, mit einigen hundert Toten. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer von ungemeldeten Fallen. In mindestens 3/4 dieser Erkrankungsfalle erfolgt die Ubertragung durch Lebensmittel. Auch die Wirkung der dritten Risikogruppe, der naturlichen Giftstoffe, lafit sich durch Todesfalle (z. B. nach Verzehr von Giftpilzen) belegen. Andere Risiken durch potentiell toxische Naturstoffe, z. B. marine Toxine, wurden in Kap. 7 beschrieben. Auf sehr vie1 unsichererem Terrain bewegen wir uns, wenn wir von moglichen gesundheitlichen Folgen des Vorhandenseins von Umweltkontaminanten in Lebensmitteln sprechen. In der Vergangenheit gab es Bleivergiftungen durch Aufbewahrung saurer Speisen in keramischem Geschirr mit bleilassiger Innenglasur und andere in Kap. 1 beschriebene Intoxikationen. In neuerer Zeit sind dagegen keine schwerwiegenden Falle von Gesundheitsschadigungen durch chemische
41
Anorexia nervosa, durch extremen Gewichtsverlust und Furcht vor Gewichtszunahme charakterisierte Magersucht. die in etwa 10 YOder Falle einen tfidlichen Ausgang nimmt. Tritt fast nur bei jungen Frauen auf
Die desinformierte Gesellschaft
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r i i e i i 96: Wichtigkeit von Ernahrungsrisiken in absteigender Reihenfolge 1661
I Aus der Sicht der Wissenschaft:
I
1. Ernahrungsverhalten
1
2. Pathogene Mikroorganisman
I
3. Natiirliche Giftstoffe
I I I
4. Umweltkontaminanten
5. Zusatzstoffe Aus der Sicht von Laien:
1. Umweltkontaminanten 2. Zusatzstoffe
I
3. Ernlhrungsverhalten
I
4. Pathogene Mikroorganisrnen
5. Naturliche Giftstoffe
Ruckstande oder Kontaminanten in Lebensmitteln des deutschen Marktes registriert worden. Wie weiter oben dargelegt, ergeben sich auch aus der Krebsstatistik oder aus anderen Gesundheitsindikatoren keine Hinweise auf chronische Schadwirkungen durch ,,Chemie in Lebensmitteln". Zweifellos an letzter Stelle ist das Risiko durch Zusatzstoffe einzustufen. In den 50er Jahren gab es noch Todesfalle durch versehentlich zu hohen Zusatz von Nitrit zu Wurstbrat. In den letzten Jahrzehnten gab es keine derartigen Vorfalle. Paradoxerweise wird die Bedeutung der verschiedenen Ernahrungsrisiken in der offentlichen Diskussion ganz anders bewertet als in der Wissenschaft. Seit Tabelle 9.6 im Jahre 1982 erstmals veroffentlicht wurde, hat sich an der Risikoeinschatzung durch Laien, wie Befragungen zeigen, nicht vie1 geandert. Das Vorkommen von Umweltkontaminanten in Lebensmitteln und die Verwendung von Zusatzstoffen werden in den Medien, in Grol3en Anfragen im Bundestag und in den Informationsbroschuren von Verbraucherorganisationen immer noch als Gesundheitsrisiken erster Ordnung dargestellt. Nach der Zahl der diesem Thema gewidmeten Medienberichte zu urteilen miiBte man derzeit auch den (angeblich) durch genmanipulierte Lebensmittel drohenden Gefahren einen vorderen Platz in dieser Skala einraumen. Die durch falsches Ernahrungsverhalten bedingten Risiken verdrangt man gern; davon ist seltener die Rede. Salmonellen und andere krankheitserregende Mikroorganismen in Lebensmitteln finden kurzlebiges Interesse, wenn gerade wieder einmal uber einen Salmonelloseausbruch bei den Gasten einer Betriebskantine oder in einem Altersheim zu berichten war. Am wenigsten gefiirchtet sind die durch toxische Naturstoffe in Lebensmitteln bedingten Risiken; die Moglichkeit von Vergiftungen durch Solanin in Kartoffeln, Proteaseinhibitoren und Lectine in rohen Leguminosen oder Aflatoxin in Niissen und vielen anderen Lebensmitteln ist weitgehend unbekannt oder wird mehr als Kuriosum denn als ernstzunehmendes Risiko gesehen.
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Ernahrung und Gesundheit
Auf die Diskrepanz z wischen wissenschaftlicher und Laienrneinung ist wiederholt hingewiesen worden [16, 798, 7991. In Kap. 3 wurde im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmittelruckstanden aus verschiedenen Ernahrungsberichten der D G E zitiert, die den Widerspruch zwischen den Angsten der Verbraucher und den tatsachlich sehr geringen Ruckstandsgehalten der Lebensmittel erwahnt haben. Das Echo auf diese Versuche von wissenschaftlicher Seite, der Desinformation entgegenzuwirken, war gleich Null. Entwarnungen interessieren nicht. Auch in neuerer Zeit wird der Widerspruch zwischen steigender Lebensmittelsicherheit und -qualitat einerseits und wachsender Lebensmittelangst andererseits konstatiert [SO01 - eine Angst, die durch Presseberichte und Bucher rnit Titeln wie ,,Gift im Kochtopf", ,,Eisbein mit Sauerkraut und Gift", ,,Was wir alles schlucken" oder ,,IR und stirb" immer wieder geschurt wird. Im Fernsehen heiljen die entsprechenden Sendungen ,,Aus dem Labor frisch auf den Tisch" oder ,,Essen und Kotzen in Deutschland". An der Desinformation sind nicht nur Journalisten, sondern auch manche Wissenschaftler, Politiker und viele andere beteiligt. Die heutige Medienwelt begunstigt schlechte und benachteiligt oder ignoriert gute Nachrichten. Ein Politiker, Regierungsbeamter oder Wissenschaftler, der auf eine Gesundheitsgefahr hinweist, riskiert nichts. Erweist sich seine Warnung als berechtigt, steht er gut da, erweist sie sich als unbegrundet, gilt er als vorsichtig. Wer es dagegen wagt, die Existenz einer Gefahr zu verneinen, riskiert viel. Hat er sich getauscht, so ist er politisch und beruflich erledigt. War seine Entwarnung berechtigt, so wird ihm dies nichts einbringen, denn viele werden ihm einfach nicht glauben. Es muB immer wieder gesagt werden: Die Nichtexistenzeines Risikos rapt sich nicht beweisen. Wer entwarnt, wird schnell zum ,,Verharmloser" oder ,,Vertuscher" gestempelt, politischer Motive verdachtigt oder der Abhangigkeit von Industrieinteressen bezichtigt. Ein konkretes Beispiel ist der Umgang mit Professor HANS-GEORG WOLTERS, der sieben Jahre lang Staatssekretar im Bundesgesundheitsministerium war. Als 1980 die Erregung in der Offentlichkeit uber Hormonruckstande in Kalbfleisch hohe Wellen schlug, sagte er Pressevertretern, die Verwendung von Hormonen als Masthilfsmittel sei verboten und es werde alles getan, um die Einhaltung dieses Verbots zu erzwingen. Er versicherte jedoch zugleich, daB durch die festgestellten VerstoRe keine Gefahr fur die Verbraucher drohe. E r selbst wurde nicht zogern, seinen Kindern Kalbfleisch zu essen zu geben, das die gelegentlich meljbaren Spuren von Hormonruckstanden enthalte. Ein Aufschrei ging durch Politik und Medien. Obwohl sich WOLTERS,selbst Facharzt fur Innere Medizin rnit langjahriger klinischer Erfahrung, mit seiner Aussage auf das Urteil namhafter Toxikologen stutzen konnte, muljte er innerhalb von Tagen seinen Hut nehmen. Andererseits lieBen sich beliebig viele Beispiele dafur nennen, daB die Urheber unberechtigter Katastrophenszenarien vollig ungeschoren bleiben. Die Methoden der Desinformation sind immer wieder die gleichen. Ausgesprochene Falschaussagen werden im allgemeinen vermieden, man bedient sich vielmehr der Halbwahrheiten. Zum Verstandnis und zur Beurteilung einer Situation wichtige Tatsachen werden weggelassen. Dies sei an wenigen Beispielen illustriert. Um zu zeigen, daB die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Krebssterblichkeit international an der Spitze stehe, hat der Autor des Buches ,,Krebswelt" [14] eine Grafik gebracht in der er einfach diejenigen Lander wegge-
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lassen hat, in denen die Krebssterblichkeit hoher lag als in Deutschland [66]. UDO POLLMER, Mitautor des Buches ,,Irj und stirb" [13], schreibt in der Zeitschrift OKUTEST 7/1987 nach Schilderung angeblicher Zusatzstoffprobleme im Ausland: ,,Aber auch in der Bundesrepublik ereignen sich immer wieder Zusatzstoffskandale. Erinnert sei.... an das Bleichen von Mehl mit Nitrosylchlorid. DaB dies schadlich ist, fie1 erst auf, als Hundebesitzer nach Verfiitterung von Brot und Kuchen Epilepsie bei ihren Lieblingen beobachten muRten. Der Klassiker der deutschen Zusatzstoff-Fiasken ist aber immer noch der ButtergelbSkandal".
Der Autor, ein Lieblingsgast bei deutschen Fernsehsendern und beliebter Redner bei Volksbildungsveranstaltungen aller Art, ,,vergaB" zu erwahnen, darj es sich in beiden Fallen um Ereignisse Iangst vergangener Zeiten handelt. Die Verwendung von Buttergelb wurde in Deutschland 1938 verboten, die Mehlbleichung durch Nitrosylchlorid und ahnliche Mittel 1956. Die Uberbetonung angeblicher Gefahren hat auch etwas mit der heutigen wirtschaftlichen Situation der Forschung zu tun. Institutsdirektoren oder andere leitende Wissenschaftler hatten fruher einen Etat, aus dem sie Aufwendungen fur die Forschung nach eigenem Gutdunken bestreiten konnten. Heute reichen die Etatmittel oft kaum fur Schreibpapier und Briefmarken; Forschungsgelder mussen bei Forderinstitutionen beantragt werden. Ein Antrag, in dem auf ein vermutetes Gesundheitsproblem hingewiesen wird, das der Prufung bedurfe, ein Antrag in dem etwas dramatisiert wird, hat meist bessere Aussichten auf Genehmigung als eine praxisfern erscheinende nuchterne Begrundung. Zustandig fur die Information der Offentlichkeit uber Themen der Forschung sind zahlreiche Pressestellen der Forschungszentren, Universitaten, Ministerien, Forderinstitutionen usw. Wenn deren Pressemitteilungen eine Chance haben sollen, von den Medien beachtet zu werden, mussen auch sie etwas dramatisieren. Und in den Redaktionen der Medien wird haufig im Interesse von Auflagenhohe oder Einschaltquote die Dramatisierung nochmals gesteigert. Aus der Aurjerung eines Professors, diese oder jene Frage sei dringend zu klaren, wird schlierjlich in den Medien die Schlagzeile: ,,Wissenschaftler warnt - immer mehr Gift". Oft genug sind es Journalisten, die diese Zustande beklagen. HANSSCHUHschrieb in der ZEZT vom 12. September 1991: ,,Kein Wunder, wenn sich beim Laien, der standig rnit Pressemeldungen iiber ,bedenkliche Grenzwertiiberschreitungen' in der Luft, im Wasser und in der Nahrung konfrontiert wird, der Eindruck verfestigt, unsere Umwelt sei in beangstigendem MaBe verseucht. Immer wieder werden Gefahren an die Wand gemalt, die jeder Grundlage entbehren."
RYSZARD KAPUSCINSKI, weltweit renommierter polnischer Journalist, schreibt in der FRANKFURTER A LLGEMEZNEN vom 13.Februar 1999: ,,Der Wert einer Information bemillt sich nicht an ihrer Wahrheit, sondern an ihrer Attraktivitat. Sie mu13 sich vor allem anderen gut verkaufen. Die wahrhaftigste Information hat keinen Wert, sofern sie nicht attraktiv ist und entsprechende Anziehungskraft auf ein zunehmend gelangweiltes und launisches Publikum auszuilben vermag .... Seit man entdeckt hat, dall Information eine Ware ist, mit der sich Geld machen la& sind die traditionellen Kriterien ,wahr' und ,verlogen' nicht mehr wichtig".
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Dies scheint uberall in der Welt zu gelten. Sehr deutsch ist dagegen das Phanomen des Gesinnungsjournalismus. Wie es der Journalist BURKHARD MULLER-ULLRICH beschreibt, dienen Nachrichten in Deutschland heutzutage hauptsachlich als Vehikel der Emporung. Mit Nachrichten wird Betroffenheit verlangt, werden ,,Wut und Trauer" stimuliert. ,,Gesinnungsjournalisten verstehen sich als Vorkampfer des Guten in einer bosen Welt. Deshalb stol3en sie bestandig Warnungen vor angeblich drohenden MiBstanden oder Katastrophen aus" [801]. Eine besondere Sorte von Wissenschaftlern mu13 hier auch noch erwahnt werden. Ihre Zahl ist klein, aber ihre Wirkung in der Offentlichkeit ist groB. Sie sind die besonderen Lieblinge der Medien, ganz besonders des Fernsehens. Nach MEINRADSCHAR ( N E U E Z U R C H E R Z E I T U N G vom 13. Juli 1988) hat ein Naturwissenschaftler, der nicht gerade einen Nobelpreis erhalten hat oder Menschenleben auf neue Weise retten konnte, wenig Chancen, uber den relativ kleinen Kreis seiner Fachkollegen hinaus bekannt zu werden. Wer sich in den Massenmedien profilieren wolle, musse vollig unorthodoxe Ansichten vertreten, die im radikalen Widerspruch mit muhsam erarbeiteter wissenschaftlicher Erkenntnis stehen. Wer sofort beruhmt werden wolle, nehme sich vorzugsweise ein Thema vor, das mit Angst gekoppelt sei. .,Dabei ist es wichtig, die genau entgegengesetzte Ansicht des wissenschaftlichen ,Establishments' zu vertreten .....Es hilft auch sehr. die Rolle des Martyrers zu spielen, der es anscheinend als einziger wagt, die sonst von boswilligen Kraften unterdruckte ,Wahrheit' zu propagieren. Jedenfalls kann sicher damit gerechnet werden, dalj die Massenmedien (und ihre Konsumenten) der komplizierten Wahrheit stets eine einfache Luge vorziehen."
Beteiligt an der Falschinformation der Offentlichkeit sind auch Funktionare von Verbraucherorganisationen und Okoinstituten aller Art, die glauben, ubertreiben zu mussen, um etwas zu bewegen, und die umso mehr Spendengelder und staatliche Unterstutzung erhalten, je mehr sie schwarzmalen. Die Liste der Katastrophenapostel lie13e sich fast beliebig verlangern. Vor einiger Zeit zitierte der SPIEG E L den Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit der Aul3erung: ,,Es ist damit zu rechnen, daB in den nachsten eineinhalb Jahrzehnten vor uns ein Tumorgebirge entstehen wird." (Eine Anfrage beim DGB, worauf diese Vorhersage beruhe, blieb unbeantwortet). Als Quelle der Verunsicherung miissen auch manche lndustriefirmen bezeichnet werden. Betriebe, die in der Hoffnung, dadurch Marktanteile zu gewinnen. auf ihre Produkte FREI VON KONSERVIERUNGSMITTELN schreiben, verstarken die Meinung, solche Mittel seien gesundheitsschadlich. Die deutsche Brauindustrie, die jahrelang gegen die Zulassung auslandischer, nicht dem Reinheitsgebot entsprechender Biere auf dem deutschen Markt mit dem Argument gekampft hat, die auslandischen Biere enthielten Zusatzstoffe, seien ,,Chemiebier", hat vie1 dazu beigetragen, Zusatzstoffe in Verruf zu bringen. Reformkost- und Okoprodukte-Industrie leben zum Teil von dem durch sie geschurten Verdacht, die Produkte der nicht zu dieser Branche gehorenden Erzeuger seien weniger gesund. Eine weitere Ursache fur die allgemeine Verunsicherung sind die widerspruchlichen Ratschlage, die im Rahmen der Verbraucherberatung erteilt werden [479]. Einerseits heiBt es, man konne ganz beruhigt sein, es bestehe keine Gefahr, andererseits wird gewarnt oder zu bestimmten Verhaltensweisen geraten, durch die
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man sich vor Schaden schutzen konne. Das mul3 verwirren. Wie ein roter Faden zieht sich durch die von den vier Ernahrungberichten 1984 bis 1996 abgedeckte Zeit von 16 Jahren die Erkenntnis, eine Gefahrdung des Verbrauchers durch Ruckstande und Kontaminanten bestehe nicht, sei nicht zu erkennen, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen - und zugleich die Feststellung, in der Offentlichkeit herrschten uber die gesundheitliche Qualitat der Lebensmittel Unkenntnis, Vorurteile, falsche Vorstellungen. Andererseits werden die Verbraucher in Deutschland wie in keinem anderen Land der Welt immer wieder zur Vorsicht gemahnt und vor irgendwelchen Gefahren in der Nahrung gewarnt: Hochstens 250 g Wildpilze pro Woche essen, denn die reichern Cadmium und Quecksilber an. Hochstens alle 2-3 Wochen Innereien verzehren, denn die konnen vie1 Cadmium enthalten. Obst nicht nur waschen sondern auch schalen, bei Salat und Kohlkopfen die auBeren Blatter entfernen, denn auf Schale und AuBenblattern sitzen Blei und Pestizidruckstande. Gepokeltes Fleisch nicht erhitzen, denn dabei bilden sich Nitrosamine. Gemuse blanchieren und das Blanchierwasser weggieBen, Gemusestengel und Blattrippen herausschneiden, denn so kann man seine Nitratbelastung reduzieren - und so weiter. Meist munden diese Ratschlage in die Empfehlung, Lebensmittel aus kontrolliert okologischem Anbau zu kaufen, da man so seine Schadstoffbelastung verringern konne. Warnungen dieser Art entsprachen den in den 1970er Jahren auch unter Wissenschaftlern weit verbreiteten Befurchtungen uber eine weltweite gesundheitsbedrohende Kontamination der Lebensmittel. Damals waren aus Japan alarmierende Informationen uber die quecksilberbedingte Minamata-Krankheit und die durch cadmiumkontaminierten Reis verursachte Itai-Itai-Krankheit gekommen. Nach den im Erniihrungsbericht 1976 veroffentlichten Zahlen war in der Bundesrepublik Deutschland die nach F A O N H O duldbare Blei- und Cadmiumzufuhr uberschritten (Kap. 4). Die Konzentration chlororganischer Pflanzenschutzmittelruckstande in Frauenmilch erreichte so hohe Werte, da13 bei Brustkindern die nach FAOlWHO duldbare Zufuhr zum Teil um ein Mehrfaches uberschritten wurde, so im Falle des Dieldrins, Gesamt-DDTs und Hexachlorbenzols (Kap. 3). In Lebensmitteln wurden Nitrosamine (Kap. 5 ) und Mycotoxine (Kap. 7) entdeckt, die sich in Tierversuchen als hochgradig kanzerogen erwiesen hatten. All das gab AnlaB zu Besorgnis und zur Verstarkung der amtlichen Lebensmitteluberwachung und der Forschung auf dem Gebiet der Lebensmittel- und Ernahrungswissenschaften; es bestand aber schon damals Grund, auf die bereits erzielten Verbesserungen hinzuweisen und gegen die in den Medien ubliche Dramatisierung der Situation Stellung zu beziehen [16, 798, 8021. Wer heute noch die vor 20 Jahren formulierten Warnungen und Empfehlungen zur Schadstoffminimierung wiederholt, hat nicht zur Kenntnis genommen, dal3 sich die Einschatzung der Risiken seither aus mehreren Grunden vollig geandert hat, wie in vorangegangenen Kapiteln dargelegt wurde. Zur Verunsicherung der Verbraucher tragt bei, wenn der Gehalt von Spuren einer Substanz in Lebensmitteln auch dann, wenn die Konzentration weit unter der Bedenklichkeitsgrenze liegt, als Belastung dieses Lebensmittels und der Verzehr dieses Lebensmittels als Belastung des Verbrauchers beschrieben wird. Der Verwendung dieses Begriffs fur mit der Nahrung aufgenommene Substanzen begegnet man in der alteren Literatur nicht. Er kam mit den Sorgen um die Umweltverschmutzung in den 70er
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Jahren auf und wurde im Zusammenhang mit der erhohten Radioaktivitat nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bis zum ExzeB verwendet. In Berichten mancher deutschen Behorden, Forschungsinstitute und Verbraucherorganisationen ist seither kaum je von Nitratgehalten in Gemuse, Quecksilbergehalten in Fischen oder Ruckstandsgehalten in Lebensmitteln die Rede. Stattdessen heifit es Nitratbelastung, Quecksilberbelastung, Ruckstandsbelastung usw. Die inflationare Verwendung dieses Begriffs, dem immer etwas Negatives anhaftet, erweist sich im Vergleich mit anderen Landern als ein vor allem deutsches Phanomen4'. Im Englischen spricht niemand von einer nitrate burden des Gemuses. Stattdessen heirjt es nitrate level oder content oder concentration. Auch im deutschen Sprachbereich gibt es Unterschiede in der Terminologie, wie folgendes Beispiel zeigen moge. Der jahrliche Bericht des Bundesministeriums fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit uber den Stand der Umweltradioaktivitat heirjt ,,Urnweltradioaktivitat und Strahlenbelastung". In der Schweiz heiBt der entsprechende Bericht des Bundesamtes fur Gesundheitswesen ,,Umweltradioaktivitat und Strahlendosen in der Schweiz". Auch im Text des schweizerischen Berichtes ist konsequent von Strahlendosis oder Strahlenexposition, nie von Strahlenbelastung die Rede. Sobald die breite Offentlichkeit uber eine Befastung informiert wird, folgt die Frage, was denn die Bundesregierung (oder der Minister X oder die Behorde Y) gegen diese Belastung unternehme. Bis zum Erlalj einer weiteren uberflussigen Verordnung ist es dann nur noch ein Schritt. Der Ausdruck sollte vermieden werden, wenn eine gesundheitsgefahrdende Exposition nicht gemeint ist. Zur Angstnomenklatur gehort auch der Ausdruck verseucht fur Lebensmittel mit einem Gehalt an chemischen Ruckstanden oder Kontaminanten. Fruher verstand man unter Seuchen weit verbreitete infektiose Krankheiten. Statt von chemisch oder radioaktiv kontaminierten oder verunreinigten Lebensmitteln zu sprechen, haben die Massenmedien in den 80er Jahren den Begriff ,,chemisch verseucht" und ~ a d i o a k t i vverseucht" erfunden. In die gleiche Kategorie von Sprachmanipulation gehort der Begriff ,,verstrahlt" fur Lebensmittel, in denen eine bestimmte Radioaktivitat gemessen wurde.
Kein Grund, die Hande in den SchoB zu legen Wer vielleicht aus dem bisher Gesagten den SchluS ziehen sollte, es gebe keine groSen Probleme mehr mit der gesundheitlichen Qualitat der Lebensmittel, man konne daher die Anstrengungen (vor allem die Kosten!) auf dem Gebiet der Lebensmittelkontrolle und -forschung reduzieren, hat den Verfasser miherstanden. Die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Standards und Normen muS kontrolliert werden, Einflusse von Verarbeitungs-, Lagerungs-, Verpackungs- und
'' Einen interessanten Blick von auRen auf die deutsche Rhetorik der Angst, die von der Umweltund Friedensbewegung gepflegt wurde und die viele Spuren hinterlassen hat. bietet der franzo[803] sische Ethnologe GAUDARD
Kein Grund, die Hande in den Schofi zu legen
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Zubereitungsbedingungen auf die Lebensmittel mussen weiter erforscht werden, ebenso die Wirkung von Lebensmitteln - roh oder verarbeitet, nach traditionellen oder neuen (novel foods) Methoden erzeugt - auf die Gesundheit des Menschen. Das zu erwartende Vordringen der in Kap. 8 beschriebenen funktionellen Lebensmittel und der damit zusammenhangenden gesundheitsbezogenen Werbung bedarf als Gegengewicht einer starken industrieunabhangigen Lebensmittel- und Ernahrungsforschung, die in der Lage ist, sich fachkundig zum Wahrheitsgehalt der Werbebehauptungen zu aul3ern. Die in neuerer Zeit intensivierte Erforschung nichtessentieller bioaktiver Nahrungsbestandteile steht noch am Beginn einer vielversprechenden Entwicklung (Kap. 7). Auch die Erforschung der Zusammenhange zwischen Emahrung und Immunkompetenz befindet sich noch in der Anfangsphase. Die Bemuhungen zur Klarung der Krebsursachen erfordern eine weitere Verbesserung der Kenntnisse iiber krebsfordernde und krebshemmende Wirkungen der Lebensmittel und ihrer Inhaltsstoffe. Ebenso wichtig sind die Arbeiten uber die Rolle von Ernahrungsgewohnheiten bei der Entstehung von Herzkreislauf-Erkrankungen. Mit VerstoOen gegen Vorschriften (aus Unkenntnis oder auch mit Absicht) und mit kriminellen Machenschaften muO, wie auf jedem Gebiet menschlicher Tatigkeit, auch im Bereich von Lebensmittelproduktion und -handel standig gerechnet werden. Eines der traurigsten Beispiele dafiir ist die Spanische t)lkatastrophe. Viele tausend Spanier erkrankten 1981 und mehrere Hundert starben an den Folgen des Verzehrs von mit Anilin denaturiertem Rapsol, das in betriigerischer Absicht als billiges Olivenol verkauft wurde [804]. Am Ende eines langjahrigen Prozesses entschied der Oberste Gerichtshof Spaniens im Oktober 1997, dal3 die Regierung Entschadigungen an etwa 30000 Opfer dieses im europaischen Raum folgenschwersten Lebensmittelskandals des Jahrhunderts zahlen mul3. Ebenfalls folgenschwer war die im Marz 1986 in Italien aufgedeckte Verfiilschung uon Wein durch Methanalzusatz, die 24 Todesopfer kostete und elf Menschen erblinden liek Die im Juli 1985 bekanntgewordene Weinpanscherei rnit Diethylenglycol in Osterreich hat wahrscheinlich keine Gesundheitsschaden verursacht. Nichtsdesto-
Abb. 9.11: Der belgische Dioxinskandal inspirierte Basilius Mitropoulos zu dieser Darstellung in der FAZ vom 24. Juni 1999. (Mit freundlicher Genehmigung der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG).
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weniger handelte es sich um einen ublen Fall von Verbrauchertauschung. Im Fruhjahr 1999 hat der belgische Dioxinskandal Schlagzeilen gemacht. Standige Wachsamkeit der Lebensmitteluberwachung, Einsatz hochqualifizierten Personals und moderner Ausrustung in den Laboratorien der Uberwachungsbehorden sind erforderlich, um kriminelle Manipulationen zu entdecken und zu unterbinden. Europaisierung und Globalisierung des Futtermittel- und des Lebensmittelmarktes haben diese Aufgabe nicht leichter gemacht. In den vorangegangenen Kapiteln sind immer wieder Beispiele dafur genannt worden, da13 die Anwesenheit unerwunschter Stoffe in Lebensmitteln durch hochste Perfektion der analytischen Nachweismethoden erkannt wurde. In diesem Sinne wollen wir die Lupe in der Hand des Lebensmittelkontrolleurs (Abbildung 9.11) als Symbol fur das hocheffiziente Instrumentarium sehen, das heute den Uberwachungsbehorden zur Verfugung steht, um den Verbraucher vor kriminellen Machenschaften zu schiitzen.Wenn potentielle Tater durch irgend etwas von Lebensmittelfalschungen abgehalten werden konnen, dann durch den Respekt vor den uberlegenen analytischen Fahigkeiten von Kontrolleuren, die (fast) jedem Falscher auf die Spur kommen.
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Sachregister Kursiv gedruckte Seitenzahl: Chemische Formel oder Reaktionsgleichung Seitenzahl (T): Tabelle Seitenzahl (A): Abbildung
A Acceptable daily intake (ADI) 21 f, 27(T), 29(A), 243(T) Acesulfam K (E 950) 238,239(A), 244 Adrenalin I99 Aflatoxin-Verordnung 205 Aflatoxine 17,67,203f, 205,206(A) Agaritin in Zuchtchampignons 197 beta-Agonisten 83,85 Agrarproduktion und Bevolkerungswachstum 252f, 253(A) Akarizide 46 Akute Toxizitat 16f, 18(T) Alar-Affare 73 Alkoholembryopathie 209 Alkoholismus 209f, 256,278 Alkoholkonsum 210(T), 211(T), 212(A) gesundheitsfordernde Wirkungen 212 gesundheitsschadliche Wirkungen 209f Allergie Haufigkeit 6,266f IgE-Bildung 268(A) Prufung auf allergene Wirksamkeit 25 Nahrungsmittel- 267,270
Nickel- 122 Pseudo- 268 versteckte Allergene 270 Zusatzstoff- 232, 236,268f Altern des Menschen 165,217 Aluminium 119 Alzheimersche Krankheit 119 Ames-Test 19 D-Aminosauren 171f Amitraz (Insektizid) 51(T) Amnesic Shellfish Poisoning 221 Amygdalin 186,187 Amyotrophische Lateralsklerose 197 Anabolika 82f, 280 Anamie durch Folsauremangel 249 Anaphylaktischer Schock 267 Angelicin 195,196 Angstkranke 271 Angstursachen 276(T) Annatto (E 160b) 242 Anorexie 278 Anthrachinone 197 Antibiotika 78,79(T), 81f Antioxidantien als Lebensmittelzusatzstoffe 223, 262 in der Nahrung 217f, 262 in Kunststoffen 93 Antiparasitika 79(T), 81(T), 82
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Sach register
Antoniusfeuer 201 Apfel 56, 73, 216, 267 Arbeitsunfahigkeitstage 257(T) Aromastoffe der Maillardreaktion 165,166,227 Aromastoffe, natiirliche 196 Arsen 5,41 120 Aspartam (E 951) 238,239(A), 244 Asthma 267,271 Atopisches Ekzem 267 Azinphos-ethyl (Insektizid) 49, 51m
B Babykost, Pflanzenschutzmittelruckstande in 72 BADGE (Bisphenol-A-diglycidylether) 94 Balkannephritis 207 Ballaststoffe 214f Belastung, Miljbrauch des Begriffs 155,283 Benz(a)pyren 125f, 126(A) Benzoesaure (E 210-219) 230,242, 243(T), 269 Beriberi 163 Beruhigungsmittel 82 Bias in epidemiologischen Studien 37 Bier D-Aminosauren 173 Konsum 209 Monohalogenessigsaure 93 Ochratoxin A 206 Quebecer Biertrinkermyokardose 121 Reinheitsgebot 93, 282 ,,Bio-Bluff" 76 Bioaktive Substanzen 181f Biogene Amine 199,220 Biomarker-Untersuchungen 23,38, 128,217 Biozide 40 Biphenyl (E 230) 229(T), 230 Bittermandelol 186 Blausaurehaltige Glycoside 186 Blauschonung von Wein 237
Blei historische Schadlingsbekampfung 41 in Lebensmitteln 96f in geloteten WeiOblechdosen 9804) Richtwert 35 toxikologische Bewertung 102f Vergiftungen im Altertum 2 Zufuhr 112(T) Bohnen 188f Borsaure/Borax (E 284/285) 230,232 Botulinustoxin 17 Botulismus 228 Bovines Somatotropin (BST) 87 Bradford-Hill-Kriterien 39 Brevetoxine 221 Brombuterol 86 Brot 127,173,180,207 Buttergelb 5 , 281 C Cadaverin 199, 220 Cadmium in Lebensmitteln l l l f in Nierenrinde 115(A), 117f in Zigarettenrauchern ll4,115(A) Itai-Itai-Krankeit 111 toxikologische Bewertung 11 1,119 vermutete Nierenkranke 9, 114, 116f, 283 Zufuhr 112(T) Carbendazim (Fungizid) 18(T), 48(T), 52(T), 58 beta-Carotin 217,218, 248,249(T) Carotinoide 217,218, 250 Cassava (Maniok) 162, 187 Chaconin 182 ,,Chemie in Lebensmitteln" als Thema der Medien Allergien 271 Zusatzstoffe 237 Gesinnungsjournalismus 282 ,,Gift im Essen" 9, 280 Pflanzenschutzmittel 72 Pflanzenschutzmittelriickstandein Frauenmilch 3
Sachregister
Tubinger Krankheit 276 ,,Chemisierung der Umwelt" 31, 33 China Restaurant Syndrom 234 Chinolizidinalkaloide 185,186 Chlorakne 129,133 Chlorkohlenwasserstoffe 42f, 57 f Gesundheitsrisiken 67f hormonelle Wirksamkeit 70f in der Natur 44 in Frauenmilch 59f, 61(T), 62(A), 63(T), 283 Lebertumore bei Mausen 66f Zufuhr 59(A) Chlorpropanole 173,274 Chlorfenvinphos (Insektizid) 51(T) Chlorthalonil (Fungizid) 52(T) Cholesterinspiegel und Ballaststoffzufuhr 216 Chrom 120f Chronische Toxizitat 20 Chronisches Mudigkeitssyndrom 273 Ciguatera-Vergiftung 221 Clenbuterol 83,85 Coca-Cola 278 Cochenillerot (E 120) 242 Comfrey 185 Confounders in epidemiologischen Studien 37 Contergankatastrophe 12 Convenience Produkte 159,224 Coumestane 190f, 292 Cumarin 195, 296 Cyanogene 186,187 Cyanose 153 Cycasin 197 Cyclamat (E 952) 237,238, 241, 243(T), 244 Cyfluthrin (Insektizid) 51(T) 2,4-D (Herbizid) 48(T) D Danziger Goldwasser 234 Darmkrankheiten und Ballaststoffzufuhr 215 DDT (Insektizid) 43 Abbau zu DDD, DDE 43 ADI-Wert 51(T)
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akute Toxizitat 18(T) epidemiologische Studien 67 f in Blutplasma 59 in Frauenmilch 61(T), 62(A), 63(T), 283 in Lebensmitteln tierischer Herkunft 45(A) Verbot 44 Verwendung 42f, 48(T) Zufuhr 57 f, 59(A) Deklarationspflicht fur Zusatzstoffe 7,225 Delaney Klausel 66, 240,261 Derrispulver 41 Desinfektionsmittel 91f Dhurrin 287, 188 Diarrhetic Shellfish Poisoning 220 Dibenzodioxine (PCDD), siehe Polychlorierte Dibenzodioxine Dicamba (Herbizid) 53(T) Dichlofluanid (Fungizid) 52(T), 57f Dichlorethan, Dichlormethan 88 Dichlorprop (Herbizid) 48(T), 49, 53m Dichlorvos (Insektizid) 50 Dicofol (Akarizid) 53(T) Dieldrin (Insektizid) 71 akute Toxizitat 18(T) estrogene Wirkung 72 in Frauenmilch 61(T), 62(A), 283 in Trinkmilch 45(A) Leberkrebs bei Mausen 66 Verbot 44 Zufuhr 59(A) Diethylenglycol 285 Diethylstilbestrol (DES) 70, 82, 191 Diflubenzuron (Insektizid) 27(T), 48(T), 5UT) Dioxine, siehe Polychlorierte Dibenzodioxine Docosahexaensaure 246 DOK-Versuch 143 Domoinsaure 221 Dosis-Wirkungsbeziehung 15, 19, 20(A), 24(A), 269 Dreiplatten-Test 81 Duldbare Konzentration 26
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Sachregister
Duldbare tagliche Aufnahmemenge (DTA) 22 Dungemittel 140f Dungerverbrauch 141(A) Duplikatanalyse 30 Durener Krankheit 89
E E-Nummern 225 f E-Nummern-Liste, gefalschte 231 f Effect level 20 EHEC-Infektionen 228 Elaidinsaure 2 75, 176(T) Emulgatoren und Stabilisatoren 223 Endosulfan (Insektizid) 52(T), 57, 72 Enteritis infectiosa 228, 278 Entwicklungslander, Agrarproduktion 254(A) Enzyminhibitoren 189 Epidemiologie 14, 36 f Erdniisse 203,267 Ergotalkaloide, Ergotismus 201, 204(A) Ernahrungsrisiken 262,278,279(T) Ertragssteigerung durch Dungung 140 Ertrage im Oko-Anbau 75 Erythrosin (E 127) 232f, 242 Estradiol 70, 190 Estrogene 70,83,191 Ethanol 17,179,208f Ethion (Insektizid) 52(T), 55(T) Ethylcarbarnat 179, 280 F Fall-Kontroll-Studien 37 Feingold-Hypothese 272 Fenarimol (Fungizid) 52(T) Fenbutatin-oxid (Akarizid) 53(T) Fettsauren 176(T) omega-3-Fettsauren 246,250 trans-Fettsauren 175 Fische, Fischerzeugnisse Arsen 120 Chlorkohlenwasserstoffe 44,45(A) Heterocvclische aromatische Amine (HAA). 167
Histamin 200 Moschusduftstoffe 137 Quecksilber 104f, 106(A) Flavonoide 218,250 Fleisch, Fleischerzeugnisse Benz(a)pyren 127 Formaldehyd 91 Heterocyclische aromatische Amine 167f Hormone 82f, 280 Pflanzenschutzmittelruckstande 55,57 Tierarzneimittelriickstande 78f Zusatz von Nitrat 147 Zusatz von Nitrit 150 Fleisch-Verordnung 127 Fleischhygiene-Verordnung 119 Folsaure 209,218,249,250(T) Formaldehyd 91,233 Frauenmilch Dioxine 134f Ruckstande von Pflanzenschutzmitteln 59f, 61(T), 62(A), 63(T) Ruckstande von polychlorierten Biphenylen 131(A) Stillempfehlungen 60f Freie Radikale 216 Fumonisine 205, 208 Fungizide 17, 22, 46f, 57 Funktionelle Lebensmittel 2 9, 244f, 285 Furocumarine 195,296 Futtermittel-Verordnung 80, 14, 200,205 Futterzusatzstoffe 78f
G Gefahrenklassen 17, 18(T) Gelier- und Verdickungsmittel 223 Gemuse-/ Obstverzehr, empfohlene Steigerung 148,216,248,265 Gemuse-/ Obstverzehr und Krebshaufigkeit 148(T) Gentoxizitat 19 Gesamtnahrungsuntersuchungen 30 Geschatzte maximale tagliche Aufnahme (EMDI) 28(T), 29(A), 242
Sachregister
Geschmacksverstarker 227,233 Gesundheitsbezogene Werbung 247, 285 Gesundheitsindikatoren 255(A), 257(T), 258(T) Getreide (siehe auch Mais, Roggen, Weizen) 57,201,206 Gewurze 2,203 Glucosinolate 193,194 Glutamate (E 620-625) 233,243(T) Glycoalkaloide 182, 183(T) Goitrin 194 Goitrogene Substanzen 193 Gold (E 175) 234 Gossypol 197,200 Grenzwerte 26,31 Grune Revolution 253 H Haferkleie 216 Hanf, Hanferzeugnisse 198 Haughley Experiment 142f Hemizellulose 214 Hemmstoffe 81 Heptachlor (Insektizid) 45(A), 50, 59(A), 62(A) Herbizide 46f Herzkreislauf-Erkrankungen Ballaststoffzufuhr 214 Obst- und Gemuseverzehr 148 Tabakrauchen 255 trans-Fettsauren in der Nahrung 176f Vitaminzufuhr 248f Heterocyclische aromatische Amine (HAA) l67,168(A) Heuschnupfen 267 Hexachlorbenzol (HCB) (Fungizid) 50
Massenvergiftung in der Turkei 65 Ruckstande in Frauenmilch 60, 283 Ruckstiinde in Gesamtnahrung 57 Riickstande in Lebensmitteln tierischer Herkunft 45(A), 57 Verbot 44
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Zusammenhang mit Brustkrebs ? 68 Hexachlorcyclohexan (HCH) (Insektizid) 50 Ruckstande in Frauenmilch 60, 61(T), 62(A) Ruckstande in Gesamtnahrung 57, 59w Ruckstande in Trinkmilch 45(A) Verbot (alpha- und beta-HCH) 44 Zusammenhang mit Brustkrebs? 68 Hexamethylentetramin (E 239) 91, 233 Histamin 199, 220,268 Hochstmengen Historie 43 Methode der Festlegung 26 Notwendigkeit 31 Pflanzenschutzmittelriickstande 49 f Tierarzneimittelruckstande 78 Uberschreitung 44,56(T)f Homocystein 249 Honig, toxischer 198 Huhnerei 56,90,190,267 Human-Biomonitoring 102 Humanmilch, siehe Frauenmilch p-Hydroxybenzoesaureester(E 214-219) 229(T), 230 Hydroxymeth ylfurfura1 (HMF) 165, 166 Hyperkinetisches Syndrom 272
I Idiopathische umweltbezogene Unvertraglichkeit 273 Imazalil (Fungizid) 53(T) Immunfunktion, Beeinflussung durch Alkohol 209 Carotinoide 217 Flavonoide 219 Ochratoxin A 207 Selen 123 Immunoassays 25 In vitro/ in vivo Versuche 13 Insektizide 46f
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Sachregister
Integrierter Pflanzenschutz 74, 144 Interventionsstudien 37 Intoleranzreaktionen 268 Inulin als Prebiotikum 246 Iprodion (Fungizid) 51(T), 53(T), 57 Isoflavone 72,190,191 Isothiocyanate 128, 193, 194 Itai-Itai-Krankheit 111.283
J Jodmangel
187,193
K Kaffee 88, 127, 207 Kaliumhexacyanoferrat (E 536) 237 Kanzerogenitat/Mutagenitat 17f Kanzerogenitatspriifung bei maximal tolerierbarer Dosis (MTD) 22, 67, 92,240 Karamelprodukte 165 Karotten 217 Kartoffeln Glycoalkaloide 182, 183(T) Pflanzenschutzmittelriickstande 56 Proteaseinhibitoren 190 Quecksilber 105 Verdaulichkeit der Starke 162 Kase D-Aminosauren 173 Hexamethylentetramin 91, 233 Lysinoalanin 170 Nitrat 147 Propionsaure 235 Tyramin 199 Katastrophenszenarien Sf, 116, 119, 135,252 Keshan-Krankheit 123 Kindersterblichkeit 255f Kirschen, gefarbte 233 Klinische Okologie 274 Kochsalz, Toxizitat von 25 Kohlendioxid, uberkritisches 89 Kohortenuntersuchungen 36 Kokzidiostatika 82 Kombinationswirkungen 6,68f, 238 Konjugierte Fettsauren 178 Konservierungsstoffe
ADI-Werte 229(T) Deklarationspflicht 7 gesundheitliche Bedenken 228 Verwendung 223,228,239 Werbung mit Nichtverwendung 235,241,282 Zufuhr 242 Kontaminanten 7,95f, 139,265 Konzentrationsangaben, Einheiten 33,34(T) Krankenstand 256,257(T) Krautertee 184f, 198 Krebsentstehung 17f, 24,67, 164, 262 f Krebserzeugende Stoffe, Kategorien 23m Krebshaufigkeit (-morbiditat) 260f Krebsregister 261 f Krebssterblichkeit (-mortalitat) 8, 258f, 259(T,A), 260(A), 263(A) Krebsverhindernde (antikanzerogene) Wirkungen antioxidative Vitamine 248 antioxidative Zusatzstoffe 262 Ballaststoffe 215 Carotinoide 217 Glucosinolate 195 Isoflavone 192 konjugierte Linolsauren 178 Maillard-Produkte 167 Obst- und Gemiiseverzehr 148, 265 Selen 123 Kriebelkrankheit 201 Kumulation von Giftwirkungen, siehe Kombinationswirkungen Kupfer 121f L Lathyrismus 189 LD,, 16f, 18(T) Lebenserwartung, mittlere 254, 255(A) Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandegesetz (LMBG) 7,224
Lebensmittel-Verarbeitung Bestrahlung
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Sachregister
Entfernung von Toxinen 185,187, 197 Erhitzungsprodukte 157f Fetthartung 176 Hochtemperatur-KurzzeitErhitzung 161 Mikrowellenerhitzung 159,171f Nahrwerterhaltung 161(A) f Nahrwertverluste 160f Pokeln 150,152 Polieren von Reis 163 Raffination von Fetten 175, 197 Rauchern 91,127 Tiefkiihlen 158,160 WeiBmehl 161 Lebensmittelgesetz (LMG) 7 Lebensmittelkontrolle 4, 15, 93, 286 Lebensmittelskandale Blei in Fertigsuppen 99 Bleikontamination im Harz 96f Bleikontamination um Nordenham 96 Clenbuterol in Kalbsleber 85f DES in Kalbfleisch 83f, 280 Diethylenglycol in Wein 285 Dioxinskandal in Belgien 135f, 286 Formaldehyd in Wurstwaren 91 Methanol in Wein 285 Monohalogenessigsaure in Bier 93 PER in Lebensmitteln 90 Spanische Olkatastrophe 285 Lebensreformbewegung 157 Lebertumore bei Mausen und Kanzerogenitatsprufung 66,138 Lectine 188,279 Light-Produkte 245 Lignane 190f, 192 Lignine als Ballaststoffe 214, 216 Limonen 195,296 Linamarin 186,287 Lindan (gamma-HCH, Insektizid) ADI-Wert 28(T), 30 akute Toxizitat 18(T) Hochstmengen in Lebensmitteln 28(T), 52(T), 72 Riickstande in Babykost 72 f
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Riickstande in Trinkmilch 45(A) Zufuhr 58 Linolsaure 176(T) Linuron (Herbizid) 53(T) Lipaseinhibitoren 190 Longitudinalstudien 36 Losungsmittel 88 Losungsmittel-Hochstmengen-VO 89 Lutein 217,218 Luteoxanthin 217,218 Lycopin 162,217,218, 250 Lysergsaurediethylamid (LSD) 201 Lysinoalanin 169f, 270
M Maillardprodukte 164f Mais Aflatoxine 203 Fumonisine 208 Ochratoxine 207 Pellagra 37, 162 Zeaxanthin 217 Malaria, Bekampfung mit DDT 42 Mancozeb (Fungizid) 48(T), 50, 53(T), 57 Maniok 162,187 Margarine, trans-Fettsauren in 177f Marktkorbanalyse 29 Massenvergiftungen durch Arsen 5,120 Cadmium 111 Dioxine 129, 133 Mutterkorn 201 PCB 99 Pflanzenschutzmittel 65 Quecksilber 104 verfalschtes Speiseol 285 Masthilfsmittel 82f Maximal tolerierbare Dosis (MTD) 21f, 67 Maximaler Ruckstandswert (MRL) 26,78 Mehlbleichung 6,281 Melanoidine 164f Metalaxyl (Fungizid) 48(T) Methamoglobinamie 153 Methanol- 213
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Sachregister
Methoxychlor (Insektizid) 71 Methylquecksilber 65,105 Metribuzin (Herbizid) 48(T), 54(T) Migrane 200 Migrationsstoffe (Migrate) 93 Mikrowellenerhitzung 159,167,171 Mikrozensus 256 Milch (Kuh-) Aflatoxin MI 203f,206(A) Allergie 267,269 Panscherei 3 Pflanzenschutzmittelriickstande
Nahrwertverluste 160f Natamycin ( E 235) 230 Naturstoffe, gesundheitsfordernde und -schadigende 181f Negativlisten 7 Negligible risk 66 Nematizide 46 Neohesperidin DC ( E 959) 238 Neuralrohr-Defekte 249 Neurasthenie 274 Neurodermitis 267,271 Neurologic Shellfish Poisoning 221 44,45(A), 63f Neurotoxikologie 25 D-Prolin 171 Niacin 37,162 Sauglingsmilch 245 Nichtenzymatische Braunung 164 Steigerung der Produktion durch Nickel 122 BST 87 Nitrat Minamata-Krankheit 104,283 ADI-Wert 154 Minimale Hemmkonzentration Dungemittel 140f (MHK) 81 endogene Bildung 148f Miabildungen, angeborene 12,133, Hochstmengen 152,154 249,257,258(A) in Pflanzen 145,146(T) MiBbrauchsprinzip 7 in Trinkwasser 149,153f Molluskizide 46 toxikologische Bewertung 150 Monitoring Programme 57 und Magenkrebshaufigkeit 149(T) Monobrom-, Monochloressigsaure unnotige Warnungen 155,265 93 Zufuhr 147(T)f, 242,243(T) Mortalitat 16, 258 Nitrit Moschusduftstoffe 137,238 Entstehung aus Nitrat 147,151 Multigenerationstest 20 Methamoglobinamie 153 Mutagenitatsprufung 19 Pokelsalz 150 Mutterkorn 2,11,201,203(A) Pokelware 152 Muttermilch, siehe Frauenmilch toxikologische Bewertung 17,150 Mycotoxine 201f, 202(T), 283 Zufuhr 150,242,243(T) Nitromoschusverbindungen 137 N Nitrosamine 251 f, 283 N-Nitrosodimethylamin (NDMA) 151 Nitrosierungs-Inhibitoren 151 Nahrstoffangereicherte Lebensmittel No observed effect level (NOEL) 17, 244f 21f, 49 Nahrstoffreduzierte Lebensmittel Nocebo Effekt 274 245 Noradrenalin 299 Nahrstoffzufuhr, Empfehlungen fur Novel foods 25,183,195,198
248 Nahrungserganzungen 244f Nahrungsmittelallergien 267 Nahrungsmittelproduktion, Welt-
252f
0 Obst- und Gemuseverzehr, empfohlene Steigerung 148,156,265 Ochratoxin A 205,206f
Sachregister
Okadasaure 221 Oko-Handel 76 Oko-Syndrom 274 Oko-Verordnung 75 Okologischer Landbau 75,142f, 283 Oligosaccharide 216,246 Olivenol, Lij,ungsmittelruckstande in 90 Olkatastrophe, spanische 285 Olsardinen 94,98 Olsaure 175,176(T) Orthophenylphenol (E231) 230 Oxalylamino-L-alanin 189 Oxidativer StreO 217, 248f
P Paralytic Shellfish Poisoning 220 Parathion (Insektizid) 18(T), 50, 52m PCB, siehe Polychlorierte Biphenyle Pektin Ballaststoff 214,216 Dickungsmittel (E 440) 227 Pellagra 37, 162 Perchlorethylen (PER) 88 Permethrin (Insektizid) 52(T) Persistenz 42 Pestizide 40 Pflanzenschutz 40 integrierter 74 Pflanzenschutzmittel ADI-Werte 51(T) akute Toxizitat 17 arsenhaltige 41, 48(T) Aufwandmengen 48(T), 49 Gesundheitsrisiken 7f, 65 f Hochstmengen 26,51(T), 55(T) hormonelle Wirkungen 70 im integrierten Pflanzenschutz 74 immuntoxische Wirkungen 70 Inlandsabsatz 47(A) Kombinationswirkungen 68f Medienkampagnen gegen 72 Metabolite 68f nichtpersistente 44f persistente 42f Zahl der zugelassenen 46(T)
329
Zulassungsvoraussetzungen 21,65 Pflanzenschutzmittelriickstande in Babykost 72f in Frauenmilch 59f, 61(T), 62(A), 63(T) in Lebensmitteln 56(T)f und Stillempfehlungen 60f Phasin 188 Phenolcarbonsauren 218 Phosphathypothese 273 Phosalon (Insektizid) 57, 58 Phototoxische Wirkungen 195 Phytoestrogene 71,19Of, 191,192(T) Phytohamagglutinine 188 Pilze (Speise-) Agaritin 197f antikanzerogene Inhaltsstoffe 250 Cadmium 113 Quecksilber 110 Selen 123 Verzehrsempfehlung 111,283 Pinen 195,196 Pirimicarb (Insektizid) 50, 52(T) Placebo Effekt 274 Pokeln 150f, 160,241,279 Polychlorierte Biphenyle (PCB) 45(A), 63,128f, 129,13l(A) Polychlorierte Dibenzodioxine (PCDD),-furane (PCDF) 128, 131f, 132,134(T) Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) 125f Polyphenole 151,218 Polyvinypyrrolidon (E 1201), -polypyrrolidon (E 1202) 234 Positivlisten 7 Prebiotika 246 Probiotika 245 f Progesteron 70 Progoitrin 294 Propargit (Akarizid) 53(T) Propionsaure (E 280) 230, 235 Prospektive epidemiologische Untersuchungen 36 Proteaseinhibitoren 162,188,279 Provisional tolerable weekly intake (PTWI) 102
330
Pseudoallergien 25,268 Psoralen 195, 196 Putrescin 199, 220 Pyrethrine, Pyrethrum 41 Pyrrolizidinalkaloide 184
Sachregister
Sauerstoff, aktivierter 216 Sauerungsmittel 223 Sauglingsblausucht 153f Sauglingssterblichkeit 256f, 258(A) Saxitoxin 17, 220 Schadstoff-Hochstmengen-VO 129 Schaumstabilisator 121 Q Qualitatsvergleich okologisch/konvenSchimmelpilzgifte,siehe Mycotoxine tionell 77, 143 Schokolade, biogene Amine 200 Quantum satis Prinzip 227 Schwermetalle 35,95 f, 283 Quebecer Biertrinkermyokardose 121 Scombroid fish poisoning 220 Quecksilber 65,104f, 106(A), Sedativa 81(T), 82 107(A), 108(T) Sekundare Pflanzenstoffe 181,213f, Quercetin 69,219 250 Querschnittsuntersuchungen 36 Selen 25, 123, 209 Sellerie R allergene Wirkung 267 Rachitis 163 Furocumarine 195 Serotonin 199 Radioimmunassay (RIA) 83 Rauchern 91, 127,241 Sesam 250 Reinheitsgebot fur Bier 93,282 Seveso-Unfall 133 Sexualhormone (siehe auch PhytoReis, polierter 163 Reisol-Krankheit (Yusho) 129 und Xenoestrogene) 81(T), 83f Relatives Risiko (RR) 38 Sicherheitsfaktor 22f, 28(T), 49, 60 Reproduktionstoxizitat 20 Sicherheitsforschung, Kosten der 21 Resistente Starke 214, 216 Silber (E 174) 233f Resveratrol 213 Sojaprodukte Retrospektive epidemiologische allergene Wirksamkeit 267 Untersuchungen 36f Isoflavone 219 Richtwerte 35 Phytoestrogene 192 Ricin 188 Proteaseinhibitoren 189 SojasoSe 174,180 Risiken der Ernahrung 262,278 Rodentizide 46 unbekommliche Inhaltsstoffe 162 Roggen 11,201,206 Solanin 182,279 Rohkost 157f, 162 Somatotropin, bovines (BST) 87 Sorbinsaure (E 200) 230 Rosenkohl 195 Riickstands-Hochstmengen-VO 50, ADI-Wert 229(T), 243(T) 122 Zufuhr 28(T), 2Y(A), 243(T), 244 Sozioneuroimmunologie 271 Spanische Olkatastrophe 285 S Saccharin (E 954) 237,238, 240, Speiseole 175 243(T), 244 ,,Spermienkrise" 9, 71 Safrol 195, 296,241 Spurenanalytik Salbutamol 85 BADGE 94 Salicylsaure 241, 272 Blei 99 Salmonella-Mutagenitatstest 19 DES 83 Salmonellose 228, 241 Dioxine 135
Sachregister
Fettsauren 176,179 Lebensmittelkontrolle 286 Nachweisgrenzen immer niedriger 31,32(A), 64,131 Nitrosamine 152 Tierarzneimittelruckstande 80,86 Stickstofftrichlorid 6,281 Stilbene 81(T), 82 Stillempfehlungen 60f Stoffwechseluntersuchungen 19f Subchronische Toxizitat 19f Sulfit (E220-228) 230, 242 Sulfonamide 79(T), 81 Suppenwtirze 173 Supplementierung von Lebensmitteln 244f, 249f Suljstoffe 237,238(T), 244 Symphitin 185 Synephrin 199 T Tabakrauchen Bleiexposition 101 Cadmiumexposition 114 Krebsrisiko 39,217,255,260 Tannine 188,218 Technische Hilfsstoff-VO 89 Teratogenitat 20 Testosteron 70,83f Tetrachlorethen 88 Tetrahydrocannabinol (THC) 198 Tetrodotoxin 17,221 Thalidomid 12 Thallium 124 Thaumatin (E 957) 237,238 Theoretische maximale tagliche Aufnahme (TMDI) 27,28(T), 29(A), 242 Thiabendazol (E 233) 236 Thiamin 163,209 Thiocyanat 193,194 Threshold of regulation 67 Thunfisch 104f, 200 Thyreostatika 181(T), 82 Tierarzneimittel 78f, 79(T) Tierversuche Extrauolation auf den Menschen 14
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Gesetzliche Beschrankung 13 Krebsforschung 264 Maximum tolerated dose (MTD) 22,67,240 Sicherheitsfaktor bei der Extrapolation 22,49 Total diet studies 30 Totgeburten 256,258(A) Toxikodynamik, -kinetk 14, 19 Toxikologie 11f Toxikopie 274 Toxische Gesamtsituation 6,69, 261 Toxizitats-Aquivalenzfaktoren (TEF) 132 Toxizitatsprufung 17(T) Trenbolon 83 Triadimenol (Fungizid) 48(T) Triazophos (Insektizid) 48(T) Tribenuron (Herbizid) 48(T) Trichlorethen (TRI) 88f Trichlorfon (Insektizid) 50 Trichlormethan 89 Trifluralin (Herbizid) 50,54(T) Trinkwasser-VO 122, 153f Tryptamin 199,220 Tiibinger Krankheit 276 Tyramin 199,220
U Uberernahrung gesundheitsschadliche Folgen 256, 262,265,278 wichtigstes Ernahrungsproblem 164,256 Unterernahrung 270,278
V Vegetarische Ernahrung 148, 157f, 163,192(T) VERA-Studie 58f, 109, 131 Verarbeitung, siehe Lebensmittel-Verarbeitung Verbotsprinzip 7 Verbrauchertauschung 1,224f, 286 Verunsicherung der Verbraucher 275 f, 276(T)1277(A)
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Sachregister
verursacht durch anonyme Kampagnen 231 f Behorden 114f, 155,280,283 Industriewerbung 241,282 Journalisten 97, 116, 135, 171f, 237,276f, 281 f Politiker 73, 116, 265, 280 Verbraucherfunktionare 99, 116, 236,265,269,282 Wissenschaftler 99, 282 Verdickungs- und Geliermittel 223 Vernachlassigbares Risiko (negligible risk) 66, 134 Verunreinigungen, siehe Kontaminanten Vielfache Chemikalieniiberempfindlichkeit 273 Vinclozolin (Fungizid) 18(T), 53(T), 57 f Vitamin A 209 Vitamin B1 (Thiamin) 209 Vitamin BI2 l21,250(T) Vitamin C Abbau bei Lagerung 161(A) Antioxidative Wirkung 217 Empfohlene Zufuhr 248,249(T) Gehalte in Lebensmitteln, EinfluB des Anbausystems 143 Nitrosierungsinhibitor, Pokelzusatz 151 Vitamin D 111, l63,249,250(T) Vitamin E l51,209,217f, 248,249(T) Vollkornprodukte 161f, 216 Vollwert-Ernahrung 158,162 Vorlaufig duldbare wochentliche Aufnahmemenge (F'TWI) 102 W Wachstumsregler 46 Warenkorbanalyse 29 Weichmacher 93 Wein biogene Amine 199 Blauschonung 237 Bleiacetat-Zusatz 96 Konsum 209 Ochratoxin A 206f
Pflanzenschutzmittel im Weinbau 41,122 WeiBmehl 161 Weizen allergene Wirksamkeit 267 Ertrage 140, 141(A) -kleie 215 Ochratoxin A 206 selenreicher US-Weizen 123 Weltmarktpreis niedrig 252 Wellness-Drinks 246 Welt-Nahrungsmittelproduktion 252f, 253(A) Winzerkrebs 41
X Xanthophylle 217,218 Xenobiotika 16 Xenoestrogene 71 Yessotoxin 220 Y Yusho Krankheit
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Z
Zeaxanthin 217,218 Zellulose 214 Zeranol 83 Zigarettenrauchen, siehe Tabakrauchen Zink- und Bleigesetz 96 Zinn 124 Zivilisationskrankheiten 6, 157f, 214 Zusatzstoff-Verkehrs-VO 224 Zusatzstoff-Zulassungs-VO 224 Zusatzstoffe allergene 236, 266, 269 E-Nummern 17,225 gefalschte Listen 231 gesundheitliche Bewertung 6, 7f, 227,262f Hochstmengen 26 Lebensmittelrecht 224f post marketing surveillance 244 Verwendung 223 Voraussetzungen der Zulassung 224 f Zahl der zugelassenen 226f, 237f Zufuhr 242,243(T)