BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 11816
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BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 11816
© Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München 1986 Lizenzausgabe: Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Printed in Germany April 1992 Einbandgestaltung: Roland Winkler Titelillust ration: Mackens-Hassler Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3-404-11816-2 Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich des gesetzlichen Mehrwertsteuer
Inhalt Rückblick anstatt eines Vorworts 7 Noch immer Rückblick 13 Erster Versuch nach Dr. Murphy 18 Der kleine Unterschied 27 Murphy schlägt zu oder Die Augen der Kleopatra 33 Wo ist die Cleo? 39 Aktionen - Reaktionen und die Gedanken eines Katers 43 Transportprobleme und wie man sie nicht löst 48 Sport - Spiel - Entspannung 53 Erziehungsversuche und eine Begegnung die Folgen haben wird . . . 62 Aerobic - heißt die Parole 70 Auch Vampire können lieben 75 Die Nächte der Cleo R. - Ein Sex-Report 81 Von Mäusen und Menschen 95 Habt ihr mich verstanden? 106 Rosco 111 Tischsitten und Unsitten 117 Kater Bubu und der Giftmüll 123
Wie man Fieber mißt oder Die Auswirkungen des Umweltschutzes 128 Und wieder Murphy 132 Der erste Schritt 141 Kinderstuben 149
Rückblick anstatt eines Vorworts Wer sich entschließt, mit einer Katze Heim und Herd - präziser wäre Tisch und Bett - zu teilen, der sollte über eine außerordentlich starke Willenskraft, eine Wohnung, die nur über einen Fahrstuhl zu erreichen ist, und einen gesunden Egoismus verfügen: Denn eine Katze kommt selten allein! Katzen müssen ein ausgezeichnetes Nachrichtensystem aufgebaut haben, wo eine ist, stellt sich bald die zweite ein; wo zwei sind, läßt die dritte nicht lange auf sich warten, etcetera, etcetera . . . Für einen echten Katzennarren gibt es nichts Schlimmeres, als ein kleines, hilfloses Kätzchen, das halbverhungert um Einlaß bittet, seinem Schicksal zu überlassen. Eher wird er der Narr seinen Partner vernachlässigen, seine Schwiegermutter verstoßen, seine Kinder anbrüllen, als diesem zitternden Fellbündel Kost und Logis verweigern. Für mich ist ein Haus ohne Haustiere wie eine Suppe ohne Salz. Sollte meiner Familie diese
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Suppe hin und wieder stark versalzen vorkommen, so läßt sie mich das - gelobt sei ihre Duldsamkeit nur selten fühlen. Mein Haustier-Syndrom kann bis zu meinem fünften Geburtstag zurückverfolgt werden. Damals tauschte ich einen nagelneuen, funkelnden, aber reichlich leblosen Ball gegen einen jungen, verlausten und sehr lebendigen Hund ein. Als ich mit dem Tier zu Hause aufkreuzte, verabreichte mir meine Mutter zuerst eine Tracht Prügel - wegen des Balls - und dann ein Bad - wegen des Ungeziefers. Am nächsten Morgen war der Hund verschwunden; fortgelaufen, wie meine Eltern in seltener Einigkeit erklärten. Was blieb, war meine Sehnsucht nach einem Tier und mein Mißtrauen gegenüber den Sprüchen der Erwachsenen. Meine Willenskraft muß damals noch stark entwicklungsbedürftig gewesen sein, denn es dauerte noch zwei lange Jahre, bis mein Vater, der ständigen Kämpfe müde, aus einem Tierheim einen halbverwilderten, schwarzen Chow mit nach Hause brachte. Der Hund gewöhnte sich nur schwer an uns, sobald er die geringste Chance sah zu entkommen, schlüpf8
te er hinaus und lief über die Felder - auf der Suche nach Kaninchen, seinem früheren Herrn oder der Freiheit. Eines Nachts, nachdem wir erfolglos versucht hatten, ihn wieder einzufangen, erhängte er sich, als sich sein Halsband beim Überspringen eines Zaunes im Draht verfing. Vielleicht wollte er lieber tot als gefangen sein. Es folgten andere Hunde: ein Zwergpudel für meine Mutter, der sich zum Königspudel entwickelte, ein Bernhardiner für meinen Vater, für den jeden Tag Waschschüsseln voller Kuddeln gekocht wurden (noch heute kann ich den süß-sauren Kuddeln, die mancherorts als Spezialität angeboten werden, nichts abgewinnen), ein nervöser Foxterrier, ein dicker, ewig hungriger Spaniel, ein irrer Spitz, der durchdringend kläffte und zum Entzücken der Kinder und zum Entsetzen meiner Mutter jedes Stuhlbein vergewaltigte. Meine erste Katze raubte ich vom Heuboden eines Bauern. Dieser Bauer hatte mir und meiner Freundin je ein Kätzchen versprochen, ohne die Gefühle der Katzenmutter dabei zu berücksichtigen. Als wir auf dem Heuboden erschienen, kratzte und fauchte sie und ver9
teidigte ihre Kinder wie eine Tigerin. Wir lagen viele Stunden auf der Lauer, bis die Alte ihre Jungen für kurze Zeit verließ und es uns gelang, ihre Kinder zu entführen. Zerschunden und zerkratzt kehrten wir von unserem Abenteuer mit unserer Beute heim, legten die Kätzchen in einen Karton und versteckten sie im Keller unseres Hauses, denn meine Mutter hatte sich strikt geweigert, neben den Hunden auch noch eine Katze zu versorgen. Unsere Fütterungsversuche scheiterten kläglich. Die Kleinen waren vielleicht vier oder fünf Wochen alt und lehnten unsere eingeweichten Semmeln ab. Damals gab es überall kleine Flaschen mit „Liebesperlen“ zu kaufen. Wir schnitten ein Loch in den Sauger und versuchten, die Kätzchen mit Milch zu füttern, wenn die Kleinen nicht trinken wollten, schüttelten wir sie und schrien sie an. In unseren Augen waren sie ungezogen, sie wollten nicht fressen, also bestraften wir sie. So hatten wir das gelernt, so wurden auch wir „erzogen“. Unsere ebenso grausamen wie dummen Fütterungsversuche endeten mit dem Tod der Kätzchen. Die Katzen, die viele Jahre später bei uns 10
lebten, waren ältere, erfahrene Tiere, die uns Kindern aus dem Weg gingen, bis wir vernünftig genug waren, sie mit dem nötigen Respekt zu behandeln. In meiner Erinnerung sind alle grau gestreift und heißen Pussy oder Peter. Einer dieser „Peter“ war übrigens eine Dame, das ließ sich nicht länger verheimlichen, als er Mutter wurde. Kurz nach der Geburt der Kleinen wurde Peter überfahren. Diesmal wollte ich, inzwischen zum Teenager gereift, alles richtig machen. Zuerst klapperte ich die Nachbarschaft auf der Suche nach einer Amme ab. Vergebens. Dann stellte ich die richtige Futtermischung aus Kuhmilch, Sahne, Eigelb und Knochenmehl her, reicherte das Ganze mit Vitamin A und D an und sorgte dafür, daß die mutterlosen Kätzchen es warm hatten. Diesmal mußte ich sie auch nicht im Keller verstecken, die ganze Familie kümmerte sich um die Kleinen, dennoch brachten wir nur eines durch. Wir nannten es - zur Erinnerung an die Mutter - wieder Peter, obwohl wir inzwischen den kleinen Unterschied erkannten und wußten, daß es auch diesmal eine „sie“ war. Sie wurde groß und kräftig und bekam zweimal im Jahr mit schönster Regelmäßigkeit 11
Junge, einmal im Kleiderschrank, einmal im Bett meiner Eltern, ein anderes Mal im Vorratskeller, zwischen Apfelmus und Erdbeermarmelade; aber meistens verschwand Peter einfach im Wald hinter dem Haus und stellte uns ihre Sprößlinge erst vor, wenn die Kleinen kräftig genug schienen, die Nähe des Menschen zu ertragen. So war es damals nicht ungewöhnlich, daß wir neben ein oder zwei Hunden auch noch drei erwachsene Katzen plus drei oder vier Katzenbabys beherbergten. Sie kamen und gingen, wir sorgten für ihr leibliches Wohl, spielten mit ihnen, verschenkten einen Teil der Sippschaft, wenn es gar zu viele wurden, und nahmen sie als selbstverständliche, manchmal auch einfach lästige Hausgenossen. Wenn mir allerdings in diesen Jahren jemand prophezeit hätte, daß ich mich zwei fahrzehnte später in eine Katze verlieben würde, hätte ich nur milde gelächelt und mit der Weisheit der Jugend sowohl an des Propheten wie auch an meinem eigenen Verstand gezweifelt!
Noch immer Rückblick Jung verheiratet’ und vom Land in die Großstadt verpflanzt, stellte ich schon nach kurzer Zeit fest: Mir fehlte etwas. Nicht etwa, daß ich Heimweh gehabt hätte, ich war ganz im Gegenteil froh, der Kindheit und dem Elternhaus endlich entflohen und herrlich erwachsen zu sein, auch ließen mir mein junger Ehemann, mein ebenso junger Haushalt und ein anstrengender Job kaum Zeit für nostalgische Gefühle. Was mir fehlte, war ganz einfach das Gewimmel unserer Haustiere. An eine Katze oder einen Hund durften wir nicht denken, noch heute wundert es mich, daß der Hausverwalter uns überhaupt gestattete, ein Kind zu bekommen und gegen die strengen Regeln der geheiligten Hausordnung - kein Lärm, wie auch immer geartet, nach 22.00 Uhr - aufzuziehen! Doch auch als mein Sohn lautstark und emsig herumwimmelte, fehlten mir die Viecher. Wir versuchten es mit einem Aquarium, indes, die rechte Verbundenheit zwischen uns und den
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Guppys wollte sich nicht einstellen. Dann überraschte mich mein Mann mit einem Sittichpärchen. Die Vögel machten einen immensen Lärm, verstreuten Futter und Federn mit nie erlahmender Energie und dachten gar nicht daran, zahm zu werden, waren sie sich doch selbst genug. Durch eine Unachtsamkeit entflogen sie eines Tages, als wir sie auf den Balkon in die Sonne trugen. Ich sah ihnen nach, zwei kleiner werdende Punkte gegen das Blau des Himmels, lauttschilpend und endlich frei, und mir wurde bewußt, was wir Tieren antun, die, zum Fliegen geboren, ihr Leben in einem engen Käfig fristen müssen. Nach dieser Erkenntnis hätte ich den Fischen am liebsten gleich ebenso die Freiheit gegeben, nur ist das bei Warmwasserfischen in unseren Breiten nicht so einfach, und da auch selten alle auf einmal das Zeitliche segnen, es sei denn durch Krankheit oder Vernachlässigung, existiert das Aquarium noch heute nach zwanzig Jahren und einigen Umzügen -, wirkt sehr dekorativ und fasziniert vor allem unsere Katzen. Als wir für uns drei - unser Sohn war inzwi-
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schen vier Jahre geworden - eine größere Wohnung suchten, lautete unsere erste Frage: Dürfen wir Haustiere . . .? Wir durften. Gesegnet sei unsere Vermieterin. Die Frage „Hund oder Katze?“ war schnell geklärt. Zwar lag die Wohnung inmitten einer Waldsiedlung, kinderfreundlich und verkehrsarm, jedoch im ersten Stock. Somit war einer Katze der freie Zugang verwehrt, und das Tier nur in der Wohnung zu halten, lehnten und lehnen wir ab. Diesen nächtlichen Jäger zum Schmusetierchen, gefangen zwischen Küche und Wohnzimmer, zu degradieren, ist nicht nach unserem Geschmack. Nun gehen da allerdings die Meinungen auseinander, so empfiehlt ein amerikanischer Katzendoktor, eine Katze ausschließlich in der Wohnung zu halten. Das Tier sei dort vor allen Gefahren geschützt und könne ohne weiteres achtzehn Jahre alt werden. Das erinnert mich an die Geschichte von dem Mann, der von seinem Arzt wissen will, was er tun könne, um neunzig Jahre alt zu werden. Auf Befragen des Arztes erklärt der Mann, nicht zu rauchen, nicht zu trinken und noch nie etwas mit Frauen gehabt zu haben. 15
„Wozu, um alles in der Welt“, fragt ihn da der weise Medizinmann, „wollen Sie denn dann überhaupt neunzig Jahre werden?“ Kurz nach unserem Umzug wurde Rosco, ein zimtfarbener Chow-Chow, unser neuer Hausgenosse. Er hatte das Aussehen eines Löwen, aber sein Gemüt war sanft. Er liebte alle Katzen und Hunde, wenn auch seine Liebe nur selten erwidert wurde, spielte mit zahmen Kaninchen und Meerschweinchen, und mehr. als einmal fand er verletzte Vögel, die er zart beschnupperte, ohne ihnen auch nur ein Federchen zu krümmen. Er starb als alter Herr unter Schmerzen, weil der Tierarzt ihn wegen eines bevorstehenden Feiertags nicht einschläfern wollte. Aber das ist eine andere Geschichte. Als Rosco dreizehn Jahre alt geworden war und sich bei ihm die ersten rheumatischen Beschwerden einstellten, zogen wir wieder einmal um, diesmal in ein Haus mit Garten. So blieb ihm durch einen glücklichen Zufall im Alter das Treppensteigen erspart. Seit Jahren hatte mein Mann davon geträumt, sollte es uns einmal gelingen, ein Haus mit Garten zu 16
Katze Ausschau halten. Nun, dieses ergattern, so würde er unverzüglich nach einer Haus war wie geschaffen für Katzen. Ein dicht bewachsener Garten mit Bäumen zum Klettern und Büschen zum Verstecken, zwei überdachte Terrassen, die Schutz vor Regen und Kälte boten und viel Platz für uns alle. Also beschlossen Mutter und Sohn, unserem Haushaltsvorstand ein Kätzchen zum Geburtstag zu schenken. Mehr oder weniger diplomatisch versuchten wir, herauszufinden, was für ein Kätzchen ihm denn das liebste wäre, und wie das manchmal so ist mit der Verwirklichung alter Sehnsüchte, es stellte sich heraus, daß ihm das liebste Kätzchen gar kein Kätzchen wäre! Die Straße vor dem Haus sei zu befahren, der Hund zu alt, um sich an eine Katze im Haus zu gewöhnen, die Frage, wohin mit dem Tier, wenn wir in Urlaub führen, noch ungeklärt. Also, sprach der Hausherr, keine Katze.
Erster Versuch nach Seit ich von Dr. Murphy durch sein Buch „Die Macht deines Unterbewußtseins“ dahingehend informiert wurde, daß nichts, angefangen von einer Top-Karriere bis hin zum Lottogewinn, unmöglich ist, sofern man besagtem Unterbewußtsein vertraut und seine Wünsche energisch genug artikuliert, führte ich lange, bisher erfolglose Gespräche mit meinem eigenen Unterbewußtsein. Mag sein, daß meine diesbezüglichen Wünsche etwas ausgefallen oder die Zeit noch nicht reif ist, bisher ist es mir noch nicht einmal gelungen, auf diesem esoterischen Wege ein Wildlederkostüm zu erhalten. Ab sofort ersetzte ich also das Wildlederkostüm durch ein Kätzchen, und zwar ein schwarzes. Jetzt wird sich ja herausstellen, wessen Wort hier mehr Gewicht hat, das des Hausherrn oder Dr. Murphys! Ich nehme an, mein Unterbewußtsein ist noch etwas ungeübt, denn das Kätzchen, das schon nach wenigen Versuchen eintraf, war nicht schwarz, sondern grau gestromert.
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Es kam, angelockt durch Schalen mit Milch, die wir für den Hausigel im Garten aufgestellt hatten, war scheu, struppig und abgemagert und entschloß sich, nachdem es vierzehn Tage lang Haus, ;Garten und Hund inspiziert hatte, zu bleiben. Und wie es blieb. Waren wir bis dahin der Meinung gewesen, eine Katze sei ein freies Individuum und nur glücklich, wenn sie durch Wald und Feld streifen könne, so schien dieser Kater entschieden anderer Ansicht. Er zog an einem Samstag ein und verließ sein neues Heim erstmalig, als ich ihn eine Woche später mit sanfter Gewalt dazu drängte, frische Luft zu schnappen. Zuerst hat es uns unendliche Geduld gekostet, ihn dazu zu bewegen, Stufe für Stufe die Veranda hochzukommen und sein Futter in unserer Nähe zu fressen, jetzt kostet es uns Geduld und Überredung, ihn für kurze Zeit aus dem Haus zu bekommen. Der kleine Kater war, als wir ihn zum ersten Mal sahen, extrem vorsichtig, verwildert und ständig auf der Hut. Wie wir später erfuhren, hatte er mit acht anderen Katzen bei einer alten Dame gelebt, die Monate davor ins Altersheim gezogen war und die Tiere sich selbst 19
überlassen mußte. Seit dieser Zeit lebte der kleine Kater also von in Milch eingeweichtem Brot, das mitleidige Nachbarn ihm und den anderen Katzen ab und zu hingestellt hatten. Nun hat er also ein neues Heim und das Zigeunerleben gründlich satt. Er schläft und schläft und steht nur auf, wenn er hungrig ist oder ihn ein dringendes Bedürfnis in Richtung Katzenklo treibt. Da er nach Ladenschluß bei uns seßhaft wurde, haben wir eine große Pflanz- , schale, ursprünglich zur Anzucht von Petunien gekauft, zum Katzenklo umfunktioniert. Als wir ihn das erste Mal in die mit Torf gefüllte Schale stellten, machte er sich stocksteif und sah uns ausgesprochen angewidert an. Er sprang sofort unverrichteter Dinge wieder heraus und begab sich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Nun weiß jeder vernünftige Mensch, daß Katzen nie, nie, nie ins Bett gehören, und genau dahin lenkte er seine Schritte. Wir boten ihm einen mit Handtüchern ausgelegten Karton an, er lehnte ab. Sobald die Geschäfte wieder geöffnet hatten, kaufte der Hausherr ihm einen viel zu teuren Weidenkorb, er lehnte abermals ab. Schließlich akzeptierte er das daunengepolsterte Sofa in unse20
rem Schlafzimmer, ich hoffe, meine Tante, die uns dieses schöne alte Stück überlassen hat, wird es nie erfahren! Seit der Zeit schlafen wir übrigens bei geöffneter Schlafzimmertür, damit Stromer, so nannten wir ihn der Streifen und des Charakters wegen, kommen und gehen kann, wie es ihm beliebt. Doch zurück zum Hygieneproblem. Wir sahen, in dieser Hinsicht, schon einiges auf uns zukommen, fürchteten um unsere Teppiche und den Duft von Sauberkeit und Frische, als unser neuer Hausgenosse nach ausgedehntem Mittagsschläfchen zielstrebig in Richtung Hauswirtschaftsraum entschwand und dort unter dem Beifallsgemurmel der ganzen Familie den Dingen im Katzenklo freien Lauf ließ, als hätte er nie anderes im Sinn gehabt! Der Torf war ziemlich ungeeignet, da er die Eigenschaft besitzt, erstmal auf der frischen Pfütze zu schwimmen. Das mögen Katzen gar nicht, die ihr Geschäft gerne sorgfältig verscharren möchten. Wir wechselten ihn daher gegen eine handelsübliche Katzenstreu aus. Wenn sich Katzenhalter beschweren, daß ihre Katzen nicht sauber sind, so liegt das meistens daran, daß das Kistchen nicht sauber genug ge21
halten wird. Wir inspizieren es mehrmals täglich und entfernen die feuchten Stellen mit einer Schaufel; einmal in der Woche wird es dann gründlich gereinigt, aber nicht mit salmiakhaltigen Reinigungsmitteln, das „stinkt“ den Katzen! In einem Katzenbuch las ich von den Schwierigkeiten, die eine „Katzenmutter“ damit hatte, einen zugelaufenen Kater zur Sauberkeit zu erziehen. Der kleine Kerl schiß jedesmal auf den Teppich, obwohl sie ihn nach jeder Mahlzeit vor die Tür trug. Das muß ein kluges Kerlchen gewesen sein, denn draußen war es Winter und somit bitterkalt. Wem würde es wohl gefallen, bei jedem Wetter draußen sein „Geschäft“ verrichten zu müssen? Abgesehen davon ziehe ich es vor, nicht darauf achten zu müssen, wann unsere Katzen ein inneres Rühren erfaßt, und die Terrassentür oder ein Fenster ständig offenzuhalten ist, zumal im Winter, auch nicht jedermanns Geschmack. Ein Katzenklo ist also für Mensch und Tier die bequemste Lösung, um Unfälle im Haus zu vermeiden, und wenn es saubergehalten wird, riecht es auch nicht im ganzen Haus „nach Katze“. 22
Nachdem Stromer sicher ist, daß ihm niemand mehr seinen Platz im Haus streitig macht, verläßt er das Haus wieder, um ein normales Katzenleben zu führen. Er frißt riesige Mengen und ist überhaupt nicht wählerisch. Das gibt sich allerdings mit der Zeit. Jetzt legt er mehr Wert auf Qualität als auf Quantität. Von den Mengen, die er anfangs vertilgt hat, hätte er eigentlich fett werden müssen, aber sein Nachholbedürfnis und die Bewegung im Freien haben das wohl verhindert. Morgens, wenn er von seinen nächtlichen Streifzügen heimkehrt, will er nur ein Schälchen Milch, mit Wasser verdünnt; seine erste „richtige“ Mahlzeit nimmt er dann gegen Mittag, manchmal erscheint er auch noch zum Abendessen. Für Vitamintabletten, die laut Hersteller alle Katzen lieben, zeigt er nur Verachtung, und rohe Leber ist ihm ein Greuel. Während seiner häuslichen Perioden liebt er es, an unserem Abendessen teilzunehmen. Er sitzt dann auf der Eckbank, er bettelt nicht, er versucht nicht auf den Tisch zu springen, er sitzt nur dezent da und geruht, ab und zu ein Häppchen Käse, ein Stückchen Schinken aus der Hand des Hausherrn zu empfangen, der uns dabei Vor23
träge über die Erziehung von Katzen im allgemeinen und Stromer im besonderen hält und auf die Schädlichkeit des Fütterns bei Tisch verweist. Die Häuslichkeit unseres Stromers ist jedoch nur von kurzer Dauer, schon im Herbst nimmt er seine ausgedehnten Streifzüge wieder auf, läßt sich manchmal tagelang nicht sehen, kehrt im Morgengrauen heim und schläft dafür ununterbrochen mehrere Stunden, wenn es draußen zu kalt oder zu naß ist. Anfangs halte ich ihm lange Vorträge, wenn er mich wieder mal zwei Tagein Unruhe versetzt hat. Ich sage ihm dann: ,Hör’ mal, du könntest ruhig nach Hause kommen. Woher soll ich wissen, daß du nicht überfahren worden bist oder auf dem Weg in irgendein Versuchslabor? Es gibt schlechte Menschen, das solltest du doch wissen! Er lächelt milde und ein wenig arrogant: ,Ich weiß, aber ich bin ein freier Kater, ich habe fünf Monate ohne deine Fürsorge überstanden. Das müßtest du doch wissen!’ ,Aber du mußt doch Hunger haben?’ ,Nun, es gibt Mäuse’, gibt er etwas gereizt zur Antwort. ,Wir Katzen sind berühmte Mäuse 24
Fänger. Außerdem komme ich ja, wenn ich Hunger habe, wie du bemerkt haben dürftest.’ ,Ich mache mir aber Sorgen, draußen lauern Gefahren. Da gibt es Hunde, die nicht so gutmütig wie Rosco sind, es gibt Autos, giftstreuende Nachbarn, Verrückte, die mit ihrem Luftgewehr herumballern. Wenigstens einmal am Tag könntest du dich blicken lassen.’ Er schließt gelangweilt die Augen: ,Das Leben ist nun mal gefährlich. Du kannst ja auch einen Autounfall haben. Verbiete ich dir deshalb das Autofahren?’ Er gähnt herzhaft und teilt mir so mit, was er von unserem Gespräch hält. Da gebe ich es auf. Immerhin bringe ich ihn soweit, daß er kommt, wenn ich nach ihm pfeife - falls ihm danach ist -, und manchmal gestattet er mir, ihn zu kraulen. Er bietet mir dann seine Kehle dar und läßt ein leises, ein sehr leises Röcheln hören. ,Warum schnurrst du nicht’, frage ich ihn dann. ,Dir geht’s doch gut. Du hältst auch nie den Schwanz hoch, fühlst du dich nicht wohl? Ich habe gelesen, nur Wildkatzen halten ihren Schwanz waagrecht. Bist du etwa eine Wildkatze?’
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,Papperlapapp’, sagt er und sieht mich mit seinen gelbgrünen Augen an. ,Du mußt nicht alles glauben, was du liest. Ich bin mitnichten eine Wildkatze, sondern eine normale, grau gestromerte Hauskatze, und wenn ich röchle, wie du dich auszudrücken beliebst, dann bedeutet das, daß ich mich sehr wohl fühle.’ Das Thema ist ihm peinlich, ich merke es wohl. Er nimmt meine Hand zwischen die Vorderpfoten, rollt sich auf den Rücken und tritt mich mit den Hinterpfoten. Dabei beißt er mich, ganz behutsam und zart. Das ist seine Art, Zuneigung zu zeigen. Armes Kerlchen, du kannst nicht richtig schmusen und nicht katzengerecht schnurren, du kannst nicht einmal spielen. Wenn wir dir einen Tennisball vor die Füße rollen lassen, versteckst du dich unter dem Sofa, und wenn wir einen Tischtennisball hüpfen lassen, siehst du uns an, als fürchtest du um unseren Verstand. Deine Kindheit muß schrecklich gewesen sein. Aber das sage ich ihm nicht, das denke ich nur, ich weiß, wie empfindlich er ist.
Der kleine Unterschied Seit wir einen Kater haben, rät uns jeder, ihn kastrieren zu lassen. Auch der Tierarzt, zu dem wir ihn bringen, weil Stromer geimpft werden muß (freier Kater oder nicht). „Was hat der arme Kerl dann noch vom Leben?“ unterbreche ich vorlaut die Erklärungen des Arztes, und der sieht mich daraufhin an, als vermute er bei mir gleich mehrere lockere Schrauben gleichzeitig. Er hält uns einen langen Vortrag über die unkontrollierte Katzenvermehrung und das Elend dieser Katzenkinder, wobei ich ihm voll zustimmen muß. „Nur“, überlege ich laut, „in unserer weiteren Nachbarschaft gibt es ungefähr sieben Kater und höchstens zwei Kätzinnen. Wenn jetzt fünf dieser Kater, einschließlich unseres Stromers, kastriert werden, bleiben immer noch genug übrig, die dann im Vollbesitz ihrer Manneskraft die Damen schwängern können. Somit wäre das dann - im wahrsten Sinne des Wortes - für die Katz. Wäre es da nicht sinn-
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voller, die Katzen sterilisieren zu lassen, falls Nachwuchs unerwünscht?“ „Kastrieren“ - klärt der Arzt mich auf. „Auch bei Katzen sagt man ,kastrieren’, da es sich nicht um eine Sterilisation, sondern um eine ; Ovariektomie handelt.“ Aha, ich lasse mich gerne aufklären, verstanden hab ich es trotzdem nicht. Dann fügt er noch hinzu: „Nur gut, daß nicht alle so denken wie Sie!“ (Gut fürs Geschäft oder für die Kater - das ist hier die Frage?) Jetzt versucht er, mich bei meiner Hausfrauenehre zu packen. Ein unkastrierter Kater markiert überall im Haus - und das stinkt bestialisch. Er übertreibt. Stromer hat, seit er bei uns ist, erst zweimal markiert, davon einmal, als er das Haus sozusagen „in Besitz nahm“. Beide Male konnte ich den Schaden beheben, allerdings fand ich die Quelle des Gestanks in einem Fall erst nach zwei Tagen. Zugegeben, es roch sehr streng, aber was sind schon zwei Tage Geruchsbelästigung im Jahr gegen den Verlust seiner Libido für immer? Stromer lauscht unserem Gespräch aufmerksam. Ich zwinkere ihm zu, und es sieht so aus, als ob er sich entspanne. 28
„Er wird als Kater dauernd in Kämpfe verwickelt werden und mit Verletzungen nach Hause kommen“, warnt der Tierarzt, „das wird Sie eine Menge Geld kosten.“ Diesmal zwinkert Stromer mir zu. Ich bin sicher, das heißt: Manchmal sind auch die anderen verletzt, ich bin ganz gut in Form. Findest du nicht, daß ein bißchen Kampf ab und zu zum Katerleben gehört? Ich finde das auch. Außerdem vertrauen wir beide der Heilkraft der Natur. Der Tierarzt schüttelt den Kopfüber so viel Unverstand und entläßt uns unkastriert. ,Bist du zufrieden’, frage ich Stromer im Auto. Er röchelt dezent. Wir hätten den Mund nicht so voll nehmen sollen, heißt es doch: Hochmut kommt vor dem Fall. Schon ein paar Tage später sitzt ein völlig verstörter Kater vor der Terrassentür. Als ich ihn hereinlasse, maunzt er kläglich und schleicht - ein Bild des Jammers - gebrochen an mir vorbei. Stufe für Stufe quält er sich im Zeitlupentempo die Treppe zur Galerie hoch. Äußerlich ist ihm nichts anzusehen, aber er bewegt sich, als ob er große Schmerzen hätte. Ich versuche, ihn abzutasten, aber sobald ich ihn 29
berühre, klagt er laut. In meiner Angst fällt mir nichts Besseres ein, als ihn mit einem Handtuch warm einzuhüllen, dann rufe ich den Tierarzt an. Er teilt meine Befürchtung, das Tier könne innere Verletzungen haben und gibt mir einen Termin. Als mein Mann eine halbe Stunde später eintrifft, um uns zum Arzt zu fahren, sitzt Stromer noch immer bewegungslos unterm Handtuch. Wie bekommt man ein Tier mit inneren Verletzungen in die Tasche, ohne ihm dabei wehzutun? Sobald wir uns ihm nähern, wirft er uns einen leidvollen Blick zu und dreht sich langsam, Zentimeter um Zentimeter um, bis er uns den Rücken zudreht. Wir versuchen es von der anderen Seite. Wieder dieser leidvolle Blick, und wieder dreht er sich, samt Handtuch, um 180°. Wenn wir nicht soviel Angst um ihn hätten, wäre das schon sehr komisch anzusehen. Schließlich packen wir ihn kurzentschlossen mit dem Handtuch und setzen ihn in die Tasche. Diesmal klagt er nur noch matt und leise. Der Arzt tastet ihn vorsichtig ab. Nichts, keine Verletzungen, soweit er das feststellen kann. Dann hebt er ihm zum. Fiebermessen den 30
Schwanz. Stromer schreit schmerzgepeinigt auf. Da haben wir es, an der Unterseite des Schwanzes klafft eine blutverkrustete Wunde. »Typische Bißverletzung“, sagt der Tierarzt. »Solche Wunden trägt der Unterlegene meistens davon.“ Irre ich mich, oder grinst der Doktor dabei? Stromer sieht durch mich hindurch, bei der anschließenden Antibiotikaspritze zuckt er nicht einmal. Diesmal schweigen wir beide, was soll man dazu noch sagen? Zu Hause springt er aus der Tasche, als wäre nichts geschehen und eilt unverzüglich in Richtung Katzenklo. Ich eile hinterher, um zu sehen, ob sein Stuhl nicht vielleicht doch blutig ist, man weiß ja nie, Tierärzte sind auch nicht unfehlbar, und das ganze Benehmen des Katers ließ doch eher an innere Verletzungen denken als an einen simplen Biß. Vor dem Hauswirtschaftsraum steht an der Wand ein Schuhregal, durch einen Vorhang abgedeckt. Dort macht mein Kater halt, verschwindet mit einem Satz hinter dem Vorhang und taucht erst Stunden später wieder auf, um etwas zu trinken. Er wird noch zwei Tage hinter dem Vorhang hausen, verborgen vor mir und meinen indis31
kreten Fragen. - Selbstverständlich denke ich nicht daran, ihn zu fragen, ob er dort etwa seine Schande zu verbergen trachtet. Auch ein Kater hat schließlich seine Intimsphäre!
Murphy schlägt zu oder Die Augen der Kleopatra Um die Weihnachtszeit erklärt mein Unterbewußtsein, jetzt genug geübt zu haben und überrascht mich mit dem fertigen Produkt. »Schwarz“, sagt meine Kollegin am Telefon. „Mit einem weißen Schwanzspitzchen. Ein süßes Kätzchen. Es saß vor meiner Tür und weinte. So ein liebes, kleines Ding. Sie wollten doch schon immer ein schwarzes Kätzchen . . .“ »Nein“, antwortete ich fest und bestimmt. Auf gar keinen Fall. Jetzt habe ich schon ein Graugestromertes und außerdem den Hund. Das genügt mir. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen das Kätzchen nicht abnehmen.“ Aber“, sagt meine Kollegin, „ich kann es nicht behalten, ich hab doch schon drei Katzen. Da muß ich es eben ins Tierheim geben, und die können sich vor Katzen kaum noch retten. Wahrscheinlich werden die es einschläfern.“ »Wir werden es uns nochmal überlegen“, sage
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ich, schon weniger bestimmt und verfluche mein Unterbewußtsein samt Dr. Murphy. Und dann überlegen wir. Bei uns geht es demokratisch zu. Beim Frühstück am nächsten Morgen sagt jeder seine Meinung und die ist einhellig: Wir brauchen keine weitere Katze. Unsere Nachbarin hat versprochen, eine Katze zu hüten, nicht zwei. Unser Hund leidet schon an dieser einen, er liebt Stromer, aber Stromer beachtet ihn nicht einmal. Schlimmer noch, sobald sich der Hund, vor Freude winselnd, dem Kater nähert, holt Stromer herzlos und gezielt aus und gibt ihm eins auf die Nase. (Einwurf der Hausfrau: Das täte ein kleines Kätzchen sicher nicht). Wie auch immer wir sind alle einstimmig dagegen, und damit sich kein Familienmitglied überredet fühlen muß, beschließen wir, die soeben gefällte Entscheidung noch in schriftlicher und geheimer Form zu dokumentieren. Es werden Zettel verteilt, auf denen mit; ja ‘für eine weitere Katze und mit ,Nein ‘ gegen das arme Waisenkind gestimmt werden kann. Die anschließende Auszählung ergibt dreimal ja“. Keine Enthaltung, keine Nein-Stimme. So ist das bei uns. 34
Wir schreiten unverzüglich zur Adoption. Entgegen anderslautenden Gerüchten war es bei mir keine Liebe auf den ersten Blick. Wie sich herausstellen wird, ist das Kätzchen für ein kleines Kätzchen schon ein bißchen zu groß und für ein schwarzes entschieden zu weiß. Nicht nur die süße weiße Schwanzspitze, auch der Bauch und die Kehle sind weiß, ebenso ist da sehr viel weiß im Gesicht und an den Vorderpfötchen und hinten sieht es aus, als trüge es verrutschte weiße Kniestrümpfe. Der Kopf ist zu klein für den Körper und die Beine sind zu lang. Während ich das Tier betrachte, grolle ich für einen Moment meinem Unterbewußtsein, aber was soll es, ich wollte schließlich schon immer eine schwarze Katze (eine kleine, wuschelige, kugelrunde allerdings), diese ist immerhin fast schwarz, und eine Schönheitskönigin habe ich nun mal nicht in Auftrag gegeben. „Ach, sie ist so süß“, sagt meine Kollegin und wischt sich heimlich eine Träne weg. „Am liebsten würde ich sie gar nicht mehr hergeben!“ Nun gut, ich bin schließlich kein Unmensch. Wenn sie so an dem Tierchen hängt, an mir soll’s nicht liegen. 35
Aber da hat sie mir schon ihr Katzenkkörbchen mitsamt der Katze in die Hand gedrückt, und mein freundliches Angebot geht im Abschiedsschmerz unter. Auf der Heimfahrt halte ich den Korb, aus dem, eine zarte, herzzerreißende Klage tönt, auf dem Schoß. Ach Kätzchen, was tut man dir an! Da hast du nun ein neues Heim gesucht und ein schönes, altes Bauernhaus mit drei Katzen gefunden, mit der einen, dem Moritz, der dir so ähnlich sieht, hast du gerade noch gespielt; und da fängt man dich, verfrachtet dich in einen Korb und setzt dich in ein fremdes Auto. „Katze“, sage ich, „du wirst es bei uns gut haben. Wir haben den besten Hund der Welt, der dich beschützen wird, und einen würdevollen, etwas gestörten Kater, mit dem du spielen kannst. Hör ‘auf zu weinen, es zerreißt mir das Herz!“ Sie hört nicht auf und versucht verzweifelt, mit der kleinen weißen Pfote den Korb zu öffnen. Um sie zu trösten, will ich sie durch das Korbgeflecht hindurch streicheln, da fährt sie ihre Krallen aus und fügt dem Finger der Kidnapperin einen blutigen Kratzer zu. Du hast ja recht! Wehr’ dich nur, ich würde 36
mich an deiner Stelle auch wehren. Eines muß ich dir allerdings sagen: Im Katzenkorb per Auto entführt zu werden, ist nicht das Schlimmste. Manche Leute halten sich für Tierfreunde und transportieren ihre Katze in einem verschnürten Karton auf dem Fahrrad, noch dazu über holprige Feldwege - und dann rutscht der Karton auch noch runter, weil er nicht einmal ordentlich befestigt war. Hab ich selbst gelesen! Oder ein anderer Fall: Da hat jemand eine Katze in einem Blechbehälter auf dem Motorrad transportiert. Das arme Tier ist durch die Schüttelei fast wahnsinnig geworden. Was sagst du jetzt? Sie sagt gar nichts. Was soll sie auch sagen; einen Gefangenen tröstet es wenig, wenn er hört, daß andere noch schlechter dran sind. Sie preßt ihre Nase gegen den Korb und sieht mich an - ich sehe die Katze an, und da muß es wohl geschehen sein! Weiße Pfötchen sind eigentlich viel hübscher als schwarze, und die Zeichnung im Gesicht ist bezaubernd. Wie eine kleine Flamme zieht sie sich zwischen den Augen zur Stirn hoch. Türkis sind die Augen und weiß die Schnurrhaare, weiß die feinen Haarspitzen über den Augen, die mich 37
an die Fühler eines Schmetterlings erinnern. Die Nase ist rosa, die Ballen der Pfoten sind rosa, bis auf einen, der hat einen schwarzen Fleck, als wäre sie in Teer getreten. „Hübsche Katze, kleine Süße“, sage ich. Sie sieht mich mit rätselhaften Augen an und gestattet mir, ein herausgestrecktes Pfötchen zu streicheln. Königin mit den verwirrenden Augen, wir werden dich Cleo nennen!
Wo ist die Cleo? Rosco begrüßt uns zuerst, er trottet herbei, beschnüffelt den fremden Korb und ist irritiert, als der Korb faucht. Stromer, inzwischen am Ort des Geschehens eingetroffen, steckt vorsichtig den Kopf in den Korb und bekommt von einer weißen Pfote eins auf die Nase. Das ist die Wende: Hat der Kater bisher jeden Annäherungsversuch des Hundes fauchend zurückgewiesen, so wird er von nun an niemals mehr die Pfote gegen ihn erheben. Eine heimliche Allianz? Beide, Hund und Kater, beschließen, das Ding in dem Korb vorläufig zu ignorieren und lassen sich in respektvoller Entfernung nieder. Vorsichtig kommt Cleo heraus. Schritt für Schritt, fast schleift ihr Bauch auf dem Boden, ertastet, erfühlt und erschnuppert sie sich die neue Umgebung. Nach zwei Stunden ist sie schon ganz munter, hat gefressen, ein wenig Milch geschlabbert, Stromer aus dem Haus geeben und die Rosen in der Vase entblättert.
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Nach drei Stunden hat sie den Hausherrn dazu gebracht, anbetend vor ihr zu knien und ihr Nase mit seinem Bart zu kitzeln, bis der Sohn des Hauses ihn unsanft zur Seite schubst, um seine Rechte an der Katze geltend zu machen. Nach vier Stunden ist sie weg. Wo ist die Cleo?, Das wird von nun an die bei uns am häufigsten gehörte Frage sein. Cleo bleibt verschwunden. Wir suchen jeden Winkel ab. Bilanz der Suchaktion um 8.00 Uhr abends: ein seit Monaten vermißter Tennisschuh, zwei T-Shirts, ein Anorak, der meinem Sohn angeblich in der Schule gestohlen wurde, ein Buch aus der Leihbibliothek, mehrfach angemahnt, diverse Kugelschreiber und die Reservebrille des Hausherrn. Von Cleo keine Spur. „Deine Freunde haben vorhin die Haustür geöffnet, ohne die Tür zur Diele vorher zu schließen. Hundertmal hab ich euch das schon gesagt. Wenn die Tiere zur Haustür rauslaufen, können sie überfahren werden. Sicher ist Cleo mit rausgeschlüpft, und jetzt ist sie weg. Jeder Idiot weiß, daß man eine Katze erstmal ans Haus gewöhnen muß, bevor man sie rausläßt. Die findet nie mehr heim“, klage ich meinen Sohn an. 40
Meine Freunde machen die Tür immer zu, du plärrst ihnen ja oft genug die Ohren voll, aber du warst vorhin erst im Keller und hast die Tür zum Heizraum offen gelassen“, kontert mein Sohn lautstark. Also alle Mann in den Heizungskeller. Nichts. Keine Spur von Cleo. Hast du nicht vorhin Holz geholt und dabei die Terrassentür offengelassen“, frage ich schon leicht erschöpft den Hausherrn. „Ich schließe immer die Tür, wenn ich in den Garten gehe“, antwortet er gereizt. „Du schließt die Tür, da lache ich ja! Erst gestern hast du die Terrassentür die ganze Nacht offengelassen. Wenn ich das gewußt hätte, kein Auge hätte ich zugetan - und morgens war es eiskalt. Dabei redest du immer von Energiesparen!“ „Schrei mich nicht so an“, brüllt der Hausherr. (Wenn das so weitergeht, werden wir uns am Ende noch streiten.) »Wenn ihr hier weiter so rumschreit“, sagt unser Sohn, »werdet ihr sie auch nicht finden.“ Und bevor wir jetzt vereint über ihn herfallen können, hebt er mahnend den Zeigefinger. Pst, ich hör was!“ 41
Die Eltern sehen sich vielsagend an. Wie kann ausgerechnet er, dessen Ohren durch die Phonstärke seiner Lautsprecherboxen schon längst geschädigt sind, etwas hören? Trotzdem halten wir den Atem an: Tatsächlich, da brummt doch was. Wie ein Kinderkreisel, stetig und laut. Der Gehörgeschädigte macht zielstrebig zwei Schritte in Richtung Spültisch, zieht die erste Schublade auf, die zweite, die Eltern tippen sich gleichzeitig an die Stirn und sagen in Stereo: „Du spinnst ja“, als er die dritte öffnet und da liegt sie, zwischen Gurkenhobel und Kochlöffeln, unsere Prinzessin, unser Watteflöckchen und schnurrt und schnurrt und schnurrt. Ach Cleo, du bist wirklich süß.
Aktionen - Reaktionen und die Gedanken eines Katers Nachdem wir herausgefunden haben, auf welch dunklen Wegen Cleo es fertiggebracht hat, in die Schublade zu kriechen, sollen ihr diese vernagelt, verbrettert und verschraubt werden, denn hinter der glatten Front einer modernen Einbauküche verbergen sich Zu- und Abläufe, Schläuche und Elektrokabel, die vor den scharfen Zähnen einer Katze besser geschützt werden sollten. Das macht größere handwerkliche Eingriffe nötig, und bis diese beendet sind, können wir Cleo von der Schublade sowieso nicht fernkalten. Um zu verhindern, daß sie wieder von hinten in die Lade kriecht, ziehen wir die Schublade etwas heraus. Jetzt kann sie auf dem normalen“ Weg in die Schublade springen und bleibt dem Kabelsalat dahinter hoffentlich fern. Wenn wir dann noch die Lade etwas auspolstern, hat unsere Katze ein feines Bett, von dem aus sie alles beobachten kann, Zuflucht nehmen kann, falls der Hund zudring-
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lich wird oder der Kater zur Verfolgung ansetzt (falls sie ihn mal wieder hinterrücks überfallen hat) oder Fremde die Wohnung betreten. Die Hausfrau stößt sich zwar jedes Mal die Knie, wenn sie in der Küche hantiert, aber, das darf man nicht so eng sehen. Während Stromer sich von Cleo vorwiegend belästigt fühlt, ist der Hund ihr verfallen. Er folgt ihr winselnd durchs ganze Haus, läßt sie an seinen Freßnapf, sie darf mit seinem Schwanz spielen, auf seiner Decke liegen, aber wenn er ihr dann mit der Zunge über die Nase fahren will, ehrt sie ihre Krallen aus. Die Lage zur Zeit ist folgende: Rosco liebt Cleo, aber Cleo liebt Stromer, Stromer jedoch liebt weder Rosco noch Cleo. Er läßt ihr zwar beim Fressen den Vortritt, aber wenn sie sich aus dem Hinterhalt auf ihn stürzt, beide Pfoten um seinen Hals legt und ihn umzuwerfen versucht, reagiert er sehr unwirsch. Sie wirft sich vor ihm auf den Rücken, ihr weißer Bauch leuchtet, sie hat zwei Dutzend Beinchen, die in der Luft rudern und mindestens drei Schwänzchen, die ihm um die Nase wedeln. Sie kickt ihm einen Tennisball zu, hangelt vor ihm wie ein kleiner Affe um alle Stuhlbeine herum, sie 44
rast auf ihn zu, stoppt kurz vor dem Zusammenstoß geschickt ab und springt mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft. Sie überfällt ihn von hinten, von vorne und von der Seite, er sieht ihr nur verdrossen zu und läßt sich von ihrem Charme nicht im geringsten beeindrucken. Das geht so weit, daß er nicht einmal im selben Raum mit ihr schlafen will. Sobald sie hereinkommt, steht er auf und verschwindet in den Garten. ,Blöder Kater’, sage ich zu ihm, ,du wirst noch mal froh sein, wenn sie dich beachtet. Warte nur, wenn der Sommer kommt. Dann ist sie eine junge Dame. Da möchtest du dann, aber sie möchte dich nicht mehr, wenn du jetzt so stur bist.’ ,Sie ist eine Nervensäge, ihr dauerndes Geschnurre macht mich ganz krank. Die schnurrt ja schon, wenn man sie nur anguckt. Und dann immer das alberne Geschmuse und wie sie ihren Schwanz trägt, wie einen Pfadfinderwimpel. Lächerlich!’ Aha, daher weht der Wind. Armer Stromer, er ist also eifersüchtig. Deshalb bleibt er jetzt abends immer enger weg, obwohl es draußen schneit und der Wind die Äste von den Bäumen schlägt.
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,Meinst du nicht, du könntest ein bißchen kooperativer sein. Sie ist doch noch ein Baby, gebe ich zu bedenken. ,Ein Baby? Das ganze Haus stellt sie auf den Kopf. Alles dreht sich nur noch um sie. >Wo ist die Cleo?< heißt es von früh bis spät. Sie ist doch wirklich zu blöde. Dauernd läßt sie sich irgendwo einsperren: Im Schrank, im Bett, im Bad, sogar in den Eisschrank wollte sie reinkriechen! Und dann immer das Gepiepe, als ob sie ein Vogel wäre. Kann sie denn nicht anständig miauen, wie alle anderen Katzen auch? >Cleo, mach mal Piep< heißt es von morgens bis abends. Piep . . .’ Er schüttelt sich voller Verachtung. ,Sie kann eben noch nicht miauen. Sie übt doch schon!’ ,Ha, üben. Wie klingt das denn. Miiii, wie das Quietschen einer dicken Maus. Und dann die Putzerei den ganzen Tag. >Seidenfellchen< hast du gestern zu ihr gesagt. Seidenfellchen . . .’ ,Also, wenn du dich ein bißchen mehr putzen würdest, könnte das nicht schaden. Du siehst ziemlich struppig aus, und deine Pfoten sind auch nicht die saubersten’, ermahne ich ihn. 46
,Wozu?’ Seine Schnurrbarthaare zittern empört, ,Ihr laßt mich ja doch nicht in euer Bett!’ ,Eine Katze gehört nicht ins Bett’, sage ich. ,Ach, das ist mir allerdings neu! Wer war das denn gestern nacht in eurem Bett? Sie hat die ganze Nacht bei euch geschlafen, und morgens hat sie euch die Nasen geleckt. Das hätte ich mir mal erlauben sollen!’ Dieses Gespräch beginnt einen ungünstigen Verlauf zu nehmen. Ich kraule ihn hinter den Ohren. ,Du hast einen schönen Kopf, sage ich, um ihn zu besänftigen und weil es die reine Wahrheit ist. ,Wie ein Luchs siehst du aus, wenn du wütend bist.’ ,So, findest du?’ Er schließt die Augen genießerisch. Fast meine ich, ein leises Röcheln zu hören. Da läßt uns ein lautes Klirren aus unserer Zweisamkeit aufschrecken. Stromer springt unter den Tisch und ich ins Schlafzimmer. Da liegt er, mein schöner Römer, ein Erbstück von meiner Großmutter; der Topf mit den Azaleen ist auch umgekippt, und inmitten blauer Scherben und roter Azaleenblüten sitzt unsere kleine Ratte und putzt sich. Ach Cleo . . . 47
Transportprobleme und wie man sie nicht löst Ein Tierarztbesuch ist wieder mal fällig, beide Katzen sollen geimpft werden, bei Cleo ist der Wurm - genauer der Bandwurm - drin, und Rosco braucht etwas gegen Rheuma. Wo Cleo steckt, weißlich nicht; sie schläft seit ein paar Tagen auf dem Garderobenschrank. Wir haben ihr den von Stromer verschmähten Weidenkorb auf den Schrank gestellt, sie findet den Korb herrlich solange er auf dem Schrank steht; stellen wir ihn an einen „vernünftigen“ Platz, beachtet sie ihn genauso wenig wie der ursprüngliche Besitzer. Rosco liegt, obwohl es 2° unter Null hat, auf der Terrasse, und zwar nicht auf seiner Decke unterm Dach, sondern im Freien im Schnee! Das wird seinem Rheuma gut tun. Aber da es ein hoffnungsloses Unterfangen ist, einen Chow dazu bewegen zu wollen, ins Haus zu kommen, wenn er die Luft draußen besser findet, versuche ich es erst gar nicht. Stromer ist heute den ganzen Tag noch nicht aufgetaucht. Ich
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pfeife und klappere laut mit seinem Futternäpfchen (manchmal habe ich damit Erfolg). Das Transportproblem habe ich perfekt gelöst: Stromer kommt in die Tasche, die kennt er schon vom letzten Mal, Rosco wie immer hinter die Rücksitze des Simca auf die Ladeflä che, da kann er rausgucken und liegt bequem. Cleo nehme ich am besten auf den Arm, sie ist ja noch so klein und wird bestimmt kein Theater machen. So werden wir die Fahrt zum Arzt, der seine Praxis in der nächsten Stadt hat, sicher meistern. Gott sei Dank, da kommt Stromer endlich, und dann kommt auch schon das Herrchen all dieser Tiere. Das war perfektes Timing. Stromer läßt sich ohne Protest in die Tasche setzen, aber Cleo will nicht auf meinem Arm bleiben. »Ich steck’ die Kleine in meinen Mantel“, schlägt unser Familienoberhaupt vor. Da steckt sie ohnehin jeden Abend. Wenn wir mit unserem Hund unsere Abendrunde drehen, krabbelt Cleo in den Lammfellmantel meines Mannes. Da sitzt sie dann, nur das Köpfchen sieht heraus, und sobald die Scheinwerfer eines Autos vor uns aufblenden, taucht sie unter. „Gefährlich“, sage ich dann laut und 49
stoße ein warnendes Zischen aus. Nur gut, daß uns um diese Zeit kein Nachbar begegnet! Auf diese Weise hat die Katze frische Luft und lernt die Gegend kennen, argumentieren wir, denn allein rauslassen wollen wir sie noch nicht der Straße wegen. Man reißt gerade jetzt bei uns im Dorf die Hauptstraße auf, und die Umleitung führt leider direkt an unserem Haus vorbei. Für ein halbes Jahr bekommt so unsere verhältnismäßig ruhige Straße Autobahncharakter. Die Idee mit dem Mantel ist also nicht so abwegig. Aber was ist, wenn wir plötzlich bremsen müssen und mein Mann gegen das Steuer geschleudert würde? Das geht also nicht, lieber stecke ich Cleo in meine Jacke. Nur, meine Jacke ist eben nicht sein Mantel. Schon nach zwei Minuten wird sie unruhig und will raus. Während ich sie zu halten versuche, gelingt es Stromer, sich aus der Tasche zu befreien. Also gut, dann kommt eben Cleo in die Tasche und Stromer auf meinen Schoß. Ich habe alle Hände voll zu tun. Stromer sitzt jetzt friedlich auf meinem Schoß, aber Cleo schreit in der Tasche wie am Spieß. Nur Verrückte können auf die Idee kommen, 50
mit drei Tieren gleichzeitig zum Tierarzt zu fahren! Also Tasche auf, Cleo raus. Jetzt wird auch noch der Hund unruhig und bläst mir seinen feuchten Atem ins Genick. Stromer sieht fasziniert aus dem Fenster. ,Soviel Autos und die Leuchtreklamen.’ Unser Kater vom Lande ist sichtlich beeindruckt. Er scheint keinerlei Fluchtversuche vorzubereiten, also lasse ich ihn behutsam los und greife mir Cleo, die gerade im Begriff ist, dem Fahrer auf den Kopf zu klettern. Jesus, wir sind ja wohl bescheuert. Gleich morgen kaufe ich noch eine Tasche, und dann wird mit Cleo trainiert, damit sie sich dran gewöhnt. Überhaupt lasse ich dieser Katze viel zu viel durchgehen, schließlich ist sie schon zwölf Wochen alt und kein Baby mehr. „Rosco, setz dich, du sabberst mich ganz voll!“ Sind wir denn noch nicht da? Ausgerechnet heute ist die Straße gesperrt, also heißt es, die Umleitung durch die Altstadt fahren. Noch eine Kurve und noch eine Kurve durch die engen Gäßchen: den Hund wirft es hinten um, ‘Warum setzt er sich auch nicht! »Wenn wir da sind, gehe ich zuerst mit dem
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Hund rein, du wartest solang mit den Katzen im Auto. Wenn der Hund fertig ist, bring ich ihn wieder her und hole dich und die Katzen. Du steckst dann Stromer wieder in die Tasche, und ich halte die Cleo!“ „Aye, aye, Sir“, sage ich erschöpft und hindere Cleo daran, auf die Vordersitze zu entweichen. Noch zwei Kurven, den Hund haut es noch mal um, dann sind wir endlich da. Während ich links Stromer halte und rechts Cleo, öffnet der Fahrer blitzschnell die Tür und springt heraus. Mir ist ganz flau im Magen, ich vertrage das Autofahren auf dem Rücksitz nun mal nicht besonders, speziell in den Kurven... Es stellt sich heraus, daß ich nicht der einzige Beifahrer mit einem empfindlichen Magen bin, Stromer hat auch so seine Probleme! Wie praktisch, daß ich ihn erst vor einer halben Stunde gefüttert habe, so ist das, was sich jetzt in einem Schwall über meine Pelzjacke, den hinteren Sitz und den Türgriff ergießt, wenigstens noch verhältnismäßig frisch! Ach Stromer . . .
Sport - Spiel - Entspannung Nichts ist gemütlicher und entspannender, als ein Regentag mit Katzen im Haus! Das Feuer knistert, ich lümmle auf dem Sofa, neben mir ein dampfender Glühwein, und unter meinem Rock schnurrt Cleo. Lange Röcke sind ihre Leidenschaft. Sobald die Hausfrau oder eine Freundin der Hausfrau sich, in einen langen Rock gehüllt, niederläßt, ist Cleo auch schon drunter. Und ganz im Vertrauen - es gibt kaum etwas Zärtlicheres unterm Rock als ein seidiges, schnurrendes Kätzchen! Bei jeder ihrer sanften Bewegungen kitzeln ihre Schnurrhaare meine Kniekehlen und ab und zu fährt eine rauhe Zunge mir zärtlich über die Haut. Nach einer halben Stunde ist mein rechtes Bein eingeschlafen, eine Verlagerung desselben quittiert Cleo mit einem unwilligen Maunzen. Na, dann eben nicht. Irgendein Heiliger soll sogar den Zipfel seines Mantels abgeschnitten haben, um eine schlafende Katze nicht zu stören, da werde ich ja wohl ein eingeschlafenes Bein ertragen können.
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Stromer schläft im Sessel, Bauch nach oben, Kopf angewinkelt. Er würde nie unter Röcke kriechen, auch nicht unter Hemden, abgezogene Bettücher, auf dem Fußboden deponierte Lederjacken unserer Pseudo-Rocker (ich werde nie begreifen, warum alle unsere jugendlichen Besucher ihre Lederjacken auf den Boden schmeißen - es muß sich um einen geheimen Stammes-Ritus handeln. Neulich habe ich sie in Panik versetzt, als ich ihre Jacken und Helme einsammelte und in den Garderobenschrank trug. Sie waren zwei Stunden lang ratlos, bis sie auf die verblüffende Idee kamen, dort nachzusehen, wo man normalerweise seine Kleidung ablegt!). Cleo hingegen liebt solche Verstecke, deshalb kreischt unsere gesamte Familie jedesmal „Achtung, die Katze“, falls ein Nicht-Eingeweihter gedenkt, sich auf einer Decke oder einem Kissen niederzulassen. Am allerliebsten sind ihr große Plastiktüten. Kaum liegt eine Tüte auf dem Boden, schon ist die Katze drin. Und dann erleben wir das Phänomen der wandernden Tüte. Sie pirscht sich im Schutz dieser Tüte, wie ein Krebs in seinem Haus, an Rosco heran. Dann fährt eine Pfote 54
aus der Tüte und krallt sich in die Mähne unseres Löwen oder zieht ihn blitzschnell am Schwanz. Rosco läßt diese Überfälle mit Gelassenheit über sich ergehen, nur die Nase hält er etwas höher, er weiß, warum. Wenn das Tütenspiel seinen Reiz verloren hat; spielt Cleo mit mir „Verstecken“. Zuerst verstecke ich mich, möglichst hinter einer Tür, dann rufe ich laut - selbstverständlich in der Katzensprache brrrytt mit langem R, ich kann das schon recht gut! Meine Familie wundert sich. Cleo schleicht lautlos näher, bis sie vor meinem Versteck steht. Jetzt komme ich (mit Gequietsche) heraus. Sie erschrickt so, daß sie mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft springt. Nun muß sie sich verstecken. Ich rufe, und sie antwortet mir, damit ich die Richtung erkenne. Sobald ich in der Nähe ihres Versteckes bin, wird sie mucksmäuschenstill. Jetzt ist sie dran. Kaum habe ich sie gefunden, springt sie fauchend aus ihrem Versteck, und ich falle selbstverständlich vor Schreck um und stehe erst wieder auf, wenn sie mir die Nase leckt. Das ist ein herrliches Spiel, nur hält sich Cleo manchmal nicht an die Spielregeln. Wir haben vereinbart, daß wir uns immer 55
abwechselnd verstecken und nicht aufgeben, bevor wir den anderen gefunden haben. Sie hingegen findet es besser, wenn ich mich drei. mal hintereinander verstecke, und es ist auch schon vorgekommen, daß sie mich in meinem Versteck schmoren ließ und seelenruhig in die Küche schlendert, um ihren Freßnapf zu inspizieren. Ihr Lieblingsspiel heißt „Frauchen bewegen“ und ist ebenso simpel wie wirkungsvoll. Man benötigt hierzu eine ca. zwölf Wochen alte Katze, eine leicht gestreßte, berufstätige Hausfrau, Alter unerheblich, und eine möglichst große, unübersichtliche Wohnung. Günstig sind außerdem: Schrankwände, hinter die eine Katze nicht kriechen soll, Blumenfenster mit Yukkas, kleine Palmen o.ä. (Hauptsache, sie haben einen Stamm, an dem man hochklettern kann) Hifi-Türme, in denen man sich zwischen die Verkabelung legen kann, Blumenvasen mit möglichst viel Wasser, die man umkippen kann und die dann den Teppichboden möglichst gleichmäßig durchfeuchten, Porzellan, je teurer, desto besser, das man vorsichtig bis zum Tischrand schiebt und dann, mit einem letzten, schwungvollen Touch 56
abstürzen läßt, blühende Topfpflanzen, die man Blüte für Blüte fein säuberlich abzupft, wertvolle Bildbände, am geeignetsten sind ausgeliehene, in die man seine Krallen schlägt, rupfenbespannte Wände, an denen man hochklettern kann - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Spiel beginnt man am besten im Blumenfester. Cleo klettert - die Pflanze neigt sich und fällt um. Die Hausfrau eilt herbei, richtet die Pflanze wieder auf, staubt das Sofa ab, entfernt die abgebrochenen Blätter und wackelt drohend mit dem Zeigefinger. ,Nein, nein, Cleo, das darfst du nicht!’ Cleo sieht mich mit großen Augen an und scheint zerknirscht. Ich drehe mich um - die Katze klettert, die Pflanze fällt. Mein energisches ,Nein’ verfehlt auch diesmal seine Wirkung nicht. Ich drehe mich um - die Katze klettert . . . Sie schafft das bis zu zehn Mal hintereinander, ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Als ich die Pflanzen festbinde, klettert die Katze nicht mehr. Wozu auch? Ohne den Umfalleffekt ist das Spiel schließlich sinnlos geworden. Jetzt verschwindet sie im Hifi-Turm. Nach 57
einer halben Stunde Turmrücken unter As. sistenz meines Sohnes ist die Katze draußen. Sie schüttelt sich die Staubflocken aus den Ohren, putzt sich zierlich die Vorderpfötchen und lauscht interessiert unserem gemeinsamen Vortrag über die Gefährlichkeit elektrischer Kabel. Mutter und Sohn drehen sich um - die Katze sitzt im Turm . . . Auch das ist ein sehr befriedigendes Spiel! Als wir uns eines Abends entschließen, statt Cleos Programm zur Abwechslung mal das Fernseh-Programm über uns ergehen zu lassen, sehen wir uns schon während der Tagesschau gezwungen, die Schrankwand abzubauen, weil unser Watteflöckchen, die kleine Ratte, es fertiggebracht hat, sich am Fernseher vorbei hinter die Schrankwand zu quetschen und nicht mehr rauskommen will. Da erinnern wir uns in unserer Verzweiflung einer Übung aus den Anfängen unseres Ehelebens. Damals fing unser hoffnungsvoller Sprößling gerade an, auf unsicheren Beinen die Wohnung zu erforschen. Also taten wir das Naheliegendste, wir begaben uns auf sein Niveau und spähten so, auf allen Vieren krabbelnd, in kindgerechter Höhe nach verletzungsver 58
dächtigen Kinderfallen. - Diesmal betrachten wir die Wohnung also mit den Augen einer Katze, dazu müssen wir zwar nicht auf allen Vieren krabbeln, stellen aber fest, daß es leichter ist, einem Kleinkind Gefahren aus dem Weg zu räumen, als eine kleine Katze daran zu hindern, gefährliche Verstecke zu entdecken. Damals wie heute sind größere Umbauten erforderlich. Als wir schwitzend und fluchend alle Ritzen und Spalten verstopft haben und erschöpft nach einer Zigarette greifen, reißt uns ein zartes „Miiii“ aus den Sesseln. Wo ist die Cleo? Wo kann sie schon sein, mault unser Sohn. Eingemauert, zugestopft - hinter der Schrankwand gefangen. Daß der Hausherr an dieser Stelle laut und vernehmlich „Scheiß-Katze“ sagt, wird ihm lange nicht verziehen! Aber sonst sind unsere Katzen sehr pflegeleicht. Niemals verlangen sie, bei Wind und Wetter mit uns Gassi zu gehen, wie das Rosco tut. Sie fressen alles - sofern es ihnen schmeckt bam liebsten Thunfisch in Öl auf dem Sofa). Es soll ja Leute geben, deren Katzen rohes Rinderhack und Krabben bevorzugen, unsere würden das auch, nur bekommen sie es nicht 59
(oder nur an hohen Feiertagen). Sollten wir je zu den vom Glück Begünstigten gehören, die sich von King-crab-legs, Riesen-Gambas und zart geräuchertem Lachs ernähren können, wird auch für unsere Katzen derart Kulinarisches abfallen. Bis es jedoch so weit ist, müssen sie mit Dosenfutter und zwischendurch mal etwas Trockenfutter, damit der Zahnstein keine Chance hat, vorliebnehmen. Katzen sind auch sehr prestigefördernd. Während ich früher, erzählte mir ein Besucher beiläufig von seiner wirklich eleganten Ledergarnitur, nachdem er einen Blick auf unsere alten Cordmöbel geworfen hatte, die Augen verschämt niederschlug und etwas von einer unvorhergesehenen Autoreparatur und dem Finanzamt, das uns noch ruiniert, murmelte, so kann ich heute meinen Kopf stolz erheben und frech behaupten: „Wir hätten uns ja letzte Woche auch fast eine Ledergarnitur gekauft, aber solange die Katzen so klein sind . . .“ Bis vor zwei Jahren sagte ich immer: „. . . solange unser Sohn so klein ist. . .“, das war mir so in Fleisch und Blut übergegangen, daß ich zuerst den leicht verstörten Blick eines anwesenden Ehepaares nicht zu deuten wußte, 60
dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Soeben hatte mein Sohn, 185 cm groß und in schwarzes Leder geschweißt, den Kopf durch die Tür gesteckt und „Hi“ gesagt!
Erziehungsversuche und eine Begegnung, die Folgen haben wird... Ein kühler Sommer oder ein milder Winter, laut Kalender ist es allerdings Januar. Nur richte ich mich schon lange nicht mehr nach dem Kalender sondern nach der Birke hinterm Haus: Sind die kahlen Äste zu sehen, muß Winter sein, sehe ich grüne Blätter, haben wir vermutlich Sommer. Cleo nutzt den wärmsten Winter seit hundert Jahren zu Ausflügen auf den Balkon. Dort sitzt sie in der Clematis und besieht sich die Gänseblümchen auf der Wiese. Auf dem Balkon blüht der Margeritenstock, die im Herbst gesetzten Tulpen sprießen, die Schlüsselblumen treiben frische Blätter, und unsere Katze treibt es aus dem Haus. Wir gewöhnen sie Schritt für Schritt an die Freiheit, mit Herzklopfen auf beiden Seiten! Der Garten wird entdeckt. Ihr Bauch schleift auf dem Boden, ihre rosige Nase zuckt aufgeregt, so schleicht sie über die Plattenwege.
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Alles ist gefährlich“. Motorengeräusche, besonders Lastwagen und Motorräder, lassen sie blitzschnell kehrtmachen. Wie ein geölter Blitz saust sie die Verandastufen hoch, als vom Nachbargarten her Stimmen zu hören sind. Stromer hat es sich auf der Steinbank bequem gemacht und blinzelt in die Wintersonne. Als Cleo mutiger wird und sich durch den Zaun zum Nachbargrundstück schlängeln will, ist der Kater mit einem Satz hinter ihr und versetzt ihr mit der Pfote zwei schnelle Hiebe. Wir glauben an einen Zufall, aber da, schon wieder: Sobald die kleine Katze das Grundstück verlassen möchte, ist Stromer bei ihr und treibt sie zurück. Nach einiger Zeit glaubt er wohl, sein Erziehungsprogramm beenden zu können und trollt sich fort, seine Jagdgründe zu inspizieren. Cleo sieht ihm nach, folgt ihm aber nicht. Hat sie’s begriffen? Auf der Straße unterhalb der Gartenmauer tuckert ein Mofa heran. Ich zische „gefährlich“, und Cleo duckt sich sofort. Dann raschelt es im Gebüsch, und ein riesiger schwarzer Kater taucht auf. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, stolziert er über den Rasen. Cleo stutzt, dann rennt sie hinterher.
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Mein Unterbewußtsein gibt ein kurzes Signal: ,roger - piep - schwarzer Kater - rabenschwarz wie bestellt!’ Ich erteile ihm sofort Redeverbot. ,Unsinn’, sage ich zu Murphy (ich nenne mein Unterbewußtsein „Murphy“, des Urhebers und der Kürze wegen den Dr. lasse ich weg, weil wir sehr intim, wenn auch nicht immer einer Meinung sind), ,jetzt ist es zu spät. Das hättest du dir früher überlegen müssen!’ Dieser Kater ist zwar schwarz, aber bestimmt nicht auf der Suche nach einer Bleibe. Er steht gut im Futter, sein Fell glänzt. Eine Narbe hat er auf der Nase, sicher ein wilder Kämpfer. Der Gedanke muß Cleo auch gerade gekommen sein, denn als der Kater sich unwillig umdreht, um zu sehen, wer da hinter ihm herstolpert, wirft sie sich vorsichtshalber auf den Rücken und zeigt ihm ihren weißen Bauch: Sieh her ich bin ja noch sooo klein! Er glaubt es ihr und schreitet würdevoll davon. Ab sofort findet jeden Morgen der gleiche Kampf statt. Cleo, einmal die Freiheit gekostet habend, will raus, ich möchte, daß sie in, Hause bleibt, weil ich ins Büro muß. Also schließen wir einen Kompromiß: Solange wir 64
frühstücken, darf sie raus, wenn mich die Arbeit ruft, muß sie rein. Wie so viele Kompromisse ist auch dieser in der Praxis schlecht durchführbar, denn der Garten ist groß und Cleo flink. ,Laß sie draußen“, sagt der Hausherr. »Sie ist doch noch so klein“, jammere ich. Und außerdem hat sich das Wetter endlich entschlossen, jahreszeitgemäß zu agieren. Es schneit. Ich sehe Cleo zu, wie sie die Flocken fängt, kleine Schneekugeln vor sich herschiebt, wie ein Kind, das mit Schneebällen spielt. Natürlich wird sie genauso naß dabei wie ein Kind und wird genauso frieren. Also spielen wir jeden Morgen „fang die Katze“. Der Trick dabei ist, sie solange durch den Garten zu jagen, bis sie auf die Birke klettert. Und da steht dann der Hausherr und pflückt sie behutsam vom Stamm. Es funktioniert fast immer, aber nicht sofort, also kommen wir fast jeden Morgen zu spät ins Büro. Dann haben wir eine geniale Idee. Die oberen Äste der Birke hängen genau vor unserem Balkon. Wir ziehen einen Ast noch ein Stück herüber, binden ihn an der Balkonbrüstung fest, legen die kleine Leiter, die vor Jahren am Etagenbett unseres Sohnes den Einstieg erleichterte, 65
über den Ast und zurren sie fest. Voila, jetzt kann die Katze jederzeit über die Birke auf den überdachten Balkon, wo es auch im Winter nie sehr kalt wird, der Südlage und der Holzverschalung wegen. Außerdem baue ich ihr ein Haus aus einer Apfelsinenkiste, sehr.. komfortabel, innen und außen mit Teppich.; boden ausgeschlagen. Stromer sieht interessiert zu, wie ich mir auf die Finger klopfe. ,Wozu denn das?’ ,Das wird ein Haus für Cleo, damit sie es schön warm hat!’ Er blinzelt entzückt: ,Heißt das, diese dumme Katze muß jetzt draußen wohnen?’ ,Aber, aber! Das ist ein Schutzhäuschen, ich stelle es auf den Balkon. Da soll sie rein, wenn es mal sehr kalt ist und sie nicht ins Haus kann. Du darfst es ja auch benutzen. Warum kommst du eigentlich nie über die Birke ins Haus? Cleo hat das gleich begriffen!’ ,Wozu? Ich komme doch viel bequemer über die Terrasse ins Haus!’ ,Da pfeift der Wind aber um die Ecke. Außerdem kommen da auch große Kater aus der Nachbarschaft hin. 66
,Nicht, wenn ich da bin’, sagt er und besieht sich seine Krallen. ,Außerdem, dieser zimtfarbene Bär, den ihr Rosco nennt, liegt ja auch da.’ - ,Der hat auch ein dickes Fell. Er kommt aus China und liebt die Kälte’, belehre ich ihn. ,So?’ sagt er. China interessiert ihn nicht. Dann macht er einen Vorschlag: ,Wie wäre es denn mit einer Katzentür, da müßte ich meine Stimme nicht so strapazieren, bis ihr mich hört und mir aufmacht?’ ,Geht leider nicht’, sage ich, ,die Türen nach draußen sind alle aus Glas, außerdem haben wir das Haus nur gemietet. Wir können da nicht einfach Löcher in die Türen schneiden!’ ,Naja’, sagt er, ,ich weiß sowieso, wann ihr normalerweise nach Hause kommt und richte mich danach. Ich höre dann das Garagentor zuschlagen, und dein wirklich nervtötendes Pfeifen kann man ja auch kaum überhören!’ ,Wenn das so ist, warum kommst du dann nicht gleich, wenn ich pfeife?’ wage ich zu fragen. Mir ist eben nicht immer danach. Deine Cleo kommt ja auch nicht gleich. ‘ ,Das stimmt, aber sie antwortet mir wenigstens. Da weiß ich, sie ist in der Nähe.’ 67
,Das nennst du antworten? Dieses komische ,brrrytt’? Wie ein bescheuerter Kanarie! Ich bin mal gespannt, ob die überhaupt noch mal lernt, richtig zu miauen . . . ‘ ,Mir gefällt ihr >brrrytt<. Finde ich sehr hübsch. Es klingt richtig liebevoll. Dir muß es ja nicht gefallen!’ ,Liebevoll. . . ‘sagt er und macht einen Buckel. ,Ich finde es bescheuert. Wie ein blöder Kana...’ ,Du wiederholst dich’, unterbreche ich ihn. ,Na und - du nennst sie doch selbst so.’ ,Ich . . .?’ ,Ganz richtig. Gestern hast du beim Bürsten zu ihr gesagt: mein Vögelchen. Man stelle sich das einmal vor - eine Katze, zu der man >mein Vögelchen< sagt! Das ist beinahe so schlimm Wie dein ewiges >Mäuseschwänzchen, Mausilein<. Paß nur auf, daß dein >Mausilein< nicht mal vom Kater gefressen wird, wenn sie frisch gebürstet herumstolziert!’ ,Du könntest dich auch mal wieder bürsten lassen’, sage ich zu ihm. Er sieht mich entsetzt an: ,Schon wieder?’ ,Was heißt hier >schon wieder<. Das letzte Mal war vor einer Woche, und da auch nur für 68
höchstens zwanzig Sekunden, dann hast du in die Bürste gebissen. Sieh dir mal dein Fell an. Cleos Fell glänzt wie schwarze Seide!’ ,Weiberkram’, sagt er verächtlich. Die Kiste ist fertig. Er steigt hinein und sitzt einmal Probe. ,Gemütlich, nicht?’ Er macht ,pfft’ und geht wieder raus. Cleo schlendert herbei und legt sich aufs Dach. Hinein geht sie erst gar nicht. Ich betrachte meinen lädierten Daumen: ,Wozu werkele ich eigentlich für euch? Ihr macht ja doch, was ihr wollt’, sage ich. ,Dafür sind wir ja auch unabhängige Katzen. Hast du das vergessen?’ ,Brrrytt’ macht Cleo zur Bekräftigung, legt sich auf die Seite, nimmt ihr weißes Schwanzspitzchen zwischen die Vorderpfötchen und knabbert daran. Ach Cleo, du bist ja so süß . . .
Aerobic - heißt die Parole Es wird Frühling. Die paar Tulpen, Primeln und Narzissen, die es vorgezogen haben, nicht schon im Januar hervorzubrechen, kommen sich etwas deplaziert vor und verschwinden verschämt. So erkennen wir ihn vor allem am stärker einsetzenden Regen. Nur die Hausfrau beschließt, sich der Jahreszeit entsprechend zu verhalten und macht, was alle Hausfrauen in diesem Frühling machen: Sie bewaffnet sich mit entsprechender Literatur, Musikkassetten und bunten Wadenwärmern und hilft der Industrie, die Aerobic-Welle weiterwogen zu lassen. Während meine Gelenke rhythmisch knakken und der Beat dröhnt, schlendert Cleo interessiert näher, und dann steigt sie voll ein: links herum und rechts herum, drehen, drehen, drehen, immer dem eigenen Schwanz und der Musik nach. Aus dem Stand auf den Tisch und gleich noch einmal von vorne das Ganze! Links herum geht’s schneller. Sie legt ein enormes Tempo vor. Schließlich bleibe ich
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erschöpft nach Luft japsend auf dem Boden liegen. Cleo leckt mir zufrieden die Nase. Wenn ich dem Rest der Familie berichtete, daß Cleo mit mir Aerobic treibt, würde mich das höhnische Gelächter meiner beiden Männer noch wochenlang verfolgen. Also sage ich erst mal gar nichts, sondern schlage dem Senior listig vor, doch anstatt seines Waldlaufes mal mit mir Gymnastik zu machen. Wir sind noch bei den Lockerungsübungen, da naht sie schon, unsere kleine Ratte. Einmal links herum, einmal rechts herum und zur Abwechslung über den Sessel und unter den Tisch und jetzt das Ganze von vorne! Dem Junior, der sich die Gliederverrenkungen seiner Eltern nicht entgehen lassen wollte, fällt beinahe die Zigarette aus dem Mund. Er rennt zu seinen Kumpanen in den Keller, die dort den Flipper malträtieren. Sein lautstarkes: „Echt irre, unsere Katze macht Aerobic!“ dringt bis zu uns hinauf ins Schlafzimmer, das höhnische Gelächter seiner Freunde ebenfalls. Der Senior sieht unserer turnenden Katze eine Weile stumm zu, dann fragt er leicht irritiert: Hat sie das schon lange?“ 71
„Wieso“, sage ich lässig, „das ist doch nichts Besonderes. So halten wir uns eben fit, meine Cleo und ich!“ Wie fit Aerobic Katzen macht, können wir schon zwei Stunden später feststellen: Weder gelingt es mir, sie am Entweichen in den nächtlichen Garten zu hindern, noch reicht meine Kondition, unsere Aerobic-gestählte Katze einzufangen. Um Mitternacht grollt der Senior: jetzt hör schon auf mit dem Gepfeife und komm endlich ins Bett, du weckst ja die ganze Nachbarschaft auf. Warum soll die Katze nicht draußen bleiben, Stromer ist schließlich auch nachts unterwegs.“ Ich sage mein bekanntes Sprüchlein „Aber sie ist doch noch so klein!“ und sorge mich. Erst gestern, wir waren gerade beim Abendessen, schellte einer dieser herzlosen, hartgesottenen Jugendlichen, die bei uns ein und aus gehen, betrat sehr cool und lässig die Diele, warf seinen Motorradhelm auf den Boden und sprach so nebenbei: »Draußen liegt eine überfahrene Katze nein, nicht der Stromer - eine Weiße. Ich hab schon den Verkehr umgeleitet, jetzt paßt so’n Typ auf. Kommen Sie schnell“ hier brach ihm die Stimme und er stockte72
„denn anfassen kann ich das arme Tier nicht!“ Während der Rote-Kreuz-Trupp hastig aufbrach, suchte Florence Nightingale nach Tupfern, Verbandsmull, Valium und Whiskey. Bis auf den Whiskey wurde nichts benötigt, denn sie kehrten ohne Katze heim. Ihr Bericht lautete, stark gekürzt, folgendermaßen: Hör mal - weißt du, da lag diese Katze - süße kleine Katze, ganz weiß - laß mich doch mal ausreden verletzt am Hinterpfötchen - du hast sie doch gar nicht - ich hab sie doch - und blutete aus einer tiefen Wunde - einfach geklingelt - sagt der Mann schrei doch nicht so - hier kann man eben keine Katze halten jetzt sei doch mal still - so glücklich, daß ihre Pussy noch am Leben - du Blödmann, wer erzählt denn hier? Also die Sache war ganz einfach: Die verletzte Mieze wurde von unseren Samaritern auf gut Glück zur ersten Haustür an der Unfallstelle getragen und da gehörte sie auch hin. „Am liebsten“, sagte der Mann, der zum Geburtstag keine Katze wollte, „hätte ich sie ja behalten. Als sie so auf meinem Arm lag und leise tagte - ganz still hat sie gehalten, so als ob sie gewußt hätte, wir würden ihr helfen - da war 73
ich ganz gerührt. Hoffentlich hat sie’s auch gut da, wo sie zu Hause ist!“ So sprach er gestern, und jetzt schnarcht er herzlos, während ich ängstlich nach draußen lausche und meinem Unterbewußtsein den Auftrag gebe, doch bitteschön alle Autofahrer heute nacht von unserer Straße fernzuhalten. Um halb vier Uhr höre ich ein zartes, aber unverkennbares „Miiie“ unter dem Fenster. Ich rase nach unten und reiße die Terrassentür auf. Unser Ausreißer flitzt an mir vorbei und eilt unverzüglich die Treppen hoch ins Schlafzimmer. Den Rest der Nacht verbringen wir zu dritt im Bett - was selbstverständlich sehr unhygienisch ist und keinesfalls weiterempfohlen werden soll! Ach Cleo . . .
Auch Vampire können lieben In der Osterwoche fahren wir nach Spanien, mein Mann der Geschäfte, ich der Sonne wegen und lassen unseren Sohn das erste Mal, versehen mit reichlich Tiefkühlkost und noch reichlicheren Ermahnungen zur Pflege unseres Haus-Zoos zurück. Wir genießen die Sonne, das Essen und unsere Zweisamkeit. Jeden Tag erhalten wir einen Lagebericht per Telefon: Ja, ihm geht’s gut. Er hat nur den Kolbenfresser und braucht 100 DM. Den Katzen geht’s auch gut. Seine Ostereier hat er noch nicht gefunden, und draußen schneit’s. Das Finanzamt will Geld von uns und die Putzfrau ist krank. Dem Hund geht’s auch gut. Die Ostereier hat er immer noch nicht gefunden. Ja, der Cleo geht’s auch gut. Draußen schneit’s noch immer . . . Als wir nach 10 Tagen zurückkommen, hat er die Ostereier immer noch nicht gefunden; der Hund begrüßt uns enthusiastisch, der Sohn gemäßigt, die Katzen ignorieren uns und um
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schmeicheln unseren Sohn geradezu impertinent. Kein Zweifel, er hat sie gut versorgt. Ein Blick auf den Kalender erinnert uns daran, daß „es“ soweit ist. Es ist die fällige „Sterilisation“ unserer Katze, sie ist jetzt fast sieben Monate alt und wird sicher bald rollig werden, allerdings ist sie immer noch sehr zierlich. Was ist, wenn der Eingriff ihr Wachstum beeinträchtigt? Ein Teil der befragten Spezialisten (alle Katzenhalter bezeichnen sich als Spezialsten) ist der Meinung, das sei schlecht für die Entwicklung, zudem sollte eine weibliche Katze einmal werfen dürfen, das sei besser für ihre Psyche. Der andere Teil erklärt genauso überzeugend, das wäre der pure Quatsch; je eher man eine Katze kastrieren lasse, desto unproblematischer sei der Eingriff, und über Mutterfreuden könne man überdies geteilter Meinung sein - auch bei Katzen! Alle Spezialisten haben übrigens eines gemeinsam: In ihrer Verwandtschaft oder näheren Bekanntschaft gibt es immer jemanden, dessen Katze, Kaninchen oder Meerschweinchen bei diesem Eingriff ganz oder beinahe eingegangen ist. Die Operation endete tödlich, die Narbe ging wieder auf, das Tier bekam 76
Fieber; und wenn es einmal keine Komplikationen gab, so veränderte sich zumindest sein Wesen zum Nachteil. Wir zögern also. Außerdem macht uns Rosco gerade Sorgen. Sein Rheuma wird schlimmer, hinzu kommt eine Nierenentzündung. Als ich eine Nacht lang neben ihm sitze und seine kalten Pfoten massiere, weiß ich, wir werden bald Abschied nehmen müssen. Doch der Tierarzt beruhigt uns und meint: Das kriegen wir schon wieder hin. Eine Woche lang müssen wir fast täglich mit dem Hund zum Spritzen; jetzt auch noch eine frisch operierte Katze pflegen - dazu noch die Hektik im Büro. Kurz - wir finden immer neue Gründe, den Eingriff aufzuschieben. Rosco erholt sich tatsächlich, er frißt wieder und genießt seinen Abendspaziergang mit uns. Wenn wir zurückkehren, begrüßt Cleo ihn zärtlich. Sie schmiegt sich an seine Mähne, reibt ihr Köpfchen an seinen Beinen und lä ßt ihre Schwanzspitze über seine Nase zittern, dann läuft sie o-beinig davon, der Hund hinterher. Hat er sie endlich auf einen Sessel getrieben und steht winselnd vor ihr, geht es ihm wie so manchem stürmischen Liebhaber: 77
endlich am Ziel, weiß er mit der Dame nichts anzufangen! Da steht er nun, sieht die Katze an und wedelt mit dem Schwanz, und die Katze sieht ihn an und stupft ihm spielerisch mit der Pfote auf die Nase. Dann rollt sie sich, ein weißes Pfötchen über die Augen gelegt, das andere wie erstarrt himmelwärts gerichtet, zusammen und schläft unverzüglich ein. Der Hund dreht sich ein paarmal um die eigene Achse und legt sich dann seufzend nieder, die Augen unverwandt auf Cleo gerichtet. Auch meine Augen ruhen, wenn nicht unverwandt, doch sehr häufig, auf der Katze. Ich sehe ihr zu, wenn sie morgens in der Badewanne nach Wassertropfen angelt, in der Klematis herumklettert und, zwischen Gänseblümchen kauernd, auf Mäuse lauert, die nie erscheinen. Ich beobachte, wie sie sich putzt: zuerst ein Ohr, dann das andere, ein bißchen Intimpflege zwischendurch, dann wieder ein Ohr, das rechte Pfötchen, dann die Nase. Es sieht ziemlich planlos aus, scheint aber wirkungsvoll zu sein, denn ihr Fell schimmert lackschwarz, und die weiße Zeichnung leuchtet wie frischgefallener Schnee, ihre Pfötchen 78
sind stets makellos sauber und rosig. Sie duftet nach Heu, Klematisblüten oder Parfüm, je nachdem, ob sie gerade aus dem Garten oder meinem Wäscheschrank zurückkehrt. Meine Zähne jucken“, sage ich. Dir juckt was?“ Mein Lebensgefährte sieht verblüfft von seiner Zeitung auf. „Mir jucken die Zähne, wenn ich die Katze ansehe“, (vor lauter Liebe jucken sie, ihr Ignoranten, jawohl . . .) - „Stark, einen Vampir zur Mutter hat sonst keiner in unserer Klasse.“ Das ist mein hoffnungsvoller Sprößling, er liebt nur sein Motorrad und Dallas. Ich versuche, mich zu rechtfertigen und erzähle den beiden, daß schon Maupassant gesagt hat, in unserer Liebe zu den Katzen gäbe es sowohl eine erotische als auch eine grausame Komponente. „So, hat er das . . .“, dem mir Angetrauten sind allgemeingültige Lebensweisheiten toter Dichter suspekt. „Mir jucken die Zähne jedenfalls nicht“, betont er störrisch. Wie soll ich es ihnen nur begreiflich machen? Manchmal verspüre ich den unwiderstehlichen Drang, diese rosigen Pfötchen anzuknabbern, diese zarten Öhrchen zwischen die 79
Zähne zu nehmen, und deshalb jucken sie eben! Wahrscheinlich bin ich pervers, oder ein verspäteter Mutterkomplex bricht bei mir aus. Als mein Sohn ein Baby war, konnte ich stundenlang an seiner weichen Haut schnuppern und knabberte an seinen runden Ärmchen und an den winzigen Fingern - sehr zart natürlich! Wo soll ich jetzt an einem 17jährigen, lederumhüllten Motorrad-Freak wohl noch knabbern? „Cleo, meine kleine Ratte, ich könnte dich fressen. Deine Öhrchen, deine kleinen Pfötchen, dein niedliches Schwänzchen . . .“ und dann gebe ich ihr schnell einen Kuß auf die Stirn. „Bäh . . .“, sagt mein Sohn, und sein Vater seufzt nur. - Ach Cleo, du bist ja so süß!
Die Nächte der Cleo R. Ein Sex Report Kurz vor Pfingsten gelingt es Cleo, auch das letzte Familienmitglied zu erobern. Stromer gibt sein reserviertes Benehmen ihr gegenüber endlich auf. „Seht mal, Stromer rennt hinter Cleo her und will mit ihr spielen. Ist das nicht nett?“ »Spielen? Na, du bist vielleicht naiv, rollig ist sie, deine Cleo“, belehrt mich der Mann, der bei uns zu Hause alles besser zu wissen glaubt und zwinkert seinem Sohn zu, der dann alles besser weiß. Aber sie ist doch noch . . .“ „. . . so klein!“ beenden Vater und Sohn meinen Satz wie aus einem Munde. In den Augen des Katers ist sie jedenfalls groß genug. Er verfolgt sie und lockt leise; sie dreht sich um und beschnüffelt zärtlich seine Nase, dann fällt sie ihm um den Hals, er weicht zurück und faucht unwillig: Sie ist verdutzt: kein Ringkampf? Also her mit dem Tischtennisball. Sie duckt sich, schleicht heran; ein Sprung und
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sie treibt den Ball mit Geklapper und Getöse vor sich her an Stromer vorbei unter das Sofa. Aus dem Dunkel leuchten ihre weißen Pföt- chen, taucht ihr weißumrandetes Schnäuz. chen auf. Sie niest, da war wohl zuviel Staub unter den Möbeln! Als sie wieder auftaucht, den Schwanz wie zum Fragezeichen gebogen, gurrt sie verhalten. Meint sie nun mich oder den Kater? Der fühlt sich nicht angesprochen. Seine Bernsteinaugen verfolgen jede ihrer Bewegungen, als sie den Ball erneut vor sich herkickt. Rechte Pfote, linke Pfote, das geht rasend schnell, ihre weiße Schwanzspitze erstarrt dabei abgeknickt in der Luft. Ein Seitenblick zu Stromer: Läßt sich dieser Kater denn durch gar nichts aus der Ruhe bringen? Sobald sie das Ballspiel aufgibt, ist er wieder bei ihr, maunzt leise und verfolgt sie durch das ganze Haus bis in den Garten. Da sitzt sie nun und sieht den Schmetterlingen nach. Ich habe den Eindruck, als ob Stromers erwachendes Interesse ihr etwas rätselhaft erscheint. Der Kater beschnüffelt jeden Grashalm, auf dem sie gesessen hat, macht aber keinen ernsthaften Versuch, sich ihr zu nähern. Und dann erscheint gegen Abend der erste 82
Rivale! Tiefschwarz, schlank und hochbeinig. Er ruft laut und fordernd, ein vielstrophiger Gesang, melodisch und sehr zärtlich. Cleo erstarrt, dann rast sie, wie von Furien gehetzt, die Treppe zur Veranda hoch. Oben macht sie halt und lugt vorsichtig um die Ecke. Der Schwarze bleibt im Garten sitzen, noch wagt er nicht, ihr auf die Terrasse zu folgen, wo außer der Heißgeliebten auch noch ein zwar alter, aber gefährlich aussehender Hund liegt. Der Schwarze ist ein schönes Tier, geschmeidig und mit der Eleganz eines Pumas. Über der Nase hat er eine Narbe, ein Ohr zeigt ebenfalls Spuren eines ehemaligen Kampfes. Ich erinnere mich: Das ist der Kater, der uns an einem sonnigen Tag im Februar oder März im Garten begegnete, damals lief Cleo ihm nach, aber er beachtete sie kaum. Ich werde ihn „Goffrey“ nennen. „Goffrey de Peyrac“, der schwarze Graf mit der schönen Stimme und dem vernarbten Gesicht (als Teenager las ich mich durch sämtliche „Angelique-Bände“, jetzt taucht der Name aus der Vergangenheit auf). Cleo ist interessiert, zweifellos, aber so ganz geheuer ist ihr die Sache nicht. Als Goffrey sei
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ne Scheu verliert und ihr auf die Terrasse folgt, flüchtet sie in unser Schlafzimmer und versteckt sich unter der Bettdecke. Nachts schläft sie bei uns, das erste Mal seit langer Zeit zieht es sie nicht in den Garten, auch nicht, als Goffrey nachts nach ihr ruft. Sie ist sehr zärtlich und schmust ausgiebig mit uns, nach draußen geht sie nur, wenn wir ihr Rückendeckung geben. Sobald sie im Garten erscheint, verfolgt Goffrey sie mit seinem unermüdlichen Gesang. Sie kokettiert aus sicherer Entfernung, sobald er ihr jedoch zu nahe kommt, nimmt sie Reißaus und versteckt sich auf der Terrasse hinter dem Hund. Stromer dagegen darf sich ihr nähern, sie beschnuppern und lecken. Sie sieht in ihm wohl nach wie vor nur den Freund, nicht den „Mann“ ! Stromer belauert den dunklen Rivalen, er droht mit dumpfer Stimme, der Schwarze antwortet ihm. Das Murren der beiden Kater klingt wie die geheimnisvolle Unterhaltung fremder Fabelwesen. Noch kommt es nicht zum Kampf. Sie markieren jeden Baum und jeden Strauch im Garten, sitzen sich stundenlang fast bewegungslos gegenüber. Das betonte Desinteresse der Dame Cleo den beiden Her84
ren gegenüber entspricht nicht ganz ihren wahren Gefühlen, denn während sie scheinbar unbeschwert mit uns im Garten spielt, schielt sie möglichst unauffällig immer wieder zu den beiden hin, wirft sich auf den Rücken, putzt sich hastig und planlos, um dann plötzlich wie der Blitz die Birke hochzuklettern. Goffrey folgt ihr unverzüglich auf den Balkon. Dort sitzt unser Liebespaar, die Dame auf dem Tisch, der Herr auf dem Stuhl, und sieht sich stumm in die Augen. Stromer macht auch jetzt keinen Versuch, den beiden über die Birke zu folgen; er nimmt sich jedoch kaum noch Zeit zum Fressen und verläßt den Garten, ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten, nicht mehr. Auch in der zweiten Nacht zieht Cleo es vor, bei uns zu bleiben. Gegen Morgen wird sie unruhig, tigert durchs Haus, springt auf die Fensterbank, um nach draußen zu sehen. Ich öffne ihr die Balkontür, da schießt ein schwarzer Schatten vom Balkontisch über die Brüstung und springt mit einem gewaltigen Satz aus einer Höhe von über drei Metern vom Balkon in den Garten. Goffrey hat hier geschlafen, jetzt sitzt er, unverletzt, aber sichtlich er85
schrocken, auf dem Rasen und beobachtet uns aufmerksam. Cleo sieht erst den Kater, dann mich an, macht „brrrytt“ und verschwindet mit hocherhobenem Schwänzchen wieder im Haus, kuschelt sich in unser Bett und schläft augenblicklich zufrieden ein. So langsam habe ich meine Zweifel, ob unsere Kleine nicht doch noch zu jung für die Liebe ist. Seit einer Woche werden wir jetzt von Goffrey belagert, dann erscheint auch noch ein grau gestreifter Kater aus der Nachbarschaft, den ich bisher, seiner Leibesfülle wegen, für eine permanent schwangere Katze hielt, im Garten; und auf dem Wasserbassin hockt etwas Weißes mit dümmlichem Gesichtsausdruck, groß wie eine englische Bulldogge und genauso häßlich. Der Graue wird von Stromer souverän in die Flucht geschlagen, das weiße Monster zieht es vor, ohne Aufforderung zu verschwinden. Dieser Doppel-Sieg muß Stromer Mut gemacht haben, denn als Goffrey auf der Terrasse erscheint, geht unser Kater steifbeinig und mit gesträubtem Fell zum Angriff über. Minutenlang stehen sich die beiden Kontrahenten wie erstarrt gegenüber, ihre Kiefer arbeiten, ihre 86
Warnrufe werden immer drohender. Dann fliegen auch schon die ersten Fellbüschel über den Steinboden. Ineinander verbissen rollen die Kämpfer alle 15 Terrassenstufen hinunter. Ich greife mir die Gießkanne, um im Ernstfall eingreifen zu können. Rosco trabt herbei, das Kampfgetümmel konnte selbst seinen halbtauben Ohren nicht entgehen. Da stehen wir nun, Frau mit Gießkanne und Hund mit Löwenmähne, und sehen, wie Stromer auf der vorletzten Stufe wieder zu sich kommt und Goffrey sich unter ihm aufrappelt. Diese übermacht ist dem Schwarzen nun doch zu viel. Er trollt sich, ohne allzu große Hast, davon, zurück bleibt ein trotz ramponierten Felles mit sich zufriedener Stromer. Cleo hat den heißen Kampf verschlafen (bei dem Lärm, den die Kater gemacht haben, halte ich das allerdings für unwahrscheinlich, ich glaube, sie tut nur so), ihre Entscheidung hat sie _ Sieg oder Niederlage, längst getroffen Katzenmädchen sind da doch wohl intelligenter als die meisten Zweibeiner. Als Goffrey schon kurz nach der Schlacht wieder auftaucht - ich trinke gerade einen Kaffee mit meiner Katze -, springt sie von meinem 87
Schoß, läuft ihm entgegen, hebt ihr kleines Hinterteil und beginnt zu trippeln; dabei stößt sie kleine, leise Lockrufe aus. Mit einem Satz ist er bei ihr, da huscht das kleine Luder hinter meinen langen Rock, steckt ihr Köpfchen vor und lockt weiter aus sicherem Versteck. Nein, dahin wird er ihr nicht folgen, mag auch seine Leidenschaft noch so groß sein! Er wendet sich ab und versucht sie dazu zu bringen, ihm in den Garten zu folgen. Vergebens! Noch drei-, viermal das gleiche Spiel: trippeln, lokken, und dann, wenn er glaubt, jetzt hat er sie, versteckt sie sich hinter mir. Schließlich wird ihm die Sache zu dumm, er zieht sich endgültig zurück. Als er schon halb die Treppe hinunter ist, hat Cleo den Ernst der Lage erfaßt. Ein letztes Trippeln, ein sehnsüchtiges Maunzen, da ist er schon über ihr. Diesmal hält sie still, er beißt sie sanft ins Ohr, dabei läßt er mich nicht aus den Augen. ,Ach Goffrey, was soll ich tun? Ich weiß es wohl, ich störe. Aber wenn ich jetzt aufstehe, störe ich euch erst recht. ‘Also bleib’ ich sitzen und schaue diskret an den beiden vorbei, so diskret allerdings nun auch wieder nicht, daß mir entgehen könnte, wie klein meine Katze im Verhältnis 88
zu diesem Kater ist. Kaum halb so groß, das Köpfchen geradezu winzig neben seinem vernarbten Schädel. (Hätte ich sie nicht doch lieber „sterilisieren“ lassen sollen? Was ist, wenn der vermutliche Nachwuchs zu groß für sie ist?) So klein sie auch ist, als sie sich mit einem Schrei nach der Paarung befreit, bringt sich der große Kater doch vorsichtshalber vor ihren Krallen mit einem Sprung in Sicherheit. Sie rennt sofort ins Haus. Ich schließe die Tür, als er ihr folgen will. Sein sehnsüchtiges Rufen läßt sie unbeeindruckt. Nachdem sie sieht, daß er ihr nicht folgen kann, rollt sie sich auf dem nächsten Stuhl zusammen, putzt sich sorgfältig, schnurrt, als ich sie kraule und schläft zufrieden ein. Sie schlummert den ganzen Nachmittag, dann, während ich im Garten Unkraut jäte -nach den Prinzip „alles rausreißen, was nachwächst, ist Unkraut“, höre ich es hinter mir rascheln. Cleo ist aufgewacht und klettert über die Birke in den Garten, begrüßt mich kurz und beginnt unverzüglich, durch Trippeln und Gurren kundzutun, wonach ihr jetzt der Sinn steht. Goffrey muß wohl, verborgen im Gebüsch, auf sie gewartet haben, denn er ist 89
sofort zur Stelle. Ein zweites Mal paaren sich beide direkt vor meinen Füßen, diesmal ist er ziemlich ungeduldig und beißt sie - reichlich unsanft, wie mir scheint - in den Nacken. Seine grünen Augen funkeln mich an. „Also bitte“, sage ich, „der Garten ist schließlich groß genug, ich kann auch nichts dafür, wenn sie dich jedesmal vor meiner Nase verführt, mich mußt du deshalb nicht anfunkeln!“ Er ist auf der Hut, und das nicht zu Unrecht, denn diesmal faucht sie wütend, bevor sie sich unter ihm wegdreht und bei mir Schutz sucht. In dieser Nacht bleibt sie abends trotz Nieselregens im Garten. Gegen vier Uhr morgens weckt mich ihr zartes, aber energisches Fiepen (Miauen kann man das immer noch nicht nennen!). Ich tappe schlaftrunken zur Terrasse. Da sitzen sie, Cleo und Goffrey, friedlich nebeneinander vor der Glastür. Die Dame huscht eilig durch die geöffnete Tür nach oben, dem Herrn wird die Tür vor der Nase zugeschlagen. Zwei Kater im Haus, noch dazu zwei Verliebte, ist mir doch zuviel! „Weißt du“, sage ich, als ich wieder ins Bett schlüpfe, „es sah fast so aus, als ob er sie nach Hause gebracht hätte.“ 90
Wer hat wen nach Hause gebracht?“ grummelt es schlaftrunken. ,Na, dein Schwiegersohn Goffrey unsere Cleo, die kleine Ratte. Er hat sie sozusagen an der Haustür abgeliefert. Jetzt sitzt er unten und will auch rein.“ ,Soweit kommt’s noch“, gähnt der Schwiegervater. „Und hör bitte auf, den Kater zu füttern, wir werden ihn sonst nicht mehr los.“ »Aber ich füttere ihn doch gar nicht, nicht richtig!“ verteidige ich mich. „Ab und zu ein bißchen Milch, das kannst du doch nicht füttern nennen. Der arme Kerl hat den Garten seit Tagen nicht mehr verlassen, er muß ja schon ganz erschöpft sein.“ Seine Stimme jedenfalls hat noch keinen Schaden genommen, denn wir hören sein melodisches Rufen bis in den frühen Morgen. Seine schwarzweiße Geliebte, unser Wattefföckchen, zuckt nicht einmal mit den Ohren, hingegen zuckt der Hausherr während seiner Morgentoilette und ergeht sich in seltsamen Verrenkungen. Hast du was?“ frage ich verwundert ob seiner gymnastischen Übungen. „Und ob“, sagt er vergrämt. „Da . . . und da . . .
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und hier auch noch. Das sind Flohstiche. Deine Cleo! Die hat sie von diesem schwarzen Mephisto. Die kommt mir nicht mehr ins Bett - solange sie sich mit fremden Katern herumtreibt“ -schwächt er vorsichtshalber ab. „Also von Katern kann doch nun wirklich keine Rede sein! Bisher hat nicht einmal Stromer bei ihr eine Chance, obwohl er sich so tapfer für sie schlägt. Und Goffrey mußte erst eine Woche lang um sie werben, bevor sie ihn erhört hat - nur ihn. Da könnte sich mancher ein Beispiel dran nehmen . . . !“ Das hört er nicht gern, mein Lebensgefährte, und so beenden wir die Diskussion um Monogamie und Flohstiche und beginnen, weil heute Sonntag ist und wir die berechtigte Hoffnung haben, nach einer Woche Katerbesuch sei es nun wohl vollbracht, die Terrasse, den Balkon und den Garten mittels Schrubber und Gartenschlauch von den penetranten Katerdüften zu reinigen. Ich will es nicht verschweigen, zuletzt stank es bestialisch, aber da dies, so haben wir beschlossen, die einzige Hochzeit unserer Katze sein wird, tragen wir es mit Fassung. Goffrey verschwindet an diesem Sonntag so 92
plötzlich, wie er vor einer Woche aufgetaucht ist, und das könnte dann das Ende einer romantischen Love-Story sein, wenn da nicht noch etwas nachzutragen wäre. Auch die von ihm verlassene, wahrscheinlich geschwängerte Cleo zieht es vor, am Sonntagabend zu verschwinden. Folgt sie etwa seinen Spuren, oder wartet sie, verborgen im dichten Gestrüpp, sehnsüchtig auf seine Rückkehr? Kein Katzengeschrei zieht durch den nächtlichen, wieder nach Gras und Kräutern duftenden Garten, kein zärtliches „brrrytt“ antwortet auf mein Rufen! Als es hell wird, schreckt der Hausherr aus tiefem, weil endlich bisher ungestörtem Traum. Da war doch was, da sind doch Katzenstimmen auf der Terrasse zu hören? »Na, meine Maus“, sage ich zu der Heimgekehrten, die mit einem Satz in mein Bett springt, hat Goffrey dich wieder nach Hause gebracht?“ Der Hausherr steigt auch wieder ins Bett und grinst anzüglich. „Du wirst es nicht glauben“, sagt er, „aber deine kleine Maus ist nicht von Goffrey nach Hause gebracht worden. Vor der Terrassentür sitzt 93
der weiße Riese mit dem stupiden Blick, mit dem hat sie sich rumgetrieben!“ Und dann lacht er herzlos. Ach, Cleo . . .
Von Mäusen und Menschen Die Petunien duften, die Geranien leuchten, und bei den Schnecken hat es sich herumgesprochen, daß hier noch ein Garten existiert, in dem, der Katzen wegen, kein Schneckenkorn ihrer ungebremsten Vermehrung im Wege steht. So feiern sie Nacht für Nacht wahre Freßorgien und werden dick und fett. Dagegen ist selbst der Hausigel machtlos, der sich unter der Terrasse in dem verschmähten Katzenhäuschen eingerichtet hat; so habe ich meinen Daumen wenigstens nicht ganz umsonst malträtiert: Ein Tier zumindest weiß meine Handwerkskunst zu würdiger.Doch sind es nicht nur die Schnecken, die runder werden, auch Cleos Taille verändert sich. Sie sieht aus, als hätte sie eine Bowlingkugel verschluckt. Ungeachtet ihres fortgeschrittenen Zustandes klettert sie nach wie vor in den Wipfeln der Eberesche, erklimmt über die Klematis das Dach und benimmt sich keinesfalls so, wie man das von einer Schwangeren erwartet. Nur für kurze Zeit wird ihr Taten-
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drang gebremst, als die Maler auftauchen, um die Außenwände zu streichen. Durch jedes Fenster sieht ein fremder, weißbekittelter Mann herein, eine höchst gefährliche Situation, der man am besten entgeht, wenn man sich unter der Bettdecke versteckt. Doch bald schon überwiegt ihre Neugier, und so ein Malergerüst eignet sich vorzüglich zum Klettern. Stromer, der endlich wieder Herr im eigenen Garten ist, sieht ihr zu und hat so seine Einwände. ,Diese dumme Katze wird nicht mehr runterkommen. Na bitte, jetzt quiekt sie!’ ,Unsinn’, dämpfe ich seine Schadenfreude, ,wenn sie raufkommt, kommt sie auch wieder runter!’ Es sieht so aus, als behielte er recht. Ich liebe meine Katzen, aber mir graut vor schwankenden Gerüsten. Die Leiter, die ich heranschleppe, ist zu kurz. Cleo quiekt und rennt in Panik von einer Seite des Gerüstes zur anderen. Ich steige auf die oberste Stufe der Leiter und balanciere mit einen Karton am ausgestreckten Arm vor ihrer Nase, um sie zum Absprung zu bewegen. Sie quiekt, aber sie springt nicht. Nächster Versuch, diesmal hole ich mir einen 96
Küchenstuhl, damit komme ich zwar näher heran, aber den Stuhl zu halten, die Balance nicht zu verlieren und die Katze nicht aus den Augen zu lassen, ist ziemlich ermüdend. Stromer verdrückt sich seitlich im Gebüsch. Ich locke in den höchsten Tönen. Lange kann ich den Stuhl nicht mehr halten, meine Armmuskeln zittern schon bedenklich. Cleo quiekt noch einmal ängstlich, dann wagt sie den Absprung. Der Stuhl federt unter ihrem Gewicht, die Leiter schwankt, meine Knie zittern, aber wir schaffen es und erreichen den rettenden Boden, Cleo springt vom Stuhl und leckt sich zierlich die Pfoten. Meinen lautstarken und wenig damenhaften Kommentaren zu dieser Zirkusnummer lauscht sie mit Verwunderung und ohne das kleinste Anzeichen von Reue. Wozu sich aufregen? Das ganze Leben ist ein Abenteuer, und unsere Katzen genießen es auf ihre Weise. Während wir Menschen die lauen Sommernächte mit Freunden feiern, Grilldüfte und Gelächter in den Gärten, Schlagerklänge in den Ohren, streifen unsere Katzen ruhelos umher, keine Nacht hält es sie jetzt noch im Haus, erst zur Frühstückszeit finden sie sich wieder ein. 97
Von einem dieser Streifzüge bringt Cleo einen Vogel mit. Ich höre den entsetzten Schrei einer Freundin: „Die Katze hat einen Vogel!“, kann aber, da ich gerade unter der Dusche stehe, nicht eingreifen. Der Vogel lebt noch und wird vom Sohn des Hauses unverletzt gerettet. Die Frage: Halsband mit Glöckchen für die Katze wird erörtert und verworfen. So ein Glöckchen bimmelt bei jedem Schritt, für eine Katze, diesen lautlosen Schleicher, muß das eine Tortour sein, außerdem besteht die Gefahr, daß das Halsband sich beim Umherstreifen im Gebüsch verfängt. Gelingt es dem Tier nicht, sich zu befreien, ist ein ebenso langsamer wie qualvoller Tod das Ergebnis dieses Vogelschutzes. Im übrigen orientieren sich die meisten Vögel nicht nach dem Gehör, sondern werden eher gewarnt, wenn das Glöckchen zufällig in der Sonne blinkt. Eine Katze ist nun mal ein kleines Raubtier, ihr beibringen zu wollen, daß Vögelfangen verboten, Mäusefangen dagegen, weil für den Menschen nützlich, erlaubt ist, dürfte unmöglich sein. Unsere beiden Katzen schleichen jeden Tag unzählige Male auf Vogeljagd durch den Garten. Ich habe nie gesehen, daß es 98
ihnen auch nur einmal gelungen wäre, in die Nähe eines gesunden Vogels zu kommen, daher glaube ich, daß es sich bei dieser von Cleo angeschleppten Beute um ein krankes oder vorübergehend flugunfähiges Tier gehandelt hat. Meine Geschlechtsgenossinnen, die beim Anblick von Mäusen spitze Schreie ausstoßen und die Flucht ergreifen, mögen mir verzeihen, wenn ich behaupte: Auch eine Maus ist ein niedliches Tierchen und hat das gleiche Recht auf Leben wie der hübsche Singvogel. Das Spiel, das die Katze mit der Maus treibt, mag uns grausam erscheinen, hat aber seinen Grund. Da sitzt die Maus bewegungslos, nur ihre Augen scheinen zu leben, spähen nach einer Gelegenheit, der Katze zu entkommen. Die Katze hockt fast unbeteiligt neben ihr im Gras, hält Ausschau nach Käfern, Motten oder Nachbars-Katern, aber sobald die Maus nur die geringste Bewegung macht, ist die Katze über ihr. Ihre Pfoten packen blitzschnell zu, die Maus wirbelt durch die Luft, noch immer ist sie unverletzt, doch diesmal legt die Katze, fast spielerisch, eine Pfote über den Schwanz der Maus, um ihre Beute an 99
der Flucht zu hindern. Solange die Maus still hält, rührt sich auch die Katze nicht, dann gelingt es der Maus, als die Katze - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - für einen Moment ihren Griff lockert, unter einem welken Blatt auf dem Rasen Zuflucht zu suchen. Die Katze erhebt sich nicht einmal, so sicher ist sie ihrer Sache. Mit der Vorderpfote tastet sie im Halbkreis vor sich das Gras ab. Jetzt hat sie die Geflohene erfühlt und schiebt sie vorsichtig aus ihrem Versteck. Zwei, drei kurze, fast beiläufige Klapse mit der Vorderpfote, ohne die Krallen dabei zu benutzen, machen ihrer Gefangenen klar: Hier bleibst du, bis ich es mir anders überlege. Ich habe Cleo dabei beobachtet, wie sie eine Maus bis in die unteren Zweige des Spalierobstbaumes verfolgte, um das Tier dann wie einen reifen Apfel vom Baum zu pflücken. Versuche, die Katze abzulenken, schlugen fehl; Cleo wußte genau, wohin die Maus geflohen war, und fing sie sofort wieder ein. Ein anderes Mal ließ die Katze, nachdem sie über eine Stunde mit der Maus gespielt hatte, das Tier völlig unverletzt laufen. Aber meistens geht dieses Spiel für die Maus 100
tödlich aus, und ich finde die kleine Leiche mit durchbissenem Genick morgens im Gras. Die Katze ist nicht grausam. Durch dieses „Spiel“ verliert die Maus Urin und wird so für den Magen der Katze ;,bekömmlicher“. Immerhin hat die Maus eine Chance, wenn auch nur eine geringe. Die zahllosen Schweine, die mit Beta-Blockern vollgepumpt werden, damit sie nicht schon auf dem Weg zum Schlachthof vor Entsetzen verenden, haben diese Chance nicht. Das Kalb, das monatelang im dunklen Stall eingepfercht, zur Bewegungslosigkeit verdammt, seinem Todestag entgegendämmert, damit wir unser östrogenhaltiges Kalbsschnitzel verzehren können, hat keine Chance. Tausende von Tieren, gequält, gemartert und zerstört im Dienste der Medizin und der Kosmetikindustrie haben keine Chance. Was die Katze der Maus, dem Vogel auch antut, es erscheint mir geringfügig, gemessen an dem, was der Mensch dem Tier antut. Eines Morgens liegt Cleo zufrieden schnurrend im Wäschekorb. Als ich die Terrasse betrete, glaube ich einen Augenblick, an Halluzinationen zu leiden. Da liegt Cleo noch einmal, 101
zusammengerollt im Korbsessel. Dann bewegt sich das schwarze Bündel und wendet mir den Kopf zu. Jetzt erkenne ich meinen Irrtum, das ist nicht Cleo, diese Katze ist tief schwarz, der Kopf ohne Cleos markante weiße Zeichnung. Sie erhebt sich mühsam und springt unbeholfen vom Sessel, um vor mir zu fliehen. Es ist Goffrey oder das, was von Goffrey übriggeblieben ist. Abgemagert bis zum Skelett, das Fell durchziehen schleimige Schneckenspuren, einzelne Blätter und Gräser kleben daran. Das Ohr ist zerfetzt, der Körper mit eitrigen Wunden bedeckt. Ein Hinterlauf scheint gebrochen. Er humpelt langsam auf drei Beinen zur Treppe, ein Bild des Jammers. Dieser schöne, stolze Kater, vor Wochen noch geschmeidig und selbstbewußt, ist gebrochen, zerschlagen, kaum noch wiederzuerkennen, wären da nicht die charakteristischen Narben im Gesicht. Ich versuche, ihn mit einer Schale Milch zu locken. Er kommt, unendlich vorsichtig; bei der geringsten Bewegung zuckt er zusammen und versucht zu fliehen. Er trinkt gierig, verschluckt sich, hat Schwierigkeiten, die Milch
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aufzunehmen. Sein Kiefer ist nicht in Ordnung, seltsam schief sieht das aus: Die unteren Fangzähne stehen vor, einer der oberen Schneidezähne muß gebrochen sein, er ragt fast waagrecht aus dem Maul heraus. Das linke Auge scheint außer Kontrolle, es kippt weg, wenn Goffrey mich ansieht. Diese Verletzungen können keine Kampfspuren sein, entweder hat ihn ein Auto angefahren oder jemand hat ihn zusammengeschla gen. Wie auch immer, in beiden Fällen hat ihm der Mensch das zugefügt. Trotzdem hat er sich zu mir - dem Menschen - geschleppt. Vielleicht erinnert sich das geschundene Tier an die Zeit, als ich ihm ab und zu ein wenig Futter gab, ein freundliches Wort für ihn hatte. Das ist jetzt mehr als fünf Wochen her, aber er hat es nicht vergessen. Sicher ist es das beste, den Kater einzufangen und zum Tierarzt zu bringen, aber er ist so scheu, so verschreckt, das dies nur mit Gewalt und erneuten Schmerzen für ihn möglich wäre. So päppele ich ihn erst einmal mit Eiern, Milch, Sahne und Traubenzucker, etwas Honig und viel Geduld auf und hoffe auf die Heilkräfte der 103
Natur und der Antibiotika, die ich ihm unters Futter mische. Nachts schläft er auf der Terrasse, wo wir ihm ein geschütztes Lager gerichtet haben, aber sobald er seine morgendliche Kraftmilch geschlabbert hat, verschwindet er in Nachbars Garten und verbirgt sich dort bis zum Abend. Unser Garten - da Stromers Gebiet - ist ihm wohl nicht sicher genug. Stromer läßt ihn völlig in Ruhe, Rücksichtnahme gegenüber dem Kranken oder pure Gleichgültigkeit der einstigen Rivalen, ich weiß es nicht. Cleo flieht entsetzt, als sie ihm das erste Mal wieder begegnet, beobachtet ihn jedoch später bei der Fütterung aus sicherem Versteck. Nach drei Tagen nimmt er erstmals feste Nahrung zu sich, nach vier Tagen putzt er sich langsam und unbeholfen die Schnauze, und nach einer Woche erscheint er sauber und von Schneckenschleim und Blättern befreit. Noch ist er entsetzlich mager, aber sein Fell gewinnt etwas von seinem früheren Glanz zurück, und mit dem Hinterlauf kann er -behutsam zwar- vorsichtig auftreten. Goffrey mit der schönen Stimme und den Narben im Gesicht, war so wohlgenährt und ge104
pflegt, als er um Cleo warb, wie es im allgemeinen nur Katzen sind, die ein, gutes Zuhause haben. Er hat sich, halbtot und zerschlagen, zu uns geschleppt, also scheint dieses Zuhause nicht mehr zu existieren. Wir sehen ihm nach, als er in die Dunkelheit davonhumpelt und der Hausherr sagt nachdenklich: „Dieser Goffrey, der Romanheld, nach dem du ihn genannt hast, hinkte der nicht auch?“ Ich bin mit meinen Gedanken noch bei dem Problem, wohin mit dem Kater, wenn er wieder völlig gesund ist, und antworte etwas geistesabwesend: „Sicher, dieser Goffrey hatte ein vernarbtes Gesicht, eine verführerische Stimme und hinkte.“ »Dieser Kater“, sagt der Hausherr, der allem Mystischen sehr skeptisch gegenübersteht, »hat nicht gehinkt, bevor er von dir diesen Namen erhielt!“ Und dann sieht er mich sehr, sehr mißtrauisch an. Ach Goffrey. . .
Habt ihr mich verstanden? Die Zeit ist reif, zwei ernsthafte und richtungweisende Gespräche zu führen. Das erste Gespräch gilt meinem Unterbewußtsein und ist, der dunklen und ein wenig rätselhaften Antworten wegen, hier als Monolog wiedergegeben. ,Murphy’, sage ich also zu meinem Unterbewußtsein, ,Murphy, die Sache mit dem Hinken des Katers will ich hier nicht weiter erörtern, sie entbehrt wirklich jeder Grundlage und ist auch keineswegs beweisbar, aber etwas anderes möchte ich ein für allemal klarstellen: An einem freundlichen Apriltag habe ich bei dir eine kleine schwarze Katze bestellt. Stromer ist ein schönes Tier mit einem beachtlichen Luchskopf und Augen wie Bernstein, nur, schwarz ist er nicht, das mußt du zugeben. Auch dein zweiter Versuch - immerhin nach einer Anlaufzeit von mehreren Monaten, muß als nicht gelungen bezeichnet werden. Cleo ist zwar die charmanteste, hübscheste, zärtlichste Katze, die ich kenne, aber so ganz
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schwarz ist auch sie nicht. Dein drittes Experiment muß, was die Farbe betrifft, voll befriedigen. Schwärzer als Goffrey kann keine Katze sein, seine Augen sind giftgrün, sein Charakter undurchsichtig, was hingegen seine Größe betrifft, so muß ich dir sagen: Ein kleiner schwarzer Kater ist das nicht! Wir sind uns also insoweit einig, daß keiner dieser Versuche völlig geglückt ist, und da unsere Aufnahmekapazität wie auch die Geduld unseres reizenden Hauswirtes nur begrenzt sein dürften, bitte ich dich inständig, hör mit diesen Experimenten auf. Ich weiß deine Fähigkeiten wirklich zu schätzen, aber ich bitte dich, ich flehe dich geradezu an: Konzentriere dich zur Abwechslung mal auf andere Dinge. Du könntest zum Beispiel darauf Einfluß nehmen, daß dieses Buch einen Verleger findet; auch wäre uns ein Lottogewinn nicht unsymphatisch. Oder wie wäre es, Wenn du für die zu erwartenden Babys unserer Cleo liebevolle Adoptiveltern mit Garten finden würdest? Vielleicht fängst du erstmal mit dem letzten an, das dürfte doch nicht so schwer sein. Du hast da wirklich freie Hand, Murphy, nur 107
um eines bitte ich sehr - keine Katzen mehr. Ist das jetzt klar, Murphy! Murphy . . .?’ Das zweite Gespräch fällt mir sehr viel schwerer, und auch hier, das will ich nicht verschweigen, ist es mir nicht gelungen, eine befriedigende Antwort zu erhalten. ,Goffrey’, sage ich und sehe ihm fest in die giftgrünen Augen, ,Goffrey, du bist ein Vagabund. Aus dir wird nie ein anschmiegsamer und häuslicher Kater werden, so sehr wir beide uns auch bemühen. Du warst sehr krank, jetzt bist du fast gesund. Dein Fell glänzt, deine Wunden sind verheilt, dein verletztes Bein ist fast wieder zu gebrauchen. Du bist immer noch extrem scheu und läßt dich nicht einmal anfassen, aber es geht dir schon wieder gut genug, um ein, zwei Tage herumzustreunen. Ich überlasse dich nur ungern deinem Schicksal, aber - ich kann dich auch nicht für immer aufnehmen. Cleo wird sehr bald ihre Katzenbabys haben (deine Kinder, nehme ich an), und diese Kätzchen werden zunächst hilflos und klein sein und unsere Fürsorge brauchen, bis wir ein gutes Heim für sie gefunden haben. Auch Stromer hat gewisse Rechte, schließlich 108
war er der erste hier. Du siehst also, die Situation ist nicht so einfach. Wir haben nun Familienrat abgehalten; das Ergebnis will ich dir nicht vorenthalten. Dich in ein Tierheim zu geben, ist indiskutabel. Ein halbwilder Kater wie du würde da todunglücklich sein, die Chance, dort einen Menschen zu finden, der dich haben will, ist sehr klein, die Konkurrenz ist groß, dein Aussehen wird die meisten auch nicht gerade überwältigen. Ich will damit auf keinen Fall behaupten, daß du häßlich bist - nein - du bist nur von einem Pussykätzchen so weit entfernt, wie ein Rheinkiesel von einem Diamanten; und die meisten Leute wollen nun mal ein Pussykätzchen. Kurz, wir haben beschlossen, dir weiterhin Kost und Logis zu bieten. Betrachte dich als unser Gast. Für dich wird immer ein gefüllter Freßnapf bereitstehen, und unter der Terrasse wird ein geschützter Schlafplatz für dich reserviert. Um den Hund mußt du dir keine Gedanken machen, er hat dich schon akzeptiert. Nur mit Stromer, da mußt du schon selbst sehen, wie ihr zwei in Zukunft zurechtkommt. Ich nehme an, solange du ihm seinen Schlafplatz 109
im Haus nicht streitig zu machen versuchst, wird er deinen Gast-Status respektieren. Aber um eins bitte ich dich, Goffrey, sollte dir auf deinen ruhelosen Wanderungen eine Familie begegnen, die dich ohne Vorbehalt auf nehmen will, dann überleg es dir nicht lange. Werde seßhaft, Goffrey, aber nicht unbedingt bei uns!’
Rosco Während Goffreys Genesung Fortschritte macht und in Cleos kleinem Bauch neues Leben heranwächst, geht das Leben unseres sanften Löwen zu Ende. Rosco bewegt sich schwerfällig in der Hitze des Sommers, das Niederlegen bereitet ihm jetzt fast so viel Schwierigkeiten wie das Aufstehen. Dann erbricht er eines Nachts, das kommt bei Hunden schon mal vor, und da er sonst ganz munter erscheint, gebe ich ihm etwas schwarzen Tee und fahre ins Büro. Als ich mittags nach Hause komme, liegt er schwer atmend auf der Terrasse. Ich spreche ihn an - ein Zittern durchläuft seinen Körper - er ist nicht mehr in der Lage, ohne Hilfe aufzustehen. Ich trage ihn auf die Obstwiese hinter dem Haus, hier steht er minutenlang, den Kopf gesenkt, wie ein verwundeter Stier. Sein Urin ist blutig. Schritt für Schritt quält er sich bis zur Straße, ich habe den Eindruck, er weiß nicht mehr, wo er sich befindet. Er hört mich nicht mehr, auf mein Streicheln reagiert er mit einem
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müden Wedeln, so als fehle ihm selbst hierfür die Kraft. Im Haus tappt er schwerfällig in die Küche, tritt mit beiden Pfoten in seinen Napf, sieht mich an, mit Augen, die nichts mehr wahrnehmen, läßt sich von mir auf seine Decke tragen, zittert bei jedem Atemzug. Wir wissen, daß jetzt die Zeit gekommen ist, wo jede weitere Behandlung nur ein Aufschub wäre, er soll einen sanften, schmerzlosen Tod haben. Ein Anruf beim Tierarzt, der ihn seit vierzehn Jahren kennt und behandelt, läßt mich erst ratlos, dann wütend werden. Ja, der Tierarzt meint auch, daß es das beste wäre, den Hund einzuschläfern. Allerdings ist morgen - am Freitag -- Feiertag, und die Abdeckereien sind bis zum Montag geschlossen. Er kann den Tierkadaver nicht solange behalten. Bei dieser Hitze, das müßte ich einsehen. - Abdeckerei - Tierkadaver - Nun gut, wir haben uns für unseren Hund nie ein Begräbnis erster Klasse vorgestellt, mit Kranz und Schleife „Hier ruht unser geliebter . . .“ Nur das: einen würdigen, schmerzlosen Tod für ein Tier, das viele Jahre zu uns gehörte. Ob ich denn keine Möglichkeit hätte, den 112
Hund zu begraben? Habe ich nicht, der Garten am Haus gehört uns nicht, ist nicht einmal mitgemietet. Unser Hauswirt ist ein lieber, großzügiger Mensch, der uns und den Katzen so eine Art „Nutzrecht’ des Gartens gewährt. Aber ein Hundegrab in seinem Garten? Das hieße, seine Großzügigkeit auszunutzen. Im Wald und auf dem Feld ist es verboten, Tiere zu begraben, warnt mich der Tierarzt noch (er hat übrigens eine Tierklinik, was macht er, wenn einer seiner Patienten ihm übers Wochenende stirbt? Noch bin ich zu verstört, um ihm diese Frage zu stellen.) Er bedauert sehr, aber er kann mir auch nicht helfen. Zweiter Anruf eine Stunde später. Inzwischen meldet sich mein Wille zum Protest. Wie hat er sich das vorgestellt? Soll ich den Hund noch vier Tage leiden lassen, weil er keinen Platz für das Tier hat? Antwort der Tierarzt-Gattin: „geben sie ihm halt Aspirin!“ Wir einigen uns darauf, daß er dem Tier heute noch eine schmerzstillende Spritze gibt - morgen ist dann allerdings sein Kollege zuständig wegen des Feiertags, aber am Samstag darf 113
ich nochmal zu ihm kommen. Nachdem er den Hund gesehen hat, wird ihm auch klar, daß er Rosco nicht noch bis zum Montag dahinvegetieren lassen kann. Er erklärt sich bereit, ihn am Samstag einzuschläfern, dann hat der Schlachthof wahrscheinlich für kurze Zeit geöffnet, wenn wir den Kadaver selbst hinbringen . . .? Er wird sich erkundigen, ob das möglich ist. Rosco hat - halb betäubt durch die Spritze -eine verhältnismäßig ruhige Nacht. Als der Morgen graut, läßt die schmerzstillende Wirkung des Präparates nach. Er jammert. Ich sitze neben ihm und rede mit ihm, streichle seinen zottigen Kopf. Gegen Morgen will er aufstehen, ich trage ihn auf die Wiese, halte ihn fest. Die Schmerzen werden stärker. Der Hund liegt in meinem Arm, von Krämpfen geschüttelt, und weint wie ein kleines Kind. Schmerzgepeinigt leckt er meine Hände, quält sich torkelnd und ohne erkennbares Ziel durch die Wohnung. Der Vertreter unseres Tierarztes ist unterwegs - auf Großtier-Tour beim Bauern - erfahre ich bei meinem Anruf. Seine Frau versucht mich zu trösten, aber vor 114
dem Mittagessen ist er nicht mehr zu erreichen. Wir versuchen, dem Hund Aspirin zu geben, dann Valium, das meiste tropft ihm wieder aus dem Maul. Wir sitzen bei dem todkranken Tier und machen uns Vorwürfe. Hätten wir ihn nicht doch schon im Frühjahr einschläfern lassen sollen? War es egoistisch von uns, ihn noch eine Zeitlang behalten zu wollen? Aber der Tierarzt war damals so zuversichtlich, und durch die Behandlung hatte Rosco noch ein paar Monate mit uns. Wenn nur der Feiertag nicht wäre, wenn ich den Tierarzt nur eine Stunde früher angerufen hätte, wenn ich nicht im Büro gewesen wäre, wenn . . . wenn . . . Auf gar keinen Fall können wir bis Montag warten, das wissen wir jetzt. Verboten oder nicht, wir werden unseren Hund heute Mittag einschläfern lassen und im Wald vergraben. Mein Mann fährt zu einem Freund, der uns einen Sack geben will, der groß genug ist, den toten Hund zu transportieren. Als er zurückkommt, umarmt er mich mit Tränen in den Augen. „Wir werden Rosco nicht zum Schlachthof bringen müssen. Wir brauchen ihn auch nicht heimlich im Wald zu verschar-
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ren.“ Frieder, unser Freund, hat ihm angeboten, den Hund auf dem Grundstück seiner Schwiegereltern zu begraben. Sentimental? Weint man um einen Hund, wenn jeden Tag Menschen unter grausamen Umständen sterben müssen? Wir weinen, und wir schämen uns nicht. Gegen Mittag wird Rosco ruhiger, ob durch die Tabletten oder ob er schon zu sehr geschwächt ist, wir wissen es nicht. Wir tragen ihn ins Auto, ich halte seinen zottigen Kopf in meinem Schoß. Auf der Autobahn atmet er ein paarmal tief und schwer. Es klingt wie ein Seufzen. Still und sanft, so wie er gelebt hat, schläft er in meinen Armen ein. Der Tierarzt kann nur noch den Tod feststellen. Er behält den schon steif werdenden Körper, trotz Hitze und Feiertag, weil wir, so sagt er, „jetzt Abstand gewinnen müssen“. So geht es also auch. Rosco fehlt uns. Er wird uns noch sehr lange fehlen.
Tischsitten und Unsitten Ein Sommermorgen voller Duft und Wärme. Es riecht nach Heu, frischem Kaffee und ofenfrischen Hörnchen. Wir sitzen auf der Terrasse, blinzeln in die Sonne, und unsere Katzen finden sich zum Frühstück ein. Stromer schreitet würdevoll herbei, begrüßt uns mit kurzem „Mrraou“, wehrt jede Liebkosung unwillig ab, steuert umgehend seinen Freßnapf an, schlabbert seine Milch und verschwindet nach beendeter Mahlzeit mit kurzem Gruß. (Nur Dauerregen und Frost könnten ihn dazu bewegen, jetzt im Haus zu bleiben!) Goffrey kündigt sich durch Gesang an: ,Ich komme, ich komme, ich bin schon bei der Birke. Ist das Essen fertig?’ Er schlingt wie ein Wilder, zuerst Milch, dann Dosenfutter, angelt auch noch den letzten Brocken zierlich mit der Pfote aus dem Napf und verschwindet mit Gesang: ,Ich danke, ich danke, es war vorzüglich, aber jetzt entschuldigt mich, ich muß weiter . . .’
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Man sieht, obwohl er ein Vagabund ist, mangelt es ihm nicht an feiner Lebensart. Fr weiß sich zu benehmen. Cleo schlendert heran, schmust mit uns, sieht so ganz nebenbei in ihren Napf, schleckert ein wenig, macht Anstalten, auf den Tisch zu springen (was wir ihr selbstverständlich jeden Tag verbieten und was sie ebenso selbstverständlich nicht im geringsten beeindruckt), reibt sich an uns, schnurrt wohlig, leckt ein paarmal zärtlich über alle erreichbaren Hände - oder was ihr sonst gerade in die Quere kommt -, inspiziert nochmals ihren Napf, schleckert wieder ein wenig Milch, ein Häppchen Fleisch und kehrt dann zu uns zurück, um es sich auf einem der drei Familienschöße bequem zu machen und ihre Streicheleinheiten zu holen. Dann erst trollt sie sich in den Garten oder in den Wäschekorb, geht auf Fliegenjagd, sieht aus dem Fenster, macht eine Stipvisite in den Keller kurz - sie ist unberechenbar. Wir können nie vorhersagen, was ihr nach dem Essen einfällt, genauso wenig, wie wir erraten können, welches gerade ihr Lieblingsfutter ist. Mal ist sie wild auf Thunfisch, mal auf Leber, dann rührt sie beides 118
kaum an und sitzt vor dem Eisschrank, hinter dessen Tür Dinge wie junger Gouda oder Schwarzwälder Schinken ihr größeren Genuß versprechen. Unsere Katzen sind, wie alle Katzen, nicht nur was ihre Tischsitten betrifft, Individualisten. In ihrem Katzenleben nehmen wir Menschen nur einen kleinen Raum ein. Für Goffrey sind wir in erster Linie Futterstation, für Stromer bieten wir Garantie auf ein warmes Plätzchen, wenn es draußen ungemütlich wird. Nur für Cleo, die sehr jung zu uns kam, sind wir außerdem noch Spielkameraden und vielleicht noch etwas mehr. Wobei dieses „etwas mehr“ nur dann in den Vordergrund rückt, wenn unsere kleine Katze den Zeitpunkt für günstig hält - und nur dann. Zwingen läßt sie sich nun mal überhaupt nicht. Eben hat sie noch hingegossen im Arm eines ihrer Sklaven gelegen, hat geschnurrt und gegurrt, wenn ihr zärtliche Finger den ihr zukommenden Tribut zollten, Sekunden später schon hüpft sie von unserem Schoß, neuen und aufregenderen Katzengenüssen entgegen. »Katzen“, klärte erst gestern unser Junior mit der Erfahrung seiner jungen Jahre einen Gast 119
auf, „Katzen sind so interessant, weil man sie jeden Tag neu erobern muß. Wie Frauen . . .!“ Und sein Vater nickte heftig dazu. So ist es, und jeder, der eine Katze aufnimmt, sollte wissen, daß diese Katze wahrscheinlich der Meinung ist, wir wären für sie da - nicht die Katze für uns. Deshalb sträuben sich mir manchmal die Haare, wenn ich in ansonsten ausgezeichneten Ratgebern für Katzenhalter völlig unsinnige Pflegeanleitungen entdecken muß. Da ist dann die Rede davon, Katzen die Krallen zu amputieren, damit Frauchens Renommier-Sitzgruppe keinen Schaden erleidet; eine grausame Prozedur, die glücklicherweise in Deutschland verboten ist. Auch wird allen Ernstes geraten, schon die junge Katze ein- bis zweimal im Monat zu baden, damit sie ein „angenehmes“ Haustier wird. Zwar heißt es dort einschränkend, daß eine Katze normalerweise auch ohne Bad auskommt, gleichzeitig geht der Ratgeber jedoch so weit, renitenten Katzen vor dem Bad ein Beruhigungsmittel verschreiben zu lassen! Ich kenne nur eine Katze, die gerne badet: Der wunderschöne Perserkater einer Bekannten
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stürzt sich Hals über Kopf in jeden erreichbaren Wassereimer und muß deshalb vor jedem Hausputz in Sicherheit gebracht werden. Cleo planscht gerne und angelt mit den Pfoten nach dem Badeschaum, würde aber freiwillig nie ein Vollbad nehmen, und Stromer haßt jeden Wassertropfen. Wenn eine Katze nicht aus medizinischen Gründen - Verbrühungen, Verklebung des Felles durch Öl, giftige Substanzen, in die sie gefallen ist, wie Terpentin oder Petroleum gebadet werden muß, halte ich baden für unsinnig. Genauso unsinnig wie die Anweisung, seiner Katze ein- bis zweimal wöchentlich die Zähne zu putzen. Bei einer richtig ernährten Katze reinigt sich das Gebiß von selbst, ab und zu ein Knochen zum Abnagen und etwas Trockenfutter unterstützen diese Selbstreinigung. Zahnstein muß sowieso der Tierarzt entfernen. Er weiß auch am besten, wie man eine Wurmkur durchführt und welche Impfungen wann nötig sind (Tollwut, Katzenseuche, Katzenschnupfen). Damit will ich nun nicht etwa behaupten, Pflegeanleitungen für Katzen seien generell Unsinn, ganz im Gegenteil, man sollte mög-
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lichst viel an Information aufnehmen, die eigene Katze beobachten und herausfinden, was eben für diese Katze angebracht ist. Eine nach Shampoon und Weichspüler duftende, täglich gebürstete und gekämmte Katze mit gestutzten Krallen und frischem Atem ist sicher ein „angenehmer Hausgenosse“, ob sie selbst jedoch ihr keimfreies und antiseptisches Dasein als angenehm empfindet, wage ich zu bezweifeln!
Kater Bubu und der Giftmüll Das Zusammenleben zwischen Mensch und Katze kann manchmal - wie jede Partnerschaft vorübergehenden Störungen unterworfen sein. Wie gefährlich, ja geradezu ruinös, sich diese Partnerschaft im Ernstfall auf den Menschen auswirken kann, wurde mir allerdings erst heute morgen klar. Da fiel mein Blick beim Auswickeln eines Salatkopfes auf eine Nachricht, die nicht nur Zeugnis ablegt von den Fähigkeiten eines deutschen Amtsrichters, sondern darüber hinaus jeden Katzenhalter hellhörig machen muß. Nun ist es an und für sich nichts Ungewöhnliches, daß ich diese Nachricht überhaupt entdeckte, denn mein Kaufmann pflegt seine Salatköpfe stets sorgfältig in die Nachrichten des Tages zu verpacken, ungewöhnlich ist nur, daß ich sie auch las, da ich es schon seit geraumer Zeit aufgegeben habe, überhaupt Zeitungen zu lesen. Früher war mein Drang nach Information ungebrochen, bis mir eines Tages
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ein altes Manuskript von mir in die Hände fiel, in dem u.a. auch die Schlagzeilen des Tages festgehalten wurden. Da hieß es dann: Neuer Giftmüllskandal nach Seveso - Minister in Bestechungsaffäre verwickelt - Östrogen im Kalbfleisch - Mann schleift Hund zu Tode Kilometerlanger Stau auf der Autobahn Ich weiß nicht mehr, was mich dazu bewog, diese alten Schlagzeilen mit den neuesten Nachrichten des Tages zu vergleichen, aber was ich da las, löste bei mir zuerst Kopf schütteln, später eine bis heute anhaltende Frustration aus. Unter „brandneu + aktuell“ durfte ich nämlich erfahren: Giftmüllskandal.- Bleitetraäthyl in der Adria- Minister in Bestechungsaffäre verwickelt- Quecksilber im Fisch Urlaubszeit. Haustiere werden wieder ausgesetzt - Verkehr auf der Autobahn kam für Stunden zum Erliegen Stichproben an den folgenden Tagen bestätigten meine Befürchtungen - es handelte sich keineswegs um einen makabren Zufall, außer geringfügigen Änderungen war es jeden Tag das gleiche: Mal war die Bestechungsaffäre des Ministers mit einem Fragezeichen versehen, 124
auch konnten sich zur Abwechslung mal mehrere Minister die Schlagzeile teilen, statt Giftmüllskandal“ hieß es „Umweltkatastrophe“, war gerade kein Hund greifbar, wurde ein Kind oder die Ehefrau gequält, und nachdem man festgestellt hatte, daß fast alles Fleisch und so gut wie jeder Fisch total verseucht waren, entdeckte man Cadmium und Quecksilber im Gemüse. So gesehen ist es völlig überflüssig, seine Zeit mit Zeitungslektüre zu verplempern. Hat man eine gelesen - hat man alle gelesen! Doch zurück zu besagter Nachricht, die so beschaffen ist, daß selbst der Salatkopf, könnte er lesen, es als Zumutung empfinden würde, darin eingewickelt zu werden. Da stand nun schwarz auf weiß: Kater Bubu muß seine Streifzüge unterlassen. Er ist dabei ertappt worden, wie er sich wiederholt auf einem fremden Grundstück herumtrieb. Für einen Passauer Amtsrichter war dies Grund genug, den Kater für immer ,hinter Gitter’ zu schicken - und seinem Besitzer ein Ordnungsgeld bis zu einer halben Million Mark anzudrohen, falls ,Bubu’ noch einmal die Grenze zum Nachbarn überschreiten 125
sollte. Das Urteil ist unanfechtbar. Eine Zivilkammer des Landgerichtes wies die Berufung ab.“ Und weiter: „Bereits das bloße Betreten des Grundstücks durch eine Katze ist - nach Meinung des trefflichen Richters - ein störender Eingriff in das Eigentum, den niemand dulden müsse, und da es praktisch unmöglich sei, eine Katze innerhalb des eigenen Grundstücks sicher zu verwahren, müsse sie im Haus eingesperrt bleiben. Andernfalls droht das Ordnungsgeld in erwähnter Höhe.“ Obwohl der Umgang mit Zahlen bei mir sofort einen Zustand im Hirn ähnlich den schwarzen Löchern im All auslöst, beginne ich zu rechnen. Drei Katzen + Cleos dickem Bauch multipliziert mit einer halben Million, da dürften im Ernstfall Bußgelder in astronomischer Höhe auf uns zukommen. Da es nachweisbar preiswerter sein dürfte, ein paar Giftfässer im Gemeindespielplatz zu vergraben und den letzten Karpfen im Dorfteich mit Arsen zu füttern, sollte ich am besten eine Annonce aufgeben: 126
Tauscbe drei bis sieben Katzen gegen beliebige Menge Dioxyn, Bleitetraätbyl und Quecksilber - Freundlicbe Angebote nacb 18.00 Uhr unter... Ich bin sicher, die Industrie, die zwar alle Hände voll zu tun hat, die nächste Umweltkatastrophe herbeizuführen, wird mir behilflich sein können, auf diesem Wege zumindest meine häusliche Katastrophe abzuwenden!
Wie man Fieber mißt oder Die Auswirkungen des Umweltschutzes Nach unseren Berechnungen müßte die Niederkunft unserer Cleo jetzt unmittelbar bevorstehen. Wir sind alle ein bißchen nervös. Schließlich, in meinem Alter zählt man schon zu den Spätgebärenden! Wer weiß, was da alles schiefgehen kann? „Cleo bekommt die Babys, nicht du!“ klärt mich das Familienoberhaupt auf. Nun gut, aber sie weiß es nicht, ich hingegen weiß alles, und wenn ich das schon vor Monaten gewußt hätte, wäre diese Schwangerschaft wahrscheinlich verhindert worden. „Du liest zuviel“, fügt der Großvater in spe hinzu. „Sorg du nur dafür, daß sie ein ruhiges Plätzchen zum Werfen hat, alles andere kommt dann schon von selbst!“ Ich seufze und starre in mein Buch, in dem von Wehenphasen, Dystokie, Dammschnitt und nicht atmenden Kätzchen die Rede ist,
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von akuter Metritis und Mastitis, und daher fühle ich die Last der Verantwortung schwer auf meinen schwachen Schultern. Als erstes, beschließe ich tapfer, werde ich die Rektaltemperatur der Katze messen. Das ist ganz leicht. Die normale Temperatur beträgt ca. 38-39 °C, mit dem Einsetzen der ersten Wehenphase sinkt die Temperatur deutlich ab bis ca. 36,7 °C. Innerhalb von 24 Stunden sollte dann die Geburt stattfinden. Zum Zwecke der Temperaturmessung setzt man die Katze auf einen glatten Tisch - wegen des Überraschungseffekts, steht da - und weil sie sich auf der glatten Fläche nicht anklammern kann. Der Überraschungseffekt scheint bei uns zwar ausgeschlossen; liegt Cleo doch mit Vorliebe auf dem Tisch und wird von dort nur vertrieben, wenn Gäste zu erwarten sind (schließlich wollen wir beide einen guten Eindruck machen!), aber versuchen können wir es ja mal. Das Thermometer wird gut eingefettet, und Sekunden später befinde ich mich mit dem gut geschmierten Thermometer allein am Küchentisch, die Katze befindet sich im Garten!
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Vor dem zweiten Versuch wird vorsichtshalber die Terrassentür geschlossen. Ich hebe den Schwanz der Katze, der Erfolg ist verblüffend: Diesmal sitzt sie auf dem Schrank und beleckt sich empört den mit Creme verkleisterten Popo. „Also gut“, sage ich, „dann lassen wir das!“ Die beiden Männer der Familie feixen höhnisch und äußern sich unqualifiziert. Beim Reinigen des Thermometers bricht mir dann die Spitze ab. Als ich das Ding fluchend in den Mülleimer werfen will, eilt unser junger Umweltschützer herbei und schreit: „Ist das Quecksilber noch drin?“ Es ist noch drin. Er hält mir einen Vortrag über die Gefährlichkeit selbst so kleiner Mengen Quecksilber und belehrt mich, daß man ein kaputtes Thermometer niemals in den Mülleimer wirft, sondern in der nächsten Apotheke abgibt. Also wickle ich es vorsichtig in Alufolie. Vorne ist es jetzt dicht, dafür rutscht es hinten raus und zerbricht endgültig auf dem Küchenboden. Nun ist das Quecksilber nicht mehr drin! Nach ausführlicher und sorgfältiger Suche, begleitet von Kommentaren, die sich mit der
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Intelligenz und Geschicklichkeit von Frauen im allgemeinen und der Hausfrau im besonderen beschäftigen, geben wir auf und hoffen, keine unserer Katzen wird das gefährliche Quecksilber je finden und es verschlucken, um daran unverzüglich zu sterben. Ich setze mich an den Frühstückstisch, um meinen inzwischen kalt gewordenen Kaffee zu trinken, beiße in ein Butterhörnchen und fahre wie von der Tarantel gestochen hoch. Ich habe vergessen, mir die Hände nach dem Quecksilberunfall zu waschen! Während der Rest der Familie mir ungerührt zusieht, wie ich mich auf mein nahes Ende vorbereite, steigt Cleo, ihrer Leibesfülle wegen vorsichtig, vom Schrank, kratzt sich, unten angekommen, hinterm Ohr, verliert dabei, besagter Leibesfülle wegen, die Balance und fällt auf ihren dicken Bauch. Auf unser dreistimmiges Gelächter reagiert sie so, wie ich so manches Mal reagieren möchte, aber wegen guter Erziehung nicht darf: Sie beißt wütend in den Teppich, beutelt ihn und verschwindet dann beleidigt in der dunkelsten Ecke der Küche. Ach Cleo, Mutter werden ist nicht leicht!
Und wieder Murphy Die meisten Katzen bekommen ihre Jungen 63 Tage nach der Paarung, eine Katzengeburt verläuft normalerweise ruhig, und alles, was der Mensch dazu tun kann, ist, der Katze eine ruhige, zugfreie Ecke und eine Wurfliste, am besten mit Zeitungspapier ausgelegt, zur Verfügung zu stellen. So steht es geschrieben. Leider kann Cleo nicht lesen, obwohl - oder weil -sie wirklich sehr intelligent ist. Zuerst stelle ich ihr die fabelhaft geräumige, stabile, sorgfältig präparierte Kiste (drei Supermärkte habe ich abgeklappert, bis ich einen entsprechenden Karton fand) in den Hauswirtschaftsraum. (Der Name ist etwas irreführend, hier wird nicht allzusehr gewirtschaftet, er heißt so, weil er außer der Waschmaschine noch einen alten Eisschrank beherbergt sowie über ein riesiges Waschbecken verfügt, in dem man bequem einen Bernhardiner baden könnte. Wir reinigen darin die Futternäpfe unserer Katzen.)
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Cleo hat gegen eine Besichtigung der Wurfkiste nichts einzuwenden, sieht auch mal beiläufig in alle Ecken des Raumes, schnüffelt kurz am strahlend sauberen, weil im Sommer unbenützten Katzenklo, macht einen kurzen Umweg über den von ihr heißgeliebten Wäschekorb und verläßt den Ort mit hockerhobenem Schwänzchen. Ab sofort weigert sie sich standhaft, den Raum auch nur zu betreten. Ich trage ihr in der folgenden Woche die Wurfliste durchs ganze Haus nach. Überall da, wo Cleo intensiv ihr Interesse am Nestbau bekundet, tauche ich alsbald mit der Kiste auf. Ihr Interesse kühlt dann auch unverzüglich ab. Folgende Plätze scheinen ihr vorübergehend geeignet: der Schrank der Hausfrau, der Schrank des Hausherrn, der Schrank des Juniors, der Küchenschrank, der Vorratsschrank, der Werkzeugschrank, der Bücherschrank, der Schuhschrank. Um mich kooperativ zu erweisen - auf der Wurfliste bestehe ich schon lange nicht mehr -, räume ich schließlich meins Tennissachen beiseite und legte das Schrankfach mit alten Laken aus. Sie inspiziert den so gewonnenen Wurfschrank und zieht es vor, in einer alten 133
Skitasche zu verschwinden. Dagegen hätte ich nun auch nichts einzuwenden, wenn diese Tasche nicht ausgerechnet in den unergründlichen Tiefen eines alten Eichenschrankes, zwischen Tennisschlägern, Reisekoffern, Jeans und ausrangierten Krawatten (richtiges handelt sich um den Schrank des Hausherrn!) läge. Wenn sie ihre Jungen dort bekommt, werden wir weder in der Lage sein, die Geburt zu beobachten noch werden wir irgendwelche Komplikationen erkennen können. Aber Cleo muß es schließlich am besten wissen, und wenn sie sich in der alten Plastiktasche wohlfühlt, soll sie auch drin bleiben dürfen. Nachdem die Sache mit dem Messen der Temperatur so gründlich danebenging, beobachten wir unsere Katze jetzt mit Argusaugen, aber immer, wenn wir denken, jetzt ist es soweit, krabbelt sie munter aus ihrer Tasche, frißt ausgiebig und rennt in den Garten. Der errechnete Geburtstermin ist längst überschritten. Cleo klettert in die Tasche, schnurrt, klettert aus der Tasche und denkt gar nicht daran, endlich zu werfen. Jeden Morgen lege ich meine Hand auf ihren kleinen Bauch, solange 134
ich noch die Bewegungen der Jungen fühle, bin ich beruhigt. Unter dem Dach wird es immer heißer - der heißeste Juli seit 100 Jahren -, wie unerträglich muß es da erst in einer Plastiktasche sein? Wir schleppen unsere Matratzen auf den Balkon, um unter freiem Himmel zu schlafen. Cleo besucht uns, hält sich aber in respektvoller Entfernung, so als wüßte sie, daß eine unvorsichtige Bewegung der Schlafenden ihr jetzt gefährlich werden könnte. Am 68ten Tag nach meiner Berechnung beobachte ich bei ihr die ersten Kontraktionen, wellenförmige Bewegungen, die über ihren Körper laufen. Sie frißt nicht mehr und bleibt in meiner Nähe. Am nächsten Morgen frißt sie dafür die doppelte Menge. Also wieder Fehlalarm! Ich habe Urlaub und freue mich auf ein ausgiebiges, ruhiges Frühstück. Kaum bin ich in der Küche, steht Cleo auch schon hinter mir und ruft laut und fordernd, fressen will sie nicht mehr, was will sie also? Sie läuft die Treppen zur Galerie hoch, wartet auf halber Höhe und ruft wieder. Anhaltend und sehr bestimmt. Ich lasse meinen Kaffee stehen und folge ihr. Im Ankleidezimmer hopst sie in den 135
Schrank, macht es sich in der Tasche bequem und schnurrt. Während ich sie hinterm Ohr kitzle, kitzelt mir der Kaffeeduft in der Nase; leise schleiche ich die Treppen hinunter. Nicht leise genug, denn ich bin noch nicht ganz unten, da steht sie schon wieder hinter mir und schreit. Das war deutlich, sie will also nicht allein bleiben! Also balanciere ich mein Frühstückstablett nach oben und frühstücke, auf dem Boden hockend, im Ankleidezimmer. Cleo schnurrt zufrieden. Als ich aufstehe, um meine Zigaretten zu holen, springt sie sofort aus der Tasche und schreit. Sie schreit vor der Toilettentür und schreit vor der Badezimmertür- Jeder Schritt, der mich von ihr wegführt, ist Anlaß zu Protest. So kommt es, daß ich an diesem Morgen mit einer Plastiktasche unterm Arm die dringensten Verrichtungen erledigen muß. Meine kleine Schwangere lugt zufrieden aus der Tasche, während ich meinen Kopf unter die Dusche halte, und schnurrt. Die verabredete Tennispartie sage ich am besten gleich ab, und weil ich schon mal am Telefonieren bin - mit Tasche und Katze selbstverständlich -, rufe ich auch gleich eine Tierärztin an, die mir -nach dem Fiasko mit 136
Rosco - empfohlen wurde. Nur vorsichtshalber, um mich zu vergewissern, daß sie auch erreichbar ist, falls es Komplikationen geben sollte. Die Ärztin beruhigt mich, rät mir, dem Tier eine Wurfkiste bereitszustellen, in seiner Nähe zu bleiben und vor allem Geduld zu haben. Sie ist erst am späten Nachmittag wieder zu erreichen, aber so schnell ginge das auch bei Katzen nicht, sagt sie. Jetzt ist es erst halb elf Uhr, ich bin sehr beruhigt, verfrachte Katze samt Tasche im Schrank und beginne, trotz tropischer Hitze unterm Dach, zu bügeln. So kann ich die Tasche im Auge behalten und meine flatternden Nerven im Zaum! Nach sechs Oberhemden spaziert Cleo aus dem Schrank und legt sich im Schlafzimmer auf den Boden, nach zwei weiteren Hemden liegt sie im Bett. Sie hechelt, wenn mich nicht alles täuscht, war das eben eine Wehe. Da, wieder durchläuft ein Zittern den kleinen Körper, sie stemmt ihre Pfoten fest in die Kissen und stößt einen leisen, klagenden Laut aus. In aller Eile suche ich alle verfügbaren Frotteetücher zusammen und drapiere sie um Cleo. Cleo sieht mich an, die Augen glasig vor Anstrengung, hechelt mit weitaufgerissenem 137
Mäulchen und preßt - und zwischen zwei Wehen leckt sie mir die Hände und schnurrt. Wenn Schnurren ein Zeichen von Wohlbefinden ist, warum schnurrt die kleine Katze jetzt? Sie arbeitet schwer, sie leidet, sie klagt leise bei jeder Wehe, sie kann sich unmöglich wohlfühlen. Und doch schnurrt sie. Ihr Schnurren ist wie ein stetiger, warmer Strom von Zuneigung zwischen uns. Wenn Cleo zusammengerollt auf irgendeinem Sessel liegt, die Sonne scheint ihr auf den Bauch, sie döst und fühlt sich wohl, warum schnurrt sie dann erst in dem Augenblick, wenn wir sie ansprechen oder berühren? Sie teilt uns also damit etwas mit, „spricht“ mit uns. Ich glaube, ihr Schnurren jetzt, in diesem Moment, ist kein Zeichen von Wohlbefinden! Ich streichle sie und rede leise mit ihr. Ich bin sicher, sie versteht, was ich ihr sagen will. Plötzlich ist ein fremder Geruch im Zimmer. Sie schnuppert an meiner Hand, da ist er nicht, dann entdeckt sie die Quelle: Grünliche Flüssigkeit tritt aus ihrer Scheide, sie scheint verblüfft, leckt aber blitzschnell alles auf. Vor dem Haus knattert das Motorrad meines Sohnes. Er eilt von seinem Ferienjob herbei, 138
um das große Ereignis nicht zu versäumen. Er kommt gerade zurecht, als das erste Kätzchen, Schwanz voran, von der schützenden Eihaut umgeben, ausschlüpft. Cleo säubert es, trennt die Nabelschnur durch, frißt die Nachgeburt auf. Ganz souverän meistert sie das, obwohl sie noch „soo klein“ - erst neun Monate alt ist und für sie alles genauso neu ist, wie für ihr andächtiges Publikum. Das Kleine ist schwarz, hat eine weiße Maske im Gesicht, ein weißes Bäuchlein, winzige weiße Pfoten und auf dem rechten Vorderballen den charakteristischen „Teerfleck“. Nur die weiße Schwanzspitze fehlt, sonst ist es das Ebenbild seiner Mutter. Unverzüglich beginnt es, blind wie ein kleiner Maulwurf, umherzutasten, bis es die Zitze der Mutter gefunden hat. Während es die ersten Tropfen Milch nuckelt, ruht Cleo erschöpft aus. Bis zu zwei Stunden kann es nach Auskunft der Ärztin dauern, bis das nächste kommt. Es kommt genau eine Stunde später, um 13 Uhr. Zuerst erscheint der Kopf, größer, breiter als der des Erstgeborenen, auch der Körper ist schwerer, kräftiger gebaut und bis auf einen winzigen, weißen Kehlfleck rabenschwarz 139
ganz der Papa! Es reißt sein rosiges Mäulchen auf und tritt mit einem Schrei ins Leben. Cleo sieht mich an, und ich sehe Cleo an, darin sehen wir beide das schwarze Kerlchen an und wissen: Es heißt „Murphy“ und, wir werden es behalten!
Der erste Schritt Unsere Betten sind frisch bezogen, das schwarz-weiße Pärchen schlummert aneinandergeschmiegt im Korb neben der Geburtsstätte, als die junge Mutter gegen Abend bei uns auf der Terrasse erscheint, ausgiebig frißt und anschließend ihr wieder schlankes Bäuchlein auf den Steinen kühlt. Nach einer halben Stunde wird sie unruhig, läuft ins Haus und ruft laut und energisch, bis wir ihr ins Schlafzimmer folgen, wo der Nachwuchs noch immer ruht. Sie wird uns in der kommenden Woche immer wieder auffordern, ihr zu folgen, als ob sie sagen wollte: Auf, Leute, wir müssen uns jetzt um „unsere“ Kinder kümmern! Sie wartet an der Treppe, bis ein Familienmitglied ihrem Ruf Folge leistet, sie nach oben begleitet und vor den Kleinen auf die Knie fällt. Erst dann steigt sie ins Körbchen, trillert zärtlich und leckt die Kinder sauber. Dabei hält sie die Kleinen mit sanfter Gewalt zwischen ihren Vorderpfoten und fährt mit ihrer Zunge solange über die kleinen Popos, bis die-
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se endlich abgeben, was die Mutter gründlich aufschleckt. Eine saubere Sache! „Lassen Sie die Katze ruhig raus“, hat mir die Tierärztin geraten, „in den ersten Wochen wird sie ihre Kleinen ohnehin nur in den dringensten Fällen verlassen. Eine Katze, die ihre Freiheit gewohnt ist, einzusperren wenn sie Junge hat, ist Quälerei.“ Cleo verläßt ihre Kinder schon in der ersten Nacht und kehrt erst im Morgengrauen heim, und bereits am dritten Tag kann ich beobachten, wie unsere minderjährige Mutter heftig mit dem Vater ihrer Kinder in Nachbars Garten flirtet. Den Kleinen schadet es nicht, sie schlafen, trinken und wachsen. Letzteres mit beachtlicher Geschwindigkeit. Cleo ist weder ängstlich noch besonders wachsam, sie animiert uns mehrmals am Tag, ihre Kinder zu besuchen und präsentiert auch Besuchern ihren Nachwuchs ganz selbstverständlich - fast möchte ich sagen, mit Stolz! Doch obwohl wir den Eindruck haben, sie fühlt sich in unserem Schlafzimmer absolut sicher und geborgen, ist ihr Instinkt, die Kleinen zu verschleppen, größer. Nur 24 Stunden liegt sie zufrieden im Korb neben unserem 142
Bett, dann schleift sie die Jungen direkt neben den Korb, unter den Heizungskörper, das Kätzchen mit den weißen Pfötchen, ihr Ebenbild, zuerst. Dieser Platz eignet sich nun wirklich nicht sehr zur Kinderstube, also quartiere ich die kleine Familie in unser Bad um, da ist es kühler und, weil uns der Junior solange sein Bad überläßt, auch ruhig. Cleo scheint ausnahmsweise mal einer Meinung mit mir zu sein, denn sie macht keinen Versuch, die Kinder erneut zu verschleppen. Um Mitternacht steht sie vor unserem Bett und maunzt kläglich. „Armes Schätzchen“, sagt der Hausherr, „du möchtest sicher deine Kinder lieber bei uns haben!“. Die anschließende Diskussion hätte ich mir sparen können, denn wie immer siegt das weiche Herz des mir Angetrauten. Er trägt das Körbchen mit den Katzenkindern aus dem Bad ins Schlafzimmer, Cleo trägt die Kinder ohne das Körbchen unverzüglich zurück ins Bad, selbstverständlich auch jetzt zuerst das Schwarz-Weiße. Nach vollbrachter Tat springt sie mit einem Satz in unser Bett, schnurrt zufrieden und schläft auf der Stelle ein. So ist das also!
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Habe ich vor der Geburt meiner Katze die Wurfkiste nachgetragen, so trage ich ihr jetzt den Katzenkorb nach. Kein Platz ist gut genug für ihre Kinder, sie schleppt sie unters Sofa, neben das Bett und zurück ins Bad, wo sie die armen Kinder einfach auf die Fliesen legt und zwischen diesen Umzügen findet sie noch Zeit, emsig die Ecken und Schränke im Erdgeschoß zu inspizieren. Nur die Treppe hält sie wohl davon ab, ihre Kleinen auch dort noch hin und her zu tragen! Ich schleppe den Katzenkorb genauso emsig hinterher, bis ich endlich auf die Idee komme, sie könnte etwas gegen den Korb haben. Also stelle ich ihr die noch immer vorschriftsmäßig mit Zeitungspapier ausgelegte - Wurfkiste neben den Korb. Sie steigt hinein, dreht eine Anstandsrunde und steigt hinaus. Fehlanzeige. Ich ersetzte die Zeitungen durch ein weiches Kissen. Sie steigt hinein, rollt sich zusammen und schnurrt zufrieden. Ich reiche ihr eilig, bevor sie sich’s anders überlegen kann, die Kätzchen nach, und tatsächlich, in dieser kleinen Höhle ist sie eine ganze Woche lang geblieben! Dann ertappe ich sie dabei, wie sie, das SchwarzWeiße im Maul, unser Bett umkreist und einen 144
bequemen Einstieg sucht. Diesmal werde ich energisch, trage das Kleine zurück in die Kiste und erkläre ihr, daß ihre Kinder in unserem Bett nichts zu suchen haben. Sie fügt sich vorläufig - aber ich kann ihr ansehen, daß sie da ganz anderer Meinung ist. Das Erstgeborene, ihr Ebenbild, ist eindeutig ihr Liebling. Es wird stets zuerst „gerettet“, zuerst sauber geleckt und auch sonst bevorzugt behandelt. So kommt es zu seinem Namen: Mali, eine Abkürzung von „Mamas Liebling“. Außerdem bedeutet „Mali“ noch „die Kleine“ und obwohl Mali anfangs zwar kleiner als Murphy gewesen ist, ist sie doch mutiger, wacher und Murphy in fast allem eine Nasenlänge voraus. Mali öffnet zuerst nach sieben Tagen - die Augen, steht sicherer auf ihren seinen kleinen Beinen, ist neugieriger und mutiger, während Murphy fast ununterbrochen an der Milchquelle hängt und dabei zufrieden knattert - wie eine kleine Nähmaschine. ob es nun „der“ Murphy und „die“ Mali heißen muß, wissen wir nicht genau. Murphy sieht durch den kräftigen Schädel, den buschigen Schwanz und den größeren Körper eben 145
mehr nach Kater aus, Mali ist zierlicher, bewegt sich anmutiger und ähnelt in allen Bewegungen so sehr der Mutter, daß wir sie einfach für ein Mädchen halten. Eine flüchtige Inspektion der kleinen Hinterteile bringt uns auch keine absolute Klarheit. Wir wollen die Kleinen auch nicht unnötig erschrecken und warten lieber noch etwas, bevor wir sie genauer untersuchen. Befürchteten wir nach den ersten Nächten, die Erziehung der kleinen Katzen würde wohl mehr oder weniger in unsere Hände gelegt, so müssen wir unsere Meinung bald revidieren. Je älter die beiden werden, desto zärtlicher ist Cleo um sie besorgt. Es scheint, daß ihre Mutterliebe Zeit braucht, sich zu entwickeln. Sie verläßt ihre Kinder tagsüber fast gar nicht mehr, verschwindet nachts höchstens für ein oder zwei Stunden und hält sich, wie es scheint, immer in der Nähe auf, denn sie kommt sogar auf mein Pfeifen blitzschnell aus irgendeiner Ecke des Gartens angesaust und eilt dann unverzüglich die Treppe hoch zu ihren Kleinen. Wenn sie dann zu ihnen in die Kiste schlüpft, gibt es jedesmal ein großes Gefiepe und Gezirpe, und bevor sie die Milchbar 146
eröffnet, gibt es erstmal eine gründliche Katzenwäsche. Murphy läßt das ergeben über sich ergehen, Mali hält, wie fast alle kleinen Kinder, nichts von übertriebener Sauberkeit und setzt sich strampelnd zur Wehr. Ist die Säuberungsaktion beendet, greift sich Cleo eines ihrer Kinder, hält es fest zwischen ihren Vorderpfoten und beißt es spielerisch in Nacken, Po und Bauch, während sie es gleichzeitig mit den Hinterpfoten bearbeitet, so, als hätte sie nicht ein weiches Katzenkind, sondern einen harten Tennisball an sich gepreßt. Mir wird dabei immer Angst und Bange um die zarten Körperchen, aber ich nehme an, daß Cleos Zähne dabei gewaltig jucken! Die Kätzchen sind nicht immer von so viel mütterlicher Leidenschaft begeistert, besonders Mali wehrt sich heftig und preßt ihre weißen Pfötchen energisch gegen Cleos Nase, aber sobald sich die Kleinen freigestrampelt haben, kehren sie doch wieder zur Mutter zurück, um ihr ungeschickt über die Nase zu lecken oder mit ihren kleinen Pfötchen ins Gesicht zu stupfen. Sie sind genau zwei Wochen alt, als Cleo sich vor der Wurfkiste aufbaut und anhaltend und 147
energisch ruft und lockt. Vorsichtig stecken sie ihre Köpfchen heraus - als sie nicht gleich folgen wollen, hilft Cleo unsanft mit der Pfote nach -, und dann tappen sie, wacklig und zögernd, aus ihrer schützenden Höhle, der Mutter entgegen. Der erste Schritt in die Freiheit, mühsam zwar und nicht ganz freiwillig, ist getan!
Kinderstuben Unsere Hausmaus wohnt, aus uns unerfindlichen Gründen, direkt unter dem tropfenden Wasserhahn auf der Terrasse. Wir hören ihr Geraschel und sehen sie, laut quietschend, mehrmals am Tag blitzschnell aus ihrem Loch huschen. Dann rennt sie, ruckartig und wie aufgezogen, immer an der Wand entlang über die Steinplatten der Terrasse unter den Lavendelstrauch. Manchmal legen wir ihr Erdbeeren, Weintrauben oder Käsereste neben ihre Rennstrecke, die dann irgendwann von ihr heimgeschleppt werden. Mitte August nehmen wir ein verstärktes Fiepen wahr, dann sehen wir aus dem Mauseloch ein winziges Schnäuzchen hervorzittern: Unsere Hausmaus ist Mutter geworden. Wir beobachten ihr emsiges Hinund Hereilen, sie arbeitet schwer, um Futter herbeizuschaffen, und wir fürchten den Augenblick, wenn unsere junge Katzenmutter, deren Kinder geschützt in unserem Schlafzimmer schlummern, der Mäuse-Idylle ein jähes Ende bereiten wird.
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Eines Nachmittags sehe ich die Maus wieder geschäftig zwischen Mauseloch und Lavendelstrauch pendeln, dann, Sekunden später, taucht ein winziges, kaum daumengroßes Mäuschen auf, rennt hinter der Mutter her und verschwindet mit Gefiepe. Es raschelt mächtig im Lavendel, Cleo wird aufmerksam, schleicht herbei und wartet geduckt; nicht etwa vor dem Lavendelstrauch, nein, sie setzt sich genau seitlich der „Rennstrecke“ in Positur, so als ob sie genau wüßte, um in ihr Loch zukommen, muß die Mäusemutter diesen Weg nehmen. Diese Maus ist uns ans Herz gewachsen, und entgegen meiner sonstigen Überzeugung bin ich bereit, einzugreifen, um das Leben der kleinen Mutter zu verteidigen. Und da erscheint sie auch schon -und hinter ihr, wie durch ein unsichtbares Band mit der Mutter verbunden trippelt das winzige Mäuslein. Mutter und Kind huschen an der Wand entlang, die Katze stutzt, gleich wird sie zum Sprung ansetzen, die Mäuslein quietschen, sie ahnen nichts von der schwarz-weißen Gefahr, die nur wenige Zentimeter entfernt, über ihnen schwebt. Cleo sieht den Mäusen zu, wie sie über eine Geranienblüte steigen, sieht zu, wie sie 150
Mutter und Kind wie ein einziger Körper über eine Flasche mit Sonnenöl huschen, und dann sind sie auch schon an der Katze vorbei, die nicht den geringsten Versuch macht, die beiden Mäuse zu fassen und verschwinden unbehelligt in ihrem Mauseloch. Eine Viertelstunde darf ich mich der Illusion hingeben, hier hätte die Solidarität zweier Tiermütter untereinander über den Jagdinstinkt triumphiert, dann jedoch macht Cleo dieser heilen Welt ein Ende. Die Mäusemutter erscheint mit Gefiepe, diesmal ohne den Nachwuchs, Cleo zuckt, setzt zum Sprung an und wird von mir jäh gebremst. Ich fürchte, ich habe mir mit diesem Akt der Gewalt einen dicken Minuspunkt bei meiner Katze eingehandelt. Zwecklos war es außerdem, denn immer kann ich die Katze nicht zurückhalten, jetzt, da sie weiß, wo die Maus ihre Kinderstube hat, ist das baldige Ende der kleinen Familie gewiß. Aber entschuldigen werde ich mich auch nicht bei meiner Katze, wenn es schon keine Solidarität unter Tiermüttern gibt, dann möchte ich doch wenigstens, so von Maus zu Mensch, etwas Gemeinsamkeit demonstrieren! 151
Die Kommunikation von Mensch zu Mensch besteht bei mir schon seit Wochen hauptsächlich in der Frage, mit der ich schon lange vor der Geburt unserer Katzenkinder Freunde, Nachbarn und Bekannte nerve: „Kennt ihr nicht jemanden, der vielleicht, eventuell, sofort oder später ein kleines Kätzchen haben möchte?“ Möchten täten sie schon alle gerne, aber wollen oder können möchten sie dann alle nicht. Ich habe mir die Resonanz nicht gar so spärlich vorgestellt und bin über das Ergebnis meiner ständigen Umfrage niedergeschmettert. Meine Erleichterung darüber, daß unsere Cleo nur zwei Kätzchen bekommen hat, wird langsam zur stillen Verzweiflung. Optimistisch, wie wir sind, geben wir die Hoffnung nicht auf, aber paradoxerweise fällt uns der Entschluß, eines der Kätzchen wegzugeben, sofern wir nette „Eltern“ finden, von Tag zu Tag schwerer. Das Pärchen ist etwas über zwei Wochen alt und beginnt, seine Umwelt zu erkunden. Sie können jetzt schon ohne Hilfe aus ihrer Kiste klettern, nur Murphy benötigt ab und zu noch die Hilfe Malis. Murphy ist übrigens, das 152
wissen wir jetzt genau, entgegen unseren Vermutungen kein kleiner Kater, sondern ein kleines Kätzchen, dafür ist Mali kein Kätzchen, sondern aller „weiblichen Anmut“ zum Trotz, von den Schnurrhaaren bis zur Schwanzspitze, ein kleines Katerchen. Während Murphy jetzt eben statt „der“ Murphy, „die“ Murphy ist, taufen wir Mali kurzerhand in Ma-Ling um, des männlicheren Klanges wegen. Die Geschwister fauchen lautlos mit aufgerissenen Mäulchen, wenn wir uns ihrer „Höhle“ nähern, kommen dann aber neugierig, tapsend und torkelnd näher. Noch zittern sie vor Anstrengung, wenn sie von ihrer Erkundungstour durch unser Schlafzimmer zurückkehren, aber jeden Tag werden sie kräftiger und selb stbewußter. Murphy angelt unbeholfen nach ihren Hinterpfoten, versucht, sie sich ins Mäulchen zu stecken und nuckelt daran, bis sie einsieht, daß hier wohl nichts zu holen ist und eilig zu ihrer Mutter tappt. Die Bewegungen des schwarzen Kätzchens haben viel Ähnlichkeit mit den Verrenkungen eines kleinen Äffchens, auch sieht ihr Köpfchen mit den dunklen, traurigen Augen manchmal wie das
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zerknitterte Gesicht eines kleinen Orang-Utans aus. Ma-Ling dagegen ist voller Übermut, patscht der Schwester aufs Köpfchen, während sie trinkt, ehrt ihr mit den Krallen ins Gesicht, versucht, sie von der mütterlichen Zitze zu drängen, ohne jedoch selbst trinken zu wollen, bis Cleo den kleinen Störenfried fest mit ihren Vorderpfoten umschließt. Da hilft ihm auch kein Strampeln und kein Protestgeschrei, Cleo leckt ihm zwar zärtlich über die Nase, hält ihn aber in sicherem Griff, bis Murphy satt ist. Das schwarz-weiße Pärchen kämpft, so klein es auch ist, schon ausdauernd und völlig lautlos. Ma-Ling grazil und spielerisch, ein kleiner Clown mit weißen Handschuhen; Murphy schwerfälliger, träger, unendliche Trauer im dunklen Gesicht. Die Bewegungen des kleinen Katers sind flink, anmutig, er rudert mit seinen Beinchen, versucht, mit weißen Pfoten seinen Schatten zu fangen, trägt den Kopf hoch und das Schwänzchen aufrecht. Alles an ihm ist ständig in Bewegung, das kurze, perfekt proportionierte Körperchen, die runde Stirn über der rosigen Nase, der wache Blick aus großen, interessierten Augen bewirken, 154
daß jeder spontan ausruft: „Ach, ist der niedlich!“ Murphy steht eindeutig im Schatten des charmanten Bruders, ein Grund mehr, sie zu behalten, sie wird mehr Liebe brauchen. Sie ist übervorsichtig, fast ängstlich, ihr spitzes Gesichtchen, das nicht mehr viel von der Schwere und Kantigkeit des „Katerkopfes“ nach der Geburt hat, wirkt immer irgendwie kummervoll, die Augen blicken weniger wach und zeigen, ein Erbteil ihres Vaters Goffrey, einen leichten Silberblick. Sie bewegt ihren langen, schmalen Körper bedächtig, schleicht geduckt. Selbst wenn sie, was selten vorkommt, als erste auf unser Rufen hin ihr Köpfchen aus der Wurfkiste steckt, hat man den Eindruck, sie stünde in Wirklichkeit hinter Ma-Ling. Wenn Ma-Ling seinen Kopf im schwarzen Fell der Schwester vergräbt, sieht das sehr zärtlich und verspielt aus, bei Murphy wirkt die gleiche Geste so, als wollte sie ängstlich Schutz suchen, in ihr Brüderchen hineinkriechen, sich verbergen. Dabei ist sie nicht etwa schwächer als Ma-Ling, der zwar seit der Geburt mächtig aufgeholt hat, aber immer noch nicht ganz Murphys Gewicht hat. Bei den kleinen 155
Kämpfen der beiden ist Murphy meist oben, begräbt den Bruder unter sich, aber auch dann wirkt sie schüchtern und unbeholfen. Während Ma-Ling sich furchtlos unter ihr freistrampelt, faucht Murphy erschreckt und macht den Eindruck eines Siegers wider Willen. Ihre Augen sind voller Melancholie, ihre Bewegungen durch jahrhundertealte vererbte Vorsicht geprägt, vielleicht weiß sie um den Schmerz, ohne ihm bisher begegnet zu sein. Was für Murphy Schrecken ist, ist für Ma-Ling Herausforderung. Ma-Ling entdeckt die Welt, Murphy prüft sie. Viele Stunden des Tages liegen die beiden Kätzchen, ineinander verschlungen im Schutz ihrer „Höhle“, ein seidiger kleiner Ball. Ein rosiges Pfötchen taucht auf, dehnt sich wohlig, die winzigen Krallen werden ausgefahren. Die dunkelblauen, runden Augen schimmern im Halbdunkel. Die beiden erforschen tastend den eigenen und den Körper des Geschwisterchens, tappen unbeholfen im Gesicht der Mutter herum, die mit unendlicher Geduld die ungeschickten Forschungsexpeditionen der beiden Kinder erträgt. Ich denke daran, daß es das Schicksal der beiden sein 156
wird, getrennt zu werden, ich möchte es am liebsten verhindern, und doch suche ich weiter nach Adoptiveltern“ für Ma-Ling. Als sich endlich, die Kleinen sind inzwischen drei Wochen alt, am gleichen Tag zwei Interessenten melden, bin ich daher nicht nur erleichtert, sondern auch enttäuscht, ein Kätzchen zu verlieren. Aber noch habe ich eine Galgenfrist, bevor Ma-Ling nicht zehn Wochen alt ist, werde ich ihn nicht weggeben. Nicht nur ich bin von den Kleinen hingerissen, auch Cleo liebt ihre Kinder zärtlich. Kehrt sie von ihren kurzen Ausflügen zurück, schmust sie erst einmal ausgiebig mit den beiden, drückt ihren Kopf zwischen die kleinen Körper, reibt ihre Nase an den weichen Fellchen und gurrt in ganz leisen, sanften Tönen. Sie preßt die Kätzchen an sich, hält sie fest umschlungen, ihre weiße Pfote hebt und senkt sich im Rhythmus der atmenden Körperchen, Mutter und Kinder bilden einen einzigen, zärtlichen Knäuel. Unermüdlich putzt und leckt sie ihre Kinder, und in den Pausen säubert sie ihren eigenen, weißen Bauch, hält ihn rein für die nuckelnden, zerrenden Mäulchen der Kätzchen. Sie 157
benutzt weder Deo- noch Intimspray, kennt weder Mund- noch sonstige Duftwässer, trägt ihren Pelz ein ganzes Leben lang, und dennoch riechen sie und die Kleinen sauber und frisch. Die Katzen ertragen den Nikotin- und Wiskeyatem, die Körperausdünstungen der Menschen, ohne ein Anzeichen von Ekel, zum Dank dafür rümpft der Mensch die Nase, wenn die Katze es wagt, in sein Bett zu steigen und sagt: Gott, wie unhygienisch! Und dieses Urteil steht ihm selbstverständlich zu, ist er doch die Krone der Schöpfung. Die Katzenkinder wissen nichts von solchen Vorurteilen, für sie sind wir nicht überwältigend, nur ein bißchen zu groß vielleicht! Sie können uns in den ersten Tagen ihres Lebens noch gar nicht in unserer Gesamtheit wahrnehmen. Eine Menschenhand ist ein fremdes Tier, das vorsichtig berochen und betastet wird, ein Fuß ein anderes, ebenso merkwürdiges Tier, das es gilt, zu erkunden. Sie pressen ihre kleinen Nasen an meine Haut, krallen sich in meinen Kleidern fest und wundern sich. Laute Stimmen lassen sie zusammenzucken, unvorsichtige Bewegungen der seltsamen „Tiere“ lassen sie in ihre „Höhle“ flüchten. 158
Und noch jemand flüchtet in diesen Tagen - in panischer Angst! Stromer, unser tapferer Kämpfer, kann mit den quiekenden kleinen Wesen, die ihm seinen Stammplatz im Schlafzimmer streitig machen, absolut nichts anfangen. Er beschnuppert den Nachwuchs vorsichtig und voller Mißtrauen, dann befreit er sich mit einem gewaltigen Satz aus meinen Armen. Seine Flucht endet erst im Garten, da sitzt er nun und klagt laut. Als Onkel ist er wohl nicht zu gebrauchen! Mit dreieinhalb Wochen macht Ma-Ling seinen ersten Kletterversuch. Zuerst krabbelt er auf ein Kissen, zieht sich von da am Podest neben dem Bett hoch, und jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis er unser Bett erobert hat. Typisch für die unterschiedlichen Charaktere der beiden Kätzchen: Während Ma-Ling das Kissen benutzt, um in unser Bett zu klettern, benutzt Murphy, die wir auf das Bett gehoben haben, das gleiche Kissen, um aus unserem Bett, das ihr zu hoch erscheint, herauszuplumpsen, dabei rennt sie erst vorsichtig prüfend an der Bettkante entlang, die Zungenspitze leicht herausgestreckt, und vor Konzentration schielt sie dabei gewaltig. 159
„Murphy schielt schon wieder, ganz wie der Papa“, sage ich und denke dabei an Goffrey mit dem Silberblick. „Aber ich schiele doch überhaupt nicht!“ empört sich der Hausherr, der sich für den Vater dieser Katzen hält. So weit kann’s kommen, wenn man als Katzennarr ein Jahr der Katzen erlebt hat.