BILLY JENKINS
ABENTEUER
Heft 290
Das Geheimnis der Dogge
Nach den Aufzeichnungen des Westmannes Billy Jenkins erzä...
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BILLY JENKINS
ABENTEUER
Heft 290
Das Geheimnis der Dogge
Nach den Aufzeichnungen des Westmannes Billy Jenkins erzählt von
Chic Holliday
UTA–VERLAG
BAD GODESBERG–MEHLEM
WISSENSWERTES
Glücksspiele — vor allem Roulette, Pharo, Würfeln, Siebenau ge, Stech-As, Poker — gehören seit je zu den beliebtesten Frei zeitbeschäftigungen aller Zeiten und Völker. Während in den meisten zivilisierten Ländern das Glücksspiel längst nur in staatlich konzessionierten Spielbanken erlaubt und selbst im Privatleben verboten ist, konnten sich die freiheitlich gesinnten Bewohner Amerikas nur schwer an diese gesetzmäßige Kon trolle gewöhnen. Fast in keinem anderen Staate der Welt wird das Glücksspiel noch heute so ernst genommen wie hier. Zu Zeiten des Wilden Westens, als die Gesetze auch auf die sem Gebiet sich langsam durchsetzten, konnte es kein Sheriff wagen, in seinem Distrikt das Glücksspiel zu verbieten. Es ge hörte eben zu den in der Verfassung verankerten Grundrechten der persönlichen Freiheit, sich das Leben so zu gestalten, wie man es wollte. Es ist natürlich, daß unlautere Elemente diese an sich gute Idee ausnutzten, um im Trüben zu fischen. So konnte es auch geschehen, daß sich hieraus ein regelrechter „Beruf“ entwickelte, der des Spielers. Man erkannte diese Männer mei stens schon äußerlich an ihren bleichen, versteinerten Gesich tern und an ihrem „Berufsdreß“, Gehrock, Zylinder und bestick ter Weste! Diese Berufsspieler reisten von Stadt zu Stadt, von Saloon zu Saloon mit dicken Geldpaketen, wo sie in einer fest geregelten Arbeitszeit große Summen auf die grünen Tische brachten. Poker war das verbreitetste Spiel und unterlag strengen Re geln. Außer den ehrlichen Spielern, die das Spiel als Hobby auffaßten, gab es natürlich auch solche, die durch Fingerfertig keit oder mit „Zinken“ — winzigen, nur dem Eingeweihten er kennbare Markierungen an den Karten — versuchten, das Glück zu korrigieren oder die Bank zu sprengen. Wurden sie aber dabei erwischt, machte man kurzen Prozeß mit ihnen.
Denn Falschspiel war in der Meinung der Öffentlichkeit genau so unehrenhaft wie Pferde- oder Rinderdiebstahl. „Kartenhaie“, hing man zu gewissen Zeiten ohne viel Federlesens gleich an den nächsten Ast. Noch heute werden die Gesetze über das Glücksspiel in den verschiedenen Staaten Amerikas verschieden ausgelegt, wenn es auch in der Regel nur in den dafür konzessionierten Spiel banken ausgeübt werden darf. Eine Hochburg des Glücksspieles jeglicher Art — von Poker über Roulette oder 17 + 4 bis zu den sogenannten Spielautomaten — ist das bekannte Spielerpara dies Las Vegas.
1. Kapitel Sengend brannte die Sonne auf die schroffen Felsen der Still water Mountains, einer schmalen Gebirgskette im westlichen Nevada und brachte die karge Vegetation in ihren zerklüfteten Tälern vollends zum Verdorren. Keine noch so schmale Wolke, die Hoffnung auf Regen gegeben hätte, trübte das azurne Rund der Himmelskuppel. Von der Sohle einer engen, sich in zahllosen Windungen hinziehenden Schlucht stieg eine Staubwolke auf. Die breit krempigen Hüte der beiden Reiter waren tief in die Stirn gezo gen, um die Gesichter vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Der Tracht nach konnte man sie für Männer halten, die im Lande umherzogen, um sich einen Job zu suchen. Der vordere, ein sehniger, hellblonder Mann mit einem ener gischen, gutgeschnittenen Gesicht, hob ein wenig den Kopf. Die Blicke seiner strahlend blauen Augen waren durchdringend und tasteten die steinernen Wandle ab. „Ist noch nichts mit ‘nem schattigen Plätzchen, Dick?“ Sein Gefährte schob den Stetson mit dem Daumen in den Nacken. „Zum Teufel mit den Rothäuten von Pyramid Lake! Hätten ihre freundliche Einladung auch auf ‘ne kühlere Jahreszeit ver schieben können.“ Billy Jenkins zügelte seinen Schwarz-falben. Er entnahm der Satteltasche eine Landkarte. „Hoffst du vielleicht, auf der Karte ‘ne Whiskybude einge zeichnet zu finden?“ fragte Sergeant Hanson gallig und fuhr mit einem großen, buntkarierten Tuch über Gesicht, Hals und Nak ken. Billy Jenkins hob sein Fernglas und betrachtete genau die links vor ihnen aufsteigende Felswand, während sein Begleiter sich eine Zigarette drehte. Plötzlich hob er den Arm und wies 6
auf eine wohl noch mehr als dreihundert Yards entfernte Ge röllhalde. „Dort führt ein Pfad nach oben!“ Der Weg war aber so steil, daß sie aus den Sätteln steigen und die Pferde an den Zügeln führen mußten. Es wurde ein be schwerlicher Aufstieg. Der Atem der beiden ging rasselnd, ihre trockenen Lippen waren aufgesprungen und staubverkrustet. Mehr als eine Stunde verging, bis sie vom Kamm Ausschau halten konnten. Ein herrliches Panorama tat sich vor ihnen auf. Der Ritt über den Kamm war erträglicher als die Durchque rung der Schlucht. Hier oben wehte wenigstens schwacher, küh ler Luftzug. Der Pfad, der in die nächste, nach Westen gelegene Schlucht hinaufführte, fiel nicht so steil ab wie der vorige. Sie konnten deshalb in den Sätteln bleiben. Plötzlich, als der Weg wieder eine Krümmung um einhun dertachtzig Grad machte, riß er sein Pferd scharf zurück. „Was gibt’s?“ fragte Dick apathisch. Jenkins sprang ab und lief weiter. Jetzt entdeckte auch Han son einen am Boden liegenden Mann und stieg gleichfalls aus dem Sattel. „Donner und Doria!“ Der Mann besitzt Humor, hier Siesta zu halten.“ Billy hatte schon auf den ersten Blick erkannt, daß dem auf dem Bauch liegenden Mann nicht mehr zu helfen war. Die ver krampfte Haltung des alten Graubarts sagte genug. „Verunglückt oder verdurstet?“ fragte Dick, als er noch eini ge Schritte entfernt war. „Keines von beiden. Erschossen! Von hinten …“ „Ah, also Mord?“ „Traue dem Alten das Kunststück nicht zu, sich zwei Unzen Blei ins Kreuz zu pumpen und dann den Colt wieder in den Holfter zu schieben.“ Dick rollte den Toten behutsam auf den Rücken. „Sieht nicht 7
danach aus, als wenn er viel von den Vorzügen der Zivilisation gehalten hätte“, meinte er, als er die struppigen Kopfhaare und den verwilderten Bart gewahrte. „Merkwürdig, nach einem Outlaw schaut er auch nicht gerade aus. Trotzdem muß er ein armer Schlucker gewesen sein.“ „Der Mann wurde ausgeraubt.“ „Ausgeraubt?“ Billy nickte. „Yeah, seine Papiere fehlen, vielleicht auch Geld. Wer weiß!“ „Geld?“ Der Sergeant schüttelte den Kopf. „Macht nicht den Eindruck, als wäre ihm der Geldbeutel jemals geplatzt.“ „Gibt genug Sonderlinge, die sich wie Tramps kleiden und in El Paso, Houston oder Chattanooga ein dickes Bankkonto füh ren.“ „Und was nun? Willst du unseren roten Freunden am Pyra mid Lake den schütteren Skalp des Alten vielleicht als Morgen gabe mitnehmen?“ „Dixie Valley ist in weitem Umkreise das einzige Town. Dort sitzt auch der für diesen Distrikt verantwortliche Sheriff. Wir werden den Alten dort hinschaffen und Bericht erstatten müssen.“ Für eine geraume Weile trat Schweigen ein, dann sagte Han son unvermittelt: „Schade! Hätte gerne mehr über den Alten erfahren, besonders weshalb er in die ewigen Jagdgründe gehen mußte. Irgendwie interessiert er mich.“ Da Dixie Valley östlich der Stillwater Mountains lag, mußten sie die Richtung ändern und wieder umkehren. Am späten Nachmittag bog Billy in ein breitauslaufendes Tal ein, in dem sie zu ihrer Überraschung sogar eine kümmerliche Quelle fanden. Diese genügte wenigstens, um den Durst zu lö schen. Er überprüfte das Sattelzeug der beiden Tiere, und Dick rauchte versonnen eine Zigarette. Plötzlich hob er lauschend 8
den Kopf und sprang zu einem Felsvorsprung, hinter dem er ein verdächtiges Geräusch vernommen hatte. Seine Überraschung konnte nicht größer sein, als er keine zwanzig Yards vor sich eine die Zähne fletschende Dogge erblickte. Es war ein großer, schwerer Hund mit getigertem Fell, ein Prachtexemplar seiner Rasse. Die Dogge verhielt, als wollte sie zum Sprung ansetzen. Hanson wollte schon den Colt aus dem Holfter reißen, als sich ihm von hinten eine Hand auf den Arm legte. „Langsam“, mahnte Billy. „Warte ab.“ „Bis es zu spät ist, he? Der Bursche ist ein halber Elefant.“ Jenkins versuchte, die Dogge mit einem Stück Rauchfleisch zu ködern. Der Hund blieb auf seinem Platz und blickte aus blutunterlaufenen Augen wachsam zu ihnen herüber. Als Billy auf ihn zuging, wich er schrittweise zurück, nicht ohne ein bö ses Knurren von sich zu geben. Ohne ein Wort zu verlieren, winkte Billy dem Freund und schritt zu den Pferden. Hier schnallte er den Toten vom Pferd und trug ihn dem Hund entgegen. Wenige Meter vor der immer unruhiger werdenden Dogge legte er den Leichnam auf den hei ßen Boden. Dann bot sich ihnen ein merkwürdiges Schauspiel. Der Hund hatte das Manöver mit klugen Blicken verfolgt. Nachdem Billy kehrtgemacht, ließ er zunächst mißtrauisch ei nige Minuten vergehen. Dann kroch er langsam auf den Toten zu, umrundete ihn schnüffelnd und setzte sich in Kopfhöhe nie der. Mehrmals stieß er mit der Schnauze gegen die Schulter des Toten, wie um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Ein ans Herz greifendes Gewinsel untermalte diese sonderbare Szene. „Beim Henker, Billy, der Oldman ist dem Hund kein Frem der!“ Dick versuchte die aufgeregte Dogge zu beruhigen. Sie zog sich wieder zurück und nahm neben ihrem toten Herrn Platz. „Ich bringe es einfach nicht übers Herz, das Tier hier allein zurückzulassen. Und es töten, kommt schon gar nicht in Frage.“ 9
„Hast du heute kein Glück, gelingt es dir womöglich beim nächstenmal.“ „Gehört die Dogge tatsächlich zu dem Alten, so wird sie uns auch weiterhin folgen.“ Der Hund war zwischen den unübersehbaren Felsen ver schwunden. Minuten später setzten die beiden Freunde ihren unterbrochenen Ritt nach Dixie Valley fort. Bis zum Dunkel werden sichteten sie noch mehrere Male das Tier. Aber alle Versuche, sie fügbar zu machen, schlugen fehl. „Mach dir keine Sorgen um die Dogge“, entgegnete Billy. „Bis nach Dixie Valley sind es noch viele Meilen. Überlaß es dem Zufall, das Tier einzufangen!“ — Erst gegen Mittag des anderen Tages erspähten die beiden Special die niedrigen Umrisse des abseits gelegenen Dixie Val ley. Die einzige, mit einer leichten Biegung verlaufende Straße lag ziemlich verlassen im Sonnenglast. Nur unter den schatten spendenden Vorbauten einiger Häuser räkelten sich ein paar Bürger in der Mittagshitze und hielten Siesta. Die Reiter hatten noch nicht die Mitte des Ortes erreicht, als Benty Scruggs, der mit seinem General-Store zu den vermögensten Männern des Towns zählte, als erster seinen beachtlichen Körperumfang aus dem Schaukelstuhl mühte und erregt auf die Fremden wies. Die Männer auf den Veranden reckten nun auch die Hälse. Conny Baker, der mit dem Provisionsverkauf landwirt schaftlicher Maschinen und Geräte sein Leben fristete, stieg die wenigen Stufen zur Straße hinunter. „Well“, krächzte er mit seiner heiseren Säuferstimme, „will nie mehr behaupten, daß meine Augen scharf wie die von Ad lern sind, wenn ich mit dem Guy dort nicht auf Du und Du stand.“ Dabei zeigte seine Rechte auf den Toten, der schlaff über dem Rücken des einen Pferdes lag. Billy Jenkins zügelte sofort seinen Falben. „Sie kennen den 10
Mann?“ fragte er den Provisionsvertreter, der nur aus Perga menthaut und Knochen zu bestehen schien. „Wer ist es?“ „Ein altes Unikum, nannte sich Zachary Rhoades. Ob er auf diesen Namen getauft wurde, vermag ich nicht zu beschwören, Stranger.“ „War er hier im Town ansässig?“ Conny spukte das ausgesogene Stück Kautabak in den Stra ßenstaub. „Denke, Stranger“, nickte er seinem inzwischen he rangekommenen Freund Benty Scruggs zu, „daß wir jetzt mit dem Fragen an der Reihe sind. Wie kam der Alte ums Leben?“ „Kopfschuß von hinten“, erwiderte Jenkins kurz. „Und weshalb legten Sie auf den harmlosen Trapper an?“ wollte Scruggs mit der Miene eines Inquisitors wissen. „Ist der Sheriff im Town?“ mischte sich Billy jetzt ins Ge spräch. „Well, Billy, denke, daß du die Formalitäten beim Sheriff al lein erledigen kannst“, meinte Dick. „Werde im Saloon auf dich warten.“ „Halte aber Augen und Ohren offen“, flüsterte dieser sei nem Freund noch zu, bevor er, gefolgt von Benty Scruggs, Conny Baker und vier anderen Neugierigen, dem Haus des She riffs zuschritt. Billy Jenkins schlang die Zügel seines Pferdes um einen Pfahl, hieß Scruggs und Baker Obacht auf den Toten geben und betrat mit elastischen Schritten das Haus des Sheriffs von Dixie Valley. „Zum Henker mit diesem abgefeimten Lügner!“ hörte er eine Baßstimme rufen, als er die Tür zum Amtszimmer schwungvoll aufstieß. „Euer Eintritt erfolgt ungewöhnlich stürmisch, Stranger. Wir in Dixie Valley halten es mit der Gemütlichkeit.“ „Auch im Morden?“ 11
„In meinem Distrikt wird nicht gemordet“, stellte Sheriff Ross großspurig fest. „Denke jedoch richtig unterrichtet zu sein, wenn die Stillwa ter Mountains gleichfalls zu dem Gebiet zählen, in dem Sie für Recht und Ordnung verantwortlich sind.“ „Well, auch für die Stillwater Mountains bin ich zuständig, Stranger.“ „Wer war Zachary Rhoades, Sheriff?“ „War? Also hat’s ihn erwischt! Devil, das bringt allerlei Un annehmlichkeiten. Starb er wenigstens eines natürlichen Todes?“ „Er wurde hinterrücks erschossen.“ „Du meine Güte! Dann hab ich auch noch nach dem Täter zu suchen?“ seufzte der Sheriff abgrundtief. „Ich befürchte, davor werden Sie sich nicht drücken kön nen.“ „Wer spricht denn von ,Drücken’, Stranger? Sheriff Ross hat bisher noch jedem Gauner das Handwerk gelegt.“ Billy Jenkins ließ sich aber nicht darauf ein, diese Frage zu klären, sondern kam erneut auf die Person des ermordeten Za chary Rhoades zurück. „Wer er war? — Ein Spinner, ein schrulliger Sonderling“, gab Ross mit geringschätzigem Zucken um den Mund. „Er gab sich als Trapper aus. In Wirklichkeit war er ein arbeits- und menschenscheuer Bummler, ein verrücktes Huhn, wie wir ihn alle nannten. Um jede Arbeit machte er einen weiten Bogen. Sein Leben lang trieb er sich nur in den Wäldern und in den Mountains umher, jagte, fischte und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Ein Faulenzer und Nichtsnutz.“ „Geriet er jemals mit dem Gesetz in Konflikt?“ Die Frage kam Sheriff Ross nicht sehr gelegen. „Nicht, daß ich wüßte.“ „War er vermögend?“ „Der und vermögend!“ Sheriff Ross lachte lärmend. Die Fra 12
ge amüsierte ihn so, daß ihm die dicken Zähren über die rotge äderten Wangen kullerten. „Zachary Rhoades besaß nicht einen Cent, so oft man ihn auch traf, was selten genug vorkam, denn ohne besonders wichtige Gründe mied er die Begegnung mit anderen Menschen.“ „Wollt Ihr jetzt nicht wenigstens den Toten hereinholen?“ „Schafft den Toter in den Schuppen“, befahl er Benty Scruggs und Conny Baker. Dann aber wandte er sich dem Fremden zu und wollte nun endlich Näheres über diesen selbst und das Auffinden des toten Trappers wissen. Billy nannte seinen Namen und gab einen kurzer. Bericht. Als er geendet hatte, trat Conny Baker ein. „Für diese Schandtat kommt eigentlich nur einer in Frage“, rief er dem Sheriff zu. „Und?’’ nickte Ross ungeduldig. „Weiter!“ „Well, Zachary durchstreifte die ganze Umgebung, von den Antelope Springs bis zum Chalk Mountain, vom Dry Lake bis zum Desert Peak. Dabei kam er natürlich auch über das Gebiet der Bolger-Ranch. Lionel Paulson, Miß Bolgers Vormann, war immer schlecht auf ihn zu sprechen. Er schimpfte ihn einen Ta gedieb, einen Tramp, und bedachte ihn mit noch beleidigende ren Bezeichnungen. Vor einigen Wochen aber drohte der Streit zwischen den beiden zu Tätlichkeiten auszuarten. Paulson be hauptete, Zachary treibe sich in letzter Zeit verdächtig häufig auf den Weidegründen der Bolger-Ranch herum. Er verbot ihm für die Zukunft das Betreten dieses Gebietes und drohte zu schießen, wenn er ihn noch einmal auf dem Grund und Boden von Miß Bolger anträfe.“ „Verdächtig, das war höchst verdächtig“, brummte Ross und massierte mit stierem Blick seinen kahlen Schädel. Er übersah, daß Rhoades ja gar nicht auf dem Gebiet der Bolger-Ranch er schossen worden war, sondern in den Mountains. „Ich werde Lionel Paulson vernehmen müssen.“ 13
Ein vierschrötiger Mann von über sechs Fuß Länge bahnte sich einen Weg durch die Menge. Mit zusammengeschobenen Brauen blickte er zuerst auf Jenkins und dann auf Sheriff Ross. „Etwas Besonderes vorgefallen, Sheriff?“ ,,’ne tolle Schweinerei, Mr. Dwinell. Jemand hat den alten Rhoades umgebracht“, erklärte Ross. „Wo geschah es?“ „In den Mountains.“ „Und wer fand ihn?“ „Der Gent dort.“ Ross zeigte auf den Fremden, als dieser sich nicht selber meldete, sondern nur eindringlich den Frage steller musterte. Dwinells wägender Blick, der sofort die sehnige Gestalt des Rangers erfaßte, verfing sich in dessen Augen. Es war ein stummes Kreuzen von Klingen. „Was soll ich nun tun, Mr. Dwinell?“ fragte Ross. „Conny Baker ist der Ansicht, der alte Paulson von der Bolger-Ranch hätte sein Gewissen mit diesem Mord belastet.“ Earl Dwinell, der dem durchdringenden Blick Billy Jenkins’ nicht länger standzuhalten vermochte, meinte lässig: „So prüft Bakers Beschuldigung, Sheriff. Sofern etwas daran ist, nehmt Paulson in Gewahrsam!“ „All right“, nickte der Gesetzeshüter, „werde gleich aufbre chen.“ Earl Dwinell schritt in derselben herrischen Haltung davon, mit der er erschienen war. Die Ansammlung der Gaffer zer streute sich jetzt schnell. Nur der dicke Benty Scruggs und sein Freund Conny Baker blieben zurück. „Wer war der Mann?“ fragte sie Jenkins. „Earl Dwinell. Er betreibt zwölf Meilen südlich von hier eine kleine Ranch und gilt als einer der mächtigsten Männer im Town.“ „Wieso nimmt er als kleiner Rancher eine so tonangebende 14
Stellung ein?“ Billy wollte von den beiden einiges mehr über den Mann, der einen so großen Einfluß auf den Sheriff ausübte, herausbekommen. „Darauf wird Ihnen wohl keiner ‘ne Antwort geben können, Stranger“, erwiderte Conny Baker. „Dwinell unterhält neben seinem Ranchbetrieb noch ein Büro im Town. Er hat vor Jah resfrist ‘ne Genossenschaft gegründet, um den Absatz an Vieh und landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Rancher und Farmer des Distrikts zu fördern. Vielleicht rührt es daher, daß die Bür ger von Dixie Valley so viel auf seine Worte geben. Ich persön lich möchte annehmen, daß er seine einflußreiche Stellung al lein seinem Auftreten verdankt.“ „Sie sind kein Freund von ihm?“ „Bei Gott nicht. Er ruiniert mich in rücksichtslosester Weise. Früher kauften die Rancher und Farmer ihre Geräte und Ma schinen nur bei mir. Heute besorgt das Earl Dwinell; angeblich liefert sein Verbindungsmann drei Prozent billiger.“ Jenkins bot den beiden Zigaretten an und brachte das Ge spräch geschickt auf Zachary Rhoades. „Sie waren ein guter Bekannter von ihm, Mr. Baker?“ „Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich nicht sogar sein einziger Freund war. Zachary war gewiß kein Menschen freund, aber mit mir verstand er sich, weil ich Rücksichten auf seine Eigenarten nahm.“ „Sie können sich nicht erklären, wer außer dem Vormann der Bolger-Ranch noch als Mörder in Frage käme?“ „No. Zachary war kein Krösus; sein Tod bereicherte also niemanden. Es kann ihm nur jemand aus Rache die Fahrkarte ins Jenseits verpaßt haben.“ Billy Jenkins sah ein, daß das Wissen der Männer über Za chary Rhoades erschöpft war, und verabschiedete sich, um nochmals den Sheriff vor seinem Ritt aufzusuchen. — Als er dann wenig später aus Sheriff Ross’ Haus trat, lehnte 15
ein städtisch gekleideter Mann mit Gabardinebreeches und Juchtenreitstiefeln gegen einen Pfosten des Verandadaches. Sei nen Mund, dessen Oberlippe ein schmales Bärtchen zierte, um spielte ein überhebliches Lächeln, als er Jenkins mit „Hallo!“ anrief. „Reiten Sie den prachtvollen Falben, Stranger?“ „Wenn’s Sie interessiert, ja.“ Billy löste den Zügel vom Pflock. „Ein edler Traber“, meinte Neil Fauskin. Das war wenigstens der Name, mit dem er sich gleich darauf vorstellte. „Waren Sie es, der die undankbare Aufgabe übernahm, den toten Rhoades ins Town zu bringen?“ „Weshalb undankbar?“ Der Ranger sah sich den Mann jetzt eingehender an. „Nun, die Einwohner von Dixie Valley werden nicht sonder lich entzückt von dieser Ruhestörung sein. Hier herrscht, so lange Phil Chambers, der älteste Einwohner, zu denken vermag, Ruhe und Ordnung.“ „Wüßte nicht, warum der Tote diesen Zustand beenden soll te“, entgegnete Jenkins kühl. „Ein Ermordeter verursacht immer Unruhe“, erklärte Fauskin und rieb mit pedantischer Sorgfalt eine blinde Stelle an seinem Stiefelschaft wieder blank. Er war ein kleiner Mann von ge drungener Statur, dem anzusehen war, daß er das Licht der Welt überall, nur nicht im Westen der Staaten erblickt haben mochte. „Mit anderen Worten, Sie machen mir den Vorwurf, den To ten nicht in den Bergen liegengelassen zu haben?“ „Wir in Dixie Valley lieben ein beschauliches Dasein. Der alte Rhoades war kein Bürger unserer Stadt.“ „Aber er verbrachte sein Leben im Distrikt Eures Sheriffs. Es war meine Pflicht, dem Anzeige zu erstatten.“ Fauskin lachte abfällig. „Es wäre auch Ihre verdammte Pflicht gewesen, unsere Ruhe nicht zu stören.“ 16
Billy kniff die Lider zusammen. „Ihnen wäre demnach lieber gewesen, von dem Mord wäre nichts nach Dixie Valley ge drungen?“ Fauskins Antlitz überflog ein ungutes Lächeln. „Es wäre je denfalls wünschenswerter gewesen, wenn sich kein Fremder in diese Angelegenheit eingemischt hätte. Wir Bürger von Dixie Valley sind lieber unter uns, Stranger.“ * Kenneth Graybill, der Kassierer der Central Bank in Dixie Val ley, hatte gerade zur Uhr geblickt, um auszurechnen, wie viele Minuten es noch bis zum Schalterschluß waren, als die Tür stürmisch aufgezogen wurde und Mr. Fauskin hereinkam. Die ser verfügte bei der Filiale der Central Bank über ein an sehnliches Konto und wurde von den Angestellten dementspre chend bevorzugt bedient. Freundlich schob Fauskin durch das Sicherheitsgitter einen Scheck. „Schreiben Sie ihn mir gut, Mr. Graybill“, bat er. „Geht in Ordnung!“ Der Kassierer füllte ein Formular aus. „Eine schreckliche Hitze, nicht wahr?“ „In der Tat. Dabei sind Sie am meisten zu bedauern. Den ganzen lieben Tag für lumpige zweihundert Dollar im Monat in diesem muffigen Stall zu schuften.“ Graybill wehrte bescheiden ab. „Das ist nun einmal mein Be ruf, Mr. Fauskin. Ich kann mich sonst wirklich nicht beklagen.“ „Sie sind zu genügsam, mein Lieber! Was haben Sie schon vom Leben? Um Frau und Kind ausreichend zu versorgen und pünktlich den wucherischen Mietzins für den alten Brammon aufzubringen, können Sie sich noch nicht mal ‘nen Drink, ge schweige ein Spielchen erlauben. Nennen Sie das vielleicht ein Leben? Das ist ein Vegetieren, Mr. Graybill.“ Der Kassierer, dem selber schon ähnliche Gedanken durch 17
den Kopf gegangen waren, lächelte matt. „Recht haben Sie schon, Mr. Fauskin. Aber ich muß froh sein, daß ich diesen Job habe. Verbessern werde ich mich kaum irgendwo in Dixie Val ley können.“ Auf diese Worte schien der andere nur gewartet zu haben. „Es mangelt Ihnen nur an dem nötigen Selbstvertrauen, Mr. Graybill“, sagte er wichtig, „Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen die Chance Ihres Lebens bieten könnte?“ „Sie?“ staunte Graybill, denn so oft auch in Dixie Valley über den sagenhaft reichen Neil Fauskin getuschelt wurde, wußte doch niemand, welche Tätigkeit er eigentlich ausübte oder ausgeübt hatte. „Warum nicht? Ich habe große Pläne vor! Würden Sie sich dazu fähig fühlen, eine Bank, größer als diese hier, selbständig zu leiten?“ Graybill glaubte, ihm stände der Verstand still. Er war so perplex, daß er gar nicht merkte, wie Bruce Eshelman, sein Fi lialleiter und Chef, den Kassenraum betrat. Auch Fauskin tat, als hätte er dessen Anwesenheit übersehen. „Nun?“ beugte er sich zu Graybill hinüber. Der Kassierer rang nach Worten. „Natürlich“, brach es dann aus ihm heraus. „Selbstverständlich bin ich imstande, eine Bank selbständig zu leiten.“ Gespannt wartete er die Antwort ab, von der für ihn soviel abhing. „All right. Ich stelle Sie ein. Zu wann können Sie kündigen?“ „Zum Ersten.“ „Tun Sie das. Ich zahle Ihnen, bis Sie eingearbeitet sind, fünfhundert Dollar den Monat. Zufrieden?“ Jetzt aber schaltete sich Eshelman in die Unterhaltung ein. Statt eines Grußes nickte er Neil Fauskin nur zu und drängte den Kassierer ein wenig zur Seite. „Ich war ungewollt Zeuge Ihres Gespräches mit Graybill, 18
Mr. Fauskin. Finden Sie nicht auch, daß es ungebührlich ist, einen Angestellten in diesem Hause zur Kündigung zu verlei ten, um sich seiner Dienste selber zu versichern?“ Fauskin zeigte nicht die geringste Spur von Verlegenheit. „Es geschah rein zufällig, Mr. Eshelman“, antwortete er. „Wir kamen auf Mr. Graybills schlechtbezahlten Posten zu sprechen. Er wünschte sich in seiner Stellung zu verbessern. Nicht wahr?“ Graybill, den das unverhoffte Auftauchen seines Chefs völlig verwirrt hatte, nickte verdattert. „Sehen Sie? Und weil ich es gut mit ihm meinte, unterbreite te ich ihm einen günstigen Vorschlag.“ Bruce Eshelman, dessen athletisches Äußere so gar nicht mit seiner Stellung als Bankfilialleiter in Einklang zu bringen war, preßte die Lippen aufeinander. „So, wie ich Sie kenne, Mr. Fauskin, geschieht bei Ihnen nichts ohne Berechnung“, sagte er mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. „Da meine Person für Sie von so großem Interesse zu sein scheint, sollen Sie auch wissen, daß Mr. Graybill Ihnen dem nächst Konkurrenz machen wird. Die Central Bank wird in kur zer Zeit nicht mehr das einzige Institut dieser Art im Town sein.“ Bei dem Wort Konkurrenz war Bruce Eshelman leicht zu sammengezuckt. „Sie haben sich viel vorgenommen, Mr. Fauskin.“ Der Selfmademan, wie er sich selber gerne bezeichnete, lachte trocken. „Mag sein, Mr. Eshelman. Aber da Sie mich zu kennen glauben, werden Sie auch wissen, daß ich meine Pläne sogar mit beispielloser Hartnäckigkeit durchzufechten verstehe.“ Bruce Eshelman wollte gerade zu einer treffenden Entgeg nung ansetzen, als Tom Colgan, der die Posthalterei in Dixie Valley unterhielt, den Schalterraum betrat. Neil Fauskin benutz te diese Gelegenheit, um sich mit einem flüchtigen Gruß zu empfehlen. „Wir sehen uns noch, Mr. Graybill.“ 19
„Ein eingeschriebener Brief für Sie“, meldete Tom Colgan und händigte ihn Eshelman aus. „Aus Chikago?“ drehte der verwundert den Umschlag in den Händen. Hastig setzte Eshelman seinen Namenszug unter das Formu lar, nickte Colgan zerstreut zu und entfernte sich dann über stürzt nach der Tür seines Büros. 2. Kapitel Da die Tage in Dixie Valley eintönig und ohne nennenswerte Zwischenfälle dahinrannen, waren die braven Bürger des Towns um so erstaunter, als sie in der Nacht nach der Ankunft der beiden Ranger wütendes Hundegebell aus dem Schlaf riß. Billy und Dick waren sofort von ihren Lagern hoch. Ein Blick hinunter auf die Straße besagte ihnen alles. „Die Dogge ist im Town!“ Geschwind war Hanson in den Stiefeln und schnallte noch im Hinauslaufen den Waffengurt um. Da die Haustür von Clark Sellers um diese Zeit sorgfältig verschlossen war, nahmen die beiden ihren Weg kurzerhand durch ein zu ebener Erde gelege nes Fenster. Aus den Häusern blickten die empörten Bürger. „Schlagt das Mistvieh tot“, keifte Benty Scruggs, und Conny Baker brachte bereits seine doppelläufige Flinte in Anschlag. „Stop! Nicht schießen!“ rief Billy Jenkins, während er mit Dick Hanson auf das Sheriffshaus zueilte, wo Zachary Rhoa des’ Dogge soeben zum Sprung auf einen Cowboy, der schon übel zugerichtet war, ansetzte. „Verfluchter Köter“, schrie der Mann. Ein Schuß löste sich. Aber der Hund schien einen Schutzen gel zu besitzen. Haarscharf neben ihm bohrte sich die Kugel in die hölzerne Hauswand. 20
„Lump!“ knirschte Dick voller Groll mit den Zähnen. Auf ein unschuldiges Tier zu schießen! Wette, der Bursche hat den Hund so gereizt, daß er nach seiner Sitzfläche schnappte.“ Der Mann hob erneut die Waffe. Jenkins und Hanson, die auf ihn zuliefen, waren jetzt nicht mehr die einzigen auf der Straße. Aus seinem halbverfallenen Haus kam Conny Baker mit seiner altertümlichen Flinte, und von rechts näherte sich Earl Dwinell. Der Boy drückte abermals ab, und wieder blieb der Hund unver sehrt. In großen Sprüngen jagte er um die Ecke des Sheriffhauses. Billy Jenkins war jetzt bei dem jungen Mann angelangt und umspannte mit eisernem Griff dessen rechtes Handgelenk. „Seid Ihr taub, daß Ihr meinen Befehl nicht befolgtet?“ „Euren Befehl?“ kam es höhnisch zurück. „Seit wann hat ein hergelaufener Stranger mir Befehle zu erteilen, he?“ Der Mann mühte sich, seine Hand aus Jenkins’ Umklamme rung freizubekommen, was ihm aber erst gelang, als der Ranger ihm die Schußwaffe entwunden hatte. „He, was soll das heißen, Strangers, mitten in der Nacht friedliebende Bürger aus dem Schlaf zu scheuchen und oben drein noch Streit anzufangen?“ baute sich Earl Dwinell mit sei ner kantigen Gestalt vor den dreien auf. „Fragt lieber das Greenhorn da, das statt mit Knallerbsen mit heißem Blei um sich streut“, erwiderte Billy Jenkins kühl. „Weil diese verdammten Cowpunchers den Köter auf mich hetzten“, log der andere frech. „Ah, schau an! Solch ein Gesindel seid ihr.“ Dabei kreuzte Earl Dwinell die Arme über die Brust und blickte finster auf die beiden Ranger. „Erst spielt ihr euch als gesetzestreue Männer auf, indem ihr den ermordeten Rhoades zu uns schafft, und nun zeigt ihr euer wahres Gesicht!“ „Dem Kerl breche ich sämtliche Knochen kaputt!“ Dick machte Miene, sich auf den unverschämten Lügner zu stürzen, aber Jenkins hielt ihn zurück. 21
„Wir sind durch das Hundegebell genauso aus dem Schlaf geweckt worden, wie Sie, Dwinell.“ „Was sagen Sie dazu, Lester Parr?“ „Bleibe dabei, daß die beiden die Dogge auf mich gehetzt haben.“ Earl Dwinell nickte. „Denke, daß dem Wort eines Mannes, dessen Wiege in Dixie Valley stand, mehr Glauben zu schenken ist als zwei hergelaufenen Kuhhirten. Ihr werdet euch sputen müssen, das Town hinter euch zu bekommen, Boys.“ Billy lächelte. „Danke Ihnen für Ihren Rat, aber die Einwohner von Dixie Valley sind mir zu sympathisch, um sie schon nach solch kurzer Zeit zu verlassen. Zum anderen: wer gibt Ihnen das Recht, sich uns gegenüber als Ortsgewaltiger aufzuspielen?“ „Ich bin Earl Dwinell, das müßte Euch genügen, Stranger.“ Der vierschrötige Mann reckte sich zu voller Größe. „Momen tan vertrete ich den abwesenden Sheriff.“ „So wollen wir dessen Rückkehr abwarten“, entschied Jen kins und wandte sich zum Gehen. Als die Ranger vor Sellers’ Saloon anlangten, lehnte Neil Fauskin, in der gleichen Haltung wie am Vortage, gegen einen Balken, der das Vordach trug. „Behielt ich nicht recht mit meiner Befürchtung, daß Sie nur Unruhe ins Town bringen, Mr. Jenkins?“ „Schätze, daß meine Annahme, daß Lester Parr nicht von sich aus auf die Dogge geschossen hat, eher zutreffen wird, Mr. Fauskin“, entgegnete Jenkins schlagfertig. Fauskins Lächeln gefror. „Sie stellen ja phantastische Ver mutungen an.“ „Ich befasse mich mit Tatsachen, Mr. Fauskin! Wollten Sie sonst noch etwas von mir?“ „Eigentlich mich nur von Ihnen verabschieden.“ „Muten wohl den braven Bürgern von Dixie Valley Ihren 22
aufreizenden Anblick nicht länger zu?“ fragte Dick Hanson mit harmloser Miene. „Würde Ihnen raten, gleich aufzubrechen, denn der Tag wird wieder sehr heiß werden, und Dixie Valleys Umgebung ist arm an Schatten.“ Neil Fauskin verschwand um die nächste Hausecke. Clark Sellers hatte der Lärm ebenfalls aus den Federn getrieben. Er hatte im Saloon Licht gemacht, die Türen aufgesperrt und Vor sorge getroffen, falls sich noch Gäste einfanden, die das Ereig nis bei einem eisgekühlten Whisky zu besprechen wünschten. Als einzige erschienen aber nur Benty Scruggs und Conny Ba ker. Sellers hatte die Auseinandersetzung zwischen Billy Jen kins und Earl Dwinell von weitem verfolgt. Deshalb blickte er nicht auf, als der Blonde und sein Begleiter an ihm vorbei zum Aufgang in den obersten Stock gingen. Es war wohl besser, sich aus einer Geschichte herauszuhalten, in die der allmächtige Earl Dwinell verwickelt war. Die Stiege und der obere Flur lagen im Dunkeln. Knarrend bogen sich die morschen Holzstufen unter dem Gewicht der beiden Männer. Sie hatten noch nicht die letzte Stufe erreicht, als Billy plötzlich im Schritt innehielt und Dick zur Seite riß. Aus dem Dunkeln zuckte ein greller Feuerstrahl auf. Pfeifend surrte das Geschoß an ihnen vorbei. „Nicht schießen“, flüsterte Billy dem Freunde zu. „Wollen sehen, daß wir diesen Burschen auch so erwischen.“ Auf dem oberen Flur und auf der Treppe herrschte Totenstille. Unten im Saloon hörte man Clark Sellers und das unzertrennli che Duo Scruggs-Baker aufgeregt miteinander schwätzen. Lautlos kroch Billy die wenigen Stufen empor. Seine Rechte mit dem Colt war auf die Stelle gerichtet, wo zuvor das Mün dungsfeuer aufgeblitzt war. Einige Dielenbretter knackten. Ein kühler Luftzug streifte sein Antlitz. Kreischend bewegte sich eine Tür in den Angeln. 23
Floh der Attentäter? Ein weiteres Geräusch bestätigte seine Vermutung. Mit ei nem Sprung schnellte er hoch und lief geduckt auf die offenste hende Tür zu. Sie führte in einen Abstellraum. Das Fenster stand auf. War der hinterlistige Schütze dadurch entkommen? Drüben, wo Clark Sellers Wäsche, Putzmittel und leere Schnapsflaschen in buntem Durcheinander in den Regalen auf gestapelt hatte, bemerkte Billy einen auf das Fenster zueilenden Schatten. Er versuchte, dem Flüchtenden den Weg abzuschnei den. Damit erlag er einer List des Attentäters, der kurz kehrt machte und zur Tür zurückraste. Ein warnender Zuruf an Dick Hanson. Dieser erblickte noch rechtzeitig die schattenhafte Gestalt. Mit geballten Fäusten wollte er sich auf sie stürzen. Da bückte sich der andere. Ein Ruck — und der rauhe Kokosläufer rutschte dem Sergeanten unter den Füßen weg, so daß er stolperte und die Treppe hin unterflog. Wieselflink war der Unbekannte in einem anderen Zimmer verschwunden. Mit aller Macht warf sich Jenkins gegen die verschlossene Tür. Als die Füllung endlich barst, fand er nur einen leeren Raum und ein offenes Fenster vor. Er machte sich auf, nach dem Freunde Ausschau zu halten. Der hatte noch Glück im Unglück gehabt. Fluchend hatte er sich wieder hochgerappelt und war aus dem hinteren Ausgang auf den Hof gehumpelt, der von milchigem Mondlicht überflu tet war. Jäh weiteten sich seine Augen, als er hinter dem Wrack eines uralten Fords die Spitze eines nagelneuen Stetsons aufragen sah. „Warte“, rieb er sich vergnügt die Hände, „dir werde ich noch bessere Tricks als diesen faulen Zauber mit dem Läufer zeigen!“ Halb kriechend, halb laufend, schlich er an dem offenen Schuppen entlang, um den hinter dem Ford Versteckten von hinten zu packen. 24
Er war schon bis auf zehn Schritt an das ausgeschlachtete Auto heran, als die Hutspitze plötzlich wuchs und die Gestalt eines Mannes sichtbar wurde, dessen Blick unverwandt auf die Hinterfront von Sellers’ Gasthof gerichtet war. Auf Zehenspitzen schlich Dick auf ihn zu. „Hallo, Mr. Fauskin, noch ein wenig frische Luft schnappen?“ Neil Fauskin drehte sich wie vom Blitz getroffen herum. „Was machen Sie denn hier?“ „Das!“ Krachend landete Hansons Faust unter Fauskins gutrasiertem Kinn. „Aber das war nur das Vorspiel. Das Finale hast du noch vor dir. Frage mich nur, welche Rolle dir am besten liegt. Sicherlich bevorzugst du bei dieser Jahreszeit ein erfrischendes Bad. Wet te, es würde dein erhitztes Gemüt ein wenig kühlen“, mutmaßte er mit verschmitztem Seitenblick auf die Jauchegrube. „Aller dings wäre es um deine elegante Fußbekleidung schade.“ Kur zerhand zog er dem wieder zu sich kommenden Fauskin die Stiefel aus schmiegsamem Juchtenleder aus und zerrte ihn zur Grube. Neil Fauskin, von dessen Vergangenheit die Bürger von Di xie Valley so gut wie nichts wußten, war immer noch zu benommen, um mit einem Schlage das Vorhaben des anderen zu durchschauen. Erst als er unter seinen nackten Fußsohlen das holprige Pflaster verspürte, unternahm er den Versuch, sich zur Wehr zu setzen. Hanson verabreichte ihm sofort eine schallende Ohrfeige. „Vorhin hast du dich ja auch nicht gemuckt, als du feige aus dem Hinterhalt auf uns knalltest.“ Fauskin schaute ihn verblüfft an. „Ich auf euch geschossen? Ihr vertragt wohl nicht das Klima von Dixie Valley?“ „Das Klima schon, nur ein viertel Dutzend Leute nicht, zu denen auch du zählst.“ Hanson beförderte seinen Gegner mit 25
einem Schwung in die Jauchegrube. Er wollte sich vor Lachen krümmen, als er den besudelten Mann darin herumplantschen sah. Triefend und stinkend erkletterte Fauskin den Rand der Grube. „Was geht hier vor, Dick?“ erscholl Jenkins’ Stimme, der über den Hof geeilt kam. „Hab diesem geschniegelten Mordbuben nur beigebracht, daß ich noch derberen Humor verstehe als er mit seinem flie genden Teppich.“ Billy zog die Brauen in die Höhe. „Fauskin?“ schüttelte er dann den Kopf und trat nun ganz nahe heran. „Hast du nicht bemerkt, daß der Mann vollkommen waffenlos ist?“ Der Sergeant fuhr sich kraulend durch seinen Haarschopf. „Damn, darauf habe ich nicht geachtet. Na, wenn schon, scha den wird dem dunklen Ehrenmann die ‚Taufe’ keineswegs.“ Schweigend sahen die beiden Ranger ihm nach, wie er über den Hof stelzte. „Aus deiner Voreiligkeit können uns Unannehmlichkeiten entstehen“, bemerkte Jenkins vorwurfsvoll, als Fauskin schon außer Sichtweite war, und ließ sich berichten. „No, Fauskin ist nicht der Attentäter. Aber das schließt nicht aus, daß die Sache hier draußen in einem Zusammenhang mit dem Überfall steht. Sein Verhalten war mehr als durchsichtig.“ * Bruce Eshelman stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er endlich die Umrisse der Bolger-Ranch vor sich auftauchen sah. Vor dem Wohnhaus traf er Judy, die junge Rancherin, und Lionel Paulson, den buckligen, mitunter etwas zerfahrenen Vormann. „Hallo!“ grüßte er wortkarg. 26
Schon sein erster Ton machte Judy Bolger stutzig. Prüfend glitt ihr Blick über sein geschlossenes Antlitz, um ihn dann mit wortloser Geste zum Platznehmen aufzufordern. Auf der Bank, unter den breiten Ästen der alten Buche, war es bei dieser brü tenden Hitze einigermaßen erträglich. Aus Paulsons düsterer Miene schloß Eshelman, daß es ein Ärgernis gab, über das dieser gerade mit der Rancherin gespro chen hatte. „Sie kennen mich lange genug, Mr. Eshelman“, begann der Vormann dann auch schon mit belegter Stimme. „Sagen Sie ehrlich, trauen Sie mir einen gemeinen Mord zu?“ Bruce hob gelangweilt den Blick. „Kenne die Story, Paulson. Traf auf dem Herritt Sheriff Ross.“ „Und?“ Eshelman winkte ab. „Ist ein an den Haaren herbeigezogener Verdacht. Glaube nicht, daß Sie Rhoades so haßten, daß Sie ihn hinterrücks erschossen!“ Lionel Paulson atmete erlöst auf. Doch gleich darauf ballte er seine schwieligen Hände zu Fäusten und reckte sie drohend gen Himmel. „Wenn mir der Schuft, der mich verleumdete, einmal vor die Füße läuft, könnte ich zu dem werden, dessen mich der Sheriff verdächtigt“, rief er theatralisch aus. Judy, die merkte, daß Eshelman die Anwesenheit des Vor mannes nicht sehr gelegen war, schickte diesen unter einem Vorwand ins Bunkhaus. Dann sah sie ihren Freund voll an, „Gab es Ärger in der Bank?“ „Auch das“, entgegnete er und fingerte aus seiner Brustta sche eine Zigarette hervor. Nachdem er die ersten Züge getan, erwähnte er kurz seinen Zusammenstoß mit Neil Fauskin im Schalterraum. „Glaubst du, daß Dwinell dahintersteckt?“ Eshelman hob die Schultern. „Soviel ich weiß, pflegen die beiden keine Geschäfte miteinander zu tätigen.“ 27
„Nun, warte ab, Bruce, wie sich Fauskin weiterhin verhält, und dann unternimm die nötigen Gegenschritte.“ Der Bankkaufmann strich fahrig über sein gewelltes Haar. „Es ist nicht nur das, was mir Sorge bereitet, Judy.“ „Sondern?“ „Gestern abend erhielt ich einen Brief aus Chikago.“ Judy verlor ein wenig die Farbe im Gesicht. „Von deinem Bruder?“ „No. Von der dortigen Polizei. Sie haben ihn mit mehreren Mitgliedern einer gefährlichen Bande verhaftet. Der Untersu chungsrichter bittet mich, Geld zu schicken, damit Ray sich einen tüchtigen Anwalt nehmen kann. Von ihm selber waren einige Zeilen beigefügt. Er beteuert, daß er schuldlos sei.“ „Wirst du ihm helfen?“ „No“, kam es hart über die Lippen des jungen Mannes. Sein Antlitz trug dabei einen strengen, unnachgiebigen Aus druck. Die Rancherin sah an ihm vorbei durch das Hoftor auf die weite, endlose Savanne. „Er ist dein einziger Bruder, Bruce. Und wenn er unschuldig …“ „Glaube das nicht! Ray ist ein Verbrecher. Hast du vergessen, daß er vor elf Jahren über Nacht aus Dixie Valley fliehen mußte, weil er sich in betrügerische Spekulationen eingelassen hatte?“ „Eine Jugendsünde, Bruce. Er kann sich in den Jahren zu seinem Guten verändert haben.“ „Ray aber nicht!“ „Wenn du nicht mehr an ihn glaubst, weshalb bereitet dir dann der Brief Sorgen?“ „Weil ich mich dieses Bruders schäme, so oft ich nur an ihn erinnert werde.“ *
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Zwei Tage danach, an einem Nachmittag, bewegte sich ein kleiner Zug vom Sheriffhaus zur Kirche durch die einzige Stra ße von Dixie Valley. Voran ging der Reverend, dann folgte auf einem kleinen Gefährt, welches Mr. Scruggs’ Handwagen täu schend ähnlich sah, die rohgezimmerte Kiste, die Zachary Rhoades’ sterbliche Überreste enthielt. Vor der niedrigen Holzkirche schloß sich dem Zug noch eine Reihe Neugieriger an, um die Trauerfeier nicht zu versäumen. Zu diesem Zeitpunkt näherten sich zwei Reiter von Süden her in scharfem Trab dem Town. Dick Hanson machte seinen Freund auf die Versammlung aufmerksam. „Scheint, als wenn wir gerade noch zurechtkommen, Zacha ry Rhoades die letzte Ehre zu erweisen“, meinte Billy und schlug die Richtung zum Kirchhof ein. Unterwegs überholten sie Earl Dwinell, der zu Fuß dem Friedhof zustrebte und nicht hochblickte, als die beiden ihn pas sierten. Gegen das Gitter der Kirchhofseinzäunung gelehnt, blinzelte Neil Fauskin ihnen entgegen. „Hat der Kerl denn überhaupt nichts anderes zu tun?“ knurrte der Sergeant böse. „Beachte ihn nicht“, riet ihm Billy. Sie stiegen ab und banden die Zügel ihrer Pferde am Fried hofsgitter fest. Reverend Wyse hatte gerade die Grabstätte er reicht, als die zwei Ranger sich zu ihnen gesellten. Billy stieß den Freund leicht an und deutete mit dem Kopf auf das obere Ende der Grube. „Die Dogge!“ Tatsächlich hockte dort Zachary Rhoades’ Hund, unbeweg lich wie eine Statue. Nur die Lichter trieben ein unruhiges Spiel. Sie schienen jeden der Anwesenden einzeln in Augen schein zu nehmen. Er knurrte und gebärdete sich unruhig, als der Sarg von Scruggs, Baker und zwei anderen Männern mit Seilen hinuntergelassen wurde. Erdbrocken polterten auf die 29
Holzkiste. Conny Baker sprach abschließend noch ein paar rührselig stimmende Worte über den Verblichenen. Damit schien der Trauerakt sein Ende gefunden zu haben. Die meisten Zuschauer traten bereits den Heimweg an, als plötzlich Leben in die Dogge kam. Zähnefletschend schoß sie vor. Sheriff Ross stob mit einem Entsetzensschrei in das nächstbeste Gebüsch, weil er annahm, der Angriff gelte ihm. Der wuchtige Anprall des mächtigen Tieres riß Earl Dwinell glatt zu Boden. Billy Jenkins eilte dem Bedrängten sofort zu Hilfe. Der Hund hatte den Unglücklichen bereits in die Schulter gebissen. Dwinell stöhnte, rief um Hilfe, wehrte sich voller To desangst. Aber keiner, außer Jenkins, fand den Mut zum Hel fen. Schießen war eine Unmöglichkeit, da die Gefahr bestand, auch Dwinell zu treffen. Die Dogge setzte soeben zum zweiten Biß an, als Billys kraftvolle Hände den Hals des Hundes wie ein Schraubstock umklammerten. Mit einem unheimlich anmutenden Ruck riß er das wütende Tier zur Seite. Die Dogge, ihren neuen Gegner erkennend, griff nun diesen an. Ein Schuß peitschte auf. „Damn, nicht schießen!“ schrie Dick Hanson Dwinell zu, der mit rauchendem Revolver auf den Zweikampf zwischen Mensch und Tier schaute. „Das Teufelsbiest soll verrecken“, knirschte er. Jenkins mußte alle Kräfte aufbieten, um Herr über die sich wie rasend gebärdende Dogge zu werden. Nach und nach er schlafften ihre Kräfte. Jenkins ließ blitzschnell von ihr ab und war mit einem Sprung auf den Beinen. Wimmernd ergriff der Hund die Flucht. Haarscharf schlugen die Geschosse neben ihm in den Sand. Wie ein Ball flog Hanson auf den vierschrötigen Earl Dwi nell zu und schlug ihm den Colt aus der Hand. 30
„Was untersteht Ihr Euch, Stranger?“ brüllte der rot vor Wut, „Auf das Tier wird nicht geschossen“, erklärte Dick mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Devil! Die Bestie wollte mir die Kehle durchbeißen und da …“ „Fragt sich nur, aus welchem Grund sie es wollte“, warf Bil ly Jenkins lässig ein. „Grundlos greift das Tier keinen Men schen an.“ „Was wollt Ihr damit sagen, Fremder?“ „Das, was ich gesagt habe. Die Dogge wollte sich für irgend etwas an Euch rächen.“ Sekundenlang standen sich die beiden schweigend gegen über. Nur ihre Blicke fraßen sich ineinander. Unvermittelt dreh te sich Earl Dwinell dann um. „He, ihr Schlafmützen!“ rief er einigen vor der Kirche her umlungernden Weidereitern zu. „Seid ihr noch nicht auf den Gäulen? Los, flink!“ In die Cowboys kam Bewegung. Sie rannten zu ihren Pfer den und stoben Sekunden später davon. Ohne Jenkins und Han son weiter zu beachten, verließ Earl Dwinell den Friedhof. Vor dem Friedhofstor, als die Ranger gerade ihre Pferde be stiegen, erschien Sheriff Ross mit seinem neunschüssigen Colt in der Faust. „Die Pfoten hoch und runter von den Trabern, Gents!“ brüll te er mit allem Stimmenaufwand, dessen er fähig war. Das Gesicht von Dick Hanson lief im Nu krebsrot an. „Hab schon allerlei Merkwürdigkeiten in Dixie Valley erleben müs sen, aber daß ein Sheriff auf offener Straße ‘nen fachgerechten Hold-up veranstaltet, setzt dem Faß doch die Krone auf!“ Billy aber gab ihm mit einem Wink zu verstehen, zu schwei gen. „Wollen Sie sich nicht näher erklären, Sheriff?“ Ross, den schon wieder Unsicherheit überkam, schaute auf Fauskin, der ihm ermunternd zunickte. „Well, ich verhafte euch 31
wegen Mordes, verübt an Zachary Rhoades, und eines Mord versuchs, begangen an Mr. Fauskin. Nehmt eure Klepper an den Zügeln und folgt mir zum Office!“ Zu Dicks Erstaunen kam Billy ohne Einwände der Aufforde rung nach. Erst in der Amtsstube ergriff er wieder das Wort. „Wer hat die Anzeige erstattet?“ „Mr. Fauskin.“ „So …? Würden Sie die Güte besitzen, Sheriff, uns den Text seiner Anzeige vorzulesen?“ „Das haben Sie nicht nötig“, wandte Fauskin ein. „Denke, daß wir uns ein bißchen besser im Gesetz ausken nen“, erklärte Jenkins scharf und zückte seinen Ausweis. Sekundenlang schien Ross der Verstand stillzustehen. Damn, hatte er hier wieder einmal einen Bock geschossen? „Gefälscht!“ rief Neil Fauskin. „Jawohl, gefälscht!“ Sheriff Ross griff nach dem rettenden Strohhalm. „Ihr seid zwei ganz durchtriebene Halunken.“ „Dann müßten wir uns mit euch Erzgaunern viel besser ver stehen“, knurrte Hanson. „Bewahren Sie mehr Respekt vor einer Amtsperson“, mahnte Ross. „Werde jetzt gleich mit der Vernehmung beginnen.“ „Besser wäre, Sie würden die beiden erst in einer Zelle un terbringen“, flüsterte Neil Fauskin ihm zu. „Das Verhör hat noch Zeit. Wir benötigen ja im Falle Rhoades noch mehr Be weise gegen sie.“ Das leuchtete Ross ein. „Gut denn!“ Er entnahm einer Schreib tischschublade ein Schlüsselbund und öffnete zwei Zellen. Dieser Spaß ging Billy Jenkins nun doch zu weit. Mit einer blitzschnellen Wendung ergriff er Sheriff Ross und warf ihn in eine der geöffneten Zellen. Ähnlich verfuhr Dick mit Neil Fauskin. „Nun sieht das Ganze schon ein wenig anders aus“, meinte er, den Schlüssel abziehend. 32
Jenkins trat dann dicht vor die Gitterstäbe. „Schätze, Sie sind auf diesen Posten gewählt worden, um das Recht zu wahren, nicht aber, um sich von dunklen Ehrenmännern in Ihren Hand lungen beeinflussen zu lassen.“ „Was Recht ist, entscheide ich“, gab Ross keuchend zurück. „Wenn ich euch Spitzbuben erwische, ist euch das Ende am Galgen sicher.“ „Um diese Prophezeiung nicht wahr werden zu lassen, trafen wir diese Vorsorge“, grinste Hanson und reichte ein Spiel Karten in die Zelle. „Damit euch die Zeit nicht zu lang wird.“ * Auf dem flachen Hügel, der sich hundert Yards westlich des Wohnhauses der Bolger-Ranch erstreckte, verhielt ein Reiter. Der Mann — er hatte kaum die Dreißig erreicht — starrte lange mit einem verlorenem Lächeln auf die festlich er leuchteten Ranchgebäude, bevor er seine Stute mit leichtem Schenkeldruck antrieb und auf das Hoftor lenkte. Der Lärm im Hause war so stark, daß niemand den Hufschlag vernahm. Der Mann, halb städtisch, halb ländlich gekleidet, stieg müde aus dem Sattel und befestigte die Zügel seiner braun-weiß ge scheckten Stute an einem Pfosten. Sodann schritt er in nachläs siger Haltung die wenigen Stufen zur Veranda hinauf. Als er in den hellen Lichtschein trat, der aus dem Hause fiel, sah man, daß sich ein breiter Streifen geronnenes Blut von der linken Schläfe bis zum Unterkiefer herabzog. „Stop! Wer seid Ihr?“ erscholl es plötzlich aus dem Dunkeln. Der Mann schreckte zusammen, denn er gewahrte erst jetzt den kleinen, buckligen Mann links von der Tür. „Gehört Ihr zur Ranchbelegschaft?“ stellte er die Gegenfra ge. „Well, dann holt mir Mr. Eshelman heraus! Habe mit ihm zu sprechen.“ 33
Lionel Paulson machte drei Schritte auf den Unbekannten zu. „Wenn es sich um Geschäfte handelt, so sucht Mr. Eshelman morgen in seinem Büro in Dixie Valley auf. Heute feiert er sei ne Verlobung.“ „Verlobung?“ lachte der Fremde bitter auf. „Für mich ist er auch heute zu sprechen — und zwar sofort, Gent!“ „Dann müßt Ihr erst meine Frage beantworten: Wie ist Euer Name?“ „Ray Eshelman“, kam es rauh über die schmalen Lippen. Der Vormann fuhr zurück. „Was — Ihr seid Ray Eshelman?“ „Haben Sie mich nicht wiedererkannt, Lionel Paulson?“ „Bei Gott, no! Ihr habt Euch aber mächtig verändert in den langen Jahren …“ Ray Eshelman, auf den die Sheriffs von fünf Bundesstaaten Jagd machten, schnitt ihm die weiteren Worte mit einer kurzen, befehlenden Handbewegung ab. „Rufen Sie meinen Bruder her aus, Paulson!“ Aber der Vormann schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ihr würdet das Fest stören.“ „Ist es Ihnen lieber, wenn ich hineingehe?“ „Seid vernünftig“, verlegte sich Paulson jetzt aufs Bitten. „Verderbt Eurem Bruder nicht die Freude. Morgen ist auch noch ein Tag.“ „Ich habe aber jetzt mit ihm zu reden und nicht morgen.“ Ray Eshelman, der Verfemte, ging auf den Eingang zu, den ihm der Vormann vertrat. „Machen Sie Platz!“ Als Paulson keine Miene dazu machte, stieß ihn der andere zur Seite und ergriff die Türklinke. Bedächtig trat er in die ausgeräumte Halle, in der sich gegenwärtig die Paare beim Square-Dance drehten. Das bunte Bild, das sich ihm bot, ver wirrte ihn keinesfalls. Forschend glitten seine Blicke durch den großen Raum, blieben zuweilen einige Atemzüge lang an diesem und jenem haften und wanderten dann weiter, bis er 34
seinen Bruder Bruce auf der gegenüberliegenden Seite ent deckt hatte. Bruce Eshelman befand sich gerade in einem Gespräch mit Mr. Staite, dem ergrauten Friedensrichter und Bürgermeister von Dixie Valley, als der plötzlich verstummte und ratlos auf Ray blickte, dessen Miene völlig erstarrt war. „Das kann doch nicht sein“, murmelte er. „Was meinten Sie?“ Bruce Eshelman wandte sich um. Im gleichen Moment überzog eine fahle Blässe sein gutge schnittenes Gesicht, seine Lippen flüsterten tonlos den Namen des Bruders. Ray Eshelman blieb vor den beiden Männern stehen. „Guten Abend“, grüßte er mit einem verlegenen Lächeln. „Wie kannst du wagen …?“ Ray deutete mit einem Blick auf die tanzenden und schwatzenden Gäste. „Wird besser sein, wir unterhalten uns unter vier Augen.“ Aber der Bruder verlor jegliche Beherrschung. „Hinaus!“ schrie er. „Mach, daß du von der Ranch kommst, oder ich lasse die Hunde auf dich hetzen!“ Jäh verstummte alles Leben im Saal. Totenstille trat ein. Alle Blicke waren auf Bruce Eshelman und den herun tergekommenen Fremden gerichtet. „So ungefähr habe ich mir den Empfang vorgestellt“, sagte Ray Eshelman in schleppendem Ton. „Hinaus!“ schrie sein Bruder nochmals. Ray aber stellte sich schwerhörig. Gelassen schritt er auf ei nen Tisch zu, setzte sich und deutete auf den zweiten Stuhl. „Bitte! Im Sitzen redet’s sich besser.“ Mit ruhiger Hand schenk te er sich ein Glas Whisky ein. Von den Küchenräumen nahte sich Judy Bolger. An der Ähnlichkeit der beiden Männer erkannte sie sofort, wer der Fremde war. „Geht doch in mein Arbeitszimmer! Dort könnt ihr euch in Ruhe aussprechen“, sagte sie zu ihrem Verlobten. 35
Aber Bruce wehrte ab. „Er hat hier nichts verloren. Ich geb ihm zwei Minuten. Wenn er dann nicht von der Ranch …“ „Spar dir die Fortsetzung“, unterbrach ihn Ray. „Werde nicht eher den Rückzug antreten, als bis du mich angehört hast.“ „Über diesen Irrtum werde ich dir gleich Aufklärung ver schaffen“, rief Bruce. „Paulson!“ „Mr. Eshelman?“ Der Vormann trat aus dem Hintergrund hervor. „Hole ein paar von den Boys und jage diesen Mann von der Ranch!“ Paulson ging und kam wenig später mit mehreren handfesten Ranchhands zurück. „Den dort!“ wies er auf Ray Eshelman. Noch waren sie fünf Schritte von ihm entfernt, als in Rays Händen, wie hineingezaubert, zwei schwere Colts lagen. „Wür de nur ungern den festlich geschmückten Saal mit Pulverdampf füllen, Gents! Richtet euch danach“, sagte er ruhig. Die Cowboys machten vor den drohenden Läufen halt. Bruce Eshelman schob sie beiseite und trat unerschrocken auf seinen Bruder zu. Der steckte die Waffen zurück und erhob sich. „Willst du mich nun anhören?“ „Du wirst dich jetzt schnellstens auf den Rücken deines Gau les schwingen und den Distrikt hinter dir lassen!“ „Bedaure, aber den Wunsch kann ich dir nicht erfüllen, we nigstens nicht bevor ich dir nicht Rechenschaft abgelegt habe.“ Auch Judy Bolger redete ihm zu. Schließlich ließ sich Bruce umstimmen. Er und sein Bruder Ray begaben sich in ihr Ar beitszimmer. Nachdem sich die Tür hinter beiden geschlossen, setzte in der Halle sofort ein lebhaftes Stimmengewirr ein. Aber die allzu Neugierigen mußten sich über eine halbe Stunde ge dulden, bis sich die Tür wieder öffnete. Bruce trat als erster heraus. Langsam folgte ihm der Bruder. Er verneigte sich gentlemanlike vor der Herrin des Hauses. „Sorry, Miß Bolger, daß ich Ihnen die Festesfreude verdarb, 36
aber von der Aussprache mit meinem Bruder hing viel ab. Mei ner Notlage gehorchend, konnte ich dieses Zusammentreffen nicht länger aufschieben.“ „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, Ray Eshelman“, entgegnete Judy und hielt seinem Blick stand. „Sie wollen wie der gehen?“ „Mir bleibt keine andere Wahl …“ „Aber Sie sind verwundet“, gab Judy zu bedenken. „Zudem ist Ihr Pferd, wie mir die Boys meldeten, vollkommen abge hetzt. Bleiben Sie wenigstens diese eine Nacht noch auf der Ranch.“ Ray Eshelman warf einen Blick auf seinen Bruder. Der pro testierte lebhaft. „Du kannst keinem Verbrecher Unterschlupf gewähren, Judy.“ Bei dem Wort „Verbrecher“ zuckte Ray wie unter einem körperlichen Schmerz zusammen. „Er mag recht haben, Miß Bolger. Nach den geltenden Gesetzen bin ich ein Outlaw.“ „Was mich nicht davon abhält, Sie dennoch zu bitten, unter meinem Dach zu nächtigen. Morgen werden wir weitersehen.“ Mit einem Blick, der eine stumme Bitte einschloß, entkräftete sie die Einwände ihres Verlobten. Mit frostiger Miene führte Paulson Ray Eshelman auf das Gastzimmer in den ersten Stock. Die Gäste rüsteten bereits zum Aufbruch. Die Verlobungs feier hatte ein jähes Ende gefunden. — Ray Eshelman blickte sich gleichgültig im Zimmer um. Nur das breite Bett schien sein Interesse zu erregen. Ein Bett, endlich wieder ein richtiges Bett! Herrgott, wie lange war das her …? Gedankenversunken legte er den Waffengurt ab, trat zu dem Spiegel über der Waschkommode und betrachtete die Wunde unterhalb seiner Schläfe. Einen Zentimeter höher — und die Feier unten wäre noch im tollsten Gange. Niemand hätte an Ray Eshelman, den Verstoßenen und Gejagten, gedacht. Mit trotzi 37
gem Auflachen goß er Wasser in die Schale, um sich zu säu bern. Plötzlich ein peitschender Knall — eine Fensterscheibe split terte … Ray warf sich zu Boden und riß die auf dem Tisch stehende Lampe mit sich. Im Dunkeln richtete er sich wieder auf, tastete nach seinen Waffen und schlich zum Fenster. Auf dem Hof lie fen Leute durcheinander. Er achtete nicht auf sie. Sein Augen merk war auf einen Mann gerichtet, der aus einem Busch trat und vorsichtig nach allen Seiten hin spähte. Mit langen Schritten stürmte er aus dem Zimmer, ver schwand im nächsten, kletterte dort aus dem Fenster. Nach ei nem kühnen Sprung landete er in den Polstern eines Dogcart und hielt Ausschau nach der verdächtigen Gestalt. Dort drüben, vor dem großen Buschwerk, bewegte sich et was. Ray duckte sich, schlug einen Bogen und pirschte sich an den dunklen Schatten heran. Benty Scruggs, der auf verbotenen Pfaden wandelte, war ständig in Sorge, von seiner Gattin dabei erwischt zu werden, als er hier auf Gilda Metcalf, seinen Sommernachtsflirt wartete, um ein neues Stelldichein zu verabreden. Ängstlich blinzelte er in jede Himmelsrichtung, aber weder Gilda noch seine Ehelieb ste kam. Dafür kam ihm ein anderes Unheil entgegen. Jäh fühlte er sich von hinten umschlungen, hochgehoben und durch die lauwarme Luft geschleudert. Er wußte gar nicht, wie ihm geschah, als er sich mit lautem Schmerzensgeschrei in dem dichten Dornengestrüpp wiederfand. Ray Eshelman aber glaubte, seinen Denkzettel dem Richti gen verpaßt zu haben. Er änderte seine Meinung erst, als ein zweiter Schuß aufbellte. Die Kugel traf seinen linken Oberarm. Vor sich vernahm er den Klang eiliger Schritte. Dann hörte er auch plötzlich neben sich das Brechen von Buschwerk. Ray beschleunigte seinen Lauf und stieß mit jemandem zu 38
sammen. Ohne sich zu überzeugen, wen er vor sich hatte, schlug er zu. Nach dem klassischen Uppercut ging Sergeant Hanson in die Knie. Ray Eshelman aber stürmte weiter zum Hoftür, neben dem vor einer Fenz mehrere gesattelte Pferde standen. Gerade sah er noch, wie sich ein Mann auf einen wundervollen Falben schwang und in halsbrecherischer Karriere davonpreschte. Zum Schießen fand er keine Zeit mehr, deshalb griff er kurz ent schlossen nach einem x-beliebigem Pferd und nahm damit die Verfolgung auf. — Benommen sein Kinn betastend, rappelte sich Dick Hanson auf. Er wollte sich zum Hoftor wenden, als ein stöhnender, wut schnaubender Fleischberg durch die Büsche brach. „Ah, da hab ich dich ja“, brüllte Benty Scruggs und bleckte sein Gebiß. „Bei prallster Sonne will ich dich auf dem höchsten Baum austrocknen lassen, bis du die Größe einer Marionettenpuppe erreicht hast, du hinterlistiger Schakal.“ „Sie scheinen mir Vertreter für originelle Neuheiten zu sein, Mister“, lächelte Hanson. „Du Hund!“ Der beleibte Benty rieb sich die beschädigten Körperteile. „Solche Hinterlist quittiert man nur mit ‘ner Unze Blei.“ „Weiß zwar nicht, wovon Sie faseln, aber: Hinterlist ist eine arge List, Freund. Seien Sie so freundlich und bereinigen Sie die Angelegenheit mit Ihrer Bleitrompete.“ Benty Scruggs glotzte ihn verblüfft an. Das war ja der Gipfel der Frechheit! „Well, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie in ein Sieb verwandeln.“ „Mich? Wer spricht denn von mir, Sie Schrumpfköpfesamm ler?“ „Ich tue es doch schon die ganze Zeit, du Coyotenbaby. Ei nem friedfertigen Mann Dornen in den Allerwertesten zu jagen, kann nicht ungestraft bleiben.“ 39
„Sie verwechseln mich, Bruder.“ „Kneifen willst du auch noch?“ Benty Scruggs spukte ver ächtlich aus und trat zum Kampf mit Dick Hanson an. Der verlief nur kurz. Ein trockener Haken nahm Benty den Halt; er stürzte und fiel seinem Gegner in die Arme. Was sich hier schon einmal bewährt hat, wird auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlen, dachte Dick und liebäugelte mit dem Pferdetrog. Und noch ehe Benty Scruggs seine Sinne wieder beisammen hatte, umplätscherte ihn kühles Wasser. Prustend trachtete er, die viel zu enge „Badewanne“ zu verlassen. Da er nur noch rot sah, verschwamm vor seinen Augen das Bild des schadenfroh lachenden Dicken. Mit gespreizten Armen und Beinen stelzte er über den Hof, um Vergeltung zu üben. Still in sich hineinkichernd, trat Sergeant Hanson den Rück zug an, um schon nach wenigen Schritten vor dem hageren Conny Baker haltzumachen. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, zitierte der rachedursti ge Provisionsvertreter und krempelte seine Hemdärmel auf. „Wollen’s gleich hier abmachen, Stranger.“ „Meinetwegen“, nickte Dick gemütlich. „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Aber ich vermisse den Schieds richter, ohne den sich nun mal kein anständiger Zweikampf aus tragen läßt. Oder rechnen Sie sich etwa zu den unfairen Rauf bolden?“ Conny Baker beeilte sich, das selbstverständlich zu vernei nen. „Okay. Nur einen Moment, werde uns schnellstens ‘nen Un parteiischen besorgen“, versprach Dick und entfernte sich in Richtung Wohnhaus. Conny Baker wartete eine geschlagene halbe Stunde, bis es ihm endlich dämmerte, daß er einem ganz faulen Zauber aufgesessen war. — 40
Über die Weiden galoppierten in westlicher Richtung drei Reiter, jeweils in einem Abstand von mehreren hundert Yards. Dichte Wolken trieben den Bergen zu und ließen das fahle Licht der Mondsichel nicht durchsickern. Jeder versuchte, von seinem Pferd ein Höchstmaß an Schnelligkeit herauszuholen. Rasch näherten sie sich den Stillwater Mountains, einer Ge birgskette, die zwischen ihren schroffen Felsen keine Vegetati on aufkommen ließ. Hell klangen auf einmal die Hufschläge des ersten Reiters, als dieser die Felsen erreichte. Die beiden nachfolgenden machten alle Anstrengungen, die Entfernung zwischen sich und dem anderen kleiner werden zu lassen. Der erste Reiter war jedoch bald in Sicherheit. Die engen Schluchten mit ihren glatten, wie mit einem Riesenmesser ab geschnittenen Wände boten zahlreiche Schlupfwinkel. In der Erkenntnis, daß bei der Finsternis eine weitere Verfolgung we nig Zweck hatte, zügelte Billy Jenkins sein Pferd. Keine zwei Minuten später bog der letzte Reiter um die Pfadkrümmung. Am Fell seines erschöpften Gaules klebten faustgroße Schweißflocken. „Stick ‘em up!“ erklang dessen Stimme durch die Finsternis. „Denke nicht, daß Sie in mir einen gemeinen Meuchelmörder sehen, Ray Eshelman“, erwiderte Jenkins in seiner ruhigen, be sonnenen Art. „Zur Hölle, wer sind Sie?“ stieß dieser, am Ende seiner Kräf te, heiser hervor. „Der Name Jenkins sollte Ihnen geläufig sein.“ Ray Eshelman preßte die Lippen hart aufeinander und schwieg, bis er nach einer Weile fragte: „Wer war der erste Rei ter?“ „Gäbe genausoviel darum, das zu wissen, wie Sie.“ „Er hat auf mich geschossen.“ „Ist mir bekannt“, nickte der Ranger. „Ist Ihnen aus Dixie Valley jemand besonders feindlich gesonnen?“ 41
„Habe hier überhaupt keine Freunde“, gestand Ray bitter. „Jeder verfolgt mich mit Haß und Mißtrauen.“ Billy schwieg. Er wußte über diesen Mann nicht mehr, als was die Steckbriefe über ihn aussagten. Der Gehetzte versuchte, mit einem Lappen das Blut der Schußwunde zu stillen. „Kehren Sie ruhig zur Bolger-Ranch zurück“, riet ihm Billy. „Der unbekannte Schütze ist für diesmal entkommen.“ „Muß mich erst ein wenig ausruhen, bevor ich den Rückritt antreten kann.“ Ray stieg mühsam vom Pferd und lehnte sich gegen eine Felswand. Ein Schwächeanfall drohte ihn zu über kommen. Jenkins war im Nu bei ihm und stützte ihn. „Wir müssen ei nen festen Verband anlegen“, meinte er und traf schon die not wendigen Vorkehrungen. Der Verwundete blickte verwundert auf. „Sie wollen mir hel fen, Mr. Jenkins?“ „Wüßte nicht, warum ich das nicht sollte. Ach, wegen des Steckbriefes?“ Der Ranger winkte ab. „Sie nehmen mich nicht fest?“ Jenkins ließ diese Frage offen und legte einen fachgerechten Verband an. Anschließend reichte er Ray die Feldflasche mit Brandy. „Ein paar Schlucke davon werden Sie wieder auf die Beine bringen.“ Eine Stunde darauf war Ray Eshelman wieder so weit, daß er mit Jenkins zusammen den Ritt zur Ranch wagen konnte. 3. Kapitel Am nächsten Morgen öffnete Earl Dwinell das Büro der Vieh absatzgenossenschaft um eine Stunde später als sonst. Unausge schlafen nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz und sichtete die eingegangene Post. Ein Brief, der den Poststempel Chikago 42
trug, schien ihn besonders zu fesseln, denn während er ihn auf merksam las, überhörte er sogar draußen das Pfeifen. Erst beim dritten Signal merkte er auf, verstaute das Schrei ben gewissenhaft in seiner Brusttasche und öffnete die Hinter tür, „Morning, Boß“, tippte Lester Parr lässig an die Hutkrempe und schob sich an ihm vorbei, ,,’n Job für mich?“ Dwinells Biedermannsgesicht verzog sich zu einer höhni schen Grimasse. „Ein Job für dich? — Da könnte ich meine Dollars ebensogut zum Fenster hinausschmeißen! Was hast du bisher geleistet? Der Köter ist noch nicht in unserem Besitz, und die beiden Fremden hocken nach wie vor auf ihren Trabern und begaffen die Reize dieser verdammten Gegend.“ „Nicht mehr lange“, griente Lester Parr. „Sheriff Ross inter essiert sich ebenfalls für sie. Werden gesucht wegen Mordes an Zachary Rhoades und Mordversuchs an Mr. Neil Fauskin.“ „Ach?“ machte Earl Dwinell und ließ das Streichholz, mit dem er die Zigarre anzünden wollte, abbrennen. „Auf Ross ist ebensowenig Verlaß wie auf dich.“ Der junge Mann fühlte sich in seiner Ganovenehre gekränkt. „Nun, die Sache mit dem alten …“ „Psst! Kein Wort! Die Sache ist erledigt und vergessen. Dein Geld hast du dafür weg.“ „Und daß die anderen Aufträge nicht zu deiner Zufriedenheit ausgeführt werden konnten, war ausgesprochenes Pech …“ „Oder Ungeschicklichkeit …“ „Dann brauchst du mich wohl nicht mehr, he?“ „Bleib sitzen! Beschaffe mir diesen verfluchten Köter! Aber schnellstens.“ „Wieviel?“ „Zweihundert.“ „Für die lumpige Summe steige ich nicht einmal in den Sat tel. Der Hund ist dir mehr wert als die zehnfache Summe.“ 43
Dwinells Augen verengten sich zu Schlitzen. Dahinter leuch tete es bedrohlich auf. „Fünfhundert und nicht mehr.“ „Ich wünsche Beteiligung.“ „Bei was?“ „Bei dem Geschäft, das du mit der Dogge machst.“ „Lächerlich“, lachte Dwinell gezwungen auf. Aber Parr merkte, daß dieser schon an Sicherheit verlor. „Was sollte ich mit diesem Köter schon für ein Geschäft machen? „ „Wenn ich das wüßte, würde ich ohne deine Greenbacks auf ihn Jagd machen.“ „Ich will weiter nichts, als diesen verräterischen Tatzeugen aus der Welt schaffen“, fuhr Dwinell auf. „Das dient nicht zu letzt auch deiner Sicherheit.“ „Wem erzählst du das?“ grinste der abgefeimte Halunke. „Gehst du jetzt auf tausend ein oder nicht?“ Um Dwinells schmallippigen Mund lagerte ein brutaler Zug. Lester Parr, der schlau genug war, seine Forderungen im Au genblick nicht zu überspitzen, nickte widerstrebend. Schließlich konnte er darüber später noch verhandeln, wenn er den Hund hatte. „Und was ist mit den beiden Strangern?“ „Darüber reden wir, wenn du mir den Köter bringst.“ „So long“, empfahl sich Lester Parr. Dwinell hatte gerade die Post beantwortet, als er den Besuch von Mr. Fauskin erhielt, der sich erst — nach einem äußerst lebhaft verlaufenem Gespräch — zwei Stunden später verab schiedete. Danach hatte es Dwinell sehr eilig, aus dem Town zu kommen. * „Gut geschlafen?“ Judy trat in das Krankenzimmer. Ray Eshelman lächelte ihr zu. „Thanks! Seit Monaten wieder das erste weiche Bett.“ 44
„Was macht die Wunde? Immer noch Schmerzen?“ „Hat die Nacht über etwas nachgelassen. Dieser dreimal ver fluchte Blondy hat mit dem Jod nicht gespart.“ „Der Blonde war Ihr Retter“, bemerkte Judy streng. „Ja, für diesmal. Wenn ich wieder auf den Beinen bin, wird er mir den Steckbrief unter die Nase halten.“ „Ist er denn von der Polizei?“ Ray nickte. „Noch dazu von der Special. Das sind besonders ausgesuchte Burschen.“ Judy hatte den Verband erneuert und legte ihre ebenmäßige weiße Stirn gegen die kühle Glasscheibe. Sie blickte sinnend hinunter auf den Hof. „Weshalb führen Sie eigentlich solch ein Leben, Ray?“ fragte sie leise. „Ja, warum? Nehmen Sie an, das Leben in Dixie Valley wurde mir zu eintönig.“ „Das ist nicht die Wahrheit“, widersprach die Rancherin. „Was trieb Sie auf die schiefe Bahn? Ein Mädel?“ „Hm, bis gestern abend war ich noch keinem Weiberrock begegnet, der mir den Kopf verdreht hätte.“ „Und was taten Sie all die Jahre im Osten?“ Ray Eshelman fuhr mit der Rechten an die Stirn. „Lassen Sie mich nachdenken! Zuerst habe ich wohl drei Banken in Chika go zum Ruin verholfen, dann mußte sich ein klotzig reicher Minenbesitzer meinetwegen nach einem anderen Erwerbszweig umsehen. Zwischendurch brachte ich einige Geldtransporte zum Stehen. Als das einmal schiefging, verlegte ich mich dar auf, Kinder steinreicher Eltern für entsprechendes Entgelt in Pflege zu nehmen …“ „Kidnapping! Scheußlich! Hören Sie auf!“ rief Judy ent setzt. „Außerdem“, fuhr Ray mit verstecktem Grinsen fort, „ver schaffte ich den Totengräbern zusätzliche Einnahmen …“ „Hören Sie endlich damit auf!“ 45
Ray Eshelman legte das Gesicht nachdenklich in Falten. „Ich hoffe, nichts vergessen zu haben.“ „Warum tischen Sie mir solche Märchen auf?“ „Der Polizeichef von Chikago wird inzwischen vielleicht noch mehr Märchen ersonnen haben, weswegen er mich steck brieflich suchen läßt …“ „Mit Ihnen kann man nicht vernünftig reden“, stellte Judy fest und ging auf die Tür zu. „Oh, mit dieser Ansicht stehen Sie bestimmt nicht allein, Miß Bolger“, feixte Eshelman. Mit einem Knall schlug hinter der Rancherin die Tür ins Schloß. Ein leichter Luftzug strich durch die offenen Fenster und trug die mahnenden Worte Lionel Paulsons herein: „Aus dem Osten werden sie kommen, wie Ray Eshelman und Feuer werden sie auf die Ranch tragen. Der Tod wird unter Menschen und Tieren reiche Ernte halten …“ * Blutigrot schimmerten die Spitzen der Felsen im blendenden Licht der niedergehenden Sonne und warfen bizarre Schatten in die Schluchten und Täler. Lautlos zog ein Raubvogel hoch oben in den Lüften seine Bahn. Am Fuß einer steil aufstrebenden Felswand lagerten zwei Reiter. Gesättigt gaben sie sich dem Genuß ihrer Zigaretten hin. „Wer kann Interesse daran haben, Ray Eshelman aus dem Wege zu räumen?“ „Da die Schüsse aus dem Hinterhalt abgefeuert wurden, kommt nur ein bestimmter Personenkreis in Frage.“ „Fauskin? — Oder sein Bruder?“ — Billy hob die Schultern. „Jedenfalls einer, dem auch die ver werflichsten Methoden recht sind. Bevor wir uns für diesen Je 46
mand interessieren, möchte ich erst auf folgende Fragen Ant wort haben: Welche Geschäfte betreibt Earl Dwinell und wel che Neil Fauskin? Weshalb sichert sich Dwinell eine immer stärker werdende Machtposition in Dixie Valley? Und vor al lem; warum unternimmt er solche Anstrengungen, den Hund zu beseitigen?“ „Centa“ — Dick hatte mittlerweile den Namen der Dogge er fahren — „wird den Mörder kennen. Was liegt näher, als daß dieser versucht, den Zeugen auszulöschen!“ „Dann müßte Earl Dwinell der Mörder sein.“ „Er erfüllt alle Bedingungen hierzu“, sagte Dick nachdenk lich. „Wie gedenkst du den morgigen Tag totzuschlagen?“ „Zurück nach Dixie Valley.“ „Bin gespannt …“ Dumpfe Schüsse unterbrachen die Stille. — Gleichzeitig wa ren die beiden Ranger aufgesprungen und lauschten auf deren Widerhall. Langgezogenes Jaulen klang von der Schlucht zu ihnen her über. „Centa! Damn, diese Kojoten haben es schon wieder auf das arme Tier abgesehen“, grollte Hanson. In gestrecktem Galopp jagten die beiden wenig später auf den Eingang der Schlucht zu. Als sie den schmalen Paß hinter sich hatten, fiel wieder ein Schuß. Nur einen Moment sahen sie, wie die flüchtende Dogge mit einem mächtigen Sprung über eine Felsspalte setzte. „Will den Grauen Star haben, wenn das nicht der junge Rowdy aus Sellers’ Saloon ist“, entfuhr es Dick, als auch er den Schützen entdeckte. „Diesmal ist es also nicht Dwinell …“ „Wahrscheinlich aber ein von ihm Beauftragter!“ Vor einer Geröllhalde wurde die Dogge jetzt wieder sichtbar. Ziellos raste sie einen halsbrecherischen Pfad aufwärts. Wei tere Schüsse folgten ihr. 47
Die Ranger deckten mit einem raschen Schnellfeuer die Flucht des Hundes. „Diesmal verfahre ich mit dem Strolch nicht so milde“, ver sprach Hanson, glitt geschmeidig aus dem Sattel und machte sich an den Aufstieg. Obwohl Billy ebenfalls reges Interesse an Parr und noch mehr an dessen Auftraggeber hatte entschied er sich nach einigem Überlegen doch für die Verfolgung der Dog ge. Lester Parr, dieser Jüngling ohne Gewissen, blickte in die Schlucht, aber weder von dem Dicken noch von dem Blonden konnte er etwas entdecken. Da, ein schlurfendes Geräusch ließ ihn herumfahren. Hinter ihm stand, keine zwanzig Schritte entfernt, Hanson. „Lang in die Wolken, Youngster! Heute wirst du ‘ne Klei nigkeit mehr als Spülwasser spucken“, sagte der Ranger und ging bedächtig auf ihn zu. „Keine Bewegung, sonst bittest du den Himmelspförtner schon morgen früh um einen Passier schein!“ Ihm den Lauf seiner Waffe in den Rücken bohrend, zog der Sergeant dem Gestellten die beiden neunschüssigen Colts aus den Holftern. „Und jetzt wirst du mir verraten, wie du hier her aufgekraxelt bist.“ In Parrs Augen blitzte es auf. Hanson entging das. Bereitwil lig zeigte der Überrumpelte dem Ranger den Pfad, der auf der anderen Seite des Plateaus in die Tiefe führte. Scheinbar willig schritt der Bandit den Pfad abwärts. Plötz lich stürzte er und rieb sich jammernd sein rechtes Fußgelenk. „Keine Mätzchen! Los, weiter!“ „Es geht nicht, der Knöchel muß gebrochen sein. Ah, damn, diese lausigen Schmerzen!“ Dick Hanson, der selbst einem Verbrecher seine Hilfe nie versagte, trat näher und bückte sich, um das angeblich gebro chene Fußgelenk zu untersuchen. 48
Darauf hatte der Strolch nur gewartet. Seine Arme schossen krallenartig vor und legten sich Dick um den Hals. Der fiel so unglücklich vornüber, daß er mit der Stirn auf die Kante eines Steines aufschlug. Wieselflink war Lester Parr auf den Beinen, griff seine Waf fen und jagte in waghalsigen Sprüngen den Pfad hinunter. Er fürchtete, jeden Moment dem zweiten Ranger, diesem Jenkins, gegenüberzustehen. Aber Billy war in diesen Minuten weit von ihm entfernt. — Der feurige Sonnenball war schon längst hinter den Berg spitzen verschwunden, als Billy auf seinem Rückweg von sei ner Jagd nach dem Hund nach längerem Suchen seinen Freund fand. Erst nachdem er ihm die klaffende Stirnwunde sauberge waschen und verbunden hatte, schlug Dick die Augen auf. „By jove, bin jetzt auch der Ansicht, Billy, daß wir unseren Besuch am Pyramid Lake noch ‘ne Weile aufschieben müssen.“ * Der Buchhalter Graybill kam gerade zu dem Schluß, daß es wohl jetzt an der Zeit sei, den Chef aufzusuchen, als Earl Dwi nell seine kantige Figur durch den Eingang schob. „Mr. Eshelman zu sprechen?“ fragte er grußlos. „Ich werde sofort nachsehen.“ Bruce Eshelman hatte sich hinter seinem Schreibtisch erho ben und sah Dwinell erwartungsvoll entgegen. Er wußte nicht recht, was er von diesem Besuch erwarten sollte. Er begrüßte den Kunden höflich, wenn auch zurückhaltend, und bot ihm Platz an. „Haben Sie ein besonderes Anliegen, daß Sie sich zu mir bemühen, Mr. Dwinell?“ „Und ob! Bin gezwungen, das Konto der Genossenschaft bei Ihrer Bank zu kündigen.“ Bruce Eshelman schluckte schwer. Um seine Erregung nicht 49
anmerken zu lassen. „Darf ich die Gründe hierzu erfahren, Mr. Dwinell?“ „Gewiß, das ist Ihr Recht. Die Bank of Dixie Valley zahlt ei nen halben Prozent Zinsen mehr. Im Interesse der Ge nossenschaft entschied der Vorstand gestern, daß wir die ge schäftlichen Beziehungen zur Central Bank lösen und unser Kapital der neuen Bank anvertrauen. Es tut mir für Sie persön lich leid, Mr. Eshelman. Wir beide haben gut miteinander gear beitet.“ Bruce Eshelman schluckte schwer. Der Verlust der Genos senschaft als kapitalkräftigster Kunde war ein harter Schlag. „War es Ihnen denn nicht möglich, Ihren persönlichen Einfluß auf den Vorstand geltend zu machen?“ „Leider nein, Mr. Eshelman, sonst säße ich jetzt nicht hier. Seien Sie versichert, daß allein geschäftliche Erwägungen die Entscheidung herbeiführten.“ Nachdem Dwinell gegangen war, nahm Kenneth Graybill abermals einen Anlauf, um seinen Chef um seine Papiere zu bitten. Aber auch jetzt blieb es bei dem Vorsatz. Schuld daran trug die Ankunft von Ben Atchley, des reichsten Ranchers im Distrikt, der sich ebenfalls durch ihn bei Bruce Eshelman an melden ließ. Diese Unterhaltung verlief in groben Zügen ähnlich wie die vorangegangene mit Dwinell. Auch Ben Atchley kündigte sein Guthaben bei der Central Bank. Er gab dem Viehhändler Quinn die Klinke in die Hand, der sich aus den gleichen Gründen auf den Weg zur Central Bank gemacht hatte. Nach diesem präsen tierten noch zwei weitere Bankkunden ihre Kündigung. Dann endlich fand Graybill Gelegenheit, zaghaft an die Tür seines Chefs zu klopfen. „Come in!“ Eshelman lief schwer atmend im Zimmer auf und ab. Seine schwarze Lockenpracht war in Unordnung geraten, und über 50
seinen Brauen standen tiefe Falten. Ungehalten blickte er auf. „Was wollen Sie, Graybill?“ „Bin gekommen, um meine Stellung aufzukündigen …“ „Kündigen! Den ganzen Morgen höre ich nur das Wort ,kündigen’! Was, zum Teufel, veranlaßt Sie, Ihren aussichts reichen Posten hier aufzugeben? Nur weil dieser Fauskin …“ „Mister Fauskin zahlt mir mehr als das Doppelte! Bei dem Gehalt kann ich jeden Monat zweihundert Dollar zurücklegen. In zwei Jahren habe ich dann ein eigenes Haus.“ Eshelman hielt plötzlich in seiner unruhigen Wanderung inne. Verzerrten Gesichts trat er auf Graybill zu. „Seit wann arbeiten Sie eigentlich schon für Neil Fauskin, he?“ Der Kassierer erbleichte. „Ich — ich …“ stotterte er. „Schuft!“ zischte der Bankier und schmetterte ihm die ge ballte Faust ins Gesicht. Er war nicht mehr Herr über sich selbst. „Hinaus! Wenn du Lump nicht in zehn Minuten aus dem Hause bist …“ Eshelman sank stöhnend auf seinen Stuhl. Das war an die sem Morgen eine zu starke Belastung gewesen. Er mußte zugeben, daß Fauskin die erste Schlacht gewonnen hatte. * Tief sog Billy Jenkins die würzige Luft ein, als er den Falben auf der Erdwelle zum Stehen brachte und auf das malerische Bild der in einer Senke grasenden Herde blickte. Ab und zu erklang das dumpfe Blöken der Rinder, die sich um den schma len Wasserlauf scharten. Aus einer Gruppe von Cowboys, die mehrere hundert Yards seitlich von ihm lagerten, löste sich ein Reiter und kam auf ihn zugesprengt. Der Beschreibung nach, die Billy von Conny Ba ker erhalten hatte, konnte es sich hierbei nur um den Vormann handeln. 51
Kurz vor ihm zügelte Paulson seinen Wallach. Mißtrauisch schaute er aus seinen rotgeränderten Augen auf den Ranger. „Ihr seid auf dem Gebiet der Bolger-Ranch, Stranger. Unsere Herrin liebt es nicht, wenn’n Fremder unsere Herden wie ein Jaguar umstreicht.“ „Ähnliches machten Sie wohl auch Zachary Rhoades klar, Lionel Paulson, wie?“ lächelte Billy Jenkins. „Wie kommt Ihr darauf?“ „Interessiere mich nur für seine Mörder — wie Rhoades sich für die Weidegründe der Bolger-Ranch interessierte.“ „Ja, gut zwanzigmal traf ich hier mit dem alten Faulpelz zu sammen.“ „Dann werden Sie vermutlich allerhand über ihn erzählen können.“ Billy nannte seinen Namen. Während Paulson nachdachte, scheuerte er sein stoppelbärti ges Kinn. „Viel können Sie von mir über den wunderlichen Al ten nicht erfahren. Es war immer die gleiche Stelle, wo ich mit ihm zusammenstieß, drüben, jenseits des Baches!“ „Und was trieb er da?“ „Nichts. Meistens lag er faul unter dem alten Maulbeerbusch und stierte zu den Wolken empor oder kraulte seinem Kleffer das Fell. Nehme stark an, daß er mich stets vorher bemerkt hat te. Aber einmal überraschte ich ihn doch.“ „So?“ — Des Rangers Interesse stieg. „Da war er am Zeichnen. Er skizzierte hier das Dreieck, das der Bolger-Ranch gehört und in das Gebiet von Earl Dwinell vorstößt. Das war an dem Tag, da ich die große Auseinanderset zung mit ihm hatte und ihm drohte, den Colt sprechen zu lassen, wenn ich ihn nochmals auf unseren Weidegründen anträfe.“ „Und Centa, seine Dogge, war immer bei ihm?“ Paulson nickte. „Die zwei waren ja unzertrennlich. Rhoades unterhielt sich mit ihr wie mit ‘nem Menschen. Sagte ja schon, des Alten Oberstübchen war nicht mehr ganz in Ordnung.“ 52
„Befolgte der Trapper dann Ihr Verbot?“ „Weiß nicht. Jedenfalls sah ich ihn nachher nicht wieder. Das ist, bei Gott, die Wahrheit. Ich bin an seinem Tode schuldlos.“ Billy erkundigte sich noch nach dem Befinden Ray Eshel mans. Doch hiervon wollte der Vormann nichts wissen. Er murmelte nur irgend etwas Unverständliches vor sich hin, nick te Jenkins flüchtig zu und wendete seinen Gaul. In Gedanken versunken, ritt Billy Jenkins kurz darauf den Stillwater Mountains zu. Irgendwo dort zwischen den Felsen hatte Zachary Rhoades den größten Teil seines Lebens zuge bracht. Vielleicht fand sich dort der Schlüssel zu dem Geheim nis, das den Toten und seine Dogge umgab?
4. Kapitel In Dixie Valley herrschte zur Mittagsstunde ein lebhaftes Trei ben. Die Eröffnung der Bank von Dixie Valley war nicht nur ein Ereignis, das ausgiebig gefeiert wurde, es hatte auch viele Rancher und Farmer ins Town gezogen. Aus Clark Sellers’ Sa loon drang das Gegröle rauher Männerkehlen, und vor den Häusern beschwatzten die Weiber alles Wissenswerte. Aus dem Generalstore, wo er sich mit Tabak eingedeckt hat te, trat Sergeant Hanson und schlenderte lässig die Straße hin unter. Als er auf der Höhe des Sheriffsoffice war, sah er Earl Dwinell aus seinem Büro kommen, die Tür hinter sich ab schließen und dann Richtung auf Clark Sellers’ Saloon nehmen. Er pfiff leise durch die Zähne. Das ist die Gelegenheit, auf die du schon vierundzwanzig Stunden gewartet hast! Er überzeugte sich vorsichtshalber noch mit einem Blick durchs Fenster, daß Dwinell tatsächlich an der Theke Platz ge nommen hatte, und entfernte sich dann rasch zum Büro der Viehabsatzgenossenschaft. Vor der Schmiede bog er nach 53
rechts ein, um sich dem Hause von hinten zu nähern. Kurzent schlossen drückte er eine Scheibe ein und stieg durchs Fenster ins Haus. Das Büro der Genossenschaft bestand nur aus zwei Räumen, in denen Dwinell ganz allein arbeitete. Der Sergeant ging sy stematisch vor. Das erste Zimmer, das von Dwinell abwech selnd als Konferenzzimmer für den Vorstand der Ge nossenschaft und als Wartezimmer verwendet wurde, enthielt nichts, was für ihn von Interesse hätte sein können. Dafür ver sprach er sich von dem zweiten Zimmer um so mehr. Unschlüs sig blieb er vor dem großen Schreibtisch stehen. Er kniete sich hin und probierte das Schloß. Es war so un kompliziert, daß er es in ein paar Minuten geöffnet hatte. Ange legentlich machte er sich über den Inhalt des ersten Faches her. Mehrmals gab er dabei einen leisen Pfiff von sich. „Wette, daß ich noch einige Jährchen länger die Schulbank hätte drücken müssen, um zu verstehen, was ein Mi neningenieur und diverse Bohrgeräte mit einer Viehabsatzge nossenschaft zu tun haben“, wiegte er den Kopf. Viel fehlte nicht mehr daran und er hätte den gesamten Inhalt des Schreibtisches gesichtet, als sich unvermutet hinter ihm ge räuschlos die Tür öffnete, die zum oberen Stockwerk hinauf führte. Dick, der außer sich niemand im Hause vermutete, hatte nur Auge und Ohr für die Tür zur Straße und das, womit er sich augenblicklich beschäftigte. Deshalb traf ihn der Schlag auf den Hinterkopf völlig unvorbereitet. Mit schwindenden Sinnen knickte er vor dem Schreibtisch zusammen. Als er wieder die Augen aufschlug, blickte er verdutzt in ei nen Coltlauf und in das nichts Gutes verheißende Gesicht Earl Dwinells. „Stehen Sie auf!“ „Will’s versuchen“, brummte Dick und richtete sich auf. Erst jetzt bemerkte er ein wasserstoffblondes Wesen neben der Tür, 54
dessen Rechte eine schwere hölzerne Kelle umkrampfte. „Oh, verdanke ich etwa Ihnen den Mittagsschlaf?“ „Jawohl, Sie Strolch! Tut mir nur leid, daß ich nicht fester zuschlug“, giftete die Blonde mit schriller Stimme. „Rufen Sie bitte den Sheriff, Miß Metcalf!“ bat Dwinell sei ne Haushälterin. Und als sie gegangen war, herrschte er den Ranger an: „Was bezweckten Sie mit Ihrem Einbruch?“ „Einbruch? Irrtum. Ich habe nur Miß Metcalf besuchen wol len“, schwindelte Hanson lustig darauflos. „Gestern abend gab’s ‘ne kleine Meinungsverschiedenheit zwischen uns, die ich heute wieder aus der Welt schaffen wollte, natürlich nicht mit dem Schießprügel, wie gewisse Leute das mit ihren unbeque men Zeitgenossen zu tun pflegen. Doch die Holde zeigte wenig Neigung dazu, wie Ihnen diese Schwellung beweist.“ „Verdammter Lügner!“ brüllte Earl Dwinell erregt. „Flöhe, Mr. Dwinell, die Flöhe, die Sie den Mitgliedern ihrer Genossenschaft ins Gehirn gesetzt haben. Schlechter Absatz in den Schlachthäusern, daher Senken der Preisforderung und …“ „Schweig!“ Das Kinn kantig vorgeschoben, die Lider bis auf kleine Schlitze geschlossen, trat Earl Dwinell drohend auf den Ranger zu. Vor der Tür entstand Lärm, dann watschelte Sheriff Ross pu stend herein. „Wo ist der Schurke, Mr. Dwinell?“ „Hier“, deutete der auf den Sergeanten. Als erlebe er die Auferstehung seiner Ahnen, fuhr Ross zu rück. „By jove, Mr. Hanson! Wie, zur Hölle, geht das denn an?“ „Verschmähte Liebe“, wies Dick auf die Haushälterin. „Gil da spielte mir diesen üblen Streich, der mich mit dem Gesetz in Konflikt bringt, Sheriff. Mit der Schnelligkeit einer Sirene lock te sie mich nach Mr. Dwinells Fortgang ins Haus. Wäre kein Mann, wenn ich nicht ein Schäferstündchen zu jeder Tages- und Nachtzeit willkommen hieße. Ja, und dann, als ich hier stand, 55
fiel sie mir in einer Anwandlung von stürmischer Zärtlichkeit um den Hals, wovon ich mich ein Stündchen ausruhen mußte. Da erwachte in dieser Schlange ein teuflischer Plan. Sie nutzte die Situation aus, rannte zu Sellers’ Saloon und flötete Mr. Dwinell ins Ohr, ich hätte versucht, in diesem Hause einzu brechen. Das ist die kaum zu glaubende Story, Sheriff. Urteilen Sie selber!“ Gilda Metcalf, nicht mehr zu den Jüngsten zählend, verfiel in einen Schreikrampf, der sogar Sheriff Ross aufs Gemüt schlug. „Hören Sie nicht auf das alberne Geschwätz dieses Bandi ten“, mischte sich Earl Dwinell ein. „Verhaften Sie ihn, She riff!“ „Den? No, der ist für mich tabu, Mr. Dwinell. Befehl von höchster Stelle.“ „Dann nehmen Sie mich wenigstens vor Miß Metcalf in Schutzhaft, Sheriff“, zwinkerte ihm Hanson zu. Wider Erwarten begriff diesmal Ross schnell. „Stop!“ trat Earl Dwinell zwischen sie. „Hier hat ein Ein bruch stattgefunden, Sheriff. Die Beweise und den Täter haben Sie. Es ist jetzt Ihre verdammte Pflicht, dem Schuldigen den Prozeß zu machen.“ „Ich bin die Zeugin“, schrie Gilda Metcalf dazwischen. Sheriff Ross’ wuchtige Gestalt durchlief ein Zittern. Er be fand sich wirklich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite die Anweisung des Friedensrichters, auf der anderen Dwinells Dro hung, ihm die so bitter notwendigen Stimmen zu entziehen. Er entschied sich für einen goldenen Mittelweg. „Okay, Mr. Dwinell. Ich nehme den Mann in Haft und werde den Fall an Mr. Staite weiterleiten.“ Damit stieß er Dick den Lauf seines Colts zwischen die Rippen. „Come on, Boy!“ *
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Knapp vor Sonnenuntergang entdeckte Billy Jenkins die Höhle, die Zachary Rhoades jahrzehntelang als Unterkunft gedient hat te. Ihre Einrichtung war nur sehr dürftig. Das Lager bestand aus zusammengetragenem Reisig und einer alten Pferdedecke. Mehrere Blech- und Zinnbüchsen ersetzten Töpfe, Pfannen und Teller. Links neben dem Eingang befand sich die Feuerstelle, die der alte Trapper aus gebranntem Lehm errichtet hatte. Der Ranger untersuchte die Höhle Quadratmeter für Qua dratmeter. Doch auf das, was er gehofft, stieß er nicht. Ein leises Schnauben seines Gaules, der vor der Höhle stand, ließ ihn aufhorchen. Als der Falbe immer unruhiger wurde, schlich er auf Zehenspitzen zum Ausgang. Dann lächelte er. Über die Felsen herab kam Centa angesprungen. Als sie den Ranger vor der Höhle gewahrte, begann sie zu kläffen. Billy rief ihr besänftigende Worte zu. Doch der Hund beru higte sich nicht. Immer heiserer wurde sein Gebell. Aber er traute sich nicht weiter als bis auf zwanzig Schritt heran. Nach dem Grundsatz: „Kommst du nicht zu mir, so komme ich zu dir“, ging Billy gemächlich auf ihn zu. Jäh kniff Centa den Schwanz ein, hastete zurück und verhielt weit oberhalb der Höhle. Ihr Gebaren war für eine ausgewachsene Dogge mehr als sonderbar. Es begann jetzt auch Billy zu reizen, sie einzu fangen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit verliefen seine sämt lichen Anstrengungen jedoch erfolglos. Schließlich gab er es für heute auf und bereitete in der Höhle sein Nachtlager. * Den Hut tief ins Gesicht gezogen, stieg Ray Eshelman vor Clark Sellers’ Saloon ab. Bevor er auf die Tür zutrat, blickte er nochmals — wie es die Art aller Gehetzten ist — die Straße nach beiden Seiten hinunter. Erst dann betrat er die Kneipe. In der hintersten Ecke streckte er seine Beine unter einem 57
Tisch aus und bestellte einen Brandy. Auf Clark Sellers Ver such, mit ihm einen kleinen Schwatz zu starten, reagierte er nur mit einem ablehnenden Brummen. Ray Eshelman musterte die wenigen Gäste und erinnerte sich daran, daß Judy Bolger ihm von diesem Ritt dringend abgeraten hatte. Unverwandt schaute er auf die Pendeltür. Jeden neu Eintre tenden musterte er forschend. Nur das hagere Raubvogelgesicht Conny Bakers war ihm von früher her noch in Erinnerung ge blieben. Plötzlich wurde sein Blick starr. Zwei Männer tauchten auf, denen schon äußerlich die Städter anzumerken waren. Sie gingen zu Clark Sellers hinüber und wechselten leise einige Worte mit ihm. Rays Rechte schloß sich so fest um sein Glas, daß es klirrend zersprang. Die Ankunft dieser beiden hatte in ihm wieder die Erinnerung an seine jüngste Vergangenheit heraufbeschworen. Sie trugen die Schuld daran, daß man ihn zum Outlaw gestem pelt hatte. Wie ein Film rollten die Ereignisse der letzten Mona te vor ihm ab. Was hatte die beiden Kerle nach Dixie Valley geführt? Waren sie hinter ihm her? Wollten sie einen gefährli chen Mitwisser zum Schweigen bringen? Die beiden Fremden steuerten jetzt direkt auf ihn zu und setzten sich an den Nebentisch. Ray hielt das Gesicht abge wandt. Die Leute aus dem Osten schenkten aber dem Anwesen den wenig Beachtung. Sie ließen sich eine Flasche Gin bringen und schienen auf jemanden zu warten; denn immer wieder gingen ihre Blicke zum Eingang. Doch erst nach einer Stunde gesellte sich ein drit ter Mann zu ihnen. Nach der Art, wie er in der Kneipe auftrat, vermutete Ray in ihm einen Einheimischen. Am Nebentisch kam sofort eine rege Unterhaltung in Gang, die jedoch so gedämpft geführt wurde, daß er davon nur Bruch teile auffing; aber diese schon besagten genug. Reap und Abell 58
waren keineswegs nach Dixie Valley gekommen, um hier am sonntäglichen Gottesdienst teilzunehmen. Sie schienen wieder einmal einen großen Coup vorzubereiten! Draußen war es bereits dunkel geworden, als die beiden mit ihrem Bekannten aufbrachen. Die Tür hatte sich hinter ihnen geschlossen, als auch Ray sich erhob, mehrere Münzen auf den Tisch warf und mit kur zem Gruß den Saloon verließ. Der Besuch hatte sich für ihn gelohnt. Von diesem Tage an wurde er regelmäßiger Gast in Clark Sellers’ Saloon, wobei er jedoch vorzog, vor seinem Eintritt ins Town stets eine kleine Veränderung an sich vorzunehmen. — Mit allerlei freundlichen Ermahnungen des Friedensrichtes versehen, verließ Sergeant Hanson um diese Zeit das Haus des Sheriffs, der ihm beim Abschied noch deutlich genug zu ver stehen gegeben hatte, daß er ihm nach wie vor nicht sonderlich gewogen war. Da er sein Pferd vor dem Generalstore zurückgelassen, war dieses sein erstes Ziel. Als er eben das schon baufällige Haus Conny Bakers passierte, sah er auf der anderen Seite Earl Dwi nell mit zwei ihm unbekannten Männern Sellers’ Saloon verlas sen. Er drückte sich rasch in eine Türnische. Dwinell trennte sich von seinen Begleitern und verschwand in dem Hause, in dem im Erdgeschoß das Büro der Genossenschaft untergebracht war. Die drei oberen Zimmer hatte er sich als Stadtwohnung eingerichtet, denn er hielt sich mehr im Town als auf seiner Ranch auf. Hanson wollte seinen Weg schon fortsetzen, als er abermals verhielt. Aus dem Generalstore trat Benty Scruggs. Seinem vorsichti gen Getue nach legte er Wert darauf, möglichst nicht gesehen zu werden. Eng an die Hauswand geschmiegt, nahm er gleichfalls Richtung auf Dwinells Haus. Dreimal pochte er gegen die Tür. 59
Dick pfiff leise durch die gespitzten Lippen. Was suchte der nachts bei Dwinell? Antwort darauf gab ihm Gilda Metcalf, die auf das Klopfen hin ihren Schopf aus dem Oberstock steckte. Flüsternd wurden einige Worte ausgetauscht, dann machte Benty Scruggs kehrt und kam zurück. Dick dämmerte es. Ein schadenfrohes Grinsen überzog sein Gesicht. „Den Spaß lasse ich mir nicht nehmen.“ Ahnungslos kam Benty Scruggs zurückgeschlichen. Plötzlich sprang Dick vor. Mit mathematischer Genauigkeit traf seine Rechte das wohlgerundete Kinn des Storekeepers. Dieser schwankte wie eine Föhre im Herbststurm, um dann von seinen kräftigen Armen behutsam auf den Boden gelegt zu werden. „Sorry, Mr. Scruggs, aber das war nicht anders zu deichseln. Die Ereignisse der nächsten halben Stunde müssen diesmal oh ne Sie abrollen“, murmelte Hanson, während er den Besitzer des General-Stores kunstgerecht fesselte. Dann huschte er hinüber zu Dwinells Haus, sah auf den zu gezogenen Fenstervorhängen des oberen Stockwerks sich die Schatten eines Mannes und einer Frau abzeichnen und begab sich zufrieden wieder zum Generalstore zurück. Er verminderte den Umfang seines Notizheftes um ein leeres Blatt, beschriftete es und wickelte darin einen Stein ein, den er Mistress Scruggs ins eheliche Schlafgemach warf. Mit dem Klirren der Fensterscheibe zog er sich unter Mit nahme des gefesselten Scruggs zum Townausgang zurück und harrte nun der kommenden Dinge. Diese ließen nicht lange auf sich warten. Zunächst flammte in Mistress Scruggs’ Schlafzim mer Licht auf, dann öffnete sich kreischend die Haustür. Mit fe sten Schritten stapfte sie über die Straße. Die in diesen Dingen keinen Spaß verstehende Frau verzichtete darauf, auf die allge mein übliche Weise Einlaß zu begehren, sondern warf dreimal ihre hundertachtzig Pfund Lebendgewicht gegen die Tür. 60
Der Radau ließ Dwinell und seine Haushälterin hinunter in den Flur stürzen. Da Mistress Scruggs bereits das erste Hinder nis genommen, blieb ihnen keine Zeit mehr, für Beleuchtung zu sorgen. „Euch gemeinen Ehebrechern werde ich die Leviten lesen“, schwang Mistress Scruggs die Hundepeitsche. Mit unarti kulierten Schreien stürzte sie sich erst auf den verblüfften Dwi nell, den sie im Dunkeln für ihr Ehegespons hielt, und dann auf die hysterisch aufkreischende Gilda. Indes schaffte Dick Hanson Benty Scruggs in sein Schlaf zimmer und erlöste ihn von den Fesseln. Unerkannt verschwand er. Noch die ganze nächste Woche über wurde dieser Streich ausgiebig belacht. Earl Dwinell erfand die fadenscheinigsten Erklärungen für die blutunterlaufenen Striemen im Gesicht, und Gilda Metcalf mußte sich eine neue Frisur zulegen, um die Lücken in ihrer wasserstoffgebleichten Lockenpracht zu ver decken. * Etwas Weiches, Kühles, Feuchtes fuhr Billy Jenkins über das Gesicht. Verwirrt schlug er die Augen auf, richtete sich halb hoch und gewahrte neben sich die Dogge Centa, die fortfuhr, ihn — leise wimmernd — mit der kalten Schnauze anzustoßen. Er begriff sofort, daß der Hund ihn warnen wollte. „Was ist denn, Centa?“ raunte er der Dogge zu und strich ihr liebevoll übers Fell. Der Hund blickte mit gespitzten Ohren und gedämpftem Knurren zum Höhlenausgang, von wo jetzt auch das Schnauben des Pferdes zu vernehmen war. Geräuschlos erhob sich Billy, nahm seinen Waffengurt und schlich zum Ausgang. Da wuchs vor ihm eine Gestalt auf. 61
Der Ranger stand unglücklich. Das Mondlicht fiel direkt auf ihn. So konnte er das Gesicht des Mannes nicht erkennen, der ihm zurief: „Die Arme hoch, Jenkins! Und keine Bewegung!“ Zögernd kam er der unmißverständlichen Aufforderung nach. Die Dogge verhielt reglos zwischen den beiden Männern. Nur ihr heiseres Knurren konnte man weiterhin vernehmen. „Ein lohnender Fang — die Dogge und dich, du verdammter Manhunter“, höhnte Lester Parr. Er stand breitbeinig, in beiden Fäusten schwere Colts. „Und wie hast du dir die Fortsetzung vorgestellt?“ „Für dich gibt es keine Fortsetzung“, zischte der junge Ban dit haßerfüllt. „Dann könntest du abermals um den Kopfpreis kommen, den Earl Dwinell auf mich gesetzt hat …“ Lester Parr blickte mit brennenden Augen auf den hoch auf gerichteten Jenkins. In seiner blinden Gier achtete er nicht auf die Dogge Centa. Ihn erfüllte nur die teuflische Lust, die Ner ven seines Opfers auf die Folter zu spannen. Centas Lichter leuchteten phosphoreszierend aus dem Dun kel. Sie schnaufte hörbar und hatte sich schon zum Sprung ge duckt. Ihre Hinterpfoten suchten nur noch nach einem guten Halt. „Fahr zur …“ Weiter kam der Strolch nicht mehr. Centa, die instinktiv das Gefährliche des Augenblicks gefühlt haben mochte, war auf ihn zugeschnellt und hieb ihr scharfes Gebiß in sein Handgelenk. Mit einem Schmerzensschrei löste sich ein Schuß. Die Kugel surrte bedrohlich nahe an Billys Kopf vorbei. Parr, der mit dem letzten Kraftaufwand versuchte, die Dogge von sich abzuschütteln, legte nun den anderen Colt auf den Hund an. Mit mächtigen Sätzen sprang Billy vor. Ein kraftvoller Hieb 62
schlug dem Gegner die Waffe aus der Hand. Wütend hatte sich der Hund in des Banditen Arm verbissen. Parr stolperte und schlug zu Boden. Zähnefletschend griff die Dogge den Gestürz ten an, Billy erkannte sofort, daß der Hund den Banditen zu zerflei schen drohte, und griff ein. Ungeheure Anstrengungen waren nötig, um die wie irrsinnig sich gebärdende Dogge zurückzu reißen. Aber diese war kaum noch zu bändigen. Sie schnappte jetzt sogar nach des Rangers Hand. Den Kampf, der sich darauf zwischen Billy und ihr entspann, benutzte der andere, um tau melnd aus der Höhle zu fliehen. Die Dogge erlahmte allmählich in ihrem Widerstand. Schwer atmend stand Billy auf, blickte sich um, und bemerkte jetzt erst die Flucht des Banditen. Er hieß die Dogge zurückbleiben und lief ins Freie. Mattes Mondlicht fiel auf die Gesteinsriesen und schuf schwache, geisterhafte Silhouetten. Der von der Höhle in die Schlucht führende Pfad wand sich in unzähligen, unübersichtli chen Biegungen. Von Lester Parr war nichts mehr zu sehen. Aber der Bandit konnte nur diesen Weg genommen haben; ei nen zweiten gab es nicht. Im Laufschritt nahm Billy die Verfolgung auf. Er befand sich bereits in halber Höhe zwischen Höhle und dem Grund der Schlucht, als nacheinander zwei Schüsse auf peitschten. Billy verdoppelte sein Tempo. An der Stelle, wo der Pfad in die Sohle der Schlucht auslief, stieß er auf einen Mann. Billy hatte seine Waffe schon im Anschlag. „Laß stecken, Paulson!“ rief er und schritt gemächlich auf den buckligen Vormann zu. „Ach, Sie sind es!“ „Was bedeuteten die Schüsse eben?“ „Der verfluchte Outlaw stahl mir meinen Traber. Ganz un 63
verhofft sprang er aus den Felsen, zerrte mich aus dem Sattel und schlug mich nieder. Dann stob er auf meinem Wallach da von. Meine Kugeln müssen ihn verfehlt haben.“ „Lester Parr?“ „Sie kennen ihn?“ „Zur Genüge.“ Billy sah auf den Vormann hinunter. „Was treibt Sie eigentlich nachts in die Berge …?“ „Dieselbe Frage könnte ich Ihnen stellen, Mr. Jenkins“, ant wortete Paulson unwirsch. „Habe von Amts wegen ein Recht, Sie danach zu fragen. Unweit von hier fand Zachary Rhoades den Tod. Und dieser Pfad führt hinauf zu seiner Höhle!“ „Von der Sie kommen“, setzte Paulson hinzu. „Yea, habe dort Untersuchungen angestellt. Sie sind zu spät gekommen, Lionel Paulson. Der Plan ist nicht mehr in der Höhle.“ „Hm, Sie sind ein ehrlicher Kerl, Jenkins. Will Ihnen deshalb auch offen bekennen, daß ich tatsächlich wegen dieses Wisches den nächtlichen Ritt unternahm. Machte mir damals keine Ge danken darüber. Aber gestern packte mich doch die Neugier.“ „Sie witterten ein gewinnbringendes Geheimnis?“ „No, wollte die Gefahr nur abwenden.“ „Welche Gefahr?“ „Die auf die Bolger-Ranch zukommt“, flüsterte der Vormann geheimnisvoll. „Die Bolger-Ranch ist in Gefahr?“ „Seit Ray Eshelman erschien. Er ist mit einem Fluch bela den. Wo er auch hingeht, ihm folgt das Verderben.“ „Und was hat das mit dem Plan von Zachary Rhoades zu tun?“ Lionel Paulson hob die Schultern. „Ahne nur vieles, Jenkins. Sein Plan darf nicht in unrechte Hände fallen.“ „Er scheint es bereits. In der Höhle ist er nicht. Vermute, daß er dem Mörder mit den anderen Papieren in die Hände fiel.“ 64
Doch Lionel Paulson schüttelte den Kopf. „Da kennen Sie den alten Rhoades nicht, Jenkins! Der war die Vorsicht selber. No, er wird den Plan nicht bei sich getragen haben.“ „Dann müßte er sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in der Höhle befinden“, folgerte Billy. „Wird ihn gut versteckt haben, der alte Faulenzer. Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal nachsehen!“ Der Ranger erklärte sich einverstanden. Bei ihrem Eintreffen in der Höhle war der Hund nicht mehr da. „Ein rätselhaftes Tier“, sann Billy, „so rätselhaft wie alles, was in Dixie Valley und Umgebung vor sich geht. Die Dogge warnt mich, rettet mir das Leben, greift mich dann an, weil ich Parr vor ihren Bissen retten will, und nun ist sie verschwunden — so lautlos, wie sie gekommen.“ „Verdammt, haben Sie kein Licht, Jenkins?“ rief Paulson aus dem Hintergrund der Höhle. Billy knipste seine Taschenlampe an. Ihr Lichtkegel strich über die nackten, feucht glitzernden Felswände. Wie ein Spür hund kroch der Vormann in sämtliche Ecken, kratzte, schürfte, tastete, klopfte. Vergeblich. Nirgends fand sichern Versteck. Jenkins hatte bereits nach einer Stunde die Suche aufgegeben und sich auf sein Lager niedergelassen. Bei einer Zigarette überdachte er die Ereignisse der letzten Tage und legte sich fol gende Fragen vor: Was wurde überhaupt gespielt? Weshalb mußte Zackary Rhoades sterben? Ist Earl Dwinell der Urheber aller Untaten oder Neil Fauskin, der vom gleichen Holz geschnitzt zu sein schien? Welche Bewandtnis hat es mit der Dogge? Wollte Dwinell sie allein deswegen töten, weil sie den Mörder ihres Herrn verraten könnte, oder …? Welcher Art mochte dieser Plan sein? Verriet er eine Quelle — einen vergrabenen Schatz — eine Öl- oder Erzfundstelle? — Wie aber, wenn der Plan noch niemandem in die Hände ge 65
fallen war, Dwinell aber davon wußte? War es dann nicht lo gisch, daß er alles daran setzte, sich seiner zu bemächtigen? Aber Dwinell ließ zur Zeit nur Jagd auf die Dogge machen. Die Dogge …! „Geb’s auf“, ächzte Lionel Paulson. „In der Höhle ist der Plan unmöglich.“ „Glaub’s auch nicht“, sagte Billy. „Ah?“ blinzelte ihn der Vormann argwöhnisch von der Sei te an. „Weshalb glauben Sie, daß der Plan hier nicht zu fin den ist, he?“ „Weil Sie ihn nicht gefunden haben, Paulson. Haben doch jeden Erdkrumen auf die Seite gedreht. Hier!“ Jenkins reichte ihm eine Decke. „Bis zum Morgen sind es noch zwei Stunden.“ „Damit Sie mit dem Plan durchbrennen, was? No, so wettet Lionel Paulson nicht.“ „Unsinn“, brummte Jenkins und rollte sich in seine Decke. „Aber wie Sie wollen. Gute Nacht!“ * „Greger und Crosby“, murmelte Ray Eshelman beim Eintritt von zwei stutzerhaft gekleideten Männern in Sellers’ Saloon. „Gleichfalls liebe, alte Freunde. Bin gespannt, ob das halbe Dutzend bald voll wird.“ Die beiden nahmen gleich den Tisch am Fenster in Beschlag. Sie saßen kaum, als Earl Dwinell mit den beiden Männern, die Ray Eshelman schon einige Abende vorher erkannt hatte, ein trat. Die Begrüßung war kurz. Gleich darauf steckten die fünf die Köpfe zusammen. Nach einer Viertelstunde verabschiedete sich Dwinell wieder von den vier, die darauf zur Theke hinüberwechselten und sich dann den Fusel in sich hineinschütteten. Lallend lud Greger jetzt die übrigen Gäste zu einer Runde ein. 66
Als Greger und seine Freunde dann schließlich das Stadium erreicht hatten, daß sie sich nicht mehr auf den Barhockern hal ten konnten, verließ Ray Eshelman durch den Hinterausgang den Saloon. Nachdem er den falschen Bart und die Schminke aus seinem .Gesicht entfernt hatte, wollte er vor dem Hause sein Pferd besteigen, als er seinen Namen rufen hörte. Über die Straße kam Judy Bolger. Sie hatte ihren Verlobten besucht und wollte jetzt zum General-Store. „Waren Sie schon wieder bei Sellers, Ray?“ fragte sie mit einem Unterton leichten Vorwurfs. „Yea“, antwortete er einsilbig. Judy schaute ihn aus traurigen Augen an. „Weshalb hören Sie nicht auf mich, Ray? Übt diese gräßliche Spelunke eine sol che Anziehungskraft auf Sie aus?“ „Scheinbar“, gähnte Ray. „Clarks Brandy ist nicht der schlechteste.“ „Kennen Sie denn nichts anderes als Trinken und …“ „… Rauben und Morden“, ergänzte er mit gelangweiltem Gesicht. „Oh, Sie sind gräßlich, Ray!“ Judy stampfte mit dem Fuß auf. „Habe nicht versucht, Sie vom Gegenteil zu überzeugen, Ju dy! Ich weiß, Sie meinen es herzensgut mit mir. Aber Sie müs sen mir schon überlassen, wie ich mein Leben führe. Habe vie les gutzumachen …“ „Wo? In Clark Sellers’ Saloon?“ „Auch da.“ „Guten Morgen, Miß Bolger“, unterbrach Neil Fauskin die Unterhaltung. „Kleine Besorgungen gemacht?“ Judy nickte nicht übermäßig freundlich. „Well, im Town hat sich so allerlei verändert, wie? Was sa gen Sie zu der neuen Bank, Miß Bolger? Hat enormen Zulauf. Wenn das so weiter anhält, kann Ihr Verlobter Ende der Woche 67
seine Schalter schließen.“ Er lachte schmierig. „Tut mir natür lich leid …“ „Heuchler!“ knurrte Ray Eshelman. „… aber er hätte mit dem ehrlich erworbenen Geld unserer Bürger vorteilhafter wirtschaften …“ Die weiteren Worte waren ihm im Halse steckengeblieben. Rays Faust hatte seinen Schmähworten ein Ende gesetzt. Fauskin kippte nach hinten über. Von allen Seiten kamen Neu gierige angelaufen. Fauskin richtete sich mühsam auf. Für Ray Eshelman war die Sache abgetan. Er hakte Judy Bolger unter und brachte sie zu ihrem Dogcart. Ein Schuß bellte auf. Pfeilschnell drehte sich Ray um. Er sah den rauchenden Colt in Fauskins Hand. Einige Männer umringten den Schützen und hielten ihn davon ab, ein zweites Mal zu schießen. Langsam ging Ray auf Fauskin zu. Um seine Mundwinkel zuckte es verächtlich, als er ihn an der Weste packte und ihm einen zweiten Schlag versetzte. „Feigling“, war das einzige Wort, das über seine Lippen kam. Er wollte zurück zu Judy, als ein Kellerbaß hinter ihm los donnerte: „Halt!“ Stehenbleiben, Ray Eshelman!“ Sheriff Ross zwängte sich durch die Menge. Hinter ihm tauchte das Biedermannsgesicht Earl Dwinells auf. „Sie haben Mr. Fauskin tätlich angegriffen, Eshelman. Dafür erkläre ich Sie für verhaftet“, schnaufte der Sheriff. „Waren mir schon lange ‘n Dorn im Auge. Was in anderen Staaten gesucht wird, verkriecht sich nach Nevada! — Los, kommen Sie mit!“ „Und der Lump da? Er hat hinterrücks auf mich geschossen.“ „Nur in Notwehr, Sheriff“, rief Fauskin. „Well, Notwehr ist was anderes“, tat Sheriff Ross den Ein wurf sogleich ab. „Los, Eshelman, folgen Sie mir!“ 68
Da eine Flucht so gut wie aussichtslos war, leistete er keinen Widerstand. Schon beim Herannahen des Sheriffs war Judy Bolger vom Bock ihres Dogcarts gesprungen und zur Filiale der Central Bank gelaufen. Abgehackt und zusammenhanglos berichtete sie ihrem Verlobten von dem Zwischenfall, „Meinetwegen schlug er Fauskin nieder?“ fragte er, denn er begriff nicht, wieso Ray für ihn eintreten sollte. Sie waren zwar Brüder, aber … „Ja“, bestätigte Judy. „Er duldete es nicht, daß dieser Lump abfällig von dir sprach.“ „Und der Sheriff hat ihn festgenommen?“ Bruce Eshelman schritt zum Schrank und entnahm ihm seine Waffen. „Was willst du tun, Bruce?“ „Beunruhige dich nicht, Judy. Sieh zu, daß du so schnell wie möglich aus dem Town kommst.“ „Ich bleibe hier und warte hier auf dich.“ Bruce Eshelman zog die Stirn in Falten. „Wird fraglich sein, ob ich zurückkomme.“ Darauf verließ er das Büro. Durchs Fenster konnte Judy noch sehen, wie er draußen kurz stehenblieb, zu der Menschenansammlung hinüberblickte und dann die Richtung zum Sheriffsoffice einschlug. Von niemandem beachtet, betrat Bruce die leere Amtsstube. Er blickte durch das Fenster auf die Straße. Die Menge begann sich zu zerstreuen. Aus der Gruppe schälte sich Ray, der Sheriff und Fauskin heraus und hielten auf das Office zu. Ray schritt mit erhobenen Armen vor Ross her. Krampfhaft überlegte Bruce, wie er den Bruder aus dieser Si tuation befreien konnte. Nervös schritt er auf und ab. Von der Straße her vernahm er schon die schweren Schritte der drei Männer. Da flog die Tür auf. 69
„Hallo!“ grüßte Sergeant Hanson, als er den Anwesenden gewahrte. „Auch zur Befreiung Ihres Bruders erschienen?“ Verblüfft starrte Bruce auf den ihm Fremden. „Sie also auch? Aber welches Interesse haben Sie …?“ ,,’ne alte Gewohnheit von mir, anderen Trümpfe aus der Hand zu nehmen, die sie nicht verdient haben.“ Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, auf dem sich mehrere Fliegenfänger schlängelten. „Ausgezeichnet.“ Er nahm ein halbes Dutzend an sich. „Nur zu, bedienen Sie sich!“ Bruce Eshelman begriff nicht. Dick zog ihm den Hut tief in die Stirn und drückte ihm eine Anzahl Fliegenfänger in die Hand. „Sie übernehmen den Sheriff und ich Fauskin. Mit die sem Pflaster werden wir ihnen jetzt ihre Hohlköpfe bandagie ren.“ „Eine originelle Idee, Stranger …“ „Hanson“, machte sich Dick bekannt. „Stamme zwar nicht aus altem Landadel, aber …“ „Wie? Mr. Hanson?“ forschte Bruce überrascht. Dick fühlte sich zwar außerordentlich geschmeichelt, daß sein Name selbst schon bis in dieses entlegene Town gedrungen war, aber es wurde höchste Zeit, die Plätze einzunehmen. „Los, Sie hinter die Tür“, er selbst trat hinter einen Aktenschrank. Polternd stiefelte Sheriff Ross mit seinem Gefangenen her ein. Mit geschwellter Brust folgte Fauskin. „Nach links!“ kommandierte Ross. „In die erste Zelle. Wird nur eine von den vielen sein, in denen du den Rest deines Le bens …“ Wie auf ein verabredetes Zeichen waren Dick und Bruce zu gleich vorgestürzt. Ehe sich Ross und Fauskin versahen, klatschten ihnen die Fliegenfänger ins Gesicht. Als hätte der Sergeant nie etwas anderes in seinem Leben getan, umwickelte er den Kopf des hin- und hertorkelnden Fauskin mit den klebri gen Streifen. Ähnlich verfuhr Bruce Eshelman mit dem Sheriff. 70
Das wüste Gezeter, welches beide jetzt anhoben, trieb zur Ei le. „Kommen Sie“, Dick griff Ray am Arm, „Ihr Gaul wartet hinter dem Hause.“ Ray Eshelman faßte nach seines Bruders Hand. „Ich danke dir, Bruce!“ „Laß nur“, sagte dieser. „Eil dich, damit du aus dem Town kommst!“ Mit einem Blick auf die noch mit den Fliegenfängern kämp fenden Ross und Fauskin meinte Dick: „Schätze, wird auch für uns Zeit, daß wir die Gentlemen allein lassen. Es schämt und flucht sich besser, wenn man unter sich ist.“ Bruce Eshelman nickte und nahm mit dem Ranger den Weg über den Hof. Ungehindert gelangten sie zur Central Bank. Plötzlich blieb Eshelman stehen: „Weshalb setzen Sie sich für meinen Bruder ein?“ „Keinesfalls weil ich mich in sein Gesicht vergafft habe, sondern weil mir seine Festnahme ein wenig zu früh erfolgte“, erklärte der Sergeant und tippte an die Hutkrempe. „So long, Mr. Eshelman.“ — In der Kneipe wurde er von seinem Freund Billy erwartet. „Nun?“ „Ray Eshelman prescht auf einem Pferderücken über die Prä rie, und der Sheriff und Fauskin ziehen sich mit den Fliegen fängern gleichzeitig die Haut vom Balg.“ Billy ließ sich von ihm über den Streich berichten und lä chelte. „Das wird der gute Ross dir nie verzeihen.“ „Sofern er mich dahinter vermutet. Aber nun verrate mir endlich, weshalb Ray Eshelman Sheriff Ross’ Zelle noch nicht belegen sollte.“ „Weil er Dwinell und einigen anderen im Wege ist.“ Billy deutete mit einer unmerklichen Kopfbewegung zur Theke. „Diese vier dort kommen aus dem Osten und scheinen im Town außer Dwinell niemanden zu kennen.“ 71
„Und?“
„Es ist aber noch jemand da, der sie gut kennt, sogar sehr gut
— Ray Eshelman! Müßte mich sehr täuschen, wenn dieser so wohl als auch die vier sich gern ihrer Bekanntschaft aus dem Osten erinnern würden.“ „Du willst also abwarten, bis die vier Burschen versuchen werden, das lebende Mahnmal ihrer unrühmlichen Vergan genheit auszulöschen?“ Billy nickte. „Möglicherweise erfahren wir dabei auch etwas mehr über Dwinells schleierhafte Geschäfte und was es sonst noch mit den Bohrgeräten und dem Mineningenieur auf sich hat.“ „Hier in der Gegend befindet sich meines Wissens nach nir gendwo eine Mine“, sann Dick. „No, die Mine braucht auch noch nicht zu existieren, dafür nur eine Fundstelle.“ „Devil, du hast recht. Aber wo?“ „Wahrscheinlich ist Dwinell sich selber noch nicht darüber im klaren. Du wirst also weiterhin hier im Town aushalten und ein Auge auf Dwinell und Fauskin werfen.“ 5. Kapitel Ray Eshelman ließ sich nicht davon abhalten, schon am darauf folgenden Tage wieder nach Dixie Valley zu reiten. Alle Er mahnungen Judys hatten nichts gefruchtet. Judy saß vor ihrem Sekretär und starrte ins Leere. Sorgenvoll dachte sie daran, daß ihre bisherigen Bemühungen, Ray für ein geordnetes Leben zu gewinnen, keinen Erfolg gehabt hatten. In der Hauptsache ärgerte sie sich, daß Bruce und der alte Paulson recht behielten: Ray zu bekehren, war so aussichtslos, wie die Stillwater Mountains in fruchtbares Weideland verwan deln zu wollen. 72
Die Blicke der jungen Rancherin schweiften durch das Fen ster hinüber zu den Weidegründen. In ihren braunen Augen leuchtete es auf, als sie die vielen Hunderte von Rindern dort unten grasen sah. Sie gehörten ihr. Das war ihr Besitz, ihre Heimat, das Erbe ihres Großvaters. Noch nie hatte sie sich von hier fortgesehnt. Sie vermochte sich deshalb auch nicht in Ray Eshelman hineinzudenken, den es ruhelos durch die Staaten trieb, der nicht einmal auf der Bolger-Ranch ein Zuhause fand. Dumpfe Hufschläge klangen auf. Judy sah einen Reiter in den Hof einlenken. Vor dem Wohnhaus stieg er ab und warf dem Pferdejungen die Zügel zu. Ihr war der Mann unbekannt. An seinem ganzen Gebaren erkannte sie in ihm aber auf den ersten Blick den Städter, obwohl er sich in seiner Kleidung der hiesigen angepaßt hatte. Sie verließ ihr Arbeitszimmer und betrat die Halle, um den Fremden zu empfangen. „Hallo?“ rief der Unbekannte. „Sie wünschen?“ „Mein Name ist James Luff“, stellte sich der Mann vor und musterte Judy mit abschätzendem Blick, „und wünsche den Rancher zu sprechen.“ „Der steht vor Ihnen.“ „Sie?“ sagte der Mann erstaunt. „Habe auf der Bolger-Ranch keineswegs solch eine reizende Geschäftspartnerin vermutet.“ „Geschäftspartnerin?“ Judy zog die Brauen hoch. James Luff nickte wichtig. „Komme aus Carson City und bin von der Western Railway beauftragt, für sie Land zu kaufen.“ „Ich verkaufe aber kein Land, Mr. Luff.“ Er warf ihr einen unwilligen Blick zu. „Ihre Absage ist etwas übereilt, Miß Bolger. Die Western Railway plant den Bau einer Bahnlinie, die auch über Dixie Valley führen wird und bei Reno endet.“ „Durch die Stillwater Mountains?“ fragte Judy zweifelnd. 73
Die Rancherin schien ihn aus dem Konzept gebracht zu ha ben, denn er überlegte. „Ist nur ein schmaler Streifen, den die Western Railway von Ihnen benötigt. Der Verlust würde sich bei Ihnen kaum spürbar machen.“ „Die Bolger-Ranch ist groß.“ „Eben. Der Fortfall des Dreiecks, das sich in Mr. Dwinells Gebiet vorschiebt, würde Ihre Weidegründe nur abrunden.“ „Ausgerechnet das Dreieck. Und Sie zahlen?“ „Höchstpreise, die Western Railway verfährt immer großzü gig bei Landaufkäufen.“ „Hat Mr. Dwinell, mein Nachbar, auch schon Land an Ihre Gesellschaft abgetreten?“ „Er tat es ohne Bedenken. Denn der Bau der Bahnlinie bringt für Dixie Valley und die umliegenden Ranches unschätzbare Vorteile. Das Vieh, das Sie bisher immer bis nach Fallen trei ben mußten, kann dann schon in Dixie Valley verladen werden. Damit scheiden die Verluste, die Sie bisher durch das Treiben bis nach Fallon haben, aus.“ Die Augen des Mannes gefielen Judy nicht. Eine innere Stimme sagt ihr, daß sie sich vor diesem in acht zu nehmen hätte. Mr. Luff öffnete jetzt seine Tasche und zog daraus mehrere Pläne hervor, die er auf dem Tisch ausbreitete. Sein dicker Zei gefinger fuhr über die Karte. „So verläuft die neue Linie“, er klärte er. „Sie ist aber nur bis zu den Mountains eingezeichnet“, warf Judy ein. Luff stutzte, faßte sich dann aber rasch. „Bis dahin haben un sere Techniker erst die Strecke abgesteckt.“ „Und wann soll das Unternehmen steigen?“ „Sobald ich nach Carson City mit den rechtsgültigen Kauf verträgen zurückgekehrt bin. Wenn die Verhandlungen sich nicht unnötig hinauszögern, kann das schon in drei Wochen der Fall sein.“ 74
Judy Bolger, die kein Geschäft abschloß, ohne zuvor mit ih rem Verlobten Rücksprache genommen zu haben, erklärte, daß sie sich die Sache noch einmal gründlichst überdenken müßte. „Gerade das Dreieck ist mein fruchtbarstes Weideland.“ „Das gibt natürlich eine unliebsame Verzögerung.“ „Sie können doch unmöglich verlangen, daß ich mich Hals über Kopf entscheide.“ „Hm. Wann kann ich dann wieder vorsprechen?“ „In drei Tagen“, sagte sie nach einigem Überlegen. „Das ist ein bißchen lange. Will aber hoffen, daß wir dann den Vertrag aufsetzen können. So long, Miß Bolger!“‘ Lässig lupfte er den Hut und schritt mit durchgedrückten Knien aus der Halle. Gedankenverloren sah die Rancherin ihm nach. Auf dem Hof nahm er seinen Fuchs von dem Pferdejungen wieder in Empfang und wollte sich gerade in den Sattel schwin gen, als Ray Eshelman in halsbrecherischem Galopp in den Hof sprengte. Direkt neben dem anderen sprang er aus dem Sattel. „Hallo, James Reap“, rief er. „Ist dir die Luft in Chikago zu dick geworden?“ Luff alias Reap erbleichte. „Ray Eshelman!“ kam es tonlos über seine dicken Lippen. „Ein unerwartetes und unerwünschtes Wiedersehen, he?“ lä chelte der böse. „Wenn’s nach dir und den anderen gegangen wäre, würde mein Body schon längst der Anatomie in Chikago zur Verfügung stehen, was?“ James Reap blickte scheu zum Ranchhaus hinüber. Gott sei Dank, an den Fenstern war niemand zu sehen. „Das war damals alles ein großes Mißverständnis, Ray“, begann er mit leiser Stimme. „Hoffe, dir bald Aufklärung dafür geben zu können. Hab im Moment keine Zeit, werde dringend in Dixie Valley erwartet.“ „Sofern du das Town noch erreichst, James Reap“, sagte Ray 75
Eshelman mit eisiger Kälte in der Stimme, und in den Augen lag ein harter Glanz, der James Reap wenig Hoffnung ließ, je mals wieder mit Greger und den anderen bei Clark Sellers ein Saufgelage zu veranstalten. „Was führte dich Halunken auf die se Ranch?“ „Hatte geschäftlich mit Miß Bolger zu verhandeln.“ „Was hattest du mit Miß Bolger zu verhandeln?“ fragte Ray weiter. Er hatte seinen Daumen zwischen Waffengurt und Hose geschoben. „Schätze, Ray, es ist keine Art, sich in anderer Leute Ge schäfte zu mischen“, antwortete Reap dreist. „Wenn sie so dreckig wie die deinen sind, hat jeder anständi ge Mensch ein Anrecht darauf, gab Ray zurück. „Erinnere mich“, sagte James Reap zynisch, „daß deine Ge schäfte auch nicht immer das waren, was die Spießbürger reell nennen.“ Zornesröte bedeckte jäh Rays braungebranntes Antlitz. Seine Hand zuckte zur Waffe. Dann hatte er sich wieder in der Ge walt. „Schuft“, knirschte er. „Glaube, daß wir einander nichts vorzuwerfen haben. Sah erst letzte Woche noch deinen Steckbrief auf allen Bahnhöfen in Illionis. War ‘ne hübsche Summe, die du Chikagos Polizei chef wert bist.“ „Wem verdanke ich denn das?“ „Wahrscheinlich deiner Dummheit.“ „Denke, daß sich mir jetzt die beste Gelegenheit bietet, um mit dir abzurechnen. Wenn du nicht ein erbärmlicher Feigling bist, dann zieh!“ Aber James Reap, der um seines Gegners Schießkunst wuß te, machte von der Aufforderung keinen Gebrauch. „Willst du, daß dein Steckbrief morgen auch in Dixie Valley prangt?“ Der höhnische Ton, in dem Reap dies sagte, reizte Ray Es helman dermaßen, daß er die mühsam bewahrte Beherrschung 76
nun doch verlor. Mit wenigen Sprüngen war er auf der Veranda, riß den Ochsenziemer vom Nagel und drang damit auf den an deren ein. „Mach, du dreckiger Gauner, daß du von der Ranch kommst!“ schrie er mit krebsrotem Gesicht und schlug dem zu rückweichenden Mann mit aller Wucht zweimal den Ziemer ins Gesicht. Der falsche Agent der Western Railway brüllte wie ein Wahnsinniger. Und das lockte den Vormann auf den Plan. Mit einem Blick übersah dieser die Situation. Schon lagen in seinen schwieligen Händen zwei Colts. „Stop, Ray Eshelman!“ rief er mit heiserer Stimme. „Sofort läßt du von dem Mann ab!“ Der Ton, mit dem die Warnung aus gestoßen war, verriet, daß Paulson nicht scherzte. Ray Eshelman ließ deshalb von Ja mes Reap ab, der sofort in den Sattel stieg und davonpreschte. „Sie mischen sich in Dinge, Paulson, die Sie ‘nen Dreck an gehen“, herrschte er den buckligen Alten verärgert an. „Auf der Bolger-Ranch ist es nicht üblich, daß Besucher mit dem Ochsenziemer gezüchtigt werden.“ „Dann mache ich eben eine Ausnahme damit“, entgegnete Ray kalt. „Für diesen Schuft ist diese Methode noch viel zu human. Danken Sie Gott, daß dieser skrupellose Verbrecher in Ihr Leben nicht eingriff …!“ „Was ist hier vorgefallen, Ray?“ Judy stand auf der Veranda und starrte mit großen Augen auf Ray und ihren Vormann, der noch immer die Waffen auf ihren Gast anschlug. Ray ging schnell auf Judy zu. „Was wollte Reap von Ihnen, Judy?“ „Reap? Er nannte sich mir gegenüber Luff.“ „Der Name ist falsch. Er heißt Reap, James Reap, und ist ein gesuchter Schwerverbrecher aus Chikago. Unter welchem Vorwand suchte er Sie auf?“ 77
Judy gab den ungefähren Inhalt ihres Gesprächs mit dem an geblichen Agenten der Western Railway wieder. „Der Schuft hat ganz infam gelogen, Judy. Man will Sie nur betrügen. Niemals plant die Western Railway, hier eine Eisen bahn zu bauen. Reap sollte das Land für Dwinell kaufen.“ Ein heiseres Gemecker ließ beide herumfahren. „Ein nettes Märchen, Ray Eshelman“, rief Lionel Paulson, „Was sollte Dwinell schon am Dreieck gelegen sein?“ „Er hat schon lange ein Auge darauf geworfen“, gab Judy zu rück. „Was sagte ich Ihnen, Miß Bolger! Die Anwesenheit des Outlaws auf der Ranch bringt Unglück. Den ersten Zu sammenstoß gab es bereits“, ließ Paulson sich erneut verneh men. „Die Folgen davon werden nicht ausbleiben. Die BolgerRanch war noch nie eine Herberge für gehetzte Outlaws.“ „Sie sind ein Schwätzer, Paulson“, wies Judy ihn zurecht. Mit einem Seufzer machte sie kehrt und ging ins Haus zurück. * Dick Hanson hatte gerade James Reap und seine drei Freunde das Office der Genossenschaft betreten sehen. Er sann jetzt dar über nach, wie er es bewerkstelligen könnte, einiges von der Unterhaltung zwischen ihnen und Dwinell mitzubekommen. „Immer fleißig, Master, was?“ sprach er dann auf der gege nüberliegenden Straßenseite den Schmied an. „Können gleich mal meinen Buggy nachsehen. Steht vor Clark Sellers’ Saloon. Ein Hinterrad hat sich gelöst. Brauche den Wagen unbedingt.“ „Wenn’s pressiert“, unterbrach der Schmied seine Tätigkeit und stopfte eine Anzahl Werkzeuge in einen Beutel. „Werfe inzwischen ‘nen Blick bei Mr. Dwinell hinein“, sagte Hanson gleichmütig und wartete, bis der Schmied abzog. Dann kramte er aus seiner Brusttasche zwei Geldnoten und legte sie 78
auf den Amboß. „Damit der Alte keinen Verlust erleidet“, be ruhigte er sein schlechtes Gewissen ob der Lüge und huschte in die Schmiede. Ohne sich lange umzuschauen, ging er auf die Wand zu, die die Schmiede von Earl Dwinells Büro trennte. Lauschend legte er sein Ohr daran. Aber es war nichts zu hören. Inch für Inch untersuchte er die Wand. Das von Dwinell bewohnte Haus war ursprünglich als Schmiede gebaut worden; die jetzige Werkstatt war, unter Einsparung einer Wand, daran angebaut. Und ziem lich am hintersten Ende entdeckte Dick eine mit einer Holzplat te zugenagelte Vertiefung, die ehemals ein Fenster dargestellt haben mochte. Schon nach der ersten, kurzen Prüfung stellte er fest, daß es ihm keine großen Schwierigkeiten bereiten würde, die Verkleidung zu lösen. Aber was steckte dahinter? Da der Schmied jeden Augenblick zurückkehren konnte, war er gezwungen, flink zu handeln. Er bohrte sein Messer in die Fugen und verwendete es als Hebel. Knirschend gab die Platte nach. Durch den winzigen Spalt erblickte er dann die Rück wand eines Büroschranks. Gleichzeitig vernahm er mehrere Stimmen. . „… Eshelman muß weg. Er kann uns alle verderben“, hörte er eine tiefe Stimme. „Der Mann weiß zuviel über uns.“ „Damn, wart ihr denn nicht vorher darüber unterrichtet, daß er …“ „No“, ließ James Reap sich vernehmen. „Wie sollten wir ah nen, daß er sich in diesen öden Winkel verkrochen hat? Als wir Chikago verließen, war er drei Tage zuvor aus dem Untersu chungsgefängnis ausgebrochen.“ „Jetzt wird Judy natürlich nicht verkaufen wollen!“ „Wir müssen dann eben Mittel finden, um sie zu zwingen.“ „Wichtig wäre zunächst nur, daß Eshelman verschwindet, bevor der Sheriff für unser Vorleben Interesse zeigt.“ „Diese Entscheidung wollten wir Ihnen überlassen, Dwi 79
nell“, erwiderte Andrew Crosby. „Sie haben Ihre Erfahrungen schon bei dem alten Trapper …“ „Shut up!“ fuhr Dwinell zornig auf. Sekundenlang blieb es still. Dann sagte Dwinell: „Werde mir die Sache bis heute abend überlegen. Erwartet mich in Sellers Saloon.“ Dick hörte, wie Stühle gerückt wurden, dann schwere Schrit te. Eine Tür fiel ins Schloß. Er wollte seinen Lauscherposten schon verlassen, als er Dwinells Stimme von neuem vernahm. „Hast ja alles mitangehört, Lester. Brauche wohl nicht mehr viele Worte zu verlieren …“ „No, Boß. Denke, daß Ray Eshelman sich über seine Zukunft keine Gedanken mehr zu machen braucht. Wieviel ist dir die Sache wert?“ Earl Dwinell nannte eine hohe Summe. Hanson biß die Zähne aufeinander. So verschachern diese Burschen also ein Menschenleben. Aber ihre Rechnung soll nicht aufgehen. Noch waren Billy und er da. Vorsichtig zog er sich zurück. Vor dem Ausgang sah er den Herkules von Schmied stehen und nach allen Richtungen hin Ausschau halten. Dick wollte sich heimlich an ihm vorbeidrük ken, hatte aber kein Glück. „He, Gent! Moment mal!“ hielt er den Ranger hinten am Gurt fest. „Konnte Ihren Buggy nirgends finden.“ „Das glaube ich dir gerne. Ist schon in Ordnung. ‘n Freund von mir hatte inzwischen den Schaden behoben und ist unter wegs zur Bahnstation.“ „Und was sollen die zwei Dollar hier?“ „Damit Sie sich nicht umsonst bemüht haben.“ Der Schmied schüttelte den Kopf. „No, Gent. Laß mich nur für meine Arbeit bezahlen.“ Unverkennbares Mißtrauen prägte seine Miene. „Und welche Absichten führten Euch in die Schmiede?“ Hanson stand wie auf glühenden Kohlen. Damn, wenn der 80
Schmied ihn noch lange aufhielt, entkam Lester Parr ihm. Er grinste unschuldsvoll. „Hegte schon als Baby lebhaftes Interes se für jeden Hammer. War bereits früher mein Lieblings wunsch, Funken zu schlagen, Master.“ Er tippte an die Hut krempe und machte sich davon. * Erhaben senkte sich das Dunkel der anbrechenden Nacht über das sich in sanften Hügeln unendlich weit hinziehende Weide land. Die Rinder unten am Wasserlauf legten sich in das bis zu den Knien reichende Gras zur Ruhe. Am Firmament glitzerten die ersten Sterne. Der Himmel war klar und wolkenlos. Vom Südwesten wehte leise ein frischer Wind; der sich spielerisch in den Wipfeln der Zedern fing. Plötzlich vernahm er den Ruf eines Kauzes, dem hämmern der Hufschlag folgte. Dick Hanson! Billy legte seine Hände trichterförmig an den Mund und er widerte den Ruf. Sofort hielt der Sergeant auf des Freundes Lager zu. Atemlos sprang er vom Pferd. „Parr hat den Auftrag, alles Notwendige für Ray Eshelmans Beerdigung vorzubereiten“, rief er. „Erzähle!“ Mit überstürzten Worten berichtete er. Jenkins’ Antlitz straffte sich. Der Blick seiner kühlen, blauen Augen wurde stahlhart. Um die Kinnmuskeln zuckte es. „Wel che Richtung schlug Parr ein?“ „Kann’s nicht sagen, Billy. Wurde unnötig von dem Schmied aufgehalten. Als ich endlich Dixie Valley verlassen konnte, hat te der Bursche schon einen Vorsprung von einer dreiviertel Stunde.“ 81
„Ray Eshelman war nicht im Town?“ „Denke nicht. Hab noch in Sellers’ Saloon reingeschaut. Konnte ihn aber nirgends erspähen.“ „Dann müßte er auf der Ranch sein. Aber sollte Parr es wa gen, auf der Bolger-Ranch …?“ Er beendete den Satz nicht, sondern war schon dabei, sein Pferd zu satteln. „Wird keine Zeit zu verlieren sein, wenn wir diesem Halun ken noch zuvorkommen wollen.“ Tief über die Hälse ihrer treuen Pferde gebeugt, stoben sie über die Prärie. Auf halbem Wege zügelte Billy plötzlich den Falben. Schaurig klang das Heulen eines Hundes durch die Nacht. „Die Dogge“, flüsterte Hanson. „Yeah, sie wittert drohendes Unheil.“ „Wenn ein Hund so heult, gibt es für gewöhnlich einen Toten in der Nähe.“ In rasendem Galopp preschten die beiden Ranger in Rich tung Bolger-Ranch. Funken sprühten auf, als sie in den Hof sprengten. Ihre Pfer de waren noch nicht ganz zum Stehen gebracht, als sie auch schon aus den Sätteln glitten und die wenigen Stufen zur Ve randa emporeilten. Dröhnend hämmerten ihre Fäuste gegen die Tür. Im Oberstock wurde ein Fenster geöffnet. Judys Kopf lugte heraus. „Wer ist da?“ Billy nannte seinen Namen. „Ist Ray Eshelman auf der Ranch?“ „Meines Wissens nach, ja. Was wollen Sie von ihm?“ „Schauen Sie bitte nach, ob er noch auf seinem Zimmer ist! Fragen Sie nicht weiter, Miß Bolger! Eshelman schwebt in Ge fahr.“ Mit einem unterdrückten Aufschrei verschwand Judys kasta nienbrauner Lockenkopf vom Fenster. Das Bunkhaus war jetzt 82
hell erleuchtet. Halb angekleidet stürmte ein halbes Dutzend Boys heraus. „He, schaut nach, ob Ray Eshelmans Schecke noch im Stall steht“, rief Hanson ihnen zu. Judy kam aus dem Haus. Sie hatte nur einen Morgenrock übergeworfen und machte einen verstörten Eindruck. „Er ist im ganzen Hause nicht zu finden“, sagte sie. „Das Bett ist zwar durchwühlt, aber mit ihm fehlt auch seine Kleidung.“ Vom Stall kamen die beiden Boys angelaufen. „Sein Gaul ist weg!“ „Dacht mir so etwas“, murmelte Jenkins und lauschte auf das Heulen des Hundes. Erst jetzt wurden Judy und ihre Boys darauf aufmerksam. „Furchtbar, dieses gräßliche Geheul“, entfuhr es der Rancherin. „Ist das …?“ „… Zachary Rhoades Dogge“, nickte Billy und schwang sich in den Sattel. „Was ist mit Ray Eshelman?“ fragte Judy bebend. „Kamen Sie, um ihn zu verhaften?“ „Er ist einigen Leuten in Dixie Valley unbequem geworden“, sagte der Ranger nur und wendete den Falben. „Wo gedenkst du Ray Eshelman nun zu suchen?“ fragte Dick. „Centa weist uns den Weg.“ Die sehnigen Leiber der Pferde streckten sich. Drohend und kalt wuchsen vor den beiden die gezackten, dunklen Felsen der Stillwater Mountains auf. Das Heulen der Dogge wurde immer stärker. „Nach links!“ rief Billy und zeigte auf einen Engpaß, der in eine Schlucht mündete. — Unverwandt ritt auch Ray Eshelman dem Heulen des Hundes nach, das ihn aus dem Schlaf geschreckt hatte. Auch er wünsch te in den Besitz der Dogge zu kommen. Er wußte, daß sie das 83
Geheimnis von Zachary Rhoades’ Tod bewahrte. Ihn interes sierte der alte Trapper nicht im geringsten, dafür aber um so mehr das Wohl der Bolger-Ranch. Und das wieder hing davon ab, wer am schnellsten das Geheimnis des Trappers an sich riß. Ray glaubte, daß sich ihm heute diese Chance bieten würde. Er durchritt den Engpaß und gelangte in die Schlucht, die sich in Form eines rechten Winkels nur über eine knappe Meile hinzog. Der Hund mußte jetzt genau in der Nähe sein. Oder war es das starke Echo, das sich an den nackten Felswänden viel fach brach? Er zügelte seinen Schecken und lauschte angestrengt in das Dunkel der Nacht hinein. Oben auf dem Plateau mußte sich der Hund befinden. Am Fuße der Felswand ließ Ray Eshelman sein Pferd zurück und begann mit dem schwierigen Aufstieg. Unweit von ihm hinter einem bis zur Schulterhöhe reichen den Felsblock lauerte Lester Parr. Das schwache Licht der dün nen Mondsichel ließ ihn sein Ziel nur ungenau erkennen. Aber Ray Eshelman war an der steilen Wand so gut wie ungedeckt. Ruhig, wie auf dem Schießstand, legte der Bandit an. Er ziel te lange, denn er hatte Zeit. Donnernd rollte das Echo des ersten Schusses durch das schlauchartige Felsental. Beim Fallen des Schusses bogen die Ranger gerade in den Engpaß ein. „Soll der Mordbube diesmal doch fixer gewesen sein als wir?“ Billys Miene war wie aus Stein. Er wußte, hier entschieden Sekunden über ein Menschenleben. Eshelman aber durfte Parrs Mörderhand nicht zum Opfer fallen. Er sprang am Ende des Passes vom Pferd. Vorsichtig nach allen Seiten spähend, betrat er die Schlucht. In kurzem Abstand folgte ihm sein Freund. Wieder zwei Schüsse! — Deutlich hatten die beiden das grel le Aufflammen des Mündungsfeuers gesehen. Blieb nur noch die Frage: wer schoß dort — Parr oder Eshelman? 84
Es gab Billy zu denken, daß die Schüsse nicht erwidert wur den. „Wir müssen näher heran“, raunte er dem Freund zu. Geduckt schlichen sie auf den Felsblock zu, hinter dem Le ster Parr sich verschanzt hatte. Noch einmal knallte es. — Ein Aufschrei hallte durch die Schlucht. Aus der Felswand stürzte etwas Dunkles und schlug dumpf auf dem von Geröll übersäten Boden auf. „Sah ganz nach ‘nem menschlichen Körper aus“, mutmaßte Hanson besorgt. Billy hegte ähnliche Befürchtungen. Nicht eine Sekunde ließ er seinen Blick von dem Felsblock. Nach dem Aufschrei war das Heulen der Dogge in ein leises Winseln übergegangen. Hinter dem Felsblock rührte sich nichts. Das verriet Jenkins, daß der Schütze doch Lester Parr gewesen sein mußte. Mit ent sicherten Waffen kroch er auf den Felsblock zu. Plötzlich wur de der obere Teil einer Männergestalt über diesem sichtbar. „Reiß die Pfoten nach oben, Lester Parr!“ rief der Ranger. Statt einer Antwort blitzte es zweimal hintereinander bläulich auf. Nur wenige Zoll über die Köpfe der Ranger hinweg schwirrten die Geschosse. Parr war wieder hinter dem großen Stein verschwunden. Billy und Dick hielten flüsternd Kriegsrat, darauf trennten sie sich. Während der Sergeant wie ein Rasender dicht über und neben den Felsblock schoß, um es dem Gegner unmöglich zu machen, auch nur einmal einen vorsichtigen Blick hervorzutun, schlug Jenkins einen weiten Halbkreis und schlich von der an deren Seite an die Deckung des Banditen heran. Aber das Geröll verriet ihn. Ein nur geringes Geräusch warn te Lester Parr. Er warf sich herum, und zwei Feuerstrahle blitz ten auf. Gerade noch rechtzeitig hatte Billy Jenkins sich zur Seite geworfen. Schon entluden sich seine Colts. Der andere brüllte auf. 85
„Ergib dich, Lester Parr! Dein Spiel ist so und so verloren“, rief der Ranger, der den Banditen nicht töten, sondern einem ordentlichen Gericht überantworten wollte. „Eher fährst du mit mir zur Hölle, Jenkins“, schrie Parr zu rück. Die beiden Ranger waren jetzt so nahe heran, daß der Bandit nach einer Seite hin ungedeckt war. Entweder konnte er sich Billys Schußfeld entziehen oder des anderen. Da er Jenkins für den gefährlicheren Gegner hielt, bot er sich offen dem Sergean ten und eröffnete auf diesen ein rasendes Schnellfeuer. „Ah, Sonny, damit kannst du dich mir nicht vom Leibe hal ten“, grinste der. „War schon an bleihaltige Luft gewöhnt, als du noch in der Sonntagsschule Psalmen aufsagtest.“ Die Kugel schickte des Banditen Stetson zum Teufel. „Ein kleiner Vorgeschmack, du Teufel“, rief Dick aus seiner Deckung hinüber. „Wenn du nicht umgehend deine dreckigen Mörderkrallen himmelwärts streckst, blüht dir etwas ganz ande res! Für unangenehme Überraschungen hab ich ‘ne schwache Seite.“ Lester Parr, der nur zu genau wußte, daß er den Rangern ge genüber sein verpfuschtes Leben zu verteidigen hatte, wehrte sich verzweifelt. Da jetzt Hanson seine ganze Aufmerksamkeit geschickt auf sich gelenkt hatte, vernachlässigte er die andere Seite, wo Jenkins von Deckung zu Deckung sprang. Noch einmal entlud Lester Parr das ganze Magazin auf den Sergeanten. Da schlangen sich von hinten jäh ein Paar muskulöse Arme um seinen Oberkörper. Eine kräftige Faust drehte ihm den Arm um, bis seiner Hand der Colt entfiel. „Lester Parr, im Namen des Gesetzes erkläre ich Sie für ver haftet“, erklang Billys schneidende Stimme. Hanson kam angelaufen. Auch jetzt gab Parr noch nicht auf. Er hatte ja nichts zu ver 86
lieren. In Dixie Valley wartete auf ihn das Gericht — und der Galgen. Verbissen wand er sich unter dem harten Griff des Rangers. Aber Billy machte mit diesem rücksichtslosen, kalt blütigen Mörder kurzen Prozeß. Ein Faustschlag, der mit Dyna mit geladen zu sein schien, schmetterte ihn zu Boden. „Den Lasso, Dick!“ bat Billy. Der eilte zu den Pferden zurück und kam gleich darauf mit der ledernen Leine. Stramm und unlösbar legte Jenkins die Fesseln an. Lester Parr stöhnte und stieß Verwünschungen aus. Schaum stand ihm vorm Mund. „Ich will aber nicht sterben, verflucht“, bäumte er sich unter den Fesseln auf. „Aber andere Menschen schickst du gnadenlos ins Jenseits, he?“ „Habe keinen Menschen umgebracht.“ „Willst du uns vielleicht aufbinden, daß du hier auf Jagd nach Silberlöwen bist? Und Zachary Rhoades hat sich vielleicht auch auf reichlich unverständliche Art von hinten durchsiebt, was?“ Des Banditen Augen weiteten sich schreckhaft. „Mit des Trappers Tod hab’ ich nichts zu tun.“ „Das nimmt dir kein Richter ab. Mr. Staite hält schon die Beweise in Händen.“ „Nein“, schrie Lester Parr. „Das kann er gar nicht. Denn ich habe ihn nicht auf dem Gewissen, sondern …“ Näherkommende Schritte unterbrachen den Banditen. Die Hände der beiden Ranger fuhren gleichzeitig zu den Colts. Aus der Dunkelheit schälten sich die Konturen eines Man nes, der einen anderen quer über der Schulter trug. Ächzend lud der Vormann der Bolger-Ranch einen leblosen Körper vor den Rangern ab. Den toten Ray Eshelman die zwei hundert Yards weit zu tragen, hatte ihn sichtlich erschöpft. Pu stend fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn. 87
„Haben Sie ihn zu seinen himmlischen Richtern geschickt?“ richtete er zunächst an Billy die Frage und blickte ihn aus sei nen rotgeränderten Augen erwartungsvoll an. „Haben Sie mir nichts zu erklären, Paulson?“ stellte Billy die Gegenfrage. „Erwarten Sie von mir, daß ich Ihnen Zackary Rhoades Plan unter die Nase halte? Verdammt, habe ihn auch heute nacht nicht gefunden.“ „Des Trappers Höhle liegt aber nicht in dieser Schlucht!“ „Wollte Ihnen das auch nicht weismachen, aber der Hund war hier in der Schlucht.“ „Der Hund?“ Lionel Paulson hatte eingesehen, daß er zuviel gesagt hatte. Wütend biß er sich auf die Unterlippe. „Hoffte, von der Dogge zu dem Versteck geführt zu werden. Sie hat mich ja gerufen.“ „Sie gerufen?“ „Ihr Heulen war bis auf die Ranch zu hören. Damit hat sie mir ein Zeichen geben wollen vor den Feinden der BolgerRanch auf der Hut zu sein. Die Bolger-Ranch ist von Brandstif tern und Mördern bedroht!“ „Das hat Centa Ihnen alles in trautem Zwiegespräch in die Hörmuscheln gebellt?“ warf Hanson trocken ein. Lionel Paulson schenkte ihm einen Blick voller Verachtung, „Ich habe ein zweites Gesicht, Jenkins“, flüsterte er dem Ran ger zu. „Das Ende der Bolger-Ranch ist nahe. Ich habe sie deut lich brennen sehen. Mit ihrer Ranch brach auch Miß Bolger wie eine lebende Fackel zusammen.“ „Wo ist Ihr Pferd?“ fragte Jenkins. Paulson steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Aus dem Hintergrund der Schlucht kam ein Pferd angetrabt. Ihm folgte der Schecke des toten Ray Eshelman. „Ihre Widersacher haben sich um einen verringert“, sagte Billy zu dem Vormann. 88
„Sein Tod hat die Bolger-Ranch vor einem großen Unglück bewahrt“, erwiderte Paulson ernst. „Werde nun zur Ranch zu rückreiten, um dort nach dem Rechten zu sehen.“ 6. Kapitel „Ruhe!“ donnerte Friedensrichter Staite zum siebentenmal in den überfüllten Gerichtssaal und schwang die große Glocke. „Ruhe, oder ich lasse räumen.“ Allmählich verebbte der Lärm. „Mr. Bruce Eshelman erhält das Wort“, verkündete Mr. Stai te. „Bitte, Mr. Eshelman!“ In der vordersten Bankreihe, gleich hinter der niedrigen Schranke, die das eigentliche Gericht von den Zuhörern trennte, erhob sich dieser still. Er war ungewöhnlich blaß. „Ladies and Gentlemen“, hub Bruce Eshelman an. Er sprach klar und laut und schilderte in kurzen Zügen das Leben seines ermordeten Bruders. Abschließend sagte er: „Selbst ich nicht, als sein Bruder, will behaupten, daß er ein Tugendjünger war. Er hat des öfteren gegen das Gesetz verstoßen. Aber das gibt noch niemandem das Recht, ihn kaltblütig niederzuschießen, wie es dieser Schurke dort getan hat.“ Sein ausgestreckter Arm wies auf den Angeklagten Lester Parr, der ihn höhnisch angrinste. Überhaupt legte Ray Eshel mans Mörder eine Sicherheit an den Tag, die geradezu verblüf fend war. „Sie haben ihn, Mr. Staite, nach dem Motiv seiner Tat ge fragt“, fuhr der Zeuge fort. „Der Angeklagte überging Ihre Fra ge schweigend. Denke, daß ich diese Frage wenigstens zum Teil klären kann — und muß.“ Im Saal trat eine tiefe Stille ein. „Lester Parr hat meinen Bruder im Auftrag eines anderen ermordet!“ 89
Unruhe entstand im Saal. Der Friedensrichter mußte wieder zur Glocke greifen. Sein weißes Haupt und die klaren Linien seines klugen Antlitzes entsprachen ganz der Würde seines Amtes. „Sie haben eben verlauten lassen, ein anderer hätte den An geklagten zum Mord angestiftet. Können Sie dem Gericht auch den Namen nennen?“ Abermals wurde es mucksmäuschenstill. Die Blicke aller hingen wie gebannt an den Lippen des Zeugen. Eshelmans Lippen öffneten sich. „Bruce!“ Judy Bolger war aufgesprungen. „Nicht, Bruce! Schweige! Um meinetwillen. Dadurch kannst du Ray nicht wieder zum Leben erwecken.“ Dem Zeugen war anzusehen, daß er zauderte. Der mahnende Zuruf seiner Verlobten hatte ihn unsicher gemacht. „Wollen Sie meine Frage bitte beantworten, Mr. Eshelman?“ ergriff der Friedensrichter wieder höflich das Wort. Bruces Gesichtsmuskeln spannten sich. „Ja“, sagte er halblaut. „Um den Namen des Auftraggebers zu nennen, fehlen mir aller dings noch Beweise. Feststeht aber, daß mein Bruder Mr. Dwi nell und seinen vier Freunden aus dem Osten im Wege stand.“ Tumult im Zuschauerraum. Earl Dwinell war von seinem Platz aufgesprungen. Kalkige Blässe überzog sein Gesicht. Um seine strichförmigen Lippen zuckte es nervös. „Lüge!“ schrie er in das Stimmengewirr hinein. „Ich bitte Sie darum, Mr. Staite, mich vor Verleumdungen zu schützen.“ „Können Sie Ihre Beschuldigung gegen Mr. Dwinell und seine Bekannten irgendwie näher begründen, Mr. Eshelman?“ fragte der Friedensrichter sachlich. Bruce Eshelman konnte nichts Konkretes aussagen, verlor sich nur in Vermutungen. Höhnisches Gelächter brandete vor nehmlich von den hinteren Bankreihen auf, als Mr. Staite ihm das Wort entzog. „Der Angeklagte hat das Schlußwort.“ 90
Doch Lester Parr machte keinen Gebrauch davon. Noch im mer umkräuselte ein höhnisches, zuversichtliches Grinsen sei nen Mund. Mr. Staite zog sich darauf mit den Geschworenen zur Bera tung zurück. Billy und Dick Hanson schauten zu Bruce Eshelman und Ju dy Bolger hinüber. „Der Boy ist wie’n junges Fohlen, zu hitzig! Was hat er nun mit seinem Palaver erreicht?“ „Werden uns nachher ein bißchen um ihn kümmern müssen“, meinte Billy Jenkins. Minuten später kündigte Mr. Staites Glocke den letzten Teil der Gerichtsverhandlung gegen Lester Parr an: die Verkündung des Urteils. Die Anwesenden mußten sich von den Plätzen er heben, während der Friedensrichter das Urteil und die Begrün dung dazu verlas. „… wird Lester Parr zum Tode durch den Strang verurteilt …“ Sekundenlang lastete tiefes Schweigen im Saal. Dann wur den von den hintersten Bankreihen schrilles Pfeifen und wilde Protestrufe laut. Auch das konnte Mr. Staite nicht aus dem Konzept bringen. Er brachte die Verhandlung so souverän zu Ende, wie er sie begonnen. Mit einem Wink gab er Sheriff Ross zu verstehen, den Verurteilten abzuführen. Billy und Dick richteten es so ein, daß sie in der Nähe von Bruce Eshelman und Judy Bolger blieben. Sie waren noch im dichtesten Gewühl, als draußen auf der Straße plötzlich Schüsse fielen und Menschen aufschrien. Mit rudernden Armen arbeitete Hanson sich durch die Men ge. „Möchte zehn zu eins wetten, daß Parr auf dem besten We ge ist, die Vollstreckung des Urteils eigenmächtig hinauszu schieben.“ Mit dem Krachen der Schüsse vermischten sich gleichzeitig rasche Hufschläge. Jemand schrie: „Sie haben ihn befreit!“ 91
Bis die Ranger sich endlich durch den stampfenden, keu chenden, brüllenden Menschenknäuel gezwängt hatten, war von den Befreiern und dem Befreiten nur noch eine Staubwolke am Horizont erkennbar. Aus dem Straßenkot rappelte Sheriff Ross sich mit geschwollener Kinnlade auf. „Wie konnte das passieren, Sheriff?“ Billy Jenkins sah ihn streng und vorwurfsvoll an. „Kann’s auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Auf einmal wa ren sie da, und ein Schwinger beendete den ganzen Spuk.“ „Zu den Pferden, Dick!“ „Und Eshelman?“ „Übernimm du das“, entschied der Freund in wenigen Se kunden und lief hinüber zu Clark Sellers Saloon. — Bruce hatte seine Braut an ihren Dogcart gebracht und verab schiedete sich nun von ihr. Argwöhnisch musterte Hanson die Umgebung, konnte aber nichts Verdachterregendes wahrneh men. Auch Earl Dwinell war nirgends zu erblicken. Gemächlich schlenderte er der Filiale der Central Bank zu, die wegen der wichtigen Gerichtsverhandlung heute geschlos sen hatte. Plötzlich bog er um die Ecke. An der Rückseite des Bankhauses sah er gerade noch einen Fuß durch eins der Fen ster verschwinden. „Der Bursche verliert tatsächlich schon die Nerven“, schüt telte Dick den Kopf und begab sich wieder nach vorn. Judy Bolger fuhr gerade mit ihrem Einspänner davon. Ihr Verlobter winkte ihr nach. „Der Abschied von Miß Bolger fällt Ihnen heute wohl be sonders schwer, wie? Kann’s Ihnen nachfühlen. Ist kein ange nehmes Gefühl, wenn man nicht weiß, ob man am nächsten Morgen noch imstande ist, auf den eigenen Beinen aus dem Bett zu steigen.“ Hanson trat hinter Bruce Eshelman. Dieser fuhr erschreckt herum. „Oh, Mr. Hanson, wie meinen Sie das?“ 92
„Wette, daß Dwinell schon Vorsorge getroffen hat, Sie nicht ein zweitesmal solch horrenden Unsinn quaken zu lassen.“ Bruce blickte sich scheu nach allen Seiten um. „Hab schon eingesehen, daß es ein Fehler war. So ist den Schuften nicht bei zukommen. Glauben Sie, daß man mich nun genau wie Ray …?“ „Empfehle Ihnen, Ihren Palast nicht ohne Waffe zu betreten, Mr. Eshelman. Dort drinnen hat sich nämlich schon ein unan gemeldeter Besucher eingefunden.“ In Bruces Gesicht arbeitete es. „Vielen Dank für die War nung.“ Er schritt auf den Eingang der Bank zu. Dick hielt ihn zurück. „Denken Sie vielleicht, ich möchte mir das Vergnügen entgehen lassen? Ich komme mit!“ Bruce schloß die Tür auf. Sie traten in den Schalterraum. Langsam gingen sie hinüber zu seinem Büro. Mit einem Zei chen gab Dick seinem Begleiter zu verstehen, daß er zurücktre ten sollte. Dann schritt er selber zur Tür und öffnete sie so, daß er von ihr gedeckt blieb. Zwei Schüsse krachten. Dann ein Fluch des Genarrten. Han son hatte seinen Colt in die Spalte zwischen Türangel und Rahmen geschoben. „Lassen Sie Ihre Kracher fallen, Dwinell!“ Earl Dwinell sah den drohenden Lauf auf sich gerichtet. Er erkannte die Stimme und warf die Colts zu Boden. Die Ranger der Special trafen das As auf der Karte und schossen für ge wöhnlich zwischen die Brauen. „Mich wollten Sie diesmal selber erledigen, Dwinell?“ Bruce betrat jetzt sein Büro. „Denke, daß Sie sich an fünf Fingern abzählen konnten, daß ich mich nicht ungestraft von Ihnen beleidigen lasse.“ „Das hat Ihnen auch keiner zugemutet, mein lieber Dwinell“, warf Hanson ein. „Was Sie mir so unsympathisch macht, ist, daß Sie Mister Eshelman nicht einmal die Gelegenheit zum Zie hen gaben.“ „Müssen Sie auch hier wieder Ihre Nase reinstecken?“ 93
,,’ne alte Gewohnheit von mir, über die sich außer Ihnen schon viele geärgert haben. Begreife nur nicht, warum Sie Mi ster Eshelman zu seinen Ahnen schicken wollten. Er kann Ihnen doch gar nichts anhaben. Dank den geschickten Schachzügen Ihres Freundes Fauskin steht die Filiale der Central Bank vor dem Ruin, und er ist bald ein gemachter Mann. Sie werden auch nicht mehr lange darauf zu warten haben. Minenbesitzer ist eine ebenso einträgliche Beschäftigung.“ Dwinells Antlitz verfärbte sich. Dick grinste ihn unbefangen an. „Mein Kompliment, Dwi nell. Sie verstehen etwas von Ihrem Geschäft. Daß Sie dabei um Millimeterbreite am Abgrund balancieren, ist Ihnen doch hof fentlich klar?“ Wütend stapfte Dwinell hinaus. Das war die erste Niederla ge, die er in Dixie Valley erlitten hatte. „Warum haben Sie denn den Mann laufen lassen?“ „Vieles im Leben erscheint einem unverständlich, Mister Es helman. Suchen Sie selber eine Erklärung dafür, weshalb mein Freund Billy und ich Dwinells Schuldkonto noch ein bißchen anwachsen lassen möchten. Zügeln Sie einstweilen Ihr Tempe rament und machen Sie sich auf der Bolger-Ranch nützlich. So long, Mister Eshelman!“ * Bis auf eine halbe Meile war Billy glücklich heran, als das Fel senlabyrinth der Stillwater Mountains die fünf verfolgten Reiter aufnahm. Er mäßigte nun das Tempo, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten. Im Trab näherte er sich dem Zugang zur Schlucht. Es war inzwischen Abend geworden, und über die Landschaft senkte sich die Dämmerung. Unverhofft scheute sein Pferd und stieß ein langgezogenes 94
Wiehern aus. Knapp zehn Yards vor dem Wallach glühten zwei Lichter aus dem Dunkel: die Dogge Centa. Abwartend verharrte sie neben Billy, der leise auf sie ein sprach. Schließlich stieg er ab und ging auf den Hund zu. Im gleichen Augenblick wich die Dogge scheu zurück und ver schwand in großen Sprüngen hinter den Felsen. „Sie verhält sich immer sonderbarer“, schüttelte Billy den Kopf und stieg wieder in den Sattel. Tiefe Stille herrschte ringsum. Die Felsspitzen waren in ein rotgoldenes Licht getaucht, und aus dem Grunde der Schlucht woben sich zarte Nebelschleier. Ohne Zwischenfall ließ er den Zugang hinter sich; zu Fuß drang er tiefer in die Schlucht ein. Jäh stutzte er. Seinem geschulten Ohr war nicht das feine metallische Schnappen entgangen. Da sauste vor ihm etwas Schwarzes zu Boden. Abermals die Dogge, die ihn heiser ankläffte. Wollte sie ihn zum zweitenmal vor einer Gefahr warnen? Billy blickte aufmerksam zur Talenge hinüber und lauschte. Da er weder etwas erspähen noch hören konnte, schlich er wei ter auf die Verengung zu. Die Dogge hielt sich neben ihm. Ihr unterdrücktes Kläffen war in ein flehendes Winseln übergegangen. Das war eindeutig. Sie witterte eine Gefahr. Mit gespreizten Vorderpfoten verstell te sie ihm den Weg. Da erklang von oben ein mörderisches Getöse. Billy Jenkins rannte zurück. Er lief um sein Leben. Dicht hinter ihm prasselte eine von einer Sprengung ausgelöste Steinlawine nieder und verschüttete die Talenge. Kein Donner würde je solch ohrenbe täubenden Krach hergeben, wie dieses Niederbrechen der mas sigen Steinblöcke. Die Dogge verbarg sich aufjaulend zwischen den Felsen. Geduckt hastete Billy zu der Felsnische zurück. 95
Plötzlich war auch die Dogge wieder da. Eine Weile waren ihre Lichter auf den Ranger gerichtet, dann drehte sie sich un vermittelt um und lief auf einen schmalen Felssteig zu, der zu einem kleinen Plateau emporführte. Der Zugang zur anderen Schluchthälfte, in der sich Lester Parr und seine Befreier aufhielten, war versperrt. Da die Bandi ten sich aber unmöglich selber von der Außenwelt abschließen würden, mußte noch ein zweiter Ausgang existieren. Doch wo? Da fiel wenig später von dem kleinen Plateau her ein Schuß. Veranstalteten Dwinells Vertraute schon wieder eine Hetzjagd auf den Hund? Aber Parr und die anderen waren ja in der von ihnen selber abgeriegelten Hälfte der Schlucht. Oder war am Ende Dwinell …? Noch zwei weitere Schüsse waren gefallen, bis er das Plateau erreichte … Ihm entgegen kam die Dogge gesprungen und versteckte sich schutzsuchend hinter ihm. Billy Jenkins bemerkte gleichzeitig einen Schatten an der Felswand. „Lang nach oben, Gent!“ rief er dem Mann zu. „Beim Henker! Jenkins! Sie kleben ja an mir, wie ein Nacht falter am Licht!“ Mit erhobenen Armen trat Lionel Paulson nä her. „Verraten Sie mir zunächst, weshalb Sie auf den Hund schossen“, verlangte Billy. „Weil er Unglück für die Bolger-Ranch heraufbeschwört“, knurrte der Alte, „Er wird die Feuersbrunst auslösen …“ „Reden Sie vernünftig, Mann“, herrschte Billy ihn an. „Sie versuchen, in den Besitz von Zachary Rhoades’ Skizze zu ge langen; dabei ist Ihnen die Dogge im Wege. Ist es nicht so? „Sie sind schlau, Jenkins, aber noch nicht schlau genug. Die Dogge bildet wirklich eine Gefahr für die Bolger-Ranch …“ „Die Dogge allein verheißt niemandem eine Gefahr. Aber die Skizze …“ Ein Gedanke durchzuckte Billy. Er sah sich rasch 96
nach dem Hund um. Doch die Dogge hatte wieder lautlos das Weite gesucht. „Was versprechen Sie sich von der Skizze?“ „Den Frieden der Bolger-Ranch“, flüsterte Lionel Paulson geheimnisvoll. „Ich muß die Skizze haben, sonst …“ „Sonst?“ fragte Billy Jenkins scharf. Aber der Vormann schien nicht gewillt, den Satz zu vollen den. Er schüttelte nur mit dem Kopf. „Für die Zukunft verbiete ich Ihnen, auf den Hund zu schie ßen, Paulson.“ „Dann ist Ihnen das Leben des Köters wohl mehr wert, als das von Miß Bolger und der Crew, he?“ „Sie haben sich in eine Wahnidee verrannt, Paulson.“ „Und Sie reiten in der falschen Richtung, Jenkins!“ „Sie werden …“ Billy Jenkins stockte, lauschend hob er den Kopf. Von der jenseitigen Hälfte der Schlucht war Hufgetrappel zu vernehmen. „Das sind sie“, krächzte Lionel Paulson wild. „Wer ist das?“ „Die Ghostrider, die die Bolger-Ranch in Schutt und Asche legen wollen.“ Die Hufschläge verhallten. Anscheinend verließen Lester Parr und seine Gefährten durch den anderen Ausgang die Schlucht. „Kommen Sie mit, Paulson?“ „No. Denke, werde auf der Ranch jetzt vordringlich benö tigt …“ „Wie Sie meinen.“ Billy verlor nun keine Zeit mehr. „Auch du wirst der Bolger-Ranch kaum noch helfen können, Jenkins“, kicherte der Alte ihm nach. *
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Die Nacht darauf. Slim Ryan, ein noch junger Cowboy, war von Bruce Eshel man zur zweiten Wache eingeteilt. Er sah nicht ein, weshalb die Bolger-Ranch plötzlich gefährdet sein sollte. Earl Dwinell kannte er nur flüchtig vom Ansehen, aber mit den Boys seiner Ranch hatte er sich bisher immer prächtig verstanden. Weil Slim Ryan eben nicht glaubte, daß „etwas“ passieren würde, versah er seine Wache auch nicht so gewissenhaft, wie es ihm am Abend von Bruce Eshelman eingeschärft worden war. Die harte Tagesarbeit hatte ihn ermüdet, und so war es nicht weiter verwunderlich, daß er bald fest eingeschlafen war. Seine Augendeckel klappten auch nicht auf, als die Pforte am Gemüsegarten leise knarrte. Sein eigenes Schnarchen übertönte das verräterische Geräusch. Zwei Maskierte öffneten das Gatter und huschten über den Hof zu den Scheunen. Das magere Mondlicht hatte sich hinter dichten Wolkenballen verkrochen. Wie zwei schwerelose Schatten hantierten sie eifrig vor der ersten Scheune. Dann zün gelte plötzlich eine schnell wachsende Flamme an dem aus getrockneten Holz des Scheunentores empor. Einer der beiden war schon zur nächsten Scheune geeilt, schüttete aus einem mitgebrachten Kanister Benzin gegen die Bretterwand und zündete es an. Mit der dritten und letzten Scheune verfuhr der erste ebenso. Das Ganze vollzog sich in nerhalb einer halben Minute. Knisternd fraßen sich die gierigen Flammen an den geteerten Holzwänden empor und entwickelten gelblichen, sich schwer auf die Atemorgane legenden Rauch. Das Gebälk ächzte bereits in den Fugen. Der grelle Feuerschein und der beißende Qualm brachten Slim Ryan zum Erwachen. Er traute seinen eigenen Augen nicht, als er die brennenden Schuppen vor sich sah. „Das kann doch nur ein Traum sein“, fuhr er sich über die 98
Lider und schnellte von seinem Platz hoch. Aber der starke Brandgeruch und die zwei vermummten Männer, die jetzt über den Hof gelaufen kamen, sagten ihm, daß ihn kein Trugbild narrte. Furchtlos verstellte Slim Ryan den beiden Fliehenden den Rückweg. Ehe Slim aber den Colt aus dem Holfter hatte, stoben aus den Revolverläufen der Brandstifter zwei hellblaue Flammen. Ein harter Doppelschlag gegen die Brust ließ Slim Ryan taumeln. Er brach in den Knien zusammen und schlug mit dem Gesicht auf das holprige Pflaster. Das Wohnhaus und das Bunkhaus waren bereits erleuchtet. Barhäuptig stürmten die Weidereiter in den Hof. Vom Ranchhaus her klang der helle Entsetzensschrei Judys. Sie stand auf der Veranda, nur dürftig bekleidet, und starrte mit flackernden Augen auf das grausige Bild. Lionel Paulson stürzte über den Hof und stolperte über den toten Ryan. „Es ist wahr geworden“, schrie er in den tosenden Lärm hinein. „Die Bolger-Ranch wird vernichtet.“ Ein Weidereiter stieß ihn beiseite und schaffte den Toten ins Bunkhaus, damit nicht auch er ein Raub der Flammen wurde. Der Vormann raste weiter und stoppte seinen Lauf erst vor seiner Herrin. „Nun“, rief er mit sich überschlagender Stimme, „ist meine Prophezeiung nicht eingetroffen, Miß Bolger?“ Seine Augen flackerten irre, und sein Antlitz hatte sich in eine dämo nische Fratze verwandelt. „Sie sollten lieber zwei Eimer in die Hand nehmen und Was ser heranschaffen“, erwiderte die Rancherin schroff. Bruce Eshelman war als erster Herr der Lage. Mit befehls gewohnter Stimme teilte er die Männer zu den Löscharbeiten ein und bürdete sich zugleich die gefahrvollste Arbeit auf. Die Scheunen waren nicht mehr zu retten. Aber es mußte mit allen Mitteln Vorsorge getroffen werden, daß das Feuer nicht auf die anderen Gebäude übersprang. 99
In dieses Tohuwabohu drang das Aufpeitschten mehrerer Schüsse. Sie mußten nicht weit hinter den Ranchgebäuden ab gefeuert worden sein. Jäh hielten die Männer inne. Aus derselben Richtung konnte man jetzt auch sich schnell entfernenden Hufschlag vernehmen. „Macht ihr hier weiter, Boys“, entschied Bruce Eshelman. „Werde nachschauen, was es dort gegeben hat.“ * Sie ritten nebeneinander durch die Nacht. Ihr Ziel war die Bol ger-Ranch oder vielmehr — ihre Umgebung. „Dwinells mißlungener Anschlag auf Eshelman beweist“, begann Billy nach langem Schweigen, „daß er jetzt zum Äußer sten entschlossen ist.“ Er schaute zum wolkenverhangenen Himmel empor. Es war eine Nacht, ganz dazu angetan, verbrecherische Unter nehmungen zu decken. Er hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gesponnen, als Dick Hanson am Horizont, genau in der Richtung, wo sich die Gebäude der Bolger-Ranch auf einer leichten Anhöhe erhoben, einen schwachen roten Schein er kannte, der sich mit Windeseile vergrößerte. Es bedurfte keines weiteren Hinweises mehr, um ihre Pferde sofort zu Höchstleistungen anzuspornen. Rasch kamen sie der Bolger-Ranch näher. Der Feuerschein erhellte schon die ganze nähere Umgebung der Ranch. „He, was ist denn das?“ Billy Jenkins richtete sich im Sattel auf. Neben dem letzten Korral standen zwei reiterlose, gesattelte Pferde. Die Ranger änderten sofort die Richtung und hielten darauf zu. Vom Gemüsegarten her kamen zwei Gestalten angerannt und bestiegen in fliegender Hast die Gäule. 100
Billy schoß zuerst. Es waren nur Warnungsschüsse, die die beiden Unbekannten zum Stehenbleiben auffordern sollten. Die beiden rissen statt dessen aber ihre Traber herum. Wieder Schüsse! Der hintere der beiden Ausreißer schmiß die Arme in die Höhe und sank mit einem gurgelnden Schrei aus dem Sattel. Der zweite hieb seinem Gaul die Sporen in die Flanken und jagte in die Nacht. Dick wollte die Verfolgung aufnehmen, aber Billy hielt ihn zurück. Er trabte zum Korral, glitt vom Pferd und beugte sich über den Mann, den er aus dem Sattel geholt hatte. „Maskiert ist der Bursche auch noch!“ „Er lebt sogar“, stellte Billy fest. „Faß an! Wir tragen ihn hinüber zur Ranch.“ Als sie den Weg dorthin durch den Gemüsegarten abkürzen wollten, kam ihnen jemand entgegen, „Stick ‘em up!“ „Geht schlecht, Gevatter“, antwortete Hanson. „Oder Sie müßten sich statt meiner die Stelzen dieses halbtoten Feuerwer kers unter die Arme klemmen.“ „Mr. Hanson!“ rief Bruce Eshelmann erstaunt und zugleich erfreut. „Haben Sie einen der Kerle erwischt?“ „Hoffe nicht, daß es ein mondsüchtiger Cowpuncher Ihrer Crew ist.“ Eshelman blickte mit verzerrtem Gesicht auf den Maskierten, „Haben Sie schon nachgeschaut?“ „No, so was heben wir uns immer bis zuletzt auf. Das hebt die Spannung!“ Judy kam herbei. „Kann ich helfen?“ „Hier wird nicht mehr viel zu helfen sein“, stellte Jenkins fest. „Bringen Sie uns etwas Wasser!“ Die junge Rancherin lief ins Haus.
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Billy neigte sich wieder über den Schwerverwundeten und nahm ihm die Maske ab. „Parr!“ fuhr Bruce Eshelman zurück. Lester Parr atmete nur noch schwach. Sein Gesicht war schmerzvoll verkrampft. Leise bat er um Wasser. Judy, die in zwischen wieder zurück war, reichte ihm den Becher. „Parr, Sie wissen, daß Sie sterben müssen“, begann Billy auf ihn einzusprechen. „Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Wer erschoß Zachary Rhoades?“ „I-ich“, flüsterte der junge Bandit. „In wessen Auftrag?“ Parr gab mit einem Zeichen zu verstehen, daß er sich aufrich ten möchte. Billy stützte ihn. Der Sterbende wollte schon zum Sprechen ansetzen, als er an dem Ranger vorbeischaute und seine Augen sich vor Entsetzen weiteten. Matt schüttelte er den Kopf. Hinter ihnen stand Lionel Paulson. Sein Blick war dro hend auf den Verletzten gerichtet. „Bin der Meinung, Sie tun besser daran, in die Flammen zu spucken, als hier Maulaffen feil zu halten“, fuhr Dick ihn grob an. „Auch er hängt mit dem Unglück zusammen, das über die Bolger-Ranch gekommen ist,“ raunte der Vormann und begann plötzlich wie irre zu kichern. Dick verstand Billys Wink sofort und zog Paulson mit leich ter Gewalt aus dem Blickkreis des Sterbenden. „Nun sprechen Sie, Parr.“ Billy war jetzt allein mit ihm. Bru ce Eshelman hatte wieder den Kampf mit den Flammen aufge nommen, und Judy Bolger beruhigte die ängstlichen Tiere in den Ställen. „Den Auftrag … gab … mir …“ Ein heftiges Zucken durch raste den Körper des Todwunden. Er bäumte sich auf und fiel dann schlaff zurück. Dann wurden die Augen starr.
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7. Kapitel Vier Tage waren dann ohne einen weiteren Vorfall vergangen. Die beiden Ranger saßen unter den ausladenden Ästen der Bu che auf dem Hof der Bolger-Ranch und unterhielten sich. Billy Jenkins war von Dixie Valley zurückgekehrt und Dick war ver ständlicherweise neugierig, was der Freund dort in Erfahrung gebracht hatte. „Dwinell ist vor zwei Tagen abgefahren“, berichtete er. „Wie es heißt, besucht er im Auftrage der Genossenschaft die Ab satzmärkte im Osten.“ „Wenn das der wahre Grund seines Verschwindens ist, will ich Sheriff Ross heißen“, brummte Hanson. „Leuchtet mir nicht ein, daß er gerade jetzt nach dem Osten abdampft, um den Ran chern des Distrikts die Börsen füllen zu helfen. Schätze viel mehr, er wird in Chikago einen Mineningenieur verpflichten und die notwendigen Maschinen und Geräte für den Abbau bestellen.“ Zu seiner Verwunderung schüttelte Billy den Kopf. „Das wä re verfrüht. Zunächst muß er über die Skizze verfügen.“ „Wer sagt dir, daß er sie noch nicht hat?“ „Als bester Beweis dient mir, daß die Dogge noch lebt, je denfalls sprang sie noch vor drei Tagen herum. „Wo hält sich Dwinell momentan auf?“ „Aller Voraussicht nach in den Stillwater Mountains.“ „Hm“, machte Dick. „In den Bergen …? Stop, Billy, alter Haudegen, ich hab’s! Dwinell wird dort die Skizze suchen.“ „Gelingt es ihm, sie an sich zu bringen, wird er mit noch schärferen Mitteln versuchen, das Dreieck zu bekommen. Erst dann ist es für ihn an der Zeit, den Mineningenieur unter Ver trag zu nehmen und die technischen Vorrichtungen zur Gewin nung des Erzes oder Öls zu beschaffen.“ „All right. Dwinell ist also auf der Jagd nach der Skizze. 103
Aber wieso ist dir das Leben der Dogge ein Beweis dafür …?“ „Weil die Dogge der Besitzer der Skizze ist“, unterbrach ihn der Freund. „Alles deutet darauf hin. Auch Paulson scheint das Geheimnis der Dogge zu kennen, zumindest aber zu ahnen.“ „Paulson?! Was hältst du eigentlich von ihm?“ „Nicht viel“, meinte Billy und blickte zum Wohnhaus hin über, auf dessen Veranda soeben Bruce Eshelman erschienen war. Dieser gewahrte die beiden Ranger und kam zu ihnen her über. „Nun, Mr. Jenkins, haben Sie Neuigkeiten aus Dixie Vol ley mitgebracht?“ „Leider nicht. Ich werde Sie für einige Tage verlassen, Mr. Eshelman.“ „Oh“, sagte Bruce bedauernd, „wir werden Sie vermissen. Ich glaube nicht, daß der Friede im Distrikt schon eingekehrt ist. Mir scheint es eher die Stille vor dem Sturm zu sein.“ „Bin derselben Ansicht, Mr. Eshelman, und will darum die Zeit nützen. Mein Freund Hanson wird hier bleiben. Seien Sie während meiner Abwesenheit wachsam!“ „Darauf können Sie sich verlassen. Ein zweites Mal wird die Bolger-Ranch sich nicht überrumpeln lassen.“ Gegen Mittag ritt Billy Jenkins in die Stillwater Mountains ein, in der vagen Hoffnung, Centa dort zu finden. Vielleicht stieß er bei dieser Gelegenheit auch auf Earl Dwinell. Nach einer halbstündigen Kletterei drang er in die Höhle der alten Roades ein. Sie wir leer, aber er machte eine unverhoffte Entdeckung: auf dem Lager des toten Trappers fand er eine fast nagelneue Wolldecke vor, die sich bei seinem letzten Besuch noch nicht in der Höhle befunden hatte. Jemand mußte in der Zwischenzeit hiergewesen sein. Wer aber war dieser Jemand? Lionel Paulson? Oder …? Billy Jenkins warf die Decke wieder auf das Reisiglager und untersuchte die Feuerstelle. Die Asche war noch warm. Derje 104
nige, der die letzte Nacht hier verbracht hatte, konnte noch nicht lange fort sein. Damit schied Lionel Paulson als Besitzer der Decke aus. Der Vormann stand unter des Rangers Kontrolle und hatte das Ge biet der Bolger-Ranch seit Tagen nicht mehr verlassen. Somit blieb nur noch die zweite Vermutung: Earl Dwinell. Jenkins betrachtete den Boden. Verstreut lagen drei Zigar renstummel umher. Der Geschäftsführer der Viehab satzgenossenschaft war Zigarrenraucher. In Gedanken versunken, trat er wieder vor die Höhle. Die Augen mit der Hand beschattend, blickte er hinüber zu den an deren Felsen und hinunter zur Talsohle. Wo war die Dogge? — So viel Zeit es auch kosten würde, er sah keine andere Möglichkeit, als die zahlreichen Schluchten, Täler und Pässe nacheinander zu durchstreifen. Irgendwo mußte er ja auf den Hund stoßen. Ohne zu zögern machte er sich an den Abstieg. Er durchritt die Schlucht, ein schmaler Paß verband sie mit einem größeren Tal. Auch hier traf er kein Lebewesen an. Die Sonne neigte sich bereits stark dem Westen zu, als er die siebente Schlucht erreichte, und hoch oben in den Felsen er spähte er die Dogge. Sie verharrte regungslos auf einer vorge schobenen Felskante und blickte zu ihm herunter. Da ein Pfad nicht existierte, war Billy gezwungen, an den Felsen hochzuklettern. Die vielen vorspringenden Felsblöcke boten ihm genügend Halt. Noch immer schaute Centa von der Felskante zu ihm herun ter. Doch kurz bevor er die Felskante erreichte, hatte die Dogge sich seinem Blickfeld entzogen. Ächzend schob er seinen Oberkörper über die Kante, stemmte die Ellbogen auf und zog die Beine nach. Dann sah er sich um. Centa hatte sich nach einer höher gelegenen Stelle hinauf ge 105
flüchtet. Der Ranger folgte ihr beharrlich. Als er diesen Platz erreicht hatte, wiederholte sich das Spiel. Die Dogge kletterte scheu noch weiter nach oben. Aber Jenkins wollte dieses Fangen- und Versteckspiel been den. Der Felsvorsprung, auf dem er jetzt stand, war breit genug, um ihm Bewegung zu gestatten. Fachmännisch rollte er den Lasso auf, ließ genug ab und schwang die Schlinge über seinem Haupt. Die Dogge zeigte keine Scheu, sie verharrte auf ihrem Platz. Er warf die Schlinge. Surrend glitt sie durch die Luft. Nur noch einen halben Meter war sie vom Kopf der Dogge entfernt, als diese sich plötzlich ruckartig zur Seite warf. Die Schlinge legte sich um einen Felszacken. Centa aber hetzte weiter den Felsen hinan. Billy hing sich an den herunterhängenden Lasso. Geschmei dig hangelte er dann hoch und überwand so eine glatt abfallen de Stelle in der Felswand. Die Dogge war oben jetzt auf der Spitze angelangt. Uner müdlich stieg der Ranger ihr nach. Schließlich waren Hund und Verfolger sich bis auf dreißig Schritte nähergekommen. Abwar tend schaute Centa auf Billy Jenkins, der ihr freundlich zu sprach. Die Dogge wich nicht mehr zurück, aber Billy wagte auch nicht, sich ihr noch mehr zu nähern. Jetzt mußte er es mit dem Lasso nochmals versuchen. Abermals rollte er ihn auf und ließ die Schlinge über seinem Kopf kreisen. Von diesem Wurf hing viel ab. Er mußte glücken. Leise zischend schnellte die Lassoschlinge auf die Dogge zu. * Um diese Zeit hieb ein Reiter auf seinen Rappen ein und schnellte über die Prärie. Glenn Larson war der einzige Überlebende der vier Cow boys, die auf der Weide der Bolger-Ranch von Banditen aus 106
dem Hinterhalt überfallen worden waren. Er war nur noch von dem Gedanken durchdrungen, seine toten Kameraden zu rä chen. Ohne Zweifel handelte es sich bei diesen kaltblütigen Mördern um Viehdiebe. Denn er, Glenn Larson, hatte gesehen, wie sie mit dem Abtreiben der Herde begonnen hatten. Wenn er mit den Leuten von der Ranch unverzüglich die Verfolgung aufnahm, konnten sie die Schurken vielleicht noch stellen. Am glatten, glänzenden Fell des sehnigen Pferdes klebten schon große Schweißtropfen. Das prachtvolle Tier verausgabte seine letzten Kräfte. Aber Larson kannte keine Schonung. Hier ging es um mehr als nur um das Leben eines Pferdes, hier hieß es, eine Herde von über zweitausend Rindern vor dem Verder ben und die Rancherin vor einem großen Verlust zu bewahren. Die Konturen der Bolger-Ranch wurden schon schemenhaft sichtbar. Noch einmal feuerte Larson den Rappen an, dann ga loppierte er mit donnernden Hufen durch das Tor. „Stop!“ schrie Troy Springer, der wachhabende Cowboy, und brachte seine Winchester in Anschlag. „Ich bin’s, … Glenn“, japste Larson. „Ruf die Boys zusam men, Troy!“ Erschöpft ließ er sich aus dem Sattel gleiten. Der Rappe stand mit geblähten Nüstern, ein Zittern durchlief seinen Körper. Troy Springer kam näher. „Hell and devil, Glenn! Was hat’s gegeben? Ist was mit der Herde?“ „Überfall“, keuchte Larson, wandte sich ab und schritt steif zum Wohnhaus hinüber. Die Tür war verschlossen. Er hämmerte mit den Fäusten da gegen, bis im Oberstock ein Fenster aufging. „Muß Miß Bolger sprechen. Die Herde auf dem südlichen Weidegrund ist über fallen worden. Meine drei Kameraden sind tot. Ich konnte als einziger entkommen.“ „Thunderstorm!“ entfuhr es Dick Hanson. „Einen Moment, bin gleich unten.“ 107
„Wecken Sie auch die Rancherin und Mr. Eshelman!“ rief Larson noch, als der Sergeant bereits das Fenster schloß. Drei Minuten später wurde die Haustür geöffnet, und Judy, Bruce Eshelman und Hanson traten heraus. „Erzählen Sie, Larson!“ forderte Judy den Cowboy auf. Dieser berichtete stockend, wiederholte sich oft und suchte nach Worten. Judy war totenblaß geworden, um ihren Mund zuckte es. Bruce Eshelmans Antlitz dagegen war von dunkler Röte über zogen und der Zorn entstellte seine offenen, gleichmäßigen Zü ge, Dick Hanson war der ruhigste von den dreien. „Und die anderen Boys sind alle tot?“ sprach Judy mehr zu sich als zu den anderen. „Nehm’s an, Miß Bolger. Von Andy weiß ich es genau. Er ritt neben mir. Plötzlich blitzte es auf und er kippte aus dem Sattel. Ich war natürlich sofort bei ihm. War aber nichts mehr zu machen. Kopfschuß. Bei Stewart und Roscoe wird es ebenso gewesen sein. Der Angriff kam völlig überraschend.“ „Die Hunde sollen wenig Freude an ihrem Raub haben“, sprach Bruce Eshelman finster. „Sie werden alle hängen!“ „Wohin haben sich die Schurken gewandt?“ fragte der Ser geant. „Eine Stampede war ausgebrochen. Sah nur noch, daß sie nach Osten rasten.“ „Wecken Sie die Boys, Larson!“ befahl Eshelman. „Wir nehmen unverzüglich die Verfolgung auf.“ Der Boy wollte sich zur Unterkunft der Weidereiter begeben, als Troy Springer aus dem Bunkhaus trat. Ihm folgten drei Cowpuncher. „Die anderen sind nicht wach zu kriegen“, rief Springer. „Total besoffen!“ „Los, sattelt die Pferde! Ihr kommt alle mit.“ „Und die Ranch wollen Sie schutzlos zurücklassen?“ warf Dick ein. 108
„Die Banditen sind doch bei der Herde. Was sollte der Ranch da widerfahren?“ „Sind Sie sicher, daß es sich bei den Viehdieben um Dwi nells Leute handelt?“ „No, aber es existiert sonst keine Bande in der Umgebung. Was schlagen Sie vor?“ „Wo ist Paulson?’„ fragte der Sergeant. Bruce Eshelman zuckte mit den Schultern, und Troy Sprin ger antwortete: „Er ist am Abend fortgeritten und bisher noch nicht wieder zurück.“ Dick pfiff leise durch die Zähne. „Reiten Sie mit Larson und den anderen los, Mister Eshelman. Troy Springer und ich blei ben mit Miß Bolger auf der Ranch.“ „Okay, wird so am besten sein.“ Zehn Minuten darauf verließen sie die Ranch. „Judy, Dick Hanson und Troy Springer sahen ihnen nach. Die junge Rancherin seufzte schwer. „Womit haben wir das bloß verdient?“ „Es wird Dwinells letzter Streich sein“, meinte der Ranger zuversichtlich. „Empfehle Ihnen, sich jetzt wieder hinzulegen, Miß Bolger. Der morgige Tag wird große Anforderungen an Sie stellen.“ * Schon seit zwei Tagen war Earl Dwinell unterwegs, ohne das es ihm gelungen war, Centa auch nur ein einziges Mal vor den Lauf seiner Büchse zu bekommen. Als er dann aber den verhaß ten Ranger und die so begehrte Dogge so nahe beieinander oben in den Felsen erblickte, war es aus mit seiner Beherrschung. Er trieb seinen Gaul rasch hinter einen übermannshohen Felsblock und beobachtete von dort aus die Bemühungen des Rangers, die Dogge einzufangen. Dann lachte er schadenfroh 109
auf. Billy Jenkins’ Wurf war fehlgegangen, die Schlinge hatte sich um den Felszacken gelegt, und der Ranger war im Begriff, an der glatten Felswand mit Hilfe des Seiles hochzuklettern. „Eine einmalige Gelegenheit“, murmelte Dwinell und zog bedächtig die Winchesterbüchse aus dem Futteral; er drückte den Schaft gegen die Schulter, preßte seine Wange gegen den Kolben und zielte. Doch bevor er den Ranger genau im Visier hatte, fiel ihm ein, daß er mit dem Schuß auch die Dogge ver scheuchen würde. Ergo mußte die erste Kugel den Hund tref fen. Er beobachtete weiterhin sehr sorgfältig die Felsen. Die Dogge war jetzt oben auf dem Gipfel. Der Ranger verhielt ein paar Fuß unterhalb. Mensch und Tier standen sich minutenlang regungslos gegenüber. Mit funkelnden Augen sah Dwinell zu, wie Jenkins erneut zum Lasso griff, die Schlinge kreisen ließ und sie dann auf den Hund zuschleuderte. „Bloody hell! Er hat den Köter!“ Tatsächlich war es Billy gelungen, die Dogge einzufangen. Mit widerwärtigem Grinsen beobachtete Dwinell, wie sich das Tier gegen die Fessel sträubte. Er dachte daran, daß er an des Rangers Stelle nicht soviel Umstände gemacht hätte. Er riß seinen Fuchs herum und ritt schnurstracks dem Aus gang der Schlucht zu. — Als Billy merkte, daß der Hund unter Luftmangel litt, locker te er die Schlinge. Centa blickte ihn aus traurigen Augen vor wurfsvoll an. Er tätschelte ihr den Hals und sprach ihr begüti gend zu. Sie fest gepackt haltend, löste er die Schlinge und knüpfte den Lasso an das Halsband an. Dann strich er das geti gerte Fell ein wenig hoch und betrachtete eingehend das Hals band. Dort, wo das lederne Band sich um die Kehle schlang, befand sich ein winziges Täschchen, dessen Öffnung mit der bem Zwirn zugenäht war. Im gleichen Moment, als Billy nach dem Täschchen faßte, 110
begann die Dogge um sich zu schnappen. Sie wollte sich nicht das Geheimnis ihres toten Herrn entreißen lassen. Den Hund am Lasso mit sich führend, machte er sich an den Abstieg. Er war noch nicht weit gekommen, als er plötzlich stutzte. Gerade noch sah er einen Reiter unten in der Schlucht hinter den Felsen untertauchen. Dwinell! Was mochte der im Schilde führen? … Unten in der Schlucht stieg der Ranger wieder in den Sattel. Langsam, seine Umgebung vorsichtig mit den Augen abtastend, ritt er dem Ausgang der Schlucht zu, genau dorthin, wohin er vor kurzer Zeit auch Earl Dwinell hatte verschwinden sehen. Ein kaum zehn Fuß breiter Paß nahm sie auf. Hell hallte der Hufschlag auf dem Gestein wider. Billys Blicke strichen über die zu beiden Seiten steil aufstrebenden Felswände. Der geeig nete Hinterhalt, dachte er. Der Paß machte nun eine Krümmung. Während sein Pferd weitertrabte, glitt er aus dem Sattel. Ein leichter Schlag auf die Hinterbakken — und der Falbe wußte, daß er seinen Weg allein fortsetzen mußte. Neben ihm lief Centa mit der Leine am Sat telhorn festgebunden. Billy lehnte gespannt gegen die linke Felswand und blickte Pferd und Hund nach, wie sie um die Krümmung bogen. Das Erwartete trat prompt ein: In rascher Folge fielen zwei Schüsse. * „Die Bolger-Ranch soll mit Menschen und Tieren dem Erdbo den gleichgemacht werden. Das befahl mir der Boß wörtlich. Werden also zuerst mit den Menschen anfangen. Wir pirschen uns von der Nordseite heran. Während Andrew und Abell den Hof sichern, erledigen Greger und ich die Männer im Bunk haus. Dann nehmen wir uns das Wohnhaus vor.“ In gestrecktem Galopp preschten die Banditen auf die Bol 111
ger-Ranch zu. Hinter einer Gruppe von Maulbeerbüschen ließen sie ihre Pferde stehen und liefen geduckt auf die Umzäumung zu. Andrew Crosby, der tollste Draufgänger der Bande, über wand sie als erster. Dann folgten James Reap, Greger und zu letzt Abell. „Ihr bleibt hier draußen“, zischte James Reap Abell und Crosby zu. Dann winkte er Greger zu sich heran. „Laß deine Schießeisen stecken! Jeder Lärm würde die im Wohnhaus nur warnen. Wir machen das anders.“ Crosby und Abell kauerten sich hinter den verkohlten Resten der Scheune nieder und Greger und James Reap schlichen zum Bunkhaus hinüber. Sie waren schon fast bis zur Tür gelangt, als sich Gregers Sporen in einem losen Draht verfingen. Beim Ver such, sich davon zu befreien, verursachte er ein Geräusch, das auch von Troy Springer auf der Veranda gehört wurde. Der Cowboy fuhr von seinem Schemel hoch und sah die beiden Schatten vor dem Bunkhaus. „He, wer ist da?“ rief er hinüber. Die Antwort darauf war das zweimalige Aufblitzen des bläu lichen Mündungsfeuers. Eine Kugel surrte an ihm vorbei, die andere traf ihn unterhalb der linken Schulter. Aber Springer war ein harter Bursche. Er machte nicht so leicht schlapp, sondern ließ seinen Colt ebenfalls sprechen. Greger fand keine Gelegenheit mehr, seine Sporen aus dem Draht zu lösen. Dafür schossen die Banditen jetzt wie die Irren und zwangen den Cowboy, hinter der Einfassung der Veranda Deckung zu suchen. Sergeant Hanson kam aus dem Haus und hockte sich neben ihn. „Der erwartete Besuch benimmt sich reichlich un gebührlich, was?“ grinste er. „Yea! Und Hugh Kibbot und die beiden anderen erwachen selbst jetzt nicht aus ihrem Rausch. Glaube nicht, daß wir uns hier lange halten können. Müssen uns ins Haus zurückziehen.“ 112
„Wieviel sind es?“ „Mindestens vier. Befürchte aber, daß es noch mehr sind.“ „Dann wird es am richtigsten sein, uns im Wohnhaus zu ver schanzen. Von dort können wir jede Seite übersehen. Kommen Sie, Troy!“ Mehr kriechend als laufend verschwanden sie im Inneren des Hauses. Die Banditen fluchten nicht schlecht. „Das gerade wollte ich vermeiden“, schäumte James Reap aufgebracht. „Die Burschen sollten erst an die Reihe kommen, wenn wir mit denen im Bunkhaus fertig sind.“ „Verrate mir, wie denen beizukommen ist, und ich will die Sache übernehmen“, grunzte Andrew Crosby. James Reap hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt. „Du wirst hier bleiben und den Kerl kräftig unter Feuer halten. In dessen schleichen Abell und ich uns von hinten an das Wohn haus heran. Die werden die Augen aufreißen, wenn wir ihnen die Stangen in die Rippen stoßen.“ James Reap entfernte sich mit seinem Komplicen Abell nach dem Hinterhof des Hauses zu. Andrew überschüttete derweil die Einfassung der Veranda mit einem wahren Kugelregen. Dick Hanson hatte im Hause das Kommando übernommen. Judy, die bleich und zitternd auf der Treppe gestanden hatte, mußte mit Troy Springer die Türen verbarrikadieren. Der Ser geant sprang unterdessen von einem Fenster zum anderen und hielt Ausschau. „Können Sie schießen, Miß Bolger?“ fragte er sie, als sie an ihm vorbeiging und einen schweren Sessel her anschleppte. „Ich bin ein Girl des Westens, Mr. Hanson“, sagte sie stolz, „und verstehe den Colt genau so sicher zu gebrauchen wie den Kochlöffel.“ „Um so besser. Nehmen Sie am Fenster gleich neben der Tür Aufstellung und beobachten Sie die Hofseite!“ 113
Judy ging in ihr Arbeitszimmer und schnallte den Gurt mit der Waffe um. „Troy, Sie übernehmen die Fenster der Nordseite! Ich bin an der West- und Südseite zu finden.“ Sie begaben sich an ihre Plätze. Dick kniete neben einem Fenster der Westseite und behielt diesen Teil des Hofes genau im Auge. Plötzlich richtete er sich halb auf. Neben dem Pferde stall hatte er einen Schatten bemerkt, der langsam schärfere Konturen annahm. Der Ranger schoß. Ein wütender Aufschrei bestätigte, daß er sich nicht ge täuscht hatte. Seine Kugel mußte jedoch nicht genau genug ge troffen haben, denn im nächsten Moment war der Schatten ver schwunden. Dafür loderten gleich darauf am Bunkhaus Flammen empor. Diese Hunde“, knirschte Dick. Er ließ vom Fenster ab und eilte zu Troy Springer. „Behalten Sie jetzt auch die anderen Sei ten im Auge!“ „Was haben Sie vor?“ fragte der Cowboy. „Sie räuchern Kibbot und die beiden anderen aus!“ „Sie werden kaum durchkommen — und wenn, dann zu spät. Miß Bolger und ich können das Haus allein nicht halten. Ich ma che Ihnen einen Vorschlag: Lassen Sie mich gehen, Mr. Hanson.“ „Riskieren Sie aber nicht zu viel, Troy. Ich werde Ihnen den Rücken decken.“ Springer kletterte aus dem Fenster und sprang schnell hinun ter. Das Bunkhaus stand schon in hellen Flammen. Man ver nahm Rufe aus dem brennenden Gebäude. „Sie sind erwacht“, sagte der Cowboy nickte Dick noch ein mal zu und rannte dann in großen Sprüngen zum Bunkhaus hinüber. Unbehelligt erreichte er die Tür. Der Sergeant sah, wie er sie öffnete und dahinter verschwand. Nach kurzer Zeit kam er mit Kibbot heraus. Der mußte schon viel Rauch eingeatmet haben, denn er keuchte schwer. Dick horchte immer wieder zur 114
anderen Seite des Hauses hinüber, wo Judy Posten bezogen hat te. Wo steckten die Banditen? Die befanden sich hinter dem Pferdestall; ihnen war Troy Springers Ausbruch entgangen. Reap und zwei andere bogen um das Gebäude. Im gleichen Moment erhielten sie Feuer vom Wohnhaus her. „Devil! Das haben die Koyoten raffiniert eingefädelt. Aber das versalze ich ihnen“, versprach Crosby. Er machte kehrt, lief die Rückseite des Pferdestalles hinunter und bog dahinter ein. — Unter des Rangers Feuerschutz hatte Kibbot das rettende Wohnhaus erreicht. Dick zog ihn schnell zum Fenster herein. Der Mann war jetzt stocknüchtern. Er kniete sich sofort neben den Ranger und schoß auf die um die Ecke biegenden Banditen. Unterdessen holte Troy Springer den zweiten aus dem bren nenden Bunkhaus. Der hatte erhebliche Brandwunden da vongetragen und konnte sich ohne fremde Hilfe nicht mehr zum Wohnhaus schleppen. Kurzentschlossen sprang Hanson aus dem Fenster, hastete hinüber und nahm Springer den Verletzten ab. Der Cowboy verschwand jetzt zum drittenmal im Haus, um noch den letzten zu retten. Aber er kam nicht weit. Vor ihm stürzte das Dach funken sprühend ein. Er mußte zurück. Der Weg zu dem hilflosen Ka meraden war ihm versperrt. Schwer nach Luft ringend gewann er den Ausgang. Er verspürte eine grenzenlose Müdigkeit in den Beinen, und die Wunde unterhalb der Schulter brannte wie Feuer. Wenn er nur noch bis zum Wohnhaus kommen würde. Er beschleunigte seine Gangart. Da hörte er hinter sich das Krachen eines Schusses. Etwas Heißes drang ihm von hinten in den Oberkörper. Dann wußte der brave Troy Springer von nichts mehr. Dick und Kibbot sahen, wie der Cowboy sich halb um seine eigene Achse drehte und dann in den Knien zusammenbrach. „Der Schurke sitzt hinter dem Geräteschuppen!“ 115
Der Sergeant hatte Crosby schon Sekunden vorher erspäht. Aber der Bandit war in so guter Deckung, daß es nutzlos war, Kugeln an ihm zu verschwenden. „Wir müssen warten“, sagte der Ranger, der jetzt ganz von dem Ernst der Stunde erfüllt war. „bis die Halunken aus ihren Deckungen hervorkommen und das Wohnhaus stürmen.“ „Ist Miß Bolger auf der Ranch?“ fragte Kibbot. „Sie überwacht die andere Seite. Werde nach ihr sehen müs sen. Geben Sie inzwischen hier Obacht, Kibbot!“ Er erhob sich und ging schnell hinüber in die Halle. * Billy Jenkins lächelte grimmig, als das Echo der Schüsse ver hallt war. Dann lief er rasch etliche Yards zurück und hastete eine Felsschräge empor. Im Paß war es still geblieben. Kein Schuß war mehr gefallen, Er stieg höher und höher. Als er das breite Plateau erreichte, kauerte er sich nieder und spähte umher. Irgendwo hier hinter den vielen Felsblöcken mußte Dwinell sich versteckt halten. Von Felsblock zu Felsblock arbeitete er sich vor. Er war schon nahe oberhalb der Paßkrümmung, als sein Ohr ein feines Klir ren auffing. Das Geräusch mußte von Dwinell herrühren. Er richtete sich ein wenig hoch, um einen besseren Überblick zu haben, und entdeckte den Gegner nur knappe vierzig Yards vor sich, bis zur Brust von einem Felsblock verdeckt. Sein Oberkörper war weit vornüber gebeugt, und der Ranger vermu tete, daß er ihn im Paß suchte. Billy zog den Colt. „Hands up, Earl Dwinell!“ forderte er mit schneidender Stimme. Der fuhr ruckartig herum. Seine Rechte hob die Waffe. Aber der Ranger war einen Atemzug schneller. Krachend entlud sich sein Colt. 116
Durch Earl Dwinell ging ein Ruck. Seine Augen weiteten sich zu einer unnatürlichen Größe. Die Züge seines Gesichts, in das Strähnen seines roten Haares fielen, waren von unaus löschlichem Haß geprägt. Mit dem Unterarm stützte er sich auf den Felsen und erhob sich vollends. Er taumelte stark, mußte achtgeben, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. „Lassen Sie die Waffe fallen, Dwinell!“ Ein höhnisches, irres Auflachen war die Antwort. Dwinells Blicke saugten sich an Jenkins Gesicht fest. Er machte einige unsichere Schritte. „Ich werde dich mitnehmen auf die lange Reise, von der es keine Wiederkehr gibt, Jenkins“, rief er mit brüchiger Stimme. „Werfen Sie ihr Schießeisen weg und ergeben Sie sich!“ „Ich will aber Gesellschaft auf meiner Fahrt zur Hölle haben, Jenkins!“ Billy war es unverständlich, wieso der Mann sich noch auf den Beinen zu halten vermochte. Er mußte über eine ungeheure Energie verfügen. Seinen stieren Black auf den Ranger gerich tet, stolperte er vorwärts. Dabei kam er dem Abgrund bedroh lich nahe. Billy rief ihm eine Warnung zu. Earl Dwinell überhörte sie. Er schwankte noch stärker. Sein Hemd begann sich über der Brust dunkelrot zu färben. Mit über menschlicher Willenskraft hielt er sich aufrecht und hob den Colt. „Go to hell!“ Bevor er jedoch durchdrücken konnte, bellte Billys Colt zum zweitenmal auf. Dwinells Hand entfiel die Waffe. Er vollführte eine Wen dung nach links und stürzte über die Felsen den Abgrund hinun ter in den Paß. Der Ranger steckte den noch rauchenden Colt ein und verließ das Plateau. Der Anblick, der sich ihm gleich darauf bot, war erschüt 117
ternd. Die Dogge Centa, von einer Kugel Dwinells getroffen, war tot. Daneben lag der Leichnam Earl Dwinells. Billy nahm den Hut ab und verharrte so eine geraume Weile. Dann beugte er sich über die tote Dogge und schnitt mit einem Messer die Naht des Halsbandtäschchens auf. Er tat es behut sam, um den Inhalt nicht zu beschädigen. Dann griff er hinein und holte einen mehrfach gefalteten Pergamentbogen heraus. Während er ihn ausbreitete, wußte er, daß er mit diesem das Geheimnis Zachary Rhoades’ und die Lösung aller deswegen begangenen Verbrechen in Händen hielt. Nur kurz überflog er die Skizze. Dann legte er sie wieder zusammen und verstaute sie in seiner Brusttasche. Nachdem er die tote Dogge mit Stei nen bedeckt und Dwinells Pferd jenseits des Passes gefunden hatte, trat er den Rückritt zur Bolger-Ranch an. * Das Bunkhaus war völlig niedergebrannt. Die Banditen hatten sich im Pferdestall verschanzt und feuerten unablässig auf das Wohnhaus. Drinnen war Kibbot durch einen Steckschuß ausgefallen. Ju dy hatte ihm einen Notverband angelegt und gesellte sich jetzt wieder zu Dick Hanson. „Wie lange werden wir uns noch halten können?“ fragte sie ihn. „So lange, bis denen dort drüben die Lust an dem Job ver gangen ist.“ Judy spähte mit angespannten Zügen zum Fenster hinaus. Plötzlich zuckte sie zusammen. Ihre Hand mit dem Revolver fuhr hoch. „Bravo!“ lobte Dick, als er sah, wie neben dem Stall der Bandit Abell sich überkugelte. „Wieder einer weniger.“ Judy schauerte fröstelnd zusammen. „Oh, es ist schrecklich“, stöhnte sie. 118
„Denken Sie immer daran, daß diese Verbrecher viel brutaler mit uns verfahren würden, wenn wir in ihrer Gewalt wären, Miß Bolger. Sie verteidigen Ihre Ranch und Ihr Leben! Folglich handeln Sie in Notwehr.“ „Wenn auch, ein Menschenleben ist ein Menschenleben!“ „Stimmt! Aber diese Burschen haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie tragen nicht einen Funken Mensch lichkeit in sich.“ Die Banditen hatten ihr Schießen eingestellt. „Bin gespannt, was sie jetzt wieder ausgeheckt haben“, knurrte der Sergeant und ließ den Pferdestall nicht einen Atem zug lang aus dem Auge. „Ob sie es aufgegeben haben?“ flüsterte Judy. In ihren Wor ten schwang eine vage Hoffnung mit. Dick Hanson lachte hart auf. „So schnell nicht! Die werden sich gleich wieder melden.“ Minuten verrannen. Bis auf das Knistern der Flammen blieb es still. Beide lauschten mit angehaltenem Atem. „Verdammt!“ fuhr Dick herum, als er von der Südseite des Hauses das Klirren einer Fensterscheibe vernahm. „Sie sind drauf und dran, sich hier im Hause einzunisten.“ „Nun kann uns nur noch Hilfe von außen retten“, resignierte die junge Rancherin. „Wer sich selber hilft, dem hilft Gott“, sprach der Ranger ernst. „Halten Sie sich eng an meiner Seite, Miß Bolger!“ * Eine innere Unruhe hatte Billy Jenkins befallen. Er hatte bereits etliche Meilen zwischen sich und den Stillwater Mountains zu rückgelegt, als er am Horizont einen Feuerschein entdeckte. In dieser Richtung lag nur die Bolger-Ranch. Billy beugte sich tief über den Hals seines treuen Pferdes, um 119
das Gewicht gleichmäßig zu verteilen. Vor der Umzäumung des Hofes zügelte er und saß ab. Er vernahm Schüsse. Damn, das war im Hause! Sich, soweit es möglich war, im Schatten haltend, lief er schnell auf das Wohnhaus zu. Das Schießen dauerte mit unver minderter Heftigkeit an. Von der Veranda aus warf er vorsichtig einen Blick in die Halle. Im Schein der Mündungsfeuer erkann te er seinen Freund Dick und Judy hinter dem Eichentisch. Rasch zog er sich wieder zurück, umrundete das Haus und stieg durch dasselbe Fenster ein, durch das auch die Banditen einge drungen waren. Mit gezogenen Colts durchmaß er das Zimmer. „Hell and devil, Andrew! Die beiden halten dahinter noch lange aus. Schätze, daß wir ihnen anders beikommen müssen“, hörte er Reap sagen. „Ist nicht mehr notwendig, Gents. Spart euch diese überflüs sigen Anstrengungen“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ih nen. „Hebt flink eure Pfoten!“ „Hurra! Billy!“ schrie vom anderen Ende der Halle Dick Hanson erfreut auf. James Reap und Andrew Crosby drehten sich um und blick ten in die Mündungen von zwei Colts. Der Ranger stand nur zwei Schritte hinter ihnen. Die Banditen ließen ihre Waffen fallen, aber dann stürzten sie sich wie auf ein geheimes Kom mando auf den Ranger. Der hätte schießen können, aber er wollte die Banditen lebend haben. Deshalb schob er die Colts rasch in die Holfter und ließ dafür seine Fäuste sprechen. Als erster bekam sie Crosby zu kosten. Mit James Reap hatte Billy leichtes Spiel. Sekunden darauf schlossen sich Handschellen auch um seine Armgelenke. Dick machte sein Gegner dagegen mehr zu schaffen. Mit ge senktem Schädel rannte Crosby gegen ihn an. Aber der hatte sich schon geduckt und riß ihn an den Beinen zu Boden. 120
„Die Armbänder bitte, Billy!“ — Der Sergeant sperrte die Banditen in ein fensterloses Gelaß, und Judy und Billy sahen nach den beiden verwundeten Cow boys. Um Hugh Kibbot stand es bedenklich, aber der junge Cowboy mit den Brandwunden war außer Gefahr. Eine Stunde danach trafen Eshelman und Larson auf der Ranch ein. Bruce war außer sich, als er Judy von dem Überfall berichten hörte, „Diese Schurken!“ tobte er. „Aber Gott sei Dank, wir haben die Herde wieder und unsere Toten finden ihre Sühne. Ihnen, Mr. Jenkins und Mr. Hanson, ist es zu verdanken, daß die Ranch zum größten Teil erhalten blieb, daß meine Braut diesen Überfall unbeschadet überstand und wir das ganze Pack ver nichtet oder gefangen haben.“ „Letzteres ist ein Irrtum, Mr. Eshelman“, erwiderte Billy Jenkins. „Wohl sind Dwinell und zwei der Chikagoer Gangster tot und die anderen beiden in unserer Gewalt, aber das Haupt der Bande befindet sich noch auf freiem Fuß. Und diesen Drahtzie her werden wir, mein Freund und ich, uns jetzt holen!“ — Im Osten graute es bereits, als die Rancher in Dixie Valley einritten. Bis zu Neil Fauskins Haus begegnete ihnen kein Mensch. Das Town lag noch in tiefstem Schlaf. Dick schaute zu den oberen Fenstern hinauf. „Sie haben eben das Licht ausgemacht. Wette, daß sie schon von unserem Kommen unterrichtet sind.“ Billy klopfte gegen die Haustür. Als sich nichts rührte, hieb er stärker dagegen und preßte sein Ohr lauschend gegen die Füllung. Er hörte leise Stimmen und das Knarren einer Stiege. Dann war wieder Stille. Plötzlich drehte sich Dick um und rannte um die Hausecke. Zur gleichen Zeit vernahm Billy Hufschlag. „Sie fliehen über den Hof!“ rief der Sergeant zurück und schwang sich auf seinen Gaul. Billy folgte ihm. 121
Die Fliehenden — zwei Reiter, die der offenen Prärie zu strebten — hatten nur einen kleinen Vorsprung. Die Ranger schossen dicht über ihre Köpfe hinweg, aber die Verfolgten dachten nicht daran, zu stoppen. Ungestüm hieben sie auf ihre Pferde ein. Dennoch holten Billy und Dick langsam auf. Der Abstand betrug nur noch zwanzig Yards, als plötzlich ein Pferd der Verfolgten strauchelte und seinen Reiter in hohem Bogen aus dem Sattel warf. Lionel Paulsons Pferd war in das Loch eines Kaninchenbaus getreten. Während Hanson sein Pferd zum Stehen brachte, um sich des Gestürzten anzunehmen, jagte Billy weiter hinter Neil Fauskin her. Der Sergeant lief hinüber zu dem regungslos daliegenden Vormann. Er fühlte ihm den Puls, konnte aber keinen Schlag mehr feststellen. Lionel Paulson hatte sich das Genick gebro chen. „Es ist besser so für ihn“, sagte zwanzig Minuten später Billy Jenkins, als er mit dem gefesselten Neil Fauskin zurückkehrte. Dieser Gauner hockte mit aschfahlem Antlitz und fest auf einandergepreßten Lippen auf seinem Apfelschimmel. Nicht der geringste Laut kam über seine Lippen, und sein Gesicht of fenbarte nicht die leiseste Regung, als er auf seinen toten Onkel blickte. * Am Nachmittag machten Bruce Eshelman und Judy Bolger mit den beiden Rangern einen Rundgang durch die Ranch, um die Schäden, die der Überfall angerichtet hatte, festzustellen. „Nächtelang hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, warum man es gerade auf die Bolger-Ranch abgesehen hatte. Alle anderen Ranches blieben unbehelligt. Und ich muß geste hen, daß ich auch heute der Lösung nicht viel näher gekommen bin. Aber Sie werden sie uns jetzt wohl nicht mehr länger vor 122
enthalten wollen, nachdem der Fall seinen Abschluß gefunden hat, Mr. Jenkins?“ Der Ranger nickte. „Schuld an allem trägt indirekt Zachary Rhoades, der auf einem seiner Streifzüge durch die Umgebung unweit des Zederngehölzes im Dreieck eine Kupferader ent deckt hatte.“ „Deshalb wollte Dwinell das Dreieck auch unbedingt in sei nen Besitz bringen“, rief Judy, in deren Antlitz die Schrecken der letzten Nacht sichtbare Spuren hinterlassen hatten. „Schon“, bejahte Billy, „aber Dwinell war nicht der eigentli che Urheber der Verbrechen. Der Fall begann damit, daß Lionel Paulson Zachary Rhoades überraschte, wie er eine Skizze des Dreiecks anfertigte und die Kupferader einzeichnete. Auf seine Frage, zu welchem Zweck der Trapper die Skizze entwerfe, erhielt er keine Antwort. Einige Tage darauf traf Lionel Paulson mit seinem Neffen Neil Paulson zusammen, der sich zwei Wo chen zuvor dem Zugriff der Chikagoer Polizei entzogen hatte und mit ansehnlicher Beute nach Dixie Valley geflohen war. Der Alte hatte für seinen mißratenen Neffen eigentlich nicht viel übrig. Weil Neil aber sein einziger Verwandter war und ihm versprach, in Dixie Valley ein anständiges Leben zu begin nen, half er ihm, im Town Fuß zu fassen. Neil Paulson hatte den Namen Fauskin angenommen und fühlte sich in dieser Rol le sicher. Der alte Paulson erzählte nun seinem Neffen beiläufig von Zachary Rhoades. Neil Paulson witterte sogleich ,ein Geschäft’! Der alte Trap per begann ihn zu ,interessieren’. Auf einem seiner vielen Aus ritte begegnete er diesem Sonderling und versuchte, ihm das Geheimnis um die Skizze zu entlocken. Rhoades aber machte nur vage Andeutungen. Doch der Berufsverbrecher ging kalt blütig vor. Er bedrohte den Alten und erpreßte aus ihm das Ge ständnis, daß er Kupfer gefunden hatte. Wo, verriet er aller dings nicht. Paulson verlangte nun den Plan, aber Rhoades be 123
saß ihn nicht. Selbst eine Durchsuchung förderte nichts zu Ta ge. Neil setzte sich jetzt mit Earl Dwinell in Verbindung. Durch Zufall war er dahintergekommen, daß dieser in den Geschäfts büchern der Genossenschaft Falschbuchungen vorgenommen hatte. Er nutzte dieses Wissen aus und setzte Dwinell, der eben falls kein unbeschriebenes Blatt mehr war, unter Druck. Paulson beobachtete den alten Rhoades weiterhin und brachte da durch in Erfahrung, daß dieser die Skizze seinem Hund an vertraut hatte. Zachary Rhoades mußte sterben — und mit ihm die Dogge. Das stand für Neil Paulson fest. Er beauftragte Dwinell mit dem Mord. Dieser wieder schickte Lester Parr vor.“ Billy Jenkins machte eine Pause. „Well, das Weitere erlebten Sie ja zum Teil mit. Paulson ali as Fauskin gründete die Bank, mit deren Geldern er nach Aus beutung des Kupfervorkommens sang- und klanglos ver schwinden wollte. Später engagierte er die vier Chikagoer Gangster, alte Bekannte von ihm, mit deren Hilfe er sich in den Besitz des Dreiecks setzen wollte. Als ihm das zu lange dauerte, setzte er alles auf eine Karte. Das Ergebnis ist uns allen ja noch im Gedächtnis.“ Sie passierten den Platz, wo noch vor vierundzwanzig Stun den das Bunkhaus gestanden hatte. Jetzt war es nur noch ein Haufen verkohlter Balken und staubiger Asche. Hinter dem Gemüsegarten befand sich ein Hügel. Hier ruhte Ray Eshel man. Bruce starrte lange schweigend auf das Grab. „Er hatte frü her mit den Mordbuben aus Chikago gemeinsame Sache ge macht, nicht wahr, Mister Jenkins?“ Billy schüttelte leicht den Kopf. „Ihr Bruder war wohl leicht sinnig, aber kein ausgesprochener Verbrecher. Gewiß, er geriet auch in Chikago mit den Gesetzen in Konflikt, aber es waren keine Verbrechen, nur Übertretungen. Die Verbrechen, deren 124
ihn der Polizeichef von Chikago bezichtigt, beging er nicht. James Reap und Genossen hatten es geschickt verstanden, den Verdacht und alle Schuld auf Ihren Bruder zu lenken.“ Bruce Eshelman atmete ein paarmal tief auf. „Das nimmt ei ne Last von mir, Mr. Jenkins.“ Der Ranger nickte ihm freundlich zu. „Ihr Bruder wollte auf eigene Faust mit den Gangstern abrechnen. Das war ein Fehler, den er teuer bezahlen mußte. Zudem ist es gesetzeswidrig. Die Zeiten sind vorbei, da hier im Westen das Faustrecht herrschte. Wir haben jetzt Gesetze und verfügen über eine Polizei, die ei ne der modernsten der Welt ist.“ Inzwischen waren sie wieder zum Wohnhaus zurückgekehrt und nahmen auf der Veranda an einem gedeckten Tisch Platz. Judy begab sich ins Haus, um den Kaffee zu holen. Als sie zu rückkam, sagte sie zu Billy: „Sie haben sich nicht weiter über meinen ehemaligen Vormann ausgelassen. In welchem Maße trifft ihn eine Schuld an den Verbrechen?“ „Seine Schuld steht nicht eindeutig fest. Erwiesen ist nur, daß er vieles gewußt, aber verschwiegen hatte. Durch eine un bedachte Äußerung seines Neffen war er halbwegs hinter das Geheimnis der Dogge Centa gekommen und jagte sie nun sel ber. Er war undurchsichtig, eben das, was eigentlich sein Neffe gern sein wollte.“ Judy goß den Kaffee ein. Sergeant Hanson probierte ihn mit Kennermiene. „Hm“, machte er, „ob die Rothäute am Pyramid Lake uns auch solch ein edles Gebräu vorsetzen werden, Billy?“ „Wie?“ fragte Bruce. „Sie wollen noch zum Pyramid Lake? Aber doch nicht so bald, Mr. Jenkins? Wir rechnen fest mit Ih rer Anwesenheit bis zu unserer Hochzeit.“ „Dann müssen wir Sie leider enttäuschen“, entgegnete Billy mit feinem Lächeln. „In Dixie Valley und auf der Bolger-Ranch herrscht wieder Friede. Damit ist unsere Aufgabe erfüllt. Wir 125
müssen nun weiter. In unserem Beruf gibt es keine Pausen. Die Verbrecher kennen auch keine. Der morgige Tag sieht uns wie der im Sattel.“
Uta-Verlag Bad Godesberg
(Mitglied des Remagener Kreises e.V.)
Druck: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden)
Auslieferung: Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden)
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