REN DHARK Heft Nr.: 66
Das Nor-ex greift an Kugelraumer wehren sich verzweifelt gegen das alles verschlingende Nor-ex
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REN DHARK Heft Nr.: 66
Das Nor-ex greift an Kugelraumer wehren sich verzweifelt gegen das alles verschlingende Nor-ex
KURT BRAND
Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist übervölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer »Galaxis« mit 50.000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie »Hope« nennen, gründen hier die Stadt »Cattan« und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird »Deluge« genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen »Point Of« erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den
»Giants«, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, »Cal« genannt, festzunehmen. Sie wird wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die »Cyborg«-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der »Cyborg«Forschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Die Gefahr für Terra, die von den nicht umgeschalteten Menschen – den Robonen – ausging, ist vorerst beseitigt. In der Galaxis finden gewaltige Raumschlachten gegen einen Feind statt, der unzerstörbar zu sein scheint: das Nor-ex. Unbekannte Rassen tauchen auf, um bei Ren Dhark um die einzige Waffe zu bitten, die gegen die alles vernichtenden Norex hilft.
Personenverzeichnis: Ren Dhark Commander der Planeten – fliegt mit der POINT OF in ein Nor-ex hinein Dan Riker steht Ren Dhark wieder zur Beeinflussung abgeklungen ist
Seite,
nachdem
die
Manu Tschobe widersetzt sich einem strikten Befehl des Commanders, um hinter das Geheimnis der Giants zu kommen Jos Aachten van Haag hilft Tschobe bei seinem Vorhaben Sancho Torstradt Oberleutnant, Kommandant des Kugelraumers PRYMNO Janos Szardak Kommandant des Kugelraumers URBIN Ralf Larsen Kommandant des Kugelraumers WEGA F. Huxley Kommandant des Kugelraumers CATTAN Arc Doorn genialer 1. Ingenieur auf der POINT OF
Marshall Bulton stellvertretender Chef der TF
»Was ist das Nor-ex?« Diese Frage stand im Raum. Klein war die Gruppe der Wissenschaftler, die sich damit beschäftigte. Ungewöhnlich dürftig waren die Unterlagen über das Nor-ex. Die besten Suprasensoren versagten. Sie verlangten nach weiteren Angaben, um zu einem Resultat der Wahrscheinlichkeit zu kommen. Niemand konnte sie ihnen geben. Ratlosigkeit im Kreis der Experten. Was half es, daß Ren Dhark auf einen Vorschlag wartete, der auch in die Praxis umzusetzen war. »Zeigen Sie mir einen Weg auf, über den man das Nor-ex vernichten oder aus unserem Raum-Zeit-Kontinuum vertreiben kann, aber dann für immer!« So hatte er die Forderung formuliert. Gleich mußten die Wissenschaftler ihm berichten, daß sie keine Lösung gefunden hatten. * Drei Schiffe jagten durch den Raum; drei Kreuzer. Die CATTAN unter Colonel Ralf Larsen mit Kurs auf den Planeten Esmaladan. An Bord die Utaren Ga Gasogu, Ya Yaki und Mu Mudo. Der Kreuzer URBIN unter dem Kommando von Colonel Janos Szardak, Kurs Planet Oorch, 3.219 Lichtjahre vom SolSystem entfernt. Er brachte die gesamte Mannschaft des ratekischen 250-Meter-Schiffes zu ihrer Heimatwelt zurück. Ihr Doppelwulstraumer lag auf dem Raumhafen von Cent Field und war erst nach wochenlanger Reparaturarbeit wieder einsatzklar zu machen. Der dritte Kreuzer, die WEGA, raste unter F. Huxley zur neuen Heimatwelt der Nogks. Ein Laderaum war bis zum
Platzen mit Tofirit-Kristallen und sofort einsatzbereiten ToFunkgeräten gefüllt. Aber selbst Huxley glaubte an keinen Erfolg mehr. Nach wie vor gaben die Nogks auf alle Anrufe keine Antwort. Ebenso schwiegen sich die Giants aus, 11.067 Lichtjahre von Terra entfernt. Nicht mal einer ihrer Sender war in den letzten achtundvierzig Stunden nach dem Ruf ihres Cal gehört worden. An Bord der Schiffe herrschte in einem Teil hektische Tätigkeit. Techniker und Ingenieure bauten in Serienarbeit die Kristalle in die To-Funkgeräte ein und machten sie so zu einer Waffe gegen die Nor-ex. Aber es war auch eine Waffe, die nach hinten losging. Tatsachen bewiesen es. * Dan Riker, einer der Männer, der am stärksten durch Robonen beeinflußt worden war, hatte den letzten Test bestanden und war wieder tätig. Er konnte den Robonen nicht vergessen, daß sie versucht hatten, ihn für ihre Pläne zu mißbrauchen. Und er war es, der seinem Freund Ren in den Ohren lag, ein für allemal diese latente Gefahr zu beseitigen. Wütend wanderte er in Dharks Arbeitszimmer im Regierungsgebäude in Alamo Gordo hin und her. »Du hast dieses Gesetz, das die Evakuierung der Robonen legal macht, in deinem Schreibtisch liegen, Ren. Unterschreib es, und ich verspreche dir, daß wir in acht Tagen keinen einzigen Robonen mehr auf der Erde haben!« Der große, breitschultrige Commander der Planeten sah seinen Freund nachdenklich an und schüttelte den Kopf. »Wir haben im Augenblick andere Sorgen, Dan. Die Nor-ex bedrohen die Milchstraße...«
»... und uns fallen diese verdammten Robonen bei passender Gelegenheit mal wieder in den Rücken!« zischte Riker voller Wut. Auf dem Kinn des schwarzhaarigen Mannes, der die Figur eines Langstreckenläufers hatte, zeichnete sich ein roter Fleck ab; bei ihm das unverkennbare Zeichen, daß er innerlich stark erregt war. »Wir haben Vorsorge getroffen, Dan«, versuchte Dhark seinen Freund zu beruhigen. »In zahlreichen Lehrgängen werden die Angehörigen der GSO gerade auf diesen Fall hin geschult...« »... und eines Tages mal wieder kurz beeinflußt!« Ren Dhark wurde ärgerlich. Er liebte es nicht, zu einer Entscheidung gezwungen zu werden, die gegen seine Überzeugung war. Schärfer als beabsichtigt erklärte er, während er sich dabei erhob: »Dan, es steht einwandfrei fest, daß diese Geräte, mit denen die Robonen uns beeinflussen konnten, ihren Ursprung auf Hidplace haben.« Der andere überhörte den Ärger in Dharks Stimme. Lässig winkte er ab. »Weiß ich. Weiß ich. Ich weiß auch, daß wir kein einziges von diesen verfluchten Dingern in die Hände bekommen haben. Einfach nicht zu glauben! Ich sage dir...« Er sagte es nie. Dharks Vipho meldete sich mit höchster Dringlichkeitsstufe. Durchruf von der POINT OF! Über die Echo-Kontrolle hatte man 0,3 Lichtjahre vor dem Sol-System ein Nor-ex geortet! »Mahlzeit!« stieß Dan Riker aus und hatte die Robonen vergessen. »Komm!« sagte Ren Dhark und riß ihn hinter sich her. Riker staunte, daß sein Freund nicht den Weg zum AGravlift einschlug. »Wohin denn? Hier geht's doch nicht zum Raumhafen, Ren?« Keine Antwort.
Der Lift lag in entgegengesetzter Richtung, und sie entfernten sich immer weiter davon. Vor einer Tür, die wie alle anderen auf diesem Gang aussah, blieb der Commander stehen. Kurz war sein Zögern, dann öffnete sie sich automatisch, und der erstaunte Dan Riker sah, daß mitten im Raum ein kleiner Transmitter stand. »Schnellverbindung zur POINT OF!« Manchmal war Ren Dhark geizig, wenn es galt, etwas zu erklären. Mit der Zeit hatte wohl das wortkarge Benehmen Arc Doorns auf ihn abgefärbt. Sie bemerkten nichts von den Kontrollen, die sie durchliefen. Dhark schaltete den Transmitter auf Betrieb. Grün kam. Ein Zeichen, daß die Gegenstation auf seinem Flaggschiff auch arbeitete. Dann eine kaum angedeutete Kopfbewegung zu seinem Freund, und der Commander trat durch die graue Ringantenne und verschwand. Riker folgte ihm ohne Zögern. Auf dem Hauptdeck, in einer Kabine, die vorher von einem der Offiziere bewohnt worden war, kamen sie auf dem Ringraumer an. Beide jagten über den leicht geschwungenen Gang der Kommandozentrale zu. Unterwegs hörten sie schon, wie Aggregate und Transformer im Schiff hochgeschaltet wurden. Es fehlten nur noch ein paar Kontrollen, um mit der POINT OF starten zu können. Starten, schoß es Dan Riker jetzt durch den Kopf. Er holte seinen Freund ein. »Ren, was hast du vor?« Der wandte kurz seinen Kopf. »Nicht viel«, sagte er, und in seinen Augen brannte ein grelles Feuer. »Wirklich nur eine Kleinigkeit. Ich will versuchen, in das Nor-ex hineinzufliegen!« Da platzte sein Freund heraus: »Ren, bist du verrückt?« »Möglich«, erwiderte der andere gelassen, »aber einer muß mit dem Verrückten ja mal anfangen, sonst erfahren wir nie, was ein Nor-ex wirklich ist!«
Zum zweitenmal »Mahlzeit!«
in
derselben
Stunde
sagte
Riker:
* Vor drei Tagen hatte der Ausstoß der To-Funkkanonen das Maximum erreicht. Die Modelle liefen unter der harmlosen Bezeichnung 43/b von den Bändern. Henner Trawisheims Entscheidung, die Produktion um 8.500 Prozent zu steigern, hatte sich bis jetzt als richtig erwiesen. Aber ob er damit nicht doch einen großen Fehler begangen hatte, mußte die Zukunft zeigen. Nor-ex-Alarm im Sol-System! Alarm auf allen Schiffen der TF, Ast-Stationen und Forts auf sämtlichen Planeten und Monden. Mehr als 16.000 To-Funkkanonen waren feuerbereit! 16.000 kleine Suprasensoren erhielten fortlaufend aus der POINT OF von deren Echo-Kontrolle genaue Positionsangaben, wo sich das Nor-ex zur Sekunde befand. Diese Rechengehirne benötigten nur einen Sekundenbruchteil, um die Koordinaten zu erstellen, die für die Feuerstellung der To-Funkkanonen Gültigkeit hatten. Marschall Bulton im Stab der TF fluchte, weil er vom Flottenchef Riker keine Order erhalten hatte. Dann lief beim Stab eine Nachricht vom Flaggschiff ein, die Bulton blaß werden ließ. Versuchen ins Nor-ex einzufliegen. Commander Dhark. Ren Dhark hatte die Absicht, in das Nor-ex zu fliegen! Mit anderen Worten ausgedrückt: Er wollte transistieren und im Nor-ex rematerialisieren! War das nicht der Plan eines Wahnsinnigen, eines Selbstmörders? Manu Tschobe, Hyperfunkspezialist und Arzt, hatte den Start des Flaggschiffes verpaßt. Er erfuhr erst davon, als die
POINT OF sich schon außerhalb des terranischen Luftmantels befand und mit Höchstleistung beschleunigte. Er nahm die Nachricht gelassen hin. »Da kann man nichts machen.« Maitskill, der noch drei Tage Urlaub hatte, sah ihn grinsend an. »Mein Lieber«, sagte er jovial, »ich glaube, der Start der POINT OF paßt Ihnen sogar ausgezeichnet in den Kram.« Tschobe verzog seine wulstigen Lippen zu kurzem Lachen. »Muß man denn gleich alles sagen, was man denkt, Maitskill?« »Okay, aber wie wollen Sie bei Bulton ein Schiff loseisen? Der wird uns nicht einmal eine Sternschnuppe zur Verfügung stellen.« In der Ecke des gemütlich eingerichteten Zimmers saß Jos Aachten van Haag, ein Bein über das andere. Er meldete sich: »Lassen Sie mich das machen, meine Herren!« Die beiden Ärzte sahen ihn ungläubig an. Sie wußten, daß Jos als einer der besten Männer der GSO weitreichende Beziehungen hatte, aber daß er in der Lage sein sollte, eine Sternschnuppe für ein Unternehmen freizubekommen, das der Commander nicht genehmigt hatte – und das gerade jetzt, da Nor-ex-Alarm im System bestand –, war ziemlich unglaubwürdig. Jos verstand ihre Blicke. »Schließlich bin ich bei der GSO, und wir haben die Mittel, das Unmögliche möglich zu machen.« Ruckartig erhob sich Maitskill. »Danke, dann passe ich! Das mache ich nicht mit!« Jos lachte nachsichtig. »Man muß auch mal den Mut haben, eigene Pläne durchzuführen!« »Richtig!« bestätigte Manu Tschobe. »Dhark hat nie gewollt, daß wir uns die Giants näher ansahen. Kein Mensch weiß, wer sie sind und was sie sind.« Maitskill rang verzweifelt die Hände: »Spielen Sie damit schon wieder auf Ihre Roboter-Theorie an?«
Tschobe blieb ruhig. Wie meistens, so war er auch jetzt nicht in der Lage, seinen Gesprächspartner anzusehen. Er konnte dem anderen einfach nicht in die Augen sehen. »Ich spiele auf gar nichts an. Aber wenn Sie glauben, unser Plan sei zu gefährlich, möchte ich Sie nicht zwingen, Maitskill. Wir fliegen dann eben ohne Sie.« Jos erhob sich. »Wenn uns das Nor-ex in den nächsten Stunden keinen Strich durch die Rechnung macht, fliegen wir noch vor Anbruch des Abends ab. Ich bin nämlich selbst neugierig, was hinter diesen All-Hütern steckt, die uns reizenderweise die VERDAMMTEN nennen...« »Wenn überhaupt noch einer existiert!« warf Maitskill ein, der plötzlich starke Bedenken gegen Manu Tschobes Plan hatte, Arim, die Heimatwelt der Giants, zu besuchen. »Das werden wir an Ort und Stelle sehen!« Tschobe pochte bei jedem Wort mit der geballten Hand auf den Tisch. »Maitskill, ich möchte in einer Stunde wissen, ob Sie mitfliegen oder nicht!« Der sah unsicher von einem zum anderen. »Okay, ich mache mit.« * Die Lage in diesem Sektor der Milchstraße war nach wie vor katastrophal. Auf allen Hyperfunk-Frequenzen lauschte die große Station in Cent Field in den Raum. Sämtliche Ortungsanlagen, besonders die beiden der großen RadarStationen auf dem Eisplaneten Pluto waren auf maximale Leistung geschaltet und tasteten den Spiralarm ab, der in den Halo der Milchstraße auslief. Dort spielten sich an immer wechselnden Schauplätzen die wildesten Kämpfe ab. Stets war der Ausgang der gleiche: Plötzlich konnten keine gesteuerten Energieemissionen mehr
festgestellt werden, als ob jemand mit einem Riesenschwert dazwischengeschlagen hätte, um allem ein Ende zu bereiten. Auf den Radar-Stationen war es zum geflügelten Wort geworden: Schon wieder hat's einen erwischt! Darum waren die Männer auf diesen großen Anlagen, die noch aus der Zeit vor der Invasion der Giants stammten, aber inzwischen auf den modernsten Stand gebracht worden waren, fassungslos, als sie vom Stab der TF die Nachricht erhielten, daß der Commander in das Nor-ex hineinfliegen wollte. Captain Wan Chi, ein kleiner, drahtiger Mongole, hatte Dienst in der Distanz-Ortung. Noch nie hatte er eine derartige Erregung in sich verspürt wie bei dieser Schicht. Mit der Ortung verfolgte er den Flug des Ringraumers, der quer durch das Sonnen-System Kurs auf den fernen Punkt hielt, wo sich ein Nor-ex befinden sollte. Kontinuierlich war die Beschleunigung. Auf die Sekunde genau konnte man ausrechnen, wann die POINT OF die Grenze der Lichtgeschwindigkeit überschreiten würde. Langsam richtete sich Wan Chi auf, beugte den Kopf vor und brachte sein Gesicht dicht an den Oszillo. Die DistanzOrtung zeigte plötzlich drei verschiedene Werte an, deren Unterschiede sich ebenfalls kontinuierlich vergrößerten. Aber nach wie vor sah er auf seinem von innen beleuchteten Schirm nur jenen winzigen, leicht flirrenden Punkt, der die POINT OF darstellte. Wan Chi rief seinen Kollegen von der Energie-Ortung an. »Können Sie mir sagen, was bei der POINT OF geschehen ist? Ich habe mit einemmal drei verschiedene Werte.« »Kann ich«, kam die Antwort. »Der Ringraumer hat zwei Flash ausfliegen lassen. Jeder zieht auf eigenem Kurs über Grün und Rot ab. Nichts von Bedeutung. Scheint eins der üblichen Manöver zu sein.«
Aber wie sehr sich dieser Captain an der Energie-Ortung irrte! * Die Echo-Kontrolle in der POINT OF lief ununterbrochen, und über TO-Funk wurde Cent Field die Position des Nor-ex fortlaufend mitgeteilt. Ren Dhark saß lässig im Pilotsitz. Neben ihm, wie schon so oft, Flottenchef Dan Riker, sein bester Freund. Bis auf ein paar Mann, auf die der Commander verzichten konnte, war die Besatzung vollständig. Kurz vor dem Start hatte er die Männer von seinem Plan unterrichtet und wie üblich auch die Frage gestellt, wer von Bord gehen wolle, weil ihm dieser Einsatz zu gefährlich sei. Niemand hatte sich gemeldet. Der Commander hatte nichts anderes erwartet, Da meldete sieh Walt Brugg aus der Funk-Z über die Bordverständigung. »Dhark, es wäre uns lieb, wenn Sie mal herüberkommen würden, um sich etwas anzusehen.« »Ich komme!« Knapp nickte er Dan zu. Der übernahm den Ringraumer. Mit schnellem Schritt verließ Ren Dhark dir Kommando-Zentrale und suchte die Funk-Z auf. Glenn Morris und Walt Brugg beugten sich über die Instrumente der Echo-Kontrolle. Sie sahen flüchtig auf, als der Commander sich zu ihnen stellte. Brugg deutete auf eine Nebenamplitude, »Dieser Blip ist erst einige Minuten alt. Wir hatten ihn zuerst nicht beachtet. So was kommt hin und wieder schon mal vor, verschwindet dann aber immer nach kurzer Zeit. Dieser Blip aber nicht. Der ist sogar in der letzten Minute bedeutend kräftiger geworden.» Dhark fragt:. »Einwandfrei vom Nor-ex?.«
»Ja«, erwiderte Glenn Morris. »Wir haben ein halbes dutzendmal kontrolliert. Der Teufel soll's holen!« Dhark überlegte kurz, trat vor die Bord-Verständigung und fragte Dan Riker. Der spurte sofort, stellte die Bildkugel um, betrachtete die Außenfläche des Ringraumers und teilte dann mit, daß auf der Unitallhülle noch kein Eloxbelag zu sehen sei. Dhark nickte, trat wieder zu den beiden Funk-Spezialisten und meinte: »Also im Moment kein Angriff auf unser Schiff. Gut, daß Sie mich gerufen haben. Halten Sie diesen Blip im Auge, und sofort Nachricht an mich, wenn sich etwas ändern sollte.« Als er die Funk-Z Richtung Leitstand verließ, konnte auch er sich keinen Vers auf diese Erscheinung machen. Eine Idee schoß ihm durch den Kopf. Und die setzte er in die Wirklichkeit um, kaum daß er wieder im Pilotsitz Platz genommen hatte. Er rief das Flash-Depot an. Pjetr Wonzeff und Rul Warren wurden eingesetzt. Sie sollten mit der 004 und 005 über Grün und Rot die POINT OF verlassen und so lange unverändert den Kurs beibehalten, bis sie andere Befehle erhielten. Der Commander legte ihnen ans Herz, ununterbrochen über die Echo-Kontrolle das Nor-ex zu beobachten und sofort auf Cent Field zu schalten, wenn die POINT OF in Transition gegangen sei. »... Unsere To-Funkstellungen müssen unterrichtet bleiben, wo sich das Ding aufhält. Alles klar?« Zweimal kam ein Okay. Dhark und Riker sahen sich leicht schmunzelnd an. Auf diese beiden Flash-Piloten war in jeder Lage Verlaß. Der Auftrag lag bei Ihnen in besten Händen. Dann sah Riker überrascht auf, als der Commander die Leistung des Sle abfallen ließ. Die POINT OF wurde langsamer. »Ich dachte, du wolltest transistieren, Ren?« »Ja, aber erst in dem Augenblick, wenn das Nor-ex angreift.«
Sein Freund verzog das Gesicht. »Das schmeckt mir nicht. Untersucht man eine Atombombe in dem Augenblick, in dem sie explodiert?« »Ist das Nor-ex eine Atombombe?« Dharks Gegenfrage. »Auf jeden Fall kein Schoßhündchen, das sich streicheln läßt!« Ren Dhark nahm seinem Freund diese Bemerkung nicht übel. Er kannte ihn lange und gut. Und berechtigt war dieser Hinweis auch, aber konnte man ein Etwas, dem man den Namen das Nor-existence – das Nicht-Vorhandensein – gegeben hatte, mit normalern Maßstab messen? Nach wie vor war die Position der Gefahr unverändert. Ein Drittel Lichtjahr vor dem Sonnen-System. Inzwischen schon über zwei Stunden. So etwas war noch nie beobachtet worden – oder man hatte es einfach übersehen. Die Funk-Z schwieg sich aus. Ren Dhark unterdrückte seinen Wunsch, nachzufragen. Wie befohlen, gaben sich die beiden Flash 004 und 005 regelmäßig ihre Positionen durch. Marschall Bulton im Stab der TF belästigte sie nicht mit Anfragen oder Bitten um Auskünfte. Immer näher kam die POINT OF der Plutobahn. Nur die Raum-Radar-Station II auf Pluto hatte sich vor wenigen Minuten mit der Nachricht gemeldet: Haben Schiff genau in allen Ortungen! Pluto stand günstig, fast genau zwischen Erde und dem Norex. Wenn das Ungeheuer angriff, befand sich der Eisplanet trotz seiner starken To-Funkbewaffnung in größter Gefahr. In der Zentrale breitete sich die Stille immer weiter aus. Mit ihr aber stieg auch die nervenzerreißende Spannung. Dieser Flug in den Raum war etwas anderes, als Kurs auf einen feindlichen Pulk zu nehmen. Hier flog man auf etwas zu, das niemand kannte. Dan Riker knurrte vor sich hin. Dhark hatte kein Wort verstanden. Aber der andere hatte den Blick bemerkt.
»Ich mußte an die Synties denken. Ob's die inzwischen auch erwischt hat?« Dan Riker hatte nicht den besten Eindruck von den Tropfenwesen, die ihn einmal mit der POINT OF gezwungen hatten, einen havarierten Pyramidenraumer gegen seinen Willen nach Esmaladan zu schleppen, dort auf einem Hafen abzusetzen und postwendend das System der Utaren wieder zu verlassen. »Hoffentlich nicht. Wenn ich ehrlich sein will, dann warte ich darauf, daß sie sich mit uns in Verbindung setzen. Vielleicht wissen sie mehr über das Nor-ex als wir.« Diese grauweißen, zwei Meter langen und einen halben Meter dicken Tropfen stellten eine Lebensform dar, die wahrscheinlich einmalig im Universum war. Sie lebten im Vakuum wie in jeder Atmosphäre, konnten sich überlichtschnell bewegen und »ernährten« sich mit Energie. Viel mehr wußte man über sie nicht. Dan Riker bewies, daß er ganz anders über sie dachte als sein Freund. »Haben sie sich schon einmal blicken lassen, wenn wir sie herbeiwünschten?« Dhark schmunzelte, während sein Blick wieder einmal die Kontrollen seines Instrumentenpultes überflog. »Sie trauen uns Menschen eben mehr zu als wir uns selbst. Vielleicht sind sie sogar überzeugt, daß wir spielend leicht mit den Nor-ex fertig werden...« Tino Grappa, mit den Ortungen verheiratet und einmalig hinter diesen Geräten, rief dem Commander zu: »StrukturOrtung! Eines unserer Schiffe hat in einem Sprung das SonnenSystem verlassen!« Dhark glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Seitdem für Terra Nor-ex-Alarm bestand, herrschte Transitionsverbot.
Er kam so schnell nicht zu weiterem Nachdenken. Grappa hatte mit der Struktur-Ortung manipuliert. »Eintauchpunkt ins normale Universum in der Nähe des Planeten Arim! Sprungweite 11.065 Lichtjahre! Transition Richtung Halo genau auf dem Kurs, auf dem Arim liegt!« Neben Ren Dhark sagte ein Mann im Kopilotsitz, ohne zu überlegen: »Manu Tschobe!« Und Ren Dhark, der so selten fluchte, stieß über seine Lippen: »Dieser verdammte sture Kerl! Aber wie kommt er an ein Raumschiff?« »Das müßte uns der liebe Bulton sagen können«, machte Riker seine sarkastische Bemerkung. »Dann ruf ihn an!« schnarrte Dhark, der in seiner Unterlippe herumkaute und Mühe hatte, seinen Ärger nicht zu zeigen. * Colonel Janos Szardak war keineswegs glücklich über den Auftrag, die Rateken nach ihrer Heimatwelt zu fliegen. 423 Rateken hatte er an Bord; vierhundert Riesen, an deren Anblick man sich erst einmal gewöhnen mußte; 423 Humanoide, deren Sprache niemand verstand und mit denen man sich nur über einen Translator unterhalten konnte. Und gerade das wollte Janos Szardak nicht mehr. Er hatte genug von der arroganten Art dieses Rateka, der sich auch noch den Titel eines Singu zugelegt hatte. Singu – der über-alles-Stehende! Und in den Augen des Singu waren die Terraner etwas intelligente Halbaffen, die zufällig auf zwei Welten das Tofirit entdeckt hatten und damit Ton-Funkkanonen bauen konnten. Ren Dhark hatte seinen Ärger mit ihm gehabt. Die Verhandlungen in Alamo Gordo waren nicht einfach gewesen. Immer wieder hatte Rateka mit seinen Fados gedroht, den ratekischen Flottenverbänden, die 1.008 Schiffe umfaßten. Der
Commander hatte sich nicht einschüchtern lassen und war bei seiner Forderung geblieben: Entweder die Rateken erkannten die Terraner als Partner an und erhielten die gewünschte Waffenhilfe, oder sie waren der Feind Terras, und damit den Nor-ex ausgeliefert. Nach stundenlangem Verhandeln hatte der Singu endlich nachgegeben. Mittels des Translators war ein Freundschaftsvertrag fixiert und von beiden Seiten unterschrieben worden. Eine Kopie davon führte Szardak auf seiner URBIN mit. Vor wenigen Minuten erst hatte der Colonel erklärt, für den Singu keine Zeit zu haben, was den Tatsachen entsprach, denn sie flogen das System an, in dem sich als vierter von elf Planeten Oorch befand, die Heimatwelt der Rateken. Funkkontakt bestand seit gut einer halben Stunde. Der ratekische Translator leistete dabei unschätzbare Dienste. Die Bildübertragung war nach den ersten Schwierigkeiten einwandfrei, nur die Farben hätten besser, wirklichkeitsechter sein können. Freundlich waren sie nicht begrüßt worden. Ohne Kommentar hatte man auf Oorch die Meldung hingenommen, den Singu und seine Besatzung an Bord zu haben. Die Geschwindigkeit der URBIN betrug 0,78 Licht. Alle AsOnen-Triebwerke arbeiteten mit höchster Leistung, ebenfalls sämtliche Ortungen des Kreuzers. In der astronomischen und astrophysikalischen Abteilung kamen die Experten nicht mehr zum Verschnaufen. Kaum 3.219 Lichtjahre vom Sol-System entfernt, war dieser Sektor in der Galaxis noch nie von einem terranischen Schiff angeflogen worden. Die Astrophysiker katalogisierten: B-Sonne, kontinuierliches Spektrum mit dunklen Heliumlinien, daneben dunkle Wasserstofflinien und schwache Kalziumlinien. Elf Planeten, davon die äußeren drei
jupiterähnlich. Oorch, der vierte, erdgroß, Sauerstoffwelt mit einer mittleren Temperatur von 16,8 Grad Celsius. Ausgeprägte Polkappen. Gravitation 1,2. Rotation 20.44 Stunden; Umlaufzeit 837 Tage. Oberfläche zu vier Fünftel mit Wasser bedeckt. Zwei große Kontinente, die durch eine schmale, dreihundertacht Kilometer lange Landbrücke verbunden waren. Der Kommandant der URBIN hatte diese Mitteilungen nur mit halbem Ohr aufgenommen. Wichtiger war ihm die unverschämte Landeanweisung der Rateken! Oder sollte der Translator falsch übersetzt haben? Er warf dem Ding, das wie eine überdimensionierte Truhe aussah und aus dem beschädigten Doppelwulstraumer stammte, einen mißtrauischen Blick zu. »Zurückrufen und angeben, wir hätten den letzten Funkspruch nicht verstanden!« ordnete Szardak kurzentschlossen an. Kurz darauf lag die zweite Anordnung vor: Schiff auf Peilstrahl 12 fliegen! Jede Kursabweichung wird gewaltsam von uns berichtigt. Im Auftrag des Singu. Janos Szardak erinnerte sich der Mahnungen des Commanders, unter allen Umständen gut mit den Rateken auszukommen. Jetzt schon, bevor er mit der URBIN gelandet war, wußte er, welch eine fast unlösbare Aufgabe vor ihm stand. Die URBIN flog auf dem Peilstrahl ins System ein. Die BSonne war ein glänzend weißer Stern, der an Rigel im Orion erinnerte. Da tauchten die ersten Doppelwulstraumer auf, flogen die URBIN so dicht an, daß Szardak schon eine PrallschirmBerührung fürchtete, als sie zum Teil ausscherten und seinen Kreuzer regelrecht von allen Seiten einschlossen. »Das also haben diese Rateken mit gewaltsamer Berichtigung gemeint!« sagte er voller Grimm, und er strafte damit jeder Behauptung Lügen, er habe ein Pokergesicht.
Der Kommandant der URBIN kochte. Die Stimmung unter seinen Offizieren war nicht besser. Bissig meinte Leutnant Rablais: »Wenn wir die drei Utaren so behandelt hätten, ich würde mich dann schämen, ein Terraner zu sein!« Wütend fauchte ihn Janos Szardak an: »Verdammt noch mal, halten Sie Ihren Mund! Wollen Sie mir auch noch einheizen?« »So hatte ich es doch nicht gemeint«, verteidigte sich Rablais. »Und ich habe Sie nicht in dieser Form anschnauzen wollen!« entschuldigte sich der Colonel halb und halb. Da flog das Schott der Zentrale auf. Rateka stürmte herein, gefolgt von zwei Terranischen Offizieren, die mit seinem Tempo nicht Schritt halten konnten. »Rong da daara da swil ka schff!« schrie Rateka und der Facettenring seiner Augen glühte. Der Translator übersetzte: »Ich verlange mit dem Daara zu sprechen!« Drohend baute er sich neben Janos Szardak auf, der seinen Pilotsitz nicht verlassen hatte. »Abgelehnt, Rateka! Wir haben alle Hände voll zu tun, um auf dem Peilstrahl zu bleiben. Im anderen Fall hat man uns angedroht, unsere Fehler gewaltsam zu berichtigen. Sehen Sie mal den Schirm an. Hübsch, wie man uns empfängt, nicht wahr?« Rateka brauchte den Kopf, der einer umgestülpten überdimensionierten Birne glich, nur halb zu drehen. Mit seinem Kranz aus Facettenaugen hatte er einen Blickwinkel von über 200 Grad. Aber dieser Singu interessierte sich nicht einmal dafür. Wahrscheinlich hatte er gar nichts anderes erwartet. »Szardak, ich verlange mit dem Daara zu sprechen!« Der drei Meter große Riese, gut einundeinhalb Meter breit, streckte drohend seine Hände nach dem Hals des Colonels aus.
»Überlegen Sie sich, was Sie tun, Rateka«, warnte ihn Szardak, der sich auf seine Offiziere in der Zentrale absolut verlassen konnte. Der Singu überhörte es. »Du wirst sofort eine Frequenz freigeben!« Er benutzte erneut das in solchen Fällen unangenehm klingende Du. Von diesem Augenblick an gab ihm Szardak keine Antwort mehr. Er behandelte den Singu, als sei er Luft. Durchfliegen Bahn des fünften Planeten, kam die Durchsage aus der astronomischen Abteilung. Oorch war als winziger Punkt auf einem der Bildschirme zu sehen. Nach wie vor lag die Geschwindigkeit der URBIN bei 0,78 Licht. Es war höchste Zeit, den Kreuzer von seiner hohen Fahrt herunterzubringen. Szardak schaltete die As-Onentriebwerke auf negative Beschleunigung. Ihre acht Bewacher machten das Manöver des Schiffes gleichzeitig mit. Alle Achtung, dachte Janos Szardak, die Rateken können Raumer fliegen. Daß jedes der acht Doppelwulstschiffe einen Durchmesser von 350 Metern hatte, störte ihn nicht. Ebensowenig machte es auf ihn und seine Mannschaft Eindruck, daß aus allen warzenartigen Erhebungen auf der Hülle Strahlantennen ausgefahren und auf die URBIN justiert waren. Dann wurde Oorch auf dem Bildschirm größer und größer. Das Schiff bremste noch stärker ab. Die liebenswürdigen Begleitraumer ebenfalls. Infrarot-Ortung durchstieß die Wolkendecken, die über Oorch lagen. Ein langgestreckter, durch tiefe Buchten zerrissener Kontinent wurde sichtbar, und auch jene schmale Landbrücke, die über die Wölbung des Planeten hinausführte. Szardak wußte, daß seine Spezialisten im Schiff alles aufnahmen, speicherten, aber er wußte nicht, ob sie jemals wieder diese Welt verlassen durften.
Rateka war neben ihm stehengeblieben und beobachtete alles, was in der Zentrale vor sich ging. Seinem Gesicht war nicht abzulesen, was er dachte. Er machte auch keinen Versuch mehr, seine Forderung durchzudrücken. Die URBIN tauchte in die dichteren Luftschichten ein. Dann war die Bildwiedergabe über Infrarot nicht mehr erforderlich. In sechstausend Meter Höhe trieben die untersten Wolkenbänke vorbei. Zielgerade flog der terranische Kreuzer einen Raumhafen an, der mitten auf einer verhältnismäßig niedrigen, aber in seiner Ausdehnung riesigen kahlen Hochfläche lag. Kein einziges Schiff war zu sehen! Weich setzte die URBIN auf. Die Schiffe ihrer Begleitung landeten um den Kreuzer herum. Janos Szardak schaltete die AGrav aus. Im Schiff wurde es still, nur noch die weit entfernt liegenden Aggregate liefen, die Heizung, Luftumwälzung, Klimaanlagen und anderes intakt halten mußten. Der Colonel gab das Kommando über sein Schiff an seinen Kopiloten ab. Der hatte die letzten Kontrollen durchzuführen. Plötzlich wimmelte es in der Zentrale von Rateken. Sie fuhren den Translator hinaus. Sie befanden sich am Schott, als über die Bordverständigung die Alarmnachricht kam »Colonel, Rateken plündern unser Lager an To-Funkgeräten und verlangen jetzt auch noch die Herausgabe der TofiritKristalle!« Innerlich wurde Szardak zu einem Eiszapfen. Die Grenze war erreicht! Wenn er jetzt den Rateken nachgab, hatte er sein Gesicht als Terraner verloren. Er beeilte sich nicht einmal, an die Bordverständigung zu kommen. Auf dem Schirm sah er das junge Gesicht eines Sergeanten, dessen Augen voller Wut und Zorn sprühten. Lässig, fast etwas zu lässig, sagte Colonel Janos Szardak, Kommandant des Kreuzers URBIN: »Mein Lieber, ich habe
Ihnen unsere Ladung anvertraut. Handeln Sie, wie Sie handeln müssen, aber überschreiten Sie die letzte Grenze nur im äußersten Notfall. Ich verantworte Ihr Handeln!« Ruhig schaltete er ab. Er konnte sich gut vorstellen, was jetzt im Lager passierte. Aber seine Phantasie reichte nicht aus! * »Verdammt, ist das ein Kerl!« brüllte Sergeant Brommely, wirbelte auf der Stelle herum und riß gleichzeitig seine beiden Schocker hoch. »Drauf, Boy!« schrie er aus Leibeskräften. 'raus mit diesen Riesen-Banditen!« Er riß zwei seiner Kameraden zur Seite. Blieb vor einem Rateken stehen, mußte zu ihm hinaufsehen und brüllte ihn auf Terranisch an: »Verschwinde mit deinen Brüdern, oder ihr lernt uns von der unangenehmen Seite kennen!« Sie, die Rateken, verstanden kein Wort, aber seine drohend gehaltenen Schocker übersetzten. Brommely hatte die Rateken leider unterschätzt. Er flog wie ein Nichts durch die Luft, von zwei Pranken gepackt und fortgeschleudert. Den Wutschrei seiner Kameraden hörte er, und blitzartig schoß ihm durch den Kopf: Du mußt glatt aufkommen! Er fiel auf seine Füße, federte wie ein gelernter Stabhochspringer, fing sich ab, riß sich herum, und drückte den Kontakt an beiden Strahlwaffen! Er hatte noch nie in seinem Leben mit dieser Begeisterung geschossen. Er war noch nie in seinem Leben so voller eiskalter Wut gewesen wie jetzt, die aber nichts mit mordlüsternen Gedanken zu tun hatte.
Er wollte nur die Materialien, die ihm vom Kommandanten anvertraut waren, gegen plündernde Riesen verteidigen. Und während er sie wie von einer Sense gemäht fallen sah, suchten seine hellen Augen nach den nächsten. Sie waren nicht zu dritt oder viert gekommen: Gleich zu zwanzig hatten sie den Eingang zum Depot aufgebrochen und waren ins Lager gestürmt. Drei seiner Kameraden lagen wimmernd am Boden, zur Seite geschleudert, wie man nicht einmal Tiere behandelt. Er hörte seinen besten Freund stöhnen und sagen: „Jean, zeig es ihnen. Sie haben kein Herz!« Er auch nicht, obwohl er keinem Tier etwas zuleide tun konnte. Aber hier ging es nicht nur um To-Funkanlagen und Tofirit-Kristalle, hier ging es darum, sich gegenüber den Riesen zu behaupten. Sie mußten einmal am eigenen Leib erfahren, daß Terraner keine Halbaffen waren! Ein Riese erwischte ihn mit einem fürchterlichen Hieb an der Schulter. Jean Brommely flog herum, krachte gegen eine Stellage und sah viel mehr Sterne, als es über Oorch zu sehen gab. Aber er wurde nicht besinnungslos. Er ging auch nicht in die Knie. Er bekam eine Strebe zu packen, hielt sich daran fest, drückte ab, und der volle Schockerstrahl seiner Waffe riß einem rabiaten Rateken die Beine unter dem Leib fort. Diese Fremden waren unbewaffnet. Sie hatten auf Cent Field ihre Waffen abgeben müssen, als sie ihr demoliertes Schiff verließen. Es war vereinbart worden, sie ihnen nach der Landung auf ihrer Heimatwelt sofort wieder auszuhändigen. Mit Schrecken erkannte Jean Brommely, daß er nur noch allein das wertvolle Depot verteidigte. Eingekeilt in einer Ecke, konnte er den Eingang nicht mehr beobachten. Durch eine Stellage sah er nur die dicken Beine der Rateken vorbeihuschen.
Darauf schoß er. Die Wirkung seines paralysierenden Strahls war verheerend, aber er allein konnte auf die Dauer die Stellung nicht halten. Die Riesen mußten erkannt haben, daß er nur Schockwaffen benutzte und keine Blaster, deren Strahlbahnen tödlich waren. Darum gingen die Angreifer auch jedes Risiko ein. Er hörte die Fremden in ihrer unbekannten Sprache schreien und rufen, er hörte ihren schweren und doch so schnellen Schritt. Plötzlich versagte sein Schocker in der Linken. Leergeschossen. Die Kapazitätsanzeige stand auf Null. Er benutzte die Waffe als Wurfgeschoß, verfehlte den heranjagenden Rateken, der sich durch eine blitzschnelle Drehung aus der Wurfbahn gebracht hatte, und dann sah Brommely nur noch eine sechsfingrige Pranke heranfliegen, die ihn am Kopf traf und besinnungslos schlug. Als er unter Stöhnen die Augen wieder öffnete, blickte er in das Gesicht seines Freundes, der ihn besorgt ansah. Im Depot herrschte wieder die Stille, wie man sie gewohnt war. „Was... was... was ist... ist passiert?« stotterte er und fühlte, wie kraftlos er war. Sein Freund machte eine beruhigende Geste. »Nicht sprechen, Jean. Du hast eine saubere Gehirnerschütterung abbekommen. Aber diese Rateken erhielten auch die verdiente Abreibung. Kadett Pinglan mit seiner Crew hat uns Luft verschafft. Die Lehre werden die Fremden so schnell nicht vergessen.« „Und das Schiff...?« »Ist gelandet, Jean. Nur zeigt sich kein einziger Rateke. Wir warten schon über zwei Stunden auf eine Abordnung.« *
Auch Colonel Szardak wartete, nur zeigte er seine größer werdende Ungeduld und Unruhe nicht. »Noch zehn Minuten«, sagte er, während er sich zu seinen Offizieren in der Zentrale umdrehte. „Wenn sich bis dahin niemand zeigt, starten wir und gehen über Oorch in den Parkorbit.« „Und die Doppelwulstraumer, Kommandant?« wagte Rablais zu fragen. »Wir haben diesen Singu an Bord. Sie werden nicht wagen, uns abzuschießen. Zum Teufel, welch einen Job hat mir Dhark da angedreht!« Niemand konnte dem Colonel einen Rat geben, wie er sich verhalten sollte. Die zehn Minuten verstrichen. Szardak reckte sich im Pilotsitz, gab die letzten Anordnungen zur Triebwerks-Zentrale und schaltete den AGrav ein. Die Instrumente rührten sich nicht! Colonel Szardak ging auf halbe Leistung. Im Schiff begannen die Kraftanlagen zu brüllen und zu toben; die Transformer heulten, die Speicherbänke zischten. Rückfrage aus der Triebwerks-Zentrale: „Kommandant, was ist los?« „Wenn ich das wüßte!« brüllte der Colonel über die Bordverständigung. A-Grav auf volle Leistung! Die Zelle der URBIN zitterte, aber das viele Millionen Tonnen schwere Schiff hob nicht ab. Versagte die Anti-Schwerkraft? Janos Szardak war schon in den Zeiten vor der Invasion der Giants als Draufgänger bekannt gewesen und mit den höchsten Orden der Weltregierung dekoriert worden – nur trug er sie nie. Jetzt bewies er, was in ihm steckte. Kurz beugte er sich zur Bordverständigung vor, schaltete auf Rundspruch, und jeder im Schiff erfuhr, was er vorhatte:
»Start mit Vollast laufenden As-Onentriebwerken!« Sie sprangen an, brüllten auf, aber die URBIN rührte sich nicht! Ein Schrei aus der Triebwerks-Zentrale: „Colonel, unser Ringwulst reißt ab!« Warnkontrollen flackerten auf Szardaks Steuerpult. Sie verrieten ihm, daß der Chief nicht übertrieben hatte. Das Gesicht des Colonels war verzerrt, als er den Hauptschalter auf Null riß. Die wichtigsten Funktionen im Schiff lagen wieder still. Man konnte wieder sein eigenes Wort verstehen. Szardak legte seine Hände in den Schoß. »Sie haben uns!« sagte er wütend. »Die URBIN liegt in einem Traktorfeld oder wie man diese Sache nennt. Wir kommen nicht hoch!« Er warf einen Blick auf die Bildschirme. Rund um seinen Kreuzer standen die Doppelwulstraumer der Rateken auf ihren Teleskopbeinen und hatten ihre Antennen auf das terranische Schiff justiert. Er sah daran vorbei über den riesigen Hafen hinweg. Nirgendwo konnte er Bewegung entdecken, nirgendwo ein herankommendes Fahrzeug sehen. »Die wollen uns im eigenen Saft schmoren lassen. Okay, dann versuchen wir das letzte Mittel!« Sein Pokergesicht verriet nichts. Die Lippen dicht vor der Verständigung, flüsterte er hinein. Eine Gegenstelle meldete sich. »Ich komme zu Ihnen«, sagte Szardak jetzt laut, erhob sich und rief seinem Kopiloten zu: »Übernehmen Sie das Schiff!« Er verschwand aus der Zentrale, hastete über das Deck, benutzte den A-Gravlift und betrat eine Kabine. Der Mann, der ihn erwartet hatte, wollte exakt grüßen. »Lassen Sie das. Hören Sie zu...« Und Janos Szardak entwickelte seinen gefährlichen Plan. *
Jos Aachten van Haag war einer der wichtigsten Männer in der GSO, deren Chef Bernd Eylers war, der Mann mit dem Alltagsgesicht, der sich oft so linkisch benahm. Eylers sah kaum auf, als Jos sein Arbeitszimmer betrat. Der GSO-Chef hatte sich eine wichtige Aufgabe gestellt und arbeitete einen Aktionsplan aus, um alle Robonen auf der Erde in einem einzigen Zugriff isolieren zu können. Er wußte, daß der Commander trotz aller schlechten Erfahrungen immer noch mit der Hoffnung liebäugelte, diese Robonen eines Tages wieder zu normalen Menschen machen zu können. Nur teilte Eylers dessen Ansicht nicht. »Und?« fragte er Jos kurz angebunden. »Nur eine Unterschrift, Eylers.« Das war der gefährlichste Punkt seines Plans. Wenn Eylers jetzt durchlas, was er durch seine Unterschrift abzeichnen sollte, dann würde so schnell keine Sternschnuppe nach Arim, dem Planeten der Giants, fliegen. Den Lux-Schreiber hielt er in der Hand, drückte den Kontakt und schrieb unverfälschbar unter den Text seinen vollen Namen. »Geben Sie schon her«, knurrte er. »Okay«, nuschelte Jos, nahm die Folie wieder an sich und ging. Bernd Eylers war mit seinem Aktionsplan beschäftigt. Er hörte nicht einmal, wie die Tür geschlossen wurde. Die Transmitterverbindung zum Stab der TF war frei. Wenige Minuten später besuchte Jos den Einsatzleiter der Terranischen Flotte. Beide kannten sich gut. Der GSO-Mann heuchelte Interesse für die Lage im System. Der andere gab ihm bereitwillig Auskunft. »Wir wissen nicht, warum der Commander plötzlich die Fahrt seines Schiffes heruntergenommen hat...« Jos saß auf den berühmten heißen Kohlen. Hier ging sein Plan wohl nicht auf. Der Einsatzleiter der TF hatte keine
einzige Folie zu unterschreiben. Sein Schreibtisch war blank geputzt. Warten, Jos, sagte sich der Agent, nur nicht die Geduld verlieren; hoffentlich fällt ihm nicht auf, welches Sitzfleisch ich plötzlich habe. Mehrere Viphoanrufe kamen dazwischen. Dann zischte es leicht. Jos fühlte sich regelrecht erlöst, als er sah, wie aus der Öffnung in der Schreibtischplatte ein Stoß Folie vor dem anderen aufgebaut wurde. Darauf hatte er gewartet. Alles andere war leicht. Er lenkte den Einsatzleiter kurz ab. Der Colonel bemerkte nicht, daß Jos eine Folie zwischen den Stapel schob, aber so raffiniert, daß sie ziemlich oben zu liegen kam. »Jos, Sie entschuldigen, wenn ich dabei unterschreibe?« Es klang dem Agenten wie Musik in den Ohren. Und der Einsatzleiter unterschrieb seine Folie, ohne den Text mit einem Blick zu überfliegen. Wieder ein Ablenkungsmanöver, und die Folie steckte in Jos' Tasche, der es auf einmal eilig hatte zu gehen. Sein nächster Besuch galt der Raumhafen-Kontrolle. Der Chef machte große Augen, als er die Vollmacht sah. »Von mir aus, Jos. Sie können im Augenblick jeden Starttermin haben. Auf Cent Field liegt zur Zeit jeder Kahn still.« »Okay, ich rufe Sie noch an, wenn der Flug durchgeführt werden soll. Bis dann.« Manu Tschobe drückte die Zigarette aus, als Jos wieder bei ihm eintrat. »Alles okay. Wenn wir jetzt schnell die Sache durchführen, können wir in einer halben Stunde starten. Ich habe mir gedacht, daß wir die PRYMNO nehmen. Ich kenne den Kommandanten. Ein guter Freund von mir. Der stellt keine Fragen. Der ist beruhigt, wenn wir ihm die Vollmacht
überreichen. Aber was ist das, womit Sie schon die ganze Zeit spielen, Tschobe?« Jos Aachten van Haag hatte das Gerät noch nie gesehen. Der Afrikaner verzog seine Wulstlippen und sah schon wieder an dem anderen vorbei. „Das ist der Teil des OrganDetektors.« »Nie was von gehört.« »Erklärlich. Ihn gibt's nur einmal. Auf der POINT OF. Ich habe das Gerät hinausgeschmuggelt. Mysterious-Technik. Kein Mensch kann sich erklären, wie es funktioniert. Okay, ich bin in zwei Minuten fertig.« »Und die anderen?« »Stehen auf Abruf bereit. Rufen Sie sie eben mal an, daß es soweit ist.« Genau 37 Minuten später erhielt die PRYMNO, eine Sternschnuppe von fünfzig Meter Durchmesser, Startfreigabe. Für Manu Tschobe und seine Kollegen begann das Abenteuer: Arim, den Planeten der Giants, anzulaufen. * Ren Dhark hatte nur genickt, als sein Freund ihm mitgeteilt hatte, daß Manu Tschobe mit einem ausgewählten Kreis von Kollegen und dem GSO-Mann Jos Aachten van Haag Terra Kurs Arim verlassen habe. Er kannte den Ehrgeiz des Afrikaners, die Geheimnisse der Giants zu enträtseln, aber er konnte nicht verstehen, daß sich Tschobe einfach über seine Anordnungen hinwegsetzte. »Du sagst nichts, Ren?« drängte Riker, der eine andere Reaktion erwartet hatte. »Dieser van Aachten hat es sich zum zweitenmal erlaubt, gegen ausdrücklichen Befehl zu handeln. Und nur dieser Kerl kann hinter der Startfreigabe der PRYMNO stecken. Er allein hat das Zeug...«
»Schon gut, Dan«, sagte der Commander. »Rufe die Hyperfunk-Station in Cent Field an. Man soll ganz besonders aufmerksam die Frequenz der PRYMNO beobachten. Das wär's. Das Nor-ex ist im Moment wichtiger als alles andere.« Er wußte, daß ihn auch seine Offiziere nicht verstanden, aber wußten sie, was in ihm vorging? Er wollte es wagen, im Nor-ex zu rematerialisieren. Er wollte in das Unheimliche hineinfliegen, das Städte, Flotten und Menschen verschlungen hatte. Sein Entschluß konnte die Besatzung und sein Schiff vernichten. Es war gefährlicher, nach einem Sprung in das Norex herauszukommen, als im Schutz der Intervallfelder durch eine Sonne zu fliegen. Er sah die Instrumente und sah deren Anzeigen doch nicht. Er hörte, was seine Offiziere hinter seinem Rücken zueinander sagten und nahm dennoch kein einziges Wort auf. Etwas hatte es ihn beruhigt, daß der Checkmaster die Sprungkoordinaten ausgerechnet hatte. Aber hatte derselbe Checkmaster beim Auftauchen des ersten Nor-ex nicht erklärt, diese unbekannte Gefahr nicht zu kennen? Unwillkürlich wanderten Dharks Gedanken zu den Mysterious, den Erbauern dieses Raumschiffes, das vielleicht einmalig in der Galaxis war. Und zugleich erinnerte er sich des Berichts von Major Neep, was dieser über die Mysterious auf dem Planeten Esmaladan von den Utaren erfahren hatte. Er fühlte sich innerlich von vielen Wenn und Aber hin und her gerissen und mußte doch zu einem Entschluß kommen. Den Impuls brachte Glenn Morris aus der Funk-Z. »Dhark, der Blip über der Haupt-Amplitude beginnt schwächer zu werden!« Wieder eine neue Frage! Wieder tausend Wenn und Aber! War die Abschwächung dieses Blips das erste Zeichen, daß das Nor-ex zum Angriff auf das Sol-System vorging?
»Wir springen!« Dharks Stimme klang sicher und laut. Ein Steuerschalter, war durch Fingerdruck in eine andere Lage gebracht worden. Der Sle – der Brennkreis im Leerraum der POINT OF, durch einen Ring von fußballgroßen, halbkugeligen Flächen-Projektoren erzeugt, die sich auf der inneren Außenseite der Unitallhaut befanden – war auf Vollast geschaltet worden. Der Ringraumer beschleunigte mit maximaler Leistung. Die wichtigsten Stellen im Schiff wurden informiert. Die X-Zeit für den Sprung lief, gesteuert vom Checkmaster. Die Distanz zum Nor-ex hatte sich nicht verändert. In der POINT OF setzte wieder das Pfeifen ein, das in allen Räumen gleich gut und laut zu hören war. Dann wurden die beiden Intervalle automatisch abgeschaltet. Die Bildkugel über dem Instrumentenpult wurde dunkel. Es schien den Weltraum mit seiner Schwärze, mit seinen Abgründen und aber Milliarden Galaxien nicht mehr zu geben. X minus Null! Der Sprung – die Transition! Ohne Schock. Ohne jede spürbare Wirkung! Die Bildkugel flammte wieder auf, aber die Intervalle kamen nicht! »Chemaster zeigt Rot! überall!« Ein Schrei vom Rechengehirn. Ein Blick auf die Bildkugel. Sie war leer. Sie war schwarz! Sie zeigte nichts! Unheimlich das unablässige Flackern der roten Kontrollen am langgestreckten Instrumentenpult. Sle hatte ausgesetzt! Die POINT OF trieb im freien Fall dahin! Wo? Im Nor-ex? Ren Dhark glaubte eine Eiskompresse um sein Herz liegen zu haben, die das Arbeiten dieses Organs abstoppen wollte.
Er saß zusammengeduckt im Pilotsitz, den Mund dicht vor den Sprechrillen. „Congollon, wie sieht es bei Ihnen aus?« Seine Frage an den 1. Ingenieur der POINT OF. »Alles normal, nur mit dem Unterschied, daß hier nichts mehr reagiert. Die Aggregate scheinen zu arbeiten, nur zeigen sämtliche Instrumente Null an.« Der Eurasier schien darüber nicht einmal aufgeregt zu sein. »Was sagt Doorn?« »Wie üblich kein Wort, Dhark. Dem hat's die Sprache verschlagen.« Hastiger Zuruf des Commanders an Grappa: »Wie sieht's bei Ihnen aus?« »Alles auf Null!« Frage an die Funk-Z: »Und wie steht's bei euch?« »Alles auf Null!« Das hieß auch, daß sie keine Verbindung mehr mit Terra hatten! Unheimlich die Stille in der Kommando-Zentrale. War es ein Trost, daß sie alle noch lebten? Es war eine Wohltat wieder die Stimme des Commanders zu hören, der seinem Freund den Befehl gab: »Schalte auf Sternensog!« Der Ringraumer sollte auf überlichtschnelle Geschwindigkeit gebracht werden. Sternensog kam nicht! Der Checkmaster versagte. Er wurde mit dieser Situation auch nicht fertig. »Waffensteuerungen! Versuchen Sie drei Sekunden lang mit allen To-Funkkanonen zu schießen!« Ren Dhark wartete auf die Antwort. Er kannte sie im voraus. Und als sie einlief, bestätigte sie seine Vermutung. Die To-Funkkanonen arbeiteten nicht!
Und die Bildkugel war und blieb schwarz. Sie zeigte nicht eine einzige Sonne. Sie zeigte nur ein Schwarz, das selbst dem Commander unheimlich wurde. Einige Offiziere schlossen die Klarsichthelme ihrer Raumanzüge, aber als sie sahen, daß die anderen ihrem Beispiel nicht folgten, öffneten sie sie wieder und legten sie gefaltet hinter ihren Rücken. Wenn es schon nicht möglich war, die beiden schützenden Intervalle zu erstellen, dann bot ein M-Raumanzug kaum noch Schutz. »Dan, Paß auf!« Dharks Stimme klang leicht gepreßt. Er hatte viele kleine Schweißperlen auf der Stirn stehen. Sein Gesicht war etwas eingefallen. Dadurch wirkte die leichtgebogene Nase größer als sonst und sein ausgeprägtes Kinn auch. Er verließ den Pilotsitz und ging zu den Ortungen, hinter denen Grappa saß, die Hände im Schoß. Der Blick, den er dem Commander zuwarf, sprach Bände. »Machen Sie Platz!« Dhark fühlte die Blicke seiner Offiziere auf sich ruhen. Er sah die beiden Leutnants an der Brüstung der Galerie stehen und zu ihm herunter sehen. Auch das kostete ihn Kräfte; auch das belastete ihn. Aber noch furchtbarer traf ihn die Erkenntnis, daß sogar der RaumController ausgefallen war. Alles auf Null! »Mein Gott«, kam es ungewollt über seine Lippen. Dann in ein paar Sprüngen zurück zum Pilotsitz. Anruf an Miles Congollon. »Verlieren wir Energie, Miles?« „Nein!« »Danke!« Wieder war er um eine Hoffnung ärmer.
Sein Gehirn war leer. Seine Hände schweißnaß. Warum starrte ihn auch Dan an? Er wußte doch auch nicht, wo sie sich befanden. Im Innern des Nor-ex? Oder hatte das Nor-ex sie im Moment, als sie in ihm rematerialisierten, ins Nirgendwo geschleudert, wo sich die FO I, die anderen Raumer und die Städte und Flotten fremder Rassen befanden? Gab es im Nirgendwo nur Schwärze? War es ein anderes Kontinuum, das fünf- oder sechsdimensional war? Er ballte seine Hand und schlug damit gegen die Verkleidung des Instrumenten-Pultes. Es war und blieb massiv! Ich Narr, dachte er, vielleicht erzeugen nur unsere Vorstellungen im Unterbewußtsein alle diese Bilder. Vielleicht ist die POINT OF nur noch ein Schatten. Aber konnte es in lichtlosem Dunkel Schatten geben? Ren Dharks Mund war trocken. Die Zunge klebte am Gaumen. Die Lippen begannen spröde zu werden. Die Schweißtropfen auf seiner Stirn wurden größer. Und wieder fiel sein Blick auf die Bildkugel. Und nach wie vor war sie schwarz, ohne den kleinsten Lichtpunkt. Das Bordchrono zeigte die 27. Minute an. Seit fast einer halben Stunde Normzeit befanden sie sich in der Schwärze. Doch galt hier noch die Zeltkonstante? Hatte sie in diesem Bereich die gleichen Werte wie im Einstein-Kontinuum? Vielleicht waren erst Sekunden vergangen, nur sie hatten sie so lang empfunden. Er war auch nur ein Mensch, einer der nach einem Strohhalm suchte, um sich daran festzuhalten. Seine Fingerspitzen lagen auf den Steuerschaltern. Schalten! Schalten! Schalten...
Er probierte alles, und seine Offiziere standen dicht gedrängt hinter ihm, blickten ihm über die Schulter und hofften wie ihr Commander auf ein Wunder. Nichts geschah! Im Innern der POINT OF nicht und auch draußen nicht! Wieso klappte dann noch die Bordverständigung? Dhark rief die Wissenschaftler in die Zentrale. Er brauchte ihnen ihre Lage nicht zu erklären. Er brauchte ihren Rat. Sie sollten ihm und allen im Raumer helfen. Er sagte es ihnen unverblümt. Und dann stand er wieder einmal allein. Niemand hatte etwas gesagt, und das war schlimmer als eine lahme Ausrede. »Danke...« Es klang nicht ironisch, aber müde, seine breiten Schultern senkten sich. Da hörte er neben sich ein verzweifeltes Stöhnen. Tino Grappa sah ihn aus großen Augen verzweifelt an. In diesem Augenblick, ging eine unheimliche Veränderung mit ihm vor. Er hatte seine Mannschaft in diese Lage gebracht, und er war jetzt verantwortlich, daß seine Männer nicht den Mut verloren. »Grappa!« rief er aus, schlug seinem Ortungsspezialisten die Hand auf die Schulter und lachte ihn an. »Zum Teufel, Mann, glauben Sie nicht mehr, daß wir auch diese Situation meistern werden?« Und noch nie war ihm das Lachen so schwergefallen wie jetzt. »Commander...« Er unterbrach ihn, weil er bemerkt hatte, daß sich auch die anderen Offiziere entspannten. »Grappa, wir werden es schaffen. Los, hinter Ihre Ortungen. Meine Herren, an die Plätze, wenn ich bitten darf. Und an den Checkmaster lassen Sie mich einmal heran!« Aber auch das Bordgehirn der Mysterious gab ihm keine Auskunft. Die Rot-Kontrollen schienen ihn zu verhöhnen.
Er zeigte seine Entmutigung nicht. Der Reihe nach sah er seine Offiziere an, dabei umspielte ein dünnes Lächeln seinen Mund. »Wir werden abwarten müssen. Das Nor-ex wird sich bei uns auf irgendeine Art melden. Ich bin überzeugt...« Über die Bordverständigung kam der Durchruf von Miles Congollon: »Dhark, kommen Sie doch mal in den Triebwerksraum, ja?« »Ich komme!« Er wandte sich an seinen Freund. „Übernimm...«, und dann ging er. Er war so ehrlich, sich einzugestehen, daß er gern die Kommando-Zentrale verließ. Er brauchte ein paar Minuten des Alleinseins; er mußte selbst neuen Mut schöpfen. Aber hatte es Sinn, noch Mut und Hoffnung zu haben? * Raum-Radar-Station I und II auf Pluto gaben Alarm nach Terra! Die POINT OF war gesprungen, aber ihr Eintauchpunkt ins normale Universum hatte nicht mehr angemessen werden können! Marschall Bulton brüllte über To-Funk: »Was sagen denn die beiden Flash, die vor der Aktion den Ringraumer verlassen haben?« Daran hatte niemand auf Pluto mehr gedacht. Bulton machte den beiden Stationsleitern die Hölle heiß. »Rufen Sie mich wieder an, wenn Sie Verbindung mit den Blitzen haben! Aber beeilen Sie sich! Und wie sieht es mit dem Nor-ex aus?« »Position unverändert, wie die Flash funken.« »Beeilen Sie sich!« drohte Bulton noch einmal und schaltete ab. Noch machte sich niemand im Stab der TF große Sorgen um die Besatzung des Flaggschiffes und den Commander. Zu oft
schon war Ren Dhark vermißt worden, um immer wieder zurückzukehren. Pjetr Wonzeff und Rul Warren fingen die Anrufe der Stationen auf Pluto auf. Wonzeff in der 004 übernahm den Fall. »Wir haben den Ringraumer auch aus unseren Ortungen verloren, aber seinen Eintauchpunkt ins Einstein-Universum anmessen können. Die POINT OF steckt im Nor-ex...« „Und das sagen Sie mit dieser Bombenruhe?« wurde ihm vom Eisplaneten her erregt vorgehalten. „Warum sollten wir uns aufregen? Wir wußten doch, daß der Commander in das Ding fliegen wollte. Und nun warten wir erst einmal ab. So lautet unser Befehl, und an den halten wir uns.« Marschall Bulton erhielt wenig später diese Auskünfte überspielt. Er hütete sich, am Plan des Commanders Kritik zu üben, aber Gefallen fand er daran nicht. * Oberleutnant Torstradt, ein waschechter Südamerikaner trotz seines skandinavischen Namens, war achtundzwanzig Jahre alt, hünenhaft groß und die Ruhe selbst. Ihm hatte dieser Auftrag, die Welt der Giants anzufliegen, Spaß gemacht, weil er nicht in den Routinebereich gehörte, aber alle Freude daran war ihm vor zehn Minuten vergangen. Vor zehn Minuten hatte der TF-Stab einen To-Funkspruch geschickt und darin eisig angefragt, wer ihm, Oberleutnant Torstradt, den Befehl gegeben habe, Arim anzufliegen. Er hatte zuerst an einen schlechten Scherz geglaubt und mehr widerwillig als freiwillig die Folienvollmacht vor den Bildschirm gehalten. Für kurze Zeit hatte sich der TF-Stab nicht gerührt. Nachher erfuhr er, daß man in dieser Zeit die Unterschriften geprüft hatte, und dann wir ihm gesagt worden, daß man ihn mit dieser Order hereingelegt habe.
Der letzte Befehl hieß: Sofort nach Terra zurückkehren! Und Jos Aachten van Haag hatte ihm gerade erklärt: »Sancho, das kommt nicht in Frage! Wir fliegen Arim an. Mann, wir haben doch nur noch zwei Stunden bis zur Landung!« »Wie denkst du dir das, Jos. Ich bin Offizier...« »Ja«, hielt ihm der Agent eiskalt vor, »dahinter verkriecht ihr euch alle. Nur nichts aus eigener Initiative tun! Niemals persönlich ein Risiko eingehen. Verdammt, Sancho, hätte ich dich doch damals hängenlassen, dann brauchte ich mich heute über deine Dummheit nicht zu ärgern!« Manu Tschobe und Maitskill, die sich ebenfalls in der Kabine des Kommandanten aufhielten, wußten nicht, worauf der GSO-Mann anspielte. »Jos«, sagte Torstradt in beschwörendem Ton, »man wird mich vor Gericht stellen, wenn ich den Befehl zur Umkehr ignoriere!« »Und was man mit uns macht, mein lieber guter Freund Sancho, das ist dir piepegal, was?« Jos Aachten van Haag stand vor ihm und schaute ihn durchdringend an. »Du bist ein feiner Freund. Los, gib Order, daß der Kahn auf Gegenkurs geht. Und wenn du über Cent Field stehst, wirst du einen weiteren Befehl erhalten: Tschobe, Maitskill und alle anderen Experten und mich festzusetzen. Danach hast du das Vergnügen, uns abzuliefern. Bei der GSO. Na, mach schon... gib den Befehl!« Tschobe und Maitskill hatten bisher kein Wort gesagt. Sie starrten die Decke an und warteten die Entwicklung ab. Viel versprachen sie sich nicht von dieser Unterredung, die Jos Aachten van Haag verlangt hatte. Der hünenhafte Torstradt zögerte, wußte offensichtlich nicht, wie er sich entscheiden sollte. »Sancho«, sagte Jos warnend, »wenn du jetzt ahnen könntest, was ich denke...«
Lag nicht auch Drohung im Blick des Agenten? Hatte er diesen Kommandanten etwa in der Hand und wollte er ihn mit seinem Wissen erpressen? Manu Tschobe räusperte sich. Er wußte, daß er gleich seiner Sache keinen guten Dienst erweisen würde, aber Erpressungen oder was auch nur danach roch, waren ihm widerlich. »Van Haag, wenn Sie eine alte Sache ins Spiel gebracht haben...« Wütend unterbrach ihn der Agent: »Halten Sie gefälligst den Mund, Tschobe. Noch rede ich mit Torstradt, und wenn ich mit ihm fertig bin, dann sind Sie an der Reihe, wenn Sie noch Lust zum Reden haben.« Es schlug wie eine Bombe ein, als Sancho Torstradt erklärte: »Wir halten unseren Kurs bei!« »Und ich habe nie etwas gesagt!« beeilte sich Jos zu erklären. »Tschobe, ist das nicht ein Grund zum Trinken?« Erstaunt wechselten Tschobe und Maitskill Blicke. Diesen Wandel verstanden sie nicht. Sollte Jos den Kommandanten der PRYMNO doch erpreßt haben? Der Afrikaner trat auf Torstradt zu. „Oberleutnant, gehen Sie kein Risiko ein, das Sie nicht freiwillig auf sich nehmen. Vor allen Dingen...« Oberleutnant Torstradt legte ihm beide Hände auf die Schulter. »Machen Sie sich keine Sorgen, Tschobe. Jos hat mich nicht erpreßt. So etwas würde er nie tun.« »Besten Dank für deine gute Meinung«, warf der Agent ironisch ein und schenkte sich unaufgefordert aus dem Vorrat des Kommandanten der Sternschnuppe ein Glas voll. Kurz darauf entschuldigte sich der Oberleutnant. Er wurde in der Zentrale benötigt. Der Anflug auf den Planeten Arim ging in seine letzte Phase. Wieder mußte die Optik der Bildschirme auf Infrarot geschaltet werden. Dichte Wolkendecken verhinderten jede direkte Sicht. Der Steppenplanet der Giants tauchte auf. Die
Sternschnuppe flog einen der sieben Kontinente an, und an Bord liefen alle verfügbaren Aufnahmegeräte, die sämtliche Einzelheiten festhalten sollten. Die Experten, die alle zur Fakultät der Medizin gehörten, verstanden zu wenig von dieser Technik, mit Ausnahme von Tschobe. Doch als sie in die Zentrale gerufen wurden, beeilten sie sich. Die PRYMNO hatte stark abgebremst und umflog Arim in knapp vierzig Kilometer Höhe. »Sehen Sie sich das an!« rief ihnen Oberleutnant Torstradt zu und deutete auf den größten Bildschirm. Sie blickten auf Arim hinab. Sie blickten in ein riesiges Loch, das nach den Messungen der Distanz-Ortung über dreitausend Meter tief war. Der Durchmesser des Kraters betrug 63 Kilometer! Und dann verließ niemand die Zentrale. Immer neue Krater waren zu sehen. Manche lagen so dicht an der Küste, daß sie inzwischen schon voll Wasser gelaufen waren. „Das alles sollen die Nor-ex angerichtet haben?« fragte Torstradt ungläubig. „Bomben waren es auf keinen Fall!« rief der Sergeant hinter seinen Ortungen. „Ich habe die Atmosphäre auf r-Werte überprüft. Da unten herrschen die gleichen Verhältnisse, wie sie seinerzeit die POINT OF hier angetroffen hat.« Jos Aachten van Haag war vor einen anderen Bildschirm getreten, der den Bereich erfaßte, den sie erst noch überfliegen mußten. Leicht kniff er die Augen zusammen. Die tiefgelbe Sonne vom Typ K hatte Mühe, ihr Licht durch die dichten Wolkenschichten zu bringen, und die Beleuchtung auf diesem extrem heißen Planeten, dessen Atmosphäre nur neun Prozent Sauerstoff enthielt, war nicht besonders gut. Aber in der Ferne irritierte ihn etwas. Etwas, das wunderbar leuchtete.
Etwas, das ihn an die Farben eines prachtvollen Regenbogens erinnerte. Ahnungslos wandte er sich an Tschobe. »Was ist das da? Da hinten...« Der Afrikaner stieß ein Röcheln aus. »Torstradt, über Arim steht immer noch ein Nor-ex! Auf Gegenkurs! Auf Gegenkurs gehen!« Die Andruckausgleicher in der Sternschnuppe heulten auf, als die PRYMNO scharf herumgerissen wurde, ein Teil der AsOnentriebwerke auf negative Beschleunigung und der andere Teil auf maximalen Schub geschaltet worden war. Arim schien sich unter ihnen wie ein Karussell zu drehen. Die Triebwerke brüllten. Das eigene Wort war nicht zu verstehen. Die Mannschaften hinter den To-Funkkanonen hatten den Befehl, sofort zu feuern, wenn die Position des Norex feststand. Die PRYMNO raste der Nachtseite des Planeten zu. Im Schiff herrschte knisternde Spannung. Oberleutnant Torstradt versicherte, noch nie als Kommandant ein ähnlich gewagtes Kursmanöver durchgeführt zu haben. Als ihn ein Arzt fragte, ob die To-Funkbewaffnung der Sternschnuppe auch stark genug sei, es mit einem Nor-ex aufzunehmen, winkte er lässig ab. „Mit drei zugleich...« Aber um den Planeten Arim herum standen fünf Nor-ex! * Rateka, der Singu – der über-alles-Stehende –, tauchte wieder in der Zentrale der URBIN auf, begleitet von drei anderen Rateken, die den Translator vor sich her schoben. Im gleichen Augenblick richtete sich Janos Szardak auf jede nur erdenkliche Überraschung ein. Schon die Wissenschaftler auf Terra hatten den Verdacht, daß diese Riesen auf Frequenzen
Hyperfunksprüche ausstrahlten, die den Menschen noch unbekannt waren. Rateka hatte den Ring seiner Facettenaugen geschlossen und mußte dennoch sehen können. Denn im gleichen Moment, als seine Begleiter mit ihrer Arbeit fertig waren, schob sich das Oberteil seines Kopfes wieder hoch und gab den Kranz frei. »Szardak, was du nicht erlauben wolltest, habe ich erzwungen. Ich habe mit dem Daara gesprochen. Ich habe ihn auch informiert, wie meine Männer auf diesem Schiff behandelt worden sind. Durch meinen Mund befiehlt dir der Daara, uns sofort die Waffen mit den Kristallen auszuhändigen und dieses Schiff zu verlassen. Nach eurer Zeit steht euch eine Stunde zur Verfügung.« Gelassen blickte der Colonel den Rateken an. Langsam beugte er sich zur Verständigung vor und sprach nur das eine Wort – Okay –, aber so leise, daß es der Translator nicht aufnehmen und übersetzen konnte. Im Hangar drei hatten sechs Mann auf dieses Okay gewartet. Fünf waren beauftragt, blitzschnell die Schleuse zu öffnen, und der sechste hatte die Order, mit seinem Flash zu starten und sofort auf höchste Beschleunigung zu gehen. Mike Doraner hieß der Flash-Pilot; es war jener Mann gewesen, den Janos Szardak in seiner Kabine aufgesucht hatte, um ihm einen gefährlichen Plan zu unterbreiten. Die Schleuse flog auf. An der 020 sprach der Sle an. Auf sechs spinnenbeindünnen Auslegern startete der Blitz. Der Brennkreis konnte der URBIN keinen Schaden zufügen, weil er mit dem Boden nicht in Kontakt kam. Mike Doraner wußte von dem Traktorfeld, das um den Kreuzer lag. Er hatte seine Erfahrungen mit Pressorstrahlen gemacht und erlebt, wie gefährlich sie selbst einem Beiboot der POINT OF werden konnten, wenn es im Schutz seines Intervallfeldes flog.
Die Lippen zusammengepreßt, den Blick auf die Kontrollen gerichtet, jagte Doraner mit seiner 020 aus dem Hangar der URBIN hinaus. Er sah nicht, daß der Luftdruck fünf Mann zu Boden riß und in die Ecke schleuderte. Er sah nur einige der Doppelwulstraumer, die die URBIN bis zu diesem Platz eskortiert hatten. Den Flash hochreißen! Noch immer kein Anprall gegen den Grenzbereich des Traktorfeldes? Glatter Flug! Über den ersten Doppelwulstraumer hinweg! »Hallo!« brüllte Mike Doraner, als ein turmdicker Strahl seinen Blitz nur um einige hundert Meter verfehlte. Sie hatten seinen Start bemerkt, aber etwas zu spät reagiert. Und sie mußten wissen, wie gefährlich so ein kleiner Flash sein konnte. Doch darüber machte sich der Mann, der mit Ren Dhark auf Hope durch dick und dünn gegangen war, keine Gedanken. Er hatte nur das Ziel vor Augen, heil aus dem Strahlschußbereich der Doppelwulste zu kommen und auf diesem Planeten eine derartige Unruhe auszulösen, daß es diesen Rateken verging, die URBIN noch länger festzuhalten. Daß er sein Leben aufs Spiel setzte, war ihm klar. Aber wann einmal waren Flash-Einsätze ein Spazierflug gewesen? Da hatten ihn die Rateken erfaßt. »Verflucht, da ist ja wieder dieser Strahl...« Unwillkürlich duckte er sich in seiner kleinen Kabine, als wolle er diesem Strahl, der wie eine unendliche Schlangenlinie aussah, auf diese Weise ausweichen. Gedankensteuerung übernehmen! dachte er trotz der gefährlichen Situation konzentriert. Nach langer Zeit hörte er wieder einmal die unpersönlich klingende Stimme in seinem Kopf: Habe übernommen! Den Rateken hinter den Zieloptiken mußte jetzt das Grauen ankommen. Bestimmt hatten sie noch nie einen Flugkörper
erlebt, der solche abrupten Kursänderungen vornehmen konnte. Mike Doraner brauchte nichts mehr zu tun als den Kopf in den Nacken zu legen und die Bildprojektion darüber zu betrachten. Sie schießen sich ein, dachte er, und er hatte den Eindruck, ringsherum von titanischen Energiebahnen eingeschlossen zu sein. Da hielt er den Atem an. Sein Flash stürzte ab! Mit Vollast-Sle senkrecht nach unten. Aus einer Höhe von knapp acht Kilometern. Die Rateken mußten glauben, ihn abgeschossen zu haben. Neunzig Prozent der Strahlbahnen waren blitzartig verschwunden. Nur ein halbes Dutzend versuchte seinen Blitz im Absturz auch noch in eine winzige Sonne zu verwandeln. Die Gedankensteuerung begann dem furchtlosen Piloten mal wieder unheimlich zu werden. Als ob sie ahnte, wo im nächsten Sekundenbruchteil eine Strahlbahn auftauchen würde. Zick-zack-Kurs nach unten! Er kam nicht mehr dazu, ein Stöhnen über die Lippen zu bringen. Er raste in den Planeten hinein! Im Schutz seines Intervallfeldes! Immer tiefer! Durch gewachsenen Fels, als ob es den Planeten Oorch gar nicht gäbe! Eine Verzweiflungshandlung der Gedankensteuerung? Mike Doraner hatte es gelernt, sich so schnell bei einem Blitz nicht mehr zu wundern. Als plötzlich der Sle ausgeschaltet wurde, nur noch Notbeleuchtung und die Sauerstoffanlage arbeitete, begriff er, daß er sich auf einige Stunden Warten gefaßt zu machen hatte. Wenn die Energie-Ortungen der Rateken nicht wunderbar feinfühlig waren, dann mußten diese Riesen glauben, er sei in der Tiefe des Bodens zerschmolzen.
Mike Doraner richtete sich auf langes Warten ein und begann zu dösen. Er hatte die Nerven dazu. * Als der Translator mitten in der Übersetzung verstummte, wußte der Colonel, daß sein Plan in der ersten Phase geglückt war. Mike Doraner mußte mit der 020 die URBIN verlassen haben und durch das Traktorfeld geflogen sein. Janos Szardaks Gesicht war in diesem Augenblick eine Studie wert. Jetzt bestätigte er die Behauptung Vieler, er habe ein Pokergesicht. Aber dieser Rateke, der sich Rateka, der Singu, nannte, gab darum nichts. Dennoch besaß er auch menschliche Eigenschaften. Er brüllte Janos Szardak an und hatte dann zu warten, bis das Gerät seine Worte ins Terranische übersetzt hatte. »Nein«, sagte der Colonel und rührte sich dabei nicht. »Wir bestehen auf dem Vertrag, den du mit unserem Commander Dhark im Namen deines Volkes geschlossen hast. Wir lassen uns weder unter Druck setzen noch durch Drohungen beeinflussen. Ich rufe auch den Blitz nicht zurück...« Der Translator, zugleich ein ratekisches Sende- und Empfangsgerät, unterbrach schon wieder seine Arbeit. Alle vier Rateken lauschten. Die Terraner störten sie nicht. Der Singu machte mit Armen und Händen eine Geste, die nicht verstanden wurde. Doch dann wußten alle, was er damit gemeint hatte. Die 020 war abgeschossen worden! Diese Meldung hatte der Singu gerade empfangen und ihnen mitgeteilt. Vorwurfsvolle Blicke trafen Szardak. Jeder Offizier der TF kannte die Flash-Piloten, und Mike Doraner war einer aus der alten Garde, der noch auf dem
Kolonistenraumer GALAXIS eins der Scoutboote geflogen hatte. Janos Szardak versteckte seine Gefühle hinter seinem unbeweglichen Gesicht. Abrupt erhob er sich. Er wirkte wie ein Zwerg gegenüber dein Rateken. »Ich weiß nicht, was ein Daara ist, Rateka, aber ich kenne den Vertrag. Ich kenne meine Aufgabe. Hindere uns nicht daran, sie zu erfüllen!« »Ich werde euch zwingen!« »Vielleicht«, sagte Szardak gedehnt, wandte sich der Bordverständigung zu und tastete die Waffensteuerung ein. »Versuchen Sie's doch mal mit Achmeds Wundersteinen. Auf alle!« Hatte man ihn verstanden? Hatte man nicht vergessen, daß der Entdecker des Tofirits, der Planetologe Achmed Tofir gewesen war. Dann hörte er den Translator seine Worte übersetzen. Der Singu reagierte nicht. Er hatte den versteckten Sinn des Befehls nicht erfaßt. Aber seine Offiziere. Sie starrten ihn entgeistert an. Kein Wunder, denn ihnen war nicht der Bericht von Major Neep bekannt, der Wrighleys Fehlentscheidung auf Esmaladan nicht verschwiegen hatte, als dieser, statt das Nor-ex mit ToFunkkanonen anzugreifen, die Stadt Mom unter diesen Strahlbeschuß genommen hatte. Unter diesem Strahlbeschuß war Neep vor der Weisheit besinnungslos zusammengebrochen. Nur, ob die To-Funkstrahlen das Traktorfeld durchbrechen würden, mußte abgewartet werden. Der Rateke sprach plötzlich aus drei Mündern, als in der URBIN die Konverter anliefen und die Geräusche immer lauter wurden. Dann war das typische Geräusch von arbeitenden ToFunkkanonen zu hören! »Wir kommen durch, Colonel! Wir kommen durch!« Der Jubelschrei gellte aus der Verständigung.
Gelassen klaubte sich Szardak eine Zigarette aus der Packung, steckte sie zwischen die Lippen, drehte sie und tat den ersten Zug. Inzwischen hatte Rateka gelernt, was es zu bedeuten hatte, wenn ein Terraner nickte. »Was gibt es?« »Nicht viel, Rateka. Meine URBIN liegt in einem Fesselfeld und kann nicht starten. Die acht Raumer aber, die uns eingeschlossen halten, können auch nicht mehr starten. Bitte, rufe die Kommandanten an. Vielleicht antworten sie dir!« Das Kopfoberteil des Singu hob und senkte sich arhythmisch. Der Riese legte seine sechsfingrigen Pranken um die Kante des Übersetzungsgeräts und verstrahlte aus seinem Facettenring nach allen Seiten sprühendes Feuer. »Wie ein Luzifer!« machte einer der Offiziere impulsiv diese Bemerkung. Niemand lachte. Jeder war gespannt auf die Reaktion dieses Über-alles-Stehenden. Er reagierte wie ein Mensch. Offensichtlich versuchte er ein Schiff nach dem anderen anzurufen, aber er erhielt keine Antwort. Janos Szardak trat neben ihn. »Rateka, komm nicht auf den Gedanken, neue Schiffe anzufordern. Lange bevor sie uns erreicht haben, werden sie abstürzen. Hast du Narr wirklich geglaubt, Halbaffen vor dir zu haben...« Besaß ein Rateke überhaupt Einsicht? Was gab dann dieser Singu durch? »Warte«, sagte er, und selbst aus dem Übersetzer klang es drohend. Man wartete. Szardak nutzte die Zeit. Über die Verständigung gab er der Waffensteuerung nur durch: „Achtung, wir bekommen Besuch. Grüßt mir Achmed!« Er hätte noch rätselhafter sprechen können, in dieser Lage verstand man ihn so gut, als wenn er sich exakt ausgedrückt hätte.
Die Zeit raste dahin, und aus der Ferne raste ein Doppelwulstraumer heran. »Auf maximale Vergrößerung schalten!« befahl Szardak, als er den Punkt dicht unter den Wolken erfaßt hatte. Der Punkt wurde zu einem Raumer. Der Raumer wurde immer größer. Aber der Raumer nahm von der URBIN keine Notiz. Er jagte über sie und die anderen Schiffe hinweg. »Nun?« konnte sich der Colonel nicht verkneifen zu fragen. Er erhielt keine Antwort. Noch dreimal mußte dieses unblutige Spiel wiederholt werden. Drei Pulks, einer aus mehr als vierzig Schiffen, flog über ihren Landeplatz hinweg und verschwand in der Ferne. Die vier Rateken standen wie Bildsäulen. Die terranischen Offiziere auch. Janos Szardak war klug genug, jetzt zu schweigen. Jetzt war er es, der den über-alles-Stehenden im eigenen Saft schmoren ließ. Endlich kam Leben in Rateka. Wieder benutzte er den Translator als Sender. Mehrfach verstanden die Menschen das Wort Daara, aber was sie sich darunter vorzustellen hatten, wußten sie immer noch nicht. Der Singu erhielt Antwort. Sie schien ihm nicht zu gefallen, denn sein Kopfoberteil hatte sich über den Facettenkranz geschoben und blieb in dieser Position. Szardak warf seinen Offizieren warnende Blicke zu, jetzt nicht zu reden. Die Spannung im Kommando-Raum stieg und wurde unerträglich. Der Rateka gab keine Ruhe, lauschte erneut, und dann schob sich das Oberteil seines Kopfes wieder hoch und richtete seinen Blick auf den Colonel. „Der Daara nimmt eure Bedingungen an. Der Daara steht zu dem Vertrag, den ich mit eurem Commander der Planeten
geschlossen habe. Aber der Daara läßt euch durch mich bitten, uns zu sagen, wohin ihr unsere Raumschiffe geschickt habt...« Wenn das Janos Szardak selbst gewußt hätte! Konnte er dem Singu sagen, daß die Raumer mit besinnungslosen Mannschaften irgendwohin flogen, vielleicht in den Raum hinaus? Er erinnerte sich Major Neeps Bericht. Darin war die Rede, daß er und die Utaren kurz nach der To-Funkbestrahlung wieder aus der Bewußtlosigkeit aufgewacht seien. Auf dieses Wissen baute Janos Szardak seine Antwort auf, und sie war dennoch eine ausweichende Antwort. »Sie werden bald zurückkommen, wenn sie nicht abermals den Versuch machen sollten, uns anzugreifen!« Hatte Rateka zum erstenmal begriffen, daß sie mit den Terranern wie mit gleichwertigen Partnern verhandeln mußten? Der Singu gab sich allem Anschein nach mit der Antwort des Colonels zufrieden. »Der Daara hat mich auch beauftragt, Ihre Delegation zu ihm zu bringen!« Rateka konnte Plötlich wieder das Sie benutzen. Ebenfalls ein Zeichen, daß sich seine Einstellung zu den Menschen geändert hatte, oder dieser Daara hatte ihm befohlen, mit den Terranern höflicher zu verfahren. Eine gute Portion Mißtrauen wurde der Colonel trotzdem nicht los. Als er sagte: »Wir sind in einer halben Stunde bereit«, und der Translator seine Erklärung übersetzt hatte, verließen die Riesen wortlos die Zentrale und ließen das Übersetzungsgerät zurück. Ein Offizier machte den Mund auf, um eine Bemerkung von sich zu geben. Scharf klang Szardaks scharfes Stop auf. Demonstrativ deutete er auf den Übersetzer. In der nächsten Geste legte er den Zeigefinger auf die Lippen. Er war überzeugt, daß dieses Gerät jedes Wort, das in der Zentrale gesprochen wurde, per Funk diesem Daara übermittelt wurde.
Leutnant Rablais grinste breit, machte zum Kommandanten eine Geste, die klar ausdrückte, er solle ihn an seinem Tun nicht hindern, und dann schaltete er das Aggregat einer unbekannten Technologie ab. »So!« meinte er, und Triumph klang in seiner Stimme auf. »Mein Aufpassen hat sich endlich einmal gelohnt. Das Ding gibt keinen Mucks mehr von sich!« Und Mike Doraner auch nicht, dachte Janos Szardak, denn der ist tot. * Mike Doraner erfreute sich bester Gesundheit und döste in seiner 020 vor sich hin. Überrascht nahm er seinen Kopf hoch, als er hörte, wie der Konverter hinter der fugendichten Unitallverkleidung zu arbeiten begann. Sein Flash ging auf Fahrt. Seine Ortungen arbeiteten alle wieder, und Doraner konnte den Blick nicht von der Energieortung losreißen. Sie zeigte in relativ nächster Nähe verhältnismäßig geringe Emissionen an. Er kannte das EnergieSpektrum der URBIN, den typisch kleinen Zacken hinter dem abschwingenden Bogen, und er wunderte sich ein wenig, von den Raumern der Rateken nichts feststellen zu können. Er flog durch Fels zur Oberfläche zurück. Geduldig wartete er, bis sein Flash wieder über Oorch war. Nur der Brennkreis seines Sle hinterließ eine fußgroße Schmelzspur. Alles andere wurde wieder existent, sobald die Umgebung sich nicht mehr im Bereich des winzigen Mini-Kontinuums befand, dem man schon auf Hope den Namen Intervallfeld gegeben hatte. Der Blitz brach ins Freie, stieg mit Vollast laufenden Sle senkrecht hoch. Die Bildprojektion zeigte ihm das verhältnismäßig niedrige Plateau, die Raumer der Rateken und die URBIN. er schaltete auf Tele um. Die Schiffe sprengten mit ihren Ausmaßen fast den Rahmen des Schirms. Er achtete nicht
darauf. Er achtete nicht auf den Kurs seines Beibootes. Eine Schleuse der URBIN stand offen – die Polschleuse, und die breite Rampe war ausgefahren. Ich übernehme, dachte er unwillkürlich, hatte den Funk eingeschaltet und versuchte, den Kreuzer anzurufen. Sofort meldete sich die Funk-Zentrale. Selten hatte Mike Doraner solchen Empfang bekommen. »Was? Sie leben noch, Doraner? Dann haben Sie die Riesen doch nicht abgeschossen?« Die Stimme des Mannes in der Funk-Z der URBIN überschlug sich vor Freude und Überraschung. Und dann hörte Doraner, daß der Colonel und eine achtköpfige Abordnung sich gerade bereitmachten, die URBIN zu verlassen. »Okay«, erwiderte der Flash-Pilot, »ich schätze, daß Szardak nichts dagegen einzuwenden hat, wenn ich Begleitschutz fliege. Versuchen Sie, ihm meinen Entschluß noch bekannt zu geben, bevor er aus dem Kreuzer ist. Ende.« * Ren Dhark betrat den Triebwerksraum seines Flaggschiffes, der auf der anderen Seite der Ringröhre lag. Er hatte sich etwas Zeit genommen, um selbst wieder ruhiger zu werden. Niemand sah auf, als er eintrat; niemand hatte etwas zu tun. Sie standen herum. Was sich in ihren Köpfen abspielte, konnte der Commander sich leicht vorstellen. Er selbst wurde von der Frage beherrscht: Wie kommen wir wieder nach Terra zurück? Er sah zu den Kontrollen hinüber und konnte Miles Congollon nicht entdecken. Auch der Sibirier Arc Doorn war nicht zu sehen. Sein forschender Blick wurde bemerkt. Der Mann war unterrichtet, daß der Chief den Commander gebeten hatte, in den Triebwerksraum zu kommen. »Auf der ersten Galerie, aber auf der anderen Seite...«
Dhark ging um den mächtigen Triebwerkssatz herum, von dem es eine zweite Ausführung in der Maschinenhöhle auf Deluge gab. Er stieg zur ersten Galerie hoch und traf dort Congollon und Doorn an. Sie kehrten ihm den Rücken zu und waren mit einer Arbeit intensiv beschäftigt. »Congollon...«, machte sich Dhark bemerkbar. Der Chefingenieur der POINT OF rückte nur ein wenig zur Seite, sprach ihn nicht an. Nur Doorn war tätig, dieser Mann mit der phänomenalen Fähigkeit, unglaublich schnell Kontakt zu Geräten und Instrumenten zu finden, deren technische Arbeitsweise ihm unbekannt war. Aber im Fall der Mysterious-Technologie hatte er nur selten sein unerklärliches Können unter Beweis gestellt. Doorn arbeitete mit Werkzeugen, die vor rund tausend Jahren in der Höhle in Deluge von den Mysterious benutzt worden waren. Er nahm gerade einen Schachtelsatz heraus, der typisch für die Technik der Geheimnisvollen war, und legte ihn zur Seite. Danach entfernte er noch drei weitere. Ren Dhark konnte sich nicht erklären, warum der rothaarige Sibirier am Triebwerk montierte. Er und Doorn waren die einzigen Menschen, die durch intensivstes Studium nach Einnahme der Mentcaps einen kleinen Überblick über die Funktionen der POINT OF hatten, aber die meisten Zusammenhänge waren ihnen unbekannt geblieben, da das Mentcap-Archiv nicht vollständig war. Er legte Doorn die Hand auf die Schulter. »Was soll das, Doorn?« »Mal sehen...« Diese Antwort war typisch für den wortkargen Mann, der sich auch vom Commander der Planeten nicht bei seiner Arbeit stören ließ. Congollon stieß ihn leicht an und winkte ihn mit einer Kopfbewegung zurück. Sie entfernten sich von dem mundfaulen Sibirier, blieben am Geländer der Galerie stehen und lehnten sich an.
»Deswegen haben Sie mich gerufen?« Dharks Ton war vorwurfsvoll. »Sie wissen doch, in welcher Lage wir uns befinden.« »Natürlich.« Der Eurasier sah ihn aus seinen melancholischen Augen nachdenklich an. »Ich hatte zunächst auch gezögert, Sie anzurufen. Doorn machte nur eine Bemerkung. Er sprach davon, die Emissionen der Flächenprojektoren umzupolen...« Ironisches Lachen umspielte Dharks Mund. »Daran haben Sie geglaubt? An diesen Nonsens, Miles? Sie tun mir leid!« Der Chefingenieur lief rot an. »Dhark, das hätten Sie nicht sagen dürfen, schließlich kennen Sie Doorn auch schon einige Jahre, und er hat uns manchmal Dinge vorgezaubert, die wunderbar waren. Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie auf dem Kolonistenraumer GALAXIS mit ihm bekannt machte und Ihnen schon damals sagte, daß ich große Stücke auf ihn hielte? Daran hat sich nichts geändert,« »Aber was will er denn damit erreichen, Congollon?« unterbrach ihn Dhark. »Es ist und bleibt Unsinn. Strahlen kann man nicht umpolen.« Kamen Congollon Bedenken? »Vielleicht hat er sich ungenau ausgedrückt?« Unruhe, Vorwürfe und Spannungen drohten den Jungen Commander innerlich zu zerreißen. »Congollon!« Er sah ihm scharf in die Augen. »Sind Sie auch schon ohne Hoffnung? Haben Sie Angst?« Sie waren zusammen auf Deluge gewesen. Sie hatten im Höhlensystem gemeinsam die Hölle durchrast, während Roccos Komplicen sie jagten. Zehnmal, zwanzigmal glaubten sie keinen Ausweg mehr finden zu können, doch immer wieder hatte der eine dem anderen Mut gemacht und zum Schluß das Schicksal dennoch gemeistert.
Diese Erlebnisse hatten die Männer wie mit unsichtbaren Ketten verbunden. Und für diese Männer war Ren Dhark nicht der Commander geworden, sondern der Partner Ren Dhark geblieben. Nur so war zu verstehen, daß Miles Congollon ihm entgegenschleuderte: »Dhark, ich habe nicht mehr Angst als Sie! Und diese Frage stellen Sie mir nicht noch einmal. Es tut mir leid, daß ich Sie gerufen habe!« Der Commander wurde blaß. Er nagte an der Unterlippe. Congollons Worte hatten ihn getroffen. Ärger, Zorn wallte in ihm auf. Seine braunen Augen sprühten vor grellem Feuer, sein Kinn trat stärker denn je hervor. »Congollon, ich...« Wie klirrendes Eis hatte es geklungen, wütend, unbeherrscht, aber dann hatte sich Dharks Mund geschlossen und das Liebespaar sah aus wie ein dicker, farbloser Strich. Abrupt wandte er sich ab, ging die Galerie entlang, bebend vor Zorn. Er ärgerte sich jetzt darüber, seinem Chefingenieur nicht die passende Antwort gegeben zu haben. Wurde sein Name gerufen? »Dhark!... Dhark!... Kommen Sie doch mal her!« Der Sibirier rief ihn. Er ging weiter. Schritte folgten ihm. Eine starke Hand packte seine Schulter, riß ihn herum. Er blickte in das grobporige Gesicht des Sibiriers, sah dessen platte Nase, die roten Haare und zischte: »Was soll das?« Aber an der Sturheit Doorns prallte auch das ab. „Ich will Ihnen was zeigen.« Aber er sagte nicht, was er zeigen wollte. Er zog Ren Dhark mit sich. Miles Congollon folgte ihnen nicht. Der hielt das Geländer umklammert, und die Knöchel seiner Hände waren weiß.
Wieder sah Ren Dhark die Öffnung im gigantischen Triebwerk; wieder sah er eine Anzahl Schachtelsätze am Boden liegen, daneben das Werkzeug. Doorn nahm einen Schachtelsatz in die Hand. „Erinnern Sie sich, Dhark... Proialischer Circ-Zerhacker. Eingebaut vier Trad-Elemente zur Steuerung der Beschleuniger...« Zwei Menschen unterhielten sich in einer fremden Sprache. Der eine verstand den anderen. Ren Dhark vergaß seinen Ärger, seinen Zorn über Miles Congollon. Interesse wurde in ihm wach. Einmal, blitzte es in seinen Augen auf. Gerade hatte ihm Doorn bestätigt, daß Congollon ihn falsch verstanden hatte. Arc Doorn hatte nicht von einer Umpolung der Emissionen gesprochen, die die Flächenprojektoren abstrahlten. „Dhark, wenn ich es schaffe, die Flächenprojektoren...« Das Spezial-Vipho des Commanders schlug an. Dan Rikers Stimme klang auf. „Ren, sofort zurück in die Zentrale. Wir stecken mitten im Nor-ex. Ren, verdammt, mitten drin!« Der Commander raste die Galerie entlang, jagte aus dem Triebwerksraum über das leicht gekrümmte Deck und spurtete zur Zentrale zurück. Das Schott sprang auf. Das erste, was er sah, war die Bildkügel. Sie glühte dunkelrot! Sie zeigte nur diese Farbe, nichts anderes. Aber dieses Rot war unheimlich. Es war eine tödliche Drohung. Er warf sich in den Pilotsessel. Die Kontrollen auf dem Pult zeigten rot. Die Kontrollen am Checkmaster sahen so aus wie zu dem Zeitpunkt, als er den Leitstand verlassen hatte. Auch das geniale Bordgehirn wurde mit diesem Fall nicht mehr fertig. Dan beugte sich zu seinem Freund. »Es kam ohne Übergang. Zuerst war es viel heller, und fiel langsam zu dieser scheußlichen Farbe ab. Während des Abfalls machte Grappa ein paar kleine Beobachtungen. Die Energie-Ortung sprach an. Die
Distanz-Ortung komischerweise auch. Demnach ist das Nor-ex ein unregelmäßiger Kugelkörper mit einem Durchmesser von zirka 8,5 Kilometern. Mitten drin stecken wir. Wenn...« Er verstummte und starrte die Unitall-Wand an. Kein Ton kam mehr über seine Lippen. Ren Dhark dachte in einem fort: Ich werde verrückt... Ich werde verrückt! Das dunkelrote Glühen kam in die Kommandozentrale... es kam durch die halbmeter dicke Unitallwand. Das Nor-ex kam in die POINT OF herein! Das Unitall war für das Ungeheuer kein Hindernis! Es schien nicht einmal vorhanden zu sein. Dhark hörte das Stöhnen seines Freundes, hörte unterdrückte Schreie. Zu gewaltig war das Grauen, das auf sie zukam. Die Bordverständigung war ein einziges Tohuwabohu. Anfragen aus allen Abteilungen. Schreie dazwischen, Flüche auch. Immer öfter verlangte man nach dem Commander. Der fühlte das Grauen über den Rücken kriechen und dort liegenbleiben wie eine schmutzige, schleimige Haut. Seine bewährte Besatzung stand dicht vor der Panik. Er war auch nicht mehr weit davon entfernt. Am liebsten hätte er seinen Pilotsitz verlassen und wäre davongelaufen... fortgelaufen vor dem Dunkelroten, das sich immer stärker in der Kommando-Zentrale ausbreitete. Sah so wirklich ein Nor-ex aus? Dunkelrot? Und glühend dazu? »Commmander... Dhark... Dhark, wir verlangen Auskunft! Warum antworten Sie nicht...?« Eine Stimme aus der Verständigung hatte lauter als alle anderen geklungen. Diese Stimme – Dhark; wußte nicht, wem sie gehörte – zwang ihn brutal in die Rolle, die er freiwillig übernommen hatte: Commander der Planeten.
Seine Lippen berührten beinahe die Sprechrillen, als er über die auf Rundspruch geschaltete Anlage rief: »Männer, soll die Flotte erfahren, daß die Besatzung der POINT OF in Panik geraten ist? Niemand weiß im Augenblick, wie wir nach Terra zurückkommen. Niemand kann das dunkelrote Glühen erklären, das ins Schiff einbricht. Aber noch leben wir alle. Und heißt es nicht: Der Terraner stirbt erst dann, wenn er die Hoffnung aufgegeben hat? Männer, mehr habe ich euch im Augenblick nicht zu sagen. Nur noch eins: Ich erwarte, daß jeder seine Aufgabe erfüllt...« Ich hab' gut reden, dachte er, als er sich zurücklehnte und die Augen weit aufriß. Das Dunkelrot hatte sich in der Kommando-Zentrale komprimiert. Das Dunkelrote lag im Kampf mit der Beleuchtung und war auf dem besten Weg, das normale Licht zu verdrängen. »Grappa, die Ortungen...?« Auf seine Frage sofort die Antwort: »Null!« Verbindung zur Funk-Z: »Immer noch kein Kontakt mit Terra möglich?« Auch von dort postwendend die Erwiderung: »Dhark, das Nor-ex muß Hyperraum-Charakter haben.« Der Commander horchte auf. Hastiger als sonst sprach Walt Brugg. »Wir haben noch einmal alles überprüft. Unsere Funkanlagen arbeiten, auch der To-Funk, nur wird alles reflektiert. Wir kommen über die Distanz von vier Kilometern nicht hinaus...« »Reflektiert, haben Sie gesagt?« Sehr laut hatte Ren Dhark seine Frage gestellt. Er wurde sich dessen erst bewußt, als er es in seinen Ohren gellen hörte. Aber er gab nichts darum. In diesem Moment nicht. Sollten seine Offiziere ruhig erkennen, daß auch in ihm alles fieberte und bis zum Zerreißen gespannt war.
»Einwandfrei. Kommt mit fast 100 Prozent zurück, wenn Messungen in diesem Biest überhaupt stimmen!« »Reflektiert...?« Eine kurze Pause, dann sein knappes: »Danke.« Er sprang auf, vergaß sogar zu Dan ein einziges Wort zu sagen, vergaß anzugeben, wo er im Schiff zu finden sei, und rannte aus der Zentrale. Hinter seiner Stirn hämmerte ein einziger Begriff: Reflektiert... reflektiert... reflektiert... Er jagte über das Hauptdeck. Er jagte durch das Dunkelrote, das glühte und immer intensiver wurde. Er wurde von dem Begriff Reflexion vorwärtsgepeitscht! Er lief um das Leben seiner Besatzung um sein Leben und um die Existenz der POINT OF. Reflektiert... Reflektiert... * Rul Warren in seiner 005 unterhielt sich mit Pietr Wonzeff. Jeder flog genau auf dem vorgeschriebenen Kurs. Das SonnenSystem lag weit hinter ihnen, und Sol war nur noch ein Stern unter vielen. Vor ihnen lag die Unendlichkeit des Weltalls mit seinen aber Milliarden Galaxien. Kalt und unbeweglich stand über ihnen das breite Band der Milchstraße, dieses Sternenmeer, das sie unter Commander Ren Dhark erobern wollten. Doch nach einer Eroberung sah es zur Zeit nicht aus. „Mist!« sagte Rul Warren über To-Funk. „Allmählich werde ich nervös.« »Ich auch«, bestätigte Pietr Wonzeff, aber weder der eine noch der andere machte einen Vorschlag. Die automatische Anlage gab ununterbrochen die Position des Nor-ex nach Cent Field ab. Auf Terra war man bestimmt nicht weniger unruhig als die beiden Flash-Piloten.
Warum meldete sich die POINT OF nicht mehr? Steckte sie tatsächlich mitten in dem Nor-ex? Marschall Bulton machte mit seinem ununterbrochenen Herumlaufen seine Stabsoffiziere verrückt. Er kümmerte sich nicht darum. Wieder und wieder betrachtete er die Sternenkarte, auf der die Position des Nor-ex zu sehen war. Eins von vielen! Acht in der Nähe des Yaga-Systems, in dem die Utaren lebten! Fünf über dem Planeten Arim, wie die PRYMNO vor knapp einer Viertelstunde gemeldet hatte! Einige Dutzend mußten im Spiralarm hausen, wenn man die gewaltigen Verzweiflungskämpfe, die sich zwischen den Sternen immer noch abspielten, richtig bewertet hatte. Plötzlich drehte sich Bulton um, deutete auf das Chrono an der Wand und erklärte: »Wenn der Commander sich in einer halben Stunde nicht gemeldet hat, schicken wir zehn Kreuzer zum Angriff auf das Nor-ex hoch. Bitte, meine Herren, treffen Sie Ihre Vorbereitungen!« »Und wenn die POINT OF in diesem Ungeheuer steckt, Marschall?« gab General Mays zu bedenken. »Was passiert mit der POINT OF, wenn das Biest wieder in einer StrukturErschütterung verschwindet? Verschwindet das Flaggschiff dann auf Nimmerwiedersehen?« »Mann«, orgelte Bulton und ballte die Hände, »aber irgend etwas müssen wir doch tun!« Auch die Stabsoffiziere waren von seinem Vorschlag nicht begeistert. »Sollten wir nicht abwarten, bis einer der Flash-Piloten Alarm gibt, Marschall?« Der lief rot an, riß die Uniformmütze vom Kopf, strich sich über sein dünnes Haar, atmete schnell und laut und platzte dann heraus: »Bei jedem Flash-Piloten können Sie Sturheit hoch zehn annehmen. Wenn Wonzeff und Warren Alarm geben, ist
es für uns zu spät, helfen zu können. Die Burschen schwören doch auf Ihren Commander...« »Und sind bis heute gut damit gefahren!« konterte General Mays. Bulton blitzte ihn an, konnte aber nichts mehr sagen, weil die Hyperfunkstation eine Alarmnachricht durchgab. Flash 004 und 005 geben SOS für Flaggschiff der Flotte. Wahrscheinlicher Standort des Schiffes: Im Nor-ex. „Also doch nicht stur hoch zehn«, murmelte General Mays so laut, daß der Marschall seine Worte verstehen konnte. »Wir sprechen uns noch«, zischte ihm der cholerische Marschall zu, der aber diesen Vorfall in den nächsten zehn Minuten bestimmt schon wieder vergessen hatte. »Meine Herren, es bleibt bei meinem Befehl! Zehn Kreuzer sofort auf Angriffskurs zum Nor-ex schicken. Mays...!« Der General sah auf. »Marschall, Sie wünschen...?« „In fünf Minuten möchte ich mich noch mit Major Neep, Kommandant der BERNHARDTS STAR, unterhalten. In fünf Minuten!« Drei Minuten später stand Major Neep vor dem General. Er wußte, um was es ging. Er hatte dem Marschall der Flotte noch einmal in allen Einzelheiten zu schildern, was er erlebte, als Leutnant Wrighley auf Esmaladan befahl, die Stadt Mom unter To-Funkbeschuß zu nehmen, während ein Nor-ex angriff. Hin und wieder nickte der Marschall. Manchmal konnte er ein guter Zuhörer sein. Als er ihn aber unterbrach, war Neep mit seinem Bericht fast am Ende. »Ihre Bewußtlosigkeit hat also bis kurz nach Einstellung der To-Funkbestrahlung gedauert? Wie war das Erwachen, Neep?« Der berichtete, daß die Utaren mehr Zeit gebraucht hatten, um wieder bei klarem Verstand zu sein, bestritt aber energisch, irgendwelche Nachwirkungen bemerkt zu haben.
»Man hat mich informiert, daß Experten gerade auf diesem Gebiet mit großen Reihentests beschäftigt sind. Sie müßten Ihnen noch ausführlichere Auskünfte geben können, Marschall. Aber darf ich mir in diesem Zusammenhang eine Frage erlauben?« »Bitte«, sagte Marschall Bulton ahnungslos und spielte mit seinem Lux-Schreiber. »Marschall, warum wird das Nor-ex nicht von Pluto aus angegriffen? Der Planet steht doch zur Zeit sehr günstig zu dem Ungeheuer, und 0,3 Lichtjahre sind selbst für To-Funkkanonen vom Modell 40 keine außergewöhnliche Distanz.« Marschall Bulton legte den Lux-Schreiber aus der Hand. Marschall Bulton erhob sich sehr, sehr langsam. Marschall Bulton atmete einmal sehr tief, dann schüttelte er den Kopf, als sei er verzweifelt und sah darüber hinweg, daß sich ein Major Neep nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte. Marschall Bulton trat ans Fenster, kehrte Major Neep den Rücken, stemmte die Hände gegen seine Hüften und murmelte etwas vor sich hin. »Colonel Neep!« schnarrte er plötzlich. Der Major zuckte zusammen. »Marschall...?« »Colonel Neep, Sie melden sich in zehn Minuten mit dem Rangabzeichen eines Colonels zurück! Hoffentlich stellen Sie mir beim nächstenmal wieder eine Frage dieser Art. Colonel, ich habe Ihnen zu danken, und ich werde es nicht vergessen. Sie können gehen...« Ein frischgebackener Colonel, der damit gerechnet hatte, frühestens in fünf Jahren befördert zu werden, verließ verwirrt das Dienstzimmer des Marschalls. Er konnte nicht mehr hören, daß sich Marschall Bulton in herzerfrischender Offenheit ein ausgewachsenes Rindvieh nannte. Die Order, zehn Kreuzer zum Angriff auf das Nor-ex starten zu lassen, nahm er über Vipho zurück. An ihrer Stelle wurden
die To-Funkmannschaften auf dem Eisplaneten Pluto in höchste Alarmbereitschaft gesetzt. Die Flash 004 und 005 erhielten den Befehl, ab sofort die Koordinaten des Nor-ex auch den beiden Raum-Radar-Stationen auf Pluto durchzugeben. Über Funk sagte Wonzeff zu seinem Freund Rul Warren: »Endlich. Jetzt tut sich was... Hoffentlich geht das bloß gut aus. Ich habe ein Gefühl, als ob...« »Auf Gefühle gebe ich nichts«, erwiderte Warren gedankenlos. Er sollte sich an seine Bemerkung noch erinnern. * In der Sternschnuppe PRYMNO über dem Planeten Arim, fast am Rand der Milchstraße, fluchte und verwünschte ein hünenhafter Mann einen anderen, der Jos Aachten van Haag hieß. Ein Kugelraumer der TF, Durchmesser fünfzig Meter, wehrte sich verzweifelt vor dem Zugriff von fünf Nor-ex! Die Kehrtwendung der Sternschnuppe war zu spät erfolgt. Aus mehr als einem Lichtjahr Entfernung hatten die Raumungeheuer das kleine Schiff ausgemacht und es gemeinsam angegriffen. Bis auf Tschobe und van Haag hatte der Kommandant alle medizinischen Experten aus seiner Zentrale gejagt. Zivilisten konnte er in dieser Lage nicht brauchen. Hier ging es um Leben oder Tod. „Angriff aus Grün 45:32,07...!« brüllte er aus der Verständigung. „Angriff aus Rot 23:08,56 und 76:72,89.« Angriff... Angriff... Angriff... ununterbrochen. Dabei arbeitete das Spezial-Ortungsgerät, das Terras Industrie in unglaublich kurzer Zeit entwickelt hatte, nicht besonders genau. Aber in der PRYMNO fragte jetzt niemand danach.
Fünf Raumungeheuer griffen das Schiff an, das in den freien Raum vorgestoßen war und aus sämtlichen To-Funkkanonen schoß. Angriff auf das Unsichtbare! Und wie warteten sie darauf, daß eins der Nor-ex sichtbar werden würde und damit ankündigte, daß es kurz vor dem Rückzug stand! „Jos... Jos!« tobte Sancho Torstradt schon wieder. »Sie erwischen uns, wie zwei mal zwei vier ist!« Vergessen war der Zweck, warum die PRYMNO über dem Planeten Arim stand, auf dem es bis vor wenigen Tagen die Rasse der Giants gegeben hatte. Jetzt ging es um ihr Leben. Und die Männer der Sternschnuppe kämpften wie verzweifelte Löwen. Sie wollte nicht mit ihrem Schiff ins Irgendwo geschleudert werden. „Kommandant, fortschreitende Eloxierung der PRYMNO auf den Sektoren D bis H!« Ein Zwanzigstel der Sternschnuppe war von diesem Teufelszeug schon überzogen. Größte Gefahr für das Schiff! Drei Konverter fielen kurz hintereinander aus. Fünf ToFunkstellungen schrien nach Energie. Die Kanonen konnten nur noch mit einem Drittel Leistung schießen! Sancho Torstradt hatte längst sein Fluchen aufgegeben. Wie eine Maschine gab er seine Befehle, während der Kopilot die Sternschnuppe flog. „Können wir nicht transistieren?« fragte Jos Aachten van Haag, als es einen Moment in der Verständigung ruhig blieb. „Bei der Fahrt?« brüllte ihn Torstradt an. Dann kriegen unsere To-Funkkanonen nicht mehr genug Saft, und gerade, wenn's soweit ist, schnappt uns eins der Teufelsdinger...« Sergeant Lamon hinter der Ortung bekam seinen Mund nicht mehr zu. Wie ein Geistesgestörter versuchte er zu zählen.
»Sieben... sieben... neun... acht... nein, doch neun... elf? Nicht elf? Doch? Nein! Nur acht... Große... große Milchstraße... Oberleutnant, jetzt sind's acht, aber die letzten drei sind anders!« Von allen Seiten in der kleinen Zentrale wurde der Sergeant angestarrt. War der Mann übergeschnappt? »Lamon, spinnen Sie?« fuhr Sancho Torstradt ihn an. Der hatte es gar nicht gehört. Den interessierte nur noch seine Ortung. Wieder bewegte er seine Lippen. Sie zitterten. Er zählte noch einmal. Angst stand in seinem langen, hageren Gesicht, das ihn älter machte als er war. Angst und Unsicherheit. »Sieben... acht... Acht, Oberleutnant, aber die letzten drei sind doch...« In nachtschwarzem Raum war ein grell leuchtender Stern geboren worden! Eine Nova? Eine Supernova? Blendendes Licht sprang von den Bildschirmen in die Zentrale der PRYMNO! Licht, das die Männer zwang, die Hände gegen die Augen zu pressen. Niemand konnte sich diese Erscheinung erklären. Jeder hatte mit sich selbst und seiner Angst genug zu tun. Langsam ließ die Blendung nach. Aber das Licht aus dem Raum war so stark wie im Augenblick des Erscheinens. Die Blenden hatten sich zu langsam geschlossen. Die Lichtmenge, die sie in die Zentrale hineinkommen ließen, war immer noch zu groß. Lamon hielt sich an seiner Ortung fest. Sah er nicht wie ein Verrückter aus? „Oberleutnant, die drei Nor-ex, die zuletzt aufgetaucht sind, sind...« Der Mann brachte keinen einzigen Satz zum Abschluß. »Zum Teufel, Sergeant, was ist denn los? Reden Sie!«
Aus der Bordverständigung kam die Meldung: »Eloxierungsprozeß hat auf Sektoren H bis M übergegriffen!« Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis die PRYMNO im Irgendwo verschwand. Endlich redete Sergeant Lamon. Die Besatzung in der Zentrale brach in schallendes Gelächter aus. Das verzweifelte Lachen von Todeskandidaten! Das Lachen Verzweifelter über einen Idioten. Ein unbarmherziges, grausames Lachen! Und Lamon verstand es, wie es gemeint war. Hochrot sein Kopf, die Hände geballt, hinter der Ortung aufgesprungen, schrie er alle an, auch den Kommandanten: »Ich bin nicht verrückt! Und wenn Ihr es hundertmal glaubt. Ihr seid nicht mehr normal! Ein Nor-ex hat eben das andere aufgefressen! Ja, ich sag's noch einmal: Aufgefressen!« In seinen Mundwinkeln standen Schaumblasen. Seine Augen waren fast so rot wie sein Gesicht. Er zitterte am ganzen Leib. Und dann konnte kein Mann in der Zentrale etwas sehen. Trotz der Blenden, die bis zum Minimum geschlossen waren. Im nachtschwarzen Raum gab es zwei neue Novae, zwei gigantisch große Lichtflächen, die grell und blendendweiß strahlten. Einem Hilfeschrei gleich der Ruf durch die Verständigung von der Waffensteuerung: »Wo bleiben die Koordinaten? Verdammt noch mal, worauf sollen wir denn schießen, wenn wir keine Zielangaben mehr bekommen?« Dieser Vorwurf galt Sergeant Lamon. Sancho Torstradt sprang auf ihn zu, wollte ihn auf seinen Platz zurückdrücken, streckte schon die Arme aus, als Lamon wieder saß. Aber er rührte sich nicht. Er schaltete nicht zur Waffensteuerung durch. Er schüttelte den Kopf, verlor die Röte auf dem Gesicht und sah den Kommandanten an.
Lächelnd. Ein tiefer Seufzer. Ein Blick in die Runde. Endlich ein Bewegen seiner Lippen, und dann sagte er: »Haben wir ein Schwein gehabt. Die Nor-ex sind weg, bis auf die drei, die zuletzt gekommen sind... die da so prachtvoll leuchten.« Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe standen zusammen, wo sie niemand stören konnte. »Was halten Sie davon, Tschobe?« flüsterte der GSO-Mann. »Übergeschnappt?« »Im Gegenteil. So normal wie wir alle. Hoffentlich stimmt nur, was er behauptet...« Unwillkürlich blinzelte er einen der Schirme an. Konnte eine Lichtquelle aus einer Entfernung von einem Lichtjahr noch diese Helligkeit verbreiten? Manu Tschobe war nicht nur Arzt, sondern auch ein erstklassiger Hyperfunkspezialist. Naturwissenschaftliche Gesetze waren ihm daher nicht fremd. Jos wunderte sich, als der Afrikaner auf den Sergeanten zuging, der gerade dem Oberleutnant etwas erklärte. »... und sie waren anders. Die Blips zeigten es mir doch. Was sage ich? Es war ein ganzer Blip-Strang, als das erste neue Nor-ex auftauchte. Zehn, zwanzig Amplituden überlagerten sich zum größten Teil. Und alle drei, die fast gleich auf dem Oszillo aussahen, rasten auf die normalen Nor-ex zu. Und jedesmal, wenn ein neues ein normales erreicht hatte, gab es diese Lichterscheinung. Nach dem drittenmal verschwanden die anderen.« »Jetzt soll kein Nor-ex mehr über Arim sein?« Torstradts Stimme war voller Zweifel. »Nein. Wir können es ja schnell nachprüfen.« Lamon sah nach rechts, wo sein Kollege das Bordgehirn bediente, und
deswegen die Struktur-Ortung vernachlässigt hatte. „Bill, ruf die Speicherung ab!« Die Projektion flammte auf. »Da!« sagte Lamon triumphierend, und noch einmal. Zwei Struktur-Erschütterungen hatte es in nächster Nähe gegeben. Die Koordinaten stimmten mit der Position von zwei Nor-ex genau überein! »Oberleutnant...« Einer seiner Offiziere deutete auf die Schirme. Das blendendhelle Strahlen ließ bei allen drei Lichtquellen nach, wurde dunkelrot und verschwand. »Dreifache Struktur-Erschütterung!« berichtete dieser Bill lakonisch. Lamon hatte Schweiß auf der Stirn stehen. Manu Tschobe, der ihn unauffällig beobachtet hatte, fragte sich nach dem Grund dieses Schweißausbruches. »Sterne und Boliden«, flüsterte der Sergeant. »War das nah! Großer Himmel, alle drei waren keine halbe Million Kilometer von uns entfernt. Gut, daß sie weg sind...« Da hatte Tschobe das Handgelenk des Sergeanten umklammert. Plötzlich konnte er Lamon scharf in die Augen sehen. »Haben Sie die ganze Zeit über gewußt, daß die drei Lichtquellen sich so nah befanden?« Der Sergeant grinste genüßlich. »Ja! Aber warum ich es nicht gemeldet habe? Können Sie sich das nicht denken? Weil ich nicht noch einmal als Idiot ausgelacht werden wollte.« Das verstand der Afrikaner. Er ging über diese Erklärung hinweg. »Und wie erklären Sie sich diese plötzliche Verschiebung von gut einem Lichtjahr auf knapp einer halben Million Kilometer?« Schüchtern war dieser Sergeant nicht. »Wahrscheinlich gab es bei dem Prozeß des Auffressens einen so starken Impuls, daß eine überlichtschnelle Beschleunigung auftrat.«
Wie recht er mit seiner laienhaften Angabe hatte, ahnte noch niemand. »Auffressen...« Manu Tschobe behagte dieser Ausdruck nicht, und ein zweiter Punkt machte ihn stutzig. »Lamon, wissen Sie, daß Sie unser Leben aufs Spiel gesetzt hatten, als Sie verschwiegen, wie nah die drei Lichtquellen... die drei Norex waren?« Sergeant Lamon hatte seine Ruhe wiedergefunden. »Das waren ja nicht die Nor-ex der alten Form, das waren andere... Strang-Amplituden. Direkt harmlos so was!« Tschobe ließ des anderen Handgelenk los, drehte sich nach Oberleutnant Sancho Torstradt um, und beide schmunzelten, als ihre Blicke sich kreuzten. Im nächsten Augenblick jedoch sah der Afrikaner schon wieder an ihm vorbei. „Torstardt, wenn ich Ihnen einen Tip geben darf, dann lassen Sie die PRYMNO vorläufig auf dem Kurs, nehmen sich Sergeant Lamon bei der Hand und verfassen gemeinsam einen Bericht, der schnellstens in Cent Field sein muß. Ich habe das Gefühl, daß sich hier etwas anbahnt, das wir in seinen Folgen noch nicht übersehen können.« Torstradt schüttelte den Kopf. „Ich habe einen besseren Vorschlag, Tschobe. Verfassen Sie mit Lamon den Bericht. Sie verstehen genug von Technik, um das erledigen zu können. Sie sind in Alamo Gordo und Cent Field viel besser angeschrieben als ich. Großer Himmel, wenn ich mich erinnere, wie Marschall Bulton mich angebrüllt hat, als ich ihm meldete, wir müßten uns mit fünf Nor-ex herumschlagen... Nein, ich bin nicht in der seelischen Verfassung, jetzt einen Bericht zu schreiben.« Mann Tschobe dachte an seine Giants und deren Rätsel, die er auflösen wollte. »Okay, und ich hoffe, Ihnen versprechen zu können, daß Marschall Bulton Sie beim nächsten To-Funkgespräch nicht mehr anbrüllen wird... Lamon, kommen Sie mit in meine
Kabine. Wir haben leider angestrengt zu arbeiten, während diese Herren hier faulenzen dürfen.« Man protestierte noch, als er mit Lamon über das Hauptdeck seiner Kabine zuging. * Ren Dhark raste über die erste Galerie des gigantischen Triebwerks. Arc Doorn hockte vor seinem Arbeitsplatz. Der Commander bemerkte, daß der Sibirier sein Kommen nicht hörte. Einmal blickte er sich um, ob ihm Miles Congollon folgte, der seinen Platz wieder vor den Kontrollen eingenommen hatte. Aber der Chefingenieur sah ihm nicht einmal nach. »Doorn!« Er packte ihn am Oberarm, riß ihn herum und hoch. Der Sibirier fluchte. Werkzeug fiel ihm aus der Hand, er erkannte den Commander, und der Ärger aus seinem Gesicht verschwand schnell. »Doorn, alles wird reflektiert! Alles! Verstehen Sie, was los ist?« Der andere nickte. »Dann kann ich hier die Schachtelsätze wieder so hineinpacken, wie sie gesessen haben. Volle Reflexion?« Dhark nickte. Arc Doorn rührte sich nicht. »Dann schießen wir uns selbst ab, wenn wir eine einzige Waffe einsetzen?« Dhark nickte. Er war bis ans Geländer zurückgetreten, lehnte sich dagegen und wartete ab, obwohl er wußte, daß jetzt jede Sekunde unersetzbar war, die sie vertrödelten. Er sah den Sibirier einen Blick durch den Triebwerksraum werfen, der im dunkelroten Licht unwirklich, gespenstisch aussah.
»Es wird kräftiger, stärker...« Es, das war das leuchtende Dunkelrote, das Unerklärliche, das durch die Unitallwandung hereinkam. Ununterbrochen. Doorn hatte die Worte gemurmelt. »Es wird kräftiger... Und was wird gleich aus unseren Konvertern?« Daran hatte Ren Dhark die ganze Zeit gedacht. Seine Befürchtung war fast zu Gewißheit geworden, daß die POINT OF eine überdimensionale Bombe war, die bald explodieren mußte. Wenn überall alles reflektiert wurde, dann mußte auch die Steuerung der Konverter versagen, und diese Anlagen jagten sich zum Schluß selbst in die Luft. An Bord würde niemand viel davon bemerken. Doorn, dachte er, warum findest du jetzt keinen Ausweg? Doorn, beweise, daß du über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügst! Er blickte auf seinen Handrücken. In dieser schauerlichen Beleuchtung hatte seine Haut eine fahle Farbe bekommen. Leichenfarbe! Unten vor dem Triebwerksatz hatte sich die Schicht versammelt, die hier Dienst machte. Die Männer starrten zur Galerie hinauf, und Ren Dhark fühlte ihre Blicke gleich glühenden Nadeln auf seinem Rücken brennen. Sie erwarteten, daß er sie in Sicherheit brachte. Noch glaubten sie an ihn und sein Können! Der Sibirier senkte den Kopf, zuckte Mutlos mit den Schultern. Mit der Hand machte er eine Geste, die überall hinwies. Überall, wo das dunkelrote Glühen war. »Fünfdimensional?« „Wahrscheinlich, sonst könnte es nicht durch die Unitallwandung kommen...« Das grobporige Gesicht des gedrungenen Mannes verzog sich zu einer Grimasse. »Glaub' ich nicht, Dhark. Widerspricht
physikalischen Gesetzen. Holen wir das verdammte Leuchten nicht selbst herein?« Dhark war drauf und dran, ihn anzuschreien, daß er keine Lust habe, sich zu unterhalten, sondern auf einen Hinweis warte, der sie aus dieser Lage herausbrachte. Seine Finger schraubten sich um das Geländer der Galerie und drückten so fest sie konnten zu. „Haben Sie die Richtung bemerkt, aus der es hereinströmte?« Dhark schüttelte den Kopf. »Es kam aus allen Richtungen. Von oben, unten, rechts und links. Wenn's nicht fünfdimensional ist, dann holen wir es 'rein. Bloß womit?« Der Commander fühlte, daß er nicht mehr die Kraft besaß, Doorns Monologen noch länger zu folgen. Die Enttäuschung, daß ihm der Sibirier nicht weiterhelfen konnte, hatte auch Gewicht. Der kratzte seinen Kopf. „Ich habe Angst davor, daß Bulton Unfug macht und das Nor-ex unter To-Funkbeschuß nimmt. Wenn das Dunkelrote draußen genauso existiert wie hier drinnen, dann sind wir organisch ein Bestandteil des Nor-ex geworden und werden mit hm verschwinden, sobald es sich dem To-Funkbeschuß durch Flucht und Transition entzieht.« Eine lange Rede für den wortkargen Arc Doorn. Viel zu lang für Ren Dhark. »Doorn, ich habe von Ihnen einen Tip erwartet...« »Tja, versuchen wir es einmal damit, unser künstlich erzeugtes Gravitationsfeld abzuschalten. Vielleicht ist das der Weg, über den wir das dunkelrote Leuchten hereinholen. Ich meine, es müßte so sein...« Ren Dhark wußte, welche Gefahr in diesem Versuch steckte. Das Nor-ex brauchte nur in dem Moment stark zu beschleunigen, in dem das Gravitationsfeld in der POINT OF nicht mehr bestand, und die gesamte Besatzung klebte
plattgedrückt und zerrissen gleich einer schmutzigen Folie an den Wänden! „Dhark, ich würde es versuchen, bei allem Risiko!« „Das soll ich verantworten, Doorn? Und was erreichen wir damit? Das ändert an unserer Lage nicht das geringste!« Dhark starrte zu Boden. »Nein«, sagte er schroff, stutzte im gleichen Moment und ahnte nicht, daß seine braunen Augen strahlten. „Arc, ich werde den Versuch machen, selbst wenn er uns nur den Schritt weiterbringt, daß das dunkelrote Leuchten aus dem Schiff verschwindet. Hoffentlich haben Sie recht!« Verdutzt blickte Doorn dem Commander nach, der wieder über die Galerie zurücklief und es jetzt ebenso eilig hatte, in die Zentrale zu kommen, wie eben in diesen Triebwerksraum. Im Leitstand übersah er alle fragenden Blicke. Rundspruch an alle! »Achtung, wissenschaftliche Station! An Besatzung. Zeitvergleich...« Er gab die Normzeit durch. »Jetzt...! In dreißig Sekunden wird das Gravitationsfeld der POINT OF abgeschaltet. Voraussichtliche Dauer etwa fünf bis zehn Minuten. Jeder hat für festen Halt zu sorgen. Achtung, noch fünfzehn Sekunden...« »Was hast du denn vor?« fragte Dan Riker bestürzt. »Ren, wenn das Nor-ex plötzlich beschleunigt...« Dhark winkte ab. Die nervenzerreißende Ungewißheit war schlagartig von ihm gewichen. Mit Spannung wartete er darauf, ob es ihm mit dieser Methode gelang, dieses starke Depressionen auslösende dunkelrote Leuchten aus dem Ringraumer zu entfernen oder zum Erlöschen zu bringen. Mit Fingerdruck löste er eine Sperre. Linken Ringfinger auf den Schalter. X minus Null! Der Schalter kippte in die Nullstellung. In der POINT OF herrschte keine Schwerkraft mehr.
Überall im Schiff klang Stöhnen und Fluchen auf. Wer von der Besatzung war noch an diesen Zustand der Schwerelosigkeit gewöhnt? Ein Novum in dem Ringraumer, in dem nach Belieben hohe oder niedrige Gravos herrschen konnten. Auch Dhark hielt sich mit einer Hand am Sessel fest. Mit schwachem Druck des linken Fußes hatte er darin eine Schwenkung von hundertachtzig Grad gemacht und übersah aus dieser Position die gesamte Zentrale. Er sah in die Luft! Er sah in das dunkelrote Leuchten hinein, das die normale Beleuchtung übertönt hatte. Aber im Gegensatz zu Doorn, der beobachtet haben wollte, daß das Unheimliche von allen Seiten ins Schiff gedrungen war, konnte er keine Bewegung feststellen. Fehlschlag, dachte er, und er mußte sich zusammennehmen, um seine Enttäuschung nicht zu zeigen. Doorns Vorschlag war also auch falsch!? Da ließ er vor Überraschung die Lehne seines Pilotsitzes los, machte eine unkontrollierte Bewegung und segelte, langsam höher steigend, durch die Kommando-Zentrale. Schlagartig war das dunkelrote Leuchten verschwunden! Im Leitstand gab es nur das Normallicht! Das konnte er noch feststellen. Im nächsten Augenblick wurde es ihm schwarz vor den Augen. Mehr instinktiv als bewußt erfaßte er, daß das Nor-ex gerade in dieser Sekunde beschleunigt hatte. Oder hatte es nur auf diese Gelegenheit gewartet? Er fühlte, daß er in die Tiefe stürzte. Dann gab es nichts mehr. Für ihn und alle anderen im Flaggschiff der Terranischen Flotte! *
Zwei Kreuzer der Terranischen Flotte machten gleichzeitig dieselben Manöver im Raum. Die WEGA vor dem System, in dem sich die neue Heimat der NOGKS befand, und die CATTAN unter Colonel Larsen, der Esmaladan anfliegen sollte. Zwei Lichttage vor dem System der Nogks stand die WEGA im freien Fall. Wir sind zu spät gekommen, dachte Huxley schon zum hundertsten Male, und wir haben unsere besten Freunde in der Galaxis im Stich gelassen! Ruhelos wanderte er in der Zentrale auf und ab. Seit einer halben Stunde strahlte der Sender der WEGA mit höchster Leistung einen Dauerruf ab, und seit dieser halben Stunde wartete Huxley darauf, Antwort zu bekommen. Doch die Stationen der NOGKS schwiegen. Wieder warf er einen Blick auf das Bord-Chrono. Abrupt riß er sich herum. »Kurz-Transition anlaufen lassen!« schnarrte seine Stimme. »Endlich!« stieß der Erste erleichtert aus, der die WEGA übernommen hatte, schaltete die Bordversändigung ein und gab die X-Zeit bekannt. F. Huxley war entschlossen, den Planeten der Nogks anzufliegen und darauf zu landen. Er mußte wissen, was aus seinen Freunden geworden war, die ihn zum beständigen Rat des Imperiums ernannt hatten – ihn, den Terraner F. Huxley! Zur gleichen Zeit standen neben Ralf Larsen die Utaren Ga Gasogu, Ya Yaki und Mu Mudo. Sie warteten auch auf Antwort ihres Spruches. Leutnant Kerr von der BERNHARDTS STAR, der neben drei anderen Männern den Flug der CATTAN als Dolmetscher mitmachte, hielt sich im Hintergrund auf. Die Knopfaugen der blauhäutigen Utaren zeigten weder Unruhe noch Ungeduld. Gelassen standen die kleinen Humanoiden neben dem Riesen Larsen und verschmähten es, einen Blick auf das Bord-Chrono zu werfen.
Kerr als Dolmetscher mußte heran. Die drei Utaren hatten ihm gegenüber viel von ihrer Reserviertheit aufgegeben und sogar schon einige Male fertiggebracht zu lachen. Doch jetzt bestand kein Anlaß dazu. Esmaladan lag nach wie vor unter einer energetischen Glocke und hatte der CATTAN noch immer keine Einfluggenehmigung ins System gegeben. „Kerr, sagen Sie diesen Utaren, daß der Prallschirm um den Planeten für die Katz' ist. Sagen Sie es unseren Freunden mit aller Deutlichkeit!« Kerr nickte. »Ich werde es versuchen, aber ich glaube an keinen Erfolg. In ihrer Mentalität unterscheiden sich die Utaren beträchtlich von uns Terranern. Vielleicht liegt es daran, daß sie seit Jahrhunderten sich immer wieder neue Planeten suchen mußten, auf denen sie sicher zu sein glaubten. Aber, bitte...« Er übersetzte. Ya Yaki schüttelte den Kopf, deutete auf Ga Gasogu und erwiderte: »Wenn die Weisheit beschlossen hat, uns noch nicht einfliegen zu lassen, dann hat sie ihre triftigen Gründe. Wie Ga Gasogu schon gesagt hat, wir sollten geduldig warten, bis uns die Erlaubnis erteilt wird.« »Und wenn in dieser Zeit Esmaladan erneut vom Nor-ex angegriffen wird?« fiel ihm Kerr ins Wort. »Dann hat es die Ewigkeit bestimmt!« erklärte Ya Yaki gelassen. Larsen, dem man nicht mehr ansah, daß er eine schwere rSchädigung überwunden hatte, bemerkte ungeduldig: „Na, schön. Dann warten wir. Aber was ist unter dem Ausdruck Ewigkeit zu verstehen. Ich habe ihn schon zum drittenmal gehört!« Kerr lächelte dünn. „Darauf werden Sie wohl nie eine Antwort erhalten. Wir haben uns auch schon die Hörner abgestoßen. Kein Utare spricht über die Ewigkeit. Es scheint
das Heiligste zu sein – vielleicht Gott, Schicksal oder wer weiß was.« »Okay, dann bleiben wir eben im freien Fall und üben uns in Geduld. Kerr, sagen Sie den Utaren, daß ich noch zu tun habe.« Er kam nicht bis zur Tür. Aus Cent Field lief ein To-Spruch ein. Ein über das andere Mal strich sich Ralf Larsen über sein Haar, schüttelte den Kopf und lachte dann sogar einmal auf. »Tschobe spinnt ganz schön«, murmelte er, als er las, daß über dem Planeten Arim eine besondere Sorte Nor-ex andere gefressen haben sollte. »Und diesen Unsinn funkt der TF-Stab auch noch hinter uns her?« Den Abschlußsatz des Funkspruches konnte er nicht mehr lesen. Über die Bordverständigung kam die Durchsage: »Colonel, wir haben ein Nor-ex in der Ortung, aber das Ding sieht ganz anders auf dem Oszillo aus als sonst...« »Distanz?« verlangte Ralf Larsen zu wissen. »2,3 Lichtjahre. Es jagt mit 0,6 Licht am Yaga-System vorbei!« »Wie sieht es aus?« Und was er gerade in dein Funkspruch gelesen hatte, der ihm aus Cent Field zugestrahlt worden war, bekam er jetzt noch einmal zu hören. »Ich komme 'rüber! Das muß ich mir ansehen!« unterbrach der Colonel den Mann hinter der Ortung, und während er schnellen Schritts auf die Zentrale zuging, wunderte er sich, wie schwer es ihm fiel, auf einmal an zwei Arten von Nor-ex zu glauben. Eine Sorte, die Schiffe, Städte und Lebewesen verschwinden ließ, und eine andere, die diese gefräßigen Nor-ex auf fraß. »Blöder Ausdruck – auffressen...«, murmelte er unzufrieden, stand dann am Oszillo und durfte sich die erste StrangAmplitude ansehen. Zu sagen hatte Colonel Ralf Larsen danach nichts mehr!
* Auf die hundertstel Bogensekunde genau waren die ToFunkantennen der Abwehrforts des Eisplaneten Pluto auf das Nor-ex gerichtet, in dem die POINT OF seit Stunden steckte. Kleine, aber leistungsfähige Suprasensoren sorgten dafür, daß dieser Genauigkeitswert auch nicht durch die Rotation des Planeten verändert wurde. Die Raum-Radar-Station I war zur Waffensteuerung geworden. Drei Majore hatten die Aufgabe erhalten, aus allen To-Funkkanonen gleichzeitig den Angriff auf das Nor-ex zu eröffnen. Letzte Kontrollgespräche mit den beiden Flash 004 und 005. Cent Field mischte sich ein. Stab der TF. Marschall Bulton persönlich. Er sprach nicht viel. Nur einen Satz. »Jagen Sie das Nor-ex zum Teufel und holen Sie die POINT OF heraus!« Jeder auf Pluto hatte diesen Wunsch. Dann kam X minus Null. Ein einziger Knopf wurde gedrückt. Aus einem der vielen kleinen Separatsender ging ein Impuls zu sämtlichen ToFunkstellungen. Im gleichen Moment jagten überlichtschnelle gebündelte und verstärkte Hyperfunkstrahlen ihrem Ziel zu. 326 Forts griffen ein Nor-ex an! Und das, was nur durch die Ortung sichtbar zu machen gewesen war, tauchte mit einemmal auf dem Bildschirm, dessen Optik darauf gerichtet war, als grellweiß strahlender Fleck auf! Nach ein paar Sekunden Beschuß! Das war noch nie dagewesen! Aber ein Nor-ex war auch noch nie von stationären Feuerstellungen angegriffen worden. Jeder wartete darauf, daß sich das grellweiße zum Dunkelrot veränderte. Und abermals verlief der Ablauf anders!
Das Nor-ex verschwand in einer außergewöhnlich starken Struktur-Erschütterung aus dem Raum-Zeit-Gefüge! »Haben Sie die POINT OF in der Ortung?« fragte Marschall Bulton erregt von Terra aus, der durch To-Funk mit der Station auf Pluto in Verbindung stand. Zur gleichen Zeit rief Pietr Wonzeff seinen Kameraden Rul Warren in der 005 an. »Rul, können Sie den Ringraumer finden? Meine Ortungen zeigen nichts!« Schweigen in Wonzeffs Empfang. »Warren...« Da kam die Antwort. »Pietr, die POINT OF ist mit dem Norex verschwunden! Bomben und Boliden, Sie mit Ihrem unguten Gefühl haben recht gehabt! Große Milchstraße, jetzt ist der Commander da, wo die anderen verschwundenen Raumer sind...« Im kleinen Stabs-Saal der TF sah Marschall Bulton aus verschleierten Augen Colonel Neep von der BERNHARDTS STAR an. »Neep, warum habe ich Sie nur zum Colonel gemacht?« fragte er dumpf und verließ wie ein geschlagener Mann den Raum. Seine Offiziere wagten sich gegenseitig nicht anzusehen. Jeder fühlte sich für das Verschwinden des Commanders und der POINT OF mitverantwortlich. * Die PRYMNO war auf Arim, der Welt der Giants, gelandet. Manu Tschobe hatte keine Ruhe gelassen und in Jos Aachten van Haag die beste Unterstützung gefunden. Oberleutnant Sancho Torstradt hatte an und für sich keinen Grund, sich der Landung seines Schiffes zu widersetzen, denn vom Stab der TF war nach Absendung des langen Berichts kein neuer Befehl gekommen, unverzüglich Terra anzufliegen.
Dennoch hatte er mit gemischten Gefühlen seine Sternschnuppe auf dem für Menschen unbewohnbaren Planeten gelandet. Mit Hilfe des Geographons war die obere Rinde Arims durchforscht worden. Die maximale Tiefenweite des Gerätes reichte bis 13,5 Kilometer. Der spezialprogrammierte Suprasensor übernahm dabei die Aufgabe, sofort alle erfaßten Erdschichten zu identifizieren. Irrtümer konnten nicht passieren, weil das Geographon narrensicher war. Nur noch drei giantische Tiefkühltruhen hatte man gefunden; drei von ein paar tausend. Alle anderen waren von Nor-ex aus der Tiefe gerissen worden und dann im Irgendwo verschwunden. Der Boden um die Sternschnuppe herum war mit tiefen Kraterlöchern übersät. Unvorstellbar hatten die Nor-ex hier gehaust und aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Cal verschwinden lassen. Noch einmal war das Geographon auf die Tiefkühltruhe angesetzt worden. Das Resultat kam kurz darauf: Tiefkühltruhe, unbekannter Kunststoff. Ausmaße: 1973 Meter lang, 1087 Meter breit und 803 Meter hoch. Es waren Daten, die den Menschen aus dem Granat-System her bekannt waren. Aber dieses Gehäuse war nicht von einer Eisbarriere umgeben! Das stand im Gegensatz zu den Erfahrungen der Männer. Manu Tschobe drängte, daß es weiterging. »Torstradt, setzen Sie ein Tremble-Schockgeschütz ein. Wie sollen wir sonst an die Truhe in 2043 Meter Tiefe herankommen. Aber man soll mit Fingerspitzengefühl den Strahl loslassen. Die Truhe darf unter keinen Umständen beschädigt werden, sonst laufen uns am Ende noch alle Giants, die darin stecken, auseinander!« Er, Manu Tschobe, und auch Maitskill hatten ihre Erfahrungen mit den Raubtierköpfen gemacht, und auf Mounts,
einem Planeten des Giant-Systems, war von vielen Terranern beobachtet worden, daß der Untergangsprozeß bei den Giants darin bestand, zu Brei zu werden und auseinanderzufließen. Eine Tremble-Schockantenne wurde ausgefahren, ein 45 Meter langes, spiralförmiges Hohlrohr, das beim Feuern ununterbrochen unter minus 200 Grad Celsius gehalten werden mußte. Sancho Torstradt gab den Feuerbefehl, und die Männer in der Zentrale verfolgten über den Bildschirm, wie der Strahl, der jede Materie in seiner molekularen Struktur auflöste, sich tiefer und tiefer fraß. Der Oberleutnant hatte starke Bedenken gegen dieses improvisierte Unternehmen. »Und wenn wieder Nor-ex auftauchen...?« Jos mischte sich ein. »Vergessen Sie Major Neeps Bericht nicht. Bestrahlen Sie uns mit To-Funk, aber kräftig, und mit den anderen Kanonen greifen Sie diese Biester an. Ansonsten machen Sie sich um uns etwas weniger Sorgen.« »Sie haben gut reden«, murmelte Torstradt, »zum Schluß trifft mich die Verantwortung, wenn etwas schiefgeht!« »Durch! Ziel erreicht!« Die Hohlrohr-Antenne emittierte keine Tremble-Schock-Energien mehr. Zwei Konverter im Schiff schalteten sich selbst auf Null zurück. »Okay, dann kann's losgehen!« entschied Manu Tschobe und gab seinen Kollegen über die Bordverständigung Nachricht. Mit drei Jetts, die Jos noch kurz vor dem Start der PRYMNO von Cent Field organisiert hatte und zu der Spezialausrüstung der GSO gehörten, verließ das Team die Sternschnuppe. Flug in die Tiefe! Ein gefährliches Unterfangen. Wenn die Wände einstürzten, gab es für die Männer keine Rückkehr mehr. Niemand dachte daran. Jeder der fünfzehn Experten fieberte darauf, endlich zu erfahren, welcher Art Intelligenzen die Giants waren. Manu Tschobe, der auf einem Satelliten des Granat-Systems zusammen mit Ren Dhark und anderen eine Tiefkühltruhe
betreten hatte, erinnerte sich der Schwierigkeiten, die ihnen damals begegnet waren. Noch einmal warnte er seine Kollegen, dann setzten die drei Jetts nacheinander vor einer Schleuse auf. Vierzehn Ärzte und der GSO-Mann Jos seilten sich an. Tschobe ließ zehn Meter Seil nachkommen und suchte an der Schleuse den Kontakt, mit dem sie zu öffnen war. Hinter seinem Rücken lagen die anderen, die Füße gegen Vorsprünge gestemmt, die Finger in den Boden gekrallt. »Ein Kaltluft-Orkan wird uns anspringen, wenn die Schleuse sich öffnet!« hatte der Afrikaner prophezeit. Sie sprang auf, aber ein Orkan schoß aus der Öffnung nicht hervor. Manu Tschobe musterte mißtrauisch sein SpezialThermometer. Es zeigte keinen unterschiedlichen Wert an! Aus der Schleuse kam auch keine Kälte! Der Afrikaner drehte den Scheinwerfer auf, gab seinen Kollegen das Zeichen, ihm noch nicht zu folgen. Er hatte die energetische Sperre mit Einweg-Charakter nicht vergessen, die sie damals angetroffen hatten. Ren Dhark war dabei fast ums Leben gekommen, als er drauf und dran gewesen war, in einen Abschirm-Reflektor zu treten! Tschobe fand weder das eine noch das andere. Ungehindert konnten sie eindringen. Abgabe eines Kurzspruches an die PRYMNO! »Hoffentlich rufen Sie nie um Hilfe, Tschobe...« Der überhörte Sancho Torstradts Besorgnis. Rechteckig war der Tunnel vor ihnen, vier Meter hoch und knapp drei Meter breit. Sie kamen schnell vorwärts. Die Außenmikrophone ihrer M-Anzüge übertrugen nur ihre Schritte. Sonst war nichts zu hören. Nach einigen Minuten stoppte Tschobe, der von Jos Aachten van Haag begleitet wurde. Strahlenförmig zweigten an dieser Stelle Tunnel nach allen Seiten ab. Jeder Gang war durch eine Schleuse geschlossen.
»Vorsicht!« warnte Tschobe, der immer noch auf einen Kälte-Orkan wartete. Die Männer lehnten sich mit den Rücken gegen die graue, glatte Wand, waren auf alles vorbereitet, aber dann ereignete sich abermals nichts, als die Tunnelschleuse aufsprang. Scheinwerferstrahlen hellten das Dunkel auf. Scheinwerferstrahlen trafen auf transparente Behälter, aber alle Behälter waren leer! Alle! Der Afrikaner wollte es nicht glauben. »Das kann nicht wahr sein!« Auch seine Kollegen hofften noch. Nur Jos hatte seine eigenen Bedenken. »Vielleicht sind hier niemals Giants eingelagert gewesen. Ich...« Aus der Richtung, aus der sie gekommen waren, wirbelte plötzlich Staub und Rauch herein. Dumpfes fernes Grollen übermittelten ihre Außenmikrophone. Zitterte der Boden nicht? Rauch- und Staubwolken wurden dichter. Die Scheinwerferstrahlen besaßen nach wenigen Sekunden nicht mehr die Kraft, sie zu durchdringen. Da meldete sich Tschobes Vipho. Die PRYMNO rief sie. In der Zentrale der Sternschnuppe war beobachtet worden, was sich hinter ihrem Rücken und über ihnen abgespielt hatte. Sie waren verschüttet! Der Kollege, der bei den drei Jetts zurückgeblieben war, gab kein Lebenszeichen mehr von sich. In zweitausend Meter Tiefe waren sie gefangen! Schweigen unter den Männern. Bestürzung auf ihren Gesichtern. Dazu kam auch noch, daß sie dieses Risiko am ungeeigneten Objekt eingegangen waren. »Mit einem Tremble-Schock-Strahl wird die PRYMNO einen neuen Schacht bohren«, sagte Tschobe und konnte sich nicht erklären, warum er daran selbst nicht glaubte.
Da krachte es um sie herum. Spürbar zitterte jetzt das gesamte Gefüge dieser riesigen Kunststoff-Truhe. Ein Mann schrie auf, sein Scheinwerfer beleuchtete den Gang, durch den sie gekommen waren. Steine und Erdreich quollen unter einem unbeschreiblichen Druck langsam, aber auch unaufhaltsam herein. Sie mußten zurück. Sie mußten vor dieser Katastrophe fliehen, sie mußten tiefer hinein in den giantischen Behälter. »Haben Sie noch mit der PRYMNO Verbindung?« fragte Jos den Afrikaner. »Natürlich.« Tschobe schwieg. Wieder drückte er die Ruftaste. Noch einmal, aber die Kontrolle an seinem Gerät flammte nicht auf. Schwer nickte Jos, der das vergebliche Bemühen des anderen beobachtet hatte. Um die Gruppe nicht zu beunruhigen, beließ er es dabei. Sie verstanden sich auch so; ihre Lage war, wenn nicht ein Wunder eintrat, hoffnungslos. Was aber konnte mit der Sternschnuppe PRYMNO passiert sein? * Sie raste einem Nor-ex entgegen, das Lamon geortet hatte. Im Blitzstart war die Sternschnuppe gestartet, hatte darauf verzichtet, A-Grav einzusetzen, und war mit allen AsOnentriebwerken, die auf Vollast geschaltet worden waren, durch die dichten Luftschichten Arims dem freien Raum zugejagt. * »Wir müssen etwas tun!« drängte Jos, der sich nicht zum erstenmal in seinem Leben einer ausweglosen Situation gegenübersah.
»Wir müssen versuchen, einen zweiten Ausgang zu finden. Bestimmt haben die Giants Notausgänge angelegt!« Jeder war mit diesem Vorschlag einverstanden. Wieder übernahm Manu Tschobe die Führung, assistiert von Jos Aachten van Haag. »Versuchen wir es am anderen Ende!« Sie legten ein scharfes Tempo zwischen den leeren transparenten Behältern vor. Sie schauten weder rechts noch links. Dreimal mußten sie kleine Tunnelschleusen passieren. Dreimal zweigten Tunnel in alle Richtungen ab. »Weiter! Genau geradeaus weiter.« Stille im Helmfunk, nur das Atmen der Männer zu hören. Plötzlich ein Schrei von Maitskill. Alle rissen sich zu ihm herum. Jeder schickte seinen Blick in die Richtung, in die seine Hand wies. Einige Meter hinter ihnen lagen fünf Giants in transparenten Behältern! Fünf, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Augen geschlossen und die beiden Armpaare über dem schlanken Körper gekreuzt! »Giants... also doch...« Manu Tschobe hatte vor Erregung nicht mehr laut sprechen können. »Giants...« Hatte er vergessen, daß sie in zweitausend Meter Tiefe eingeschlossen waren und sich die Sternschnuppe nicht mehr meldete? Er hatte alles vergessen! Er sah sein Ziel vor den Augen, zu erforschen, welches Geheimnis diese Raubtierköpfe, die All-Hüter, mit sich trugen. Wie ein Mensch, der aus tiefem Schlaf gerissen wird, sah er seine Kollegen an, als zum Weitermarsch gedrängt wurde. »Ich...? Ich bleibe hier. Und der Organ-Detektor bleibt auch hier. Ich halte keinen zurück. Aber ich komme nicht mit. Nicht einmal ein Blaster bringt mich von der Stelle!«
Er hatte taube Ohren. Er schüttelte nur den Kopf und dachte: Hoffentlich macht Maitskill mit. Auf die anderen können wir zur Not verzichten. Jos schüttelte ihn grob. »Tschobe, geben Sie nicht den Narren ab. Niemand hat was davon, wenn Sie zurückbleiben...« Der blitzte ihn aus seinen dunklen Augen wütend an. »Nein, niemand hat etwas davon? Okay, es ist möglich, daß ich hier draufgehe, aber dann werden immer noch die Bandaufnahmen vorhanden sein, und die sind wichtiger als meine Person. Jos, verschwinden Sie mit den anderen. Ich halte Sie doch nicht auf. Gehen Sie endlich, damit ich mit meiner Arbeit anfangen kann!« Der vom Forschungstrieb besessene Arzt hatte gesprochen. »Tschobe, Sie sind der Chef dieser Gruppe! Sie haben uns hier 'reingebracht. Ihre Pflicht ist es, uns auch wieder ans Tageslicht zu bringen!« Jos hoffte, ihn mit diesem Appell zu einem anderen Entschluß bringen zu können. Manu Tschobe dachte nicht daran. »Ich bleibe hier!« »Und ich auch!« Damit stellte sich Maitskill demonstrativ an seine Seite. Der Afrikaner freute sich wie ein kleines Kind. »Jos, übernehmen Sie den Haufen, und vergessen Sie Maitskill und mich. Wenn Sie rauskommen, dann finden wir den Weg nach oben auch... Maitskill, überprüfen Sie den Organ-Detektor... und dann an die Arbeit!« »Nein!« widersprach Jos scharf, der mit dieser Entscheidung hoffte, Tschobe zur Vernunft und Einsicht zu bringen. »Die Geräte werden Ihnen nicht ausgehändigt. Auch den OrganDetektor haben Sie wieder herauszugeben. Er gehört zur Ausrüstung der Medo-Station in der POINT OF. Ich...« Jos hatte den Afrikaner unterschätzt. Manu Tschobe zielte mit zwei Blastern, die er blitzschnell hochgerissen hatte. »Van Haag, ich bin um eine Idee schneller
als Sie... Los, die Tragetaschen absetzen, die Hände hochnehmen und verschwinden! Wenn ich bitten darf... Tempo, meine Herren, Tempo! Am besten, Sie rennen jetzt um Ihr Leben!« Das war der alte Kämpfer, der im Höhlensystem auf Deluge zusammen mit Ren Dhark und dessen Freunden Roccos Kumpanen das Leben zur Hölle gemacht hatte, nachdem man sie vorher wie Hasen gejagt hatte. Jos Aachten van Haag hätte ihn hereinlegen können. Der Agent tat es nicht. Er war zu klug, diesen extremen Zwischenfall auf die Spitze zu treiben und dadurch seine Gruppe psychisch zu belasten. »Okay«, sagte er lässig, »Sie sollen Ihren Willen haben... Sachen absetzen, Hände hochnehmen und gehen, meine Herren!« Er war es, der dem Afrikaner und Maitskill den Rücken zukehrte und sich in Bewegung setzte. Alle folgten ihm. Nur einer nicht. Er war stehengeblieben, sah seinen Kollegen nach, drehte sich dann zu Tschobe und Maitskill um und erklärte einfach: »Ich bleibe auch hier, wenn Sie mich haben wollen.« Es war Roger Sandikk, 31 Jahre alt, und ein aufgehender Stern auf dem Gebiet der Humanoid-Forschung. »Fein«, sagte Manu Tschobe, »dann können wir anfangen.« Und sie machten sich daran, einen Behälter vorsichtig herauszuziehen. * Grelle Blitze! Flog die Bildkugel auseinander? Heulen in der POINT OF, Brüllen, Kreischen, Toben! Der Ringraumer zitterte mit seiner ganzen Zelle!
Fratzen aus energetischen Flächen tauchten auf, verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Das Dunkelrote versuchte wieder hereinzukommen und schaffte es doch nicht. Licht – Dunkelheit – Licht und wieder Dunkelheit! Der Wechsel schlug zu, wie ein Titan mit beiden Fäusten zuschlägt! Ein Schrei! Ein gellender Schrei eines Menschen, der sich zwischen Bewußtlosigkeit und Wachwerden befindet. Ein Schrei, in dem alle Angst lag, die ein Mensch empfinden kann! Ren Dhark schrie! Er lag am Boden der Kommando-Zentrale und schrie – schrie sich wach! Licht – Dunkelheit – Licht und wieder Dunkelheit! Das änderte sich nicht, auch als er sich stöhnend aufraffte und auf den Knien zum Pilotsitz wankte. Dan Riker hing bewußtlos in seinem Sessel. Mehr sah er im grellen Aufblitzen nicht. Sein Schiff schrie! Oder bildete er sich das nur ein? Er zog sich in seinen Sessel hoch, brach darin fast zusammen. Sein Kopf wollte auf die Brust fallen, und unwillkürlich glitt sein Blick über die Instrumente. Grün- und Rot-Kontrollen! Sie leuchteten auch in der Dunkelheit, und sie waren zu sehen, wenn die Bildkugel Blitze ausspie! Die POINT OF flog! Sie wurde geflogen! Sie war kein steuerloses Schiff! »Großer Himmel, was war...?« Er hielt sich an den Lehnen fest. Er schluckte. Die Kontrollen – was war damit?
Sein Denken setzte wieder ein. Langsam zuerst. Das Nor-ex. Er erinnerte sich daran, und dann, als wieder einmal die Bildkugel ein halbes Dutzend Blitze aufzeigte, die aber gar nicht wie normale Blitze oder Entladungen aussahen, begriff er. Er war durch die Luft geflogen, schwebend. Im gleichen Moment war das Dunkelrote aus der Kommando-Zentrale verschwunden. Und dann? Dann mußte das Nor-ex beschleunigt haben – das Nor-ex, das auf diesen Augenblick nur gewartet hatte! Aber stimmte sein Verdacht? War alles so der Reihe nach abgelaufen? War...? Er brachte die Arme hoch. Er hatte an seine Mannschaft gedacht. Die letzten Kräfte wurden in ihm wach. Seine Fingerspitzen lagen auf den Steuerschaltern. Er machte nur zwei Versuche, den dritten unterließ er. Die Steuerung war gesperrt! Die POINT OF gehorchte nicht mehr seinem Kommando! Sie war von der Gedanken-Steuerung übernommen worden! Sie kämpfte gegen unbekannte Gewalten um die Existenz des Schiffes. »Große Milchstraße...« Er hörte sich schon wieder schreien. Nur er sich. Alle anderen in der Zentrale lagen noch bewußtlos am Boden oder hingen wie Dan Riker in ihren Sesseln! Die POINT OF schoß! Die Bildkugel spiegelte das Feuer des Ringraumers wider! Das Schiff lag mit einem unerbittlichen Gegner im Kampf! Daher das infernalische Brüllen, Kreischen, Donnern und Toben im Schiff! Freimachung der allerletzten Energie-Reserven! Er kniff die Augen zusammen. Er glaubte nicht, was er zu sehen bekam! Diese Strahlarten kannte er nicht! Diese Strahlbahnen konnte seine POINT OF nicht emittieren! Sie verfügte nur über Dust-, Nadel- und Strich-Punkt-Strahlen und
über To-Funkkanonen. Aber nicht über dieses grellgelbe Blitzen, das in unregelmäßigen Intervallen in den Raum schoß. Da flog die Bildkugel über seinem Instrumentenbrett auseinander! Nein! Die Schwärze riß auf. Der Weltraum mit seinen Sternen stürzte in die Zentrale. Sterne, aber Millionen ferne Sonnen! Und vor den vielen Sonnen sah er das Riesige sich verzweifelt wehren! Eine Wolke? Oder sogar Leben? Leben, das sich verzweifelt vor seiner Vernichtung wehrte? Aufhören! Aufhören! Aufhören... Nur noch dieser Begriff existierte in seinem Kopf. Seine Finger lagen noch immer auf den Steuerschaltern. Ein Steuerschalter kippte in eine andere Lage! Die POINT OF gehorchte wieder seinem Kommando! Die Gedankensteuerung hatte sie an ihn abgegeben. Es gab keine Blitze mehr. Ein Blick zur Bildkugel! Die Wolke, dunkelrot leuchtend, wurde kleiner und kleiner. Sie setzte sich ab. Sie floh vor der POINT OF! Ren Dhark wußte nicht, daß ein schwaches Lächeln seinen Mund umspielte. Er hatte seinen Blick an der Bildkugel festgebrannt und sah die Wolke kleiner und kleiner werden, aber auch in ihrem Leuchten langsam vergehen. Kaum noch war sie zu erkennen! Warum änderte sie plötzlich ihren Kurs? Er hatte sich diese Frage gerade gestellt, als es in der Bildkugel aufflammte, als die Kommando-Zentrale vom grellen Licht überflutet wurde und er geblendet die Augen schließen mußte.
»So nah... plötzlich so nah?« fragte er sich, als er wieder etwas sehen konnte und das Flammende, Unregelmäßige betrachtete und es ihm schwerfiel, es zu klassifizieren. Auch eine Wolke – eine Wolke, die lebte? Eine Wolke, die die POINT OF gleich angreifen würde? Woher sollte er wissen, daß Sergeant Lamon auf der Sternschnuppe PRYMNO die Behauptung aufgestellt hatte, das normale Nor-ex sei von einer anderen Nor-ex-Art aufgefressen worden? Folge mir nicht! Ren Dhark zuckte zusammen, als er die fremde Stimme in seinem Kopf hörte. Im ersten Augenblick glaubte er, der Cal der Giants habe sich auf telepathischem Weg mit ihm in Verbindung gesetzt, bis ihm klar wurde, daß diese Para-Rufe ganz anders geklungen hatten. Folge mir nicht...? Sollte diese Wolke...? Er wagte seine Gedanken nicht zu Ende zu denken, weil sie einfach zu phantastisch waren. Neben ihm stöhnte Dan. Dhark konnte sich um seinen Freund nicht kümmern. Das »Folge mir nicht« hatte ihn gepackt! Drei Steuerschalter nahmen unter dem Druck seiner Fingerspitzen andere Stellungen ein. Dhark hatte auf Sternensog geschaltet! Er flog nach Sicht, direkt auf die grellweiße Wolke zu. Er folgte ihr doch! ... oder du hast mir zu verraten, wo unsere Raumer sind, wo die Schiffe der anderen, ihre Städte und Bewohner!« Voller Grimm sagte er es, ohne sich klar zu sein, daß seine Gedanken gelesen werden konnten. Die Para-Antwort traf ihn unvorbereitet. Existenz ist kein feststehender Begriff. Ich kann dir meine Existenz so wenig erklären, wie ich deine verstehen kann.
»Ich verstehe kein Wort!« knurrte Dhark, der mit dieser sibyllinischen Auskunft keineswegs zufriedengestellt war. Die POINT OF raste auf die grelle Wolke zu, die die rote verschlungen hatte. Aber die Überlichtbeschleunigung des Ringraumers reichte nicht aus, sie einzuholen. Es schien ihr ein leichtes zu sein, den Abstand zum Schiff zu halten. Dhark fluchte, was selten vorkam, aber nun rutschte ihm das Kraftwort glatt über die Lippen. »Mit welchen Strahlen hat eben die Gedankensteuerung auf dieses Nor-ex geschossen?« Neben ihm meldete sich sein Freund. Riker war wieder einigermaßen klar, aber noch nicht einsatzfähig. Hinter dem Rücken des Commanders meldeten sich fast gleichzeitig Tino Grappa und kurz darauf zwei weitere Offiziere. Die Besatzung der POINT OF wurde allmählich wieder einsatzklar. Dan wollte ihm Fragen stellen. »Stör mich jetzt nicht. Keine Zeit!« fiel Dhark seinem Freund barsch ins Wort. Er wunderte sich über das Aufflackern einiger Grün-Kontrollen, die seiner Erfahrung nach gar nicht aufleuchten durften. Wieder lief das gleiche Spiel auf dem Instrumentenpult ab. Sollte ihm der Checkmaster auf diesem Weg zeigen, wie er die grellgelben Blitze auslösen konnte? »Großer Himmel, ich kann doch nicht ins Blaue schießen«, stöhnte er und legte sich im gleichen Moment in seinem Pilotsessel zurück. Daß Grappa ihm eine Struktur-Erschütterung zu melden hatte, wußte er. Das helleuchtende Nor-ex war verschwunden. Es hatte sich seinem geplanten Angriff durch Transition entzogen. »Grappa«, sagte er ohne Nachdruck, weil ihm klar war, daß er von dem jungen Leutnant jetzt nicht zuviel verlangen konnte,
»haben Sie festgestellt, wo das Nor-ex wieder das Normalgefüge erreicht hat?« »Nein«, klang Grappas noch schwache Stimme auf. »übrigens, Dhark, das, was wir vor uns hatten, war – wenn es überhaupt ein Nor-ex war – eins von ganz anderer Art!« »Was sagen Sie? Wissen Sie, daß das Helleuchtende das Dunkelrote in sich aufgenommen hat und erst in dem Moment sichtbar wurde, als dieser Vorgang sich abgespielt hatte?« Er überhörte die Antwort des Ortungsspezialisten. Er zwinkerte mit den Augen, musterte verblüfft die Bildkugel und suchte vergeblich darin nach einer ihm bekannten Sternkonstellation. Nicht ein Sternbild war ihm bekannt! Und die Astronomen in der wissenschaftlichen Abteilung waren noch nicht wieder bei Bewußtsein. »Wunderbar«, stellte Dhark mit sarkastischem Unterton fest. »Das Nor-ex, in dem wir gesteckt haben, hat transistiert und die POINT OF mitgerissen. Jetzt dürfen wir wieder einmal herumraten, wo wir uns befinden.« Seine Sorge war unbegründet. Der Checkmaster gab Auskunft. Gleichzeitig erhielt er die Koordinaten der eigenen Position und von Terra. Der Commander studierte noch die Folie, während Dan Riker durch Rundfrage feststellte, ob alle Abteilungen wieder einsatzklar waren, als ihm Glenn Morris aus der Funk-Z mitteilte: »Cent Field strahlt seit einigen Minuten einen Dauer-Suchruf nach uns ab. Ich habe schon geantwortet und sogar Aufklärung auf meine Anfrage erhalten... Dhark, man hat von Pluto aus das Nor-ex, in dem wir steckten, mit allen verfügbaren ToFunkkanonen angegriffen...« »Wie schön«, knurrte Dan Riker. »Wie wunderschön! Jetzt ist mir auch klar, warum wir alle bewußtlos geworden sind. Nicht das Nor-ex hat uns geschockt, sondern unsere eigene
Waffe. Du...« Ein Verdacht war in ihm wach geworden. »Du, Ren, wenn Marschall Bulton diesen Befehl nicht gegeben hat, trete ich als Flottenchef freiwillig zurück! Dieser Befehl, mit allen To-Funkkanonen auf uns und das Nor-ex zu schießen, kann nur von ihm kommen. Ich erinnere mich nämlich, mit welchem Interesse er diesen Bericht des Major Neep von der BERNHARDTS STAR gelesen hat. Sag mal«, er schaute seinen Freund prüfend an, »hörst du mir überhaupt zu?« Das tat Dhark nicht. Er hatte am Instrumentenpult einige Schaltungen vorgenommen, die er in dieser Reihenfolge noch nie durchgeführt hatte. Und als er nach dem Muster der scheinbar sinnlos aufgeflackerten Grün-Kontrollen den letzten Steuerschalter bewegt hatte, strahlte die POINT OF aus allen Antennen in der Unitallhaut grellgelbe Blitze nach allen Seiten ab. Hatte auf dem Planeten Esmaladan nicht ein Utare zu Major Neep gesagt: Ihr Terraner kennt eure POINT OF, das Schiff der Grakos, noch lange nicht! * Jos Aachten van Haag und seine Gruppe hatten das andere Ende der gewaltigen Truhe erreicht und dort das Gegenstück zu der Schleuse gefunden, die sich durch Tremble-Schockstrahlen der PRYMNO hatten freilegen lassen. Er betrachtete die Schleuse so mißtrauisch, als habe er eine Bombe vor sich. Niemand drängte ihn, etwas zu tun. Jeder wußte, daß sich zweitausend Meter Gestein über ihnen befanden. Die mußten erst einmal entfernt werden, dann konnte darüber nachgedacht werden, wie man zur Oberfläche kam. Jos rieb sich sein Kinn. »Mir gefällt das nicht«, erklärte er, »und für so dumm halte ich die Giants auch nicht.«
Wovon sprach er? Er überhörte die Fragen der anderen, benutzte erneut sein Spezial-Vipho und versuchte die PRYMNO zu erreichen. Die Sternschnuppe meldete sich nicht. Im Vipho war nur ein gleichbleibendes Rauschen zu hören. Jos schaltete den Apparat wieder aus. »Nichts! Aber das ist noch nicht besorgniserregend. Schlimmer ist, daß wir unten stecken, und mir will einfach nicht in den Kopf, daß die Giants diese Truhen in den Boden gepackt haben, um dann zweitausend Meter Gestein darüberzulegen. Es muß einen ganz normalen Ausgang geben, der nach oben führt. Und wenn er noch so versteckt liegt, wir müssen ihn finden!« Die ersten Widersprüche wurden laut. »Wir hätten bei Tschobe bleiben sollen! Der Sauerstoffvorrat in unseren Raumanzügen ist nicht unbegrenzt! Welchen Sinn hat es, wenn wir nach oben kommen und in der Hitze vertrocknen!?« Der GSO-Mann hatte längst erkannt, daß diese Mediziner keine Kampftruppe waren, aus der er das Letzte herausholen konnte. Als Experten waren sie Kapazitäten, als Draufgänger leider Versager. Da war Manu Tschobe aus einem anderen Holz geschnitzt, aber der war zurückgeblieben, um seine Giants zu untersuchen. Eindringlich redete er auf sie ein. »Wir müssen einen Weg finden, der uns zur Oberfläche bringt. Wer weiß, warum die PRYMNO nicht antwortet. Und wer weiß, ob der nächste Tremble-Schockstrahl, mit dem der Schacht zu uns geführt werden soll, so genau geführt wird wie beim erstenmal. Meine Herren, wir können uns nicht auf die Besatzung der Sternschnuppe verlassen!« Jos buchte es als einen Erfolg, daß wenigstens eine hitzige Debatte in Gang kam. »Jos, wo sollen wir denn suchen? Haben Sie einen Begriff davon, wie groß diese Kunststoffkonstruktion ist?« Gelassen sah er in die Runde. »Die Größe dieser Anlage interessiert mich nicht. Wenn die Giants logisch denken
konnten – und ich glaube, das haben sie bewiesen –, dann befindet sich der Notausstieg hier im obersten Stockwerk der Anlage. Also, machen wir uns auf die Suche. Immer zu zweit, und zu zweit unbedingt zusammenbleiben.« Sie standen zwischen den Behälterreihen, die in zehn Lagen gestapelt waren. Leere Behälter. Eigentlich hätten darin Giants bei einer Temperatur von minus 129,3 Grad Celsius liegen sollen. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb die Nor-ex, die auf Arim gewütet hatten, dieses Depot verschonten. »Wir suchen systematisch Gang für Gang ab. Die Strecke von einem Ende zum anderen ist rund zwei Kilometer lang. Schätzungsweise benötigen wir für jeden Weg einschließlich der Sucherei eine halbe Stunde. In fünfzehn Stunden müßten wir das gesamte Areal durchforscht haben.« Ein Einwurf kam, nicht besonders optimistisch, aber er beleuchtete die Realitäten. »Und wenn wir einen Notausgang gefunden haben, dann steht uns noch ein Weg bevor, der einen Höhenunterschied von glatt zweitausend Metern aufweist. Jos, reicht unser Sauerstoff in den Anzügen dann noch?« Forsch antwortete van Haag: »Wir kommen hier heraus... so oder so! Großer Himmel, jede Minute ist kostbar!« Der nächste Einwurf kam von seinem Nebenmann: »Und Manu Tschobe und die beiden anderen lassen wir im Stich?« Da riß dem Agenten der Geduldsfaden. »Verdammt noch mal«, sagte er scharf über Helmfunk, »wer hat denn davon gesprochen? Erst haben wir mal den Notausgang zu finden. Meine Herren, Schluß mit der Debatte. Es geht los!« Und in Gedanken verwünschte er diese Eierköpfe, die sogar ihre eigene Rettung mit wissenschaftlicher Akribie untersuchten, statt mit Elan nach einem Ausweg zu suchen! In Gruppen zu zweit zogen sie endlich los. Jos Aachten van Haag setzte sich mit seinem Partner als letzter in Bewegung. Viel Erfolg versprach er sich nicht von dieser Aktion.
* Tot oder nicht tot... Manu Tschobe, Maitskill und Roger Sandikk stellten sich diese Frage nicht mehr. Ein Giant lag auf dem Boden, und mittels des OrganDetektors wurde das fremdartige Wesen untersucht. Unter der biologisch-anorganischen Hülle, deren Oberfläche hellgelb war, befand sich ein meterlanger, schenkeldicker silbernglänzender Schlangenkörper. Die Bildscheibe des OrganDetektors machte ihn sichtbar. In Richtung zum Raubtierkopf, aber noch im Bereich der Schultern endete dieser Schlangenleib in zwei faustgroßen augenlosen Köpfen. Immer wieder stellte Tschobe das Gerät darauf ein. Sie achteten nicht darauf, wie schnell die Zeit verging. Sie sprachen kaum miteinander, und wenn, dann kamen ihre gegenteiligen Ansichten zum Vorschein. »Es hat keinen Zweck«, sagte nun auch Roger Sandikk. »Wenn dieser Schlangenkörper ein Gehirn besitzt, dann befindet es sich nicht an dieser Stelle.« »Aber wir haben doch schon alles untersucht«, widersprach Maitskill. »Haben wir nicht«, hielt ihm Tschobe vor. »Wir sind um das Zentrum des Schlangenkörpers bisher immer herumgegangen.« »Mit Recht!« Maitskill schüttelte sich in Erinnerung eines Abenteuers, das er mit Tschobe in der POINT OF erlebt hatte. »Ich möchte nicht noch einmal erleben, wie der Sprengsatz in einem Giant explodiert und ich strahlenverseucht bin.« Das war für den Afrikaner das Stichwort. »Untersuchen wir das Ding!« »Verrückt geworden!« rief ihm Maitskill über Helmfunk zu. Manu Tschobe verzog seine dicken Lippen und lachte. »Was kann uns schon passieren? Der Raumanzug hält die Strahlendosis ab, wenn noch einmal eine kleine atomare Explosion stattfinden sollte.«
Der Frequenz-Taster in seiner Helmfunkanlage hatte automatisch auf eine andere Welle geschaltet. Jos Aachten van Haags Stimme drang aus dem winzigen Lautsprecher. »Wir haben den Notausgang gefunden! Wir haben den kleinen Konverter in Betrieb setzen können. Ein winziger AGravlift führt nach oben. Sofort alle Untersuchungen abbrechen. Wir warten auf euch. In zehn Minuten fahren wir nach oben.« Dann versuchte der GSO-Mann genau zu beschreiben, wo sie zu finden waren. »Okay, van Aachten, wir kommen!« entschied sich Tschobe sofort. Seine Kollegen verstanden ihn nicht. Jetzt, mitten in den Untersuchungen, sollten sie alles im Stich lassen? Der Afrikaner dachte nicht daran. »Los, jeder nimmt einen Giant mit, und die Teile des Organ-Detektors teilen wir gleichmäßig unter uns auf!« Noch zweimal zischte der Blasterstrahl. Zwei weitere Raubtierköpfe wurden aus ihrem transparenten Behälter herausgeholt. Im Gegensatz zu ihrer Größe waren diese Wesen nicht besonders schwer; ihr Körpergewicht schwankte zwischen 60 bis 70 Kilogramm. Maitskill und Sandikk packten sich je einen All-Hüter über die Schulter, nahmen dazu Teile des Organ-Detektors auf und folgten Tschobe, der vor ihnen herging. Eine Stunde später hatten sie die Oberfläche des Planeten Arim wieder erreicht. Am Ende des A-Gravliftes, dessen Durchmesser knapp einen Meter betrug, waren sie in einer kleinen Kugel angekommen die sich zwei Meter unter der Oberfläche befand. Es war kein Problem gewesen, diese Strecke, die aus lockerem Erdreich bestand, zu durchstoßen. Jos hatte als letzter die Anlage verlassen und zuvor über eine Fernschaltung den Konverter in der Tiefe wieder abgeschaltet. Dann standen sie auf dem heißen Planeten und suchten sich die Augen nach der PRYMNO aus. Zwischen ihnen lagen drei leblose Giants, um die sich niemand mehr kümmerte. Jos
unternahm den letzten Versuch, über Vipho mit der Sternschnuppe Kontakt zu bekommen, doch der kleine Kugelraumer unter dem Kommando von Sancho Torstradt antwortete nicht. Da wurde die Frage gestellt, die Jos wie auch Tschobe schon seit Minuten erwartet hatten: »Wie lange reicht unser Sauerstoffvorrat noch?« Die Antwort war eindeutig! Jeder wußte, wie lange er noch zu leben hatte! Aber wußte Sancho Torstradt auch, wie lange ihr Sauerstoffvorrat reichte? Kam er noch früh genug nach Arim zurück, um sie wieder an Bord zu nehmen, oder gab es gar keine Sternschnuppe mehr, die PRYMNO hieß? * Die PRYMNO, der Kugelraumer von fünfzig Meter Durchmesser, existierte noch. Sancho Torstradt hatte seine Sternschnuppe vom Kopiloten übernommen und alle As-Onentriebwerke auf Vollast geschaltet. Er jagte hinter einer helleuchtenden Wolke her, die Sergeant Lamon mit seiner Ortung ausgemacht hatte, als sie auf Arim lagen und auf die Rückkehr der Ärzte warteten. Die Sternschnuppe raste aus dem System, steigerte dabei ihre Geschwindigkeit von Sekunde zu Sekunde und kam dem Gebilde, das deutlich auf dem Schirm als Wolke zu erkennen war, langsam näher. Alle To-Funkkanonen waren klar. Die Antennen auf das noch ferne Ziel gerichtet. Kalt und scharf leuchteten die Sonnen, breit und scheinbar endlos dehnte sich das Band der Milchstraße über dem Abgrund aus Zeit und Raum. Niemand in der Zentrale achtete darauf. Dieses Bild war man gewohnt. Aber jeder lauschte, ob die mit maximaler Leistung laufenden
As-Onentriebwerke einwandfrei arbeiteten. Daß man im Leitstand sich gegenseitig zubrüllen mußte um sich verständlich zu machen, störte niemanden. Raste die PRYMNO auf ein Nor-ex unbekannter Art zu? Sergeant Lamon behauptete es steif und fest. Die Offiziere widersprachen ihm nicht, weil sie keinen Gegenbeweis antreten konnten, aber geheuer war ihnen dieses Ding auf dem Bildschirm nicht. Plötzlich schrumpfte die Distanz merklich zusammen. Das Helleuchtende hatte abgestoppt. So abrupt, wie die Besatzung der PRYMNO es noch nie beobachtet hatte. Und die Sternschnuppe flog mit 0,63 Licht! Torstradts Kopiloten kamen Bedenken. »Oberleutnant, wir sollten mit der Beschleunigung heruntergehen...« Da raste das Grauen durch die Männer in der PRYMNO. Jeder hörte in seinem Kopf die Frage Warum folgst du mir? Für Sekunden war der Oberleutnant wie gelähmt. Mit gleichhoher Geschwindigkeit raste sein Schiff auf das Ziel zu. Er wie alle anderen im Leitstand sahen sich hilflos und hilfesuchend an. Ein telepathischer Impuls hatte sie erreicht! Bedeutete diese Tatsache nicht, daß das Helleuchtende intelligent war? Lamon richtete sich ruckartig auf. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei. Mehr als schwaches Gurgeln kam nicht über seine Lippen. Die anderen Männer im Kommandostand hatten auch keine Zeit mehr, ein Wort zu sagen, zu schreien, zu rufen! Die PRYMNO steckte in der helleuchtenden Wolke! Im Nor-ex! Der Weltraum mit seinem breiten Sternenband und einzelnen Sonnen war verschwunden. Die Bildschirme brachten nur das Helleuchtende in den Leitstand. Jagte die Zeit dahin?
Waren die As-Onentriebwerke plötzlich ohne Kraft? Da traf eine unsichtbare Faust die Männer in der PRYMNO. Sie bogen und krümmten sich. Unbeschreibliche Angst loderte in ihnen auf. Ihre Beine hatten keine Kraft mehr. Die ersten stürzten schon zu Boden, stöhnten und keuchten vor Angst! Was ging mit ihnen vor? Oberleutnant Sancho Torstradt wurde es schwarz vor den Augen. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich festzuhalten. Er glaubte, daß alle Aggregate seines Schiffes auseinanderfliegen würden – und dann hatte auch er die Besinnung verloren. Als er wieder zu sich kam, sah er sich von zwei Offizieren umringt, die ihm eine hochprozentige alkoholische Flüssigkeit einflößten. Ihm, der nie einen Tropfen Alkohol trank! »Brr... Pfui Teufel...« Er schüttelte sich. »Sauzeug!« fluchte er, und er glaubte, seine Speiseröhre würde verbrennen, und in seinem Magen brannte es auch wie Feuer. »Geht's besser?« wurde er gefragt. Er schüttelte sich noch einmal. Sein Blick war wieder klar, und seine Gedanken arbeiteten so präzise wie sonst. Er las die Instrumente ab, schaute sich den großen Bildschirm an, erkannte, daß sein Kopilot wieder fit war, und indem er auf den Schirm deutete, fragte er: »Haben Sie eine Ahnung, was mit uns passiert ist? »Ja, Oberleutnant. Das Helleuchtende hat die PRYMNO transistiert und irgendwo zwischen den Sternen wieder herauskommen lassen. Die eindeutigste Methode, uns klarzumachen, daß es mit uns nichts zu tun haben will!« »Und wo stechen wir?« »Das versuchen wir gerade herauszufinden...« Lamon rief dazwischen: »Nor-ex der alten Form auf Grün 34:01,06 und Rot 03:63,72. Distanz 2,7 Lichtjahre! Zieht querab nach Gelb...« Es verschlug ihm die Sprache. Auf seinem Oszillo tauchte aus dem Nichts kommend eine Strang-Amplitude auf – eine
nicht festzustellende Anzahl von Blips, die sich zum größten Teil überlagerten und damit einen Strang erzeugten. »Oberleutnant, schnell, sehen Sie sich das an!« In drei weiteren Sätzen war Torstradt neben Lamon. Der Oszillo spiegelte ein unfaßbares Geschehen wider! Ein Nor-ex floh vor dem Helleuchtenden! Warum transistiert es nicht? fragte sich Sancho Torstradt, der die beiden konturlosen Wolken auf der Ortung beobachtete. Jedes Nor-ex war, soviel man bisher darüber wußte, nach seinen zerstörerischen Aktionen durch Transition verschwunden, die dazu jedesmal schwerste StrukturErschütterungen ausgelöst hatte. Warum versuchte dieses Nor-ex sich nicht durch einen Sprung in Sicherheit zu bringen? Das Helleuchtende sprang! Eine phantastisch exakte Kurztransition! Es kam über dem Nor-ex wieder in den Normal-Raum! Und im gleichen Moment gab es ein Nor-ex der alten Form nicht mehr! »Ist es nicht bedeutend größer geworden, La...?« Torstradt brachte die letzte Silbe nicht mehr über seine Lippen. Wieder traf sie alle ein Para-Impuls! Folge mir nicht, oder ich schleudere dich in eine andere Existenz! Lamons Gesicht war angstverzerrt. Niemand hörte das Brüllen und Toben der As-Onen-Triebwerke im inneren Ringwulst der PRYMNO auf Vollast laufen. Die Para-Botschaft klang in jedem Mann noch nach. Folge mir nicht, oder ich schleudere dich in eine andere Existenz! »Oberleutnant, es setzt sich ab... setzt sich ab... ab... ab!« Lamon war offensichtlich verwirrt. Torstradt glaubte seinem Sergeanten kein Wort, aber als er wieder einen Blick auf die
Ortung warf, zeigte sie nichts mehr an, und der Oszillo war auch leer! »Struktur-Erschütterung«, murmelte Lamons Kollege. Man überhörte es. Der Oberleutnant fühlte seine Knie zittern, als er aufgestanden war, um zum Pilotsitz zurückzukehren. »Schnellstens Ortsbestimmung und Position von Terra berechnen!« Hart ließ er sich in den Sessel fallen. Herunter mit der Beschleunigung der PRYMNO. Zur Zeit raste sie ziellos durch den Weltraum. Ein halbes Dutzend Sonnen standen in einigen Lichtjahren Abstand. Die ferneren Sterne zeigten unbekannte Konstellationen. Wir müssen eine Transition über riesige Distanzen gemacht haben, dachte der Oberleutnant, wagte es aber nicht, seine Gedanken in Worte zu bringen. »Oberleutnant...« Er drehte sich mit seinem Schwenksessel um, sah den Leutnant am Bordgehirn fragend und erwartungsvoll an. »Oberleutnant, hier muß ein Irrtum vorliegen. Nach den Berechnungen sind wir 21.637 Lichtjahre von Terra entfernt und 18.528 Lichtjahre vom Planeten Arim. Ich habe die Berechnung noch einmal anlaufen lassen...« Nicht nötig, wollte Torstradt sagen, unterließ es dann jedoch. Er war überzeugt, daß die Angaben stimmten. Sie stimmten! Seine Sternschnuppe war über diese gewaltige Entfernung durch das Helleuchtende in einer Transition versetzt worden! Der Kommandant der PRYMNO schnarrte plötzlich Befehle. Order an die Funk-Zentrale, sich sofort mit Cent Field in Verbindung zu setzen und den Vorgang zu melden. »Sergeant Lamon kommt hinüber und gibt Ihnen die erforderlichen Angaben. Vergessen Sie unter keinen Umständen zu berichten, daß wir zweimal Para-Botschaften empfangen haben, selbst auf die Gefahr hin, im Stab der TF für übergeschnappt erklärt zu
werden. Spruch muß schnellstens 'raus! Und darin das Wichtigste! Machen Sie es dringend, ganz dringend: Auf Arim stecken unsere Mediziner zweitausend Meter tief im Boden. Die werden sich Sorgen machen, warum sie mit uns keine Verbindung mehr bekommen können! Funken Sie zum Stab, daß die Mediziner verschüttet sind!« Er drehte sich nach Lamon um, aber der hatte schon seinen Platz hinter der Ortung verlassen und war zur Funk-Z geeilt. * Über Vipho wurde Marschall Bulton im Stab der TF die Funkmeldung der PRYMNO mitgeteilt. »Verrückt«, murmelte er einmal. »Übergeschnappt!« sagte er ein anderes Mal, aber dann verging es ihm, weitere Bemerkungen dieser Art zu machen, als er erfuhr, wie weit die Sternschnuppe vom Helleuchtenden versetzt worden war. Über Alarm holte er seine Stabsoffiziere in sein Büro. Die Wiedergabe spielte ihnen die Funknachricht der PRYMNO noch einmal vor. »Was halten Sie davon?« Allgemeines Achselzucken. Nur der jüngste Stabsoffizier, Captain Blackdal, hatte eine Meinung. »Wir sollten bei dieser Nor-ex-Jagd Zuschauer bleiben und uns unter keinen Umständen einmischen. Beweisen die Resultate unsere Energie-Ortungen nicht, daß es in unserem Spiralarm im Lauf der letzten Stunden auffallend ruhig geworden ist? Die Raumschlachten, die wir vermutet haben, sind bis auf zwei oder drei Ausnahmen schlagartig zu Ende gegangen.« »Das war doch schon immer so«, warf Bulton ungeduldig ein. Blackdal hatte Rückgrat. »Marschall, erlauben Sie, daß ich Ihnen widerspreche. Die Raumschlachten haben nach den
Messungen der Energie-Ortung in den letzten Stunden einen Abschluß gefunden, der sich von den Kämpfen, wie wir sie vorher beobachtet hatten, grundlegend unterscheidet. Als ob... als ob...« »Na, was denn?« drängte Bulton ungeduldig. »Als ob tatsächlich eine Nor-ex-Jagd stattfinden würde. Die Sternschnuppe hat es nun abermals beobachtet... als ob eine Mutter ihre mißratenen Kinder wieder einfangen würde... eine intelligente Mutter, denn das beweisen ihre Para-Botschaften!« Bulton war ans Fenster getreten und blickte hinaus, ohne etwas zu sehen. Er überlegte, was Blackdal gerade gesagt hatte. Konnte der Captain mit seiner Ansicht nicht ins Schwarze getroffen haben? Der Drang, unverzüglich den Commander zu benachrichtigen, wurde übermächtig in ihm. »Einen Moment, meine Herren«, sagte er, nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz, stellte die Verbindung zur HyperfunkStation her und verlangte eine To-Funkverbindung mit der POINT OF. Auf dem Bildschirm erschien Ren Dharks Gesicht. Ruhig hörte er sich Bultons Bericht all. »Okay, Bulton, wir fliegen Arim an. Lassen Sie die PRYMNO benachrichtigen, daß wir die Mediziner abholen. Haben Sie neue Nachrichten von der URBIN, Bulton?« »Nur, daß Colonel Szardak mit einer Abordnung zu diesem Daara der Rateken unterwegs ist.« »Halten Sie mich auf dem Laufenden, Bulton. Halten Sie ein paar Kreuzer startklar. Ich traue diesen Rateken leider nicht über den Weg, am wenigsten dem Singu. Ende!« Das war typisch für den Commander. Immer wieder verstand er es, aus jedem langen Bericht das Wichtigste herauszupicken, es mit zwei, drei Sätzen zu besprechen und dann seine Entscheidungen zu treffen.
Die POINT OF war nach dem Planeten Arim unterwegs, um die verschütteten Mediziner zu retten! * In einer kreisrunden, fünf Meter dicken Scheibe waren Janos Szardak und seine achtköpfige Delegation nach Prokat, der Hauptstadt der Rateken geflogen worden. Rateka, der Singu, begleitete sie. Die vier Rateken in der Pilotkabine bekamen die Terraner nicht zu Gesicht. Sich mit dem Singu zu unterhalten, war unmöglich, weil sich kein Translator an Bord der vierzig Meter durchmessenden Scheibe befand. Was Rateka über den Flash dachte, der nur hundert Meter höher über der Scheibe stand und ihr Tempo genau mithielt, konnten sie nicht erraten. Alle Terraner rauchten. Gelassen saßen sie in den für sie unbequemen Sitzen. Sie hatten sich damit abgefunden, keinen Blick nach draußen werfen zu können. Die drei Bildschirmanlagen in ihrer einfach eingerichteten Kabine waren nicht in Betrieb. Von der Landung merkten sie nichts, so weich hatte die graugefärbte Scheibe aufgesetzt. Sie verstanden zunächst die Geste des Singu nicht, aufzustehen und hinauszugehen bis vor ihnen das Schott aufsprang und sie ins Freie sehen konnten. Vor ihnen lag Prokat, die Hauptstadt der Rateken. In einem riesigen Talkessel, der zu vier Fünftel von tausend Meter hohen Bergen umgeben war, lag eine Kuppelstadt. Halbkugel neben Halbkugel. Eine so hoch wie die andere; jede der anderen ähnlich. Jede mit dem gleichen Durchmesser. Grün war die Farbe des Außenanstriches. Glatt und fensterlos alle Kuppeln. Nur im Zentrum der Stadt gab es drei Gebäude, die viel höher als alle anderen waren. Drei Gebäude, die schneeweiß strahlten und mit ihren gewaltigen
Kuppelkonstruktionen alle anderen Häuser der Stadt zu erdrücken schienen. »Daara«, sagte der Singu und deutete auf die hohen Bauwerke. Die Terraner begriffen nicht, was sie darunter verstehen sollten. Als sie leichtes Summen näherkommen hörten, blickten sie hoch. Eine kleine Diskusscheibe raste heran, zog eine Kurve und setzte dann dicht vor ihnen auf. Rateka konnte nicht übersehen, wie die Terraner dem Flash, der bewegungslos über ihnen stand, einen Blick zuwarfen, bevor sie den Diskus betraten. Die Scheibe hob ab. Ihr Boden war transparent. Die Terraner sahen die Kuppelbauten unter sich hinweggleiten. Gleichzeitig stieg ihr Fahrzeug höher. Szardak bedauerte es. Er hätte gern mehr von Prokat gesehen. Vor allen Dingen hatte er Straßen vermißt. Oder sollten die langgestreckten, gewölbten Überdachungen zwischen den Bauten verkleidete Straßen gewesen sein, die eine Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen garantierten? Über dem höchsten Punkt der Kuppel stoppte der Diskus, um dann langsam tiefer zu sinken, während sich die Kuppel gleich einer altmodischen, mechanischen Blende öffnete. Rateka, der Singu, saß den Terranern gegenüber, das Oberteil des Kopfes über den Ring seiner Facettenaugen gestülpt, und schien zu schlafen. Aber kein Mann der terranischen Abordnung verließ sich auf seine Beobachtungen. Fast mit Sicherheit stand fest, daß die Rateken Infrarotseher waren, und auch dann noch sehen konnten, wenn sie den geschlossenen Facettenring abdeckten. Der Diskus sank in einem Schacht tiefer und tiefer. Als er anhielt, machten sich die Terraner zum Aussteigen fertig. Der Singu ging ihnen voraus. In einer geräumigen, aber leeren Halle, in der nur noch ein paar Disken standen, betraten sie den hohen Kuppelbau.
Rateka drehte sich nicht nach ihnen um, obwohl er trotz seines kurzen Aufenthaltes auf Terra gelernt haben mußte, daß die Menschen ihren Gästen gegenüber eine bestimmte Form der Behandlung benutzten. Janos Szardak wurde seine Unruhe nicht mehr los, die ihn überfallen hatte, seitdem sie sich in diesem Bauwerk befanden. Vor Rateka sprang eine Schleuse auf. Der Singu beschleunigte plötzlich seine Riesenschritte. »Aufpassen!« konnte Janos Szardak seinen Männern noch zurufen, als fünf Rateken wie aus dem Boden gewachsen vor ihnen standen und Strahlwaffen auf sie gerichtet hielten. »Weitergehen!« rief Szardak, schob sich demonstrativ an die Spitze seiner Delegation, ging mit ausdruckslosem Gesicht auf die Rateken zu, deren Haltung eindeutig feindlich war, nahm plötzlich einen kurzen Anlauf und benutzte seinen Körper als Rammbock. Er hatte das Gewicht der Rateken unterschätzt! Er prallte gegen eine Mauer. Er flog wie ein Leichtgewicht zur Seite, das unter die Fäuste eines Schwergewichtsboxers gekommen ist. Unverständliche Befehle waren zu hören, und bevor an eine Gegenwehr zu denken war, hatte ein geschlossener Ring von Riesen die terranische Delegation umzingelt. Janos Szardak wurde hochgerissen. Ratekische Pranken durchsuchten ihn. Seinen Männern erging es nicht besser. Sie wurden bis auf das letzte Teil, das sie in den Taschen hatten, ausgeplündert. Und dann trieb man sie vor sich her. In einen hell erleuchteten Raum, dessen Wände bar jeden Schmucks waren – grau in der Tönung und glatt. »Daara.« Wieder hörten die Männer dieses Wort.
Es war aus allen Ecken gekommen. Eine erstklassige StereoWiedergabe! Und dazu kam noch eine Stereo-Projektion, die der 3-d-Technik Terras haushoch überlegen war. Vor ihnen schwebten Rateken in der Luft, die es in diesem Raum nicht gab. Neun Rateken in viel zu weiten Overalls, die auf thronähnlichen Sesseln saßen... schwebend in der Luft. Janos Szardak sah seine Männer nur eindringlich an. Sie verstanden. Sie sollten den Mund halten und kein Wort sagen. Sie waren auch dazu nicht aufgelegt. Ohnmächtiger Zorn wütete in ihnen. Dieses hinterlistige Verhalten der Rateken stand dieser Rasse gut zu Gesicht. Szardaks Hoffnung ruhte auf Rul Warren, der hoffentlich noch in seinem Flash über dem hohen Kuppelbau stand und auf ihre Rückkehr wartete. Aber durfte er annehmen, daß die Rateken diese latente Gefahr über Prokat übersehen würden? Bestimmt hatte sich schon herumgesprochen, wie schwer es selbst für einen Doppelwulstraumer war, einen Blitz durch Strahlfeuer zu vernichten. Colonel Szardak horchte auf. Ratekische Worte klangen durch den Raum. Darin die Stimme eines Translators. »Der Daara begrüßt seine Gäste und bietet ihnen ein herzliches Willkommen. Leider hat Rateka, der Singu, auf eurem Planeten nicht den gleichen herzlichen Empfang geboten bekommen. Dennoch möchten wir nicht sofort Gleiches mit Gleichem vergelten. Noch nicht.« Das war eine unverhüllte Drohung. Neun Männer standen und schwiegen. Sie ahnten, daß man sie beobachtete, und der Verdacht lag auf der Hand, daß jedes Wort abgehört und übersetzt werden würde, das über ihre Lippen kommen konnte. Sie schwiegen. In der 3-d-Projektion unterhielten sich neun Rateken. Die Terraner sahen, wie einige mit ihren verschiedenen Mündern
gleichzeitig nach beiden Seiten sprachen. Sie sahen die Bewegungen der Fremden, aber sie hörten keinen Laut. Die erste Forderung wurde gestellt. Die Terraner horchten auf. Janos Szardak verschränkte die Arme vor der Brust. Die Rateken zeigten durch den Daara ihr wahres Gesicht. Als Preis für die Freiheit der terranischen Delegation sollten alle To-Funkkanonen mit den erforderlichen Tofirit-Kristallen abgeliefert werden, einschließlich der To-Funkkanonen der URBIN! Zum erstenmal zeigte die Projektion, wie die neun Rateken jetzt aufmerksam aus ihrem Facettenring blickten. Hatte dieser Daara vielleicht damit gerechnet, die Terraner würden auf diese Forderung eingehen? Janos Szardak schwieg eisern. Sein Pokergesicht war von einmaliger Güte. Neben und hinter ihm stießen seine Männer unartikulierte Wutlaute aus. Am liebsten hätte er mit blanken Fäusten auf diese neun Rateken losgedroschen. Die Pause war kürzer als die vorherige. »Wir halten dieses Angebot drei Stunden nach eurer Zeitrechnung aufrecht. Nach Ablauf dieser Frist werden wir uns das aus eurem Schiff holen, was wir haben wollen und anschließend den Raumer so zerstören, wie ihr das stolze Schiff des Singu zerstört habt!« Ihr seid eine verfluchte Bande von Halsabschneidern, dachte der Colonel ergrimmt, zeigte seinen ohnmächtigen Zorn jedoch nicht. Er und seine Männer schwiegen sich aus. Da erhob sich in der Projektion der Rateke, der in der Mitte der Versammlung saß. In seinen Pranken hielt er eine Folie jenes Vertragsdokument, das die Vereinbarungen zwischen Rateka, dem Singu, und Dhark, dem Commander der Planeten, schriftlich fixiert hatte. Die Folie wurde zerrissen, die Fetzen flatterten zu Boden und verschwanden.
Wieder die Stimme des Translators: »Nach Ablauf von drei Stunden werden zwölf Fados den Planeten angreifen und vernichten, den Ihr Terra nennt! – Mehr hat der Daara im Augenblick nicht zu sagen, aber der Daara ist jederzeit für euch zu sprechen!« Szardak verzog sein Gesicht zu einem abfälligen Grinsen. Hatte Rateka auf Terra schon so viele Erfahrungen gesammelt, um dieses Grinsen richtig zu deuten? Der Daara sprach entgegen seiner Ankündigung noch einmal. »Wir sind es gewohnt, unsere Angaben in die Tat umzusetzen. Und um unseren Worten noch mehr Gewicht zu geben, Terraner: Die Gefahr aus dem Raum verschwindet mehr und mehr. Wir haben nicht mehr zu befürchten, wie wir es einmal mit ansehen mußten, daß die Hälfte einer Stadt auf diesem Planeten, von einem Fächerstrahl gepackt, ins Nichts gerissen wurde. Terraner, der du dich Szardak nennst, vergiß nicht, daß wir trotz aller Verluste noch über mehr als zwanzig Fados verfügen, und daß ein Fado ein Raumschiff-Verband von 1008 Einheiten ist!« Janos Szardak fror. Seine Männer hielten den Atem an. Ihr Eindruck war gleich dem seinen. Jetzt hatte der Daara nicht geblufft! Die Nor-ex-Gefahr mußte schlagartig nachgelassen haben. Und diese veränderte Situation hatte den Daara veranlaßt, die vertragliche Vereinbarung mit Terra zu brechen. Worte in ratekischer Sprache waren zu hören. Der Translator übersetzte sie nicht mehr. Schwere Schritte klangen hinter den Männern auf. Rateken betraten den Raum, um sie abzuholen. Die Projektion verschwand. Und sie wurden abgeholt, und zwar getrennt. Zwei Rateken kamen auf einen Mann! In einem A-Gravlift schwebten sie tiefer und tiefer. Über einen langen dunklen Gang wurden sie wie Vieh getrieben und gestoßen. Dann saßen neun Terraner in
Einzelhaft, und die Stille, die aus allen Wänden drang, versuchte ihre physische Widerstandskraft zu brechen. Still und dunkel war es in den neun Zellen. Nicht ein einziger Laut kam von draußen herein. Neun Mann starrten dumpf vor sich hin. Sie glaubten, daß der Daara auch mit seiner Drohung, Terra zu vernichten, nicht geblufft hatte. * Dicht über dem Planeten der Nogks kam die WEGA aus der Kurztransition wieder in den Normalraum. Die Distanz-Ortung hatte blitzschnell die Entfernung berechnet. 53 Millionen Kilometer trennten sie noch von ihrem Ziel. Colonel F. Huxley schaltete noch einmal die AsOnentriebwerke hoch, ließ sie ein paar Sekunden lang mit Vollast arbeiten, um dann langsam mit dem Tempo herunterzugehen. In der WEGA bestand höchste Alarmbereitschaft. Alle Männer waren auf den Stationen. Auch in der Zentrale knisterte die Spannung. Huxley konnte kaum noch seine Ungeduld zügeln. Weder von den Ortungen noch aus den Funk-Zentralen liefen Meldungen ein. Ihr Zielplanet wurde als helleuchtender Punkt allmählich zu einer winzigen Scheibe. »Verstehen Sie das?« fragte er seinen Kopiloten, erwartete aber keine Antwort. Hastig beugte er sich zur Verständigung vor, rief die Funk-Z an: »Zum Donnerwetter, irgendwelche Funksprüche müssen Sie doch auffangen!« »Ja«, kam die Antwort, »Funksprüche in jeder Menge, aber darunter ist kein einziger der Nogks, Colonel. Unsere Frequenztaster arbeiten einwandfrei.« »Danke!« knurrte der Colonel und drehte sich zu den Ortungen um. »Was ist bei Ihnen los?« Seine Stimme klirrte.
»Der Teufel, Colonel!« kam die keineswegs militärische Antwort. »Die Energie-Ortung zeigt ein halbes Dutzend Emissionsquellen an, nur können wir damit nichts anfangen.« Mehr brauchte der Leutnant nicht zu sagen. Huxley stand schon neben ihm. Sein Gesicht drückte Verblüffung aus. »Tatsächlich, Sie haben recht. So was habe ich auch noch nicht gesehen. Los, Mann, versuchen Sie die Ausdehnung dieser Strahlungsquellen auszumessen.« Er ging wieder zum Pilotsessel zurück und murmelte, als er darin Platz nahm: »Haben die Nogks doch noch im letzten Moment einen Prallschirm entwickelt, der ihnen Schutz vor den Nor-ex bot?« Eine Stunde später – der Planet war inzwischen zu einer riesigen Kugel geworden, und die WEGA bremste stark ab – wurden noch einmal alle Sender des Kreuzers zusammengeschlossen. Ein Funkruf höchster Intensität jagte aus der Antenne. In der Sprache der Nogks wurden diese aufgefordert, sich zu melden. Colonel Huxley, Mitglied des Rates des Imperiums, ruft den Rat. Bitte kommen! Bitte kommen! Keine Antwort! Huxleys Gesicht war zur Maske erstarrt. Hinter seiner Stirn hämmerten seine Gedanken: Wir kommen zu spät! Wir kommen zu spät! Wir haben die Nogks feige im Stich gelassen! Ein winziger Funke Hoffnung lebte aber doch noch in ihm. Was hatten die Emissionsquellen auf dem Planeten zu bedeuten, die von der Energie-Ortung erfaßt worden waren? Hatten die Nogks sich hinter Prallschirmen versteckt, die selbst Hyperfunkstrahlen nicht durchließen? »Colonel!« Ruf von den Ortungen. »Ja?« »Wir scheinen Schutzschirme erfaßt zu haben. Unterschiedliche Flächengrößen. Zwischen drei bis achtzehn Quadratkilometer. Aber das Energie-Spektrum ist uns nach wie vor unbekannt.«
Lagen unter diesen Prallschirmen die Städte der Nogks? Colonel Huxley traf seine letzte Entscheidung. »'runter mit dem Kahn! Wir landen!« Und wie ein Stein schien die WEGA auf den Planeten hinabzustürzen. * Die Funkverbindung zwischen der CATTAN und der Station in Cent Field war ausgezeichnet. Doch bevor der Stab der TF dem Kommandanten Larsen mitteilte, daß es innerhalb des Spiralarmes seit den letzten Stunden auffallend ruhig geworden sei, hatte Larsen mit seinen Männern schon selbst diese Beobachtungen gemacht. Die kleinen blauhäutigen Utaren äußerten sich nicht dazu. Sie hatten die Nachricht hingenommen, als ob sie das alles nichts anginge. »Komisches Volk«, hatte Larsen geknurrt, als die utarische Delegation die Zentrale wieder verlassen hatte. Nachdenklich musterte er Kerr: »Es fällt mir schwer, Sie zu verstehen, Leutnant. Wie ist es möglich, daß Sie an diesen Utaren regelrecht einen Narren gefressen haben?« Kerr war wegen dieser Feststellung des Colonels nicht beleidigt. Er lachte sogar und erklärte: »Colonel, nur wer die Sprache eines fremden Volkes beherrscht, lernt die anderen kennen. Manche Dinge, die Ihnen jetzt noch unverständlich sind, werden Ihnen klar und eindeutig sein, wenn Sie die utarische Sprache so sprechen wie ich.« »Ich lasse mich überraschen.« Die Funk-Z meldete sich. »Colonel, ich lasse einen Spruch der Utaren wiederholen. Ist Kerr in der Zentrale?« Leutnant Kerr übersetzte! Die CATTAN war vom Raumhafen Mom aufgefordert worden, Esmaladan anzufliegen und zu landen.
Ralf Larsen rieb sein Kinn. »Wenn das nicht mit dem Aufgefressen-Werden der Nor-ex zu tun hat, will ich nicht mehr Larsen heißen!« Im Schiff brüllten die As-Onentriebwerke auf. Der Kreuzer ging auf Kurs Esmaladan. Die utarische Delegation betrat den Leitstand, angeführt von Ga Gasogu, der vor Larsen seine Arme anwinkelte und die Handflächen zeigte. Kerr stellte sich neben den Utaren und übersetzte. »Was... die behaupten das auch?« unterbrach Larsen seinen Dolmetscher. »Die Utaren behaupten, die Nor-ex würden von einem Nor-ex anderer Art der Reihe nach aufgefressen?« »Ja«, bestätigte Kerr, »Ga Gasogu hat eben diese Nachricht aus Mom von der Weisheit erhalten. Pyramidenraumer wollen diese Beobachtung gemacht haben. Nicht nur das. Übereinstimmend behaupten mehrere Besatzungen, daß sich das Nor-ex anderer Art mit ihnen telepathisch in Verbindung gesetzt habe mit der Aufforderung, ihm nicht zu folgen.« »Ich glaub's... Ich glaub's«, sagte Larsen halb verärgert, halb verblüfft. »Ich bin allmählich bereit, alles zu glauben, was man mir erzählt. Aber ein Versprechen gebe ich hier ab: Ich werde keine Ruhe geben, bis ich herausgefunden habe, was tatsächlich hinter diesen Nor-ex steckt. Eine Sorte macht auf die andere Jagd, Ich werde auf beide Jagd machen, und ich werde Ren Dhark die Erlaubnis dazu abtrotzen. Mit anderen Worten: Lange werden wir uns nicht auf Esmaladan aufhalten, weil ich diesen Raum-Ungeheuern keine Chance geben will, so urplötzlich zu verschwinden, wie die Gefahr seinerzeit aufgetaucht ist. Kerr, sagen Sie den Utaren, daß ich mich für ihre Nachricht herzlich bedanke.« Und wie in einem Selbstgespräch murmelte er vor sich hin: »Ich krieg' dich zu fassen, und dann hast du Farbe zu bekennen, mein liebes Norex!«
* Die Nacht kam. Eine kleine Gruppe Terraner hockte auf dem Boden. Es gab nichts mehr, worüber die Mediziner sich unterhalten konnten. Nicht einmal die drei leblosen Giants, die einige Schritte abseits lagen, bildeten Gesprächsstoff. Die Männer zählten die Stunden, die sie noch zu leben hatten. Den neuen Tag würden sie nicht mehr erleben. Lange bevor die Sonne wieder aufgehen würde, waren sie erstickt – alle. Nur zwei Mann innerhalb der Gruppe hatten die Hoffnung nicht aufgegeben. Sie glaubten einfach daran, daß sie gerettet werden würden. Selbst wenn die PRYMNO nicht mehr existierte, mußte das rettende Schiff schon zu ihnen unterwegs sein. Mitten in die deprimierende Stille, die im Helmfunk herrschte, platzte Tschobe mit der unmotivierten Bemerkung hinein: »Irgendein Schiff ist nach Arim unterwegs!« Jos, der ihm gegenübersaß, nickte. Niemand sah es. Die Nacht war um sie herum, und kein Scheinwerfer leuchtete. Aber dann hörten die anderen die Stimme des GSO-Mannes. »Der Stab hat längst einen Raumer mit Kurs auf Arim starten lassen! Er hat ihn losschicken müssen, weil die PRYMNO sich über Funk schon seit Stunden nicht mehr gemeldet hat. Verdammt noch mal, meine Herren, wir sitzen gar nicht in der Patsche. Wir bilden es uns nur ein...« In diesem Augenblick hatte der Frequenztaster in allen Raumanzügen auf eine andere Wellenlänge geschaltet. Die POINT OF rief sie! Commander Ren Dhark meldete seinen Anflug auf Arim an. Wir landen in knapp einer Stunde. Peilstrahl senden.
Rettung! Der Commander kam mit dem Flaggschiff der TF. Ren Dhark persönlich holte sie von diesem Planeten, auf dem kein Mensch leben konnte! Erwachsene Männer, Wissenschaftler von Rang, tanzten wie Wilde, umarmten sich, brüllten sich ihren Jubel zu, klopften sich gegenseitig im Übermaß der Freude auf die Schulter, und einer bestätigte dem anderen, die ganze Zeit über felsenfest an ihre Rettung geglaubt zu haben. Der Peilstrahl stand. Manu Tschobe sendete ihn mit seinem Gerät. Scheinwerfer waren aufgeflammt, und plötzlich interessierte sich jeder für die drei Giants, die sie aus der Tiefe mitgebracht hatten. Jos brachte einen ernsten Ton in die lebhafte Unterhaltung. »Meine Herren, wir wollen Ihren Kollegen nicht vergessen, der beim Einsturz des Schachtes umgekommen ist. Ein Menschenleben hat unsere Aktion leider doch gekostet. Was werden wir seiner Frau zu sagen haben? Was wird diese Frau später ihren beiden Kindern, wenn sie erwachsen werden, erzählen?« Im Helmfunk wurde es still. Unbewußt war der GSO-Mann Jos Aachten van Haag in der Achtung der Mediziner gestiegen. Plötzlich war er für sie nicht mehr der skrupellose Mensch, dem man nachsagte, daß er in der Wahl seiner Mittel nicht kleinlich sei. Er hatte sie an den toten Kollegen und auch daran erinnert, daß dieser Tote auf Terra Frau und zwei Kinder besaß. Aber es war doch ein Unfall gewesen. Höhere Macht. »Ja, es war ein Unfall«, bestätigte Jos, »dennoch werde ich ein unbestimmbares Schuldgefühl nicht los. Mußte er bei den drei Jetts zurückbleiben? War es wirklich unbedingt erforderlich gewesen?« Niemand konnte die letzte Frage uneingeschränkt bejahen. »Damit machen wir ihn auch nicht wieder lebendig, Jos...« Ruckartig hoben sie den Kopf, lauschten in die Höhe!
Die POINT OF kam, brach durch die dichten Luftschichten Arims ein und befand sich auf Landekurs! Die Wolkendecke riß auseinander. Ein Scheinwerferstrahl fiel aus der Höhe herab. Das Flaggschiff der Terranischen Flotte hatte alle Scheinwerfer eingeschaltet. Sie sahen das blauviolettschimmernde Unitall der Ringröhre, die gerade ihre fünfundvierzig Paar Teleskopbeine ausfuhr, um darauf zu landen. Schleuse 3 öffnete sich, und die Rampe wurde ausgefahren. Nacheinander gingen die Mediziner die leichte Schräge hinauf und warteten in der Schleuse, bis sie vollzählig waren. Gemeinsam machten sie auch den Umweg zur Medostation, in der die drei Giants abgeliefert wurden. Dann standen sie vor Commander Ren Dhark. Er hatte sie in seiner Kabine empfangen. »Tschobe... Jos, was haben Sie mir zu sagen.« Er saß hinter dem kleinen, runden Schwebetisch und sah nur diese beiden Männer an. Manu Tschobe trat einen halben Schritt vor. »Dhark, ich übernehme die Verantwortung. Ich allein habe diese Expedition arrangiert...« »Gegen meinen ausdrücklichen Befehl, Tschobe! Gegen meinen Befehl, Untersuchungen an Giants anzustellen. Muß ich Ihnen noch einmal sagen, daß ich kein Freund von Vivisektionen bin? Muß ich Ihnen vor Augen halten, daß Sie mit Ihren egoistischen Motiven eine Gefahr darstellen?« Der Afrikaner wurde grau im Gesicht. Er, der sonst keinem Menschen in die Augen sehen konnte, wich jetzt Dharks Blick nicht aus. »Dhark, die drei Giants, die wir ins Schiff gebracht haben, leben nicht! Von Vivisektion, kann also keine Rede sein. Ebensowenig, daß ich aus egoistischen Motiven gehandelt haben soll. Es ist für Terra eine Lebensfrage, endlich zu wissen, was die Giants nun tatsächlich sind. Sie, Dhark, haben den
Fehler gemacht, Forschungen in diese Richtung hin zu untersagen. Stellen Sie sich vor Terras Ärzteschaft, und einstimmig wird man Ihnen gegenüber diesen Vorwurf wiederholen. Obwohl ich nur ein paar Stunden lang Giants untersuchen konnte, bin ich heute überzeugt, daß wir es nicht mit Humanoiden zu tun haben. Ob sie Lebewesen sind, Wesen in der Form, wie wir es verstehen, muß abgewartet werden.« Ren Dhark hatte ihn nicht unterbrochen, doch seine Stimme hatte an Schärfe nichts verloren, als er erwiderte: »Tschobe, ich bin kein Mediziner. Ich kann Ihnen in diesen Punkten nicht widersprechen, aber ich bin Commander der Planeten, und als Commander sage ich Ihnen, daß Sie zum letztenmal bewußt gegen meinen ausdrücklichen Befehl gehandelt haben. Sollte sich dieser Fall wiederholen, dann werde ich vor einem öffentlichen Gericht miterleben, wie man Sie verurteilt. Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihr Gnadengesuch ablehnen werde!« »Dhark...« Mit seiner knappen Handbewegung befahl der Commander dem Afrikaner zu schweigen. Er blickte Jos Aachten van Haag an. Der reckte sich etwas und hielt dem Blick des Commanders stand. »Van Haag, Sie sind ab sofort kein Mitglied der GSO mehr. Melden Sie sich umgehend beim Bordoffizier und lassen Sie sich Ihre Kabine anweisen. Sie stehen unter Arrest und haben Ihre Kabine bis zur Landung nicht zu verlassen... Meine Herren, ich habe zu tun!« Jos wagte kein Wort mehr zu sagen. Er blickte in das versteinerte Gesicht des Commanders, der Ihn eiskalt ansah. Die Ärzte entfernten sich. Der abgehalfterte GSO-Mann blieb stehen. »Van Haag, ich habe zu tun!« klirrte Dharks Stimme, der sich gut vorstellen konnte, was in diesem Mann jetzt vor sich ging.
Jos rührte sich nicht. Er mußte allen Mut zusammennehmen, um sprechen zu können. »Dhark, Sie haben mich aus der GSO hinausgeworfen. Okay, Ihr gutes Recht als Commander. Sie haben mich unter Arrest gestellt. Auch dazu sind Sie berechtigt. Zweimal habe ich gegen Ihre ausdrücklichen und klaren Befehle gehandelt. Zweimal habe ich sie bewußt mißachtet. Ich werde es immer wieder tun, wenn ich überzeugt bin, damit das Richtige zu tun! Und andere werden genauso handeln! Hoffentlich recht viele. Dhark, was verlangen Sie eigentlich von Ihren Mitarbeitern? Möchten Sie eine Herde um sich haben, die buckelt und immer wieder Ja zu Ihren Befehlen sagt? Ich möchte Sie nicht länger stören...« Nach einer knappen Verbeugung ging Jos Aachten van Haag hinaus. Unbeweglich saß Ren Dhark hinter seinem Schwebetisch. Die Worte des entlassenen GSO-Mannes hatten ihn nachdenklich gestimmt. Ein Körnchen Wahrheit war ins Jos' Vorwürfen enthalten. Ziehe ich mir eine Herde heran, die vor mir buckelt und Ja sagt, fragte er sich. Doch dann sah er keine Alternative. Der Fall Jos Aachten van Haag mußte zum Exempel werden, sonst kam noch der kleinste Raumerkommandant auf den Gedanken, sich nach Belieben über jeden Fall, der ihm nicht paßte, hinwegzusetzen. Ren Dhark zuckte zusammen. Er glaubte sein Spiegelbild zu sehen. Bin ich schon von meiner Unfehlbarkeit überzeugt? Er stützte den Kopf in beide Hände. Erinnerungen wurden in ihm wach. Die ersten Begegnungen mit den Giants. Manu Tschobes Untersuchungen an ihnen. Dann die unerklärliche Explosion eines atomaren Sprengsatzes im Körper eines Giants, während er in der Medostation der POINT OF untersucht wurde. Der Cal mit seinen anomal starken telepathischen Impulsen. Die
Verstärker-Zentrale im Granat-System. Das Fehlen der Todesangst bei den Giants. Und ihre Aufgabe als All-Hüter. Tausend Einzelheiten wurden in Ren Dhark wach. Grübelnd starrte er vor sich hin. Hatte er tatsächlich einen schweren Fehler begangen, als er jede Forschung an Giants untersagt hatte? War das, was jetzt durch Tschobes Initiative geschehen war, nicht schon längst fällig gewesen – ohne Rücksicht auf seinen entgegenlaufenden Befehl? Seine Kabinentür öffnete sich. Dan Riker trat ein. Er übersah den grübelnden Ausdruck auf Dharks Gesicht. »Wie lange sollen wir hier noch liegen, Ren? Und stimmt es, was man sich um Schiff erzählt – du hast Jos aus der GSO entlassen?« »Ja!« Dhark erhob sich. Trotz wurde in ihm wach, weil er aus den Worten seines Freundes Widerspruch herausgehört hatte. »Ja, und es bleibt dabei! Er wird nie mehr Dienst in der GSO machen. Unzuverlässige Leute sind darin fehl am Platz!« »Ren«, Dan legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ren, soll ich jetzt sagen: gekränkte Eitelkeit oder etwas Ähnliches? Hat Manu Tschobe nicht hundertmal und mehr bewiesen, daß er dein Freund ist? Verflucht, Ren, warum wartest du nicht ab, was er und seine Fachkollegen bei der Untersuchung der Giants herausfinden? Dann kannst du diese Rebellen immer noch zurechtstauchen. Ren, wo ist dein Weitblick geblieben?« »Wenn ich zu diesem Fall auch Ja und Amen sage, macht dieses böse Beispiel Schule!« brauste Dhark vor seinem Freund auf. Der lachte spöttisch. »Du hast heute deinen schlechten Tag, mein Lieber. Dieses Beispiel könnte Schule machen? Das ist zum Lachen. Und weißt du, warum? Weil dazu etwas mehr gehört als nur Mut, gegen einen unmißverständlichen Befehl des Commanders zu rebellieren. In unserem engsten Kreis gibt es glücklicherweise eine Handvoll Männer, die genauso handeln könnten, wie Tschobe und Jos es uns gezeigt haben.
Ren, sei froh, daß es so ist! Oder bildest du dir ein, du hättest als Commander noch nie einen Fehler gemacht?« Zorn, Trotz, Ärger kamen und gingen in Ren Dhark. Einmal wollte er seinem Freund den Mund verbieten, fand aber keine Gelegenheit dazu. Aber nun, als Riker gerade gesagt hatte: »Glaubst du wirklich, daß Jos in seiner Kabine sitzt und Daumen dreht?« fiel er ihm ins Wort: »Dann setze ich ihn so fest, daß er kein Glied mehr rühren kann!« »Ren«, Dan Riker schüttelte unwillig den Kopf, »treib den Fall nicht auf die Spitze. Ich mache dir einen anderen Vorschlag: Komm mit zur Medostation und schau dir an, wie unsere Knochenflicker die Giants untersuchen...« Dhark kniff die Augen zusammen. »Die Giants, die man an Bord geschafft hat, werden in der Medostation untersucht? Gegen meinen Befehl?« »Nein!« rief Dan lauter als erforderlich. »Nicht gegen deinen Befehl, sondern mit deiner Erlaubnis! Oder hast du den Flug der Sternschnuppe nach Arim nicht stillschweigend gebilligt, als du vom unerlaubten Start der PRYMNO erfuhrst!? Ich weiß, du hattest zu diesem Zeitpunkt Wichtigeres zu tun, aber du hättest in diesem Fall dennoch entscheiden müssen. Und das, mein Lieber, war im Fall Tschobe-Jos dein Fehler! – Also komm, wir gehen zur Medostation!« Ren Dhark fiel es schwer, sich selbst einzugestehen, daß er durch sein Stillschweigen den Start der PRYMNO sanktioniert und damit auch das Unternehmen Tschobes auf Arim genehmigt hatte. Darum griff er Dans Vorschlag auf, die Arbeit der Ärzte in der Medostation zu besichtigen. Wortlos gingen sie über das Deck. Dan Riker kannte seinen Freund zu gut, um ihn jetzt in ein Gespräch zu ziehen. Er war überzeugt, daß Dhark in einer Stunde den gesamten Fall mit anderen Augen betrachtete und wahrscheinlich sogar zugeben
würde, seinerzeit eine Fehlentscheidung getroffen zu haben, als er jede Forschung an Giants untersagte. Dann standen sie vor der Medostation. Im strahlenden Rot leuchtete an der breiten Eingangstür das Transparent: Medostation gescihlossen. Zutritt untersagt! Riker betätigte die Bordverständigung. Der kleine Bildschirm blieb grau. Er rief die Kommando-Zentrale, um von dort Verbindung mit der Medostation aufzunehmen. »Sagen Sie Tschobe, der Commander und ich wollten herein!« Aber auch vom Leitstand her war keine Verbindung zu bekommen. Ren Dhark nagte an seiner Unterlippe, sagte kein Wort. Riker murmelte etwas vor sich hin, schaltete wieder und bekam die Verbindung mit dem Bordoffizier. »Hat Jos Aachten van Haag sich bei ihnen gemeldet?« »Nein, bis jetzt noch nicht. Ich warte auf sein Erscheinen!« Riker schaltete aus. »Das hab' ich mir gedacht. Der steckt auch bei den Medizinern, und uns läßt man nicht herein. Ren«, er sah seinen Freund von der Seite forschend an, »eine Konsequenz in dieser Form, wie sie Tschobe an den Tag legt, habe ich wirklich nicht erwartet. Alle Achtung! Er sagt es uns deutlich; denn an dieser Tür hört die Befehlsgewalt eines jeden Kommandanten auf. Dahinter ist das Reich der Ärzte, und darin sind sie allein Chef.« »Ja!« sagte Ren Dhark. Mehr nicht. Dann wandte er sich abrupt ab. »Wir starten. Kurs Terra!« Dan Riker folgte ihm. Hinter ihnen leuchtete das Transparent: Medostation geschlossen. Zutritt untersagt! -ENDE-
REN DHARK Löst Manu Tschobe das Rätsel der Giants? Wird jemals ein Mensch erfahren, wohin das Nor-ex die Raubtierköpfe verschleppt hat? Auf Terra hat niemand Zeit, sich mit diesen Problemen zu befassen. Drei Kreuzer der Terranischen Flotte melden sich nicht mehr – Schiffe, die anderen Intelligenzen im Spiralarm der Milchstraße Hilfe bringen wollen, damit sie sich gegen die Nor-ex wehren können. Haben die Rateken, die Facettenriesen auf dem Planeten Oorch, die Besatzung der URBIN überwältigt? Warum meldet sich Colonel F. Huxley, der die WEGA fliegt, nicht mehr aus dem System der Nogks – der Rasse, die in verstümmelten Funksprüchen Terra um Hilfe gebeten hatte? Wieder liegt die letzte Entscheidung bei Ren Dhark. Wird er mit seiner POINT OF den Rückweg ins Einstein-Kontinuum finden? Der REN DHARK-Roman
Wunder des blauen Planeten Im System der drei blauen Sonnen macht Ren Dhark überraschende Entdeckungen von Kurt Brand wird Ihnen auf viele Fragen antworten. Versäumen Sie nicht, sich diesen Band in 14 Tagen bei Ihrem Zeitschriftenhändler oder in der nächsten Bahnhofsbuchhandlung zu besorgen. Ihre Ren Dhark Redaktion im MARTIN KELTER VERLAG