REN DHARK Band 76
Das Reich der Schwarzen Weißen KURT BRAND
Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische ...
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REN DHARK Band 76
Das Reich der Schwarzen Weißen KURT BRAND
Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist überbevölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis“ mit 50.000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope“ nennen, gründen hier die Stadt „Cattan“ und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge“ genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, der Mysterious, das von ihm den Namen „Point Of“ erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den „Giants“, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark
versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, „Cal“ genannt, festzunehmen. Sie wird erst wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg“-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der CyborgForschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Ren Dharks größtes Ziel ist es jetzt, die neue Heimatwelt der Mysterious, der Ureinwohner Hopes, zu finden. Auf einigen fremden Sonnensystemen trifft er auf Spuren der Geheimnisvollen, doch nie die Mysterious selbst. Plötzlich taucht eine riesige Flotte von 20.000 Ringraumern vor Terra auf. Es sind jedoch wiederum nur Robotschiffe. Fast 4000 von diesen „POINT OF’s“ können die Terraner in ihren Besitz bringen. Bei der Verfolgung eines großen Pulks der abgedrehten Ringraumer stößt Ren Dhark mit dem Flaggschiff der Terranischen Flotte, der POINT OF, auf eine Sternenbrücke von 9 Sonnen. Er glaubt sich am Ziel seiner langen Suche.
Personenverzeichnis: Ren Dhark................... Dan Riker................... Arc Doorn...................
Commander der Planeten Freund und Mitarbeiter Ren Dharks genialer 1. Ingenieur auf der Point Of
Jos Aachten van Haag... Monty Bell....................
Echri Ezbal................... Mark Carrell.................. Spence Bentheim........... Pjetr Wonzeff, Mike Doraner, Tino Grappa.................
GSO-Agent Astrophysiker, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums Alamo Gordo Chef des biologischen Forschungszentrums im Brana-Tal wird im Brana-Tal zum Cyborg gemacht Astrophysiker auf Hope
Flash-Piloten
Vibrations-Alarm! Höchste Alarmstufe! Der Vibrations-Alarm riß auch Menschen, die schon im Sterben lagen, aus ihrer Lethargie. Professor Monty Bell lag nicht im Sterben; er schlief. Bis ihn der Alarm aus dem Schlaf riß. Erschreckt setzte er sich aufrecht. Im gleichen Moment flammte die Beleuchtung auf. Er streckte den rechten Arm aus zum Schalter, betätigte ihn, murmelte eine Verwünschung und seufzte erleichtert, als er den Alarm nicht mehr spürte, der ihn bis in die letzte Faser seines Körpers getroffen hatte. Die Scheibe des Viphos leuchtete. Einschalten und melden! Die Beine dabei aus dem Bett nehmen und zur Kleidung greifen! Seine Zentrale verlangte ihn zu sprechen. Mitten in der Nacht? Um 2:34 Uhr Norm-Zeit? Und sie hatte den VibrationsAlarm ausgelöst? „Ja, was ist denn los?“ polterte der Astrophysiker ungehalten.
„Nichts mehr, Bell“, sagte das Gesicht auf seinem Bildschirm. „Gar nichts mehr!“ Die Muskeln im Gesicht des Sprechers zuckten vor Nervosität. Aber Monty Bell war nicht nervös. Er war verärgert. Erstens, weil man ihn auf diese scheußliche Weise geweckt hatte, und zweitens, weil er sich diese dumme Antwort hatte anhören müssen. „Hous“, sagte er scharf, „wer hat den Vibrations-Alarm ausgelöst?“ Auf die dumme Antwort des Mannes ging er nicht mehr ein. „Ossorn! Wir wurden davon überrascht. Er hatte uns vorher nicht informiert und...“ „Verbindung mit Ossorn!“ verlangte er. Er ließ seine Kleider wieder fallen. Er zog seine Beine ins Bett zurück. Wenn Ossorn es nicht für nötig hielt, sich direkt mit ihm in Verbindung zu setzen, dann konnte alles nur halb so schlimm sein, oder hoffnungslos! Warum sollte er sich dann, wenn das letztere der Fall war, beeilen? Im Bett konnte er ebensogut die Hiobsnachricht empfangen. Die Verbindung mit Astrophysiker Ossorn kam. Das Bild auf dem Schirm des Viphos wechselte. Yve Ossorn sah übernächtigt aus. Bell wunderte es nicht. Er hatte nach vier Tagen und drei Nächten auch zum erstenmal wieder sein Bett gesehen. Die Störungen des galaktischen elektromagnetischen Feldes hatte sie an ihrem Arbeitsplatz festgenagelt. Bis sie nicht mehr konnten. Bis feststand, daß ihre Hoffnungen in Träume verwandelt worden waren. Die Schutzschirm-Experten hatten auch den letzten Menschen aus dem Traumreich seiner Hoffnungen auf den nackten Boden der Wirklichkeit zurückgeholt – und Colonel Neep, der mit dem Rest seiner Besatzung mit der LABOR 1 nach Terra zurückgekommen war. Es gab keinen Schutz gegen die Störungen aus der Milchstraße, weil der größte Teil der Energie-Orkane den
Hyperspace als Reiseweg benutzte, um dann überall wieder ins normale Gefüge mit unverbrauchter Gewalt einzubrechen – auch hinter Schutzschirmen! Dennoch hatte Yve Ossorn vor wenigen Minuten den Vibrations-Alarm ausgelöst! Gespannt blickte Monty Bell seinen Kollegen an. Der wischte sich über die Augen. Übernächtigt. Aber er mußte noch zehn Stunden aushalten, bis auch er ins Bett gehen durfte. Einer mußte die Stellung halten. Trotz Suprasensoren. Einer mußte in der Lage sein, Entscheidungen zu fällen. Und Yve Ossorn hatte eine gefällt. Den Vibrations-Alarm ausgelöst. „Bell“, klang seine Stimme auf, und ein verzerrtes Lachen stand um seinen Mund, „ich mache Feierabend. Ich habe schon mit Hope gesprochen. Auch mit den Utaren. Es stimmt...“ Bell verlor die Beherrschung. Er hatte kein Wort verstanden. Ossorn sprach wie ein geistig Minderbemittelter. Aber dennoch war es nicht schön, ihn anzubrüllen. Yve Ossorn reagierte darauf nicht. Er winkte nicht einmal ab. Er hatte seinen Kopf in beiden Händen liegen und starrte in die Aufnahme seines Viphos. Wie einer, dem plötzlich alles egal ist. „Bell, bitte, explodieren Sie gleich nicht wieder. Ich kann doch wirklich nichts dafür. Wirklich nicht. Ich habe nicht dran gedreht. Bestimmt nicht. Sie sitzen ja im Bett. Also können Sie auch nicht hart fallen, wenn es Sie umhaut. Es gibt keine Störungen mehr im galaktischen Magnetfeld. Vor einunddreißig Minuten sind die Werte so tief gefallen, wie man es seit vierzig Jahren nie mehr beobachtet hat. Na, hätten Sie an meiner Stelle keinen Vibrations-Alarm gegeben?“ Da stand Monty Bell schon neben seinem Bett. „Ossorn, Sie machen jetzt nicht Feierabend. Holen Sie auch Craig aus den Federn. Alle Assistenten. Ich will die gesamte Astrophysik versammelt sehen. In zehn Minuten bin ich
unten!“ Unten, das war unter Alamo Gordo. Unter der Hauptstadt Terras, in vielen Etagen, lag das größte Forschungszentrum, das die Erde jemals eingerichtet hatte. Und Monty Bell war der Chef und als Experte gleichzeitig Chef der astrophysikalischen Abteilung mit ihren vielen Nebenzweigen. Sein Jett brachte ihn auf die Landefläche des Regierungsgebäudes. Er mußte darauf verzichten, den AGravlift zu nehmen. Er benutzte den kleinen Transmitter. In siebenhundert Meter Tiefe trat er aus der grauen Ringantenne, passierte die Kontrolle, die sein Kleines Gehirnstrom-Muster überprüfte und ihm dann im gleichen Moment den Weg freigab, und eilte zu seinem Arbeitsraum neben dem Hauptlabor. Wren Craig saß vor Folien und studierte sie. Drei Projektionen arbeiteten. Sie warfen die neuesten Diagramme aus. Abrupt war Monty Bell stehengeblieben. Mit einem Blick hatte er die sensationellen Veränderungen erkannt. „Wunderbar!“ stieß er aus. Ossorn und Craig drehten sich nicht um. Cent Field hatte durchgeschaltet. Die Hyperfunk-Station verband sie mit dem Inselkontinent Deluge auf Hope. Astrophysiker Spence Bentheim, ein alter Kollege von Ossorn und Craig, bestätigte noch einmal die Beobachtungen, die man auch auf Terra und Esmaladan gemacht hatte. „Aber etwas stimmt nicht“, warnte Spence Bentheim. „Der Energiegewinn der Teilchen, den sie durch die magnetische Ablenkung erfahren, ist plötzlich nicht nur anomal niedrig geworden, wir können auch nicht feststellen, ob er auf Kosten der Bewegung geht. Sehen Sie sich doch einmal Diagramm XIV unserer zweiten Meldung an. Und vergleichen Sie mit Diagramm 34 Strich Theta der letzten Durchgabe!“
Spence Bentheim auf dem Planeten Hope machte eine Pause. Bell hatte nur halblaut angeordnet: „Deckung durchführen!“ Zwei Projektoren wurden umgeschaltet. Die beiden Diagramme tauchten am gleichen Platz auf. Die meisten Werte stimmten überein. Haargenau, aber im unteren Drittel zeigte sich auf dem Diagramm 34 Strich Theta eine merkwürdige Abweichung. „Wir haben uns zu früh gefreut“, murmelte Bell, der fühlte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Neben ihm fluchte Ossorn. Er schlug seine Hand gegen die Stirn und gab sich keinen feinen Namen. Er verstand nicht, wie ihm diese Abweichung entgangen war. „Ruhe vor dem galaktischen Weltuntergang!“ Wren Craig nannte das Kind beim Namen. Nur konnte niemand sagen, wann der neue Sturm ausbrechen würde; noch gab es einen Menschen, der für diese Veränderungen eine Erklärung hatte, die allen Kontrollen standhielt. Bell trat zu Ossorn. „Sie haben mit den Utaren gesprochen, ja? Und denen sind diese Abweichungen nicht aufgefallen? Sie haben sie mit keinem Wort erwähnt?“ „Kein Wort darüber. Wir haben davon ja auch nichts angemessen. Nur auf Hope. Aber Hope liegt ja auch einige Lichtjahre weiter vorn in der Richtung, aus der diese Strahlorkane zu kommen pflegen.“ „Dann hat Hope Fehler gemacht!“ behauptete Monty Bell. „Hm“, brummte Craig, der dazugetreten war und schüttelte den Kopf. „Hm“, machte auch Ossorn. Schließlich kannte er seinen Kollegen Spence Bentheim gut. Auf Hope hatten sie zu den 50.000 Kolonisten gehört, die auf diese Welt verschlagen worden waren. Und auf Hope waren sie zusammen durch dick und dünn gegangen. Einer wußte um die Schwächen des anderen, aber beide trauten Bentheim keinen gravierenden
Fehler zu. Und die Hyperfunk-Verbindung nach Hope stand immer noch. Bentheim hatte mitgehört, was in Beils Arbeitszimmer gesagt worden war. „Kein Fehler unterlaufen, Bell!“ widersprach er über viele tausend Lichtjahre hinweg. „Wir haben hier auch einige physikalische Außenstationen. Wir haben eine nach der anderen angerufen und Kontrollen durchführen lassen. Wir haben die drei Satelliten, die bis auf fünfhundert Lichtjahre weit stehen, neu programmiert. Wir wollten absolut sichergehen. Bell, unser Diagramm 34 Strich Theta weist keine Fehlmessungen auf!“ Monty Bell und seine Kollegen verspürten keine Müdigkeit mehr. Ihr Blick wanderte wieder zur Projektion, die zugleich zwei Diagramme übereinander zeigte. „Diese Abweichung...“, murmelte Bell und schüttelte verzweifelt den Kopf, „als ob sich irgendwo in der Milchstraße kosmische Teilchen mit niedrigen Energien versammeln würden, um bei einem Zusammenstoß mit anderen Teilchen mehr Energie aus diesen Zusammenstößen zu gewinnen, als es bei Zusammenstößen mit atomaren Teilchen verliert! Meine Herren, so klar haben wir es noch nie gesehen!“ So konnte nur ein Experte sprechen. Für einen Laien waren die Diagramme ein Gewirr von Linien, die er nicht deuten konnte. Bell aber hatte von Sehen gesprochen, dabei aber unberücksichtigt gelassen, daß man die Quelle der Strahlorkane immer noch zu finden hatte. „Bei Bulton laufen wir uns fest...“ Gedanken waren ungewollt in Worte gebracht worden. Bell ignorierte die erstaunten und fragenden Blicke seiner Kollegen. Marschall Bulton würde ihnen ohne Genehmigung des Commanders nie einen Raumer zur Verfügung stellen, um mit diesem Schiff endlich jene Höllenquelle zu finden, in der die
Störungen des galaktischen Magnetfeldes ihren Ursprung hatten. Und Commander Ren Dhark befand sich nicht auf Terra. Der Flottenchef Riker ebenfalls nicht. Da schoß Bell ein Gedanke durch den Kopf. „Bentheim“, fragte er den Astrophysiker-Kollegen auf dem Planeten Hope, „sind Sie allein?“ „ Ja, aber... ?“ „Welches Schiff liegt auf Hope?“ „Im Augenblick keins. Die beiden Kommandanten haben die Gelegenheit genutzt, als der Orkan abflaute, und haben Kurs Terra genommen.“ „Danke!“ sagte Bell enttäuscht. Er war um eine Hoffnung ärmer geworden. Seine Idee, mit einem der auf Hope liegenden Raumschiffe so tief in die Milchstraße vorzustoßen, bis man die Quelle der Magnetfeldstörungen tasten konnte, ließ sich nicht realisieren. „Machen wir mal wieder Schluß, meine Herren. Die Überwachung wird nicht verändert. Ossorn, schicken Sie alle Mitarbeiter wieder ins Bett, aber, zum Teufel, warum erfaßt man auf Hope andere Werte als auf Esmaladan oder bei uns? Bentheim“, wieder drehte er sich zum Vipho um, das ihn mit der Hyperfunk-Station verband, „Sie haben mitgehört, ja? Dann kennen Sie mein Problem. Lassen Sie sich von Cent Field eine Verbindung zu den Utaren geben. Sprechen Sie über unsere Dolmetscher mit den utarischen Experten. Machen Sie sie auf Ihre Meßwerte aufmerksam, und bei Ihnen, Bentheim, kontrollieren Sie noch hundertmal nach, ob Sie wirklich diese verdammten Werte erfassen. Wenn ja, dann benutzen Sie auch mal Ihre Gehirnsubstanz und denken darüber nach, warum Sie sie erfassen, wir und gegebenenfalls die Utaren aber nicht. Dieser Grund muß doch aufzudecken sein, oder sind Sie anderer Meinung?“ Mit leichtem Unterton in der Stimme bedankte sich Spence
Bentheim bei Bell für den Rat, endlich einmal seine Gehirnsubstanz zu benutzen, aber er nahm dem Professor dennoch nicht die Anspielung übel. Sie waren doch alle nervös, weil sie wußten, welche Gefahren durch diese Strahlorkane ausgelöst werden konnten. „Gut! Ich werde Ihrem Tip folgen. Wenn wir unserer Sache absolut sicher sind, rufe ich wieder an.“ Aber auch vierundzwanzig Stunden später hatte Spence Bentheim immer noch nicht wieder angerufen. Hope schwieg! Hope war auch über To-Funk nicht mehr zu erreichen, obwohl es jetzt keine Störungen in der Milchstraße gab, die jeden Funkverkehr unmöglich machten. Der Planet Hope schien nicht mehr zu existieren. * Jos Aachten van Haag erwartete keinen Erfolg mehr. In Gedanken verwünschte er den Afrikaner Manu Tschobe, der doch damals die Behauptung in die Welt gesetzt hatte, die beiden entarteten Cyborgs Dordig und Mildan seien nicht auf der Stelle verschwunden, sondern nur unsichtbar geworden. „Quatsch! Gibt’s nicht, aber ich Narr bin darauf hereingefallen!“ murmelte der GSO-Mann, der durch die Maschinenhöhle schlenderte und den riesigen Aggregaten kaum einen Blick zuwarf. Die Experten, die hier seit Jahren ihre Forschungen betrieben und bis zum Tag erst einen kleinen Teil der großen Maschinenanlagen und ihren Zweck enträtselt hatten, kannten ihn. Grußlos gingen sie an ihm vorbei, und Jos hatte auch keine Lust, hundertmal in einer Stunde Guten Tag zu sagen. Über sein Vipho kam eine Meldung durch, die ihn nicht interessierte. Man war es doch gewohnt, daß die ToFunkverbindung nach Terra durch die Veränderungen im galaktischen Magnetfeld oft unmöglich waren. Wenn sie eben
mal wieder zusammengebrochen war, dann bedeutete es doch keinen Beinbruch. Aber der Team-Chef in der Funk-Zentrale gab keine Ruhe. Über Vipho forderte er Hyperfunk-Experten an. „Hier ist einwandfrei Sabotage betrieben worden!“ behauptete der Mann allen Ernstes. Das war der Moment, in dem Jos aufhorchte. Er schaltete die kleine Bildfläche seines Gerätes ein, meldete sich. „Ach, Sie!“ wurde ihm erwidert, und Jos hörte es nicht gern. Es hatte etwas zu sehr von oben herunter geklungen. Idiot, dachte Jos und schaltete die Scheibe wieder aus. Er änderte die Richtung seines Spazierganges. Kurz darauf ging er durch die sensorische Sperre der Funk-Zentrale, die ihn identifiziert hatte und passieren ließ, „Van Haag, was verstehen Sie schon von Hyperfunk?“ wurde er vom Team-Chef, einem jungen Mann von fünfundzwanzig Jahren, angefahren, der sichtlich nervös war. „Nichts! Wozu auch?“ erwiderte Jos lässig. „Aber wovon Sie nichts verstehen, davon verstehe ich etwas, und das ist eine ganze Menge, mein Guter!“ Schließlich war Jos Aachten van Haag nicht irgendwer. Er gehörte zu den besten Männern der Galaktischen SicherheitsOrganisation, und er besaß – abgesehen von bedeutungslosen Ausnahmen – Bernd Eylers absolutes Vertrauen. Seine Vollmachten reichten auch sehr weit. Erforderte es die Lage, dann konnte er sogar einem Raumschiff-Kommandanten Vorschriften machen. Aber Jos benutzte diese Machtmittel nicht gern. Er verfügte noch über andere Methoden, um sein Ziel zu erreichen. Er kehrte dem Team-Chef den Rücken zu und wandte sich an einen blutjungen Techniker, der im Augenblick nicht wußte, was er mit der Gredo-Zange machen sollte, die er von einer Hand in die andere wandern ließ. „Erzählen Sie mal, was hier passiert ist!“ forderte er ihn auf
und bot ihm gleichzeitig eine Zigarette an. Als er den fragenden Blick des Technikers zum Team-Chef bemerkte, fügte er hinzu: „Der ist abgemeldet. Sie werden jetzt von der GSO vernommen. Schon mal was davon gehört?“ Unüberlegt platzte der Techniker heraus: „Und ob! Galaktische Schnüffel-Organisation...!“ Erschreckt verstummte der Mann. Jos hatte Humor. Er lachte. „Okay, aber nun sprechen Sie sich mal aus!“ Jos hatte den richtigen Mann angesprochen. Der Techniker erzählte gern. Und er gehörte zu den Menschen, die ausgezeichnet beobachten konnten. „... und da gehe ich wieder an der Schaltwand III entlang, stutze und denke: Nanu, das war doch eben anders! und sehe genauer hin. Da haut’s mich fast um. Das Okti-Segment ist ohne Strom, und wenn das mal ausfällt, dann kann der Funker einpacken. Weiter als zehn Lichtjahre kommt er mit keinem Spruch mehr. Mit zwei Kollegen die Verkleidung abgenommen, trifft uns fast wieder der Schlag. Das OktiSegment ist okay. Van Haag, da sind wir aber lustig geworden. Wenn ich Ihnen das Okti-Segment erklären darf...“ „Nicht nötig“, wehrte Jos großzügig ab, weil ihn die Erfahrung gelehrt hatte, komplizierte technische Erklärungen doch nicht verstehen zu können. „Erzählen Sie weiter. Wenn ich etwas nicht begreife, frage ich schon.“ Das tat er bald. „Sie können den Fehler nicht finden?“ „Nein!“ „Wie kommt denn Ihr Team-Chef dazu, von Sabotage zu sprechen?“ „Weil’s Sabotage ist!“ „Heiliger Strohsack“, platzte Jos heraus, „solch eine Behauptung muß man doch erst einmal beweisen!“ „Können wir auch. Moment mal“, er ging zur Seite, trat an
einen Tisch und nahm etwas davon. Als er vor Jos seine Hand öffnete, lag ein kleiner Gegenstand darin. „Das haben wir nebenan im Hauptstromraum gefunden. Aber hinter der Verkleidung des Nus-Trafos. Und der wird alle vier Stunden genauestens kontrolliert. Und so’n Ding hat darin keinen Platz. Von uns kennt es auch keiner. Wissen Sie vielleicht, was das ist?“ Jos brauchte es nicht einmal in die Hand zu nehmen. Er kannte den kleinen Gegenstand. Ein Spezial-Zerhacker und Raffer. Nur an Spezial-Viphos zu benutzen, mit denen die Cyborgs ausgerüstet waren. Nun bedauerte der GSO-Mann, daß mit Terra keine Verbindung zu bekommen war. Die GSO-Zentrale hätte er gern gesprochen, genauer, die Ausrüstungsstelle. Sie hätte ihm präzise angeben können, an welchen Cyborg dieses kleine Zusatzgerät ausgehändigt worden war. Statt dem Techniker die Frage zu beantworten, fragte Jos: „Welche Nummer steht auf der Rückseite? Drehen Sie es einmal um!“ Der andere gehorchte, las die Nummer und gab sie dem GSO-Mann bekannt. Sie war leicht zu behalten: BAU-3-BU „Geben Sie das Ding Ihrem Chef. Er soll es hinter die sicherste... nein, noch besser in einen der altmodischen Panzerschränke legen. Danke, mein Lieber. Sie haben mir ein gutes Stück weitergeholfen. Und von einem bin auch ich jetzt überzeugt: Hier liegt Sabotage vor.“ Eine verblüffte Team-Mannschaft, die aus acht Personen bestand, sah ihm ratlos nach, als er den Raum verließ. „Der Kerl ist ja ein unheimlicher Angeber!“ sagte jemand, als Jos außer Hörweite war. Und der Team-Chef nickte. Er hatte die gleiche Ansicht über Jos Aachten van Haag. *
Pjetr Wonzeff und Mike Doraner verzweifelten. Über ihre Viphos hörten sie den Commander und seine Gruppen, aber sie konnten sich mit ihm nicht in Verbindung setzen. Sie kamen nicht durch. Der Sender der POINT OF überlagerte alles, dabei ging es um Minuten – um Sekunden. Sie mußten den Commander warnen! Wieder schrie Wonzeff in sein Vipho: „Dhark, Dhark!! Hören Sie mich? Hören Sie uns? Dhark, sind Sie es gewesen, die alles aktiviert haben?“ Dabei irrte sein Blick in die Runde, durch den riesigen unterirdischen Raum, durch die Lagerhalle, in der das Unheimliche an allen Stellen lebendig wurde. „Waren Sie es? Großer Himmel, sie werden alle lebendig... alle... alle!“ Seine Augen waren so unnatürlich groß wie die seines Begleiters. Um sie herum wurde es lauter und lauter. Um sie herum wurde alles lebendig. „Pjetr...“, keuchte Mike Doraner und rüttelte verzweifelt an seinen kleinem Spezial-Vipho, dessen Bildschirm grau war, „wir haben keine Verbindung mehr. Ich kann Dhark nicht mehr hören!“ Beide wichen ununterbrochen zurück. Beide hatten Angst. Zu plötzlich war um sie herum alles lebendig geworden. Und das kam nun auf sie zu. Von allen Seiten. „Mein Gott, wer hat das ausgelöst?“ stieß Pjetr Wonzeff aus und sah dann etwas, das ihm Furcht einjagte. Doch die Furcht kam nicht mehr zum Tragen. Weder er noch Mike Doraner sahen den Strahl, der sie traf und von den Beinen riß. Mit dumpfem Geräusch prallten sie zu Boden. Dieses Geräusch ging in dem Lärm unter, der ringsum lauter wurde. Bewußtlos lagen zwei Terraner auf einem unbekannten Planeten einer Sternenbrücke; einer neben dem anderen, und beide rührten sich nicht mehr.
* Vor dem großen, geöffneten Portal stand Ren Dhark. Unbeweglich. Der Hilferuf seiner beiden Flash-Piloten hatte ihn stärker getroffen als er es sich anmerken lassen wollte. Wer war lebendig geworden? Und abermals mußte er an die Mysterious denken, aber auch an die All-Hüter – die Giants –, die man wie Ware lagern konnte, um sie dann, wenn es ins Programm paßte, zu aktivieren, um sie lebendig zu machen. Waren Wonzeff und Warren auf Giants gestoßen? Dhark drehte sich um. Kucks sicherte hinter ihm. Die anderen auch, die ihre Flash nicht verlassen hatten. Unheimlich wirkte der kreisrunde, riesengroße Platz, der einen Durchmesser von mehr als vier Kilometern besaß. Und über dem Mittelpunkt dieser Anlage der schwebende, ultrablau leuchtende Ring in 2367 Metern Höhe. Die POINT OF meldete sich wieder. „Auf Empfang bleiben!“ ordnete Dhark knapp an. Die folgende Anfrage galt seinem Freund Riker. „Kommst du mit?“ „Ja!“ klang es gepreßt. „Ich komme!“ Dessen Flash schwebte heran, landete dicht hinter Leutnant Kucks, und Riker stieg aus, kam langsam auf seinen Freund zu. „Und?“ Mit einer Kopfbewegung deutete Ren Dhark auf das geöffnete Portal. Aus zusammengekniffenen Augen starrte Riker in die gewaltige Halle hinein. Weit im Hintergrund rotierte ein im Goldton schimmerndes Emblem, das stilisiert eine GalaxisSpirale wiedergab. Das Schimmern war stärker als das Blaulicht in der Halle, die stützenlos war und deren
blauschimmernde Wände keine Verzierungen aufwiesen. Diese Halle mußte für Riesen gebaut worden sein, nicht für Wesen, die die Größe der Terraner hatten. Dieser Empfangsraum war in seiner Größenordnung mit der beeindruckenden Weite eines Doms zu vergleichen, von denen es auf der Erde nicht mehr allzu viele gab. Unwillkürlich verwandelte sich Rikers Trotz in Faszination. Auch er dachte an die Geheimnisvollen, und an die wenigen Spuren auf die sie bisher gestoßen waren. „Gehen wir“, forderte Dhark seinen Freund auf, den er unbemerkt beobachtet hatte. Dharks Hände waren waffenleer. „Ohne...?“ Über Dharks Gesicht lief ein hilfloses Lächeln. „Was wollen wir mit unseren Strahlwaffen gegen diese Anlage ausrichten, Dan?“ Er nahm sein Vipho hoch. „An alle! Wir glauben nicht, daß uns Gefahr droht, sollten wir uns aber plötzlich nicht mehr melden, dann ist die Suche nach uns abzubrechen, wenn dadurch die Besatzung der POINT OF und das Schiff gefährdet werden sollten. Hallo, POINT OF, verstanden?“ Man hatte den Commander verstanden. Sein Befehl gab ihnen nicht viel Spielraum, wenn er mit seinem Freund in diesem gigantischen, mehr als hundert Stockwerke hohen Gebäude verschwand und sich nicht mehr melden konnte. „Und die Suche nach Wonzeff und Doraner?“ fragte jemand aus einer Gruppe. „Wird fortgesetzt, aber unter den gleichen Einschränkungen!“ erklärte Dhark scharf. „Ich erinnere mich, daß wir aufgebrochen sind, die beiden Flash-Piloten zu suchen. Ende!“ Dharks Vipho blieb auf Empfang. Kurz nickte er. Dan Riker grinste. Er fühlte sich in seiner Haut nicht besonders wohl. Die leuchtende Zylinderröhre, die plötzlich aktiv geworden war
und ununterbrochen Impulse aussandte, schien hier ebenso wie im Industrie-Dom über die wichtigsten Funktionen das Kommando zu führen. Und wenn die Zylinderröhre das Kommando gab, sie zu vernichten, dann gab es keinen Ausweg mehr für zwei Terraner, die ihre Neugier wieder einmal nicht zügeln konnten. Ren Dhark schritt voraus. Durch das Portal. Hinein in die Halle. Hinein in das Blaulicht, das sie zum erstenmal im Industrie-Dom auf dem Planeten Hope gesehen hatten. Ihr Ziel war das rotierende Emblem vor oder in der Wand am Ende der Halle. Alles in Dhark war konzentrierte Spannung. Sein Blick ging ununterbrochen hin und her. Über ihnen befand sich die glatte, kaum gewölbte Decke. Sie bestand aus Unitall, wie die Wände und der Boden. Doch der Boden war mit einer schrittdämpfenden, durchsichtigen Schicht belegt. Sie sog Geräusche in sich auf. Je tiefer sie in die Halle kamen, um so kleiner, nichtiger kamen sie sich vor. Gleich einem Störsender fühlte Dhark die Unruhe seines Freundes. „Wenn wir nur wüßten, was hier lebendig geworden sein soll, Ren...“ Im gleichen Moment blieben beide wie angewurzelt stehen. Unter ihren Füßen hatte der Unitallboden zu leuchten begonnen. Sie standen auf einem rotierenden Emblem, das sich im Material drehte! Und wiederum schimmerte das stilisierte Zeichen im Goldton! Dhark verspürte feines Prickeln, das überall in seinem Körper festzustellen war. Dan Riker juckte sich, kratzte durch die filmdünne Schicht seines M-Anzuges, aber er sagte kein Wort. Dhark versuchte das Prickeln zu vergessen. Hing dieses
Gefühl vielleicht mit dem rotierenden Emblem unter ihren Füßen zusammen? „Warte einen Moment!“ sagte er kurz entschlossen zu seinem Freund, auf dessen Kinn sich ein roter Fleck zeigte, ein Beweis, wie stark Riker erregt war. Dhark machte fünf große Schritte, um aus dem Bereich der im Boden liegenden Spirale zu kommen. Kaum hatte er sie verlassen, als von dem Prickeln nichts mehr zu spüren war. Er winkte Riker heran. Der schüttelte sich, fragte eigenartigerweise nichts, sah aber seinen Freund aus großen Augen fragend an. Was sollte Dhark ihm antworten? Eine Spekulation in Worte kleiden? Waren sie vielleicht in diesem Moment, als sie sich im Bereich der Spirale befanden, getestet worden? Als Dhark sich umdrehte, war das Emblem hinter ihnen verschwunden. Geheimnisvoll das alles, wie die Mysterious geheimnisvoll waren. Oder sahen sie nur das Verhalten dieser Wesen als etwas Geheimnisvolles an, weil sie keine Ahnung hatten, wie jene Rasse einmal gelebt hatte? Sie gingen auf die gegenüberliegende Wand zu. Ihre Blicke suchten vergebens nach einem A-Gravschacht. Boden und Decke waren aus einem Guß, aber was hatte das schon bei der Technik der Mysterious zu bedeuten? Hin und wieder hörten sie aus dem Empfang ihrer ViphoGeräte Wortfetzen oder knappe Bemerkungen. Das beruhigte auch Ren Dhark, der sich klar war, in welches Abenteuer sie sich wieder einmal gestürzt hatten. Nach wie vor bestand auch einwandfreie Verbindung zum Flaggschiff. Dann hatten sie das Ende der Halle erreicht. Das Emblem rotierte in der Wand. Aus der Wand kam das im Goldton schimmernde Leuchten, das etwas Beruhigendes an sich hatte. Das Gefühl, sich in Gefahr zu befinden, war mehr und mehr von den beiden
Männern gewichen, aber beide fragten sich in ihren Gedanken ununterbrochen, wo denn das sein sollte, was wieder lebendig geworden war. Dhark machte plötzlich mit beiden Armen eine hilflose Bewegung, wie ein Mensch, der sich festhalten will, aber irgendwo Halt findet. Neben ihm stieß Riker einen Schrei aus. Unter ihnen existierte kein Boden mehr. Das Emblem vor ihnen war verschwunden. Für einen Sekundenbruchteil hatten sie einen riesengroßen grauen Ring gesehen, der aus der Wand auf sie zugekommen war. Wie ein Spuk war dann auch schon wieder alles vorüber. Sie befanden sich nicht mehr in der Halle. Sie standen am Fuß einer breiten fünfstufigen Treppe. Sie blickten zu einem gigantischen, geschlossenen Portal hinauf! Aber sie sahen das Portal kaum. Das war auch unwichtig. Sie starrten einen schwarzen Weißen an, der in majestätischer Haltung auf dem oberen Treppenabsatz stand, die Arme weit gestreckt hatte und seine Handflächen den beiden Terranern zeigte! Planet Hidplace, das Versteck der nicht umgeschalteten Robonen! Auf dem Planeten Hidplace die kleinen, verlassenen Städte, die von den Robonen nicht betreten werden durften! Aber Ren Dhark und seine Männer hatten sie damals auf der Flucht passieren dürfen! Und Ren Dhark und seine Freunde hatten dort zum ersten- und zum letztenmal schwarze Weiße flüchtig kennengelernt! Und hier trafen sie wieder auf eines dieser nicht negroid wirkenden Wesen! Auf Roboter?! Und ein schwarzer Weißer gebot ihnen mit seiner Geste Halt! Keinen Schritt weiter! hieß seine Haltung! Auch Ren Dhark atmete schwer. Der Übergang von einer
Umgebung zu einer anderen war blitzschnell erfolgt. Eine Transmitter-Anlage hatte sie aus der Halle vor ein gewaltiges Gebäude mit seinem riesigen Portal befördert. Direkt diesem schwarzen Weißen in die Arme! Eine Majestät stand oben am Ende der fünfstufigen Treppe, deren Stoßseiten unbekannte Schriftzeichen aufwiesen. Eine Majestät sah sie gelassen an, als hätte sie das minderwertigste vor sich, das es innerhalb der Milchstraße gab. „Was hältst du davon?“ flüsterte Dan Riker, der nicht laut zu sprechen wagte. Ein Achselzucken war Dharks Antwort. Sein Blick brannte sich an dem schwarzen Weißen fest, dessen Oberkörper nackt war. Der Oberkörper eines athletischen Menschen! Ein Oberkörper, auf den jeder Mann stolz gewesen wäre. Und der wohl proportionierte Brustkorb hob und senkte sich unter jedem Atemzug! Nur eine schmale, enganliegende, feuerrote Schärpe, die von der rechten Schulter nach der linken Hüfte verlief, verdeckte ein wenig der schwarzen Haut. Kurz und gelbweiß war die Hose. Die Füße wurden durch leichte Sandalen geschützt. Um die Stirn dieses unbeweglich stehenden Wesens aber lag ein weißer Reif, der in der Mitte einen rotfunkelnden Stein trug. Das Zeichen der Königswürde? Das Portal hinter ihm war geschlossen. Hoch über dem Kopf des schwarzen Weißen zeigte es die stilisierte Wiedergabe einer Galaxis, und auch sie schimmerte im Goldton! „Du...“ Nun flüsterte auch Ren Dhark, der nicht mehr genügend Kraft aufbringen konnte, sich dem Eindruck dieses Schauspieles zu entziehen. „Wir haben keinen Kontakt mehr mit den Gruppen. Die POINT OF ist auch nicht mehr zu hören.“ „Mich wundert gar nichts mehr“, erwiderte Riker ebenso leise, und unwillkürlich griffen seine Hände zu den Kolben der Strahlwaffen.
Dhark hatte es bemerkt. „Nicht ziehen!“ zischte er. Der schwarze Weiße hatte sich bewegt. Er nahm seine Hände herunter. Er setzte einen Fuß vor und kam auf sie zu. Gelassen. Den Blick aus seinen grell leuchtenden Augen starr auf die beiden Männer gerichtet. Der Stein in seinem weißen Reif funkelte und blitzte in grellstem Rot, und dennoch ging von diesem Leuchten keine Drohung aus. „Zurück!“ flüsterte der Commander, der sich von dem waffenlosen Wesen nicht täuschen ließ. „Wir müssen den Transmitter wieder erreichen.“ Hastig drehte er sich um, während der schwarze Weiße inzwischen zwei Stufen tiefer gekommen war. In ungläubigem Erstaunen weiteten sich Dharks Augen. Sie befanden sich unter einer großen Energiekuppel! Darin existierte nur das Gebäude, vor dem sie standen! Ringsherum breitete sich eine gepflegte Rasenfläche aus, die einem blaugrünen, dichten Teppich ähnelte. Von einem Transmitter keine Spur. Dicht hinter ihnen endete der feste Bodenbelag, der im blauen Unitallton schimmerte. Und der schwarze Weiße kam langsam die letzte Stufe herunter und auf sie zu. * Arc Doorn hielt es in seinem Flash nicht mehr aus. Vor fünfzehn Minuten Norm-Zeit war die Verbindung zum Commander abgerissen. Auch die Männer in der Funk-Z der POINT OF verzweifelten. Sie hatten alles versucht, um erneut Kontakt mit Dhark und Riker zu bekommen, es aber nicht geschafft. „Ich gehe allein!“ hatte Doorn allen anderen Männern der drei Gruppen mitgeteilt. „Sonst verschwinden wir noch wie die zehn schwarzen Negerlein!“
Er kümmerte sich um die Proteste der anderen nicht, die ihn darauf aufmerksam machten, daß der Commander präzise angegeben hatte, was zu tun wäre, wenn er sich nicht mehr melden würde. „Ich gehe allein!“ knurrte der Sibirier noch einmal über sein Vipho, während er auf das geöffnete Portal zuging und dann in der Halle verschwand. Sein Ziel war auch das rotierende Emblem der großen Halle. Daß auf halbem Weg unter seinen Füßen eine zweite stilisierte Darstellung kurzfristig existierte, bemerkte er nicht, wie er ebenfalls auf das leichte Prickeln in seinem Körper nicht Obacht gab. Ein Transmitter, dessen graue Antenne auf ihn zukam, riß auch ihn in eine andere Umgebung. Drei schwarze Weiße empfingen ihn, die vor einem geschlossenen Portal auf einem Treppenpodest standen und ihm mit unmißverständlicher Geste Stopp geboten. Arc Doorn kannte sie nicht. Damals auf dem Planeten Hidplace, als Ren Dhark und Riker mit den beiden Cyborgs Bram Sass und Lad Oshuta vor Allon Sawall flüchteten und mit den schwarzen Weißen Bekanntschaft machten, war er nicht dabei gewesen. Nur vom Hörensagen waren sie ihm bekannt. Und er wußte auch, daß die beiden Cyborgs, als sie innerhalb ihres zweiten Systems ihre Augen auf den r-Bereich umgeschaltet hatten, diese schwarzen Weißen als Roboter identifiziert hatten. Arc Doorn war nicht mit leeren Händen gekommen. In jeder hielt er einen Blaster, und die Abstrahlpole zielten genau in die richtige Richtung. Der Transport mit dem Transmitter hatte ihm einen viel kleineren Schock versetzt als dem Commander und Riker. Die grell glühenden Augen der schwarzen Weißen imponierten ihm nicht. Sie haben Dhark und Riker auf dem Gewissen! dachte er,
und drückte im gleichen Moment kaltblütig den Kontakt an seinen Blastern. Drei schwarze Weiße flogen in donnernden Explosionen auseinander! Drei schwarze Weiße, die keine Schärpe getragen hatten, und auch um ihre Stirn keinen Reif mit einem rotfunkelnden Stein. Drei Lichtfontänen jagten nach allen Seiten. Eine starke Druckwelle traf den Sibirier, die ihn schwanken ließ. Daß die Luft von r-Strahlung verseucht war, kümmerte ihn nicht. Er vertraute der erstklassigen Qualität seines geschlossenen MRaumanzuges. „Na, ihr Brüder“, sagte er knurrend und stieg langsam die fünfstufige Treppe hinauf. Dabei hetzte sein Blick hin und her. Flüchtig betrachtete er das Emblem an dem geschlossenen Portal. Noch flüchtiger sah er zu den Stellen hinüber, wo drei schwarze Weiße eben noch gestanden und ihm ihr Stopp durch eine unmißverständliche Geste zugerufen hatten. Drei schwach verfärbte unregelmäßige Flecken verrieten ihm, daß die Roboter unter Freigabe hoher Energiewerte ihre Existenz aufgegeben hatten. Arc Doorn, der bullig wirkende Mann, den man ebensogut für einen Boxer halten konnte, wenn man seine etwas platte Nase betrachtete, war als wortkarg berüchtigt, aber berühmt wegen seiner Fähigkeit, alle möglichen Aggregate reparieren zu können, ohne ihre Funktion zu kennen. Wieso er zu dieser Veranlagung gekommen war, konnte er selbst nicht sagen. Er hatte das gewaltige, geschlossene Portal erreicht, trat zur Seite, um nach dem Öffnungskontakt zu suchen, als sein rechter Fuß etwas fortstieß. Er bückte sich und brummte schon sein „Na, also“, als er es aufhob. Der Commander hatte eine eindeutige Spur hinterlassen. Er drehte das Cent-Stück noch zwischen den Fingern, als ihn ein Geräusch herumwirbeln ließ.
Arc Doorn sah nichts mehr. Er fühlte nichts mehr. Besinnungslos krachte er zu Boden. Daß ihn ein schwarzer Weißer wie ein Leichtgewicht über die Schulter warf und mit ihm die fünfstufige Treppe hinunterging, merkte er nicht mehr. Der schwarze Weiße verließ die feste Bodenplatte vor der Treppe, betrat den blaugrünen, dichten Rasen und griff wieder nach der leblosen Gestalt über seiner Schulter, als vor ihm aus dem Nichts der graue Ring eines Transmitters existent wurde. Wie ein Ding, das keinen Wert besitzt, wurde Arc Doorn in den Bereich der Transmitter-Antenne geschleudert, um gleichzeitig darin zu verschwinden. Der schwarze Weiße hatte seine Aufgabe erfüllt. Er drehte sich um und ging wieder der Treppe zu. Hinter seinem Rücken war die graue Transmitter-Antenne auch verschwunden. * Im OP-01 wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Echri Ezbal hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst die Aufsicht zu führen. Er wußte am besten, was für den Cyborg Mark Carrell auf dem Spiel stand. Hin und wieder warf der greise Wissenschaftler einen Blick auf das Chrono im OP. In wenigen Minuten mußte Mark Carrell eintreffen. In Gedanken fragte sich Ezbal, was wohl im Kopf dieses draufgängerischen Mannes vor sich gehen würde, der nicht im unklaren belassen worden war, daß dieser Versuch in seinem letzten Stadium mißlingen könnte. Und das bedeutete dann nichts anderes, als daß Carrell sterben mußte. Die Tür hinter der Steril-Schleuse öffnete sich. Carrell trat ein, acht Minuten vor der festgesetzten Zeit. Er sagte Guten Morgen, obwohl es draußen Nacht war. An diese Eigenart im Brana-Tal hatte auch er sich schnell gewöhnt. Hier
waren alle Uhren auf Norm-Zeit gestellt, und in der unterirdischen Anlage spielte es keine Rolle, welche Tageszeit draußen im Brana-Tal herrschte. Mark Carrell machte einen zufriedenen Eindruck. Er hatte gut geschlafen, und die Steril-Dusche, die er im Schleusenraum über sich ergehen lassen mußte, hatte ihn noch munterer gemacht. Ezbal ging auf ihn zu, schüttelte ihm herzlich die Hand und schaute ihn an. „Alles okay, Ezbal! Von mir aus kann der letzte Test durchgeführt werden.“ Der Wissenschaftler wunderte sich insgeheim über den Mut des Cyborgs. Während er in der letzten Nacht noch einmal alle Berechnungen und Berichte durchgegangen war, sämtliche Untersuchungsprotokolle durch einen großen Suprasensor hatte überprüfen lassen und dennoch das Gefühl einer letzten Unsicherheit nicht hatte loswerden können, drängte Carrell darauf, den Abschlußtest anlaufen zu lassen. Diesmal nahm er nicht auf dem OP-Tisch Platz, sondern im Gliedersessel, in dem auch Operationen durchgeführt wurden. Mehrere Motoren liefen an, kaum daß er Platz genommen hatte, und durch Sensoren gesteuert, veränderten sie den Gliedersessel so lange, bis der Cyborg darin bequem saß. „Fertig!“ sagte er, als er sich wohl fühlte. Rechts hielten sich zwei Ingenieure auf, links drei, die Kontaktplatten an Arme, Beine, Rumpf und Kopf anlegten. Sie wurden von drei Medizinern abgelöst, die mit Ple-Saugköpfen herankamen und Kabel hinter sich herzogen. Mark Carrell bemerkte nichts, als die an bestimmten Stellen angelegten Saugnäpfe plötzlich eine Reihe winziger Nadeln in seine Haut stießen. Er war diese Prozeduren durch die vorhergegangenen Untersuchungen und Versuche längst gewohnt. Ebenso beeindruckte ihn der Einsatz der vielen medizinischen Geräte nicht mehr, die gleich einer doppelten
Ringmauer um ihn herum aufgebaut waren, während rechts neben ihm an der Wand eine große Schalttafel, die mit mehreren Zusatzaggregaten gekoppelt war, zusammengefaßt noch einmal alles anzeigte, was jedes einzelne Gerät in seinem speziellen Bereich angab. Wie beim letzten Versuch war auch heute wieder der Zähler das allerwichtigste Instrument. Er gab bis auf viele Stellen hinter dem Komma genau an, wieviel Milliarden Viren sich pro Raumeinheit in seinem Körper befanden – Viren der Gruppe F, von denen Echri Ezbal sich Wunderdinge versprach. Nur hatten sie den bedrohlichen Nachteil, daß sie unheilbaren Krebs auslösten – einen auf Terra unbekannten Krebs –, wenn sie nicht unter Kontrolle gehalten werden könnten. Schon im Jahre 2050 hatte Ezbal mit dem auf dem Planeten Bittan im 404-System entdeckten Virus Versuche angestellt, aber es hatte vieler komplizierter Reihenversuche bedurft, bis es ihm gelungen war, das Virus nach seinen Stämmen zu trennen und den Erreger der Gruppe F rein zu kristallisieren. Und nun war Mark Carrells Körper eine einzige Gaststätte für das Virus F, das ihm in diesem OP injiziert worden war. Mittels einer relativ hohen Steuerspannung von 6,38 Volt hatte man das injizierte Virus aktiviert. Mit anderen Worten: Man hatte es gezwungen, sich in Carrrels Körper innerhalb eines turbulenten Ablaufes zu vermehren. Der Zähler, ein für diesen Zweck neu konstruiertes Gerät, das durch einen Suprasensor kontrolliert wurde, hatte die Aufgabe, die Zahl der Viren nicht über einen bestimmten Wert steigen zu lassen. Durch Experimente am lebenden Gewebe wußte Ezbal, daß dieses Virus zu bändigen war, wenn es pro Raumeinheit eine bestimmte Zahl nicht überschritt. Das alles lag hinter Carrell. Heute sollte er den Beweis erbringen, daß er mit diesen Viren im Körper ein besserer Cyborg war als alle anderen der alten Art.
Er glaubte Echri Ezbals Behauptung. Er hatte die Grenze überschritten, noch einmal Angst vor der Zukunft zu haben. Die Viren in seinem Körper waren jetzt passiv und damit vollkommen harmlos, als ob sie gar nicht vorhanden seien. Die vergangenen Stunden hatten es bewiesen, da zudem das Virus F keine Inkubationszeit besaß. Darum wartete er nun auch ungeduldig darauf, daß endlich dieser Test zu Ende ging. Er wollte wieder die Sonne sehen. Er war es müde geworden, als Versuchskaninchen in der Cyborg-Station Woche um Woche hinter sich zu bringen. Er wollte endlich als Cyborg im Brennpunkt der Ereignisse stehen. Im OP-01 wurde es still. Nur das Summen der Aggregate war zu hören. Kein Mensch sprach ein Wort. Jeder wartete auf Echri Ezbals letzte Anweisungen für Mark Carrell. Ezbal stand neben dem Zähler. Jetzt hob er den Kopf und gab Carrell das verabredete Zeichen. Mark Carrell schaltete auf sein zweites System. Er war im gleichen Moment Cyborg geworden, ohne sich in seinem Aussehen verändert zu haben. Anstelle seines biologischen Aufbaues war der Cybernetic-organism getreten, der alle natürlichen Funktionen übergangslos übernommen hatte. Gleichzeitig aber hatte er auch alle psychologischen Belastungen soweit abgebaut, daß nur noch das logistisch gesteuerte Verhalten vorhanden war. Mut, Angst, Verzweiflung oder Ratlosigkeit existierten in Mark Carrell nicht mehr. Er war nur noch Cyborg, kein Mensch. Sein Gehirn war die Programmierung – sein Zweitgehirn. Alle Funktionen seines natürlichen Körpers lagen still, aber über die schwache Rückschaltungs-Phase waren Programm und Normal-Gehirn miteinander verbunden. Denn in extremen Notfällen, wenn die Programmierung nicht ausreichte, sollte das Zweitgehirn das normale blitzschnell aktivieren können, um von ihm Auskünfte zu erhalten.
Carrell erledigte als Cyborg alle ihm gestellten Aufgaben wie eine Maschine, Es kümmerte ihn nicht, daß Echri Ezbal die Angaben des Zählers ununterbrochen verfolgte. Als Cyborg kannte er keine Angst. „Aufgabe hundertunddrei...“ Auch die erledigte er. Mit Test hundertzehn war der erste Teil des Versuches zu Ende. Ezbal schaltete den Zähler ab. Mark Carrell war von Medizinern, und Ingenieuren umringt. Der letzte Kontakt wurde von seinem Körper entfernt. Der Cyborg erhob sich, griff nach einem Plastikkittel, der ihm gereicht wurde und legte ihn um seinen nackten Körper. Mit den Füßen schlüpfte er in Sandalen. „Letzter Teil“, sagte er mit seiner Cyborg-Stimme, die sich kaum von seiner natürlichen unterschied. Drei Räume weiter befand sich ein drei mal drei Meter großes und zwei Meter tiefes Thermo-Becken, Niemand betrat den Raum bis auf Cyborg Mark Carrell. Seine Begleiter blieben zurück. Sie sahen über Bildschirme in den kahlen Raum, in dem es nur diese überdimensionale Thermo-Wanne gab. Ein Energieschirm sicherte den Versuchsraum von der gesamten Cyborgstation ab. Mark Carrell ließ den Plastikkittel von den Schultern gleiten, schlenkerte mit den Beinen, bis die Sandalen davonflogen und stieg dann nackt die kleine Leiter zum Rand des Beckens hinauf, aus dem es ununterbrochen in weißen Schwaden wallte. Flüssiger Sauerstoff! Minus 218 Grad Celsius! Gut für Verbrennungen dritten Grades! Erfrierungen dritten Grades waren schon immer für Opfer und Arzt das gleiche gewesen wie Verbrennungen. Echri Ezbal stand mit seinen Mitarbeitern vor dem großen
Bildschirm. Atemlos verfolgten sie den Vorgang im anderen Raum. „Mein Gott!“ stieß ein Techniker aus, der die Spannung kaum noch ertragen konnte. Es wollte ihm nicht in den Kopf, daß ein nackter Mensch in flüssigem Sauerstoff baden konnte, ohne darüber zu sterben – selbst wenn dieser Mensch im Augenblick ein Cyborg war. Darüber machte sich Carrell gar keine Gedanken. Sein Programm-Gehirn löste einen Impuls aus, als er auf dem Rand der doppelwandigen Wanne stand. Im gleichen Moment wurde ein winziges Gerät, das Ezbal ihm bei der letzten Operation eingebaut hatte, aktiv. Es erzeugte eine Reizspannung, die individuell unterschiedlich zwischen 0,03 bis 0,047 Volt lag. Er, Mark Carrell, gehörte zu dem Typ Mensch, der nur eine elektrische Spannung von 0,03 Volt benötigte. Mark Carrell hatte sich in den Phant versetzt! Nur noch sein Aussehen erinnerte an einen Menschen! Er war kein Mensch mehr! Er war seit dem Moment kein Mensch mehr, an dem sein Körper mit einer Reizspannung von 0,03 Volt belastet worden war. In diesem Augenblick waren Abermilliarden Viren der Gruppe F verändert worden. Sie hatten ihren passiven Zustand blitzartig verlassen, um ins Medium zu treten. Gleichzeitig banden sie damit in Carrells Körper jede Flüssigkeit, jedes Gasgemisch, ohne Flüssigkeit oder Gasgemisch volumenmäßig zu verändern, und machten damit aus allen Organen ein undefinierbares Etwas, das keine Funktionen mehr durchführen konnte. Dem Cyborg mit Namen Carrell bedeutete das alles nichts. Sein Programm-Gehirn arbeitete exakt; sein Cyberneticorganism ebenfalls. Er konnte vor dem Absprung in den flüssigen Sauerstoff nicht zögern. Angst war in seinem Programm nicht enthalten.
Er sprang! Die 218 Grad kalte, leicht blau schimmernde Flüssigkeit, die an der Oberfläche ununterbrochen verdampfte, spritzte nach allen Seiten auf. „Er ist gesprungen!“ stieß ein Arzt im Beobachtungsraum aus und legte die Hand vor die Augen. In Echri Ezbals Gesicht zuckte kein Muskel. Gleichmäßig ruhig ging sein Atem. Die Kameras im Versuchsraum schwenkten in andere Positionen. Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie Mark Carrell im flüssigen Sauerstoff badete. Untertauchen, befahl ihm sein Programm-Gehirn. Er tauchte unter! Auf dem Bildschirm war nur noch die dampfende Oberfläche des flüssigen Sauerstoffes zu sehen. Schemenhaft die Umrisse eines menschlichen Körpers auf dem Grund der Wanne. Und grauenauslösend – der Blick auf das Chrono! Eine Minute vorbei! Immer noch ein menschlicher Körper in einer Flüssigkeit, die 218 Grad Celsius kalt war. Drei Minuten vorbei! Die Männer im Beobachtungsraum wurden unruhig. Auch Echri Ezbal. Dieser Belastungsversuch sollte nach zwei Minuten abgeschlossen sein. War der Cybernetic-organism in Carrell durch die extreme Kälte zerstört worden? Arbeitete dessen Programm-Gehirn nicht mehr? Oder was noch schlimmer war: Hatte sein Programm-Gehirn vom Phant auf das zweite System zurückgeschaltet, und damit einen ungeschützten menschlichen Körper zerstört? Die ersten Bedenken wurden im Beobachtungsraum laut. „Ezbal, wir müssen etwas tun!“ Der alte Brahmane schüttelte den Kopf. „Warten wir noch
eine Minute. Aber dann greifen wir ein.“ Er war der Schöpfer der Cyborgs. Ohne Echri Ezbal hätte es diese Spezies nie gegeben, oder wäre erst hundert Jahre später in dieser Vollendung geschaffen worden. Man akzeptierte wortlos seinen Entschluß. Das unerbittliche Chrono zeigte das Ende der sechsten Minute an. Die Wiedergabe auf der Bildscheibe war grausig. In 218 Grad Celsius kalter Flüssigkeit lag ein menschlicher Körper, der sich nicht mehr bewegte. Hatte er sich überhaupt ein einziges Mal bewegt, seitdem er in diesem Teufelsbad lag? In zehn Sekunden wollte Ezbal eingreifen. Da stieß ein menschlicher Arm durch die dampfende Oberfläche! Eine Hand, die in Richtung der Kamera winkte! Eine Hand, deren Finger sich schlossen und wieder öffneten! Eine Hand, die mit der Innenseite auf die Oberfläche des flüssigen Sauerstoffes klatschte, daß die Spritzer über den Rand des Beckens flogen. Und dann tauchte Mark Carrells Kopf auf. Langsam, als wollte er sich möglichst viel Zeit lassen, weil er dieses Bad so angenehm fand. Jetzt saß er im Bad. Mit beiden Händen schöpfte er den Sauerstoff und goß ihn sich über den Kopf. Er wusch sein Gesicht damit! Daß es um ihn herum dampfte, schien ihn nicht zu interessieren. „Acht Minuten ist er schon drin...“ Das begriff Echri Ezbal nicht. Mark Carrell hatte den Test um das Vierfache in seiner Dauer überschritten. Sollte Carrell seinem Programm-Gehirn aus eigenem Entschluß den Befehl gegeben haben, so lange in der Wanne zu bleiben? Da richtete sich der phantende Cyborg auf. Er durchschritt
noch einmal das Becken in seiner gesamten Ausdehnung, benutzte dann die Plastikleiter und verließ endlich die Wanne, in der der Sauerstoff stärker als vorher brodelte und dabei immer schneller verdampfte. Plastikkittel und Sandalen lagen unbeachtet am Boden. Der Cyborg ging auf die nächste Tür zu. Die Kamera schaltete um. Sie zeigte den Männern im Beobachtungsraum, wie er durch die Tür das nächste Labor betrat. Der Hitze-Test! Vier Thermometer zeigten 390 Grad Celsius an! Das Thermometer an einer Plastikbank wies 398 Grad Celsius auf. Carrell ließ sich gemütlich auf dieser Bank nieder. Jetzt zog er seine Beine hoch, streckte sich darauf aus, legte sich mit dem Rücken zurück und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. „So furchtbar habe ich es mir nicht vorgestellt“, flüsterte einer von Ezbals Assistenten. Er erhielt Widerspruch. „Wenn ich mir Carrell ansehe, dann fühlt er sich auf seiner Höllenliege sauwohl!“ Der Ausdruck paßte. Mit den Bewegungen eines Mannes, der sich dem süßen Nichtstun hingibt, drehte sich Mark Carrell auf den Bauch, als ob er sich den auch noch braten lassen wollte. Er preßte seine rechte Gesichtshälfte gegen die heiße Bank und spielte den gemütlich Schlafenden. „Auch schon wieder über die Zeit!“ Echri Ezbal nickte. Jetzt wußte er Bescheid. Mark Carrell hatte von sich aus die Dauer der einzelnen Tests verlängert. Dann war auch der Hitze-Versuch zu Ende. Neben der Wanne mit dem flüssigen Sauerstoff hob Carrell seinen Kittel vom Boden, legte ihn sich über die Schultern und suchte nach seinen Sandalen. Den Blick aus den Augen seines zweiten Systems gegen die Wand gerichtet, wartete er auf das
Signal, das ihm anzeigte, daß es die energetische Sperre nicht mehr gab. Als er den Beobachtungsraum erreichte, phantete er immer noch. Die Ärzte, die ihn umringten, drängten ihn in den OP-01. Wieder lag er auf dem OP-Tisch. Wieder wurden ihm Kontakte angelegt. Da schob Ezbal seine Mitarbeiter zur Seite. „Carrell, Sie phanten ja immer noch! Schalten Sie auf Normal zurück!“ Da kam eine Antwort, mit der niemand gerechnet hatte. „Ich denke nicht daran, Ezbal. Ich bin noch zu kalt! In diesem Punkt haben Ihre Berechnungen nicht gestimmt. Selbst die lauwarme Bank war nicht in der Lage, die tiefsitzende Kälte aus meinem Körper zu vertreiben. Ihre lieben F-Viren sind in diesem Punkt leider nicht hundertprozentig...“ Ezbal ließ sich nicht verblüffen. „Messungen vornehmen!“ ordnete er an. Im nächsten Augenblick glich der OP-01 einem Irrenhaus, aber das scheinbare Durcheinander war nichts anderes als der oft geübte Ablauf eines Schnelleinsatzes. Die Messungen liefen! Der Cyborg hatte nicht zuviel behauptet! Das, was normalerweise sein Gehirn war, war an den tiefsten Stellen noch mehr als siebzig Grad Celsius kalt! „Aufheizen!“ Drei in spiegelnde Verkleidung gehüllte Aggregate wurden herangerollt. Mit tiefem Brummen nahmen sie ihre Arbeit auf. Achtzehn Reflektoren jagten ihre Wellen in Carrells Körper. Kein einziger Wissenschaftler oder Techniker befand sich im Strahlungsbereich der Reflektoren. Jeder bedankte sich, auf diese Weise aufgetaut zu werden! „Null Grad Celsius...“ „Weiter aufheizen...!“ Bei dreißig Grad Celsius machte Carrell eine abwehrende Handbewegung und richtete sich auf. „Danke, das genügt.
Bitte, abschalten!“ Echri Ezbal gab seine Zustimmung. Das tiefe Brummen der drei Geräte verstummte. „Ich schalte auf normal zurück!“ gab der Cyborg bekannt. Von allen Seiten wurde er beobachtet, aber niemand konnte diesen Umschaltungsprozeß verfolgen. Ein neuer Impuls des Programm-Gehirns schaltete die Reizspannung von 0,03 Volt ab. Ein zweiter Impuls, der über die schwache Rückschaltungs-Phase ging, setzte das Programm-Gehirn außer Funktion und damit gleichzeitig den Cybernetic-organism. Mark Carrell war wieder Mensch! In Mark Carrell waren die Viren der Gruppe F wieder passiv; sie hatten mit Abschalten der Reizspannung ihr Medium verlassen, und gleichzeitig den gebundenen Gasen, und Flüssigkeiten ihre alte Form unverändert zurückgegeben. Carrell saß nach wie vor auf dem schwebenden OP-Tisch. Er wartete auf das letzte Meßresultat und betrachtete dabei seine Hände, seinen Körper. Er hatte es nicht leicht. Sein Verstand machte es ihm so schwer. Denn sein Verstand sagte ihm, daß die acht Minuten im flüssigen Sauerstoff seinen Körper hätten vernichten müssen, nur ließen ihn seine Augen nicht die kleinste Blase auf der Haut sehen. „Körpertemperatur 35,2 Grad Celsius.“ Verstohlen wischte sich Echri Ezbal den Schweiß von der Stirn. Überglücklich ging er auf Carrell zu, schüttelte ihm die Hand und betrachtete ihn dann, als ob er noch nie einen männlichen Körper gesehen hätte. „Alles okay, Ezbal“, sagte ihm Mark Carrell. „Ich fühle mich ausgezeichnet, nur darf ich nicht daran denken, acht Minuten lang im Sauerstoff gebadet zu haben.“ „Sie haben von sich aus diese Zeitspanne verändert?“ fragte der greise Wissenschaftler, dessen Stimme auf einmal
unfreundlich klang. „Ja! Zwei Minuten waren mir zu wenig. Wenn ich morgen oder übermorgen im freien Raum phante, dann komme ich mit zwei Minuten nicht aus. Zehn sind die knappste Frist. Und...“ Beinahe wütend, wie man Echri Ezbal in der Cyborg-Station noch nie erlebt hatte, unterbrach dieser den jungen Mann. „Wenn Sie sich noch einmal ohne meine Genehmigung solche Eskapaden erlauben, werde ich eine Meldung über Ihre Unzuverlässigkeit machen. Was das bedeutet, dürfte Ihnen klar sein, Carrell!“ Der war nicht einzuschüchtern. Auch mit etwas stärkerem Stimmaufwand, aber bemüht, gelassen zu bleiben, erwiderte er: „Menschliche Unzulänglichkeit. Eigentlich bin ich froh, daß auch Sie mal einen groben Schnitzer gemacht haben, Ezbal. Was zum Beispiel wäre eben aus mir geworden, als Sie mir befahlen, wieder auf normal zu schalten? Haben Sie schon mal gehört, daß ein menschliches Gehirn, das bis auf siebzig Grad unterkühlt ist, noch funktionsfähig ist? Und wenn es bei mir Versuchskaninchen schon auf Leben und Tod geht, dann müssen Sie mir auch in begrenztem Rahmen erlauben, Eigeninitiative zu entwickeln. Sollte Ihnen das nicht passen, Ezbal, dann ziehe ich meine Meldung zum Cyborg-Einsatz zurück!“ Das war ein Ultimatum! Zwei Männer blickten sich fest an. Ein junger Mann und ein greiser Wissenschaftler. Alle beide gaben nicht nach. Wortlos verließ Echri Ezbal den OP-01. Carrell sah ihm nach, bis er zur Schleusentür hinaus war. Er erhob sich vom OP-Tisch und legte sich den Plastikkittel um die Schultern, schlüpfte in die Sandalen und sah die Mediziner und Techniker der Reihe nach an. Sie blieben ihm eine Erklärung schuldig. Sie ergriffen keine Partei.
„Schade“, sagte Carrell, „jetzt bin ich gezwungen, nicht besonders gut über Sie alle zu denken. Man darf nicht immer im Leben vor einem Vorgesetzten Kotau machen. Manchmal hat man auch Rückgrat zu zeigen. Guten Tag!“ Mark Carrell verließ den OP-01. Er hatte sich den Abschluß seines Tests etwas anders vorgestellt gehabt Im Traum war ihm nicht der Gedanke gekommen, daß er ausgerechnet mit Echri Ezbal eine Auseinandersetzung haben würde Langsam ging er über den langen, beleuchteten Gang seinem Zimmer zu. Je weiter er sich vom OP-01 entfernte, um so mehr verflog sein Ärger. Seine Gedanken begannen um das Virus zu kreisen, das nun bis zu seinem Tod in seinem Körper nistete. Ein letzter Versuch stand noch aus. Aufenthalt im freien Raum ohne Schutzanzug! Holger Alsop, der erste Cyborg Terras, hatte bewiesen, daß es mit Hilfe des Adhesiv-Steuergerätes möglich war, sich frei im Leerraum zu bewegen. Er, Mark Carrell, besaß dieses Steuergerät nicht. Anstelle dessen trug er in seinem Körper ein winziges Aggregat, das diese Reizspannung erzeugte, um die Viren ins Medium zu zwingen. Seine Anlage war sicherer. Das Steuergerät konnte gestohlen werden, weil man es auf dem Körper tragen mußte, und ein Cyborg ohne dieses Hilfsmittel war dann nicht mehr in der Lage, zu phanten. Um ihm sein Aggregat zu entreißen, bedurfte es einer Operation, und wer von all den Gegnern, die Terra hatte, war schon Arzt? Wer überhaupt, bis auf eine Handvoll Menschen, wußte, daß es von nun an eine neue Art von Cyborgs geben würde, deren erster er, Mark Carrell, war? Neun Tage und drei bis sechs Stunden sollte er in der Lage sein, seinen Dauer-Phantzustand aufrecht zu erhalten. Die Differenz dieser drei Stunden resultierte aus dem unterschiedlichen Verhalten eines jeden Menschen. Wurde aber einmal die Frist überschritten, dann zeigte sich das F-Virus von seiner heimtückischen Seite. Es brach aus dem Medium aus,
aktivierte und vermehrte sich in einem kettenreaktionsähnlichen Prozeß. Es brachte seinem Gastkörper den Tod! „Hm...“, brummte Carrell, dessen Schritt langsamer wurde, weil er sein Ziel fast erreicht hatte, „daß mir dieser Punkt gar keine Sorgen macht. Komisch...“ Da tauchte aus dem Nebengang ein Schatten auf. Der Schatten gehörte zu Echri Ezbal. Einer der berühmtesten Wissenschaftler Terras kam zum Cyborg Mark Carrell. Seine blauen, ausdrucksvollen Augen leuchteten bei dem künstlichen Licht, als wäre Ezbal stark erregt, doch als Carrell die Stimme des Experten hörte, wußte er, daß er sich getäuscht hatte. Echri Ezbal war die Ruhe selbst. „Haben Sie Zeit für mich, Carrell?“ Diese Frage hatte der Cyborg nicht erwartet. Der Chef der Cyborg-Station bat ihn um eine Unterredung. Er bat! Er hatte sie nicht befohlen! Nicht erzwungen! „Bitte!“ erwiderte Mark Carrell, der sich in seiner Haut nicht mehr wohl fühlte und innerlich unsicher geworden war. Was er vor Minuten noch als richtig angesehen hatte, betrachtete er plötzlich mit anderen Augen. Er hatte entgegen unmißverständlichen Anweisungen des Wissenschaftlers den Ablauf des Tests verändert. Er hatte damit nicht nur sein Leben aufs Spiel gesetzt, sondern auch Ezbals Ruf all Wissenschaftler, wenn er dabei umgekommen wäre. In seinem Zimmer nahmen sie Platz. Am runden Tisch saßen sie sich gegenüber. Nur mit Mühe konnte Carrell dem Blick des anderen standhalten. Warum war Ezbal zu ihm gekommen? Weshalb hatte der Chef der Cyborg-Station ihn nicht zu sich
gerufen? Das Schweigen, das zwischen ihnen stand, wurde zu einer kaum noch zu ertragenden Anstrengung für den jungen Mann, dennoch fand er nicht die Kraft, das Schweigen als erster zu durchbrechen. Unmerklich hob Ezbal seinen markanten Kopf. „Bleiben Sie bei Ihrer Ankündigung, Ihre Meldung als Cyborg zurückzuziehen? Sie wissen, daß Sie es jederzeit können, auch wenn Sie im Einsatz sind.“ Carrell schwieg. Er war nicht in der Lage, ja oder nein zu sagen. „Ich verstehe Sie“, sagte Ezbal weiter, als ihm das Zögern des jungen Mannes zu lange dauerte. „Sie glauben einen Trumpf in den Händen zu haben, weil uns ein Fehler unterlaufen ist. Niemand, selbst mein pessimistischster Mitarbeiter hatte vorher in den Reihenversuchen ein einziges Anzeichen entdeckt, daß F-Viren im Medium Kälte, beziehungsweise Hitze speichern können Ich hatte es auch nicht erwartet. Ja...“ Nun schwieg Ezbal. Sein Ja war deplaciert. Es hatte keinen Sinn. Es war fehl am Platz. Und gerade das machte den Cyborg stutzig. „Ezbal, ich verstehe Ihr Ja nicht...“ „Nein? Überlegen Sie einmal. Sie haben doch herausgefunden, daß Ihr Gehirn unterkühlt war. Oder nicht?“ Die ausdrucksvollen blauen Augen des bärtigen Wissenschaftlers leuchteten in unverminderter Stärke. Es war ein Leuchten, das jede Erregung unmerklich dämpfte. Auch Mark Carrell wurde ruhiger. In Gedanken ging er noch einmal alle Phasen des letzten Tests durch. Aber er konnte nichts entdecken, was er vorher im OP-01 in der Erregung übersehen hätte. „Ja, ich habe entdeckt, daß ich mich selbst getötet hätte, wenn ich auf normal zurückgeschaltet hätte, Ezbal.“ „So? Sie waren es? Wirklich, Carrell?“ Drei Fragen auf
einmal. Dazu der ruhige Blick aus blauen Augen. Dazu der alte Mann, der dem anderen gelassen gegenübersaß. „Natürlich war ich...“ Abrupt hatte Carrell seinen Satz nicht zu Ende geführt. Seine Hände schossen vor, als wollten sie nach Ezbal greifen, aber sie legten sich nur um die Kante des kleinen, runden Tisches. Und den Tisch hielt Carrell mit aller Kraft fest. Wie jemand, der einen Halt sucht. „Das... das... das, Ezbal... das... das hatte ich übersehen Und ich... ich wäre nie darauf gekommen. Nie! Nie! Ich habe es ja gar nicht entdeckt! Ich nicht, sondern mein Programm-Gehirn! Mein Gehirn des zweiten Systems! Und das... das ist doch von Ihnen und Ihren Mitarbeitern programmiert worden! Das ist... Ezbal, waren Sie es, der diese Sicherung eingebaut hatte? Waren Sie es gewesen?“ „Nein!“ Der greise Wissenschaftler schüttelte den Kopf. „Ich war es nicht. Unser großer Suprasensor hatte diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Doch selbst da nicht, als wir die vorgeschlagenen Sicherungen studierten, kamen wir auf den Gedanken, daß sich die F-Viren im Medium als Temperaturträger zeigen könnten. Ich glaube, das mußte klargestellt werden, Carrell.“ Mark Carrell war immer noch erschüttert. Sein Selbstbewußtsein hatte einen kräftigen Stoß mitbekommen. Worauf er sich soviel eingebildet hatte, war wie eine Seifenblase geplatzt. Nicht er hatte diese Beobachtungen gemacht, sondern sein auf logistischer Basis arbeitendes Programm-Gehirn, das das Volumen einer verkümmerten Bohne hatte, und dennoch ein Wunderwerk der terranischen Technik war, wenngleich die Techniker und Ingenieure, die es konstruiert hatten, Anleihen bei amphischer, giantischer Technik und der Technologie der Mysterious gemacht hatten. Carrell raffte sich auf. „Es tut mir leid, Ezbal, daß ich...“
Der greise Mann unterbrach ihn. „Um das zu hören, habe ich Sie nicht aufgesucht, Carrell. Wir beide haben Fehler gemacht. Meiner war größer als der Ihre. Mein zweiter Fehler ist noch schlimmer gewesen. Ich hätte Sie niemals vor dem versammelten Team im OP-01 rügen dürfen. In diesem Moment hatte ich als Chef dieser Station versagt und...“ „Bitte“, unterbrach nun Carrell den Wissenschaftler, „wollen wir beide die Unstimmigkeiten nicht vergessen, und alles, was damit zusammenhängt, Ezbal?“ „Können Sie vergessen, Carrell? Nicht verzeihen, sondern vergessen?“ Im eindringlichen Ton war diese Frage gestellt. Der Cyborg hatte den Unterschied erkannt. Verzeihen war schon immer leicht gewesen. Aber vergessen war schwer. „Ich kann vergessen! Ich kann es, Ezbal.“ „Hoffentlich“, sagte der Experte, um dann auf ein anderes Thema zu kommen. „Ich habe eben mit dem Stab der TF gesprochen. Morgen steht uns ab 13:45 Uhr Norm-Zeit der Jäger WEASEL für den letzten Test zur Verfügung. Es wird ein Vergleichs-Test werden. Mehrere Cyborgs der alten Serie werden mit Ihnen in den freien Raum gehen. Selbstverständlich wird unser Team an Bord der WEASEL sein. Halten Sie sich ab 10 Uhr morgen bereit.“ Echri Ezbal erhob sich. Er blieb neben Mark Carrell stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn an. Lachte der greise Experte? Sein Bart ließ es nicht erkennen, aber das vergnügte Funkeln seiner blauen Augen verriet seine Fröhlichkeit. „Sehen Sie, mein Lieber, wir Menschen machen alle irgendwann einmal schwerwiegende Fehler. Das unterscheidet uns so eindeutig von Maschinen. Und gerade das stellt uns über die klügste Maschine. Auch über einen Checkmaster. Denn wir können aus unseren Fehlern lernen. Eine Maschine in diesem Sinn nicht. Also bis morgen, Mark.“ Und wieder sah Carrell ihm nach, bis er verschwunden war.
Welch ein Mann, dachte er, und er begann zu begreifen, welch eine Persönlichkeit dieser indische Experte war. Ein Mann, der aus seinen Fehlern lernte. * Über dem Kontinent Deluge auf dem Planeten Hope lag wieder das Intervall. Es hatte sich automatisch entwickelt. Ein Zustand, der den Männern und Frauen im Höhlensystem nicht mehr neu war, der aber immer wieder größte Beunruhigung hervorrief. Die Astronomen und Astrophysiker waren plötzlich wieder Mittelpunkt geworden. Zweitrangig war die Erforschung des Industrie-Doms geworden. Aber auch Spence Bentheim konnte nicht erklären, warum das Intervallfeld wiederum um Deluge stand und den gesamten Kontinent absicherte. Die Funkspezialisten stellten ihre Arbeit ein. Von einem Moment zum anderen war die Verbindung mit Terra abgerissen. Nicht nur das: kein einziges Schiff der TF war mehr zu hören. Dabei hatten sich die Verhältnisse des galaktischen Magnetfeldes in den letzten Stunden nicht mehr verändert. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschte ein physikalischer Zustand, den man fast mit normal bezeichnen konnte. Die Einbrüche aus dem Hyperspace bestanden nicht mehr. Die Magnetometer zeigten Werte an, die man schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Tiefstwerte! Eigentlich ein Grund zum Feiern, aber warum war dann die To-Funkverbindung mit Terra abgerissen? Warum hatte sich das Intervallfeld automatisch aufgebaut? Bentheim war nicht anzusprechen. Mit hochrotem Kopf hatte er die Theorie eines Kollegen als Nonsens bezeichnet und sich jede weitere Diskussion verbeten.
Der Kaffee schmeckte ihm nicht. Die Zigarette auch nicht. Die Folien interessierten ihn nicht mehr. Diagramme wollte er keine mehr sehen. Und er wollte keinen Besuch haben. Sein Vipho störte ihn. Auf der Bildscheibe war Jos Aachten van Haags Kopf zu sehen. „Was wollen Sie denn von mir?“ fauchte Bentheim ihn an. Der GSO-Mann bewies, daß er ein dickes Fell hatte. „Sie besuchen, Bentheim.“ „Ich habe zu tun!“ log der Astrophysiker, ohne darüber rot zu werden. „Ich auch. Ich bin in zwei Minuten bei Ihnen.“ Jos hatte abgeschaltet. Bentheim fluchte und nannte diesen GSO-Mann einen unverschämten Flegel. Jos Aachten van Haag ließ sich bei Bentheim gemütlich nieder. „Schlechte Zeiten“, sagte er und schob die Folien auf dem Tisch zur Seite. „So etwas verbindet.“ Diese Platitüden gingen Bentheim auf die Nerven. „Um mir das zu erzählen, stehlen Sie mir die Zeit, van Haag?“ Der ließ die Augenbrauen hochrutschen und betrachtete den Astrophysiker amüsiert. „Sonst haben Sie mich Jos genannt, Bentheim. Aber das macht nichts. Ich bin Kummer gewohnt. Zum Beispiel suche ich die Burschen, die gleich reihenweise Filmkameras klauen, oder belichtete Streifen, die gerade in den Projektor gespannt werden, verschwinden lassen.“ Spence Bentheim gähnte demonstrativ. Jos Aachten van Haag sah darüber großzügig hinweg. „Man hat auch den Kerl immer noch nicht gefunden, der in der Funk-Zentrale ein bißchen Sabotage verübt hat. An mir bleibt so etwas am Ende hängen. In dieser Beziehung sind wir Kollegen. Man dichtet Ihnen auch schon Nichtskönnen an, weil Sie nicht in der Lage sind, zu erklären, warum uns das Intervall mal wieder auf die Nerven geht.“
„Von mir aus kann geredet werden...“ Jos zeigte seine diebische Freude nicht, Spence Bentheim aus der Reserve gelockt zu haben. „Von mir aus aber nicht, Bentheim“, unterbrach er den anderen, „denn jeder ist ein bißchen stolz auf seinen Beruf. Ich habe in Ihrem Interesse einen Ihrer lieben Kollegen zurechtgestaucht, der Sie einen eingebildeten Trottel nannte.“ „Wer war das?“ schoß Bentheim seine Frage ab. „Namen werden nicht genannt!“ entgegnete Jos gelassen und schob sich dann eine Zigarette zwischen die Lippen, drehte sie und tat den ersten tiefen Zug. „Aber was mich an dieser komischen Sache interessiert, ist folgendes: Erstellt diese Mysterious-Automatik das kontinentale Intervall nur dann, wenn Gefahr von draußen droht, oder hat es auch die Aufgabe, den Planeten Hope vor dem Kontinent Deluge zu schützen?“ Grob fragte Bentheim: „Zu heiß gebadet, van Haag?“ Damit konnte er einen GSO-Mann von der Qualität eines Jos Aachten van Haag nicht reizen. „Möglich, aber Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie sich meine Frage mal gründlich durch den Kopf gehen lassen würden. Sollten Sie soviel Gehirnsubstanz haben, um die Geschichte mit dem Intervall mal von der anderen Seite zu sehen...“ Das war dem Astrophysiker zuviel, weil er sich noch erinnerte, daß auch Monty Bell auf seine Gehirnsubstanz angespielt hatte. Bentheim sprang auf. Sein Gesicht hatte die Farbe einer ausgereiften Tomate. „Noch eine Anspielung dieser Art, van Haag, und ich fordere Sie auf, diesen Raum zu verlassen.“ „Ich werde mich zusammennehmen, Bentheim“, versprach Jos, ohne eine Miene zu verziehen. „Es wird mir gar nicht schwer fallen, wenn Sie sich mal mit meinem Problem beschäftigen. Und das heißt: Gefahr von innen nach außen!
Und das heißt auch: Schutz des Planeten Hope durch das Intervall, das um unseren Kontinent liegt. Und das heißt ebenfalls: Wenn hier alles in die Luft fliegt, dann bleibt Hope von dieser Katastrophe auf Deluge verschont. Bentheim, ich habe doch sonst keinen Mann hier, mit dem ich diese Möglichkeit diskutieren kann!“ Der Astrophysiker hatte sich wieder etwas beruhigt. „Sie laufen einem Hirngespinst nach, Jos.“ „Ich bin nicht dieser Ansicht, mein Lieber. Wie wollen Sie zum Beispiel folgende Ereignisse der letzten Stunden erklären: Fall 1: Eine A-Gravschwebeplatte macht sich selbständig und kracht im Industrie-Dom gegen einen Maschinensatz, der nur in einmaliger Ausfertigung vorhanden ist. Fall 2: In unserer Kantine, die auf Gedankenkonzentration beinahe jede gewünschte Mahlzeit liefert, taucht ein Filetsteak mit frischen grünen Bohnen und Kartoffeln auf. Der Betreffende, der es beobachtete, war – mit Verlaub zu sagen – ein Vollidiot! Statt über sein Vipho Alarm zu schlagen, rennt er davon, um weitere Augenzeugen heranzuholen. Als er mit drei Mann zurückkommt, sind Filetsteak, Bohnen und Kartoffeln zur Hälfte verspeist, aber außer meinem Gewährsmann war niemand in der Kantine. Fall 3: Vor einer Stunde erfahre ich, daß mich unser ehrenwerter Depotverwalter im Verdacht hatte, ihm reihenweise Filmkameras geklaut zu haben. Um mich zu überführen, hat er schon vor Tagen zwei Kameras versteckt angebracht, die meinen Diebstahl beweisen sollten. Nun, vor einer Stunde fehlten schon wieder drei Stück. Ich komme dazu, als die beiden Filme in den Projektor gespannt werden sollen. Niemand achtet sonderlich auf die Filme. Der Mann am Projektor hat sie keine fünf Sekunden aus seinen Händen gegeben, hat sie neben den Projektor gelegt, und als er den ersten Film einspannen will, sind beide weg! Fall 4: Wir verfügen noch über zwei Jett. Alle anderen sind
durch Sabotage so zerstört worden, daß sie irreparabel sind. Fall 5: Im Waffenarsenal...“ Lustlos winkte Bentheim ab. „Was kümmern mich Ihre Sorgen. Sie sind GSO-Mann. Suchen Sie sich den Geistesgestörten. Ich bin Astrophysiker und kann Ihnen bei Ihren Nachforschungen wohl kaum nützen.“ Jos zerkrümelte den Zigarettenrest im Ascher, blickte dabei den Experten herausfordernd an. „Ich habe Sie wirklich nicht für so dumm gehalten, wie Sie sich jetzt geben, Bentheim. Mann, haben Sie immer noch nicht begriffen, daß ich keinem Hirngespinst nachjage, sondern jenen zwei verfluchten Cyborgs, die Manu Tschobe umbringen wollten und dann durch Strahlbeschuß eines Mysterious-Roboters unsichtbar wurden?“ Mitleidig lächelte Spence Bentheim. Mitleidig schwieg er. Ein Mitleid, mit dem er hundert Männer hätte verjagen können, aber keinen Jos Aachten van Haag. Der war stur. Der versuchte es noch einmal. Zum letztenmal, wie er es sich in Gedanken geschworen hatte. „Bentheim, gleich wird Ihnen das Lachen vergehen. Haben Sie vielleicht eine kleine Ahnung, wie kompakt, wenn ich diesen Ausdruck benutzen darf, das Programm-Gehirn eines Cyborgs mit Daten beschickt wurde, bevor man es einbaute? Jeder Cyborg ist auf einer Reihe von Wissensgebieten Spezialist. Unsere beiden Entarteten, die Cyborgs Mildan und Dordig, sind Experten der Funk-, Waffenund Energie-Technik. Die einzelnen rätselhaften Fälle, die sich bisher im Höhlen-System ereignet haben, weisen in ihrer Art eindeutig darauf hin, daß die beiden Cyborgs nicht nur existieren, sondern außerordentlich aktiv sind. Aktiv im Sinne der Zerstörung. Und nun wieder zu meiner Überlegung,
Bentheim: Die Astrophysik behauptet, draußen sei alles wieder okay, das galaktische Magnetfeld zahm wie ein Baby. Aber dennoch stand plötzlich das Intervall um unseren Kontinen! Könnte es nicht entwickelt worden sein, weil dieses Mal die Gefahr im Höhlen-System akut geworden ist?“ Spence Bentheim versuchte ein spöttisches Lachen, das aber nicht voll gelang. Die Hartnäckigkeit des GSO-Mannes beeindruckte ihn stärker als er es wahrhaben wollte. Jos übersah nicht, daß sein Gesprächspartner unsicher geworden war. Er war klug genug, seinen Triumph nicht zu zeigen. Im gleichen Ton, als habe er noch eindringlicher und mit stärkster Überzeugungskraft auf ihn einzureden, fuhr er fort: „Bentheim, ich komme nicht weiter. Ich bin auf keinem einzigen Wissensgebiet Fachmann. Ich benötige Hilfe. Und ich brauche einen Mann, der glaubt, daß es diese beiden Cyborgs noch gibt.“ Das war der Punkt, von dem an Bentheim nicht bereit war, ihm zu folgen. „Wenn ich diesen Unsinn höre, Jos, dann gibt es nur die Alternative für mich: zu lachen!“ Verärgert fauchte ihn Jos an: „Wenn es uns dann plötzlich vergeht, ist es zu spät. Heiliger Strohsack!“ Er rang die Hände, doch es sah nicht nach einem schlecht gespielten Theater aus. „Wann ist endlich einmal ein Wissenschaftler dazu bereit, etwas anzunehmen, was nicht in sein erlerntes Bild hineinpaßt? Bentheim, selbst auf die Gefahr hin, ein ausgemachter Narr zu sein, sage ich Ihnen, daß ich Angst habe, unser schönes Höhlen-System könne kurz über lang in die Luft fliegen!“ Jetzt tat es Bentheim leid, vorhin seinen Kaffee so hastig ausgetrunken zu haben. Die Thermokanne war leer. Er spielte damit. Sein Blick pendelte zwischen der Kanne und dem Agenten hin und her. Jos war zum Kettenraucher geworden. Unbeabsichtigt zeigte er damit seine starke Unruhe. Und das
wiederum beeindruckte den Astrophysiker. „Tja... wenn ich mir überlege, daß wir keine ToFunkverbindung mit Terra mehr bekommen können, und was Sie mir eben an rätselhaften Fällen aufgezählt haben, aber... Jos, wieso kann ein Mensch unsichtbar werden, ohne seine Aktivität zu verlieren? Dafür gibt es doch keine wissenschaftliche Erklärung!“ „Die mich im Augenblick auch einen feuchten Kehricht interessiert!“ warf Jos grob ein. „Bentheim, wollen Sie mir helfen, oder wollen Sie mich weiterhin für einen Trottel halten?“ Astrophysiker Bentheim beugte sich leicht vor. „Erzählen Sie alles, was Sie wissen, Jos!“ Und gab mit dieser Bemerkung seine Bereitschaft zu erkennen, dem GSOMann helfen zu wollen. Und Jos Aachten van Haag begann zu berichten. Von dem Attentat auf Manu Tschobe im Brana-Tal! Von den Robonen, die Holger Alsop in einem 100-MeterKugelraumer entführen wollten! Von all den Niederlagen, die die GSO hatte einstecken müssen. Er ließ nichts aus. Er berichtete auch von seinen Mißerfolgen. Und dann lehnte er sich zurück und sah Bentheim erwartungsvoll an. Der reichte ihm die Hand über den Tisch. „Ich helfe Ihnen, Jos.“ „Gott sei Dank!“ stieß der andere aus. „Hoffentlich habe ich Sie nur nicht zu spät aufgesucht. Kommen Sie, Bentheim, ich muß Ihnen noch etwas zeigen, von dem ich Ihnen noch nichts erzählt habe. Ihnen werden die Augen übergehen!“ *
Der schwarze Weiße hatte Ren Dhark und Dan Riker nicht angegriffen. Dicht vor ihnen war er stehengeblieben, hatte sich halb gedreht, zum Treppenpodest gewiesen und ihre Blicke in die neue Richtung gelenkt. Das Portal schwang auf. Nach innen. Unheimlich war der lautlose Vorgang. Aber auch eindringlich. Deutlicher konnte eine Einladung nicht ausgesprochen werden. Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Auffordernd nickte Dhark seinem Freund zu. Das grelle Leuchten in den Augen des schwarzen Weißen traf sie. Ein Roboter, der sie ununterbrochen unter Kontrolle hielt. Ein Roboter in der majestätischen Haltung eines Wesens, das allein einen ganzen Planeten beherrschte. Als Dhark seinen Fuß vorschob, um auf die fünfstufige Treppe zuzugehen, machte ihnen der schwarze Weiße Platz. Doch er folgte ihnen, nur wurde sein Abstand nie weniger als drei Meter. Der Raum hinter dem hohen Portal war auffallend klein. Zögernd betraten die Männer den dunklen Raum, der nur vom Tageslicht erleuchtet wurde. Ren Dhark drehte sich nach ihrem unheimlichen Begleiter um, dessen Augen in diesem Zwielicht stärker als vorher leuchteten. Von dem funkelnden Stein am Stirnreif war nichts mehr zu sehen. Die Wände waren ohne jeden Schmuck, die Decke nicht besonders hoch. Dan Riker mußte den Wunsch unterdrücken, zu seinen Strahlwaffen zu greifen. Ihm war Dharks Verhalten unbegreiflich, der darauf bestanden hatte, die Blaster nicht zu ziehen. Da riß ihn Dhark zurück. Erst im letzten Moment hatte er das Loch im Boden bemerkt. Dan Riker preßte die Lippen zusammen und schnaufte, und der Schreck ließ ihn einige Verwünschungen murmeln.
Der schwarze Weiße hatte ihr Zögern bemerkt und auf seine Art reagiert. Er überholte sie, trat in die Öffnung hinein und schwebte langsam in die Höhe! Commander Dhark wurde von diesem unerwarteten Ereignis überrascht. Der langsam aufwärts schwebende schwarze Weiße zwang sie, in die Höhe zu blicken. Bei dem Zwielicht, das in diesem Raum herrschte, war nicht allzuviel zu sehen, aber daß der schwarze Weiße eine Sichtsperre passierte und dahinter verschwand, war eindeutig zu erkennen. „Halt mich fest, Dan, bis ich auch nach oben schwebe!“ forderte er seinen Freund auf, griff nach dessen Hand und schob seinen Fuß über die Öffnung im Boden. „Vorsicht!“ warnte ihn Riker, der mit Mißbehagen daran dachte, daß der Boden unter seinen Füßen glatt war und nirgendwo Widerstand bot. Wenn Dhark in dieses Loch stürzte und er ins Rutschen kam, gab es keine Möglichkeit, sich selbst vor dem Absturz zu bewahren. Seine Sorge stellte sich als unbegründet heraus. Wie der schwarze Weiße schwebte auch Ren Dhark mit geringer Geschwindigkeit nach oben. Dan Riker ließ seinen Freund los. Ihm war nicht ganz wohl zumute, als auch er einen Schritt in die Öffnung tat. Mußte er nicht an eine Hinterlist der robotischen Wesen denken, die sie auf niederträchtige Art voneinander trennen wollten, indem sie ihn in den Schacht abstürzen ließen? Dan Rikers geschulter Verstand, der ihm sagte, daß er diese Art der Niedertracht bei Robotern, die auf logistischer Basis arbeiteten, nicht zu erwarten habe, lag noch im Widerstreit mit seinen Emotionen, als er so langsam wie sein Freund Dhark auch nach oben getragen wurde. Vom Commander waren nur noch die Beine zu sehen. Der übrige Teil des Körpers befand sich schon hinter der Sichtsperre. Und nun verschwand Dhark vollkommen. Dieser wunderte sich nicht, von seinem Freund nichts mehr
zu sehen. Statt dessen erkannte er den schwarzen Weißen, der einige Meter über ihm vom langsam laufenden Schwerkraftfeld in die Höhe getragen wurde. Glatt und fugenlos war die Wandung des Schachtes. Das diffuse Grau der Farbe weckte den Verdacht, daß es sich um eine energetische Wandung handeln mußte. Als Dhark den Kopf tief herunternahm, sah er seinen Freund durch die Sichtsperre heraufschweben. Er wurde sich klar, wie sehr ihn das unerwartete Auftauchen des schwarzen Weißen verwirrt hatte. War er der gleichen Art Roboter auf dem Planeten Hidplace im Kugelhaufen Dg-45 schon einmal begegnet, oder glichen sich beide Arten nur im Aussehen, waren aber vom Technischen her grundverschieden? Damals, auf Hidplace, auf der Flucht vor den nicht umgeschalteten Robonen des Allon Sawall, hatte er sich auf seine beiden Cyborgs verlassen können; sie hatten innerhalb ihres zweiten Systems ihre Augen auf den r-Bereich umgeschaltet und das Paar schwarze Weiße als Roboter identifiziert. Heute befand sich kein Cyborg in ihrer Begleitung, der ihnen Auskunft hätte geben können. Heute mußte er sich allein auf seine und auf Rikers Beobachtungskunst verlassen. Reichte sie aber aus, um zu einem eindeutigen Urteil zu kommen? Über ihnen verschwand der schwarze Weiße ein zweites Mal. Die zweite Sichtsperre. Dhark machte seinen Freund Riker darauf aufmerksam, dann wurde auch er dieser Sicherung zugetragen, deren Sinn unklar blieb. Widerstandslos durchschwebte er sie. Geblendet schloß er die Augen, als er mit dem Kopf durchstieß. Er glaubte in die Rotglut eines altmodischen Hochofens hineinzufliegen, aber eines Hochofens, der statt Hitze Kälte ausstrahlte. Dhark griff mit einer Hand nach seinem Klarsichthelm und
zog ihn über seinen Kopf. Die Heizung in seinem MRaumanzug begann sofort mit maximaler Leistung zu arbeiten. Ein Gefühl, als ob tausend Nadeln in sein Gesicht stechen würden, ließ ihn eine scharfe Verwünschung murmeln. Dann gewöhnten sich seine Augen an die blendende Rotglut. Aber außer dieser Farbe, die aus allen Richtungen kam, konnte er nichts erkennen. Hoffentlich reagiert Dan auch so schnell, dachte Dhark besorgt, und wurde im nächsten Augenblick mit einem neuen Ereignis konfrontiert. Übergangslos wechselte das Rotleuchten zu einem wohltuenden Gelbstrahlen. Ein Gelbstrahlen, das ihm Sicht nach allen Seiten erlaubte. Ein Zugstrahl griff nach ihm. Commander Ren Dhark nahm es mit seinen Sinnen nicht auf. Der Traktorstrahl zog ihn nach rechts. Und dort standen drei schwarze Weiße! Aber diese drei sahen anders aus als alle, die er vorher gesehen hatte. Schwarze Weiße, deren Augen nicht grell strahlten! Schwarze Weiße, die menschlich wirkten! Er schwebte auf sie zu. Dicht über dem Boden. Von A-Grav gehalten. Von einem Traktorstrahl bewegt. Um ihn herum ein Tempel, der auf schwarzen, schlanken und vieleckigen Säulen ein nach innen durchgebogenes Dach trug. Am Ende dieser Säulenalleen standen drei schwarze Weiße, die miteinander plauderten, dabei aber immer wieder zu ihm herüber sahen, der er langsam heranschwebte. Im gelben Licht wirkten die schwarzen, schlanken Säulen deplaciert. Wie Fremdkörper. Dharks Stilempfinden wurde strapaziert, und er wunderte sich, daß er in dieser Situation noch die Kraft besaß, sich darüber Gedanken zu machen. Er passierte das letzte Säulenpaar. Traktor- und AGravstrahlen ließen ihn sanft auf den Boden kommen. Wenige
Schritte vor den drei schwarzen Weißen stand er. Als er hastig den Kopf drehte und sich nach seinem Freund umdrehte, sah er Riker heranschweben. Im gleichen Moment setzte Musik ein. Auf- und abschwellende Töne; Töne ohne jeden Rhythmus; Töne in allen Tonlagen. Ein wildes Durcheinander, und dennoch harmonisch im Klang. Dazu war das gelbe Licht nicht mehr beständig in seiner Leuchtstärke. Mit der Musik wurde es stärker oder schwächer, je nachdem, ob die größere Zahl der Töne im hohen Frequenzbereich erklangen oder im niedrigen. Dan Riker stieß seinen Freund an, als er neben dem Commander auf den Boden gesetzt wurde. „Ren, die sehen doch ganz anders aus...“, brachte er hastig über seine Lippen. Zu spät fiel ihm Ren Dhark ins Wort. Riker hatte nicht beobachten können, daß die drei schwarzen Weißen im gleichen Augenblick verstummt waren, als diese eigenartige Musik ertönte. Und die Musik riß ab! Das gelbe Licht wurde wieder konstant in seiner Leuchtstärke. Die ausgeprägten Gesichter der drei schwarzen Weißen veränderten sich auffallend. Wie Menschen, die offen ihre Empörung zeigen! Wie Menschen, die durch andere eine heilige Handlung gestört sehen! „Was ist denn jetzt los?“ fragte Riker bestürzt, dem dieser Wechsel unheimlich geworden war. Ein unsichtbarer Traktorstrahl griff nach ihnen. Sie wurden zur Seite gerissen Die drei schwarzen Weißen verschwanden vor ihren Augen. Sie jagten auf eine Wand zu, die sich an einer Stelle öffnete. Durch diese schmale Öffnung wurden sie herein gezerrt, hart abgesetzt, daß sie fast zu Fall kamen, und dann war um sie herum ein undurchdringliches Dunkel.
Beide schalteten wie auf ein Kommando die Scheinwerfer ihres Raumanzuges ein. Zwei grelle, eng gebündelte Strahlen trafen gegen eine schwarze Wand. Die Strahlen gingen in die Runde. Rund fünf mal fünf Meter war ihr Verlies groß. Fugendicht die Wände. Nirgendwo die Andeutung eines Risses. Ebenso sahen Decke und Boden aus. Kein einziges Möbelstück befand sich in diesem Raum. Dan Riker hatte für die schwarzen Weißen keine guten Worte übrig. Ren ließ seinen Freund schimpfen. Manchmal erleichterte es und nahm die innerliche Spannung fort. Dann hörte Riker zu, ohne einen einzigen Versuch zu machen, gegen Dharks Ansicht Protest einzulegen. Dessen Vermutung gipfelte in dem Satz, daß Riker durch sein Sprechen während der Musik und des Farbspiels eine heilige Handlung gestört und sie sich dadurch bei den schwarzen Weißen alle Sympathien verscherzt hätten. „Kann sein“, brummte Riker, „aber konnte ich so etwas ahnen? Ren, wie sieht es mit deinem Sauerstoffvorrat aus?“ Er spielte darauf an, daß es zu ihrem Verlies keine Luftzufuhr gab und sie eventuell von der Reserve leben mußten, die ihnen ihr M-Anzug spendete. „Voll, Dan. Hoffentlich dauert unsere Gefangenschaft nicht lange.“ Sein Helmfunk meldete sich. Überrascht sah er die Kontrolle aufleuchten. Der Empfang stand. Plötzlich hörte er Mike Doraners Stimme. „An alle! An alle! Wonzeff und ich befinden uns in höchster Lebensgefahr. Man hat uns angekündigt, durch Strahlbeschuß vernichtet zu werden...“ Mit hartem Klang in seiner Stimme unterbrach ihn Ren Dhark. „Doraner, Riker und ich hören euch. Versuchen Sie zu beschreiben, wo man Sie festhält!“
Verzweifeltes Lachen klang aus dem Lautsprecher. „Wir haben keine Ahnung. Als wir aus unserer Betäubung erwachten, befanden wir uns in einer uns unbekannten Umgebung. Jetzt stecken wir in einem kleinen, lichtlosen Raum. Wir verstehen nicht, daß man uns die Strahlwaffen und den Raumanzug belassen hat.“ „Beschreiben Sie den Raum genau!“ verlangte der Commander. Aufmerksam lauschte Riker. Er verstand nicht, daß die schwarzen Weißen keinen Versuch machten, den Funkverkehr zu unterbrechen, denn ihre Überwachung hatte bestimmt entdeckt, daß die zwei Gruppen Terraner sich auf einer normalen Frequenz unterhielten. Mike Doraner gab eine Beschreibung durch, die genau auf den Raum paßte, in dem auch Dhark und Riker sich aufhalten mußten. Nur hatten die beiden Flash-Piloten keine Ahnung, wie sie in ihr Verlies gekommen waren. Eine Idee schoß Dhark durch den Kopf. „Doraner, wo hat man Ihnen gesagt, daß Sie und Wonzeff durch Strahlbeschuß sterben müßten?“ Da beschrieb Doraner den großen Raum mit den schlanken, schwarzen Säulen. An einer Stelle seiner Angaben sahen sich Dhark und Riker gegenseitig an. In dem Raum, in dem man die Flash-Piloten durch Roboter vor eine Jury geschleppt hatte, waren sie doch auch gewesen! „Doraner, geben Sie genau an, in welche Richtung Sie durch einen Traktorstrahl gezerrt wurden. Vor den ersten Säulen? Zwischen der ersten Säulenallee? Bitte, überlegen Sie. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen!“ Damit hatte er zu verstehen gegeben, daß auch sie sich in einer Notlage befanden. Ein kurzer Ausruf zeigte Mike Doraners Verblüffung. Dann hatte sich der Mann wieder gefaßt und gab seine dritten
Angaben ab. „Danke, das genügt. Hört Wonzeff mit?“ „Ja.“ „Gut! Wenn Sie den Klarsichthelm geschlossen haben, öffnen Sie ihn. In zehn Sekunden klopfe ich mit dem Kolben meines Blasters gegen unsere Wand. Wenn Sie mein Klopfen hören, antworten Sie durch drei kurz hintereinander folgende Schläge. Achtung, Zeit läuft...“ Dan Riker zählte: „Einundzwanzig, zweiundzwanzig...“ Dhark wartete auf den Ablauf der zehnten Sekunde, dann ließ er den schweren Kolben seiner Strahlwaffe gegen die Wand krachen. Fünfmal hintereinander. Er und sein Freund hielten den Atem an. Würden sie die Antwort hören? Zwei Scheinwerferstrahlen sprangen die Wand an und beleuchteten einen Teil. Totenstill war es in ihrem Gefängnis mit den fugenlosen Wänden. Da klang es auf! Dreimal kurz hintereinander! Mike Doraners Antwort! „Hallo, Doraner...“ Dharks Funkgerät in seinem Raumanzug arbeitete einwandfrei, dennoch war eine Verbindung mit den beiden Flash-Piloten nicht mehr herzustellen. Die schwarzen Weißen hatten sich eingemischt! „Wir müssen uns beeilen, Dan, wenn wir überhaupt durchkommen!“ Dhark verlor keine Sekunde mehr. Er überhörte sogar die Frage seines Freundes, der nicht begeistert war, daß der Commander mit ihren Blastern die Wand aufbrechen wollte, die sie von Wonzeff und Doraner trennte. Dabei war Rikers Sorge berechtigt. Sie hatten keine Ahnung, aus welchem Material die Wand bestand, und sie konnten sich bei ihrem
Versuch selbst in größte Gefahr bringen oder sogar umbringen. „Dan, Anzug schließen! Schalte deinen Scheinwerfer ab. Ein Lichtkegel genügt, und mit deiner Strahlwaffe hältst du auf dieselbe Stelle, die ich unter Beschuß nehme!“ Zwei Klarsichthelme wurden halbstabil, kaum daß der Verschluß tätig geworden war. Die schwere Waffe lag ruhig in Dharks Hand. Ebenso gelassen drückte er den Kontakt. Energiekaskaden sprühten nach allen Seiten. Aber dort, wo der Strahl durch die Wand aufgehalten wurde, breitete sich ein rotglühender Kreis aus, der schnell an Ausmaßen gewann. Jetzt schoß auch Dan Riker, der seine Augen zusammengekniffen hatte und dasselbe Ziel wie sein Freund unter Strahlbeschuß nahm. Materie wurde umgewandelt. Radioaktive Energien wurden frei! Die Temperatur in ihrem kleinen Verlies mußte sprunghaft in die Höhe schnellen. Die beiden Männer merkten davon nichts. Die filmdünne Haut, aus der ihr M-Raumanzug bestand, schützte sie nicht nur vor hohen r-Werten, sondern auch vor vielen hundert Hitzegraden. Ren Dharks ausdrucksvolles Gesicht wirkte wie versteinert. Selbst seinem Freund hatte er eine Sorge nicht mitgeteilt. Und diese Sorge betraf die beiden Flash-Piloten im Nebenraum! Er hatte vorhin Doraner den Befehl erteilt, den Klarsichthelm zu öffnen, wenn er geschlossen sei. Dann war der Funkkontakt zusammengebrochen. Er war nicht mehr in der Lage gewesen, den beiden anderen Männern sein Vorhaben mitzuteilen. Kamen sie gleich aber mit der vernichtenden Energie ihrer Blaster durch die Wand, und war dann Doraners Helm immer noch geöffnet, dann würden die r-Werte den Mann umbringen! Das glühende Loch in der Wand wurde größer und tiefer! Der Sprühregen an leuchtenden Energiebahnen verstärkte sich.
Unentwegt hielten Dhark und Riker die Finger auf dem Kontakt ihrer Waffe. Wenn die Wand nicht meterdick war, dann mußten sie gleich zum Nebenraum durchbrechen. Vor seinem Freund entdeckte Dhark, daß sie nicht allein an ihrer Befreiung arbeiteten. Auf der anderen Seite gingen Wonzeff und Doraner mit der gleichen Methode vor. Sie hatten auch ihren Blastern Arbeit gegeben! Blitzschnell griff Dhark mit der Linken nach seinem Freund und riß ihn und sich zu Boden. Keine Sekunde zu früh! Sie lagen kaum, als dicht über ihnen aus der entgegengesetzten Richtung der Strahl aus Blastern über sie hinweg zischte. „Wir sind durch!“ stieß Dhark aus. „Das hätte ins Auge gehen können!“ murmelte Riker bestürzt, der aber wie Dhark das glühende Loch in der Wand mit seiner Strahlwaffe weiterhin vergrößerte. Von zwei Seiten wurde die Trennwand vernichtet. Höllenwerte mußten in den Räumen herrschen. Höllentemperaturen. Aber die M-Raumanzüge waren in dieser Beziehung einmalig! Dhark warf einen Blick auf die Kapazitätsanzeige seiner Waffe. Kurz und zufrieden war sein Nicken. Erst ein Drittel der gespeicherten Energien war abgestrahlt worden. Da verschwand der doppelte Strahl aus dem Verlies, in dem sich die Piloten befanden. Dhark und Riker arbeiteten noch eine halbe Minute, dann ließen auch sie ihre Waffen sinken. Jetzt kam das Warten! Blieb ihnen noch Zeit dazu, oder hatten die schwarzen Weißen mit ihrer Ortung längst entdeckt, daß ihre Gefangenen versuchten, sich zu befreien? Der mehr als ein Meter durchmessende Durchbruch glühte weiter. Geschmolzenes Metall lief in dicken, feurigen Bahnen
an der Wand zu Boden, um dort langsam dunkler zu werden und zu erstarren. Stunden konnte es dauern, bis die Temperaturen in diesem Bereich auf ein erträgliches Maß heruntergegangen waren. Stunden, über die sie nicht mehr verfügten. Dhark drückte seinen Helm an den seines Freundes. Auf diese Weise konnte man sich auch verständigen. „Dan, wir müssen es riskieren. Anlauf nehmen und im Hechtsprung durch das Loch!“ Der sah ihn wie ein Weltwunder an. Die Wand war knapp einen halben Meter dick, das Loch mit seinen Gluträndern hatte einen Meter im Durchmesser. Der Hechtsprung brauchte nur eine Berührung mit dem Inferno herbeizuführen, und der Springer bekam keine Zeit mehr, sein Testament zu machen. „Wir müssen es tun, Dan!“ drängte ihn Dhark, der seine innerliche Unruhe selbst nicht verstand. „Soll ich dir den Sprung vormachen?“ „Okay!“ Es klang dumpf und gepreßt von Klarsichthelm zu Klarsichthelm. Nur dieses eine Wort war über Rikers Lippen gekommen. Er ging bis an die andere Wand zurück. Dhark hatte seitlich Platz genommen und den Lichtkegel seines Scheinwerfers auf den glühenden Kranz gerichtet. Riker setzte sich in Bewegung, wurde mittels kurzer Schritte schneller und – stoppte so dicht vor der Absprungstelle, daß er einen Zusammenprall mit dem nicht glühenden Teil der Wand nicht mehr verhindern konnte. Seine Nerven hatten versagt. Der glühende Kranz hatte ihm den Mut zum Absprung genommen. Sein Gesicht war schmerzhaft verzogen, und seine linke Hand massierte die rechte Schulter, mit der er mit der Wand kollidiert war. Er unternahm den zweiten Versuch, warf vorher aber seinem Freund einen forschenden Blick zu, den Dhark nicht erwiderte. Dhark wußte nur eins: Wertvollste Sekunden waren unwiederbringlich verloren!
Wieder Anlauf! Und nun der Hechtsprung! Wie ein Torpedo, die Arme weit vorgestreckt, den Körper fast in waagerechte Fluglage gebracht, sprang Riker durch die Öffnung, deren Ränder nach wie vor in unverminderter Stärke glühten. Dhark nahm an der Startstelle Platz. Er schaltete seinen Scheinwerfer ab. Das Ziel mit seinen hohen Temperaturen war nicht zu verfehlen. Absprung! Hechtsprung! Er prallte im anderen Raum nicht hart auf den Boden. Vier Arme griffen nach ihm. Vier nervige Fäuste bekamen ihn zu fassen und sorgten dafür, daß er nur mit den Beinen aufkam. Er wollte keine einzige Sekunde mehr verlieren. Kaum stand er sicher, als er schon wieder seinen Blaster in der Hand hatte und die Wand energetisch angriff, durch die die beiden Piloten aus dem Säulenraum in dieses Verlies gebracht worden waren. Vier Blaster durchstießen mit ihren Strahlen das Metall wie ein heißes Messer durch Butter fährt. Vier Blaster brannten eine fast mannshohe, aber schmale Öffnung hinein! Neue Hechtsprünge waren nicht mehr erforderlich. Durch Handzeichen gab Dhark zu erkennen, in welcher Reihenfolge das Verlies zu verlassen war. Als letzter betrat Dan Riker den Raum mit den schwarzen, schlanken Säulen. Ein Raum, in dem es nichts gab, was sich bewegte! Auch keine Traktorstrahlen, die nach ihnen griffen! Weiter! sagte Dhark mit seiner Armbewegung, und seine Hand deutete in die Richtung des A-Gravliftes, der sie zu diesem Raum hochgetragen hatte. Vier Terraner in geschlossenen M-Raumanzügen rannten los. Vier Mann, die in jeder Hand eine Waffe schußbereit hielten.
Vier Menschen, die sich auch von einem Roboter nicht aufhalten lassen wollten. Halt! Nicht weiter! Pjetr Wonzeff wollte unter dem unheimlichen Eindruck der Stimme, die er in seinem Kopf gehört hatte, dem Befehl folgen. Ren Dhark gab ihm einen Stoß, daß der Mann nach vorn schoß. Eine andere Art der Verständigung war unmöglich. Nach wie vor lag der Helmfunk lahm. Nicht weiter! donnerte ein zweites Mal die fremde Stimme in ihren Gehirnwindungen. Sie rannten weiter! Sie sahen ein paar Meter vor sich die Öffnung des AGravliftes im Boden. Sie mußten ihn erreichen! Sie wollten ihn benutzen, um nach unten zu kommen! Nicht weiter! Sie hörten die Stimme in ihrem Kopf zum drittenmal. Aber auch diese Warnung konnte sie nicht aufhalten. Mike Doraner verlor den Boden unter den Füßen. Ein Traktorstrahl hatte ihn erfaßt und wirbelte ihn zur Seite. Auf der Stelle riß sich Ren Dhark herum. Er schoß in die Richtung, aus der der Traktorstrahl kam. Zwischen die Säulen! Dort, wo die Quelle dieses Strahles war. Pjetr Wonzeff schoß auch. Seine angestaute Wut entlud sich in diesem Gegenschlag. Noch wußten weder der Commander noch die anderen Männer der POINT OF, was sie erlebt hatten, als sie gegen Dan Rikers Befehl den Ringraumer verlassen und zur Oberfläche des Planeten hochgeflogen waren. Er und Doraner wollten aber nicht noch einmal ein Erlebnis dieser Art durchstehen. Er haßte die schwarzen Weißen! Sie und ihre Roboter! Und ihnen sollte es jetzt nicht gelingen, seinen Partner Mike
Doraner durch den Traktorstrahl wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Am Ende der Säulenallee explodierte etwas! Wildes Beben lief durch den Boden! Eine Sonne schien sie verschlingen zu wollen. Mike Doraner stürzte und blieb bewegungslos am Sockel einer Säule liegen. Die Wand war an einer Stelle auseinandergeflogen, und aus der breiten Öffnung fauchten nach allen Seiten züngelnde Energieströme, die den großen Raum in eine Strahlenverseuchte Hölle verwandelten. Ren Dhark sah den Piloten am Boden liegen. Wie ein Sprinter startete er und rannte auf den hilflosen Mann zu, ohne sich um die Gefahr zu kümmern, der er entgegenlief. Der Traktor existierte nicht mehr. Die Anlage, die ihn entwickelt hatte, ging in nicht endenden Explosionen unter. Daß dieser Teil des Bauwerkes nicht in Fetzen zerrissen worden war, verdankte er der Tatsache, daß seine Wände und Decken Metall waren. Die Stimme in ihrem Kopf, die sie hatte aufhalten und zugleich warnen wollen, war nicht mehr zu hören. Nur Gewalt hätte den Commander jetzt stoppen können. Er hatte Mike Doraner erreicht, griff nach ihm und warf ihn sich über die Schulter. Wieso der Mann im M-Anzug hatte bewußtlos werden können, mußte später geklärt werden. Mit seiner schweren Last rannte er zurück. Die Temperaturregelung in seinem M-Anzug schaltete die Kühlung höher. Das filmdünne Material ließ noch kein Grad der Gluthitze durchkommen, die in dem Säulenraum herrschte, aber im Anzug ging durch die außergewöhnliche Belastung Dharks automatisch die Temperatur höher. Ren Dhark suchte sich die Augen nach Riker und Wonzeff aus. Beide waren verschwunden! Der Platz, wo er sie verlassen hatte, war leer.
Schon wollte er stoppen, als er im Gelblicht hinter einer Säule einen Arm sah, der schnell bewegt wurde. Vier Säulen trennten ihn noch von der Stelle, als er zur linken Hand drei schwarze Weiße heranschweben sah! Roboter! Roboter, die wie die Maschinenwesen der Mysterious schweben konnten! Mit einer Hand hielt er Doraner fest, damit ihm der Mann nicht von der Schulter rutschte. Mit der anderen nahm er seinen Blaster hoch, aber bevor er den Kontakt drücken konnte, schossen die Roboter. Nicht auf ihn! Audi nicht auf Wonzeff und Riker, die er plötzlich wieder sah! Diese drei Roboter schienen nur die Aufgabe zu haben, die immer noch explodierende Anlage hinter der Wand des Säulenraumes stillzulegen. Drei tiefblaue Strahlen, nadeldünn, zischten aus den Armen der Roboter zur Explosionsstelle. Ren Dhark hatte keine Zeit, zu verfolgen, was sich dort entwickelte. Er mußte zu seinen Freunden, die hinter den Säulen Deckung vor einer Gefahr genommen hatten, die er nicht erkennen konnte. Dennoch blickte er sich ein paarmal nach den drei Robotern um, die aber von ihm und seinem bewußtlosen Mann keine Notiz nahmen, sondern sich gerade in den Bereich der fackelnden Energiebahnen stürzten und dabei ununterbrochen ihre nadeldünnen, tiefblauen Strahlen emittierten. Wieder sah er Rikers Arm. Dann in das Gesicht seines Freundes, das Entsetzen widerspiegelte. Riker warnte ihn nicht, näher heranzukommen. Er winkte ihm sogar, sich zu beeilen. Neben ihm legte Dhark den bewußtlosen Doraner ab. Riker preßte seinen Klarsichthelm gegen den des Freundes. Dumpf hörte Dhark ihn sagen:
„Ren, wir kommen ab der zweiten Säule vor uns keinen Schritt mehr weiter Wir können von der Grenzlinie an unsere Beine nicht mehr bewegen!“ Dhark stutzte. Er setzte sich wortlos in Bewegung. Als er die nächste Säule passierte, erkannte er Wonzeff, der mit dem Rücken dagegenlehnte. Er wirkte wie ein Mann, der sich langweilt, weil er mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß. Dhark ging weiter auf die Grenzlinie zu. Er überschritt sie. Nichts hielt ihn auf. Welchen Unsinn hatte ihm nur Dan erzählt? Er drehte sich nach ihm und Wonzeff um, gab ihnen mit dem Arm Zeichen, ihm zu folgen, und dabei Doraner nicht zu vergessen. Die Verwunderung auf den Gesichtern der beiden Männer war nicht geschauspielert. Ihr Kopfschütteln glich einer Demonstration. Sie begriffen offensichtlich nicht, daß er diese Grenzlinie hatte passieren können, während sie ab der unsichtbaren Schranke keinen Schritt mehr hatten tun können. Die Explosionsstelle spie keine Energiebahnen mehr aus. Die drei Roboter schienen mit der Katastrophe schnell fertig geworden zu sein. Da hielt Ren Dhark den Atem an. Pjetr Wonzeff bewegte sich nicht mehr. Dicht hinter ihm stand Dan Riker mit Doraner auf dem Rücken. Mit der freien Hand machte Riker eine vielsagende Geste. Riker dachte nicht daran, noch einen Schritt auf die unsichtbare Grenzlinie hin zu tun. Ich konnte die Barriere passieren, stellte Dhark in Gedanken fest. Hat man vielleicht die Absicht, mich von meinen Begleitern zu trennen? Er machte die Probe. Er ging zurück.
Nichts hielt ihn auf! Dann hatte Pjetr Wonzeff kaum Zeit, sich zu wundern. Der Commander umschlang seinen Flash-Piloten, legte ihn sich wie einen Sack über die Schulter und ging los. Kein Widerstand! Kein unerbittliches Stopp! Aber Wonzeffs Haltung über seiner Schulter hatte sich beim Passieren der Grenzlinie eigenartig verändert. Wie ein nasser Sack hatte er über seiner Schulter gelegen. Ohne jede Muskelanspannung, wie ein Mensch, der seiner Sinne und Kräfte nicht mehr mächtig ist. An der nächsten Säule wollte Dhark den Mann zu Boden legen und auf diesem zeitraubenden Weg nun auch Riker und Doraner holen. Im Absetzen wurde der Flash-Pilot wieder aktiv. Da der Helmfunk immer noch versagte, konnte Dhark nicht verstehen, was Wonzeff sagte. Doch daß es keine freundlichen Worte waren, war nicht schwer zu erraten. Dhark kehrte ihm den Rücken, hatte Riker schon das Zeichen gegeben, daß er nun Doraner über die Sperre schaffen wollte, als Wonzeff ihn zurückriß. Er wirbelte herum. Augenblicklich hielt er in jeder Hand eine Waffe. Fünf schwarze Weiße, deren Unterkörper durch ein trikotartiges Gewand in buntem Farbmuster bedeckt waren, kamen in Linienformation auf sie zu. Nur waren sie nicht allein. Ihnen folgten in einem Abstand von gut zehn Metern acht ihrer Roboter, die ihnen aufs Haar ähnelten! Wonzeff preßte seinen Helm gegen den von Dhark. „Dhark, das haben Doraner und ich schon mal erlebt. Das ist die Jury, die uns versprochen hat, uns umzubringen. Drei von den Burschen erkenne ich wieder!“ Ren Dhark ließ sich durch diese beunruhigende Aussage nicht beeinflussen.
Er wollte den schwarzen Weißen beweisen, daß sie in friedlicher Absicht ihren Planeten angeflogen hatten. Und wenn der Nachrichtendienst der schwarzen Weißen ebensogut war wie die Technik auf diesem Planeten, dann mußte ihnen klarsein, daß die POINT OF und ihre Besatzung nichts Böses im Schilde führten. Aber Pjetr Wonzeff wollte sein Strahlfeuer auf die fünf schwarzen Weißen und ihre robotische Begleitung eröffnen. Dharks blitzschneller Handkantenschlag riß ihm den Blaster aus den Fingern. Die so menschlich wirkenden Gesichter der unbekannten Wesen zeigten keine Bewegung. Die der Roboter auch nicht. Das grelle Leuchten ihrer Augen blieb unverändert. Zwischen den beiden letzten Säulen blieben die fünf stehen. Die Roboter nicht. Sie passierten die rechts und links liegenden Säulenreihen und versuchten Dhark und seine Männer zu umzingeln. Der Commander kniff die Augen zusammen, wagte es, sich einmal umzudrehen und nach der Explosionsstelle zu blicken. Dort hatten drei Arbeiter-Roboter erstklassige Arbeit geliefert und die Explosionsstelle unter Kontrolle gebracht. Doch wieso konnten es sich diese fünf schwarzen Weißen erlauben, ohne Schutzanzug den verseuchten Raum aufzusuchen, in dem tödliche r-Werte herrschten? Pjetr Wonzeff war zur Seite gegangen und hatte sich seinen Blaster zurückgeholt. Schußbereit, den Abstrahlpol auf den Boden gerichtet, hielt er die Waffe wieder in der Hand. Wie sein Commander, dem die Bewegungen der acht Roboter nicht geheuer waren. Fünf schwarze Weiße, die trotz ihrer dunklen Haut keinen negroiden Einschlag besaßen, blickten allein ihn an. Weder freundlich, noch feindlich. Unpersönlich. Wie eine Sache, die keinen Wert besitzt!
Das wiederum verstand Ren Dhark nicht. Er stand doch fünf Vertretern des Homo sapiens gegenüber, denen dieser Planet innerhalb der Sternenbrücke gehörte, und es war doch ein rein menschliches Verhalten, bei den ersten Begegnungen eine gewisse Neugier an den Tag zu legen. Nicht einmal eine Spur Neugier gab es. Und was sollte diese Demonstration, der seit zwei Minuten jede Aktivität fehlte? Was bezweckten die fünf schwarzen Weißen damit? Warum machten sie nicht den Versuch, sich mit ihnen zu verständigen? Da brach Pjetr Wonzeff zusammen. Beide Waffen entglitten seinen Händen, er knickte in den Knien ein und fiel der Länge nach hin. Ein unsichtbarer Angriff war durchgerührt worden; ein hinterlistiger Angriff, der gleich einer Stichflamme die Wut in Dhark groß werden ließ. Er riß seinen Blaster hoch. Aus wutfunkelnden Augen starrte er die fünf schwarzen Weißen an – und schoß dann doch nicht! Eine undefinierbare Macht zwang ihn, sich umzudrehen. Jenseits der Grenzlinie lagen Dan Riker und Mike Doraner bewegungslos am Boden. Es war eine eindeutige Geste, mit der Dhark beide Waffen fortsteckte. Noch eindeutiger sein Tun, als er auf die fünf schwarzen Weißen zuging, die alle einen Kopf größer waren als er. Vor dem mittleren blieb er stehen. Seine Hände schnellten nach vorn, und seine Hände bekamen zwei Schultern fest zu fassen. „Was soll das alles?!“ tobte er überlaut unter seinem geschlossenen Klarsichthelm, und schüttelte dabei den schwarzen Weißen hin und her. Er hatte die beiden Roboter nicht herankommen sehen. Vier nervige Hände, die den Händen muskulöser terranischer Neger glichen, rissen ihn zurück. Es waren Hände, die ihm die
Arme zerdrücken konnten. Der schwarze Weiße, der von Ren Dhark geschüttelt worden war, winkelte seine beiden Arme an und machte in Richtung der Roboter mit seinen Händen eine Bewegung, die der Commander nicht verstand. Der Druck um seine Arme verstärkte sich. Er verlor den Boden unter den Füßen, und seine beiden Bewacher schwebten mit ihm davon, an den fünf schwarzen Weißen vorbei und auf eine geschlossene Wand zu. Dhark gab um sein Leben keinen Cent mehr, und in seinen Augen war das Schicksal der beiden Flash-Piloten und seines Freundes Dan Riker ebenso besiegelt wie sein eigenes. Ein Planet, der zur Sternenbrücke gehörte, wurde ihnen zum Grab! * Tino Grappa lutschte ein Bonbon, dessen Nährwert gleich einer vollwertigen Mahlzeit war. Er hatte es dankend abgelehnt, die Messe aufzusuchen und sich in der Zwischenzeit von seinem Kollegen an der OrtungsAnlage vertreten zu lassen. Seit der Funkverkehr mit dem Commander und Riker abgebrochen war und auch die drei Einsatz-Gruppen auf dem kreisrunden Platz der fremden Stadt keine Verbindung mehr mit ihnen herstellen konnten, war es in der POINT OF am Rande des kleinen Hafens still geworden. Die Ahnung, daß sich Dhark und sein Freund in größter Gefahr befanden, machte sich überall breit. Auch der junge Tino Grappa wurde davon beherrscht. Das war auch der Hauptgrund, weshalb er seinen Platz hinter den Ortungen nicht verließ. Seine Ortungen! Scherzhaft war schon oft behauptet worden, er sei mit ihnen verheiratet. Im gewissen Sinne stimmte es auch. Innerhalb der
TF gab es keinen Spezialisten auf diesem Gebiet, der mit seinem Können und Einfühlungsvermögen Grappa überragte. In der Funk-Z hatte Walt Brugg ausgehalten. Funk-Ortung und Echo-Kontrolle liefen mit höchster Leistung. Die Antennen in der Unitallhaut der POINT OF waren auf das Zentrum der Stadt ausgerichtet, aber die Auswertung erbrachte keine Werte. Arc Doorn ist verschwunden! war vor knapp einer Stunde von Leutnant Kucks durchgegeben worden, der zusammen mit dem Commander in dessen Flash geflogen war. Da knackte es leise in der Bordverständigung. Auf dem Bildschirm erschien Walt Bruggs Gesicht. „Doorn ist wieder da. Ziemlich angeschlagen. Nach Kucks Angaben will er einen Kampf mit schwarzen Weißen gehabt haben. Doorns Bericht klingt sehr konfus. Er behauptet, die schwarzen Weißen hätten bewegliche Transmitter eingesetzt.“ Tino Grappa zuckte kaum merklich zusammen. Seine Energie-Ortung hatte eine starke Strahlenquelle getastet. Ein Steuerschalter kippte in eine andere Stellung. Das Diagramm auf dem kleinen Oszillo zeigte eine besonders starke n-Kurve. Automatisch schaltete sich die Distanz-Ortung auf die Strahlenquelle ein. Am Checkmaster flammten nacheinander die Grün-Kontrollen auf. Das Bordgehirn der POINT OF befaßte sich mit den Werten, die ihm die Ortungen hatten zukommen lassen, und die beiden Offiziere, die daran Dienst taten, warteten auf das Endresultat. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 98,4 Prozent angesteuerter Energie-Ausbruch über der City der Stadt. Koordination der Strahlungsquelle... Tino Grappa fixierte den angegebenen Punkt. Laut schnappte er nach Luft. Das konnte nicht stimmen! Die Strahlungs-Quelle sollte sich in 8537 Metern Höhe über
dem Mittelpunkt der Stadt befinden!? Aber dort oben gab es doch nichts als den freien Himmel! Da legte Walt Brugg eine Sendung zur Zentrale. Doorn meldete sich aus seinem Flash. Der Sibirier forderte die POINT OF an. Aus seinen Worten war zu entnehmen, daß er die Strahlungsquelle auch in dieser Höhe über der Stadt geortet hatte. Und er schien seinen Ortungen weit mehr Vertrauen zu schenken als Grappa, der immer noch am Auswertungsergebnis des Checkmasters zweifelte. „Wenn wir jetzt zögern und die POINT OF nicht einsetzen, sehen wir den Commander nie wieder!“ behauptete Doorn mit leidenschaftlich erregter Stimme. „Ich habe diese schwarzen Weißen, diese so menschenähnlichen Roboter jetzt kennengelernt. Ich weiß nicht, wie ich zurückbefördert worden bin, aber daß ich vorher drei Roboter hochgehen ließ, ist unverrückbare Tatsache. Hallo, POINT OF, kommt das Schiff?“ Die Beratung in der Zentrale des Ringraumers war kurz. Die Auswertung dei Checkmasters gab den Ausschlag. „Doorn“, gab der stellvertretende Kommandant durch, „wir halten uns an die Order des Commanders. Die POINT OF geht nicht in Einsatz!“ „Ich habe verstanden!“ erwiderte der Sibirier in seinem Flash und schaltete ab. Der Funk übertrug nicht mehr, was er noch zu sagen hatte: „Denen werde ich es zeigen. Hallo, Boys, wer macht mit, das unsichtbare Ding über unseren Köpfen anzufliegen und sich dafür zu interessieren, was dort oben... Oh!“ Er verstummte. Die Werte, die seine Energie-Ortung auswarf, wurden von Sekunde zu Sekunde schwächer, als ob der Strahlungsausbruch abrupt unterbrochen würde. Über den Funk kamen die ersten Bedenken. „Doorn, wir wissen nicht, woraus das Unsichtbare besteht.“ Scharf erwiderte der bullige, sonst so wortkarge Mann: „Als
wir uns mit dem Nor-ex herumschlugen, wußten wir auch nicht, worum es sich handelte, und doch zögerte der Commander keine Sekunde, den Kampf aufzunehmen.“ Fünf Flash meldeten sich. „Okay, das dürfte genügen. Intervallfeld einschalten, alle Strahlantennen klarmachen, aber wir greifen nur dann an, wenn uns kein anderer Ausweg bleibt. Schließlich wollen wir den Commander heil zurückbekommen. Auf Gedankensteuerung schalten. Mein Flash übernimmt die Gruppe. In einer Minute Start. Noch Fragen?“ Niemand machte dem Sibirier die Leitung der neuen EinsatzGruppe streitig. Unter den Männern befand sich auch kein zweiter, der mehr Einsätze hinter sich gebracht hatte als Arc Doorn. Drei Sekunden vor dem Start ging eine Meldung an die POINT OF ab. „Hier Doorn, fliege mit insgesamt sechs Flash Einsatz, um den Commander herauszuhauen. Ende!“ Im gleichen Moment hörte er in seinen Gehirnwindungen die unpersönlich klingende Stimme der Gedankensteuerung sagen: Habe Gruppe übernommen. Ziel bekannt! Gleichzeitig hoben sechs Flash ab, fuhren ihre spinnbeindünnen Ausleger ein und stiegen senkrecht hoch, dem unsichtbaren, unbekannten Ziel zu. Untereinander standen die Beiboote der POINT OF über Funk in Verbindung. Aber niemand hatte Interesse daran, ein Wort zu sagen. Jeder wußte, daß sie mit ihren kleinen Blitzen einem übermächtigen Gegner Paroli bieten wollten. Und jeder Mann in den sechs Flash war sich klar, daß dieser Einsatz ihr letzter werden konnte. Die Gedankensteuerung schaltete den Sle höher. Der Brennkreis unter den kleinen, plumpen Blitzen entwickelte titanische Kräfte. Die große Stadt mit ihren gewagten Brückenkonstruktionen, ihren gewaltigen Wohnvierteln und
bizarren Spiraltürmen schien in die Tiefe zu stürzen. Unbeweglich saß Arc Doorn in seinem engen Sitz, der ihm kaum Bewegungsfreiheit bot. Nur ab und zu legte er den Kopf in den Nacken, um dem Bildschirm einen Blick zuzuwerfen. Er zeigte nichts anderes als den Himmel über diesem Planeten innerhalb der Sternenbrücke. Die Ortungen warfen auch keine Werte mehr aus. Der Energie-Ausbruch in der Höhe existierte nicht mehr. Flogen sie auf ein Ziel zu, das sie niemals finden würden? Doorns Partner hatte Bedenken dieser Art. Der Sibirier stieß ein kurzes Lachen aus. „Keine Sorge. Solange diese Gedankensteuerung kommandiert, haben wir nicht viel zu befürchten. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob unsere Ortungen Null-Werte auswerfen oder nicht. Aber fragen Sie mich nicht, auf welcher Basis die Gedankensteuerung arbeitet. Das hat bis heute noch kein Mensch herausgefunden.“ Der Höhenmesser gab 5000 Meter an. Immer schneller stiegen die Flash, die in einer langgezogenen Kette flogen. Als die Stadt achttausend Meter tief unter ihnen lag, ging der Sle mit seiner Leistung herunter. Doorn hob seine Lider, als er beobachtete, daß sämtliche Antennen auf Strich-Punkt-Strahl geschaltet waren. Wieso weiß die Gedankensteuerung schon jetzt, welche Strahlen gleich einzusetzen sind, fragte er sich in Gedanken, und wieder beschlich ihn dieses undefinierbare Gefühl, sich nicht besonders wohl zu fühlen. Dieser Zustand war immer dann aufgetreten, wenn er seine Sicherheit der unheimlichen Gedankensteuerung anvertraut hatte. In Höhe von 8500 Metern stoppten die Flash. Unbeweglich, nur von dem schwach arbeitenden Sie gehalten, standen sie vor einer unsichtbaren Grenze, die auch jetzt noch nicht mittels einer Ortung zu erfassen war.
Was für ein Teufelsding mag das sein, fragte sich Doorn, der sämtliche Fingerkuppen auf den Steuerschaltern liegen hatte, obwohl sie blockiert waren, seitdem die Gedankensteuerung das Kommando übernommen hatte, die aufgrund einwandfreier Forschungsresultate auf die Alpha-Rhythmus-Frequenz der Terraner ansprach. Schlagartig heulten in jedem Flash die Aggregate auf. Pfeifen setzte ein. Mein Gott, dachte Doorn, wir transistieren! In diesem Augenblick erfolgte der Sprung! Sechs Flash brachen durch eine unsichtbare Mauer, kamen über den Hyperspace in einen Bereich, der nicht einmal von den Ortungen der Mysterious zu erfassen gewesen war. Grelles Licht sprang in die kleinen Kabinen der Blitze! Grelles Licht, das über die Bildprojektion über den Köpfen der Männer hereinstürzte. Das Heulen der Aggregate verstummte. Eins der vielen Instrumente gab an, daß wiederum der Sle arbeitete, und daß das Intervall, das kurz vor dem winzigen Sprung abgeschaltet worden war, schützend um jedes Beiboot lag. „Das kenn ich doch!“ stieß Doorn überrascht aus, als er die fünfstufige breite Treppe erkannte, die schon unter ihnen lag. Senkrecht, den Kurs um kein Grad verändernd, rasten sechs Blitze an der fugenlosen Wand eines riesigen Gebäudes entlang und höher. Ein Gebäude, das im Stil nicht zu den Bauwerken der Stadt paßte. Ein Gebäude ohne ein einziges Fenster! „Welch ein Kasten!“ stieß Doorns Partner aus, der Rücken an Rücken zu ihm saß. „Und das Monstrum schwebt auch noch in mehr als achttausend Metern Höhe über der Stadt!“ fügte Arc Doorn hinzu, der schlagartig erkannt hatte, sich auf ein Abenteuer eingelassen zu haben, dessen Ausgang für sie mehr als fraglich sein würde. „Funk klar?“
Der Funk lag still! Mit den anderen Flash war keine Verbindung mehr herzustellen. Der To-Funk reagierte auch nicht. „Da hat man uns eine hübsche Sperre dazwischen gelegt“, knurrte der Sibirier beunruhigt. Er verstand das alles nicht. Über seinen Bildschirm konnte er jeden der fünf anderen Flash sehen, aber über Funk mit der Besatzung zu sprechen, war unmöglich. Seine Augen weiteten sich. Sein Flash flog auf ein Loch zu, das sich in der fugenlosen Wand befand. Eine mehr als dreißig Meter durchmessende Öffnung, die eindeutig durch eine starke Explosion entstanden war. War an dieser Stelle der Energie-Ausbruch erfolgt, den ihre Ortungen für kurze Zeit angemessen hatten? Abrupt ging sein Flash aus dem Kurs. Er flog die Öffnung an. Er flog durch ein Gewirr zerschmolzener Aggregate, zerrissener und verbogener Metallwände, von denen einige fast meterstark waren, und doch den gewaltigen Explosionsdrücken nicht hatten standhalten können. Ein Kontrollblick zur Bildprojektion. In Gedanken verwünschte er die Mysterious und ihr drittes Auge auf dem Kopf. Die anderen Beiboote folgten. Das beruhigte ihn. Sein Flash durchflog die erste, unbeschädigte Wand. Der Sle hinterließ mit seinen energetischen Gewalten eine winzige Schmelzspur. So war es überall, wo ein Flash im Schutz des Intervalls mit Sle kompakte Materie durchflog, mit einer Ausnahme: bei der POINT OF. Dort hatte ein Ein- oder Ausflug noch niemals eine Spur hinterlassen. Warum es so war, konnte kein Mensch sagen. Im Schrittempo flogen sie. Sie flogen an schwarzen Weißen vorbei, die aus ihren grell leuchtenden Augen dem Flash ihre
Blicke zuwarfen, sonst aber keine Reaktion zeigten. Die Strahlantennen der Blitze waren noch nicht aktiv. Wir haben Roboter gesehen, stellte Doorn in Gedanken fest, und Roboter, wenn sie auch wie schwarzhäutige Terraner aussahen, waren gegen die paralysierende Kraft der StrichPunkt-Strahlen immun. Diesen Gedanken hatte er kaum zu Ende gedacht, als sein Flash aus dem Kurs gerissen wurde. Die anderen schlugen zurück! Die Andruckausgleicher in den Blitzen heulten auf, um die Männer darin vor den tödlichen Gravowerten zu schützen, aber sie konnten nicht verhindern, daß die Beiboote in die Höhe gewirbelt wurden, und dabei ein gutes Dutzend Stockwerke durchflogen. Vergeblich drückte Doorn einen der Steuerschalter. Nach wie vor waren sie blockiert. Nach wie vor führte die Gedankensteuerung das Kommando. Und sie reagierte schneller und präziser als es je ein Mensch vollbracht hätte. Der Sle wurde auf Maximum geschaltet. Die EnergieErzeuger in den Beibooten führten sämtliche verfügbaren Kräfte dem Intervallum zu. Die Blitze kamen wieder auf Kurs. Innerhalb des riesigen Gebäudes stießen sie in jene Tiefen zurück, aus denen sie hinausgeworfen worden waren. Das sind nie und nimmer Druck-Strahlen gewesen, dachte Doorn, der keinen Blick von seinen Ortungen und Instrumenten ließ, aber diese Burschen haben eine Waffe gegen uns eingesetzt, mit der sie aus jedem Flash einen Fußball machen! Wieder warf er der Projektion über seinem Kopf einen Blick zu. Keiner der anderen Flash war zu sehen. Es beunruhigte ihn nicht. Solange die Gedankensteuerung das Kommando führte, waren ihre Beiboote und sie selbst nicht in ernstlicher Gefahr.
Dennoch konnte sich der Sibirier eines unguten Gefühls nicht erwehren. Dieser Einsatz dauerte ihm zu lange. Er hatte einen schnelleren Erfolg erwartet. Und in diesem Augenblick, als sein Flash in einen großen Raum einflog, in dem er mehrere Säulenalleen sah, erkannte er, von der Gedankensteuerung zuviel erwartet zu haben. Da stoppte sein Flash! Sein Beiboot setzte auf. Vor zwei Menschen, die bewegungslos am Boden lagen. Doorn, den Kopf weit im Nacken, kniff die Augen zusammen. „Das ist doch... Das sind doch Riker und Doraner!“ stieß er erschreckt aus. Und fügte im gleichen Atemzug hinzu: „Rückendeckung! Ich steig’ aus, aber...“ Für vier Personen war in einem Flash kein Platz; drei konnten zur Not damit befördert werden, aber auch das war schon mit größten Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten verbunden. Da schwebte der nächste Flash durch die Wand und setzte auch mit seinem plumpen Rumpf, abgeschalteten Sle und Intervall auf. „Doorn, Sie wagen zuviel!“ warnte ihn sein Begleiter, aber der Sibirier hörte nicht, hatte den Ausstieg schon aufgestoßen und schwang sich hinaus. Er riß den Arm hoch, kaum daß er den Boden berührt hatte und winkte dem Piloten des zweiten Flash, seinem Beispiel zu folgen. Der dritte Blitz traf auch ein. Das änderte die Situation. Und dann zuckte der Sibirier zusammen, als er einen Blick auf die kleinen Instrumente seines M-Anzuges warf. Die r-Werte in diesem Säulenraum standen weit im tödlichen Bereich! Seine Augen weiteten sich, als er sich umdrehte und dann in der Wand das riesige Loch mit den starken Schmelzspuren erkannte. Unwillkürlich nahm er seinen Blaster in die Hand, brachte die Strahlwaffe in Anschlag und richtete sie auf
schwarze Weiße, deren Augen grell leuchteten. Roboter der Fremden! Roboter, die von den Terranern keine Notiz nahmen und unbeeindruckt von deren Anwesenheit weitergingen, auf jene Stelle zu, wo in der Wand dieses große Loch klaffte. Arbeiter-Robs! Etwas unsicher geworden ließ Doorn seine Waffe sinken. Zwei Männer waren ausgestiegen und kamen auf ihn zu. Er deutete auf Riker und Doraner und gab durch Zeichen zu verstehen, daß man die leblos am Boden liegenden Männer an Bord nehmen sollte. Kurz darauf wurde auch Pjetr Wonzeff aufgefunden. Ebenfalls ohne Besinnung. Aber wo war der Commander? Arc Doorn trat von einem Fuß auf den anderen. Er verwünschte seine Unruhe. Alles ging ihm nicht schnell genug, und die Schwierigkeiten, sich zu verständigen, indem Helm gegen Helm gedrückt wurde, kostete zusätzlich wertvolle Zeit. Drei Flash sollten mit den bewußtlosen Männern auf schnellstem Weg zur POINT OF fliegen, sie dort in der MedoStation abliefern und wieder zurückkommen. „Protter, konzentrieren Sie Ihre Gedanken auf die Gedankensteuerung. Befehlen Sie ihr, das Kommando über die drei Flash zu übernehmen. Geben Sie unmißverständlich als Ziel den Ringraumer an. Und nun, Tempo, Männer! Wir warten hier auf Ihre Rückkehr!“ Protter nickte unter seinem Klarsichthelm, wenngleich er noch etwas mißtrauisch war. Natürlich hatte er von der normalen Alpha-Rhythmus-Frequenz schon gehört, jenem äußerst schwachen elektrischen Impuls, den jedes menschliche Gehirn aussendet, jedoch in bezug auf die Gedankensteuerung noch keine Erfahrungen damit gesammelt, Doorn blieb neben seinem Flash stehen und sah zu, wie die Besinnungslosen in den drei anderen Beibooten verladen
wurden. Hoffentlich werde ich eines Tages nicht auch einmal auf diese wenig angenehme Weise verfrachtet, dachte er und nickte dann zufrieden, als er beobachtete, wie die Einstiege hintereinander geschlossen wurden. „Es hat geklappt!“ brachte er über seine Lippen, als jene drei Blitze gleichzeitig abhoben. Im nächsten Augenblick saß er auch wieder in seinem Beiboot und wollte gerade seinen Einstieg schließen, als ihm jede Kraft aus dem Arm verschwand. Aus dem Nichts heraus kam eine graue, kreisrunde Ringkonstruktion herangeschwebt. „Großer Himmel“, keuchte er und verstand plötzlich, warum ihn diese unerklärliche Unruhe gepeinigt hatte. Die Fremden setzten bewegliche Transmitter ein! Die graue Antenne hatte seinen Flash erreicht! Die Fremden schlugen mit dieser Technik zurück! Die Fremden behandelten die Terraner und ihre Flash wie lästiges, aber harmloses Ungeziefer! Aus der Ringröhre, die in 2367 Metern Höhe über dem runden großen Platz im Herzen der Riesenstadt schwebte, fielen nacheinander drei Flash heraus! Nicht einmal die Gedankensteuerung der Mysterious hatte verhindern können, auf diese Weise aus dem Bauwerk aus mehr als achttausend Meter hoch über der Stadt hinausgeworfen zu werden! Der blitzschnell hochgeschaltete Sle verhinderte einen Aufprall der Beiboote, die auf ihren dünnen Auslegern weich landeten. Mit zitternden Knien war Doorn ausgestiegen. Aus weit aufgerissenen Augen blickte er zu der blauleuchtenden Ringröhre hinauf. Sie war also nicht nur eine Steuerungsanlage, die diese Stadt beherrschte, sondern zusätzlich auch noch eine Transmitter-
Antenne! Doorn machte in seinen Gedanken einen weiten Sprung zum Planeten Hope. Dort im Industrie-Dom gab es, wenn auch im verkleinerten Maßstab, eine blauschimmernde, schwebende Ringröhre. War sie vielleicht wie diese Konstruktion ebenfalls eine Transmitter-Station? Sein Partner streckte den Arm aus, stieß ihn an, „Doorn, die POINT OF will Sie sprechen!“ Der Funk arbeitete also wieder. Auf der eingeschalteten Frequenz herrschte wildes Tohuwabohu. Nicht nur die Funk-Z der POINT OF verlangte Bericht, auch alle Besatzungen der auf dem Platz zurückgebliebenen Flash. Die Männer in diesen Beibooten konnten sich nicht erklären, wieso plötzlich drei Blitze einfach aus der leuchtenden Ringröhre über ihnen auf den Platz heruntergestürzt waren. In dieses Durcheinander rief Doorn hinein: „Ich komme zum Schiff!“ Er überließ es wieder der Gedanken-Steuerung, ihn zum Ringraumer zu bringen. Mit dem Abheben seines Flash setzte das typische Pfeifen ein, das Intervall wurde abgeschaltet, und in einer Kurztransition wurde das Beiboot dicht vor dem Ringraumer wieder existent. Der Flash flog in sein Depot ein. Mit einem Satz war Doorn draußen. Den Klarsichthelm zurückgeklappt, rief er seinem Partner zu: „Warten Sie hier. Ich bin gleich wieder zurück!“ Dann jagte er schon über das Deck der Kommando-Zentrale zu. * Zwischen Mond und Erde stand der Jäger WEASEL im freien Fall. Das Bord-Chrono zeigte 15:31 Norm-Zeit an.
Die Vorbereitungen für den letzten Test waren abgeschlossen. Der Cyborg der neuen Serie, Mark Carrell, hatte gleich zu beweisen, daß er als Träger der F-Viren vollkommen raumtauglich war. Sie hielten sich in der kleinen Messe des Schiffes auf: Echri Ezbal mit seinem Stab aus Medizinern und Ingenieuren, acht Cyborgs der alten Art und Mark Carrell. Diese acht Cyborgs sollten Carrell nur im Notfall eine Hilfe sein, im übrigen ihn aber bei seinen Übungen scharf beobachten. Ezbal glaubte noch eine Mahnung aussprechen zu müssen, als er sah, wie neun Männer in normalen Straßenanzügen sich Klein- und Kleinstgeräte an elastischen Riemen umschnallten und die wenigen Verbindungen stöpselten. „Sie nehmen für mehr als sechs Millionen Dollar Ausrüstungen mit nach draußen. Bitte, bringen Sie uns das Material wieder unversehrt an Bord zurück.“ Bram Sass, der zigeunerhafte Ladiner, grinste unterdrückt. Holger Alsop schüttelte erstaunt den Kopf. Die eidetischen Zwillinge Snide starrten den greisen Wissenschaftler wie ein Wundertier an. Die übrigen ließen sich ihr Erstaunen nicht anmerken. Echri Ezbal, der bisher noch nie ein normales Verhältnis zu Geld gehabt hatte, machte nun darauf aufmerksam, daß ihre Ausrüstung die Kleinigkeit von sechs Millionen Dollar wert war?! Eine Bagatelle zu den Entwicklungskosten, die das CyborgObjekt bis zum Tag verschlungen hatte. Ebenso aber auch eine Bagatelle zu den Gewinnen, die inzwischen aus den Arbeiten im Brana-Tal erzielt worden waren. Denn die terranische Industrie war geradezu versessen darauf, die Geräte in Lizenz nachzubauen, die man dort entwickelt hatte. Mark Carrell drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus
und schnallte das letzte Aggregat um. „Kontrolle!“ forderte er Holger Alsop auf, der Leiter der Cyborg-Gruppe war. Zwei Techniker drängten sich heran und überprüften den abschließenden Kontrollvorgang, der einwandfrei verlief. „Wir können!“ stellte Mark Carrell fest, und nicht das geringste Schwingen in seiner Stimme verriet, was sich in seinem Innern abspielte. Die Männer setzten sich in Bewegung, acht Cyborg der alten Art und ein neunter, der in seinem Körper F-Viren eines fremden Planeten beherbergte. An der unteren großen Schleuse machten sie halt. „Umschalten auf zweites System. Phanten!“ befahl Alsop, der erste Mensch, der sich ohne jeglichen Schutz im leeren Raum zwischen den Sternen aufgehalten hatte. Äußerlich ging nicht die geringste Veränderung mit den neuen Männern vor, aber im Innern ihrer Körper liefen Vorgänge ab, die vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen waren. Auch Mark Carrells Programm-Gehirn gab den Impuls zum Phanten. Aber Milliarden Viren in seinem Körper verließen das passive Stadium, um das Medium aufzusuchen. Eine Reizspannung von 0,03 Volt band in seinem Körper im gleichen Moment jedes Gas, jede Flüssigkeit. Zugleich begann eine Stopp-Uhr, die zu seiner Ausrüstung gehörte, zu laufen. Einer nach dem anderen meldete alles klar. Alsop rief zur Kommando-Zentrale durch. „Wir öffnen die innere Schleuse in sechzig Sekunden!“ kam die Nachricht durch. Zwei Minuten später war es soweit. Die große Hauptschleuse stand offen. Die letzten Luftmoleküle waren in den freien Raum entwichen. Neun Männer, die nicht mehr zu atmen brauchten, sahen ins
schwarze Nichts hinein. Mond und Sonne standen hinter der WEASEL. Terra hing über dem Abgrund aus Zeit und Raum als blaue Kugel. Afrika und ein Teil Vorderasiens war unter dünnen Wolkenschleiern leicht zu erkennen. 240.000 Kilometer trennten sie von ihrer Heimatwelt. 240.000 Kilometer tief war der Abgrund bis zur Erde. Mark Carrell stieß sich ab. Er sprang mitten in diesen Abgrund hinein. Er flog aus dem Schatten der WEASEL und trieb immer weiter vom Schiff fort. Er sah seine Kameraden nicht, die nach ihm gesprungen waren und durch Kurskorrekturen mit der Steuerdüse nun versuchten, ihn zu erreichen. Bis zu dem Felsbrocken von acht Meter Durchmesser, der beim Anflug ausgemacht worden war, waren es noch vier Kilometer. Dieser Punkt im Raum war Mark Carrells Ziel. Er hatte seine Massen- und Distanz-Ortung eingeschaltet. Sie gaben ihm an, welche Kurskorrekturen er vorzunehmen hatte. Es berührte ihn nicht, quer durch die Ewigkeit zu treiben. Sein Programm-Gehirn war mit diesen Emotionen nicht versehen worden. Scheinwerfer, sagte ihm sein winziges Programm-Gehirn, als grelle, aber enggebündelte Lichtfinger nach ihm griffen und ihn blendeten. Die Augen seines zweiten Systems schalteten auf den Infrarot-Bereich um. Daß der Planet Erde damit sein Aussehen veränderte, überraschte ihn nicht. Terra konnte im Infrarot-Bereich gar nicht anders aussehen. Hundert Meter von seinem Ziel entfernt schaltete auch er seinen Scheinwerfer an. Fast gleichzeitig meldete sich Echri Ezbal aus der WEASEL. „Test weiterführen. Alle hier einlaufenden Werte bis jetzt hundertprozentig!“ Ezbal nannte keinen Namen, auch keine Nummer. Die im Einsatz befindlichen Männer wußten über ihr Programm-
Gehirn, daß in diesem Fall nur Mark Carrell interessierte. Der Felsbrocken tauchte vor ihm auf. Ein zackiger, scharfkantiger Steinklotz, der seit vielen Millionen Jahren im Raum trieb und bei seiner hohen Geschwindigkeit auch jetzt nicht Gefahr lief, entweder auf Luna oder Terra zu stürzen. Mit Händen, die nicht einmal durch dünne Handschuhe geschützt waren, fand Carrell an einer nadelspitzen Zacke Halt. Er zog sich daran hoch, setzte sich darauf und griff nach seinem Plastikbeutel über seinem Rücken. Das Bohr- und Schlaggerät, das er betriebsbereit machte, gehörte zu den modernsten Modellen der Erde. Er schaltete den eingebauten Konverter auf, wartete, bis die Grün-Kontrolle zu sehen war und begann dann seine Arbeit, indem er die Felsnase absprengen wollte, auf der er hockte. Die Metall-Legierung fraß sich in das eiskalte Gestein. Die Schläge, die durch seinen Körper gingen, wurden vom Programm-Gehirn nicht aufgenommen. Mark Carrell hatte keine Schwierigkeiten, sein Gleichgewicht zu behalten. Er wog nichts, und wo er sich befand, war immer oben, gleichgültig, ob sich Terra über ihm oder seitlich befand. Drei glühende Augen der WEASEL starrten zu ihm herüber, doch die Scheinwerfer des Schiffes waren in ihrer Leuchtkraft absichtlich so schwach, daß ihn die Strahlen nicht erreichten. Im Abstand bis zu hundert Metern hielten sich seine Kameraden auf. Die Meßgeräte, die sie trugen, verzeichneten die kleinste Bewegung, die Carrell machte, hielten jeden Arbeitsvorgang fest, und was am wichtigsten war, jede Reaktion in seinem Körper. Der Schlagmeißel fraß sich tiefer ins Gestein. Mark Carrell klemmte sich mit seinen Schenkeln um die Felsnase, wandte nun etwas Kraft auf und versuchte den Vorsprung, den er an vier Stellen angebohrt hatte, mit einer Serie starker und schneller Schläge abzusprengen. Er fühlte das Abbrechen nicht, aber er sah es im Licht seines
Scheinwerfers. Und er sah, daß die Bruchstelle in rosaroten Farbtönen leuchtete. Kristalle, fingerlang und daumendick, die sich gleich einer vollen Blüte nach allen Seiten erstreckten. Ohne innerliche Bewegung nahm Carrell es wahr. Er setzte sein Bohr- und Schlaggerät wieder an, dicht neben dem rosarot schimmernden Sockel, aus dem die Kristalle gewachsen waren. Sein Meißel fraß sich schnell hinein. Ein Loch schlug er neben das andere. Als Cyborg leistete er Präzisionsarbeit. Kein einziges Mal kam er den vieleckigen Kristallfingern zu nahe. Was er entdeckt hatte, wußte er nicht. Geologische Daten waren in seinem Programm-Gehirn nicht enthalten. Von der WEASEL kam kein Anruf durch. Er stellte es nur fest. Daß man über sein Spezial-Viphogerät an Bord des Jägers alles miterlebte, was er sah und tat, störte ihn nicht. Das letzte Loch sollte gebohrt werden, als ihn Ezbal über Funk aufforderte: „Carrell, nehmen Sie an den Kristallen eine Temperaturmessung vor!“ Er war Cyborg, ein Cybernetic-organism, und kein Mensch. Als Mensch hätte er über diesen Befehl gelacht. Temperaturmessungen im freien Raum?! Als Cyborg, der phantete, lachte er nicht. Er nahm die Messung vor. Auf der WEASEL hielten Mediziner, Ingenieure und Offiziere den Atem an. Die Kristalle, die Mark Carrell durch Zufall freigelegt hatte, waren nur 76 Grad Celsius kalt! Im Gegensatz zum freien Raum ausgesprochen warm! „Captain, haben Sie einen Geologen an Bord?“ fragte Echri Ezbal, dessen Augen erregt funkelten. „Wir haben. Ich lasse ihn sofort kommen!“ erklärte der Captain, der selbst neugierig war, welches Kuckucksei dieser
Cyborg ausgebrütet hatte. Über Vipho warnte Ezbal: „Carrell, diese Kristalle zeigen eigenartige physikalische Eigenschaften. Schalten Sie kurzfristig Ihren Scheinwerfer aus und kontrollieren Sie, ob Sie vielleicht natürliche Leuchtsteine vor sich haben.“ Der Cyborg handelte wie ein Automat. Sein Scheinwerfer erlosch. Schlagartig brach die Dunkelheit des Weltraums von allen Seiten herein. Die Kristalle leuchteten nicht. „Carrell, untersuchen Sie zwischen 102 bis 106 Zentimeter.“ Ein Cyborg konnte selbst noch im Röntgen- wie im Radiowellenbereich innerhalb seines zweiten Systems sehen. Die Aufgabe, die Untersuchung von Infrarot bis Ultraviolett durchzuführen, war ein Kinderspiel. Aber die Kristalle blieben in diesen Bereichen dunkel. Ihre Temperatur blieb bei minus 76 Grad Celsius konstant. Carrell hörte nicht, daß der zu Rate gezogene Geologe erklärte, von einem Kristall dieser Art noch nie etwas gehört zu haben. Das war der Augenblick, in dem der Cyborg-Test nicht mehr im Vordergrund stand. Echri Ezbal benachrichtigte die anderen acht Cyborgs. Von allen Seiten schwebten sie heran, beobachteten Carrell bei seiner Arbeit, den Kristall vom Fels zu trennen und sahen dann, wie er den rosaroten Brocken in die Hand nahm, der unter normalen Gravowerten ca. zwei bis drei Kilo schwer sein mußte. „Danke, Carrell, das genügt. Bitte, diese Order gilt für alle. Kommen Sie zurück! Die WEASEL wird anschließend den interessanten Felsbrocken bergen.“ Er verstaute sein Bohr- und Schlaggerät wieder, schob auch die Kristalle in den Plastikbeutel und schwebte zum Jäger zurück. Im Gegensatz zu den Cyborgs der alten Art konnte er nicht sofort auf seinen normalen Zustand zurückschalten. Er suchte die Medo-Station auf, wo sämtliche Vorbereitungen
schon getroffen waren, um sich wieder aufheizen zu lassen. Als nach kurzen zehn Minuten die Kontrollgeräte die Temperatur seines im Phantzustand befindlichen Gehirns mit 30,5 Grad angaben, trat der Chefarzt zu ihm und unterrichtete ihn davon. „Ich schalte zurück“, sagte Carrell mit seiner CyborgStimme, die sich von seiner normalen kaum unterschied. Wenig später trat er bei Echri Ezbal ein, der mit seinen Ärzten über einem Stoß Diagramme hockte, die alle schon von Suprasensoren ausgewertet worden waren. „Haben wir es geschafft, Ezbal?“ fragte Mark Carrell voller Spannung, kaum daß er sich im Sessel niedergelassen hatte. Begeistert klopfte ihm der greise Experte auf die Schulter. „Unsere Erwartungen sind weit übertroffen worden, Mark. Ihre Reaktionsfähigkeit im Phantzustand bei Aufenthalt im freien Raum übertrifft die der nicht umgeschalteten Robonen um sage und schreibe 38 Prozent! Das Verhältnis zu ihren Kollegen der alten Art beträgt eins zu neunzehn! Sie sind neunzehnmal schneller und sicherer als diese. Gratuliere, Mark! Und noch eins. Die Unterkühlung Ihrer gephanteten Organe schreitet bei längerem Aufenthalt im Freien Raum nicht weiter fort. Wir haben von hier aus Ihr Auftauen in der Medo-Station verfolgt. Wenn es uns gelingt, das Auftau-Verfahren zu vervollkommnen, dann werden wir bald mit weniger als fünf Minuten auskommen. Doch jetzt zeigen Sie uns doch einmal, was Sie in dem Gesteinsbrocken gefunden haben.“ Bestürzung malte sich auf Carrells Gesicht ab. „Ich habe alles noch in der Medo-Station liegen...“ Über die Bordverständigung informierte Ezbal die Ärzte. „Wir bringen alles zu Ihnen, Ezbal.“ Dann war derselbe Arzt nach einer Minute wieder auf der Bildscheibe zu sehen. Verärgert blickte er. „Ezbal, sollte das ein Scherz sein? Dann war es aber ein Scherz, der nicht zu der besten Sorte gehört. Wir sind zu zweit nicht in der Lage, den
großen Plastikbeutel aufzuheben. Wenn Sie ihn haben wollen, dann holen Sie ihn sich gefälligst selbst. Denn Schwerstarbeiter sind wir nicht!“ Verdutzt blickten sich die Männer in Ezbals Kabine an. Zuletzt landete jeder Blick bei Mark Carrell. Der wußte auch nicht, was er zu den Worten des Arztes sagen sollte. „Zwei Mann, und die wollen meinen Plastikbeutel nicht aufheben können? Okay, ich gehe ‘rüber und hole ihn.“ Man empfing ihn in der Medo-Station mit eisiger Miene. Carrell sah darüber großzügig hinweg. Neben dem OP-Tisch lagen seine Ausrüstungsgegenstände. Er schnallte sie nacheinander wieder am, griff zuletzt zu seinem Plastikbeutel und bekam ihn nicht aufgehoben. Ja, was ist denn da drin, dachte er und schaltete gleichzeitig auf sein zweites System. Drei Ärzte kamen nicht auf den Gedanken, daß Mark Carrell innerhalb eines Sekundenbruchteiles wieder zum Cyborg geworden war. Sie sahen, wie er in spielerischer Leichtigkeit den Plastiksack aufnahm, ihn leger über seine Schulter legte, ihnen zunickte und ging. Sein Programm-Gehirn, darüber befragt, warnte ihn, auf sein normales System zurückzuschalten, solange er den Plastiksack trug. Und dann bemerkte Echri Ezbal seine eigene Schöpfung nicht. Er wollte Carrell den Sack abnehmen. Er war zu neugierig, was sein Mann aus dem Raum mitgebracht hatte. Verdutzt ließ der greise Experte seine Hände sinken. Die Plastiktasche auf dem Rücken des anderen war nicht zu bewegen gewesen. Der Tisch krachte verdächtig, als der Cyborg seine Last darauf abstellte. Der Verschluß sprang auf, er griff mit der Hand hinein und zog sie blitzschnell wieder zurück. „Ist was?“ fragte Echri Ezbal, während die übrigen keinen Blick von Mark Carrell ließen.
Der phantete. Er hatte keine Lust, sich an dem glühenden Ding in seinem Plastikbeutel alle fünf Finger zu verbrennen. „Vorsicht!“ sagte er nur. „Vorsicht!“ stieß auch der Cyborg-Experte aus, der an der leicht veränderten Stimme seines Mannes jetzt erkannt hatte, daß dieser auf sein zweites System geschaltet hatte. Die Hitze, die aus dem Plastikbeutel schoß, trieb auch den Neugierigsten zurück. Carrell bewies seine unglaublich schnelle Reaktionsfähigkeit. Seine Armbewegungen waren mit menschlichen Augen nicht mehr zu verfolgen. Plötzlich lag der Kristallbrocken auf dem Tisch! Er leuchtete grün! Er strahlte Hitze aus. Er schien von Sekunde zu Sekunde heißer zu werden. Und in der Kabine wurde es dunkler! „Großer Himmel!“ Der Geologe hatte den Schrei ausgestoßen „Wir haben es mit einem Lichtfresser zu tun! Mit einem Lichtfresser!“ Das konnte nie und nimmer ein einwandfreier technischer Ausdruck sein. Aber in diesen Sekunden, bis der Geologe das Licht in der Kabine ausgeschaltet hatte, war es jedem gleichgültig, was dieser Fachmann gesagt hatte, nur daß sie sich in Gefahr befanden, war ihnen klar. Leicht eintönig klang Carrells Stimme, die sagte: „Ich sehe vom Infrarot bis Ultraviolett wieder mal nichts.“ „Schalten Sie auf den r-Bereich um, Mark. Gehen Sie bis 1010 Zentimeter, und falls erforderlich, noch weiter herunter.“ Unbeweglich standen die Menschen um den Tisch. Jeder versuchte die Dunkelheit zu durchdringen, aber nicht einmal der schwächste Schimmer war zu sehen. In der Dunkelheit hörte man den Geologen verzweifelt
flüstern: „Ich habe Angst vor den Kristallen! Ich habe Angst...“ Barsch unterbrach ihn Ezbal, „Wir auch. Wir alle, aber wir zeigen unsere Angst nicht. Halten Sie doch endlich den Mund!“ Mark Carrell mit seinem zweiten System nahm es nicht wahr. Er sah innerhalb des weitgezogenen Röntgen-Bereichs und sah darin auch nichts. Um ihn herum blieb alles so dunkel, wie es die anderen feststellten. Darum schaltete er sein Sehvermögen erneut um und tastete sich langsam im Gebiet der Radiowellen vorwärts. Plötzlich sah er etwas, aber nicht die Kristalle. Funkwellen aus der Funk-Z stürzten sich auf einen Punkt zu – dorthin, wo auf dem Tisch das Fundstück lag. Die Kristalle fraßen auch die Energie der Funk-Anlage, sämtliche Radioemissionen! Carrells Programm-Gehirn stellte sich die Frage, was geschehen würde, wenn die Kristalle gesättigt waren? Es erfolgte keine Antwort. Auf dem Gebiet der Geologie war sein Gehirn nicht programmiert. Der Cyborg stieß einen Seufzer aus, als er wieder auf normal zurückgeschaltet hatte, und berichtete dann den in der Dunkelheit gespannt lauschenden Männern, was er im Radiobereich beobachtet hatte. Mitten in seinem Bericht erinnerte sich Echri Ezbal, daß der Captain vorhatte, den Steinbrocken an Bord zu holen. „Hoffentlich hat er es noch nicht getan!“ stieß er nun aufs Äußerste erregt aus, tastete sich zur Bordverständigung und schaltete zur Zentrale durch. Im gleichen Moment, als der Schirm aufleuchtete, strahlten die fingerlangen Kristalle mit ihrem Sockel wieder in grünem Licht. Gleichzeitig wurde es in der Kabine erneut wärmer. Unwillkürlich wichen alle bis zur Wand zurück. Der CyborgExperte fieberte danach, Verbindung mit dem Kommandanten der WEASEL zu bekommen.
Endlich tauchte dessen Gesicht auf der Bildscheibe auf. „Ja, wir haben den Gesteinsbrocken gerade durch die Nordschleuse an Bord genommen. Warum erkundigen Sie sich danach, Ezbal?“ „Werfen Sie ihn wieder in den freien Raum, Captain! Wir haben mit dem Kristall, den Carrell gefunden hat, etwas an Bord geholt, das uns allen gefährlich werden kann. Carrell wird das Fundstück sofort wieder nach draußen schaffen!“ Der Kristallbrocken strahlte inzwischen so viel Hitze ab, daß es in der Kabine unerträglich heiß geworden war. Mark Carrell handelte, ohne weitere Befehle zu erwarten. Er phantete erneut. Im Phantzustand hielt ein Körper Hitzegrade bis zu 43 Grad Celsius aus, ohne später Verbrennungsspuren aufzuweisen. Die Kabine, nur durch die Bildscheibe schwach beleuchtet, war zur Sauna geworden. Carrell stülpte den Plastikbeutel über die Kristalle, umfaßte sie mit dem elastischen Material und ließ den Superschweren Brocken hineinrutschen. Dann packte er alles unter einem Arm und verließ eilig den Raum. Als er die untere große Schleuse erreichte, zeigte die GrünKontrolle frei an. Das Innenschott sprang krachend auf, schloß sich hinter ihm, kaum daß er die Schleuse betreten hatte, Pumpen saugten die Luft ab, dann öffnete sich das Außenschott. Carrell stieß sich zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit ohne Raumanzug in das Universum. Mit seiner Korrekturdüse sorgte er dafür, sich so schnell wie möglich von der WEASEL zu entfernen. Als er das Schiff als winzige Kugel nur noch über Infrarot sehen konnte, öffnete er den Plastiksack und schüttelte sein Fundstück aus. In diesem Moment vernahm er Ezbals Stimme. „Carrell, wenn sich der Kristall noch in Ihrem Besitz befindet, warten Sie damit, ihn fortzustoßen. Die KommandoZentrale gibt Ihnen gleich die Richtung an, in der sie ihn
schleudern sollen. Unsere Kollegen auf Terra möchten sich das Fundstück zu gegebener Zeit einmal näher ansehen, und um es dann im Raum wiederzufinden, muß man wissen, auf welcher Bahn es zu suchen ist. Achtung, ich schalte zur Zentrale um.“ Er erhielt präzise Angaben. Carrell verdankte es allein seinem Programm-Gehirn, das Fundstück in die Richtung zu stoßen, die man ihm über sein Vipho übermittelt hatte. Das grüne Leuchten, das das Licht der Sterne aufsog, trieb in die Einsamkeit des Leerraumes hinein und wurde schnell blasser. Als der Cyborg es auch nicht mehr über den InfrarotBereich sehen konnte, schaltete er wieder seine Korrekturdüse ein und trieb zur WEASEL zurück. Auf dem Weg zum Kugelraumer begegnete er einem Felsbrocken, den er kannte. Der Kommandant des Jägers hatte sich Ezbals Rat zu Herzen genommen und den kleinen Irrläufer ebenfalls wieder in den Raum zurückgestoßen. Carrell sah ihm nicht einmal nach. In der Medo-Station dauerte sein Auftau-Prozeß nur eine knappe Minute. Als er sich wieder in Ezbals Kabine befand, traf er die Männer im erregten Gespräch an. Ihre Unterhaltung drehte sich um das Fundstück, das unheimliche physikalische Eigenschaften aufgewiesen hatte. Daß Mark Carrell seinen letzten Test ohne jeden Zwischenfall beendet hatte, schien nebensächlich zu sein. Nur der Chef der Brana-Station hatte sein Ziel nicht aus den Augen verloren. „Meine Herren“, rief er seine Mitarbeiter zur Ordnung, „ich denke, daß wir das Fundstück den Experten überlassen, die damit etwas anfangen können. Wir haben uns mit der Auswertung der letzten Test-Ergebnisse zu beschäftigen. Darf ich Sie bitten, an Mark Carrell die abschließende Nachuntersuchung durchzuführen?“ *
Neugierig folgte Spence Bentheim dem GSO-Mann Jos Aachten van Haag nach draußen. Wortlos bestiegen sie eine Schwebeplatte, die Jos steuerte. Als sie das große Portal zum Industrie-Dom passierten, blickte der Astrophysiker den Agenten fragend an, doch der schüttelte nur den Kopf und legte den gestreckten Zeigefinger vor die Lippen, um den anderen damit aufzufordern, nicht zu sprechen. Warum diese Geheimniskrämerei, dachte Bentheim verwundert und nahm sich vor, Jos später darüber zu befragen. Der Industrie-Dom, diese dreißig mal dreißig Kilometer große Industrie-Anlage, deren Mammut-Aggregate bis zu neunhundert Meter hoch waren, strahlte im blauen Licht. Bentheim, der wieder einmal seinen Blick an den fugenlos verkleideten Giganten entlanggleiten ließ, seufzte. Neunhundert Quadratkilometer groß war dieses Zentrum, das in seinem Mittelpunkt von einer schwebenden zylindrischen Ringröhre gesteuert wurde. Waren die MammutMaschinen im äußeren Drittel alle in einer grauen Verkleidung verpackt, so befanden sich die Aggregatsätze zum Zentrum hin in einer Unitallhaut. Warum es diesen auffallenden Unterschied gab, hatte bis zum Tag noch nicht beantwortet werden können. Unter den terranischen Forschern, die hier alle einmal tätig gewesen waren und noch arbeiteten, gab es nicht wenige, die fest davon überzeugt waren, daß es niemals gelingen würde, die Geheimnisse dieser Anlage zu entschleiern. Erst einem Zufall war es zu verdanken, daß die Menschen inzwischen wußten, wer diese ungeheuren Anlagen, die alle vor rund tausend Jahren von den Mysterious erbaut worden waren, instand hielt. Professor Tim Acker und Manu Tschobe hatten bei ihrem Aufenthalt im großen Transmitter-Raum erstmals beobachten können, wie Roboter, die kein
menschliches Aussehen hatten, aus der Transmitter-Antenne kommend über energetische Bahnen in die Mammut-Sätze hineingeflogen waren. Sie hatten aber auch mit fassungslosem Staunen gesehen, daß diese gigantischen Aggregate ununterbrochen produzierten und ihre Produkte durch den Transmitter irgendwohin beförderten. Damals hatten viele Terraner geglaubt, bald auf die Mysterious zu stoßen. Heute gab es nur noch eine Handvoll Menschen, die glaubten, die Mysterious würden noch leben. Und diese Handvoll war seinerzeit Augenzeuge gewesen, als in der kreisrunden grauen Transmitter-Antenne dieses alte, zerfurchte Gesicht zu sehen gewesen war – das Gesicht eines Menschen, aber eines ururalten Menschen! Blitzartig schossen Spence Bentheim diese Erinnerungen durch den Kopf, während Jos die Schwebeplatte dem Zentrum der Anlage zusteuerte. Dann erreichten sie den runden, freien Platz, der von den glatten Fronten der riesigen, verkleideten Maschinen-Sätze begrenzt wurde. Über dem Platz, in rund hundert Metern Höhe schwebte die ultrablau strahlende zylindrische Ringröhre. Weich hatte Jos ihre Schwebeplatte aufgesetzt und den Antrieb ausgeschaltet. Er hielt den Astrophysiker zurück, als dieser sie verlassen wollte. Mit der anderen Hand deutete er auf die Ringröhre. Warum gehen wir dann nicht näher heran, fragte sich Bentheim, der den Agenten immer weniger begreifen konnte. Warum dieses Versteckspiel, genau an einer Ecke zu halten, um wie zwei Verbrecher, die nicht gesehen werden wollen, den Platz zu beobachten? Als er Jos prüfend ansah, stellte er fest, daß dieser sich auf ein langes Warten vorbereitet hatte. Langsam verging die Zeit. Hin und wieder kreuzte eine Schwebeplatte, die von Forschern benutzt wurde, den Platz. Niemand sah sie. Wahrscheinlich konnten sich die
Ingenieure und Techniker auch nicht vorstellen, daß es in ihrem Höhlensystem zwei Menschen gab, die an die reale Existenz von unsichtbar gewordenen Cyborgs glaubten. Ein Stoß gegen seine Schulter ließ Bentheim aufmerken. Er starrte die Ringröhre an. Ihr Aussehen hatte sich blitzartig verändert. Sie leuchtete nicht mehr so intensiv im Ultrablau. Dann hielt er den Atem an. Aus dem Leerraum der Ringröhre sah er zwei Schatten in die Tiefe fallen. Nur für einen Moment! Für einen Sekundenbruchteil. Aber er hatte die Schatten erkannt. Einwandfrei erkennbar waren ihre menschlichen Umrisse gewesen. Er riß den Kopf herum. Er blickte Jos aus großen Augen fragend an. Der deutete durch eine Geste abermals an, nichts zu sagen. Bentheims Blick schwang zu des anderen Hände. Jos war mit zwei schweren Para-Schockern bewaffnet. Entsetzen, das ihm gleich einer kalten Welle über den Rücken lief, traf den Astrophysiker. Sein Entsetzen wurde in Erschrecken transformiert, als er dicht an seinem Kopf zwei Strahlbahnen entlangzischen hörte. Jos schoß mit beiden Schockern! Und da schrie Spence Bentheim kurz auf. Schritte, die er gerade gehört hatte, jagten davon! Und aus dem Unsichtbaren heraus kamen zwei Schatten, Umrisse von zwei erwachsenen Menschen! Menschen, die in panischem Schrecken davonliefen! Sie liefen ins Nichts hinein. Ihre Umrisse verschwammen immer stärker, bis sie zuletzt eins waren mit dem blauen Licht. Und Jos Aachten van Haag schoß nicht mehr. Er sprach. Ein einziges Wort, und das war zugleich eine Frage an
Spence Bentheim: „Na... ?!“ Der schüttelte sich. „Sind sie weg?“ Grimmig lachte der GSO-Mann. „Ich habe sie heute zum drittenmal auf diese Weise erwischt, und zum drittenmal sind sie mir entkommen. Da! Sehen Sie es?“ Er riß den Astrophysiker herum und deutete auf die schwebende Ringröhre, deren Blaulicht blasser geworden war. Zwei Schatten, die in ihrem leeren Mittelpunkt verschwanden! Und dann strahlte die Röhre wieder so ultrablau wie gewohnt, und die beiden Schatten gab es nicht mehr. „Jetzt sind sie weg!“ erklärte Jos mit verkniffenem Gesicht. „Den Weg haben sie noch jedesmal benutzt. Ich glaube, diese Ringröhre ist nebenbei auch noch eine Transmitter-Anlage.“ Bentheim verbarg sein Zittern nicht. Der Gedanke, daß sich zwei unsichtbar gewordene Cyborgs unter ihnen aufhielten, war grauenhaft. „Kann ich rauchen, Jos?“ „Soviel Sie wollen. Nach meinen Erfahrungen haben Mildan und Dordig für heute mal wieder die Nase voll. Na, glauben Sie nun, daß ich mit meinen Befürchtungen recht habe?“ Unwillkürlich betrachtete Bentheim die riesigen MaschinenGiganten auf der anderen Seite des kreisrunden Platzes. Unvorstellbar, wenn nur eine dieser Anlagen in die Luft fliegen würde. Der gesamte Kontinent Deluge würde beim Freiwerden der Energien auseinanderreißen. Hastig inhalierte er. Noch hastiger wechselte sein Blick nach allen Seiten. In diesen Minuten fürchtete er sich. Er hatte plötzlich Angst bekommen und verstand nicht, wie dieser GSO-Mann dabei noch so gelassen bleiben konnte. „Wir haben eben Glück gehabt, Bentheim. Ebensogut hätten die Burschen erst in der Nacht kommen können. Aber nun sind Sie an der Reihe. Zerbrechen Sie sich einmal den Kopf, wie
man die beiden verdrehten Cyborgs wieder für immer sichtbar machen kann. Wie weit ich mit meiner Bestrahlung durch die beiden Para-Schocker gekommen bin, haben Sie hoffentlich auch beobachtet. In diesem Augenblick bat Spence Bentheim den GSO-Mann um alles um Verzeihung, was er an Abfälligem bisher über ihn gedacht hatte. Hilflos zuckte er die Schultern. „Ich bin Astrophysiker, Jos, und kein Strahlen-Experte oder Biologe. Ich habe keine...“ „Doch! Sie haben!“ unterbrach ihn Jos energisch. „Sie haben Erfahrungen mit unsichtbaren Sonnen, und Sie wissen, was man anstellen muß, um diese unsichtbaren Sterne trotzdem auf den Film zu bekommen. Lassen Sie sich schnell was einfallen. Und dann garantiere ich Ihnen, daß wir diesen beiden Burschen doch noch das Handwerk legen, falls wir vorher nicht alle gemeinsam eine Himmelfahrt gemacht haben.“ Ein unbehaglicher Gedanke, die Verantwortung allein zu tragen. Bentheim versuchte sich abzusichern. „Müssen wir nicht alle benachrichtigen?“ Jos grunzte verächtlich und schob sich dann eine Zigarette zwischen die Lippen. „Haben Sie Lust, von den meisten für verrückt erklärt zu werden? Anfangs habe ich auch nicht an Manu Tschobes Behauptung geglaubt, die beiden entarteten Cyborgs seien durch Strahlbeschuß des M-Robs unsichtbar geworden. Unsichtbar! Und ich kann mir bis heute nicht vorstellen, wie ein Mensch unsichtbar werden kann. Können Sie es?“ Bentheim schüttelte den Kopf. Sein Blick galt der schwebenden Ringröhre. „Sind Sie überzeugt, daß diese Anlage zugleich auch ein Transmitter ist?“ „Ich bin überzeugt. Nur wie diese beiden Verdrehten auch noch fliegen können, das geht über meinen Verstand. Na, keine Lust mehr, die anderen von unseren Beobachtungen zu
unterrichten?“ Seine letzte Frage hatte er in spöttischem Ton hervorgebracht. Der Astrophysiker wurde aktiv. „Ich muß mich schnellstens informieren, welche Strahlen die Para-Schocker emittieren. Vielleicht kommen wir auf diesem Weg weiter und schaffen es, die beiden Cyborgs wieder für immer sichtbar zu machen. Damit wären wir dann schon ein Stück weiter. Aber ich habe jetzt noch ein paar Fragen zu stellen.“ „Fragen Sie.“ „Warum verlangten Sie, daß wir auf der Fahrt mit der Schwebeplatte nicht sprachen?“ „Woher sollte ich wissen, daß sich die beiden Verdrehten nicht schon im Industrie-Dom aufhielten? Ich kann’s nicht beweisen, aber wenn es zweimal mit rechten Dingen zugegangen ist, dann bin ich von diesen Cyborgs belauscht worden. Sie müssen sogar neben mir gestanden haben. Denn als ich gerade zwei Kameras heimlich angebracht hatte, waren sie auch schon wieder verschwunden. Darum forderte ich Sie auf, unterwegs kein Wort zu sagen.“ „Hm...“, brummte Bentheim und warf den Zigarettenrest zur Seite. „Haben Sie mit Absicht die M-Roboter nicht in Ihre Berechnungen einbezogen?“ Aus großen Augen sah Jos ihn an. „Sie meinen die Reparatur-Roboter, die von Acker und Tschobe beobachtet worden sind? Bentheim, vielleicht schieße ich mit meinem Verdacht gründlich daneben, aber ich glaube mehr denn je, daß damals, als Tschobe von den Cyborgs Mildan und Dordig umgebracht werden sollte und der Roboter aus der TransmitterAntenne sich einmischte, diesem Rob ein Fehler unterlaufen ist.“ „Sie meinen, er hatte den Auftrag, Mildan und Dordig zu töten?“ „Ja! Aber das hat dann nicht geklappt. Und dafür gibt es nur eine Erklärung: Weil Dordig und Mildan Cyborgs waren!
Unser lieber Echri Ezbal muß jedem Cyborg beim Umbau etwas mitgegeben haben, von dem er selbst keine Ahnung hat! Beweis: unsere beiden unsichtbaren Männer!“ Bentheim erhob sich. Das lange Sitzen hatte ihn ermüdet. Im gleichen Moment sackte er zusammen. Jos warf sich von der Schwebeplatte herunter. Sein Training als GSO-Mann rettete ihn davor, auch geschockt zu werden. Mildan und Dordig waren durch die schwebende Ringröhre zurückgekommen und waren zum Angriff übergegangen! Sie schossen aus dem Unsichtbaren heraus mit ihren terranischen Para-Schockern! Und die sah Jos Aachten van Haag! Nur die Waffen! Sie waren sein Ziel! Und er verstand zu schießen und auch zu treffen! Aber die Kraft der Para-Strahlen reichte nicht aus, um den Unsichtbaren mehr als ein Schattendasein zu geben. Zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit sah er zwei Schatten in panischer Flucht davonlaufen und dabei blasser und blasser werden, bis sie verschwunden waren. „Zur Hölle“, fluchte Jos hinter seiner Deckung, „Cyborgs sind doch sonst noch schneller als nicht umgeschaltete Robonen! Wieso aber war ich jetzt in meinen Reaktionen schneller als sie? Sind die beiden inzwischen gar keine Cyborgs mehr?“ Wohin verziehen sich die Burschen bloß, dachte er voller Grimm und drückte schon wieder beide Kontakte. Zwei Schatten wollten in der Ringröhre verschwinden! Zwei Schatten schafften es diesmal nicht! Zwei Schatten stürzten ab, und sie blieben dabei Schatten. Und Jos Aachten van Haag hielt beide unter Beschuß. Es machte ihm nichts aus auf diese sich schnell bewegenden Ziele zu schießen und sie auch zu treffen. Er war rechtshändig so gut wie mit seiner Linken. „Boys...“, zischte er, und es klang wie ein Fluch.
Die Schattenumrisse wurden schärfer. Sie sausten nach unten. Nur noch zehn Meter trennten sie vor dem Aufprall! Und da waren sie verschwunden! Wie Licht, das ausgeschaltet worden ist. Mutlos ließ Jos seine beiden schweren Schocker sinken. Seine Lippen preßten gegeneinander. Sein Gesicht war eine bösartige Grimasse. Er war wütend über sich und seine Waffen, die es wieder einmal nicht geschafft hatten, mit den beiden Entarteten fertig zu werden. Mildan und Dordig waren nicht aufgekommen. Sie hatten es verstanden, sich im letzten Moment vor der Vernichtung zu retten. Wo aber waren sie jetzt? Kamen sie als Unsichtbare vielleicht auf ihn zu, um ihn auch unschädlich zu machen? Gleichzeitig dachte Jos an den bewußtlosen Astrophysiker. Bentheim hatte eine starke Dosis abbekommen. Wahrscheinlich war es nötig, daß er ärztlich behandelt werden mußte. Und das gab bei Jos Aachten van Haag den Ausschlag. Für ihn gab es keine Gefahr mehr. Er mißachtete sie einfach. Mit einem Satz befand er sich auf der Schwebeplatte, nahm neben dem Antrieb Platz, schaltete ihn ein und zog das auf AGravbasis arbeitende Transportgerät hoch. Sein Ziel war die Maschinen-Höhle, in der sich auch die Medo-Station befand. * Auf halbem Weg zur Kommando-Zentrale der POINT OF machte Arc Doorn kehrt! Dort hatte er im Moment nichts zu suchen! Dort würde man sich im Klein-Denken stur an die Order des Commanders
halten. Dan Riker mußte die Entscheidung treffen! Dan Riker mußte so schnell wie möglich aus seinem geschockten Zustand geweckt werden. Mit ausdruckslosem Gesicht hörte sich Hanfstick die Forderung des Sibiriers an. „Darf ich jetzt auch mal etwas sagen?“ fragte er Doorn bissig, nachdem dieser sein Ultimatum gestellt hatte. „Darauf warte ich!“ schnarrte der bullige Mann mit dem Boxergesicht. „Riker, Wonzeff und Doraner sind von einer uns unbekannten Strahlart geschockt worden! Vielleicht können Sie sich etwas darunter vorstellen, wenn ich Sie daran erinnere, daß die drei Männer geschockt wurden, als ihr M-Raumanzug geschlossen war!“ Doorn machte mit der rechten Hand eine wegwerfende Bewegung. „Großer Himmel, das weiß ich doch auch, Hanfstick. Also Sie wollen nicht alles versuchen?“ „Als derzeitiger Chef der Medo-Station denke ich nicht daran, daß das Leben von drei Männern aufs Spiel gesetzt wird. Ist Ihnen das klar?“ „Aber dabei geht uns der Commander vor die Hunde. Hanfstick, Dhark ist den schwarzen Weißen in die Hände gefallen!“ Eiskalt erwiderte der Arzt: „Ich erinnere mich, daß der Commander schon einmal Kontakt mit schwarzen Weißen hatte, und zwar auf dem Robonenplaneten Hidplace im Sternhaufen Dg-45.“ Noch kälter warf ihm Doorn entgegen: „Diese Roboter müssen anders programmiert sein als die auf Hidplace. Ich hab’s doch am eigenen Leib erfahren!“ „Darum stehen Sie ja auch kerngesund und ziemlich aufsässig vor mir!“ spottete Hanfstick. Abrupt setzte sich der Sibirier in Bewegung. An der Tür zum
Deck blieb er kurz stehen und rief Hanfstick zu: „Tun Sie, was Sie für erforderlich halten! Ich tue das meine!“ Nachdenklich blickte der Arzt ihm nach. „Was hat Doorn damit gemeint?“ fragte er sich selbst. Er konnte nicht ahnen, welchen Entschluß der Sibirier gefaßt hatte. Auch die Offiziere in der Kommando-Zentrale ahnten nichts, als er eintrat. Das Flash-Depot hatte seine Ankunft schon gemeldet! Zufällig sah Grappa hinter seinen Ortungen auf. „Nein! Nicht, Doorn!“ schrie er viel zu spät. Arc Doorn hatte gehandelt. Und er handelte immer noch. Er riß sich herum und kam den beiden Offizieren auf der Galerie zuvor. Mit seinem Para-Schocker schickte er auch sie in tiefe Besinnungslosigkeit. Allein Tino Grappa hatte er verschont. Aber jetzt hielt er seine Strahlwaffe auf den Ortungsmann gerichtet. „Machst du mit, Grappa, oder muß ich dir auch eine Dosis verpassen?“ „Was haben Sie vor, Doorn?“ fragte Grappa zurück, der sich nicht einschüchtern ließ. „Dhark heraushauen! Er ist den schwarzen Weißen in die Hände gefallen! Und dieser Hanfstick will nichts riskieren, um Riker blitzschnell wieder fitzumachen. Da muß ich eben meinen Kopf in die Schlinge stecken. Also?“ Zweideutig erwiderte Grappa: „Ich werde ja durch Waffengewalt gezwungen!“ Doch in seinen Augen stand jenes Leuchten, das eindeutig Zustimmung aussprach. Doorns Mißtrauen brach zusammen. Tino Grappa, der einmal von dem Commander sehr stark gefördert worden war, ging für Dhark durchs Feuer. Dann hatte der Sibirier einige Arbeit mit den geschockten Offizieren. Daß ihm auf Terra für sein rabiates Vorgehen der Prozeß gemacht werden würde, war ihm klar. Er war aber auch
überzeugt, nicht anders handeln zu können. Über die Bordverständigung rief er Miles Congollon an, den 1. Ingenieur der POINT OF. „Doorn, sind Sie des Teufels?!“ schrie ihm der manchmal etwas melancholisch wirkende Eurasier zu. Kalt erwiderte Doorn: „Ich habe das Schiff übernommen. Ende!“ Mit der Offiziersbesatzung der Funk-Z hatte er keine Schwierigkeiten, wenngleich auch Glenn Morris ihn warnte. „Doorn, das wird Sie neben einer Bestrafung den unehrenhaften Ausstoß aus der TF kosten!“ „Mir egal. Ende!“ Er hatte die beiden Waffensteuerungen noch zu informieren. Jean Rochard, Chef der WS-Ost, wollte streiken. Bud Clifton in der WS-West stimmte ihn schnell um, aber Rochard hielt sich ein Hintertürchen offen: „Nur aufgrund Ihrer Gewaltmaßnahmen, Doorn!“ Der schaltete ab. „Feigling!“ brummte er und setzte sich im Pilot-Sessel zurecht. Alarm an alle geöffneten Schleusen. Impulse zum Triebwerksraum. Sie wurde angefahren, A-Grav kam hinzu. Kaum merklich hob die POINT OF ab. Ruhig saß Doorn vor dem Instrumentenpult und beobachtete. Er besaß immer noch kein Raumflug-Patent, wie die meisten Offiziere des Flaggschiffes, die seit dem Jungfernflug des Ringraumers an Bord Dienst machten. Sie hatten einfach keine Zeit gehabt, eine Prüfung abzulegen. Das war die Ausrede von allen. In Wirklichkeit war es ihnen zu dumm, sich dem Papierkrieg auf Terra zu unterwerfen. Viele von ihnen waren in der Lage, den Ringraumer sicher zu starten, zu fliegen und auch auf unbekannten Planeten zu laden. Die fünfundvierzig Paar Teleskopstützen der POINT OF wurden in die Unitallhaut eingefahren. Die letzte Schleuse in hundert Meter Höhe geschlossen. Als Doorn diese Kontrolle
las, schaltete er den Sle auf Maximum. Grappa richtete seine erste Frage an ihn. „Was haben Sie vor?“ „In den Bau einfliegen! Dhark suchen! Den schwarzen Weißen sagen, daß man mit uns nicht machen kann, was man will, und wenn’s nicht anders geht, das Intervall abschalten!“ Grappa hatte Bedenken. Doorn sah sein Kopfschütteln nicht. Er brachte die POINT OF auf Kurs, und dazwischen warf er dem Bord-Chrono immer wieder einen forschenden Blick zu. Die Zeit rann dahin wie Sand zwischen den Fingern. Kurs auf das Bauwerk in mehr als achttausend Metern Höhe über dem Zentrum der gigantischen Stadt! Arc Doorn mußte an die paar hundert Wissenschaftler denken, die sie an Bord hatten. Diese Menschen waren über das Ziel des Flaggschiffes bewußt im unklaren belassen worden. Der Sibirier konnte kein Panik an Bord brauchen. „Grappa, geben Sie schnell folgende Koordinaten an den Checkmaster!“ befahl er wie ein Mann, der seit Jahren nichts anderes getan hatte, als die POINT OF zu fliegen. Der Ortungs-Spezialist verließ kurzfristig seinen Platz, führte die Order aus, warf auf dem Rückweg der Bildkugel einen Blick zu und erkannte, daß ihr Schiff sich in mehreren tausend Metern Höhe über der großen Stadt befand. Doorn schaltete um. Er gab das Kommando an das Bordgehirn ab. Im gleichen Moment war im gesamten Schiff jenes undefinierbare Pfeifen zu hören, das eine Transition ankündigte. „Ich verstehe nicht, daß man uns ungeschoren läßt“, rief ihm Grappa zu, als der Sprung schon mit abgeschalteten Intervallen erfolgte. Im nächsten Augenblick stand der Ringraumer dicht vor seinem Ziel, im Innern eines abgeschirmten Bereiches, der vom Planeten her mit keiner einzigen Ortung erfaßt werden konnte. Die Andruck-Ausgleicher im Schiff heulten ein paar
Sekunden lang auf. Der vom Checkmaster auf negative Beschleunigung geschaltete Sle mußte seine gesamte Macht entfesseln, um die große Ringröhre auf eine unwahrscheinlich kurze Distanz zum Stehen zu bringen. „Alle Waffen klar!“ meldete die WS-West, und für einen Augenblick war Cliftons Kindergesicht auf dem Bildschirm der Bordverständigung zu sehen. Die Meldung aus der Funk-Z überraschte Doorn nicht. Sogar der To-Funkkontakt zu den Flash, die immer noch auf dem kreisrunden Platz standen, war sofort nach erfolgter Transition abgerissen. Der Sle arbeitete wieder normal. Doorn hatte die Kommandogewalt erneut übernommen. Vorläufig benötigte er den Checkmaster nicht mehr. „Doorn, schwache Energie-Ortung auf Grün 34:54,98 und Blau 02:00,26. Man scheint ein paar kleine Konverter eingeschaltet zu haben.“ „Sonst wirklich nichts?“ fragte Doorn verblüfft, dem es unheimlich war, daß die schwarzen Weißen keinen Versuch unternahmen, den Ringraumer aus ihrem Bereich hinauszuwerfen. „Nichts... oder meine Ortungen arbeiten hier nicht einwandfrei!“ Die POINT OF stieg senkrecht in die Höhe. Jenes Stockwerk, das zerfetzte Außenwände besaß, war Doorns Ziel. Drei Minuten nach dem Start vom Rand des kleinen Hafens am anderen Ende der Stadt stand der Ringraumer vor dieser zerrissenen Öffnung. „Einflug!“ sagte Arc Doorn, und unter dem leichten Druck von vier Fingerkuppen nahmen ebensoviele Steuerschalter eine andere Position ein. Die POINT OF im Schutz ihrer beiden Intervallfelder flog in ein massives Bauwerk ein, als ob die metallenen Wände und Decken gar nicht existent seien.
Langsam, Meter um Meter, schob sich die hundertachtzig Meter durchmessende und fünfunddreißig Meter dicke Ringröhre tiefer in das Gebäude hinein. Der um den Mittelpunkt des Leerraums arbeitende Brennkreis des Sle richtete in diesem Fall keine Zerstörungen an, weil es innerhalb der Intervalle nichts mehr gab, was an ein Bauwerk erinnerte. „Die Untätigkeit der anderen wird mir unheimlich!“ stieß Tino Grappa aus, dessen Sorge immer größer geworden war, dieses Unternehmen des Sibiriers könne mit einem Fiasko enden. „Mir auch!“ sagte Doorn beunruhigt und ließ die Instrumente nicht aus den Augen. * Ren Dhark hatte Platz genommen. Nach einer höflichen Aufforderung. Nach der Bitte, es sich bequem zu machen. Nach der Bemerkung, sich als Gast zu fühlen. Im besten Terranisch! Von einem der fünf schwarzen Weißen! Den Raum, in dem er sich befand, hatte er durch Benutzung eines Transmitters erreicht. Die Gegenstation befand sich nebenan. Man hatte ihm Zeit gelassen, sich alles anzusehen. Und er war drauf und dran gewesen, an seinem Verstand zu zweifeln. Er kannte den Transmitter-Typ. Zum erstenmal hatten ihn Terraner auf dem Planeten Hope kennengelernt: Transmitter, die von den Mysterious erbaut worden waren. Und auf diesem Planeten der Sternenbrücke traf er wieder auf sie. Auf die gleichen Modelle. Und dann hatte ihn einer der fünf schwarzen Weißen in flüssigem Terranisch angesprochen. Fünf Wesen einer schwarzhäutigen Rasse, die trotz ihrer dunklen Hautfarbe keinen negroiden Einschlag aufwiesen. Fünf Wesen, die sich
über die Anwesenheit eines Ringraumers auf ihrer Welt lustig machten. „Dhark, wollen Sie sehen, wo sich Ihr Flaggschiff im Augenblick befindet?“ richtete der schwarze Weiße die Frage an ihn, der sich Girr-O nannte. Der Commander zuckte zusammen. So stark, daß es den anderen nicht entging. Sie lächelten wie Menschen, die sich ihrer unbeschränkten Macht bewußt sind. „Ihr Freund Dan Riker hätte uns nur dann interessiert, wenn er allein gekommen wäre und Sie es vorgezogen hätten, an Bord der POINT OF zu bleiben!“ Sie wußten alles! Sie kannten seinen Namen! Den Namen des Flaggschiffes! Den Namen seines Freundes, und sie mußten auch gewußt haben, wie er aussah! „Sind diese Fragen so schwierig zu beantworten?“ fragte Girr-O voller Ironie und legte beide Arme auf die weich gepolsterten Lehnen seines Sessels. „Haben Sie vergessen, daß wir Ihnen einen Xe-Flash geschickt haben?“ Dhark hatte sich gefangen. Schlagartig war ihm vieles klar geworden. Aber er konnte sich keine Antwort auf die Frage geben, woher die schwarzen Weißen Terranisch so gut sprachen. „Dhark, Sie sind kein guter Gesellschafter und Unterhalter. Meine Männer und ich verstehen Sie nicht. Wir wollen Ihnen gar nichts Böses. Es sei denn, daß Sie in unserer Absicht, Sie nie mehr nach Terra zurückkommen zu lassen, etwas Niederträchtiges sehen. Das gleiche betrifft natürlich auch Ihr Schiff. Ach ja, ich wollte Ihnen noch zeigen, wo es zur Zeit zu suchen ist. Bitte, hinter Ihnen ist die Projektion!“ Der kleine Raum, in dem er sich mit seinen fünf Gastgebern befand, war fremdartig, aber dennoch gemütlich eingerichtet. Der schwach spiegelnde Boden war etwas ungewöhnlich, die
Wände, die aus gebundener Energie bestanden, ebenfalls, und die leicht nach innen gebogene Decke auch. Doch das Mobiliar hätte ebensogut aus einer Modellwerkstatt Terras stammen können, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen neuen Stil zu entwickeln. Dhark drehte sich um. Er glaubte nicht mehr, in einer ausweglosen Lage zu sein. Diese schwarzen Weißen, die ihre Roboter fortgeschickt hatten, nachdem sie aus der TransmitterAntenne getreten waren, protzten nicht mit ihrer Macht, aber sie ließen ihn merken, daß sie ihm tausendmal überlegen waren. Ren Dhark sah seine POINT OF. Sie steckte in einem Gebäude, das ihm bekannt vorkam. Meter um Meter schob sich das Schiff tiefer in das Bauwerk hinein und hob mit seinen Intervallen alles auf, was gerade noch existent gewesen war. „Dhark, wir lassen Ihrem Mann diesen kleinen Spaß, den wir uns aus einem ganz bestimmten Grund erlauben können. Warum? Das werden Sie bald erfahren.“ Der Commander studierte das Gesicht des anderen, der sich Girr-O nannte. Ein kluges, markantes Gesicht. Ein Gesicht, das viele Frauen als männlich-schön beurteilt hätten. Nur die Augen paßten zu dieser Klugheit und Schönheit nicht. Es waren nicht einmal kalte oder häßliche Augen. Es waren Augen, die ununterbrochen ihre Farben veränderten, wie ein Chamäleon sein Aussehen verändern kann. Dieser Farbwechsel war nicht nur irritierend, er wirkte gegenüber der schwarzen Haut dieser Wesen unnatürlich. Dharks Blick fiel auf ein paar sehr gepflegte Hände mit manikürten Fingernägeln. Ein dünner Ring aus weißem Metall umspannte den rechten Mittelfinger. Die anderen vier trugen keinen Schmuck. Aber sie waren genauso gepflegt wie Girr-O. Girr-O begann mit seinem Ring zu spielen. Er drehte ihn am Finger hin und her. Ein maliziöses Lachen tauchte auf seinen
schmalen Lippen auf. „Dhark, ich kann mich gut in Ihre Lage versetzen. Alles, was Sie bisher in unserer Gegenwart hörten oder sahen, muß Sie überrascht haben. Glauben Sie mir, Terranisch beherrsche ich erst seit dem gestrigen Tag. Wir glaubten es nicht nötig zu haben, die Sprache eines bedeutungslosen Volkes lernen zu müssen. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß wir uns irrten. Denn seit wir die Sternenbrücke besetzten, ist es nie wieder einem fremden Raumschiff gelungen, unsere Sperren zu durchbrechen. Auch Sie haben es mit Ihrem Schiff nicht fertiggebracht, aber es hätte nur einiger weniger Stunden bedurft, bis Sie die schwache Stelle gefunden hätten. Deshalb hielten wir es für das beste, Sie einfach zur Landung zu zwingen.“ Girr-O schwieg. Ren Dhark mußte dem anderen antworten, wenn er nicht leichtsinnig seine Lage verschlechtern wollte. „Girr-O, ich habe Ihnen für Ihre Offenheit zu danken. Sie haben mich über meine Lage und die meiner Besatzung nicht im unklaren belassen. Sie haben mir an Hand weniger Beispiele Ihre Überlegenheit bewiesen. Zeugt es dann nicht von kleinlichem, verkrampften Handeln, ungebetene Besucher, die in friedlicher Absicht gekommen sind, am Weiterflug zu hindern?“ Aus Girr-O’s Gesicht war jede Spur eines Lächelns verschwunden, je länger Dhark gesprochen hatte. Er richtete sich auf. Er benahm sich wie ein Terraner, der innerlich erregt ist. „Halten Sie uns für so dumm, Ihren glattzüngigen Worten zu glauben, Dhark? Machen Sie sich selbst weis, wir hätten keine Ahnung, wer Sie zu uns geschickt hat? Bilden Sie sich ein, meinen Leuten und mir würde es Spaß machen, auf dieser erbärmlichen Station Wache zu schieben?“ Sie sollten geschickt worden sein! Diese schwarzen Weißen nannten einen Planeten Station? „Hier liegt ein Irrtum vor...“, versuchte Dhark wenigstens
einen Punkt klarzustellen. „Ja“, unterbrach ihn Girr-O mit schneidender Stimme, „hier würde ein Irrtum vorliegen, wenn Sie, Dhark, nicht während der Vorführung der drei Bilder an Ihre Auftraggeber gedacht hätten! Und dann haben Sie auch noch die Dummheit begangen, in einem Schiff Ihrer Auftraggeber die Sternenbrücke anzufliegen! Jeder begeht einmal in seinem Leben einen so schwerwiegenden Fehler, daß er ein Leben zerstört. Sie hatten ihn begangen, als Sie an Ihren Auftraggeber dachten. Genug darüber. Ich untersage Ihnen, noch einmal dieses Thema anzuschneiden, oder ich mache von den mir zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mitteln Gebrauch und lasse Sie durch eine Jury aburteilen!“ „Wie Sie kaltblütig meine beiden Flash-Piloten Wonzeff und Doraner schon zum Tode verurteilt haben, Girr-O!“ schnarrte Ren Dhark, der begriffen hatte, daß es falsch war, diesem schwarzen Weißen nicht scharf entgegenzutreten. „Urteile aussprechen und vollstrecken, sind zweierlei Tätigkeiten, Dhark. Ihre Flash-Piloten interessieren uns nicht. Unser Interesse bewegt sich um Sie, Ihr Schiff und Ihren Auftraggeber. Aber ich erhalte gerade die Nachricht, wie friedfertig Ihre Absicht und die Ihrer Besatzung ist. Bitte, drehen Sie sich noch einmal zur Projektion um!“ Er tat es ein zweites Mal. Er sah seine POINT OF, und der Ringraumer war in diesem Moment, wenn die Übertragung real war, kein friedfertiges Schiff. Und dann hörte er Girr-O hämisch lachend sagen: „Das ist unsere Antwort auf die friedfertige POINT OF, Dhark!“ Ren Dhark glaubte zu träumen, doch sein Verstand sagte ihm, daß er nichts anders als die nackte Wirklichkeit sah – nichts! *
Sie fanden Ren Dhark nicht, obwohl die POINT OF im Schutz ihrer Intervalle diese Etagen schon dreimal durchflogen hatte. „Unsere Intervalle sind zu groß!“ war Doorn von Grappa darauf aufmerksam gemacht worden, als der Sibirier ein hoffnungsloses Stöhnen ausstieß. „An den Intervallen hat es nicht gelegen!“ erwiderte Doorn bissig. „Unsere Flash haben den Commander auch nicht finden können. Gut! Wenn diese schwarzen Weißen es nicht anders haben wollen, dann zwinge ich sie, uns Dhark herauszugeben. Scheinbar lassen die Robs nur mit sich sprechen, wenn wir Gewalt anwenden.“ „Doorn, die beiden Waffensteuerungen werden einem wilden Schießbefehl niemals Folge leisten!“ warnte ihn der Ortungsmann. „Ich brauche die Waffensteuerungen nicht!“ tobte der Sibirier, und erneut nahm die POINT OF Kurs in das riesige Gebäude mit dem zerfetzten Loch in der Wand. Sie flog ein. Sie stoppte, als sie die Mitte erreicht hatte. Und in diesem Moment schaltete Arc Doorn beide Intervalle ab. Rundherum um das Schiff wurde alles wieder existent! Alles Existente hatte mit der plötzlichen Anwesenheit eines fremden Ringkörpers zu tun, der aus Unitall bestand! Ein unbeschreibliches Krachen, Reißen, Donnern, Brechen, Splittern, Dröhnen und Zittern raste durch das Bauwerk. Wände fanden keinen Platz mehr, Decken trafen auf Unitall, Rohre und Leitungen zersplitterten, rissen. Tragende Wände schwangen wie geschlagene Trommelfelle hin und her, bewegten sich dicht vor der Zerreißgrenze. Ein Fremdkörper von hundertachtzig Meter Durchmesser, der sein eigenes Raumgefüge verlassen hatte und in einem riesigen Gebäude existent geworden war, erschütterte das Bauwerk in einem Teil seiner Konstruktion. Die Zelle der POINT OF dröhnte wie eine zersprungene
Glocke, die nur noch Mißtöne von sich gibt. Das eigene Wort war nicht mehr zu verstehen. Das Zittern der tragenden Konstruktionen übertrug sich auf das Schiff. Ein Beben und Schwingen, wie man es noch nie erlebt hatte, zeigte sich überall. Arc Doorn brach der kalte Schweiß aus. Wenn diese Demonstration ihrer Macht auch nichts half, dann hatte er die Lage des Commanders nur noch verschlechtert, wenn er überhaupt noch lebte. Da war alles still! Da war die Wiedergabe der Bildkugel blitzartig anders geworden! Es gab das gigantische Haus in mehr als achttausend Meter Höhe über der Stadt nicht mehr! Es gab nur noch den freien Himmel und unter ihnen die Riesenstadt mit ihren Brücken, Hochstraßen und Spiraltürmen, mit ihren Parks, den Flüssen und den Stadtteilen. Sonst nichts! Gar nichts... Arc Doorn stand dicht vor dem Zusammenbruch. Er hatte begriffen, wie man sie genarrt hatte. Er hatte es doch schon einmal erlebt. „Fiktion!“ keuchte er, und der Schweiß rann über sein Gesicht. „Großer Himmel, auf welche Intelligenzen sind wir hier gestoßen, daß man uns so hereinlegen konnte?“ Sein nächster Gedanke galt Ren Dhark. Ihm kam nicht die Idee, daß Ren Dhark über eine Projektion miterlebt hatte, was sich gerade um die POINT OF herum abgespielt hatte. Er saß denen gegenüber, die in der Lage waren, solch ein Schauspiel aufzuziehen... –ENDE– Illustration H.-J. Lührs
Das Wunderwerk der Mysterious-Technik im Höhlen-System auf dem Planeten Hope steht vor seiner Vernichtung. Unverkennbar sind die Anzeichen, daß der gewaltige IndustrieDom in die Luft fliegen wird. Jos Aachten van Haag und Astrophysiker Spence Bentheim sehen keinen Ausweg mehr. Not schafft Werte! Not schafft Erkenntnis, aber viel zu spät entdeckt man, daß die POINT OF nicht ein einfacher Ringraumer ist, der überlichtschnell fliegen kann oder transistiert. Doch was nützt jetzt das Wissen, wenn die Besatzung nicht einmal mehr in der Lage ist, das Schiff zu starten? Commander Ren Dhark macht sich nichts vor. Die Schwarzen Weißen haben ihm anhand einiger Demonstrationen bewiesen, daß ihre Drohungen keine leeren Worte sind. Ren Dhark setzt alles auf eine Karte. Aus ungünstiger Position beginnt er sein lebensgefährliches Spiel gegen die Schwarzen Weißen. Ob er sein Spiel gewinnt, lesen Sie in dem REN DHARKRoman Die siebte Sonne von Kurt Brand
Diesen Roman können Sie in 14 Tagen bei jedem Zeitschriftenhändler und in jeder Bahnhofsbuchhandlung erhalten. Ihre Ren Dhark-Redaktion Martin Kelter Verlag