Dan Roberts
Das wilde Rudel Apache Cochise Band Nr. 26 Version 1.0
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Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde ...
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Dan Roberts
Das wilde Rudel Apache Cochise Band Nr. 26 Version 1.0
2
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von 3
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. 4
Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen und auch makabren Hintergrund. Ihr Martin KelterVerlag.
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*** »Wenn das so weitergeht, müssen wir uns bald nach 'nem neuen Job umsehen«, sagte der Beifahrer auf der schweren Kutsche mißmutig zu seinem Partner. Der alte Mann, dessen schwielige Hände die Zügel des Sechsergespannes hielten, lachte leise. »Denkst du, die Rothäute schaffen es, Hank?« fragte er. »Glaubst du wirklich, die Apachen jagen die Weißen aus diesem Land jemals wieder hinaus?« »Keine Ahnung«, erwiderte der jüngere Begleiter, »ich weiß nur, daß jeder in Furcht vor den roten Teufeln lebt. Und in letzter Zeit sind sie wieder besonders wild geworden.« »Weiß der Geier, was in ihren Köpfen vorgeht«, sagte der Kutscher und spuckte einen Strahl Tabaksaft über das Geländer des Sitzes. Die Räder mahlten sich durch den Sand, der die Wagenspuren der letzten Tage bedeckte. Die Kutsche holperte und schwankte. Ab und zu drang ein lästerlicher Fluch aus dem Wagenkasten. »Nur zwei Passagiere«, fuhr der Beifahrer fort, »lange hält die Company das nicht mehr durch.« »Wird schon wieder besser«, brummelte der Alte. Er musterte die Umgebung, die Halbwüste, unter der Krempe seines Hutes hervor. Floyd Pearson lebte schon lange in Arizona. Bisher hatte er es verstanden, seinen Skalp zu behalten. Heute jedoch verspürte er ein Jucken in der Kopfhaut, das ihn warnte. Immer wenn dieses Gefühl auftrat, wurde es gefährlich. Floyd verließ sich darauf, konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die unwahrscheinlichsten Deckungen, hinter denen ein Neuling im Apachenland niemals einen Indianer vermuten würde. 6
All die Sandwellen, flachen Geröllhalden und umgestürzten Kakteen boten einem Krieger der Apachen hervorragende Deckung. Stürzten die Angreifer plötzlich hervor, fragten sich die Weißen in den letzten Sekunden ihres Lebens, warum sie die Krieger nur übersehen hatten. »Was ist mit dir los?« wollte der Beifahrer wissen, »du bist heute ziemlich faul im Reden.« Floyd antwortete nicht. Das Jucken verstärkte sich, veränderte sich fast zu einem Schmerz, und der faltengesichtige Kutscher zog das Gewehr aus der Halterung. Floyd besaß eine siebenschüssige Spencer. Die mächtigen Geschosse vom Kaliber 52 wurden von einer Pulverladung aus dem Lauf gejagt, die genaue Treffer auf fast zweihundert Yards zuließ. »Verdammt, was ist? Kommen die roten Hundesöhne?« fragte Hank aufgeregt. Er sah sich um. Nirgendwo entdeckte er einen Apachenkrieger. Natürlich wußte der Beifahrer, daß Floyd ein erfahrener Mann war. Jetzt hielt er ihn trotz seiner langen Erfahrung für überängstlich. Hank ließ den Lauf seines Gewehres los, grinste schwach und dachte, daß Floyd ihn nur erschrecken wollte, weil er keine Lust zum Reden hatte. Dies war Hanks letzter Gedanke. Er spürte nur einen dumpfen Hieb gegen den Oberkörper, den Schmerz nahm er schon nicht mehr wahr. Floyd fluchte laut und brüllte: »Apachen! Von allen Seiten!« Die kurze Kriegslanze wippte noch, als der Kutscher bereits feuerte. Die schwere Spencer wummerte auf, und der Krieger, der Hank getötet hatte, warf beide Arme in die Luft. Ein Pfeilhagel war die Vergeltung für den Tod des ersten Apachen. Floyd sprang vom Bock, nachdem er mit aller Kraft die Bremse herangerissen hatte. Die Pferde zerrten die Kutsche, 7
deren Rad blockiert war, noch mehr als zehn Yards weiter. Drei, vier Schüsse peitschten. Die vordersten Tiere brachen in den Geschirren zusammen. Grell wieherten die vier Gespannpferde, als der Blutgeruch in ihre Nüstern drang. »Unter den Wagen!« brüllte Floyd, »sonst haben wir keine Chance.« Zu beiden Seiten der Kutsche flogen die Türen zurück. Jeder der Passagiere ließ sich auf einer anderen Seite hinausfallen. Der ältere Mann reagierte zu langsam. Als er sich herumrollte, tackten ein halbes Dutzend Pfeile in das Holz der Kutsche. Ein Pfeil erwischte den Mann. Er war sofort tot. Der zweite Passagier handelte geschickter. Er berührte kaum den Boden, als er auch schon herumwirbelte und seinen Revolver leerfeuerte. Natürlich war gezieltes Schießen unmöglich. Doch der Kugelhagel, der flach über die Deckungen der Apachen sauste, zwang die Krieger für Sekunden mit den Gesichtern in den Sand. Diese kurze Zeitspanne genügte dem Fahrgast. Er drehte sich rasend schnell, gelangte unter den Boden des Wagens und stieß hervor »Mister, das ist aber kein feiner Spaß. Fehlt nur noch, daß die Butterfield später noch einen Zuschlag zum Fahrpreis für Unterhaltung verlangt!« Floyd lachte grimmig. Ihm fehlte die Zeit zu einer gebührenden Antwort. Statt dessen jagte der Kutscher Schuß um Schuß aus seiner Spencer. Drei, vier Krieger sprangen mit weiten Sätzen auf die Pferde zu. Messerklingen blitzten im grellen Schein der Sonne auf. Unter raschen Hieben fielen die Seile und Riemen. Die Pferde rasten davon. Der Passagier hatte seinen Revolver aufgeladen. Mit vier blitzschnell hingeworfenen Schüssen tötete er drei der Apachen vor der Kutsche. Wutgebrüll stieg plötzlich rundherum auf. Die Halbwüste schien rote Männer auszuspucken. Das gellende 8
Angriffsgeschrei ließ den kaltblütigen Fremden nun doch zusammenzucken. »Ja, das ist eine prächtige Unterhaltung, Mann«, rief der alte Floyd. »Kein Aas verlangt von dir 'nen Zuschlag dafür. Tote zahlen nämlich nicht mehr.« Der Passagier preßte die Lippen zusammen, daß sie wie dünne, blutleere Striche wirkten. Mit geschickten Bewegungen entledigte sich der Mann seines Waffengurtes und schob ihn vor sich so zurecht, daß er blitzschnell die Patronen erreichte, wenn es ums Nachladen ging. Ein Schwarm Brandpfeile sirrte durch die Luft. Von allen Seiten ließen die Krieger die Sehnen schnellen. Es dauerte nur Sekunden, bis die Polsterung der Sitze Feuer fing. »Rauchfleisch hält sich länger«, brüllte Floyd wütend und leerte in rasender Folge seine Spencer. Ein halbes Dutzend angreifender Apachen zwang dieser Kugelhagel zu Boden. Als das schwere Gewehr schwieg, standen nur zwei Krieger wieder auf. Sie fielen unter den Geschossen des Revolvermannes. Ein Reiter auf einem fahlgelben Mustang preschte heran, verhielt das Tier knapp außer Schußweite und brüllte ein paar Befehle in der Stammessprache. Sofort änderten die Angreifer ihre Taktik. Sie verwandelten sich in wild umherspringende Krieger. Es war unmöglich, auch nur einen gezielten Schuß abzugeben. Die beiden Weißen sparten ihre Patronen. Rannten die Apachen erst dicht um den Wagen herum, würden noch mindestens zehn oder zwölf in die ewigen Jagdgründe eingehen. Floyd und auch der Passagier wollten sich so teuer wie möglich verkaufen, riskierten die unmittelbare Nähe beim Kampf, denn sie hatten beide mit ihrem Leben abgeschlossen. Der brennende Kutschwagen war das große Risiko. Wenn die feurige Lohe die Verteidiger zu früh aus der Deckung trieb, sank die Chance, noch eine Menge Angreifer mitzunehmen, 9
auf Null. »Wir müssen raus oder braten!« brüllte Floyd, als glimmende Stücke aus dem Boden herabfielen. »Raus!« schrie der Fahrgast und drehte sich auch schon zur Seite. Schnell wie ein Apachenkrieger sprang er hoch und fächerte mit der Linken über den Hahnsporn. Drei, vier, fünf Kugeln brachte der Mann aus dem Lauf, ehe es ihn erwischte. Eine Kriegslanze riß ihm die Seite auf, prallte an einer Rippe ab und fiel zu Boden. Ächzend sank der Mann zusammen. In dieser Sekunde erwischte ihn eine Kugel an der rechten Schulter. Floyd Pearson erging es kaum besser. Er mußte zwei Kugeln einfangen, von denen ihm eine das rechte Schienbein zerschmetterte. Nochmals drückte der Oldtimer ab, sah mit Genugtuung einen Apachen zu Boden sinken, als er einen mörderischen Schlag gegen den Brustkorb spürte. Es wurde dunkel um Floyd. Er sah nicht, daß die Krieger plötzlich reglos standen, die Waffen sinken ließen. Der Anführer auf dem fahlgelben Pony hob die Linke senkrecht in die Höhe. Auf dieses Zeichen hin räumten die Angreifer das Feld. Sie schleppten ihre Toten und Verwundeten mit. Wie Schatten, wie ein Spuk verschwanden die roten Krieger in der Dornbuschwüste. * Zwei Reiter trieben ihre Mustangs in den Galopp. Apachen saßen auf den nackten Pferderücken, hochgewachsene Gestalten, die sich deutlich von den Angreifern unterschieden. Cochise sprengte heran. Der große Jefe der Chiricahuas kam zu spät. Er und sein Sohn Naiche waren dem Klang der Schüsse gefolgt. Denn die beiden Führer wußten, daß Geronimos Bande in diesem Gebiet umherstreifte. 10
Das Gesicht des Chiefs wirkte unbewegt, als er vom Pferd glitt. Er war zu oft mit dem Tod in Berührung gekommen, um etwas dabei zu empfinden. Zudem war für einen Apachekrieger Tod und Sterben etwas vollkommen Natürliches. Und die Halbwüste und Wüste gehörte den Apachen. Cochises kluge Politik wurde jedoch immer wieder von ehrgeizigen Kriegern und Häuptlingen unterlaufen. Weißenhasser wie Victorio, der wilde Führer der Mimbrenjos, führte seine beutehungrigen Kämpfer selbst gegen die Bleichgesichter. Geronimo, einer der Unterführer, machte mit einer eigenen Bande das Gebiet zwischen den Chiricahua und Dragoon Mountains unsicher. »Sie leben noch«, sagte Cochise und richtete sich auf. »Wir bringen sie nach Tombstone, Sohn. Hellauge ist in der Stadt. Wir beobachteten ihn unterwegs.« Naiche starrte seinen Vater an und fragte: »Du willst zu den Bleichgesichtern? In die Ansiedlung mit den steinernen Hütten? Du wirfst dein Leben weg, mein Vater.« Lächelnd erwiderte Cochise »Nein, wir bringen sie an den Rand des Ortes. Irgend jemand wird uns sehen und die anderen alarmieren. Ich lege ein Zeichen für Hellauge.« So geschah es. Die beiden Chiricahuas, die für den Frieden im Südwesten kämpften, nahmen die Besinnungslosen vor sich auf die Pferde und schlugen den Weg zum Mule Paß ein, der am Südrand der Dragoons den Zugang nach Tombstone bildete. Nur hundert Pferdelängen vor dem östlichsten Haus der Stadt legten die beiden Apachen die Verletzten nieder. In der Ferne klang schon Geschrei auf. Die Bleichgesichter rechneten sicher mit einem Angriff und schlugen Alarm. Cochise legte einen abgebrochenen Pfeil auf die Brust des älteren Mannes, einen Pfeil mit dem Gefieder, wie es die Mimbrenjos verwendeten. »Welches wird dein Zeichen sein, mein Vater?« fragte 11
Naiche neugierig. Er wußte, daß zwischen Thomas Jeffords, den der Jefe Hellauge nannte, und den Chiricahuas keine besonderen Signale vereinbart waren. Lächelnd zog Cochise ein Lederstück unter seinem Hemd hervor. Der kleine Beutel war verschlossen. Was er enthielt, wußte nicht einmal der Häuptling. »Deine Schwester, Tla-ina, gab ihn mir«, sagte Cochise. »Ich soll ihn Falke geben, falls ich ihn treffe. Nun, Hellauge wird wissen, wer mit dieser Nachricht gemeint ist.« Der Häuptling legte den Beutel deutlich sichtbar in den Sand und zog mit der Fußspitze einen Kreis darum. »Wir reiten«, sagte der Chief zu seinem Sohn. Es wurde Zeit. Die ersten Weißen trieben ihre Pferde an und schwenkten Gewehre über den Köpfen. Cochise und Naiche ließen ihre Tiere im Trab davongehen. * »Apachen!« Der gellende Warnschrei ließ die Menschen zusammenzucken. Sie wirbelten herum, starrten durch die Lücken zwischen den Häusern ins freie Land und entdeckten zwei Krieger, die sich in etwa hundertfünfzig Yards Entfernung zu schaffen machten. Welche Teufelei heckten die roten Halunken nun wieder aus? »Lauft zur Station, zum Postmeister!« brüllte ein Mann. »Jeffords ist in der Stadt. Er kennt die roten Dreckskerle am besten.« »Nehmt die Gewehre, los, los, schnell! Ihr wißt doch, daß die Kerle wie aus dem Nichts erscheinen.« Panik kam auf. Unsichtbare Wellen liefen vor den verängstigten Menschen her. Die Furcht verbreitete sich in Windeseile in der Stadt. 12
Jeffords hörte das Geschrei, die Laute, verstand aber kein deutliches Wort. Trotzdem stand er auf. Unruhig ging er zum Fenster der Station, das auf die Plaza hinausführte und starrte ins Freie. Von Osten her rannten Männer und Frauen auf das Zentrum zu. Wie gehetzt blickten sich die meisten Bürger immer wieder um. Kinder plärrten, als ihre Mütter sie unsanft mitrissen. Ein halbes Dutzend Männer hetzte mit langen Sprüngen in die entgegengesetzte Richtung. »Apachen!« gellte wieder der Angstschrei auf. Jeffords sprang zum Gewehrständer, riß eine Winchester heraus und stopfte sich eine Schachtel Munition unters Hemd. »Haltet auf jeden Fall die Station!« rief er seinen Mitarbeitern zu, ehe er wie ein wilder Brasada-Bulle hinausstürmte. Der Postmeister schloß sich den Bewaffneten an, die keuchend zum Ostteil Tombstones rannten. Keiner der Männer sprach ein Wort. Sie umklammerten die Waffen so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten. Angst stand in den Gesichtern der Bürger, Furcht flackerte in ihrem Blick. Es war noch nicht lange her, daß die Apachen die Stadt angegriffen hatten. Nur durch die Waffen des Armeedepots, das der Marshal kurzerhand hatte aufbrechen lassen, war es gelungen, die Angreifer zurückzuschlagen. Jeffords lief mit langen Schritten an den Bürgern vorbei. Sie erkannten ihn, machten ihm bereitwillig den Weg frei, denn er galt als Freund der roten Teufel, und er sollte auch die erste Kugel, den ersten Pfeil erwischen. Als Jeffords den Stadtrand erreichte, sah er die beiden Reiter hinter einer Bodenwelle verschwinden. Sofort sah er im Geist Cochise und Naiche vor sich. Die hochgewachsenen Gestalten konnten nur die Führer der Chiricahuas gewesen sein. Was führte die beiden Männer so nahe an die Stadt heran? Spähten sie etwa selbst? Suchten sie nach schwachen Stellen in 13
der Verteidigung der Ansiedlung? Bereiteten die Chiricahuas trotz aller Versprechungen einen Angriff vor? Unruhig, mit Zweifel im Herzen, blickte sich Jeffords um. Er entdeckte die beiden Bündel im Sand und lief sofort los. »Mensch, sind Sie verrückt geworden?« schrie ein Mann gellend hinter dem Postmeister her. »Laß ihn«, sagte ein anderer gehässig, »es ist doch sein Skalp. Außerdem ist er ein Freund der roten Stinker. Und wer weiß, vielleicht erwischen wir ein paar, wenn sie gleich aus den Deckungen aufspringen.« Jeffords bremste seinen Lauf, sah die beiden Verwundeten, das verkrustete Blut und warf sein Gewehr einfach zu Boden. Der Postmeister sank auf die Knie, untersuchte die Besinnungslosen flüchtig und atmete auf, als er Lebenszeichen entdeckte. Er stand auf und schrie: »Los, schnell, ein paar Tragen, Leitern oder zwei Türen. Die Männer sind schwer verletzt. Sie müssen sofort zum Doc, wenn sie 'ne Chance haben sollen.« »Und die Rothäute?« gellte es angstvoll zurück. »Keiner in der Nähe, stellt euch nicht so an. Habt ihr die Hosen voll, ihr Narren? Wollt ihr lieber zwei Männer sterben lassen?« Jeffords starrte in das faltige Gesicht des alten Mannes und sog scharf die Luft ein. Das war ja Floyd Pearson. Einer seiner besten Kutscher. »Jetzt haben sie dich also doch erwischt, Floyd«, sagte Jeffords halblaut. »Scheint, als sei deine Glückssträhne zu Ende. Verdammt!« Der Postmeister nahm das Pfeilende, drehte es nachdenklich zwischen den Fingern und dachte: Mimbrenjos, eindeutig. Und dann entdeckte er den kleinen Lederbeutel, hob ihn auf und öffnete ihn. Eine Perle lag darin mit einer Schnur aus zusammengedrehtem schwarzem Haar. Sanft fuhr Jeffords mit der Fingerkuppe über die Strähne. Sie war weich, sehr weich. 14
Das ist für Haggerty, dachte der Postmeister lächelnd. Also waren es wirklich Cochise und Naiche, die uns die Verletzten brachten. Ehe die anderen Männer mit zwei Decken herangekommen waren, verstaute Thomas Jeffords den kleinen Beutel in seiner Hosentasche und verwischte den Kreis im Sand. Die Kerle aus der Stadt sollten sich nicht zu viele Gedanken über Haggerty, ihn selbst und die Apachen machen. Endlich breiteten die Städter die Decken aus. Behutsam hoben die Männer die Besinnungslosen auf die Tücher, faßten die Zipfel und trugen die Überlebenden vorsichtig in die Stadt. »Zur Station«, befahl Jeffords, blickte noch ein paar Sekunden in die wüstenhafte Landschaft und fragte sich, wann dieser endlose Kleinkrieg wohl endlich aufhörte. »Jemand soll den Doc holen«, sagte der Postmeister. »Es geht um Minuten, denke ich.« Mit langen Schritten eilte Jeffords an den Trägern vorbei zur Station. Als er eintrat, standen seine Männer mit schußbereiten Waffen an den Fenstern des Gebäudes. Jeffords wies sie an, die Gewehre in den Ständer zurückzustellen und alles für die Verletzten vorzubereiten. Innerhalb einer Minute glich die Station einem Hexenkessel. Der Doc stürmte herein, prallte gegen Jeffords und stieß eine Serie wüster Flüche aus. Der Postmeister wich ein wenig zurück, als er die Alkoholwolke in die Nase bekam, die von dem Arzt ausging. Gleichzeitig war Thomas beruhigt. Stand Doc Honester unter Alkohol, unterlief ihm niemals ein Fehler. Er operierte geschickt und sicher. War er dagegen nüchtern, hätte Jeffords Bedenken gehabt. Aber mit einer halben Flasche Whisky ließ sich auch dieses Problem lösen. »Her mit den Kerlen!« brüllte Honester, »wo ist mein Skalpell? Oder glaubt ihr, ich kann mit meinen Zähnen die 15
Kugeln rausholen?« Als der Arzt das Messer ansetzte, schwoll vor dem Stationshaus das Gemurmel der Bürger zu bedrohlichem Geschrei an. Jeffords seufzte und ging zur Tür. Er trat auf den Gehsteig hinaus und wartete, bis die Menschen endlich schwiegen. »Was bedeutet das, Jeffords?« fragte ein vierschrötiger Mann laut. »Was haben die roten Hurensöhne jetzt wieder vor?« »Woher soll ich das wissen«, antwortete der Postmeister. »Ich kenne die Gedanken der Apachen nicht. Ich weiß nur, daß ich wieder eine Kutsche verloren habe.« »Wann machen wir endlich ein Ende mit der roten Brut?« fragte ein anderer Mann. »Schwingen wir uns auf die Pferde, treiben wir die verfluchten Indsmen zusammen und bringen sie um.« Jeffords schüttelte den Kopf und rief: »Ihr wißt doch, daß ihr es nicht schafft. Sie verbergen sich in der Wüste, wochenlang, und wenn ihr auf dem Rückzug seid, erledigen sie einen nach dem anderen. Nein, so hat das doch keinen Sinn.« »Aber es hat Sinn, daß gute Männer und Frauen abgeschlachtet werden, wie?« schrie ein Mann. Jeffords blickte auf die Menschen. »Genauso, wie es unter uns Weißen Banditen und Gesindel gibt«, erwiderte Jeffords, »leben auch unter den Apachen verwegene Krieger, die sich nicht an die Befehle der Chiefs halten.« Das ging eindeutig an die Adresse des letzten Schreihalses. Denn der war schon mehr als einmal in zwielichtige Geschäfte verwickelt gewesen. Der junge Mann preßte die Lippen zusammen. Zorn wallte in ihm hoch. Wie kam dieser verdammte Briefträger dazu, ihm solch eine Vorhaltung zu machen? Es ging doch darum, die Apachen endlich in ihre Schranken zu verweisen oder niederzukämpfen. 16
»Sie sind doch der Indianerfreund!« rief der Mann. »Sorgen Sie dafür, daß die roten Kerle endlich Frieden halten, daß sie die Rebellen in ihren Stämmen unter Kontrolle bringen. Wozu lungern denn die Blauröcke in den Forts herum? Machen sich die Kerle nur einen guten Tag?« Bitter erwiderte Jeffords: »Halten Sie doch den Mund, Sie Narr. Sie wissen doch genauso gut wie ich, daß General Howard zuwenig Soldaten im Land hat. Ihr alle wißt, daß die Apachen den Männern der Army überlegen sind. Aber ich werde mit dem General sprechen.« Thomas Jeffords drehte sich um und betrat die Station der Kutschenlinie wieder. Es war sinnlos, mit diesen Menschen draußen zu reden. Sie alle begriffen nicht, daß die Apachen dieses Land, jeden Fußbreit, noch immer als ihr Eigentum ansahen. Die weißen Siedler und Digger verstanden nicht, daß immer wieder Zwischenfälle durch Weiße ausgelöst wurden. Denn für die meisten Menschen galt das Wort, daß nur ein toter Indianer ein guter Indianer war. Es schien unmöglich, die beiden Rassen zu einem dauerhaften Frieden zu bringen. »Ich muß zum Fort«, sagte der Postmeister. »Laßt hier alles so laufen, wie es läuft.« »Sehen Sie eine Chance, die Apachen zum Frieden zu zwingen?« fragte der Stationsleiter. Jeffords lachte bitter und erwiderte: »Wir haben Frieden, Mann!« »Das sieht aber eher nach Krieg aus«, entgegnete Anthony Grifford, einer der Clerks, und deutete auf die beiden Besinnungslosen. »Kein Krieg, rebellische Apachen«, sagte Jeffords nur. »Vielleicht bekommen wir diese Banden eines Tages unter Kontrolle. So richtig glaube ich allerdings nicht daran. Ich reite jetzt, Männer. Sorgt für Floyd und den Passagier.« Wenige Minuten später ließ der Postmeister sein Pferd nach Nordosten traben, dem Apache Paß zu. 17
* Cochise und sein Sohn Naiche hielten die geflochtenen Graszügel nur locker in den Händen. Die Krieger leiteten die Mustangs mit den Beinen nach Osten, in die Dragoon Mountains. Dort lag, versteckt in einem uneinnehmbaren Felsental, die Apacheria des Stammes. Späher und Wächter sicherten sämtliche Wege zum Versteck der Chiricahuas. Kein Fremder vermochte dort einzudringen, sich zu nähern, ohne bemerkt und gestellt zu werden. Kaum ein Weißer wußte von der Lage dieses Verstecks. Nur die beiden Freunde des großen Jefe, Thomas Jeffords und John Haggerty, kannten einen Weg in die Felsenfestung, aber auch nur einen. »Mein Vater«, sagte Naiche nach einer langen Weile, »Geronimo sammelt Krieger um sich. Als seine Rotte das rollende Jacale überfiel, folgten mehr als dreißig Mimbrenjos dem ›der gähnt‹.« Dies war der eigentliche Name des Kriegers Geronimo, der bis vor kurzer Zeit durch nichts aus den Reihen der anderen Mimbrenjos herausgeragt war. Erst nach einem Überfall in Mexiko, als der Mann wie ein wilder Teufel kämpfte, Angst und Tod über die Gelbhäutigen brachte, gaben ihm die Mexikaner den Namen Geronimo. »Naiche, er ist wild wie ein einsamer Bergwolf«, antwortete Cochise. »Nicht einmal Victorio vermag ihn aufzuhalten.« »Will er ihn denn aufhalten?« fragte Naiche. »Er muß, Sohn«, erwiderte Cochise ernst, »Geronimo strebt nach der Häuptlingswürde. Er haßt die Weißen erbarmungslos, genau wie Victorio.« Cochises Sohn überlegte eine Weile und machte eine Handbewegung, die seine Ratlosigkeit zeigte. »Vater, wie kann ein Krieger wie er Jefe werden? Erfahrene Männer stehen weit vor ihm. Nana und Loco sind gute Führer.« 18
»Nana liebt den Kampf«, antwortete der Chief der Chiricahuas. »Er besitzt ein heißes Herz und wildes Blut. Er wird immer wieder ausbrechen und kämpfen. Loco ist zu schwach, Geronimo Widerstand zu leisten. Nur Victorio kann ihn aufhalten. Er muß ihn aufhalten, denn übernimmt er die Führung der Mimbrenjos, brennt das gesamte Land.« »Und du, mein Vater?« fragte Naiche, »du gabst dem Einarmigen dein Wort. Kannst du zulassen, daß die Mimbrenjos dein Wort brechen?« Cochise sah seinen Sohn nicht an. Der Jefe blickte zu den zerklüfteten Felsen der Dragoon Mountains. Naiche hatte das Problem richtig erkannt. Eine einfache Lösung gab es nicht. Denn die Stämme beharrten auf ihrer eigenen Macht. Cochise galt zwar als der große Führer, vermochte jedoch nicht, die Rebellen zum Frieden zu zwingen. Vor allem dann nicht, wenn die Häuptlinge der anderen Sippen stillschweigend die Raubzüge ihrer Krieger duldeten oder sie gar selbst anführten. Für Cochise stand das Schicksal der Apachen seit langem fest. Die Weißen drangen immer weiter vor, fielen zahlreich wie ein Schwarm Heuschrecken in das heiße Land ein. Und je mehr Weiße die Apachen umbrachten, desto mehr würden kommen. Es gab nur eine Möglichkeit: gemeinsam mit den Eindringlingen die Lebensweise der Apachen behutsam zu ändern. Doch dem stand der wilde Sinn der Wüstenkrieger entgegen. Seit Jahrhunderten lebten sie in diesem Gebiet, waren sie die Herren über Halbwüste und Wüste und versteckte Wasserstellen, die nach und nach von den Weißen entdeckt wurden. Jeder Apache betrachtete ein jedes Lebewesen in diesem Land als seine Beute. Und wenn die Rebellen die Oberhand gewannen, wenn sie alle Stämme in einen Krieg gegen die Bleichgesichter führten, 19
stand für Cochise der Untergang seiner Rasse fest. Denn trotz moderner Waffen blieben die Krieger den Soldaten mit ihren Kanonen und Gatling Guns unterlegen. Eine offene Schlacht war undenkbar. »Viele unserer Krieger sind unzufrieden, mein Vater«, fuhr Naiche fort. »Sie folgen Geronimo. Er verspricht ihnen Skalps, Kampf und Beute.« »Laß sie ziehen«, antwortete Cochise lächelnd. »Sie kommen zurück, wenn sie Chiricahuas sind.« »Aber sie erzählen von den großen Kämpfen«, erwiderte Naiche erregt. »Andere spüren ihr Blut heißer wallen und mißachten ebenfalls deine Befehle.« Cochise nickte und sagte: »Ich darf nicht wagen, einen Streit zwischen den Stämmen heraufzubeschwören. Setzen sich die anderen Chiefs über mein Wort hinweg, so ist Cochise nichts als ein kleiner Häuptling. Ich muß behutsam und geschickt vorgehen, mein Sohn. Dies ist der Grund, warum wir immer wieder dieses Land durchstreifen. Du hast erlebt, wie schnell Geronimo aufgab und verschwand.« Nachdenklich nickte Naiche. Ja, sein Vater hatte recht. Allein das persönliche Erscheinen des großen Häuptlings brachte die rebellischen Krieger zum Aufgeben. Denn sie wußten genau, daß sie gegen seine Befehle verstießen, sein Wort brachen, das alle Stämme band. Was aber geschieht, dachte Naiche, wenn die wilden Krieger eines Tages nicht zurückweichen? Wenn wir auftauchen, erkannt werden und die Männer kämpfen weiter? Sekunden später gab sich Naiche selbst die Antwort: dann war sein Vater nicht mehr Cochise, nicht mehr der Führer. In diesem Moment begann der endgültige Untergang der Apachen. »Welches sind deine Pläne, mein Vater?« fragte Naiche nach langer Zeit. »Wir müssen erfahren, was Hellauge plant«, antwortete der 20
Jefe. »Holt er die Pferdesoldaten zur Hilfe, wird kein Mimbrenjo mehr eine Kutsche angreifen. Die Krieger brennen dann die Häuser der weißen Siedler nieder.« »So dumm ist Hellauge nicht«, erwiderte Naiche überzeugt. »Er wird sich etwas anderes ausdenken.« »Reiten wir zu den Quellen«, sagte Cochise. »Hellauge wird bereits unterwegs sein.« Naiche kannte das Land, wußte, was ein gutes Pferd zu leisten vermochte und wußte auch, daß Jeffords mindestens sechs Stunden unterwegs sein würde, ehe er den Apache Paß erreichte. Cochise und sein Sohn verfügten über genügend Zeit. * Thomas Jeffords war ein furchtloser Mann. Einst hatte er Cochise überrascht, indem er in die Bergfestung, in die Apacheria, eingedrungen war. Beeindruckt von so viel Mut hatte der Jefe seine Erlaubnis zum Bau der Relaisstation auf der Paßhöhe gegeben. Denn nur dort sprudelten Quellen aus dem Felsen, die selbst im heißesten Sommer nicht versiegten. Dieser Ort war wichtig für die Butterfield Overland Company, war der einzige Ort, an dem die Pferde und Reisenden Wasser bekamen. Jeffords ritt auf einem struppigen, zähen Pferd nordostwärts. Überall bemerkte der erfahrene Mann die Spuren von Apachen, spürte, daß er beobachtet wurde, witterte jedoch noch keine Gefahr. Die Sonne versank bereits im Westen, als der Postmeister sein zerzaust wirkendes Pferd vor den Steinmauern von Fort Buchanan zügelte. Das mächtige Tor war geschlossen. Auf den Laufgängen hinter den Mauern patrouillierten die Posten. Die meisten Männer kannten den Postmeister. 21
Es dauerte nicht lange, bis Jeffords mit dem Wachhabenden sprechen konnte. Thomas wollte zu John Haggerty, dem Chiefscout des gesamten Südwestens. »Mr. Jeffords, sorry, Lieutenant Haggerty sitzt beim General«, sagte der junge Captain, der das Kommando führte. »Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Gentlemen fertig sind.« Jeffords verspürte Unruhe. Alles, was hier im Fort besprochen wurde, war wichtig, berührte auch die Kutschenlinie und die Sicherheit der Fahrer und Passagiere. »Wissen Sie, worum es geht?« fragte der Postmeister. »Bedaure, Sir, ich habe keine Ahnung.« »Ich muß Haggerty sprechen«, fuhr der Postmeister fort. »Richten Sie ihm bitte aus, daß er in das Tal der Steine kommen soll. Dort erwarte ich ihn. Es ist wichtig, Captain. Heute habe ich wieder eine Kutsche verloren. Ich brauche Haggertys Hilfe.« Der Offizier versprach, den Chiefscout sofort loszuschicken, sobald die Besprechung bei Howard beendet war. Jeffords verließ das Fort, ritt zur Paßhöhe hinauf und wurde von seinen Freunden lautstark begrüßt. »Buck und Larry sind hier«, sagte Burt Kelly, »sie lungern im Stationsraum herum und fallen Walker auf den Geist. Er ist ganz verrückt nach ihren dämlichen Spielchen mit den Colts.« Kelly schüttelte den Kopf und murmelte etwas von verdammten Revolvermännern, die gerade noch gefehlt hätten, um den Topf zum Überkochen zu bringen. Jeffords warf dem knorrigen Burt die Zügel zu und stapfte zum Haus. Als er die Tür öffnete, starrte er in zwei Revolvermündungen. Buck Tinatra und Larry Osborne hatten blitzschnell ihre Colts aus den Halftern gezaubert, als Jeffords eintrat. Norbert Walker stand ein paar Schritte neben den beiden und beobachtete sie genau. »So macht man das, Norbert«, sagte der blonde Larry. 22
»Schnell fest zupacken, den Daumen auf dem Hahnsporn«, fügte Buck hinzu. Walker packte zu, umklammerte den Griff seines Revolvers wie einen Hammerstiel und zerrte die Waffe aus dem Halfter. Jeffords lachte laut und rief: »Das sieht ja prächtig aus, Norbert! Wenn du so weitermachst, hast du Weihnachten die Mündung oben!« Beleidigt stopfte der Posthelfer die Waffe ins Halfter zurück und erwiderte: »Ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ich möchte diese beiden Revolverhelden mal sehen, wenn sie Hufeisen aufnageln.« Larry lachte und erwiderte: »An so 'nen schwierigen Job trauen wir uns nicht ran, Norbert. Dazu müßten wir erst mal üben, so wie du mit dem Colt.« Jeffords betrachtete seinen Helfer nachdenklich. Norbert Walker war ein guter Mann, ein ausgezeichneter Schütze. Nur haperte es mit dem blitzschnellen Ziehen des Revolvers. »Hör mal«, sagte der Postmeister bedächtig, »warum wirfst du nicht mit Hufeisen? Damit kannst du einem Gegner auch Wunden beibringen, vielleicht sogar den Schädel einschlagen. Und wenn du nicht triffst, ist er zumindest so verblüfft, daß du ihn niederschlagen kannst.« Walker schnaubte verächtlich und verließ den Stationsraum. »Jetzt hast du ihn beleidigt«, stellte Buck Tinatra fest und fuhr sich mit der Linken über die schwarzen Haare. »Was treibt dich überhaupt hierher zum Paß?« Jeffords zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Geronimo«, erwiderte der Postmeister, »wir haben wieder eine Kutsche verloren. Hank wird tot sein. Floyd ist schwer verletzt. Er und ein Passagier verdanken Cochise ihr Leben. Der Jefe und Naiche müssen die beiden dicht zu den ersten Häusern Tombstones gebracht haben.« Buck und Larry wirkten auf einmal sehr hart und wachsam. 23
Weder in ihren Augen noch in den Gesichtern war etwas von der Fröhlichkeit zurückgeblieben, die sie vor ein paar Minuten noch verspürt hatten. »Was hast du vor?« fragte Buck. »Wir waren unterwegs. Alles schien friedlich.« »Ich weiß es noch nicht genau«, erwiderte Jeffords mit müder Stimme. »Zuerst möchte ich mit Haggerty reden. Er war bei Howard in einer Besprechung. Wir treffen uns im Tal der Steine.« »Wann?« fragte Larry. »Sicher nicht vor morgen. Wir reiten bei Sonnenaufgang los. Ihr seid meine Patrouillen auf den Strecken. Vielleicht habt ihr doch was bemerkt. Warten wir ab, was Haggerty sagt.« Die Nacht verlief ungestört. Thomas Jeffords erwachte, als im Osten der erste grau schimmernde Lichtstreifen über den Horizont zog. Larry und Buck waren schon auf den Beinen. Aus der Küche drang verlockender Duft nach gebratenem Schinken, Eiern und Kaffee. Burt Kelly trug eine blaue Schürze, die bis auf die Stiefel hinabhing. Walker kümmerte sich im Stall um die Pferde, überprüfte die Eisen, das Lederzeug und die Sättel, bevor er sie auflegte. Als Jeffords und seine beiden Streckenreiter die Station verließen, war alles für sie bereit. Sie saßen auf, nickten Walker zu und preßten den Tieren die Absätze in die Flanken. »Laßt euch nicht von Geronimos Kriegern erwischen«, rief Walker ihnen nach. »Würde mir leid tun.« Es dauerte nicht lange, bis die Reiter das Tal der Steine erreichten. Der Einschnitt in den Felsen hieß bei den Apachen so, weil der Boden mit kopfgroßen Geröllbrocken übersät war, die eine fast vollkommene Kugelform besaßen. Woher diese Steine stammten, vermochte niemand zu sagen. Büsche wucherten aus Felsspalten, in die der Wind Erde geweht hatte. Bergwacholder reckte seine Zweige nach oben, 24
der Sonne zu. Und Katzenklauenakazien standen dicht an den Felswänden des Tales. Dort sammelte sich die Feuchtigkeit und bot den Gewächsen genügend Nahrung. »Haggerty ist schon da«, sagte Jeffords und deutete nach vorn. Ja, der Chiefscout saß im Sattel seines Falben. Das Pferd stand inmitten hüfthoher Geröllbrocken. Hinter dem Tier ragte die Steilwand hoch auf. Schmale, kaum handbreite Schrunden und Risse vermochten höchstens einer Bergziege Halt zu bieten, oder einem Apachen. »Haggerty, ich brauche Hilfe«, sagte der Postmeister, nachdem sie sich begrüßt hatten, und berichtete, was am vergangenen Tag geschehen war. Ernst nickte der Scout, als Jeffords schwieg. »Geronimo ist Gift für dieses Land und für die Krieger«, sagte der Chiefscout. Er war Cochises Freund, genau wie Thomas Jeffords. Falke nannte der große Häuptling den Fährtensucher. »Ich fand bei den Verwundeten etwas, das auf Cochise hinweist«, fuhr Jeffords fort. »Es ist nicht für mich bestimmt.« Er zog den kleinen Lederbeutel aus der Hemdtasche und reichte ihn Haggerty. Der Scout wog ihn ein paar Sekunden in der Hand, ehe er die Schnur löste und die Perle herausholte. Jeffords bemerkte die Veränderung, die in dem Scout vorging. Haggerty starrte die Perle an, fuhr mit der Fingerkuppe über die glänzende Oberfläche und streichelte die Haarschnur, während er in unendliche Fernen zu starren schien. Der Blick des Scouts wirkte irgendwie verloren, als er an Tla-ina dachte, Cochises Schwester. Haggerty wußte nicht, ob je die Zeit kommen würde, in der er dieses Mädchen zu sich holen durfte. Sie liebte ihn, den Weißen, den Eindringling. Und er spürte sie in seinem Blut, wußte, daß er nicht auf die Schwester des großen Jefes verzichten konnte. 25
Alles sprach gegen eine solche Verbindung. Es gab für John Haggerty nur eine Möglichkeit: er mußte selbst zum Apachen werden. Wurde er von Cochise in den Stamm der Chiricahuas aufgenommen, stand der Verbindung zu Tla-ina nichts mehr im Wege. Doch dann war John kein Weißer mehr. Noch vermochte er nicht, diese Entscheidung zu treffen. Niemand wußte, nicht einmal er selbst, ob es je dazu kommen würde. Er fing sich wieder, verbarg die Perle sorgfältig in dem Lederbeutel und steckte diesen in die Innentasche seiner Jacke. »Ja, Geronimo ist Gift, wütendes Feuer und ein tollwütiger Wolf«, fuhr Haggerty fort, als sei nichts gewesen. »Wir wissen nicht, wie wir den Krieger aufhalten sollen. Ich sprach gestern mit Howard. Ich bin Chiefscout, gut. Ich kenne mich mit den Apachen besser als jeder andere aus, auch gut. Und was nutzt uns das? Nichts, Jeffords, überhaupt nichts. Meine Freundschaft mit Cochise bewahrte uns bisher vor einem offenen Krieg. Das ist auch alles. Wir müssen neue Wege einschlagen.« Larry Osborne zog die Brauen hoch. »Welche Wege?« fragte der blonde Kämpfer. »Ich habe eine Idee«, erwiderte Haggerty, »aber das ist alles noch nicht soweit, daß ich mich entscheiden kann.« »Reden Sie doch, vielleicht können wir helfen, etwas dazu beisteuern«, forderte Jefford den Scout auf. Aufmerksam musterte Haggerty die drei Männer. Er kannte sie gut genug, um ihnen vertrauen zu können. »Ich verlasse mich darauf, daß ihr schweigt«, sagte er. »Ich habe General Howard vorgeschlagen, mich aus der Army zu entlassen. Natürlich arbeite ich weiterhin für ihn. Das Land muß endlich zur Ruhe kommen. Solange ich aber von Vorschriften und Befehlen eingeengt bin, vermag ich nicht genug zu tun. Ich will als freier Mann durch den Südwesten reiten, dort eingreifen, wo es nötig ist. Ich möchte mit Cochise ständig unterwegs sein, alles beobachten und zupacken, wo der 26
Friede gebrochen wird. Dabei ist es gleichgültig, wer für Ärger sorgt, Indianer oder Weiße oder Mexikaner.« Jeffords überlegte kurz und erwiderte: »Ein verwegener, ein guter Plan. Wie stellt sich Howard dazu?« »Das ist es ja«, rief Haggerty, »er zaudert, windet sich, kommt einfach zu keiner Entscheidung.« Der Scout schwieg, hob den Kopf, als wittere er und beobachtete die Steilhänge der Talwände. »Wir sind nicht allein«, behauptete Haggerty plötzlich. Langsam zog er seine Winchester aus dem Scabbard und legte den Hahn mit dem Daumen zurück. Jeffords und seine Freunde hielten innerhalb einer Sekunde ihre Gewehre ebenfalls schußbereit in den Fäusten. Buck und Larry ließen die Pferde angehen, ritten zwei Längen zur Seite und bildeten so mit Haggerty und Jeffords gemeinsam einen Halbkreis vor der Felswand. »Dort oben, auf der anderen Seite«, sagte der Scout. »Neben der Sommerzypresse.« Zwei braunhäutige Männer glitten wie Schemen über die schmalen Vorsprünge. Metall glänzte im Sonnenlicht auf. Die Krieger trugen moderne Gewehre. Geschmeidig turnten die Apachen höher, erreichten die Steilkante und verschwanden. »Chiricahuas?« fragte Buck Tinatra. »Nein, sicher nicht«, antwortete Haggerty, »ich glaube, es waren Mimbrenjos. Geronimo heckt eine neue Teufelei aus, Jeffords. Wie kann ich Ihnen helfen? Ihre Kutschen sind nicht mehr sicher.« Der Postmeister preßte die Lippen zusammen. Am liebsten würde er Cochise um Hilfe bitten und sagte das auch. »Er wird nicht helfen«, erwiderte der Scout. »Der Jefe ist ein kluger Politiker. Er kann seine Macht nicht gefährden. Stellt er sich ganz offen auf unsere Seite, übernimmt Victorio die Führung. Und dann überzieht er den Südwesten mit Mord und Feuerbrand.« 27
Jeffords nickte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als jede Kutsche durch bewaffnete Begleiter zu sichern. »Buck und Larry, ihr fahrt mit dem nächsten Wagen nach Tombstone. Nehmt Gewehre und genügend Munition mit. Es geht nicht mehr anders. Ich bin für das Leben der Passagiere, der Kutscher und die Fracht verantwortlich. Wir müssen Geronimo zeigen, daß wir es auf eine große Auseinandersetzung ankommen lassen.« »Und die Strecken?« fragte Larry, »wie sollen wir beobachten und Nachrichten bringen, was sich unterwegs ereignet?« »Das ist jetzt unnötig«, sagte der Scout. »Jeffords hat recht. Der Mimbrenjo muß erkennen, daß der Spaß zu Ende ist, daß wir zurückschlagen.« »Wir?« fragte Buck gedehnt. »Ja, wir«, erwiderte Haggerty nachdrücklich, »ich fahre ebenfalls mit. Jede Waffe mehr ist von Vorteil.« Er hob abermals den Kopf, blickte zum jenseitigen Zugang des Tales und kniff die Augen ein wenig zusammen. »Wir bekommen Besuch«, sagte er. »Hufschlag, zwei Pferde.« Nun hörte auch Jeffords die Tiere. Es mußten Indianerponys sein, denn kein Klingen von Eisen war zu vernehmen, nur das leise Tacken der Hufe auf dem felsigen Untergrund. »Cochise«, sagte Larry Osborne erstaunt, als er die beiden hochgewachsenen Reiter erkannte. Wenig später verhielten der Jefe und Naiche ihre Mustangs vor den Weißen. »Falke, Hellauge«, sagte der Häuptling, »und zwei der besten Krieger treffen sich hier. Ihr seid unvorsichtig, wißt ihr das nicht?« »Als wir die beiden Späher entdeckten, gaben sie auf«, erwiderte der Scout lächelnd. »Geronimo erfährt nicht, was wir planen.« 28
»Sie gaben auf, weil wir in der Nähe waren«, erwiderte Naiche lächelnd. »Werden wir eure Pläne kennenlernen?« Jeffords hielt die Gelegenheit für günstig. Vielleicht half der Chief doch, wenn er ihn darum bat. Denn immerhin lag auch Cochise der Friede am Herzen. »Cochise, die Mimbrenjos lauern meinen Kutschen auf«, sagte der Postmeister. »Gestern verlor ich wieder einen Wagen. Du weißt es. Ihr wart in der Nähe. Nur dir und Naiche haben die beiden Manner ihr Leben zu verdanken. Ich bitte dich um deine Hilfe, Cochise.« Der Häuptling sah Jeffords lange an. Die schwarzen Augen in dem reglosen Gesicht wirkten ausdruckslos, verrieten nichts von dem, was gerade in Cochises Kopf vorging. »Wie soll die Hilfe der Chiricahuas aussehen, Hellauge?« fragte der Häuptling aufmerksam. »Wenn ein paar Rotten deiner Krieger jede Kutsche begleiten«, sagte Jeffords langsam, »schreckt das die Mimbrenjos ab. Sie werden doch sicher keinen Kampf mit deinem Stamm beginnen. Und die Kutschen sind sicher.« Naiche starrte den Postmeister an und verzog das Gesicht. »Weißer Mann, Hellauge, warum sollten die Apachen euch schützen?« fragte Cochises Sohn. »Dies ist unser Land. Beschützt du den Feind, der in dein Haus eindringt! Hilfst du deinem Feind, der dir dein Haus stehlen will, gegen deine Brüder, die sich wehren? Nein, Hellauge, das darf nicht sein.« Jeffords blickte den großen Häuptling an und wartete. Der Postmeister verspürte die Hoffnung, daß Cochise auf seinen Vorschlag einging. Endlich antwortete der Häuptling. Er blickte in weite Ferne, während er sprach. »Du willst den Frieden, Hellauge«, sagte er, »ich auch. Aber deine rollenden Jacales bringen immer Menschen deiner Rasse in unser Land. Und jedes Bleichgesicht, das seinen Fuß hierhersetzt, will bleiben. Jeden Tag stehlen uns die Weißen 29
ein Stück Land. Ich habe nur wenig gute Menschen unter euch gefunden. Du verstehst mich, ich weiß es. Ich kann nicht für wenige viel opfern. Die rollenden Jacales sind dein Problem, Hellauge, nicht das meine. Ich kann meinen Kriegern nicht befehlen, gegen ihre Brüder zu kämpfen. Denn dann zerbricht der Friede, und die Apachen führen untereinander Krieg.« Die Antwort lautete also nein. Jeffords senkte den Kopf. Er verstand Cochise. Der Häuptling wollte die Stämme geeint halten. Noch wog sein Wort schwer, sehr schwer in den Ratsversammlungen der Alten. Stellte er sich jedoch gegen die eigene Rasse, schwand Cochises Macht wie Schnee im Sonnenglast. »Es bleibt also dabei, daß Larry, Buck und ich die Kutschen durch die Ebene begleiten«, sagte Haggerty. Er lächelte hart. Ein gefährlicher Funke tanzte in seinen Augen. »Wir wehren uns gegen alle Angreifer, Jefe«, sagte er laut. »Auch gegen Krieger deines Stammes, sollten sie gemeinsame Sache mit den Mimbrenjos machen.« »Ich habe nichts dagegen«, erwiderte Cochise. »Ich reite jetzt. Wir sehen uns wieder.« Naiche und der große Häuptling zogen ihre Pferde herum. Die Mustangs trabten an. Wenige Minuten später verschwanden die Tiere in der engen Schlucht des Talausganges. »Also los, zum Paß hinauf«, sagte Jeffords. »Ihr wartet auf die Kutsche nach Tombstone und fahrt sofort mit. Ich bleibe in der Station. Sie ist gefährdet, wenn Geronimo mit seiner Horde umherstreift.« * Einige Stunden später drang wüstes Fluchen an die Ohren der Männer, die in der Station warteten. Räder knarrten, und ein 30
Pferd wieherte laut. »Na endlich«, sagte Burt Kelly, »wurde aber auch Zeit.« Der Posthelfer lief ins Freie. Auf dem Bock der schweren Kutsche saßen Ted Riley als Fahrer und Jack Vance als Begleiter. »Apache Paß, eine halbe Stunde Aufenthalt!« brüllte Ted und riß den Bremshebel zurück, nachdem er das Sechsergespann gezügelt hatte. Er kletterte steifbeinig vom Bock herab und baute sich vor Burt Kelly drohend auf und sagte: »Wenn du mir hier solche Mistviecher wie diese elenden Klepper einspannst, Burt, ziehst du bei der Rückfahrt selbst im Geschirr. Das verspreche ich dir. Diese Böcke sind ja selbst zum Schlafen zu lahm. Wie sollen wir den Apachen davonsausen, he?« »Reg dich nicht auf, Schwachkopf«, antwortete Burt. »Du solltest erst mal lernen, wie man mit so einen Pferdchen umgeht. Ein schlechter Kutscher ruiniert das beste Gespann. Weißt du das nicht?« Ted lief knallrot im Gesicht an. Er gehörte zu den besten Fahrern der Gesellschaft und wußte das auch. Ehe er jedoch Burt Kelly drei Dutzend Flüche und Beleidigungen an den Kopf werfen konnte, trat Norbert Walker näher. »Mann, wer hat dir denn diese Klepper angedreht, Ted?« fragte er. Riley grinste plötzlich, deutete auf Burt und rief: »Und der Narr da will mir erzählen, daß es gute Deichselpferde sind!« »Er hat doch keine Ahnung«, sagte Walker lässig. »Wie viele Plätze sind noch frei?« »Bekomme ich hier neue Passagiere?« fragte Ted erstaunt. Er zog die buschigen Brauen dicht zusammen. Riley wußte, was das zu bedeuten hatte. Und dabei war ihnen während der ganzen Fahrt kein Apache über den Weg gelaufen. »Drei Männer fahren mit«, fuhr Walker fort. »Larry, Buck und John Haggerty.« 31
Ted pfiff schrill durch die Zähne. Wenn der Chiefscout selbst mitwollte, stank es meilenweit nach Verdruß. »Ich fahre nur zwei Männer durch die Gegend«, sagte Riley. »Es scheinen Goldsucher zu sein.« Jeffords ging zur Kutsche, nickte Fahrer und Begleiter zu, öffnete den Wagenschlag und stieg auf den Eisenbügel, der als Stufe diente. »Wir wollen nicht raus«, sagte ein älterer Mann, dessen Gesicht faltig und verwittert aussah. »Gentlemen«, antwortete Jeffords ernst, »es wäre besser, Sie blieben hier in der Station. Die Apachen machen die Gegend unsicher. Ich rechne mit einem Angriff auf diese Kutsche.« Der Ältere grinste und hielt plötzlich einen Revolver in der Rechten. »Die sollen nur kommen«, sagte der Passagier grimmig, »wir werden ihnen das rote Fell voll Blei pumpen.« Jeffords sah sich den jüngeren Mann eingehend an. Er saß gegenüber auf der gepolsterten Bank und hörte gleichgültig zu. »Was ist mit Ihnen, Mister?« fragte der Stationsleiter. »Mein Sohn bleibt ebenfalls«, erwiderte der Alte. »Er schießt genauso gut wie ich.« »Wie Sie wollen. Ich habe Sie gewarnt.« Jeffords ließ die Tür offen und ging davon. Die beiden Fahrgäste erweckten wirklich den Eindruck, sie könnten ihr Leben erfolgreich verteidigen. Haggerty, Buck und Larry marschierten zum Wagen. Außer den Gewehren trugen die drei Männer kaum Gepäck. Sie wollten durch nichts behindert werden, wenn es zum Kampf kam. Lediglich einen flachen Beutel mit Munition, ein paar Streifen Trockenfleisch und Wasserflaschen führten sie mit. »Gibt's 'nen Krieg, Leute?« fragte der faltige Alte, als die neuen Fahrgäste einstiegen. »Verlaß dich drauf«, erwiderte Larry Osborne, »und ihr werdet dann dienstverpflichtet.« 32
»Hihihi, für die Army habe ich nicht viel übrig«, erwiderte der Alte. »Auch nicht für deinen Skalp?« erkundigte sich Buck freundlich. »Um den geht's nämlich, Mister.« Statt einer Antwort holten die beiden zahlenden Fahrgäste ihre Colts aus den Halftern und überprüften die Waffen. Endlich standen neue, ausgeruhte und kräftige Pferde in den Geschirren. Ted Riley schwang sich auf den Bock, wartete auf Jack Vance, den Begleiter und brüllte: »Es geht weiter Leute, in die Ebene hinab, zu den Apachen. Bereitet euch darauf vor, gegen eine Meute blutgieriger Teufel zu kämpfen. Hoooo, zieht an, ihr Böcke!« Die Kutsche rollte zum westlichen Hang des Passes. Knirschend drehten sich die Eisenreifen auf dem felsigen Boden. Larry sah Jeffords' sorgenvolles Gesicht. »Thomas steckt mächtig in der Klemme«, sagte Osborne zu seinem Freund. Sie kannten sich schon lange, auch den Postmeister. In Kansas waren sie vor Jahren zum erstenmal zusammengetroffen. Die beiden Revolverkämpfer blieben unzertrennlich. Und als Jeffords Hilfe benötigte, holte er seine beiden verwegenen Freunde, die er als ausgezeichnete Kämpfer in Erinnerung behalten hatte. Gleichmütig saß Haggerty in der Ecke. Er spürte förmlich, daß diese Fahrt ungewiß enden würde, daß ein harter Kampf auf sie wartete. Wie alle Männer der Wildnis verfügte der Scout über einen feinen Instinkt für Gefahr, für Situationen, die ihm das Leben kosten konnten. Und seine Ahnungen ließen ihn nie im Stich, täuschten ihn niemals. Daher war er sicher, daß die Apachen bereits auf der Lauer lagen, die Beute erwarteten. Langsam rollte der Wagen die Straße zur großen Ebene 33
hinab. Immer wieder zügelte Ted Riley die Pferde, die voranstürmen wollten, denn nun fuhr die Last hinter ihnen fast von allein. Aber der Kutscher wußte, daß die Kraft der Tiere unten gebraucht wurde. Wenn es darum ging, den Angreifern davonzufahren, benötigten die Deichselgäule jede Menge Energie. Die Butterfield-Kutsche erreichte das flache Land, das im grellen, heißen Schein der Mittagssonne lag. Überall blitzten Sandkristalle auf, waberten Hitzeschleier über den festgebackenen Boden und gaukelten den Männern auf dem Bock Trugbilder vor. Riley und Vance kannten sich in diesem Gebiet aus. Sie fielen nicht mehr auf die Visionen von weiten, flachen Lagunen herein, die so manchem Greenhorn zum Verhängnis wurden. »Wann kommen die roten Brüder?« fragte der mundfaule Jack. »Bald, wenn sie kommen«, antwortete Ted und packte die Zügelriemen fester. Es sollte nicht mehr lange dauern. Der Hang des Passes lag vielleicht fünf oder sechs Meilen hinter der Kutsche, als es geschah. Ein Dutzend mächtige Orgelpfeifenkakteen erweckte Jacks Aufmerksamkeit. Als er letzte Woche diese Strecke gefahren war, standen diese Gewächse noch nicht hier. Und es war unmöglich, daß ein Kaktus innerhalb von sieben Tagen derartige Ausmaße erreichte. »Es geht los«, sagte Jack Vance in normaler Lautstärke. »Die Kakteen, Ted. Sie waren vor 'ner Woche noch nicht hier.« Durch das Knarren der Räder und Schnauben der Pferde hörten die Männer auf dem Bock, daß die Passagiere ihre Waffen schußbereit machten. Das metallische Schnappen der Gewehrhähne drang durch die kleine Öffnung, die mit Glas 34
verschlossen gewesen war, als die Kutsche neu aus der Stellmacherei gekommen war. Inzwischen hatte eine Kriegslanze der Apachen das kleine Fenster zertrümmert. »Fahren wir weiter oder stellen wir uns?« wollte Ted Riley wissen. »Wir warten ab«, erwiderte Haggerty. »Wenn's zu wild wird, werft ihr euch unter den Wagen, klar?« »Okay, mach dir mal keine Sorgen um uns, Scout«, erwiderte Ted. Und dann kamen sie! Die Wüste spuckte eine Horde roter Männer aus. Sie fuhren aus dem Sand hoch wie Kistenteufel, über die sich Kinder auf dem Jahrmarkt amüsierten. Aber dies hier war kein Spaß. Dies war tödlicher Ernst. Mehr als vier Dutzend Apachen stürmten vor. Hinter einer Bodenwelle tauchten Mustangs auf. Noch mehr Indianer griffen an. Schrille Kriegsschreie erschütterten die Luft. Immer wieder gellte der Ruf auf: »Zastee! Tötet!« »Ich nach hinten«, rief Haggerty und stieß das Glas des Heckfensters mit dem Gewehrlauf aus dem Rahmen. Schüsse peitschten scharf und grell. Die Kugeln schlugen in den Wagenkasten, fetzten Holzsplitter heraus und prallten jaulend von den eisernen Reifen der Räder ab. »Noch nicht schießen«, befahl Buck den beiden Passagieren, die ihre Revolver aus den Fenstern hielten. »Sie müssen noch näher rankommen. Wir wollen ihnen einen Bleihagel servieren.« Pfeile zischten durch die Luft. Dumpf pochten die Geschosse ins Holz. Ein Pfeil sauste durch das Fenster der linken Wagentür, dicht am Gesicht des Alten vorbei, wischte dem jüngeren Mann durch die Haare und sirrte durch die andere Tür wieder ins Freie. »Rote Hurensöhne«, brüllte der Alte und drückte ab. 35
Ein Apache fiel zu Boden, als habe ihn eine gewaltige Faust niedergestreckt. Das Kriegsgeschrei verstärkte sich. Wutgeheul klang auf, als der erste Krieger sein Leben verlor. »Los, drauf!« brüllte John Haggerty. In rasender Folge jagte er Kugel um Kugel aus dem Lauf. Immer wieder pumpte er mit dem Unterhebel frische Patronen ins Lager. Verschossen! »Anhalten!« brüllte der Scout, als die Apachen nicht aufgaben. Kreischend radierte der Bremsklotz über den Eisenreifen und gab eine Funkenspur frei, die dicht vor Larrys Gesicht entlangfegte. Haggerty lud seine Winchester auf. Als er die Waffe wieder schußbereit in den Fäusten hielt, entdeckte er Geronimo. Der Mimbrenjo saß auf einem gelben Pferd, das ein Stück abseits der Krieger stand. »Verdammt, Old Vic ist auch dabei«, sagte der Scout. »Was heißt das?« rief der jüngere Passagier durch das Krachen der Schüsse. »Daß nicht nur Rebellen in diesem Trupp sind« antwortete Haggerty. »Victorio beteiligt sich ganz offen an dem Kampf. Er legt es wohl drauf an, den Krieg wieder richtig aufflammen zu lassen.« Unter dem Wagen donnerte eine Schrotflinte, als sei ein Feldgeschütz abgefeuert worden. Die Ladung gehackter Nägel prasselte zwischen eine Rotte von einem halben Dutzend angreifender Apachen, deren Mustangs grell wiehernd ausbrachen. »Hufnägel, jawohl!« brüllte Jack Vance, »kleingehackte Hufnägel gebe ich euch zu fressen, ihr verfluchten Hunde!« Buck und Larry hatten sich ebenfalls verschossen. Ehe sie die Gewehre aufladen konnten, jagte ein weiterer Reitertrupp heran. Die beiden Kämpfer zogen die Colts und belegten die 36
Angreifer mit rasend schnellem Feuer. Jede Kugel forderte ein Opfer. Krieger fielen aus den Sätteln, tot oder verwundet, Pferde brachen zusammen, steilten auf, jagten grell wiehernd davon, und die Luft wurde von einem dumpfen Geruch nach Blut und Schweiß durchzogen. Noch eine Salve benötigten die Männer in der Kutsche. Unter dem Wagen dröhnte die Flinte des Beifahrers, und die Spencer des Kutschers hämmerte in gleichmäßigem Takt. »Sie ziehen sich zurück!« brüllte der Alte. »Die haben einstweilen genug. Ha, wenn wir so weitermachen, gibt's bei den Roten bald nur noch Squaws und Kinder.« Haggerty lud seine Waffen auf. Die Finger verrichteten ihre Arbeit automatisch, wahrend der Scout hinter den Apachen herspähte, die sich in jagendem Galopp entfernten. Tote und Verwundete ließen sie einstweilen liegen. Die Apachen wußten, daß die Bleichgesichter den Ort des Überfalls so schnell wie möglich verlassen würden. Dann hatten sie Zeit genug, ihre Gefallenen und Verletzten zu bergen. »Diese Kerle sind verdammt schlau«, sagte Haggerty zu den beiden Fahrgästen. »Vielleicht probieren sie noch ein- oder zweimal einen Überfall. Werden sie wiederum abgeschlagen, ändern sie ihre Methode. Dann geht's Farmern und Ranchern an den Kragen. So ist das hier, Mister.« Ted und Jack krochen unter dem Wagen hervor, öffneten die Türen und blickten in den Passsagierraum. »Na, alles okay?« fragte der Fahrer. »Keiner verletzt«, erwiderte Buck Tinatra, »wollt ihr hier Wurzeln schlagen? Fahrt doch endlich weiter. Oder haben die Gäule was abbekommen?« Sofort knallten die Fahrer die Türen zu und liefen zu den Pferden. Zwei der Tiere hatten Streifschüsse davongetragen. Die flachen Wunden verkrusteten bereits und bedurften keiner Behandlung. 37
Kaum eine Minute später zogen die Pferde wieder an. Die Kutsche rollte weiter, auf Tombstone zu. Geronimo und sein Häuptling Victorio hingegen zogen sich in ihr Bergversteck zurück, um die Wunden zu lecken. Die Toten mußten bestattet, die Lieder mußten gesungen werden, ehe die Rotte erneut auf Raubzug ausgehen durfte. Cochise und Naiche saßen noch lange auf ihren Pferden. Hoch oben in den Bergen, durch die der Apache Paß als einzige Verbindung für Kutschen führte, vermochten die beiden Chiricahuas die weite Ebene zu übersehen. »Sie sind zurückgeschlagen«, sagte Cochise gelassen. »Vielleicht ist ihnen das eine Warnung. Vielleicht erkennen sie, daß ein Krieg gegen die Bleichgesichter bereits verloren ist, ehe er richtig begonnen hat.« »Wir müssen wie die Schlange zuschlagen, mein Vater«, sagte Naiche, der dem Kampf mit innerer Erregung gefolgt war. »Wir sind Apachen, uns gehört die Wüste. Und wir müssen kämpfen wie seit Jahrhunderten, dann besiegen wir die Bleichgesichter.« Lächelnd schüttelte der Jefe den Kopf, eine Geste, die er den Weißen abgeschaut hatte. Naiche war noch zu jung, besaß zu wildes Blut. Für jedes Bleichgesicht, das starb, drangen drei neue in den heißen Südwesten vor. Aber die Apachen vermochten ihre toten Krieger nicht so einfach zu ersetzen. * »Ich bin gespannt, ob die Kutsche durchkommt«, sagte der hochgewachsene Wyatt Earp zu seinem Bruder Virgil. Der antwortete nicht. Seinem runden Gesicht war nicht anzumerken, ob ihn die Kutsche der Linie überhaupt interessierte. Kaum jemand vermochte die Augen der Männer zu sehen. Sie lagen tief in den Höhlen, und die Knochen unter 38
den Brauen beschatteten sie. Die beiden Earps lehnten neben der Station der Overland Mail an zwei Pfosten, die das Dach des Gehsteiges trugen. »Mach dir lieber Gedanken darüber, wie wir weiterkommen«, sagte Virgil träge. »Allmählich betrachten uns die Burschen hier mit Mißtrauen.« Wyatt grinste verwegen und erwiderte: »Verstehe ich gar nicht. Weil wir ab und zu mal Glück im Spiel haben, mehr Glück als andere, sehen uns die Narren schief an.« »Das ist es nicht allein«, sagte Virgil. »Uns sind in letzter Zeit ein paar Sachen fehlgeschlagen. Denk an unseren Ruf. Wir sind hart und verwegen, kämpfen für die Menschen hier. Mann, wir brauchen doch irgendwas Festes, eine Basis. Wir können doch nicht bis ans Ende unserer Tage von den Karten leben.« Wyatt antwortete nicht. Er war davon überzeugt, daß die Glücksgöttin auf ihrer Seite stand. Bisher war sie eben noch nicht aus dem Schatten hervorgetreten. Aber sie würde erscheinen, dessen war sich der junge Wyatt Earp gewiß. »Da, die Kutsche!« sagte er laut und deutete mit dem Kinn nach Osten. »Sie sind wahrhaftig durchgekommen.« Er fuhr sich prüfend über das zurückgekämmte braune Haar und betastete mit den Fingerspitzen den Schnurrbart. »Erwartest du 'ne schöne Lady?« fragte Virgil spottend. »Wer weiß«, erwiderte Wyatt, »vielleicht rollt dort ein Goldvögelchen heran, das nur auf mich gewartet hat.« Virgil lachte glucksend. »Die haben's aber dick bekommen«, sagte er, als er die Kutsche genauer sah. Hell glänzten die Spuren der Kugeln im Holz. Splitter stachen halb abgebrochen nach außen, und mindestens ein Dutzend Pfeile steckten noch im Wagen. Menschen liefen zusammen und starrten zu dem Wagen der Butterfield Line. Der Fahrer brachte ihn vor dem Depot zum Stehen, indem er die Deichseltiere zügelte und gleichzeitig die Bremse anzog. 39
»Tombstone, alles aussteigen«, brüllte Ted Riley, »der Spaß ist zu Ende, Gentlemen. Sie sind im wildesten Nest des Südwestens angelangt. Für Dollars können Sie hier alles bekommen, was sich ein Mensch nur auszudenken vermag.« »Gentlemen, hast du gehört?« fragte Virgil seinen Bruder. »Keine schöne Lady für uns, Wyatt.« Der jüngere Earp zog nur die Schultern hoch. Die Wagentür flog zurück. Haggerty sprang in den Staub der Straße. Larry Osborne und Buck Tinatra folgten ihm. Alle drei Männer trugen Gewehre in den Händen. »Sieh dir mal diese nachgemachten Heldensöhne an«, rief Wyatt Earp laut seinem Bruder zu. »Der mit dem schwarzen Haar denkt, er könnte mit dem Colt umgehen.« »Die anderen sind auch nicht besser«, sagte Virgil geringschätzig. »Der Wüstenwolf findet sich vielleicht im Sand zurecht und kann damit werfen, ansonsten ist doch nicht viel mit ihm los.« »Er ist aber ein Indianerfreund, Bruder, weißt du das nicht?« sagte Wyatt noch lauter. »Wer weiß, vielleicht bekommen die verdammten Rothäute von ihm die guten Tips, wo es was zu holen gibt.« Larry Osborne wandte sich den Earps zu, denen sie bereits mehrmals begegnet waren. Fast immer hatten die Männer auf verschiedenen Seiten gestanden. Alle Aktionen der beiden Brüder waren fehlgeschlagen. Sie hatten sich zwar einen Namen gemacht, aber keinen Ruf dabei erworben. Sie hatten sich in letzter Zeit zu ihrem Nachteil verändert. »Du Maulheld«, sagte Larry verächtlich, »alles, was du kannst, ist, die Lippen zu bewegen und dumm zu krächzen. Verschwinde doch in einem Saloon, Wyatt Earp.« Der hochgewachsene Mann spannte sich, machte einen kurzen Schritt und stand am Rande des Gehsteiges. Wyatts Rechte schwebte dicht über dem Griff des Revolvers. »Sieh mal, Buck, er versucht sich als Revolvermann«, rief 40
Larry und lachte verächtlich auf. »Er steht da, wie einer, der gerade in die Hose gemacht hat.« Earp preßte die Lippen zusammen. Das reichte. Diesem großmäuligen Kerl wollte er eine Lektion erteilen. »Er ist doch nur ein Coltschwinger, zweitklassig«, sagte Buck Tinatra. »Vielleicht kann er mit den Karten tricksen, aber das ist auch alles. Er ist doch nur ein Betrüger und Kartenhai Larry. Laß ihn doch spinnen.« »Halt!« rief Wyatt scharf. »So kommt ihr mir nicht davon.« Virgil glitt einen Schritt zur Seite. Von der Trägheit seiner sonstigen Bewegungen war nichts mehr zu sehen. Die beiden Passagiere kletterten aus der Kutsche, betrachteten die Situation und wichen seitlich aus. Eine Schießerei schien unvermeidlich zu sein. »Los jetzt«, sagte Wyatt Earp scharf, »ich will es wissen, ihr nachgemachten Revolvermänner.« »Das sieht dir ähnlich«, erwiderte Larry. »Warum fährst du denn nicht mal in einer Kutsche mit? Dann hast du Gelegenheit genug, dich abzukühlen und deine Schießkünste zu zeigen.« »Die besitzt er doch nicht«, warf Buck ein. John Haggerty griff ein. Er wußte, daß sich Tinatra und Osborne nicht mit den Earps vertrugen. Diese Männer waren wie Feuer und Wasser. Obwohl sie alle über Mut und Verwegenheit verfügten und vielleicht ausgezeichnete Kämpfer waren, bestand gegenseitig eine merkwürdige Abneigung. So war das eben in diesen Zeiten: Männer trafen sich, spürten, daß sie zueinander paßten und trailten gemeinsam Monate oder Jahre durch das wilde Land. Verspürten sie aber Abneigung, gingen sie sich aus dem Weg. Nur war das hier nicht möglich. Denn immer wieder stießen Osborne und Tinatra auf die Earps. John Haggerty marschierte einfach vorwärts, stellte sich genau in die Schußlinie und zog die Winchester an die Hüfte. »Verschwinde, du Wüstenratte«, sagte Virgil laut, »oder du 41
bekommst auch Blei zu schmecken.« »Schluß damit«, befahl der Scout scharf. »Ihr seid wohl übergeschnappt. Wir haben unterwegs gegen vier Dutzend blutgierige Apachen gekämpft, und ihr fangt hier einen sinnlosen Streit an. Wenn ihr Abkühlung braucht, reitet doch in die Ebene hinaus. Ich bin sicher, daß ihr eine Menge Spaß bekommt. Vor allem jetzt, da die Apachen ihre Wunden lecken. Zwei Skalps wie eure kommen ihnen gerade recht.« Larry und Buck nickten sich zu. Sie drehten sich um und stapften zum Eingang des Depots. Sie ließen die Earps einfach stehen. Wenn die Brüder jetzt feuerten, war das Mord. Und das würden sie nicht wagen, denn zu viele Menschen warteten auf den Ausgang des Streites. Als Tinatra und Osborne im Depot verschwunden waren, wandten sich Wyatt und Virgil ab. Langsam gingen sie davon Die Zuschauer zerstreuten sich. Eigentlich waren sie alle gekommen, um die zerschossene, beschädigte Kutsche anzustarren. Doch dann war ihnen noch bessere Unterhaltung geboten worden. * Haggerty wartete, bis die kampflustigen Earps in einem Saloon verschwanden, ehe er in die Station ging. Larry und Buck berichteten bereits, was geschehen war. Die Kutsche sollte erst ausgebessert werden, bevor sie weiterfuhr. Bei ihrer Rückkehr nach Tombstone würden Haggerty und die beiden Streckenreiter der Linie wieder bis zum Apache Paß mitfahren. Denn John glaubte, daß der gefährlichste Abschnitt die große Ebene zwischen den Chiricahua Mountains und der Minenstadt war. Die Männer überprüften ihre Waffen, ergänzten die Munitionsvorräte aus dem Lager der Kutschenlinie und 42
beratschlagten, wie sie den Abend verbringen sollten. »Wir nehmen ein paar Whiskys in einem Saloon«, schlug Larry vor. »Wird sicher Spaß machen, mal wieder Musik zu hören und zu sehen, wie die Goldsucher die Saloonschwalben über die Tanzfläche schwenken.« »Wie sie ihnen auf die Füße treten, meinst du wohl«, erwiderte Buck. Auch Haggerty war einverstanden. Schlafen würden sie im Depot. Das Hotelzimmer konnten sie sich sparen. Am frühen Abend, nachdem sich die drei Männer den Staub aus den Kleidern geklopft hatten, gingen sie auf die Allen Street. »Norden oder Süden?« fragte Buck Tinatra grinsend. »Süden? Du mußt übergeschnappt sein«, erwiderte Larry. »Denkst du, ich will vertrockneten Ladies beim Einkaufen von Nähgarn zuschauen? Zur Nordseite, Partner. Dort ist was los!« So war es wahrhaftig. Die Allen Street bildete die Grenze zwischen den sogenannten ordentlichen, ehrbaren Bürgern und dem Teil der Stadt, in dem zügelloses Leben herrschte. Südlich gingen die Pfeffersäcke ihren täglichen Geschäften nach. Aber auf der anderen Seite der Straße standen Saloons, Spielhöllen und Tanzhallen dicht an dicht, denen sich das Viertel der willigen Girls anschloß. In Tombstone war wirklich für Geld alles zu haben, was ein Mensch nur begehren konnte. Larry steuerte auf Billy Kings Saloon zu. Er gehörte zu den etwas besseren Amüsierpalästen, besaß sogar eine erste Etage, in dem King wohnte. Seine Angestellten und Tanzgirls lebten ebenfalls dort oben in kleinen Zimmern, die er ihnen vermietete. Die eleganteste Gestalt im Saloon war ohne Zweifel Charley Recanzone. Er vereinigte die Fähigkeiten eines großartigen Barkeepers mit denen eines gerissenen Spielers. Als Larry, Buck und Haggerty eintraten, ein paar Sekunden 43
lang bewundernd die prachtvolle Einrichtung musterten, spielte Charley gerade Bankhalter an einem mit grünem Filz bezogenen Kartentisch. »Auch das noch, die Earps«, sagte Larry, als er die Pokerpartner am Tisch gemustert hatte. »Ich wette, es gibt wieder Ärger.« »Aber nicht mit uns, Freunde«, sagte Haggerty entschlossen. »Wir halten uns raus. Immerhin ist unser Job wichtiger als alles andere.« Recanzone zwirbelte seine Schnurrbartenden, ehe er die Karten zusammenfegte und in rasendem Tempo mischte. In gleichmäßigem Takt flogen die Kartonstückchen über den Filz und landeten genau eine Handbreit vor den Spielern. Es ging um eine Menge Dollars, stellte Buck fest, der vom Tresen aus immer wieder zum Pokertisch hinüberschielte. Das Orchestrion hämmerte plötzlich los. Sofort stürzten sich zwanzig schmutzige Digger auf die Tanzgirls. Sekunden später stampften die vergnügungssüchtigen Goldsucher über die Tanzfläche. Die Mädchen kreischten, wenn ihre Partner ihnen auf die Zehen traten oder dorthin kniffen, wo sich die Rundungen besonders angenehm anfühlten. Recanzone gewann die Partie für die Bank und strich die Dollars ein. Immer mehr Betrieb herrschte an der Theke. Charleys Geschick wurde erforderlich, die übrigen Keeper so zu leiten, daß sie alle Wünsche der Gäste erfüllten. Er verabschiedete sich von seinen Pokergegnern und ging zum Tresen. Die Earps hatten verloren, ziemlich viel sogar. Verdrossen hantierte Wyatt mit den Karten, ließ sie von der linken in die rechte Hand flirren und blickte sich um. Unter dem Tisch stieß er gegen den Fuß seines Bruders. Virgil blickte auf und schien sofort zu wissen, was Wyatt vorhatte. Ein zerlumpt gekleideter Digger schaute geradezu gierig auf die Karten. 44
Larry, Buck und Haggerty verstanden nicht, was am Spieltisch gesagt wurde. Der Lärm des Orchestrions übertönte auf diese Entfernung die Worte der Männer. Der Zerlumpte setzte sich, nachdem er einen prall gefüllten Lederbeutel gezeigt hatte. Ein weiterer Goldsucher holte vom Tresen die Waage, die in dieser Zeit in jedem Saloon der Boomtown Tombstone zu finden war. Oft genug bezahlten die Digger ihre Drinks mit Goldstaub oder Silberbrocken. Und manch ein Barkeeper hatte die Grundlage zu seiner weiteren Existenz damit gelegt, daß er seine Fingernägel besonders lang wachsen ließ, damit immer etwas Staub oder Goldflitter hängenblieb, wenn er eine Prise zum Wiegen aus den Beuteln der Prospektoren nahm. Außer den Earps saßen weitere drei Männer am Kartentisch. Wyatt mischte fast so geschickt und schnell wie vorhin Charley Recanzone und teilte die Karten aus. Eine Weile wanderten die Gewinne hin und her. Plötzlich aber steigerte Virgil immer höher, drückte selbst seinen Bruder aus dem Spiel und saß schließlich nur noch einem Spieler gegenüber, der eisern mithielt. Endlich lagen die Karten auf dem Tisch. Virgil Earp deckte vier Könige und ein As auf. Unendlich langsam stand der zerlumpte Goldgräber auf, schlug seine hüftlange Jacke zurück, die eigentlich nur noch aus Löchern bestand, und riß den Colt aus dem Halfter. »Du verdammter Betrüger!« brüllte der Digger, »wie kannst du ein As auf der Hand halten, wenn ich alle vier Asse habe?« Virgil Earp saß reglos. Seine Hände lagen auf dem Filztuch. Dies war Wyatts Sache. Er mußte eingreifen, denn bewegte Virgil auch nur eine Fingerspitze, drückte der wütende Digger sicher ab. »Diese verdammten Falschspieler«, sagte Larry Osborne zornig und verächtlich zugleich. »Sie bringen die Hölle über Tombstone.« 45
»Dabei passiert hier doch schon genug«, warf Buck Tinatra ein, »Mensch, was regst du dich so auf?« fragte Wyatt Earp laut und lenkte den Digger für den Bruchteil einer Sekunde ab. Virgil warf sich zur Seite. Auf eine solche Gelegenheit hatte er gewartet und nutzte seine winzige Chance. Der Prospektor drückte ab. Dumpf wummerte der Colt. Die Kugel durchschlug die Rücklehne des Stuhles. Beißender Pulvergestank wölkte auf, überdeckte den Geruch von Bier, Whisky und Schweiß. Charley Recanzone hielt es nicht mehr hinter dem Tresen. Der Keeper und Spieler eilte mit langen Schritten zum Kartentisch. »Misch dich nicht ein«, brüllte der Digger. »Als du die Karten gabst, ging alles mit rechten Dingen zu. Dieser verfluchte Falschspieler aber versucht es mit dreckigen Tricks.« »Das ist vielleicht ein Narr«, murmelte Larry Osborne. »Als ob auch nur ein einziger Gambler fair spielt. Kein Mensch hat 'ne Chance gegen die Kartenhaie.« Wyatt hielt plötzlich seinen Colt in der Rechten. »Wenn du spannst, Maulwurf«, sagte der schnurrbärtige Mann, »bekommst du die Kugel. Verstanden?« Der Daumen des Diggers lag auf dem Hahnsporn des alten Schwarzpulvercolts. Unsicher blickte der Goldsucher die Brüder Earp an. Er entdeckte in ihren Blicken eine Gewißheit, die ihn zögern ließ. »Ihr seid Betrüger«, sagte er laut. »Jemand soll den Marshal holen.« Virgil glitt etwas schwerfällig zur Seite, gelangte neben den Prospektor und zog seinen Revolver. Die Unruhe im Gesicht des Mannes wich dem Ausdruck der Furcht. »He, ihr alle spielt doch Poker!« rief der Digger. »Zeigt den Burschen eure Colts. Wir sind doch kein Freiwild für die 46
Gambler.« Haggerty kam die Situation etwas merkwürdig vor. Er traute den Earps nicht. Aber war der Digger besser? Er benahm sich überhaupt nicht siegessicher, als sei er seiner Sache gewiß. Genausogut konnte der Goldsucher ein paar Karten zuviel ins Spiel geschmuggelt haben und versuchte nun, den Earps die Schuld aufzuladen. Virgil bewegte sich plötzlich sehr schnell. Sein Arm zuckte hoch, wieder herab und der Digger sank zusammen, als er den Lauf an den Kopf geschmettert bekam. »Damit ist das wohl erledigt«, sagte Virgil kalt. Wyatt bedrohte die übrigen Gäste mit seinem Revolver, schien nur darauf zu lauern, daß sich jemand einmischte. Und dann sah er Osborne, Tinatra und Haggerty. »Ihr hockt einfach da rum«, schrie Wyatt, »ihr denkt gar nicht dran, irgendwas zu unternehmen, wie?« Buck Tinatra wollte hitzig aufbegehren. Er versteifte sich, seine Finger klammerten die Tischplatte, aber Haggerty hielt Buck zurück. »Warum sollen wir uns in eure Angelegenheiten mischen?« fragte der Scout ruhig. »Vor ein paar Stunden habt ihr beide uns noch beschimpft. Und jetzt erwartet ihr Hilfe von uns?« Wyatt atmete ein paarmal tief und erwiderte: »Das ist doch was anderes. Ihr kennt mich doch so gut, daß ihr wißt: wir betrügen nicht.« Haggerty lächelte bitter und antwortete: »Was ich von dir kenne, Wyatt Earp, hilft dir nicht. Du bist nicht gut für dieses Land und für die Indianergrenze im Südwesten. Etwas anderes weiß ich nicht.« Virgil Earp schien sich nicht für das Gespräch zu interessieren. Der kräftige Mann bückte sich und durchsuchte die Taschen des bewußtlosen Goldsuchers. »Da!« rief Virgil, »und hier auch noch mal! Seht euch das an. Und dieser verdammte Bursche wollte uns Betrug 47
unterschieben.« Der ältere Earp warf ungefähr ein Dutzend Karten auf den Spieltisch, die er dem zerlumpt gekleideten Prospektor aus den Taschen gezogen hatte, oder war es nicht so gewesen? Niemand vermochte das zu sagen. Denn jeder Gast und die Keeper waren dem Gespräch zwischen Wyatt und Haggerty gefolgt, niemand hatte Virgil beobachtet. »Geht uns aus dem Weg«, sagte Larry Osborne, »wir haben einen Job. Ihr dagegen setzt auf das Glück. Das verträgt sich nicht.« »Hast du was dagegen?« wollte Wyatt grinsend wissen. »Nein, aber es paßt nicht zu uns«, erwiderte Larry. »Wir sind hier, um die Strecken zu sichern. Ihr treibt euch herum wie Satteltramps, lauert auf 'ne Chance, damit ihr endlich Fuß fassen könnt. Das ist nicht unsere Art.« »Du bist ein Pfeffersack!« rief Wyatt, »ja, im Grunde deines Herzens bist du nichts anderes als ein Krämer oder Tintenkleckser. Und Kerle wie du wollen die Kutschen schützen? Da lache ich aber drei Monate lang.« »Paß nur auf, daß dir die Luft dabei nicht ausgeht«, erwiderte Buck grinsend. »Nicht, daß es um dich schade wäre, aber du drehst doch sicher durch, wenn du um Atem ringst.« Wyatt lief rot an, schien kurz vorm Platzen zu stehen. Diese verdammten Coltschwinger bildeten sich wahrhaftig zuviel ein. Vielleicht waren sie wirklich gut, vielleicht sogar hervorragende Schützen. Aber genau das machte Wyatt mächtig zu schaffen. Er vertrug keine Konkurrenz, wollte zeigen, daß er der Beste, der Größte war. »Gehen wir«, sagte John Haggerty ruhig. Er warf ein paar Münzen auf den Tisch und stand auf. »Natürlich, es wird haarig, und der Scout verschwindet«, hetzte Wyatt. »Was bist du eigentlich, Haggerty, ein Scout, ein Kämpfer oder 'ne Wüstenratte, die sich feige verkriecht, wenn es Verdruß gibt?« 48
Lächelnd wandte sich der Chiefscout dem jungen Earp zu und erwiderte: »Ich bin ein Mann, Jungchen. Das willst du erst werden. Und ich prophezeie dir, daß du mal ein guter Mann wirst. Alles, was du jetzt erlebst, wird dich formen und prägen. Du darfst nur nicht zulassen, daß du auf die andere Seite des Zaunes gerätst. Das wäre dein Untergang.« Wyatt Earp starrte den mehr als sechs Fuß großen Scout unsicher an. Der junge Kämpfer spürte, daß John seine Worte ernst gemeint hatte. Aber Wyatt wußte nichts damit anzufangen. Wie sollte er auch ahnen, daß er in wenigen Jahren schon in Tombstone das Gesetz vertreten würde? Daß die zwielichtigen Gestalten, zu denen er heute eigentlich selbst noch gehörte, ihm mit großem Respekt aus dem Weg gehen würden? Larry Osborne und Buck Tinatra, die beiden Revolverkämpfer aus Kansas, standen ebenfalls auf. Ihnen war der Spaß am Abend verdorben. Den Earps waren sie sowieso nicht grün, und der Zwischenfall in Billy Kings Saloon rief keine freundlicheren Gefühle in ihnen für die Earps wach. Buck, Larry und John Haggerty warteten auf die Kutsche. Auf der Rückfahrt in Richtung Apache Paß würden sie wieder die Begleiter sein. Denn Geronimo und sein Chief Victorio lauerten in der weiten Ebene zwischen den Dragoon und den Chiricahua Mountains, im Gebiet also, über das eigentlich Cochise herrschte, das seine engere Heimat war. * Die Sonne stand als blutroter Ball über dem westlichen Horizont. Feuer glühten wie lodernde Augen durch die schmalen Hochtäler der Gebirgsketten. Männer mit braunroter Haut kauerten vor den Flammen, rösteten Fleisch, legten erbeutete Maiskolben in die Glut und warteten darauf, daß sie essen konnten. 49
Unruhe entstand im Kreis der Krieger, waberte wie eine Flammenlohe durch die Reihen der Kämpfer. Das Gemurmel schwoll an. Unmut brach aus den Kriegern heraus. Sie wagten offene Kritik an ihren Führern. Ein untersetzter Apache, ein Mimbrenjo, stand auf. Er verneigte sich gegen alle vier Himmelsrichtungen, grüßte Himmel und Erde, ehe er sprach. »Geronimo«, rief er laut, »du hast uns Beute, Skalps und heißen Kampf gegen die Bleichgesichter versprochen. Allein der Kampf blieb von deinem Versprechen. Kein Skalp weht im Rauch der Hütten, keine Beute liegt neben den Feuern. Aber Bu, der Bote des Todes, fliegt eifrig von unserem Leben in das jenseitige Land und kündet dort von den Männern, die ihr Leben ließen.« Der untersetzte Krieger schwieg. Er vermochte nichts mehr zu sagen, seine Anklage gegen den selbsterwählten Führer nicht weiterhin in Worte zu fassen. Ein zweiter Krieger stand auf. Er wirkte verwegen, wild. Obwohl er die meisten Apachen um mehr als Haupteslänge überragte, klang zustimmendes Gemurmel auf, als er seine Rede begann. »Ich bin ein Mimbrenjo«, sagte der Krieger, »ich weiß, daß ich früher ein Sklave des Stammes war, daß die Krieger mich als kleines Kind im Land der Gelbhäutigen raubten. Jetzt bin ich ein Mimbrenjo. Ihr alle kennt meinen Namen. Doppelwolf heiße ich, weil ich zwei Wölfe sah, die aus einem entstanden, als ich in der Wüste hungerte. Und wie zwei Wölfe möchte ich zuschlagen, wenn es gegen die Bleichgesichter geht. Und wie die anderen Krieger glaube ich, daß wir reiche Beute machen können. Aber nicht, wenn wir die rollenden Jacales überfallen. Die Männer der Wagenlinie sind mißtrauisch. Heute bezahlten wir mit Blut dieses Mißtrauen, Geronimo. Morgen sterben wir, wenn wir weiterhin die rollenden Hütten angreifen. Das ist es, was ich sagen wollte. Es ist gut so, denn ich weiß, daß unsere 50
Führer uns zu reicher Beute und zu Skalps führen werden.« Victorio, der wilde Führer der Mimbrenjos, triumphierte innerlich. Sein Widersacher Geronimo, der ehrgeizig nach der Macht strebte, bekam seine Schranken gezeigt. Geronimo hob beide Hände, wartete, bis die Krieger schwiegen und rief in merkwürdigem Singsang: »Unsere Götter sind uns wohlgesonnen. Ich hörte ihre Stimmen. Wenn die Sonne stirbt, entdecken wir die Götter, welches unser nächstes Ziel sein muß. Krieger, ihr habt tapfer gekämpft. All unsere Freunde jagen nun im besseren Land auf goldenen Mustangs über die Halbwüste, verbringen ihre Zeit mit Jagd und Spiel und sind glücklich, obwohl sie keine Beute zu ihren Jacales brachten, obwohl die Squaws die Totenlieder singen. Aber wir sind Apachen. Uns gehört dieses Land, die Halbwüste. Und wir werden Beute machen, wie sie kein Krieger zuvor errang. Das verspreche ich euch, ich, Geronimo.« Der Krieger hatte geschickt Zeit herausgeschunden. Er blickte den Jefe an. Victorio, der ein gnadenloser Weißenhasser war, lächelte leicht. Er wußte genau, daß Geronimo jetzt Hilfe erwartete. Einerseits sorgte Geronimo für die jungen wilden Krieger, deren Blut heiß durch die Adern wallte. Andererseits strebte er die Würde des Häuptlings an, die Führung der Mimbrenjos. Und genau dies war der Zeitpunkt, an dem Victorio sein Wissen und Können in die Waagschale warf. »Hört mich an, ihr Krieger«, begann Victorio, »hört meine Worte, denn ich bin der Chief des Stammes der Mimbrenjos. Der große Geist, Usen, hat mir eingegeben, wie wir Beute erreichen werden.« Der wild aussehende Häuptling schwieg, blickte sich um und stellte fest, daß er immer noch die Krieger in Bann zu schlagen vermochte. Sie lauschten angespannt, erwartungsvoll, ja, geradezu begierig. 51
»Wir vollbringen zwei Dinge«, führte Victorio aus. »Einmal tragen wir Unruhe und Kampf in das Land, das Cochise beherrscht. Zum anderen stillen wir unseren Rachedurst und machen die bleichgesichtigen Eindringlinge nieder. Gegen Sonnenaufgang, zwei Reitstunden von den Bergen entfernt, in denen Cochises Apacheria liegt, graben weiße Männer nach Gold. Ihr alle kennt die Jacales dort.« Abermals schwieg der Jefe der Mimbrenjos, beobachtete seine Krieger und Geronimo. Der ehrgeizige Führer ließ sich nichts anmerken. Und doch entdeckte Victorio in den dunklen Augen des anderen Zorn. Zorn darüber, daß Geronimo nicht in diese Siedlung eingefallen war, die wie auf dem Präsentierteller lag wie eine Frucht, die sich jedermann nehmen konnte. »Schickt Späher aus«, befahl Victorio, »wir müssen wissen, ob Maultiertrecks unterwegs sind, ob die Bleichgesichter Verstärkung bekommen. Zählt die Männer und Frauen, die dort leben, zählt die Donnerstöcke, die sie besitzen, damit wir die Stärke unserer Gegner kennen. Und wenn wir dies alles wissen, wollen wir angreifen. Angreifen und siegen, mit Skalps und Beute in unsere Jacales zurückkehren.« Die Krieger riefen ihre Begeisterung heraus. Ein paar Männer improvisierten einen Gesang, der Victorio als den größten aller Kriegsführer rühmte. Geronimo saß mit untergeschlagenen Beinen reglos vor einem Feuer. Dem Gesicht des Mimbrenjos war keine Regung anzumerken. Und doch wußte der Jefe, daß der Zorn in dem ehrgeizigen Krieger loderte. Darum schoß Victorio gerade jetzt seinen zweiten Pfeil ab. »Wir brauchen Krieger«, rief er, »Krieger und Weiber. Also nehmen wir die weißen Squaws gefangen, treiben sie zusammen wie Mustangs in den Tälern der Berge. Die Kinder sollen Brüder unserer Kinder werden, sollen lernen, wie Apachen zu leben, zu kämpfen und zu sterben. Unser Stamm 52
muß stark werden, stärker als alle anderen Sippen. Nur wenn wir mehr Köpfe vereinigen als die anderen, können wir die Führung übernehmen und endlich zum großen Krieg gegen die Weißen aufrufen und diesen Krieg gewinnen.« Die Begeisterung riß Victorios Krieger zu schrillen Schreien hin. Dumpfer Trommelschlag dröhnte plötzlich auf. Getrocknete Kürbisse schlugen gegeneinander, und die Rasseln zischten scharf. Das Jaulen einer Apachenfiedel fiel ein, und ein Dutzend der roten Wüstenkämpfer stampfte im Takt der Musik um die Feuer. Doppelwolf, der Mexikaner, der als Kleinkind zu den Mimbrenjos gekommen war, verspürte sein Blut schnell und heiß pochen. Seine geheimsten Träume standen vor ihrer Erfüllung. Denn Doppelwolf dachte zwar wie ein Apache, kämpfte wie seine Brüder, vermochte jedoch den Frauen dieser Rasse nichts abzugewinnen. Wie oft schon hatte er bei den Kriegszügen nach Mexiko gehofft, eine der schönen Senoritas zu erbeuten, sie in seine Hütte zu führen und zur Frau zu nehmen. Bisher war Doppelwolfs Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Denn gerieten die Krieger in den Rausch des Tötens, machten sie selbst vor Frauen und Kindern nicht halt. Jetzt aber, da Victorio selbst von der Notwendigkeit gesprochen hatte, den Stamm zu verstärken, witterte Doppelwolf seine Chance. Und er würde sie zu nutzen wissen. * »Dieser verdammte Maulwurf spielte falsch«, sagte Wyatt Earp zu seinem Bruder Virgil. »Er hatte Karten im Ärmel stecken. Und uns wollten die Kerle nicht helfen.« Virgil hob langsam die Schultern. Er wußte, daß es für sie irgendwie falsch lief. Was sie auch anpackten, endete mit einem Mißerfolg. 53
»Hat keinen Sinn, noch länger zu bleiben«, sagte Virgil gedehnt. »Die Burschen hier sind mißtrauisch.« »Natürlich, aber warum laufen sie in die Saloons, in die Spielhöllen?« fragte Wyatt erbittert. »Sie können doch nicht so blöd sein. Sie müssen doch wissen, daß Charley Recanzone, Dick Clark, Bones Brannon und all die anderen bekannten Gambier bei fast jedem Spiel betrügen.« Virgil lachte halblaut. Sicher, sein jüngerer Bruder hatte schon recht. Aber er vergaß etwas bei seinen Überlegungen, in seinem Zorn gegen die Pokerpartner im Minendistrikt. »Sie sind bekannt hier, Bruder«, sagte Virgil, »sie gelten als ehrenwerte Männer. Sie tragen feine Anzüge, Schleifen und weiße Hemden. Sie gehen ins Badehaus und zum Barbier. Wir dagegen sind nur Satteltramps, Wyatt. Wir lassen uns auf jedes windige Geschäft ein, wenn wir 'ne Chance wittern. Die Lösung ist ganz einfach, denk mal nach.« Wyatt Earp dachte nach und gelangte zu einer überraschenden Entdeckung. »Wir kamen zu spät hierher«, sagte er. »Ja, das ist es. Die anderen sind schon seit Beginn des Booms im Silber- und Goldland. Und Dick Clark besaß bereits einen Haufen Dollars, als er hier anfing. Das muß es sein, oder meinst du was anderes?« »Das ist es, Bruder«, erwiderte Virgil. »Und darum ist unsere Chance hier verschwindend klein.« Die beiden Earps erreichten die Plaza. Wie mächtige Sonnenschirme wirkten die dichten Laubkronen der mächtigen Bäume gegen den Nachthimmel. Sterne funkelten am Firmament, und die Kerosinlaternen warfen gelbliche Lichtkreise auf die Plaza. Überall herrschte Betrieb, klangen die mechanischen Klaviere und Orchestrions. Das Gekreische der Tanzmädchen drang aus den Amüsierpalästen. Saloonschwalben schleppten ihre allzu willigen Opfer in das Viertel der roten Laternen. 54
Irgendwo feierten einige Dutzend Mexikaner eines ihrer zahllosen Feste. Das Lärmen der Musikkapelle schwoll an, übertönte alle anderen Geräusche und wurde wieder leiser. »Aber nur hier finden wir unsere Chance«, sagte Wyatt Earp nachdrücklich. »Das übrige Land ist tot, trocken und wird von den Apachen beherrscht. Wo liegt unsere Möglichkeit? Hier, Virgil, denn hier kommen die meisten Menschen zusammen. In Tombstone rollt der Dollar.« Virgil nickte. Er wußte wohl, daß sein Bruder recht hatte. Doch ehe sie wirklich anerkannt wurden, benötigten sie einen Ruf. »Nicht nur der Dollar rollt hier«, sagte Virgil ruhig. »Auch eine Menge Blei fliegt durch die Luft. In jeder Nacht stirbt mindestens ein Mann, wird ausgeraubt oder beim Spiel getötet. Der Sternträger schafft es nicht mehr. Und wir werden von diesem Strudel mitgewirbelt.« Der ältere Earp schwieg ein paar Minuten nachdenklich. Er lehnte neben Wyatt mit dem Rücken an einem der mächtigen Stämme auf der Plaza. »Wir sollten eine Weile aus Tombstone verschwinden«, fuhr Virgil nach einiger Zeit fort. »Gelingt es uns, an einem anderen Ort eine Menge Dollars zu machen, fassen wir hier wieder leichter Fuß. Vielleicht schaffen wir es, uns in eine Spielhalle einzukaufen oder in einen Saloon. Das wäre der beste Start für uns.« »Wohin sollen wir reiten?« fragte Wyatt matt. »Das Land ist mehr als unsicher. Die Rothäute metzeln jeden nieder, den sie erwischen.« Virgil lachte humorlos auf und erwiderte: »Dorthin, wo es Dollars zu ernten gibt. Was hältst du von Pearce? Wir hörten immer wieder in den letzten Wochen, daß dort 'ne Menge Gold aus dem Boden gekratzt wird.« Wyatt ging der Name Dick Clark nicht aus dem Kopf. Der Besitzer des Alhambra Saloons galt als einer der besten Spieler 55
aller Zeiten. »Ja, das ist es«, sagte Wyatt, »wir ziehen den Kerlen in Pearce die Hosen aus. Anschließend reiten wir weiter nach Fort Buchanan. Soldaten brauchen keine Dollars. Was sollen sie damit anfangen? Mit etwas Pech werden die Blauröcke doch von den Apachen umgebracht, und das schöne Geld fällt irgendwelchen Leuten zu. Wir machen es wie Dick Clark. Der trailte auch durch den ganzen Westen und spielte sich sein Kapital zusammen, ehe er hier in Tombstone das Alhambra eröffnete.« Virgil war mit seinem Bruder zufrieden. Der Kleine hatte den Gedanken richtig aufgenommen und weitergesponnen. Es war wirklich verrückt, hier in der Boomtown weiterhin zu versauern und sich den Anfeindungen der Pokerpartner auszusetzen. »Aber wie gelangen wir nach Pearce?« fragte Wyatt. »Okay, die Dragoon Mountains sind einigermaßen sicher. Cochise hält seine Chiricahuas im Zaum. Aber Victorio mit seinen Mimbrenjos macht die große Ebene unsicher.« Träge erwiderte Virgil: »Morgen trifft die Kutsche wieder hier ein. Warum sollen wir reiten? Drei bewaffnete Männer, alle drei gute Schützen, begleiten die Stage. Wir kommen noch dazu. Ich wette einen Dollar gegen fünfzig, daß wir sicher nach Pearce gelangen.« Wyatt verzog das Gesicht. Er dachte an Osborne, Tinatra und den Scout. Diese Burschen würde der jüngere Earp am liebsten von hinten betrachten. Welche Wahl blieb ihnen? Die Kutsche der Butterfield Overland war die einzige Möglichkeit, das Land halbwegs sicher zu durchqueren. Erreichten sie ungeschoren die Diggersiedlung Pearce, mußte der große Schlag gelingen. »Anschließend fahren wir weiter nach Fort Buchanan«, verkündete Wyatt siegessicher. »Die Soldaten bekommen zwar nur dreizehn Dollar Sold im Monat, aber sie können ruhig zehn, oder sagen wir elf Bucks davon an uns verlieren.« 56
Virgil nickte. Für eine Sekunde geriet die untere Hälfte seines rundlichen Gesichtes in den Lichtkreis einer Laterne und schimmerte hell auf. »Es gibt noch mehr Forts im Südwesten«, sagte der ältere Earp. »Wenn wir geschickt vorgehen, besitzen wir in zwei oder drei Monaten so viel Geld, daß wir einen prächtigen Saloon bauen können. Und dann rollen die Dollars fast von selbst in unsere Taschen.« Sie waren sich wieder einmal einig. Gemeinsam stiefelten die Brüder Earp zu ihrem Quartier. Jetzt wollten sie nicht mehr auffallen. Der Marshal begegnete ihnen auf der Allen Street. Mißtrauisch beobachtete der Gesetzeshüter die beiden Männer, die er als Störenfriede und Unruhestifter einschätzte. »Frohe Botschaft, ehrenwerter Ordensträger«, sagte Wyatt, als sie kaum noch drei Schritte voreinander entfernt waren. »Wir verlassen für eine Weile diese ungastliche Stadt. Wir begeben uns an einen anderen Ort.« »Endlich mal 'ne gute Nachricht«, erwiderte der Marshal. »Wenigstens zwei Kartenhaie und Coltschwinger weniger. Auch ohne euch schäumt die Stadt bald über. Wen werdet ihr mit eurer Anwesenheit unglücklich machen?« »Irgendeine Town«, erwiderte Virgil würdevoll, »in der die Menschen noch ehrlichen Poker zu schätzen wissen, in der die Leute nicht so mißtrauisch sind wie hier.« Der Marshal lachte sarkastisch auf und rief: »Drei Tage nach eurem Erscheinen bleibt den Menschen dort nichts anderes übrig, als mißtrauisch zu sein. Aber das ist mir gleichgültig. Hauptsache, ich brauche mich nicht länger mit euch rumzustreiten.« * Pearce, knapp ein Dutzend Meilen von den zerklüfteten 57
Felsmassiven der Dragoon Mountains entfernt. Weites Hügelland umgab die schäbige Ansiedlung, die an einem Creek entstanden war, dessen Namen nur die Apachen wußten. Außer Gold und Silber gab es in diesem Land nichts, was einen Weißen anzulocken vermochte. Die eigentliche Stadt bestand aus einem Dutzend Adobehäuser, ein paar Zelten und einigen Holzhütten, die den Girls vom leichten Gewerbe als Unterkunft dienten. Denn die Schwalben stellten sich innerhalb von zwei Wochen ein, wurde die Lage eines neuen Goldfeldes bekannt. Sie zogen mit den Betrügern, Saloonern und Kartenhaien immer dem leichten Geld nach, dem schnell verdienten Dollar. Was brauchte der einsame Goldsucher, Unterhaltung, Musik, Schnaps und heiße Poker- oder Würfelschlachten. Daß er dabei meistens um den letzten Cent gebracht wurde, interessierte ihn nicht mal selbst. Dort draußen im Sand lag noch genügend Gold. Das Feld der Digger hörte wie abgeschnitten hundert Yards vor der Town auf. Gräben durchzogen das Erdreich, zeugten von den vergeblichen Versuchen, hier an das begehrte gelbe Metall zu gelangen, das einen merkwürdigen Glanz, ja, Gier in den Augen der meisten Menschen hervorrief. Pearce war ein Tombstone in kleiner Ausführung. Die einzige Ordnung, die hier herrschte, betraf das Wasser. Es war verboten, oberhalb des Goldfeldes Abfälle oder Unrat in den breiten, flachen Creek zu schütten. Also bauten die dollarhungrigen Geldhaie ihre Hütten und Adobehäuser ein Stück weiter unterhalb. Und noch während bezahlte Arbeiter bei der Errichtung der Häuser schufteten, zogen die Auftraggeber den Diggern schon die Nuggets aus der Tasche. Das kostbare Wasser wurde umgeleitet, ins Goldfeld. Und nach strengen Regeln erhielten die Goldsucher ihre Rationen zugeteilt, damit sie die Erde in den Pfannen und Schüsseln auswaschen konnten. 58
Natürlich floß das Wasser anschließend wieder zurück in den Creek. Etliche der älteren Digger träumten von den Goldfeldern in Colorado, am Cripple Creek. Dort gab es so viel Wasser, daß neben jedem Claim ein long Tom gestanden hatte. Die Schürfer brauchten die Erde nur in die geriffelte Rinne zu schaufeln, und die Strömung des Wassers übernahm die Arbeit des Auswaschens. Um wieviel mühevoller war doch hier die Suche nach dem großen Fund. Cripple Creek lag lange zurück, Jahre war es her, daß dort in Colorado der Goldrausch die Menschen beherrscht hatte. Und je schwieriger die Arbeit wurde, desto mehr Unterhaltung und Abwechslung benötigten die Digger. Jeder Fund löste eine wilde Feier aus, der Whisky floß in Strömen, und die Kartenhaie rieben sich insgeheim die Hände. Denn sie waren die eigentlichen Gewinner bei diesem Goldrausch. Es war heller Vormittag. Die Sonne stach erbarmungslos auf die Menschen hinab und erhitzte den Sand, daß er förmlich zu glühen schien. Da brüllte ein Mann sein Glück heraus. »Gold!« gellte der alte Ruf über die Claims, »ich hab's! Das ist die Bonanza! Gold, Männer!« Überall fielen Hacken, Schaufeln und Waschpfannen zu Boden. Die Digger kletterten aus ihren Löchern und Gräben und rannten zu dem Claim, in dem der Glückliche wie ein Drehkreisel umhersprang. In beiden Händen hielt der Mann dicke Klumpen, die metallisch im Sonnenlicht aufblitzten. Es schien pures Gold zu sein. Vielleicht der Anfang einer mächtigen Ader? Die Nachbarn des Diggers tauchten in ihre Claims hinab und legten die Waffen zurecht. Drehten andere, erfolglose Goldsucher durch, wollten sie die Nachbarclaims besetzen, so 59
schlug ihnen heißes Blei entgegen. »Wieviel ist es denn, Harry?« fragte ein alter Goldsucher, der sein Leben lang auf allen Goldfeldern Amerikas verbracht hatte. Er beugte sich weit über den Rand des fast quadratischen Loches und spähte hinab. »Eine Tasche, vermute ich«, sagte der Alte. »Mach weiter, hol alles raus, ehe ein Schurke sich an deinem Eigentum vergreift.« Der glückliche Digger wühlte wie besessen. Erde und Sand flogen in wildem Wirbel zur Seite. Mit der Hacke hebelte der Mann die Brocken heraus, schabte mit der Handkante sorgsam alles in die Waschpfanne und stand schließlich eine Stunde später vor einem kleinen Berg Gold, der sicherlich mehr als zweitausend Dollar einbringen würde. Und das war eine Menge Geld in dieser Zeit. »Los, kommt mit!« rief Harry, »heute darf jeder so viel trinken, bis ihm der Schnaps an den Ohren wieder rausläuft.« Das ließen sich die Goldsucher nicht zweimal sagen. Sie hoben ihren spendablen Kameraden aus dem Loch und trugen ihn zu den Adobehäusern. Vor den Hütten fingerten die leichten Mädchen schon an ihren dünnen Kleidern herum. Sie mußten die anderen ausstechen, so viel Aufreizendes zeigen, daß die Männer gerade zu ihnen kamen. Nur ein graubärtiger Bursche blieb dem Zug der Digger fehl. Er schüttelte den Kopf und murmelte: »Das geht schief. Ich spüre es.« »Was spürst du, Alter?« fragte ein blutjunger Abenteurer. »Die Apachen«, erwiderte der Oldtimer. »Ich habe so ein merkwürdiges Jucken unter der Kopfhaut. Ich verschwinde lieber, ehe die roten Teufel über uns alle herfallen.« Für ein paar Sekunden schaute sich der junge Bursche um, spähte zu den Hügeln hinüber und lachte danach laut auf. »Mensch, die zeigen sich nicht«, rief er übermütig. »Laß sie doch kommen. Wir schicken sie mit blutigen Köpfen wieder in 60
ihre stinkigen Hütten zurück.« »Wenn du dich nur nicht täuschst«, murmelte der Alte. Seine Worte gingen im Gebrüll der Digger unter. Es dauerte nicht lange, bis der Whisky in Strömen floß, bis die Flittergirls auf den Knien der Männer umherrutschten und die Klaviere hämmerten. Auch ohne diesen Lärm hätte niemand die Mimbrenjos bemerkt, die in den Hügeln lauerten. Geronimos dunkle Augen glühten förmlich. Zorn und Beutegier beherrschten den Krieger. Nicht nur, daß Victorio diesen Vorschlag zum Überfall auf Pearce gemacht hatte, nein, nun wurde es noch ein leichter Kampf. Denn die Bleichgesichter dort unten tranken das brennende Wasser und wurden trunken davon wie ein Apache, der bei den Tänzen den Tizwin in sich hineinlaufen ließ. Ein Mann dort unten, ein einziger Mann, schien das Unheil zu spüren, das in den Hügeln lauerte. Aufmerksam beobachtete Geronimo den Graubärtigen, der ein Muli sattelte, ein Packtier belud und sich auf den Trail machte, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Geronimo glitt wie eine Schlange von Deckung zu Deckung. Er gelangte hinter den mächtigen Stamm eines Seguarokaktus und lag reglos. Änderte der Weiße seine Richtung nicht, mußte er eine Mannslänge neben dem Versteck des Mimbrenjo vorbeireiten. Geronimo hatte Glück. Lautlos stand er auf, hielt die Kriegskeule in der Rechten, den Messergriff mit der Linken gepackt. Jetzt! Der Mimbrenjo schnellte hinter dem Kaktus hervor. Lautlos huschte der Apache über den Sand. Im letzten Moment seines Lebens schien ein Gefühl den graubärtigen Digger gewarnt zu haben. Er riß den Kopf herum, wollte zum Colt greifen, einen 61
Warnschuß abgeben, doch der geschmeidige Körper des Mimbrenjos bog sich. Die Kriegskeule traf, und der alte Prospektor war bereits tot, als er aus dem Sattel fiel. Geronimo stieß den Ruf der Zwergeule aus. Sekunden später tauchten zwei Krieger auf. Sie führten die beiden Mulis davon, während ihr Unterführer den Toten ausplünderte. Vor allem der Revolver hatte es Geronimo angetan. Eine solche Waffe vermochte beim Nahkampf unschätzbare Dienste zu leisten, wenn sie auch nicht lautlos wirkte. Ein anderer Mimbrenjo, einst Sklave, nun Krieger, schob sich immer näher an die Goldfelder heran. Doppelwolf starrte zu den Frauen hinüber. Dort wartete seine Beute auf ihn. Er mußte nur schnell genug sein, wenn Victorio den Angriff befahl. Denn die Frau mit dem strohgelben Haar mußte Doppelwolf in sein Jacale führen. Das Rufen des Rennkuckucks klang auf, wurde von jenseits der Siedlung erwidert, und die Apachen glitten näher an die Siedlung heran. Ein Glücksfall hatte die Claims menschenleer werden lassen. Der Kampf, der auf die Krieger wartete, ließ den Bleichgesichtern nicht die geringste Überlebenschance. * »Hey, Harry, wie sieht's mit 'ner Partie Poker aus?« fragte der hochgewachsene, schlanke Spieler den Digger. Harry blickte auf, musterte prüfend das Gesicht, die ehrlich wirkenden Augen und nickte. Sie setzten sich an den rohen Tisch. Ein Girl brachte die Goldwaage vom Tresen, und gemeinsam machten sie sich daran, das gelbe Metall zu wiegen, seinen Wert festzusetzen. Minuten später flogen die Karten über den Tisch. Harry flohlockte. Er hielt ein Full House auf der Hand und gewann hundert Dollar. Auch die nächsten beiden Spiele überzeugten 62
den Digger davon, daß der Gambler ehrlich pokerte. Bei der dritten Runde verlor Harry fünfzig Bucks, blieb aber fröhlich und dachte nicht im Traum daran, daß der Kartenhai nun anfing, ihm das letzte Gram Gold abzunehmen. Soweit sollte es auch nicht kommen. Denn als der schlanke Spieler aufsah, durch das zerfetzte Ölpapier der Fensteröffnung sah, ließ er die Karten fallen. Er hatte drei braunhäutige Männer entdeckt, die moderne Gewehre in den Fäusten hielten. »Apachen«, stieß der Gambler hervor, »Apachen. Zu den Waffen, Männer!« Der Klavierspieler brach mit einem Mißton ab. Kreidebleich verfärbte sich das Gesicht des rundlichen Mannes. Er sprang auf, griff in die Ecke, in der sein altes Gewehr stand, und in diesem Moment sirrte ein Pfeil in die Cantina und traf den Spieler tödlich. Er fiel schräg auf die Tasten seines Klaviers. Eine quälend grelle Tonfolge klang auf, eine Melodie des Todes. Sekunden später hämmerten die Gewehre der Angreifer. In das Peitschen der Winchester, in das dumpfe Dröhnen der Colts mischten sich die Angstschreie der Frauen und die grellen Kriegsrufe der Apachen. Aus den Fenstern und Türen stürzten Männer ins Freie, feuerten wild um sich, schickten einen Bleihagel zu den Mimbrenjos, die mühelos diesem kopflosen Ausbruch auswichen und ihre Kugeln und Pfeile zielsicher abschossen. Doppelwolf, der große Mimbrenjo, der von allen des Stammes als einer der ihren angesehen wurde, kämpfte sich rücksichtslos vor. In nichts unterschied er sich von den übrigen Kriegern. Seine Haut war von der Sonne gebräunt, die schwarzen Augen glommen in wilder Kampfeslust, und der gellende Kriegsschrei ließ den Weißen das Blut in den Adern förmlich gefrieren. In der Linken hielt Doppelwolf den Schädelbrecher. Mit der 63
Rechten umklammerte er einen Revolver, eine alte Schwarzpulverwaffe, die bei jedem Schuß erbärmlich stank und große Wolken neben der Kugel ausspie. Ein brennendheißer Hieb streifte Doppelwolfs Schulter. Er zuckte herum, sah einen schwarz gekleideten Mann hinter dem Loch in der Mauer und feuerte sofort. Der Kartenhai, der vor Minuten noch den Digger Harry um sein Gold bringen wollte, sank tot zurück, prallte auf den Kartentisch. Die Schöße der schwarzen Jacke öffneten sich, gaben die geheimen Bänder und Taschen frei, aus denen fast ein ganzes Kartenspiel hervorrutschte und so den Betrüger bloßstellte. Niemand interessierte sich dafür. Es ging nicht um Gold oder Dollar. Es ging um das nackte Leben. Der Vorhang am Eingang der Cantina wurde zur Seite gezogen. Drei, vier Krieger schnellten in den Raum jagten auseinander und brachen wie Wölfe zwischen die Verteidiger ein. Ein Girl kreischte gellend, als sie in das wilde Gesicht eines Kriegers blickte, den Tod in den Augen sah. Im letzten Moment veränderte, der Mimbrenjo den Abwärtsschwung seines Armes. Haarscharf am Gesicht der Frau blitzte die Messerklinge vorbei. Die Saloonschwalbe brach ohnmächtig zusammen. Hinter dem Tresen brannte der Barkeeper eine Schrotflinte ab. Die Ladung gehacktes Blei richtete unter den Verteidigern mehr Schaden an als unter den Apachen. Ehe der Barmann die zweite Flinte hochzureißen vermochte, wirbelte ein Schädelbrecher durch die Luft und setzte seinem Leben ein Ende. Immer noch grellten die Angriffsrufe der Apachen auf, trommelten die Hufe der Mustangs über den Boden, dröhnten die Waffen. Doppelwolf rannte weiter. Ein blonder Haarschopf 64
verschwand ein Stück weiter vor ihm in einer Bretterhütte, aus der angstvolles Kreischen aufklang. Der Krieger erreichte das Haus, warf sich gegen die Tür und landete in einem Wirbel aus Splittern im Innern. »Du kommst mit mir«, sagte der Mimbrenjo kehlig in verständlichem Englisch und deutete mit dem Dolch auf die Blonde. Ihm war es leichter als den Stammesbrüdern gefallen, die Sprache der Bleichgesichter zu erlernen. »Zastee! Tötet!« gellte der Ruf der Apachen draußen auf. Noch immer krachten Schüsse, zischten Pfeile von den Sehnen. Die blonde Frau trat einen Schritt zurück, sah sich verzweifelt um, suchte ein Versteck und wußte tief in ihrem Inneren doch, daß es kein Versteck gab, das sie vor einem Apachenkrieger schützte. Die letzten Schüsse wummerten. Außer den Freudentrillern der Krieger war nichts mehr zu hören. Irgendwo klirrte Glas. Die Mimbrenjos sammelten die Schnapsvorräte ein. Schon während des Rückzuges ins Versteck würden die Krieger mit dem Trinken beginnen. Doppelwolf winkte mit dem Colt. Die drei Frauen ergaben sich in ihr Schicksal. Langsam gingen sie an dem großen Krieger vorbei ins Freie. Als der Mann die Blonde berührte, zuckte sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen. »Du bist meine Beute«, sagte Doppelwolf. Angst zeichnete das Gesicht der Frau. »Sag mir deinen Namen«, forderte der Indianer. »Myriam«, erwiderte die Frau schwach, »was hast du mit mir vor? Ich werde dich töten. Ja, sobald ich die Chance bekomme, bringe ich dich um!« »Eine Wildkatze«, sagte Doppelwolf bewundernd, »ich habe mir eine Wildkatze gefangen.« Draußen warteten einige Krieger. Sie trieben die Frauen und 65
Mädchen zusammen, wachten über sie und ließen nicht zu, daß sich auch nur eine von ihnen einen halben Schritt entfernte. Die wenigen Häuser und Zelte waren schnell geplündert. Vor allem die Waffen, Schnapsflaschen und Messer erregten die Gier der Mimbrenjos. Myriam schien es, als sei sie in einem entsetzlichen Traum gefangen, schaffte es nicht, einfach aufzuwachen und erleichtert das Grauen abzuschütteln, das sie beherrschte. Als sie die toten Goldsucher, die Barkeeper und Spieler sah, mußte sie sich übergeben. Sie war nicht die einzige, die den Anblick der skalpierten Männer nicht ertragen konnte. Das Entsetzen steigerte sich sogar noch. Denn all diese Frauen und Mädchen wurden von den Gedanken geschüttelt, was sie wohl weiterhin erwartete. Voller Angst mußten sie hier verharren, wußten nicht, ob sie das Ende dieses Tages noch erlebten. Victorio erkannten sie sofort. Sein wildes Gesicht mit den schulterlangen Haaren war oft genug in den Zeitungen abgebildet gewesen, die auch in den Südwesten gelangten. Er galt als der grausamste Apachenführer. »Reiche Beute«, rief der Jefe der Mimbrenjos, »wir sind Krieger, und keine Weiber wie die Chiricahuas. Nehmt das gelbe Metall mit, die Münzen, wir brauchen das wertlose Zeug, damit wir von anderen Bleichgesichtern Munition kaufen können. Fangt die Pferde und Mulis ein, sie werden unsere Bäuche füllen, wenn wir in unserem Lager den Sieg feiern.« Die Aussicht auf gebratenes Mulifleisch ließ manchem Krieger das Wasser im Mund zusammenlaufen. Galt das Fleisch doch bei allen Apachen als ausgesprochene Delikatesse. Die grausame Arbeit war getan. Für die Apachen bedeutete dieser Überfall jedoch etwas ganz Natürliches. Denn gehörte nicht alles, was in diesem Land existierte seit Urzeiten ihnen? Waren sie denn nicht die Herren der Halbwüste und der 66
Wüste? Und Kampf und Tod gehörten zu einem Krieger wie Sand zur Wüste und die Sterne zum Himmel. Die Packtiere waren beladen. Alle Schnapsflaschen lagen so, daß sie nicht klirren konnten. Jedes Metallteil war umwickelt. Gold und Münzen und bedruckte Papierscheine trugen Geronimo und Victorio in Beuteln mit sich. An den Ledergürteln der Krieger hingen frische Skalps, auf die der Rauch der Feuer wartete. Steil hob der Chief der Mimbrenjos den linken Arm in die Luft. Das Zeichen zum Aufbruch. Zehn Krieger bewachten abwechselnd die Frauen und Mädchen, trieben sie mit den Schäften der Kriegslanzen und den Enden der Bögen an. Langsam marschierten die Frauen los. Nach wenigen Schritten drang die Gluthitze des Sandes durch die Schuhsohlen, stach die grelle Sonne auf die ungeschützten Köpfe. Und alle dachten das gleiche: dies war erst der Anfang des Marsches ins Ungewisse. Welche Schrecknisse warteten noch auf sie? * In Tombstone wurde die Kutsche beladen. Pferdehelfer führten kräftige Deichseltiere aus dem Corral. Ted Riley, der Fahrer, befestigte den Postsack und warf Jack Vance, dem Begleiter, Frachtstücke hoch, die er auf dem Dach der Stage verstaute. Ein dicker Mann wartete unter dem Vordach der Station. Er trug städtische Kleidung in kräftigem Braun. Neben ihm stand eine große geblümte Tasche auf den Brettern des Sidewalks. Randolph Glandon war zufrieden mit seinen Geschäften, sehr zufrieden sogar. Gelang es ihm, weiterhin in Tombstone Aufträge zu erhalten, konnte er zum reichen Mann werden. Glandon war ein Whiskyvertreter. In der geblümten Tasche führte er Dutzende von Proben mit, die alle unterschiedlich 67
schmeckten und auch unterschiedlich teuer waren. In die Zufriedenheit des dicken Mannes mischte sich ein Anflug von Furcht. Die beiden Revolvermänner traten aus dem Stationshaus. Ihnen folgte der hochgewachsene Scout, der nicht minder gefährlich auf Glandon wirkte. Sie hatten ihn gewarnt. Die Apachen streiften durch die große Ebene. Auf der Fahrt nach Tucson hatten diese drei Männer einen Angriff abgeschlagen. Sie würden auch jetzt wieder die Stage begleiten. Randolph Glandon hielt sich für den einzigen Passagier. Er fragte sich, wie die Gesellschaft das nur finanziell durchhielt. Denn von Geld verstand Glandon eine Menge. »Stage nach Duncan über Pearce, Fort Buchanan und Apache Paß!« brüllte einer der Clerks. »Die Kutsche fährt pünktlich ab.« Larry Osborne öffnete den Wagenschlag und hielt ihn höflich für den einzigen zahlenden Passagier auf. Ächzend und schnaufend kletterte der dicke Whiskyvertreter in den Wagen. Die Federn kreischten und knackten, als der schwergewichtige Mann sich zurechtsetzte. »Danke, der Service wird immer besser auf dieser Strecke«, sagte Buck Tinatra, als er an Larry vorbeiging und seinem Freund ein Zehn-Cent-Stück in die freie Hand drückte. Verblüfft starrte Osborne auf die Münze, auf seinen Freund und fragte: »He, was soll das denn?« »Ich bin es gewohnt, Trinkgelder zu geben, wenn jemand besonders höflich zu mir ist«, erwiderte Buck grinsend. Larry schnaubte und verstaute den Dime sorgfältig in seiner Jackentasche. Haggerty stieg ebenfalls ein und sagte: »Ich habe leider kein Kleingeld, Portier. Einen halben Dollar kann ich Ihnen nicht geben. Sie werden sonst übermütig und mieten sich eine Extrakutsche.« »Ihr seid wohl übergeschnappt!« rief Larry und kletterte in 68
das Innere der Stage. »Natürlich«, erwiderte Buck Tinatra, »nur Verrückte fahren durchs Apachenland.« Der Whiskyvertreter rutschte unbehaglich auf dem Lederpolster hin und her. Er brachte den Wagenkasten zum Schwanken. »Hören Sie«, stieß er hervor, »ist es wirklich so gefährlich? Werden wir vielleicht sogar angegriffen?« Furcht schwang in seiner Stimme mit. Haggerty dachte darüber nach, daß diese Burschen für jeden Dollar Gewinn die unglaublichsten Strapazen und Gefahren auf sich nahmen. Wußten sie aber vorher schon, daß es Verdruß geben konnte, waren sie nervöser als ein Senator vor der Wahl. »Wir beschützen Ihre kostbaren Proben«, versprach Larry ernsthaft. »Natürlich auch Ihr Leben, Mister«, fügte Buck hinzu und blickte seinen Freund strafend an. »Gentlemen, äh, wenn mir etwas zustoßen sollte«, sagte der Dicke. »In der Tasche hier steckt mein Auftragsbuch. Die Anschrift meiner Firma steht auf dem Umschlag. Ich flehe Sie an, schicken Sie das Buch weg. Wenn mir was zustößt, braucht meine Familie jeden Cent. Und hier in Tombstone habe ich viel verdient.« Larry Osborne beruhigte den Mann und versprach ihm ernsthaft, zuerst dessen Auftragsbuch zu schützen und dann sein Leben. Das war natürlich nicht dazu angetan, den Mann zu beruhigen. »Bekommen Sie noch Verstärkung?« fragte er nach ein paar Sekunden. Buck stand auf, blickte aus dem Türfenster, sah aber niemanden mehr. »Zwei Gentlemen mit tiefgeschnallten Revolvern gingen in die Station?« erklärte der Dicke und stellte sich bei der Gelegenheit vor. 69
Es dauerte nicht lange, bis der Wagenschlag aufgerissen wurde. »Die Kartenhaie«, sagte Buck giftig, »wird euch der Boden in Tombstone zu heiß unter den Füßen?« »Halt's Maul, Tinatra«, erwiderte Wyatt Earp. »Wir haben unsere Fahrkarten bezahlt. Seid höflich zu uns, sonst beschweren wir uns bei der Gesellschaft.« »Wenn's nach mir ginge«, sagte Larry Osborne, »dürften an Kerle wie euch überhaupt keine Karten verkauft werden.« Virgil sagte nichts. Er setzte sich neben Haggerty auf das Polster und starrte zum Fenster hinaus. Draußen warf der Beifahrer das Gepäck der Earps aufs Dach der Kutsche. Wenig später zogen die Deichselpferde an. Die Kutsche rollte über die Plaza, verließ Tombstone zu der gefährlichen Fahrt nach Osten. Die ersten Meilen schwiegen die Passagiere. Randolph Glandon hatte das ungemütliche Gefühl zwischen zwei verfeindeten Gruppen zu sitzen. Ihm schien, daß ein wüster Streit jeden Augenblick losbrechen konnte. Und darum dachte er sich etwas aus, um die gespannte Atmosphäre zu entladen. Daß er dabei vollkommen falsch griff, merkte er nach einigen Sekunden. »Was wird eigentlich gegen die Überfälle der Apachen unternommen?« fragte er unschuldig. »Es geht doch nicht an, daß diese Wilden immer wieder angreifen, morden und sengend und brennend durch das Land ziehen.« Wyatt Earp lachte sarkastisch auf und rief: »Das haben wir diesem Mann da zu verdanken!« Er zeigte auf John Haggerty, dessen Gesicht wie aus Stein gemeißelt wirkte. »Das ist der Chiefscout der Army im Südwesten«, fuhr Wyatt Earp fort. »Er ist mit Cochise befreundet. Die beiden haben einen angeblichen Frieden ausgehandelt. Aber Sie haben sicher schon gehört, wie dieser Friede aussieht, Mister.« 70
»Glandon, Randolph Glandon«, sagte der Dicke und verbeugte sich ein wenig im Sitzen. »Earp, eines Tages schlägt dir jemand dein vorlautes Maul mit der Faust zu«, sagte Larry Osborne beinahe freundlich. »Und zwar so, daß du einen Monat keinen verständlichen Ton mehr hervorbringen wirst«, fügte Buck Tinatra bei. »Du weißt ganz genau, was im Südwesten los ist. Warum setzt du solche Lügen in die Welt?« »Was ist 'ne Lüge?« fuhr Wyatt hitzig auf. »Es stimmt doch, daß die Rothäute immer wieder Ranches und Farmen überfallen, daß sie Diggercamps ausplündern und niederbrennen. Wo ist denn der Friede, von dem Cochise und General Howard immer reden, he?« Haggerty fuhr sich mit den Fingern der Linken durch das braune, gewellte Haar. Er musterte prüfend den Whiskyvertreter, lächelte und sagte freundlich: »Es gibt immer zwei Arten, eine Sache zu betrachten, Mr. Glandon. Das werden Sie wissen, denke ich. Und Wyatt Earp ist ein hitzköpfiger junger Mann, der sicher über Qualitäten verfügt. Ihm fehlt nur die Erfahrung, das ist alles. Ich werde Ihnen erzählen, was wirklich in diesem heißen Land vorgeht. Vielleicht lernt Mr. Earp etwas draus.« Wyatt schnaubte verächtlich und lehnte sich zurück. Er sah seinen älteren Bruder an, bemerkte dessen verstecktes Grinsen und fragte sich, ob er wirklich so falsch dachte, wie selbst Virgil anzunehmen schien. »Der Frieden ist mit Cochise ausgehandelt«, begann Haggerty. »Er ist der oberste Führer aller Apachenstämme. Die Chiricahuas halten sich an Cochises Wort. Die Aravaipas, Mescaleros und White Mountains halten ebenfalls Frieden. Lediglich Victorio, der Führer der Mimbrenjos, läßt seine Krieger am langen Zügel laufen. Sie brechen immer wieder aus der San Carlos Reservation aus. Victorio haßt uns Weiße wie eine schlimme Krankheit. Und das sind wir ja wohl auch für 71
die Apachen. Sie verteidigen nur ihr Land, das sie seit Jahrhunderten besitzen. Cochise ist klug. Er weiß, daß sein Stamm untergeht, stellt er sich gegen die Macht der Weißen. Victorio muß dies erst noch lernen. Cochise hingegen kann nicht offen gegen seinen Widersacher vorgehen. Dann zerbräche jeglicher Zusammenhalt der Stämme, und der Südwesten verwandelt sich in ein Meer aus Blut und Feuer.« Wyatt Earp hatte beeindruckt zugehört. Trotzdem lachte er jetzt verächtlich und rief: »Warum machen wir die Kerle nicht einfach nieder? Warum schnappt sich die Kavallerie nicht jeden Apachen und sperrt ihn ein?« »Er ist noch dümmer, als ich bisher dachte«, sagte Buck Tinatra darauf. Wyatts Unterkiefer mahlte. Am liebsten würde er diesem schwarzhaarigen Kerl die Faust mitten ins grinsende Gesicht pflanzen. »Weil die Soldaten eben nur Soldaten sind«, erwiderte Haggerty sanft. »Sie schaffen es einfach nicht, sich der Kampfesweise der Apachen anzupassen. Seit ungezählten Jahrhunderten wachsen die jungen Krieger in der Wüste auf. Sie sind jedem Weißen überlegen. Wenn sie nach ihrer Art kämpfen, müßten hunderttausend Männer Schulter an Schulter das gesamte Land durchkämmen, in jedes Kaninchenloch hineinkriechen, jeden Felsbrocken umdrehen. Und selbst danach wären nicht mehr als die Hälfte der Apachen gefangen, Mr. Earp. So sieht das aus. Und ich denke, daß Sie eigentlich in den letzten Wochen und Monaten etwas darüber gelernt haben müßten.« Wyatt schwieg. Der Scout hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen. Denn allzu geschickt hatte sich Wyatt bei seinen Unternehmen in letzter Zeit nicht angestellt. Randolph Glandon blickte immer wieder unruhig von einem Gesicht zum anderen, spähte lange zum Seitenfenster hinaus und erwartete jede Sekunde, eine Horde Apachenkrieger 72
auftauchen zu sehen. Die Furcht kroch dem dicken Mann in alle Glieder, lähmte sein Denken, und schließlich erschienen ihm nicht einmal mehr die fünf verwegenen Mitfahrer als ausreichenden Schutz. Mit zitternden Fingern öffnete Glandon seine geblümte Tasche, die er zwischen den Beinen festgeklemmt hielt. Er tastete eine Weile in dem großen Innenraum umher und nahm schließlich eine kleine Flasche Whisky heraus. Der Korken schnappte aus dem Hals. Glandon setzte die winzige Bottle an den Hals und trank die beiden Schlucke. Ächzend fingerte er die nächste Probenflasche hervor. Er achtete nicht auf die interessierten Blicke der anderen Fahrgäste, während er nach und nach vier der kleinen Flaschen leerte. »Wie lange fahren wir durch dieses gefährliche Gebiet?« fragte er endlich und klappte die Tasche zu. »In einer Stunde ungefähr erreichen wir Pearce«, antwortete Buck Tinatra. »Dort gibt's ein paar Kaschemmen. Die Diggersiedlung ist ziemlich sicher, denke ich. Sie liegt zu nahe an den Dragoon Mountains, als daß Victorio oder Geronimo angreifen würden. Cochise würde sie vertreiben. Und das riskieren sie wohl nicht.« Randolph Glandon verdrehte die Augen, bückte sich und holte eine weitere kleine Flasche heraus. Als er sie leergetrunken hatte, besann er sich und gab jedem der anderen Passagiere ebenfalls eine Probe. »Das ist bester Whisky, Bourbon«, erklärte der Dicke. »Der Maisanteil der Maische beträgt mehr als fünfzig Prozent. Bestes Kalksteinwasser aus Kentucky ist eine weitere Garantie für die Qualität dieses Produktes.« Larry Osborne betrachtete den Dicken mit schiefgelegtem Kopf, öffnete die Flasche und trank. »Na, wie schmeckt es?« fragte Glandon erwartungsvoll. »Nach mehr«, erwiderte Larry und leckte sich mit der Zunge 73
über die Lippen. Er ließ sich eine zweite und dritte Probeflasche geben und leerte sie. »Du bist ein verdammter Narr«, sagte Wyatt Earp auf einmal. »Jetzt trinkst du dir 'nen Rausch an. Und wenn die Apachen angreifen, kannst du nicht mehr geradeaus schießen.« Buck Tinatra lachte glucksend und erwiderte: »Dann halten wir ihm ein Schwefelholz vor den Mund. Wenn er ausatmet, werden die Mimbrenjos von der Stichflamme versengt und sausen nach Hause.« Tinatra benötigte keine Ermahnung. Das sagte er auch sehr deutlich und ließ sich über Wyatt Earp derart aus, daß Handgreiflichkeiten in der Luft lagen. Virgil griff ein. Träge sagte er »Hört doch mit dem Mist auf, Männer. Ich setze zwei gegen fünfzig, daß wir noch alle Kraft brauchen werden.« Lediglich der Whiskyvertreter hielt sich nicht an die Worte des älteren Earp. Glandon leerte ab und zu eine der kleinen Flaschen. Er hatte inzwischen eine erstaunliche Menge vertilgt und war trotzdem noch nüchtern. Die Pferde legten sich in die Geschirre. Noch führte der Weg bergauf. Bald jedoch war die Höhe erreicht, ging es hinab in die weite Ebene, die doch von zahllosen Hügeln übersät war. Bald erreichten die Reisenden Pearce, die Diggersiedlung, die um diese Zeit bereits vernichtet war. * Myriam verspürte das Gefühl, mit ganzem Körper in flüssiger Glut zu stecken, durch Feuer zu marschieren und feurige Luft einzuatmen. Die Beine gaben unter ihr nach. Schwer fiel die junge Frau in den heißen Sand. 74
Sie spürte kaum den Stoß mit dem Schaft der Kriegslanze, der sie in die Seite traf. »Weiter, weiße Frau, laufen«, sagte ein Apache guttural. »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Myriam, »Wasser, um Himmels willen, ich brauche Wasser.« »Wenn die Sonne stirbt«, erwiderte der Krieger und hieb erneut mit dem Holzschaft zu. Geronimo bemerkte die Stockung, zog sein fahlgelbes Pferd am geflochtenen Graszügel herum und leitete es zu dem Zug der Gefangenen. Ausdruckslos starrte der Krieger auf die Frau mit dem gelben Haar hinab. In seinen Augen war sie ziemlich häßlich, aber Geronimo war auch ein reinblütiger Apache. »Du stirbst, wenn du nicht weitergehst«, sagte er schwerfällig. »Du stirbst sofort.« Warum sollten sie sich mit diesem schwachen Geschöpf abgeben, dachte der Krieger. Sie würde dem Stamm keine starken Söhne schenken, die später einmal gegen die Weißen kämpfen konnten. Doppelwolf sah sich um. Wo war die weiße Frau, die er als seine Beute beanspruchte? Der Krieger entdeckte das Glänzen des Blondhaares auf dem hellen Sand und riß seinen Mustang herum. »Nein!« rief Doppelwolf, als Geronimo die Kriegslanze zum tödlichen Stich erhob. »Sie gehört mir.« Der Anführer der Rebellen sah den Krieger verblüfft an. Was wollte Doppelwolf mit dieser Squaw? »Sie ist schwach«, erwiderte Geronimo kalt, »du siehst es, Krieger. Sie wird das Leben in den Jacales nicht aushalten. Die anderen Weiber quälen sie zu Tode. Sie wird eine Last für dich sein, Doppelwolf.« »Meine Beute, Geronimo«, erwiderte der Krieger gefährlich leise, »du machst mir meine Beute streitig? Dann mußt du mit mir kämpfen.« 75
Geronimo dachte daran, daß Doppelwolf einst ein Sklave, ein geraubter Mexikaner war. Sicher befahl ihm das Blut der anderen Rasse, diese Frau zu schützen, für sich zu nehmen. Aber dieses Blut gehörte auch dem Stamm, dessen erfahrene Krieger aus dem Mexikanerkind einen vollwertigen Apachen geformt hatte. Einen Krieger, der so dachte und fühlte und haßte wie Bewohner der Halbwüste. Es würde schwer sein, Doppelwolf zu besiegen. Vor allem deshalb, weil es um nichts ging, nur um eine erbeutete Squaw, die nichts taugte. »Nimm sie mit, Krieger«, sagte Geronimo kalt. »Vergiß nie, daß du ein Mimbrenjo bist. Braucht sie Wasser, gib ihr dein Wasser. Der Stamm sorgt erst für sie, wenn wir in der Apacheria angelangt sind.« Hart riß Geronimo am Graszügel. Sein gelber Mustang warf sich herum und preschte davon. Doppelwolf saß ab, richtete Myriam zu sitzender Stellung auf und hielt ihr den dünnen Fellschlauch vor den Mund. Der Geruch des Felles ließ die junge Frau würgen. Sie wußte, spürte jedoch, daß Wasser wichtig für sie war und schluckte. »Mehr«, bettelte sie, »ich vertrockne, mehr Wasser.« »Nein«, erwiderte der Krieger, »später, viel später. Du mußt jetzt laufen, Squaw, laufen oder sterben.« Er bückte sich, suchte im Sand, bis er ein paar glatte Steine fand und steckte sie ihr in den Mund. »Es hilft, weiße Frau«, sagte Doppelwolf, »wenn die Sonne stirbt, erreichen wir die Jacales. Dort kannst du ausruhen. Dort gibt es Wasser.« Myriam stand mühsam auf. Die Welt schien unter ihren Füßen zu schwanken, und die Sonne schaukelte irgendwo hin und her. »Weiter, du mußt!« rief der Krieger. Die junge Frau, die sich in Pearce ein Stück von dem goldenen Kuchen hatte abschneiden wollen, egal auf welche Weise, spürte die Kiesel im Mund, spürte, daß sich Speichel 76
sammelte und erkannte, daß der Durst nachließ. Sie nahm sich zusammen, beruhigte ihren rasenden Herzschlag, setzte Fuß vor Fuß und stapfte weiter. Nach ein paar Dutzend Schritten nahm die Welt wieder ihre gewohnte Gestalt an. Es gab nichts zu sehen, nichts außer Sand, ab und zu eine glänzende Eidechse, die sich unter der Erschütterung des Bodens in Spalten zurückzog. Einmal, wie lange später vermochte Myriam nicht zu sagen, verschwand ein scharfkantiger Stein mit schlängelnden Bewegungen im heißen Sand. Myriam hatte nie zuvor von einer Krötenechse gehört, geschweige denn, ein solches Tier gesehen. Die wüstenhafte Umgebung schien doch mehr Wunder bereitzuhalten, als ein weißer Mensch ahnen konnte. Die junge Frau wußte, daß sie bei Verstand bleiben mußte. Sie fand nur einen Weg, nicht zu verzweifeln, und darum beobachtete sie so genau wie möglich ihre Umgebung. Da sie alles eingehend betrachtete, entging ihr auch nicht das Verhalten der meisten Krieger. Immer wieder tranken die Apachen aus den Whisky- und Tequilaflaschen, die sie erbeutet hatten. Die beiden Anführer, der wildgesichtige Victorio und der Mann, der sie vorhin niederstechen wollte, schienen unruhig zu werden. Sie leiteten ihre Pferde immer wieder entlang der Krieger, achteten auf jede Kleinigkeit und trieben die Kämpfer zur Eile an. Der Boden stieg steiler an. Myriam blickte auf. Wild zerklüftete Felsmassen türmten sich himmelhoch. Wenigstens erschienen sie der jungen Frau so gewaltig. Ab und zu entdeckten ihre von der Sonne geblendeten Augen einen grünen Fleck im Schwarz des Basaltes und dem Glitzern des Prophyrs. Also gab es dort in den zerrissenen Felsengebieten Wasser. Gleichzeitig wußte Myriam, daß ihr Schicksal besiegelt war, erreichten sie erst das Versteck der Horde. Noch kein Weißer 77
war je den Apachen lebend entkommen. Verzweifelt schaute sich die blonde Frau um. Nicht weit von ihr lief ein Maultier ein Stück neben dem Zug der Gefangenen. War das ihre Chance? Sie mußte es wagen. Vielleicht verfolgten die Krieger sie nicht, denn ihr Ziel mußte dicht vor ihnen liegen. Myriam nahm allen Mut und alle Kraft zusammen. Sie ging langsamer, schritt allmählich zur Seite, auf das Muli zu. Und als sie ihre Gelegenheit gekommen sah, lief sie los. Mit beiden Händen umklammerte Myriam den Hals des Tieres, schwang sich auf den Rücken und hieb ihm die Absätze der weichen Stiefel in die Seiten. Das Muli trabte los. Aber es lief mit den übrigen Tieren auf die Felsen zu. Vergeblich zerrte die blonde Frau an der Mähne, ohne Erfolg schlug sie dem störrischen Biest die geballte Faust zwischen die Ohren, das Muli ließ sich nicht beirren. Ein paar Krieger lachten laut, deuteten mit halbleeren Schnapsflaschen auf die häßliche Weiße, die vor Wut und Mutlosigkeit weinte und so kostbare Körperflüssigkeit verschwendete. Doppelwolf galoppierte heran. Er grinste breit und sagte: »Gut so, Goldhaar, wenn wir in der Apacheria ankommen, bist du für mich ausgeruht. Wer weiß, vielleicht empfängst du schon heute den Sohn von mir, den Jungen, der einst als Mann gegen Menschen deiner Hautfarbe kämpfen wird. Geronimo hat unrecht. Du bist nicht schwach. Du bist listig und mutig. Und unser Sohn wird ein großer Krieger werden.« Er ließ seinen Mustang zwei Längen neben dem Muli auf gleicher Höhe traben. Myriam wußte, daß ihr Fluchtversuch kläglich gescheitert war. Eine weitere Chance erhielt sie nicht. Warum hatte sie das Maultier genommen? Warum kein Pferd? Sicher hätte ein richtiges Reitpferd gehorcht und sie davongetragen. Ein Schauder, ein Frösteln überlief die junge Frau, wenn sie 78
an die Nacht dachte, die vor ihr lag. Sie wollte nicht willenlos bleiben, wenn ihr dieser hochgewachsene Krieger Gewalt antat. Sie wollte keine Beute sein und spürte doch tief in ihrem Denken, daß es keinen Ausweg mehr für sie gab – es sei denn den Tod. Schmale Felsenpfade führten in schwindelnde Höhen hinauf. Die Tiere setzten sicher Huf vor Huf. Einschnitte, kaum so breit wie ein Pferd, verschluckten förmlich die Menschen und Pferde und Mulis. Durch grün bewachsene Täler, vorbei an Steinbrocken gewaltiger Größe, über Geröllawinen und durch messerscharfes Gras führte der Weg der Horde zu ihrem Versteck. Endlich war der erschöpfende Marsch zu Ende. Freudenschreie der halb betrunkenen Krieger zeugten davon, daß sie ihr Ziel erreicht hatten. Die Apachen saßen ab, liefen zu den Jacales, den Zweighütten und entfachten Feuer. Myriam wandte den Kopf ab, als die Krieger über zwei Mulis herfielen und die Tiere innerhalb von Minuten schlachteten und zerlegten. Zwei der übrigen Frauen erbrachen sich, würgten nichts als ein wenig Flüssigkeit heraus und sanken matt zusammen. »Die Weiber in die große Hütte dort«, befahl Victorio hart und deutete auf ein Wickiup, das mehr als doppelt so groß wie die anderen war. Zustimmendes Gemurmel klang auf. Lediglich Doppelwolf verzog sein Gesicht zu einer finsteren Maske. »Warum stecken sie uns zusammen!« fragte ein Mädchen, das in Pearce eine Menge Kunden gehabt hatte. »Wollen sie uns nacheinander rauszerren, wenn sie betrunken sind? Wollen sie alle über uns herfallen?« Weder sie noch Myriam wußte, daß diese Hütte zu einem ganz bestimmten Zweck erbaut war. Die Apachen glaubten 79
nämlich, daß weiße Frauen – und auch Mexikanerinnen – böse Geister verborgen in sich herumtrügen. Und diese Hütte war mit allerlei Zauber ausgestattet, der die bösen Geister der andersfarbigen Squaws während der Nacht vernichten sollte. Willenlos ließen sich die Frauen in die Zweighütte treiben. Zwei mußten draußen warten. Ein älterer Krieger zeigte ihnen die verborgene Quelle und gab ihnen Fellbeutel und Tierblasen. Endlich durften die Gefangenen ihren quälenden Durst löschen. Später am Abend würden sie auch Essen bekommen, einen geringen Anteil des gebratenen Mulifleisches. Wer nicht aß, mußte eben hungern. Der Geruch des bratenden Fleisches zog durch den Talkessel und ließ selbst den Gefangenen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ein paar Frauen wuschen ihre blutenden Füße mit Kleiderfetzen ab. Als die Sonne im Westen versunken war, hämmerten die ersten Trommeln. Steine rasselten in ausgehöhlten Kürbissen im gleichen Rhythmus. Die Krieger feierten ihren Sieg, die überreiche Beute, die ihnen Ehre und Ansehen beim Stamm einbringen würde. Der schrille Klang der einsaitigen Fiedel mischte sich in das Dröhnen der Trommeln und Rasseln. Schaudernd drängten sich die Frauen, die am vergangenen Tag noch erbitterte Rivalinnen um die Gunst der Goldgräber gewesen waren, zusammen. Wilder Gesang klang auf, schallte über die Steingebilde hinweg und kündete vom großen Sieg. Lauter hämmerten die Trommeln, schneller wurde der Gesang, schneller kreisten die Flaschen, und die ersten Apachen sanken berauscht zu Boden. Geronimo und Vicotrio ließen ihre Krieger gewähren. Sie wagten nicht, den Unmut der Rebellen herauszufordern, wagten nicht, diese traditionelle Siegesfeier zu verbieten. Denn 80
sie benötigten diese aufrührerischen Kämpfer für ihren Feldzug gegen die verhaßten Weißen. Offen durften sie nicht vorgehen. Dagegen stand Cochises Wort, das alle anderen Stämme band. Insgeheim jedoch wußte Victorio immer einen Weg, den Kampf gegen die Eindringlinge fortzusetzen. Doppelwolf spürte flüssiges Feuer in seinen Adern kreisen. Sein Kopf fühlte sich seltsam leicht an. Die Sterne rutschten über den Nachthimmel, wenn der Krieger sich zu schnell bewegte. Er sah die blonde Squaw vor sich. Plötzlich war ihm gleichgültig, welche furchtbaren fremden Geister ihn verderben konnten. Er wollte diese Frau jetzt, heute nacht noch, besitzen. Langsam zog sich Doppelwolf zurück. Er trank die viereckige Flasche mit dem brennenden Wasser aus, ließ sie in den Sand fallen und schlich hinter das große Jacale. Er vermochte kaum, sich weiterhin zu beherrschen. Mit beiden Händen fetzte er die Zweige zur Seite, achtete nicht auf die ängstlichen, schrillen Schreie, die ihm entgegendrangen und erweiterte die Öffnung so, daß er in wenigen Augenblicken hineinschlüpfen konnte. Noch einmal holte der Krieger tief Luft, gab dem fordernden Pochen seines Blutes nach und hob ein Bein über die Reste der Bodenbefestigung. * Die Pferde zogen die schwere Overlandkutsche die Steigung hinauf. Der Weg verlief flach, ehe er sich im Osten der Dragoon Mountains wieder hinabneigte. »Endlich, ihr lahmen Böcke!« brüllte der Kutscher und ließ die Peitsche zwischen die vordersten Tiere des Sechsergespannes zischen. Er straffte die Zügel, denn nun schob der Wagen gegen die Seile und Geschirre. Knapp ein Dutzend Meilen noch bis 81
Pearce, dachte Haggerty. Er verspürte eine merkwürdige Ahnung in sich. Als Mann der Wildnis gab er diesen Gefühlen nach, handelte oft instinktiv und wußte, daß er immer richtig handelte. »Hoffentlich ist in Pearce noch alles beim alten«, sagte Haggerty leise zu Larry Osborne. Doch der dicke Whiskyvertreter hatte die Worte gehört. Seine Augen weiteten sich, und das Fett des Dreifachkinns zitterte beängstigend. Wyatt Earp musterte den Scout interessiert. Sein Bruder Virgil blickte Haggerty nur kurz an. Virgil wußte von den Ahnungen der Männer, die überwiegend auf sich allein gestellt das wilde Land durchtrailten. Niemand sprach während der nächsten Stunde. Ab und zu gluckerte es in der Ecke des Dicken, wenn er wieder eines seiner Probenfläschchen leerte. Sooft Larry und Buck auch hinausspähten, sie blickten immer gegen die zerfressenen, bizarren Felsgebilde der Dragoon Mountains. Noch umschlossen die Ausläufer der Berge den Kutschweg, den einzigen, den es in dieser Zeit für die Fahrt nach Osten und Westen gab. Doch dann rollte die Kutsche in die Ebene hinab. »Rauchwolken, im Nordosten«, rief Ted Riley vom Bock. »Freunde, ich glaube, Pearce steht nicht mehr.« Wyatt Earp stieß einen Fluch aus und preßte anschließend die Lippen eng zusammen. »Laß sie laufen, Ted«, rief Buck zum Seitenfenster hinaus. Knallend fuhr die Peitsche zwischen die Zugpferde. Sie legten sich mit aller Kraft in die Riemen und rissen die schwere Kutsche über den Fahrweg. Im Galopp preschten die Deichseltiere voran. Der Geruch nach Feuer, Brand und Rauch drang bis in den Wagen. »Alles ist verbrannt!« brüllte Jack Vance, der Begleiter. Er umklammerte die Winchester so fest, daß seine 82
Fingerknöchel weiß hervortraten. Jack war bereit, es mit den roten Mordbrennern aufzunehmen, ihnen heißes Blei um die Ohren fliegen zu lassen, sollten sie noch in der Nähe auf weitere Beute lauern. »Sie sind weg«, sagte Haggerty im Wagen ruhig. »Wenn sie Pearce wahrhaftig gestürmt haben, fanden sie reiche Beute. Die Apachen bringen erst diese Beute in Sicherheit.« Die Pferde scheuten, als ihnen der Blutgeruch in die Nüstern drang. Nur mit all seinem Können hinderte Ted Riley die Tiere am Ausbrechen. Endlich zog er die Bremse an, hielt die Zügel immer noch straff gespannt, bis sich die Gäule beruhigten. Larry, Haggerty und Buck rissen die Türen auf und sprangen hinaus. Ein Bild des Grauens erwartete sie. Die Holzhäuser waren niedergebrannt. Einzelne Bretter und Balken, verkohlt, teilweise noch glimmend, ragten wie mahnende Finger aus den Aschehaufen. Die Strohdächer der Adobehäuser waren vernichtet. Und überall lagen Tote ohne Skalps. Der Wagenkasten knirschte, als der dicke Randolph Glandon ausstieg. »Herr im Himmel«, sagte der Whiskyvertreter gepreßt, »das ist ja unmenschlich. Das können doch nur Tiere vollbracht haben.« Er wandte den Blick ab, vermochte nicht, dieses Bild des Schreckens länger anzusehen. Er stieß gegen Wyatts Stiefel, als er nach seiner Tasche griff, um sich mit weiterem Whisky zu stärken. Geschickt sprang der schlanke Earp über den Dicken hinweg und landete sicher auf den Füßen. Virgil wartete, bis sich Glandon abgewandt hatte, ehe er ausstieg. Grimmig sagte der schnauzbärtige Wyatt: »Das sind also Ihre Freunde, Chiefscout. Schöne Freunde haben Sie, wirklich.« 83
Haggerty verspürte hilflosen Zorn in sich. Obwohl Earp es doch besser wußte, hörte er nicht mit seinen Sticheleien auf. »Sehen wir uns um«, sagte Larry mit kalter Stimme. »Denkst du, einer hat das überstanden?« fragte Buck und deutete auf einen Mann, der skalpiert worden war. Osborne antwortete nicht. Wie von selbst gingen die vier Männer auseinander, marschierten mit einigen Yards Abstand zwischen sich durch die rauchenden Trümmer der kleinen Siedlung zum Goldfeld. Nichts Lebendes fand sich. Die Kutscher blieben wachsam auf dem Bock, suchten die Umgebung mit ihren Blicken ab, vermuteten hinter jedem Dornbusch, hinter jedem Stein einen Apachen und vermochten sich kaum zurückzuhalten. Am liebsten hätten sie die gesamte Umgebung mit heißem Blei bepflastert. Haggerty drang in die Trümmer ein. Suchend zog er seine Spur, beugte sich hin und wieder hinab und kehrte schließlich zu den anderen zurück. »Was unternehmen wir?« fragte Waytt. »Wir fahren so schnell wie möglich weiter«, entschied der Chiefscout. »Das ist ein Job für die Kavallerie.« »Wieso?« wollte Virgil wissen. »Die Apachen nahmen alles von Wert mit«, erwiderte Haggerty. »Sie schleppten eine Menge Schnaps fort, denke ich mir. Und noch etwas fehlt: die Frauen!« Entsetzt blickten sich die Männer an. »Haggerty hat recht«, stieß Buck hervor, »nirgendwo haben wir eine tote Frau gefunden. Heiliger Jason.« »Die Army muß die Bande verfolgen und stellen«, sagte der Scout. »Unter Druck sind die Krieger sicher zu Verhandlungen bereit. Wir dürfen nicht zulassen, daß sie die Frauen mitschleppen. Sie werden in den Dörfern oder Apacherias wie der letzte Dreck behandelt, vielleicht sogar zu Tode gequält.« Buck und Larry schoben die Hüte entschlossen nach hinten. 84
»Kommt nicht in Frage«, sagte Osborne entschlossen, »das ist keine Sache für die Idioten in den blauen Uniformen. Die verderben doch alles nur. Wir setzen uns auf die Fährte der Apachen. Und Sie führen uns, John. So wird's gemacht, und nicht anders.« Wyatt Earp sah Larry verblüfft an. »Du hast recht, Gunslinger«, sagte er, »die Hohlköpfe von der Army galoppieren mit Gesang und Trompetengeschmetter in die Berge. Den nächsten Monat brauchen diese Narren, um selbst wieder rauszufinden. Bis die Blauröcke die Horde erwischen, sind die mitsamt den Frauen längst in Sicherheit.« Haggerty schüttelte den Kopf. Sicher, auch die Earps waren gute Kämpfer. Aber hier ging es darum, die Macht der Weißen zu zeigen. Den Apachen klarzumachen, daß sich die Bleichgesichter nicht alles gefallen ließen. Zudem fand der Scout ein gutes Argument, wie er dachte. »Und ihr wollt also zu Fuß hinter der berittenen Horde hermarschieren?« fragte Haggerty. »Ihr wollt ihnen in jede Falle laufen, die sie für uns aufstellen?« Entgeistert sahen sich die vier Männer an. Schließlich sagte Buck Tinatra grinsend: »Um ein Haar hättest du uns reingelegt, Scout. Aber wirklich nur um ein Haar.« »Wie weit ist es bis Fort Buchanan?« fragte Larry Osborne. »Länger als fünf Stunden«, erwiderte Haggerty. »Also, Mister, in etwa zwei Stunden schaffen wir die Strecke zurück nach Tombstone. Dort klemmen wir uns gute Pferde zwischen die Beine und reiten los. Rechnen Sie doch mal nach: fünf Stunden mit der Kutsche zum Fort. Eine Stunde, um den Offizieren alles klarzumachen. Frühestens in sechs Stunden kann die Truppe unterwegs sein, kommt also erst bei Einbruch der Dunkelheit hier an. Wir schaffen den Weg bis hierher zurück in höchstens vier bis fünf Stunden, haben also noch den ganzen Spätnachmittag Zeit, in die Dragoons einzudringen.« 85
»Du bist zwar überhaupt nicht mein Fall«, sagte Wyatt Earp, »aber du hast recht. Nur ohne Haggerty geht's nicht. Oder traut ihr euch zu, die Fährte der Rothäute aufzunehmen und zu halten?« »Das nicht, aber die Spur der gefangenen Frauen«, erwiderte Buck lässig. »Ich wette, sie müssen laufen. Die Apachen wollen sie fertigmachen, ihre Widerstandskraft schwächen. Denn die Krieger feiern doch bestimmt ihren großen Sieg. Oder nicht, Haggerty?« Der Scout nickte. Ja, die roten Kämpfer würden tanzen, trinken und die reiche Beute aufteilen. Vielleicht hatten die anderen Männer sogar recht. Jede Minute Vorsprung für die Apachen brachte die gefangenen, mitgeschleppten Frauen ihrem erbarmungslosen Schicksal näher. »Also gut, ich bin einverstanden«, sagte der Chiefscout schließlich. »Wir fahren so schnell wie möglich zurück nach Tombstone.« »Und das hier? Die Toten alle?« wollte Virgil wissen. »Das hat Zeit«, erwiderte Haggerty, »wenn wir Erfolg haben, schicken wir die Kavallerie raus. Die sollen die Toten begraben.« Sie liefen zur Kutsche zurück. »Also, ab in die Dragoons«, sagte Larry Osborne zu den Fahrern. »Zurück nach Tombstone?« fragte Ted Riley ungläubig. »Ja, aber schnell«, erwiderte Buck Tinatra, »egal, ob die Pferde dabei draufgehen. Sie müssen nur bis zur Station durchhalten, klar?« »Warum? Ist das ein Befehl der Streckenreiter?« »Das ist ein Befehl, vergiß deinen Fahrplan«, sagte Larry hart. »Die Apachen haben sämtliche Frauen mitgeschleppt. Wir brauchen gute Pferde, wenn wir die Horde erwischen wollen.« »Allmächtiger«, sagte Ted Riley und ächzte. 86
Er löste die Bremse, ließ die Peitsche knallen und wendete den schweren Wagen. Erbarmungslos trieb der Fahrer die Tiere an. Sie wieherten empört, stemmten sich jedoch in die Geschirre. Die Kutsche erreichte Tombstone in nur anderthalb Stunden. Dort kümmerte sich keiner der Fahrgäste um die Neugierigen, die zusammenliefen und aufgeregt einen Schwall von Fragen losließen. Buck und Larry stürmten ins Office der Company, gaben eine Reihe von Befehlen, und sofort wirbelten die Männer durcheinander. Es dauerte nur zehn Minuten, bis jeder mit einem ausgezeichneten Reitpferd, einer vollen Wasserflasche und ausreichend Munition versehen war. Erst als die fünf Männer im Galopp die Minenstadt wieder verließen, versuchte der dicke Whiskyvertreter aus der Kutsche zu klettern. Er schaffte es nicht, stolperte, fiel zu Boden und schlief sofort ein. Wie ein zitternder Fleischberg lag er dort, verbreitete einen Schnapsgestank, der einen wenig trinkfesten Mann umgeworfen hätte. Drei Pferdehelfer waren nötig, den Dicken in den Stall zu schleppen, in dem er seinen Rausch in einer leeren Box ausschlafen durfte. * Weitere zwei Stunden später nahm John Haggerty die Spur der Horde auf. Die Mimbrenjos waren genau nach Westen gezogen, auf die Dragoon Mountains zu. In den zerklüfteten Felsentälern fanden die Krieger genügend Verstecke, die wie Festungen kaum zu erobern sein würden. Noch war die Fährte deutlich zu erkennen. Haggerty wußte, daß sich das ändern würde. Marschierten die Tiere erst über 87
felsigen Untergrund, mußte der Scout seine ganzen Fähigkeiten einsetzen, um die Spur nicht zu verlieren. »Hört mal zu, ihr beiden Komiker«, sagte Larry Osborne, der sein Pferd zwischen die Tiere der Earps leitete. Wyatt kniff die Augen zusammen. Seine Augen waren nicht zu sehen. Die vorgewölbten Stirnknochen beschatteten sie. »Was willst du, Halbwilder?« fragte Wyatt und übersah das tadelnde Kopfschütteln seines Bruders. »Wißt ihr, worauf ihr euch eingelassen habt?« erkundigte sich Larry Osborne ernst. »Die Apachen sind wilde Teufel. Stoßen wir auf sie, wenn sie noch betrunken sind, kämpfen sie noch rücksichtsloser als sonst.« »Er hat die Hosen schon voll«, spottete Wyatt. »Da sind wir doch aus anderem Holz geschnitzt, nicht wahr, Virgil?« »Du solltest dich nicht wie ein Narr benehmen«, warf Buck ein. »Genau das ist es«, sagte Larry friedlich. »Wir folgen einer Horde blutgieriger Teufel. Diese Rebellen sind die wildesten Krieger. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr, auf Raubzug zu gehen, lassen sich nicht von ihren Häuptlingen bändigen. Was ich sagen will, ist dies: wir sind aufeinander angewiesen. Daß wir uns gegenseitig nicht ausstehen können, muß vergessen sein, klar?« Wyatt nickte nachdenklich. Dieser Revolverschwinger hatte recht. Obwohl Buck Tinatra und Larry Osborne überhaupt nicht nach Wyatts Geschmack waren, blieben sie doch gefährliche Kämpfer. Und nun, da sie zusammen ritten, mußte sich einer auf den anderen bedingungslos verlassen können. »In Ordnung, schließen wir Frieden«, sagte Wyatt Earp, »wenigstens so lange, bis wir die Frauen befreit haben.« Virgil nickte nur. Er wußte ohnehin, daß jegliche Streiterei untereinander nur zu lebensgefährlichen Situationen führen würde, vor allem in ihrer Lage. »Was ist mit dem Scout?« fragte Virgil plötzlich und richtete 88
sich im Sattel auf. John Haggerty hatte sein Pferd gezügelt und blickte zu Boden. Als die vier Reiter ihre Tiere hinter John verhielten, sagte der Fährtensuchen »Aus, hier endet die Spur. Die Felsenwege beginnen.« Wyatt fluchte zornig und fragte: »War alles umsonst? Oder findest du die Fährte wieder?« Haggerty lächelte und erwiderte: »Wir haben einen Vorteil. Die gestohlenen Pferde und Mulis tragen Hufeisen. Ich entdecke schon irgendeinen Kratzer, der uns weiterhilft. Es dauert eben nur etwas länger.« Ungeduld brannte in den Verfolgern. Larry und Buck hatten mittlerweile bei ihren einsamen Patrouillenritten gelernt, daß Geduld die wichtigste Eigenschaft im Apachenland war. Sie sahen Haggerty zu, der sein Pferd langsam hin und her leitete. Endlich verhielt er vor einem Felsband, das sich, kaum einen halben Yard breit, entlang einer zerklüfteten Steilwand nach oben erstreckte. »Los, das ist der Trail«, sagte Buck und trieb sein Tier an. »Mann, bist du sicher?« fragte Wyatt Earp erstaunt. »Das ist doch ein Weg für 'ne Bergziege und keiner für einen Gaul.« Haggerty leitete sein Pferd ohne Zögern auf das schmale Band zu. Langsam setzte das Tier Huf vor Huf. Selbst an den engsten Spalten verhielt John, musterte den Boden und suchte nach Spuren. Immerhin war es möglich, daß die Apachen einen Krieger zurückgelassen hatten, der die eigene Fährte beobachten sollte. Dies war eine uralte Gewohnheit der Wüstenkrieger. Sie unterbrachen ihren Trail und starrten stundenlang auf die eigene Spur, um einen eventuellen Verfolger zu entdecken und in die Falle laufen zu lassen. Es ging nur langsam weiter. Endlich fand Haggerty die Abzweigung. Sie war so eng, daß 89
die Weißen die Füße aus den Steigbügeln ziehen und die Bügel selbst hochnehmen mußten. »Zwei Längen Abstand halten«, befahl Haggerty halblaut. Warum das, wollte Wyatt fragen. Als er hochsah, wußte er die Antwort. Auf den Zacken und Vorsprüngen lagen kleine Berge lockeren Gerölls. Ein Krieger vermochte leicht, eine Steinlawine auszulösen. Hielten die Reiter genügend Abstand, erwischte es nur einen Mann. Innerlich fluchte der jüngere Earp. Diese Felsen waren von Spalten durchsetzt, die irgendwo begannen und irgendwo endeten. Für einen Weißen stellten sie einen Irrgarten dar, in dem er hoffnungslos verloren war, fand er die eigene Fährte zurück nicht mehr. Irgendwo sickerte Wasser. Aus einer kaum handbreiten Öffnung wehte es kühl heraus. Ab und zu wucherten Grasbüschel aus Spalten, in die der Wind Erde abgelagert hatte. Weiter vorn stand ein Bergwacholder niedrig geduckt gegen die Geröllbrocken geschmiegt. Ein totes Land, dachte Wyatt Earp. Und doch verbergen sich die roten Krieger hier. Also muß es genügend große Täler geben, in denen Gras für die Mustangs wächst. Gras und Wasser benötigten die Tiere. Allein mit Wasser kamen die Krieger aus. Aber alle Apachen wußten von geheimen Quellen, die wohl nie ein Weißer zu Gesicht bekam. Haggerty verhielt sein Pferd und beugte sich aus dem Sattel. Endlich, nach langen Minuten, deutete der Scout auf ein noch schmaleres Felsband, das in einen dunkel gähnenden Tunnel hineinführte. »Was, da sollen wir durch?« fragte Wyatt den blonden Osborne. »Am Ende lauert doch schon ein Apache, um uns die Köpfe abzuschneiden.« Larry grinste und fragte: »Was willst du sonst machen? Drüberfliegen?« 90
Zweifelnd blickte Wyatt hoch und schüttelte den Kopf. »Geht nicht, zu hoch«, erwiderte er. Glatt wuchs die Felswand vor ihnen auf. Nicht der geringste Vorsprung war zu entdecken. Sie mußten in den dunklen Stollen eindringen, wollten sie den Apachen weiterhin auf der Spur bleiben. Das Unbehagen wich erst von den Männern, als der etwa dreißig Yards lange Gang einige Pferdelängen hinter ihnen lag. Der Weg verbreiterte sich so, daß zwei Mann nebeneinander reiten konnten. Im Trab liefen die Pferde voran. Doch nach etwa einer halben Meile zügelte Haggerty sein Tier und saß ab. Er suchte gebeugt den Boden ab. Kopfschüttelnd blieb er schließlich vor einem keilförmigen Einschnitt stehen und deutete mit der Hand auf die Öffnung. »Sie sind dort durch«, sagte der Scout. »Ich weiß zwar nicht, wie sie das geschafft haben, aber die Spuren führen durch diese Spalte.« »Eine falsche Spur vielleicht«, vermutete Virgil Earp, der während des ganzen Rittes noch kein Wort gesprochen hatte. »Unmöglich«, erwiderte Haggerty sofort. Er wandte sich ab, schlug die Steigbügel über den Sattel und glitt in die Felsspalte. Unwillig folgte das Pferd dem fordernden Druck der Zügel, setzte tastend Huf vor Huf und kletterte schließlich in die Öffnung, indem es sich drehte und wand. Endlich hatte das Tier die Engstelle passiert. »Hier wird's besser«, sagte John halblaut. »Beeilt euch, wir haben nur noch zwei Stunden Tageslicht. In diesen Schluchten wird's schneller dunkler als draußen.« Es dauerte einige Zeit, bis die vier übrigen Pferde die schmale Öffnung bezwungen hatten. Aber anschließend konnten die Reiter ihre Tiere wieder traben lassen. Andauernd blickte John Haggerty zu den Gipfeln der Felswände hinauf, suchte jede nur mögliche Deckung mit seinen Blicken ab. Er verspürte ein merkwürdiges Gefühl. So, 91
als würde er beobachtet, aber nicht von einem Feind. »Was ist mit ihm los? Juckt der Skalp?« fragte Wyatt den dunkelhaarigen Larry Osborne. »Spürst du es nicht?« fragte er zurück. »Ich merke es ebenfalls. Wir werden beobachtet. Fragt sich nur, wer in einer guten Deckung lauert.« Wyatt lachte kurz und freudlos und erwiderte: »Die Frage ist doch nicht schwer zu beantworten. Die Späher der Apachenhorde hocken da oben. In ein paar Minuten decken sie uns mit heißem Blei ein.« Osborne schüttelte den Kopf. Nein, es waren keine Gegner, die auf sie warteten. Denn in diesem Fall hätte Larrys Instinkt längst Alarm gegeben. Der breite Weg wand sich wie eine Schlange durch die Felsen der Dragoon Mountains. Hinter jeder Biegung konnte das Verderben warten, konnten rote Krieger auftauchen, wie vom Felsen ausgespuckt. Und als sich der Trail noch mehr verbreiterte, entdeckten die fünf Weißen die Indianer. Zwei Krieger ritten auf sie zu. »Verdammt, jetzt wird's ernst«, zischte Wyatt und wollte die Winchester aus dem Scabbard reißen. »Nicht, es ist Cochise mit seinem Sohn Naiche«, warnte Buck Tinatra. * Ruhelos durchstreifte der Jefe der Chiricahuas das weite Gebiet. Begleitet wurde er nur von Naiche, seinem Sohn. Am frühen Mittag entdeckten die Indianer die Rauchwolken. Naiches dunkle Augen glommen unheilvoll, als er sich seinem Vater zuwandte und sagte: »In unserem eigenen Land, mein Vater. Der einarmige General wird sagen, daß dein Wort weniger wert ist als eine tote Klapperschlange.« 92
Der Chief unterdrückte mühsam seinen Zorn. Geronimo ging zu weit. Der ehrgeizige Krieger brachte es mit seinem Drang zur Häuptlingswürde noch fertig, daß der gesamte Südwesten, das Apachenland, von Weißen und Indianern zu einer Hölle gemacht wurde. »Wir reiten dorthin«, sagte der Jefe nur und trieb seinen Mustang an. Ihnen bot sich das gleiche Bild wie vor wenigen Stunden den Männern der Kutsche nach Duncan. Tod, verkohlte Balken, skalpierte Männer, waren das Ergebnis von Geronimos Raubzug. Cochise und Naiche saßen ab, suchten die gesamte Siedlung nach Spuren ab und entdeckten sofort die Stiefelabdrücke weißer Männer, die ebenfalls durch die Trümmer gestreift waren. »Hier, ein rollendes Jacale hat gewendet«, sagte Naiche und deutete auf die tief eingegrabenen Radfurchen. »Wenn sie davonfahren und die Pferdesoldaten holen, stürmen die Blauröcke unsere Berge«, fuhr Naiche mit schwerer Stimme fort. Er wußte, daß die Apacheria des Stammes kaum einzunehmen war. Brachten die Bleichgesichter jedoch Kanonen und jene Gewehre mit, die ohne Pause feuerten, stand es um die Chiricahuas schlecht. Cochises Gedanken führten in eine andere Richtung. Der Chief kannte die Zeiten der Kutschen. Er erinnerte sich daran, daß der Falke und die beiden Streckenreiter mitfuhren, daß sie schon einen Angriff Geronimos abgeschlagen hatten. »Es ist Falke«, sagte Cochise. »Sie fuhren zurück, um in Tombstone Pferde zu holen. Nur er wagt es, eine Rotte Krieger zu verfolgen.« »Warum aber?« wollte Naiche wissen, »wegen der Beute? Aus Rache für die toten Weißen?« Der Jefe schüttelte nach Art der Bleichgesichter den Kopf und erwiderte: »Du hast oft genug diese Menschen hier 93
beobachtet, Sohn. Berichte, überlege, was du dabei erspähtest.« Naiche atmete nach wenigen Augenblicken scharf aus und rief: »Sie haben die Squaws mitgeschleppt. Das ist ihre wahre Beute.« Sofort entstand vor den Augen des jüngeren Chiricahuas das Bild einer neuen Sippe, die sich zu einem Stamm entwickelte. Wenn die Rebellen unter Geronimo sich irgendwo in der Felsenwildnis verbargen, konnten sie in einem Dutzend Jahren gefährliche Feinde werden. Naiche teilte seinem Vater diesen Verdacht mit. Cochise jedoch wehrte ab und sagte: »Das genügt Geronimo nicht. Er will die Führung übernehmen, will wie ich werden. Glaube mir, dies ist sein Ziel: größer zu sein als Victorio. Nein, er gründet keine neue Sippe. Er wird die Squaws mit in die Reservation schleppen und dort verstecken.« »Und das bedeutet«, sagte Naiche, »daß die Pferdesoldaten jeden Fußbreit Boden absuchen, jeden Apachen wie einen Eselshasenjagen. Es gibt Krieg, den du nicht willst, mein Vater.« Grimmig nickte der große Häuptling. Ja, diesmal hatte sein Sohn recht. Geronimo wurde zu einer großen Gefahr für das Gebiet der Indianer. Der ehrgeizige Krieger vermochte alles zu zerstören, was Cochise mühsam erhielt. Der Frieden, dem er zugestimmt hatte, war wieder einmal gefährdet. Verbündete sich Geronimo mit Victorio, gab es keinen Frieden mehr, dann überzog sich das Land der Apachen mit Krieg. Und dieser Konflikt würde das Ende der Wüstenkämpfer bedeuten. Cochise war entschlossen, durch kluge Politik seiner Rasse, den Stämmen der Apachen zumindest das Leben zu erhalten. Einige wenige Weiße dachten wie er. Aber diese Absichten wurden von Menschen beider Hautfarbe immer wieder durchkreuzt. Auf der einen Seite lockten Kampf und Beute. Die Weißen wollten Gold, Land und Wasser. Ein 94
Zusammenleben schien unmöglich, wenn nicht beide Gruppen gewisse Regeln respektierten. »Wir folgen den Rebellen«, entschied Cochise. »Es ist nötig, daß die Krieger um Geronimo die weißen Frauen herausgeben. Führen wir die Squaws zu Falke, wird er die Verfolgung aufgeben und erkennen, daß auf Cochises Wort kein Verrat folgt. Und Falke berät den einarmigen General. Er vermag ihn von der Entsendung der Blaubäuche abzuhalten.« Naiche folgte seinem Vater, der den Mustang herumzog. Sie ritten direkt auf die Berge zu, die ihre Heimat waren, in der die uneinnehmbare Felsenfestung, die Apacheria der Chiricahuas, lag. Nach etwa einer Stunde vermutete Cochise bereits, welches Versteck Geronimo ausgesucht hatte. »Er lagert in dem Felsental«, sagte der Chief zu seinem Sohn, »in dem das Wasser im Boden verschwindet.« Die beiden Chiricahuas ließen die Pferde in einem Versteck zurück und glitten zu Fuß weiter. Nach langer Zeit erreichten sie eine vorspringende Klippe, von deren Ende aus sie den Talkessel überblicken konnten. Cochise und Naiche sanken zu Boden, schoben sich weiter und spähten schließlich in die Tiefe. Feuer loderten auf. Zwei Mulis starben unter den Beilhieben. Wenig später zog der Duft bratenden Fleisches in die Höhe. Die Frauen wurden zu einer großen Rundhütte getrieben, dem Jacale, das die bösen Geister vernichtete. »Zurück«, raunte Cochise, »sie bleiben hier.« Als die Männer wieder ihre Pferde erreichten, fragte Naiche: »Hast du die Flaschen gesehen?« Cochise nickte nur. Grimm fraß in ihm. Die Krieger ließen sich viel zu leicht verleiten, das brennende Wasser der Weißen zu trinken. Diese ätzende Flüssigkeit, die zuerst den Geist verwirrte, dann den Mut und die Verwegenheit anstachelte und zum Schluß die Glieder schwer machte und einen Mann zu 95
Boden schlug. Dumpf ahnte der große Häuptling, daß dieses brennende Wasser eine mächtige Waffe in den Händen der Bleichgesichter war. Denn Cochise kannte Apachen, die diesem Trank des bösen Geistes verfallen waren, die alles hergaben, um nur eine Flasche davon zu erhalten. »Vater, was unternehmen wir?« fragte Naiche, als sie zurückritten. »Wir halten Falke und seine Männer auf«, erwiderte Cochise entschlossen. »Er findet die Fährte der Horde. Die Krieger sind berauscht. Es gibt ein furchtbares Gemetzel, greift Falke an. Die Rebellen werden die Squaws nicht schonen. Und das wäre unser Ende.« »Willst du ihnen die Beute überlassen?« fragte Naiche. »Nein, mein Sohn, ich, Cochise, handele«, erwiderte der Jefe. »Dies sind meine Berge. Weder ein Weißer noch Mimbrenjos haben hier etwas zu suchen, wenn ich sie nicht gebeten habe, herzukommen. Reiten wir Falke entgegen.« * Ein halbes Dutzend Pferdelängen trennten Haggerty von seinem Freund, dem großen Häuptling. Cochise zügelte seinen Mustang, streckte in einer gebieterischen Geste die Linke aus und sagte laut: »Halt, Falke, dies ist mein Land. Und du bist jetzt nicht willkommen.« Haggerty saß reglos im Sattel. Seine Gedanken jagten sich. Fieberhaft suchte John nach einer Erklärung für das Verhalten des Jefes. Er zeigte seine Macht als Häuptling des größten Stammes, als Chief der Apachen. Warum verwehrte er John den Zugang zu den Dragoon Mountains? Machte er etwa gemeinsame Sache mit Geronimo? Etwas von diesen Gedanken oder Gefühlen mußte sich auf 96
Haggertys Gesicht widergespiegelt haben. Denn Cochise lächelte flüchtig und rief: »Es ist meine Sache, abtrünnige Apachen zu bestrafen. In diesen Bergen gilt Cochises Gesetz, und dieses Gesetz ist das unserer Stämme.« Haggerty zögerte mit seiner Antwort. Er befürchtete, den Chief zu verletzen. Und John wollte auf keinen Fall, daß die Freundschaft zwischen ihnen einen Riß erhielt. »Ich sage Freund zu dir, Cochise«, erwiderte John langsam. »Und ich frage dich, ob ich als Freund hier willkommen bin, hier an diesem Ort.« Der Chiefscout wartete die Antwort nicht ab, sondern schwang sich nach dem letzten Wort aus dem Sattel. Mit gemessenen Schritten ging er auf den Jefe zu, der ebenfalls absaß. Er reichte seinem weißen Freund die Hand nach Sitte der Bleichgesichter. »Ich sehe, Falke, wir müssen ein Palaver abhalten«, sagte Cochise. Er setzte sich ohne Zögern nieder. Haggerty folgte seinem Beispiel und wartete höflich, bis der Häuptling das Gespräch eröffnete. »Höre, Falke«, begann Cochise, »ich fand die Toten, die niedergebrannten Jacales der Siedlung. Ich fand die Spuren des rollenden Wagens. Und ich wußte, daß du in Tombstone Pferde holen würdest. Ich entdeckte, daß die Horde alle Squaws verschleppt hat.« Der Chief schwieg einen Moment. Seinem Gesicht waren die Sorgen, die ihn bedrängten, nicht anzumerken. »Die Mimbrenjos erbeuteten Schnaps, Falke«, fuhr Cochise fort. »Wenn du angreifst, werden die weißen Frauen sterben. Zusammen mit deinen Männern vermagst du nicht jeden Apachen zu töten. Vergiß nicht: Geronimo führt die Horde. Er hat viele Anhänger. Seine Freunde werden einen Rachefeldzug unternehmen und Weiße töten.« 97
Haggerty schwieg eisern. Zuerst sollte der Häuptling seine Pläne mitteilen. Danach würde John antworten. »Ich werde die Krieger bestrafen, nach unserem Gesetz«, fuhr Cochise fort. »Vergiß nicht, Falke: sie brachen mein Wort.« Haggerty überlegte kurz und schauderte innerlich zusammen. Er sah die Folgen deutlich vor sich. Die Mimbrenjos unter Victorio begaben sich auf den Kriegspfad gegen ihre Brüder, die Chiricahuas. Die lockere Allianz zwischen den Stämmen, die widerwillig Cochises Frieden einhielt, mußte zerbrechen. Ein grausamer Krieg war die Folge, ein Krieg, der den Südwesten in eine wabernde Feuerlohe versetzte. Denn die Apachen aller Stämme beschränkten sich nicht darauf, gegen die Chiricahuas zu ziehen. Sie griffen in diesem Fall jeden Weißen an, würden mit Hilfe ihrer Listen die Forts stürmen und die Patrouillen der Kavallerie niedermachen. »Jefe«, erwiderte Haggerty schwer, »dies ist dein Land. Dein Gesetz gilt hier. Doch ich frage mich, ob es klug ist, die Rebellen streng nach diesem Gesetz zu strafen. Denn die Strafe ist der Tod, wie ich weiß. Sterben die Krieger, richtet sich der Zorn aller Apachen gegen dich. Wenn du dich so offen auf die Seite der Weißen stellst, bricht dein Handeln den Frieden. Ich möchte die Frauen befreien, ja. Sie sterben, müssen sie bei den Squaws der Stämme leben. Ich möchte den Kriegern jedoch die Möglichkeit zum Rückzug lassen. Vergiß nicht, daß nur wenige Apachen immer wieder Raubzüge unternehmen, daß eigentlich Frieden im Land herrscht.« Cochise starrte nachdenklich zu Boden. Er schien zu spüren, daß Falke auf seiner Einstellung beharren würde. »Mann, was reden die da herum?« fragte Wyatt Earp leise. »Wenn Cochise auf unserer Seite steht, können wir doch gemeinsam angreifen!« Buck und Larry schüttelten gleichzeitig die Köpfe. 98
»Wir dürfen Cochise nicht zu sehr reizen«, erklärte Buck. »General Howard hat ihm zugesichert, daß die Chiricahuas die Dragoon Mountains als ihr Eigentum behalten und in der Ebene jagen dürfen. Wir stehen auf Cochises ureigenstem Gebiet.« Wyatt bewegte die Lippen in lautlosen Flüchen. Einerseits kam ihm die Verstärkung durch den Häuptling und seinen Sohn gerade recht. Andererseits würde er am liebsten mitten zwischen die verdammten roten Banditen springen und sie niedermachen. John Haggerty dachte an Tla-ina, die Schwester des Chiefs. Für ein paar Sekunden erwog der Scout, ob er den Häuptling nach dem Mädchen fragen sollte. Das entspannte die Situation vielleicht. Falke kam davon ab. Es war nicht Brauch bei den Apachen, sich nach einer Squaw zu erkundigen. Selbst dann nicht, wenn sie durch ihren Bruder dem weißen Mann, den sie liebte, ein Geschenk geschickt hatte. »Ich höre, mein Freund«, sagte der Scout darum so gelassen wie möglich. »Drei Dinge bewegen mein Herz. Das Schicksal der geraubten Frauen, der Friede in diesem Land und meine Freundschaft zu dir.« Das mußte doch ein harter Brocken sein, dachte John. Gleichzeitig befürchtete er, zu weit gegangen zu sein. Denn wenn er die Freundschaft zu Cochise in die Waagschale warf, mochte der Jefe dies als zu gering für eine Erprobung dieser Freundschaft ansehen. »Falke, auch diese Dinge brennen in meinem Herzen«, erwiderte der Häuptling langsam. »Ich kenne die Apacheria der Rebellen.« Haggerty blickte auf. Eine neue Situation ergab sich. Der Chief war in der Lage, den fünf Weißen den Zugang zu versperren. Andererseits konnte er ihnen helfen, ungesehen an das Lager anzuschleichen und den Versuch zur Befreiung der 99
Frauen zu wagen. »Wir begleiten euch«, sagte Cochise, »wir bleiben außer Hörweite der Apacheria. Im Morgengrauen befreien wir gemeinsam die weißen Squaws. Ihr bringt sie in Sicherheit. Was weiter geschieht, ist meine Sache.« Haggerty überlegte und sagte drängend: »Töte die Männer nicht, mein Freund. Die Rache ihrer Sippen würde die Hölle aufbrechen lassen.« »Du hast mein Wort, Falke«, erwiderte der Häuptling und stand auf. Er ging zu seinem Pferd, saß geschmeidig auf und übernahm mit Naiche die Führung des Reitertrupps. »Da marschieren wir wie Schafe hinter dem gefährlichsten Apachen her, der überhaupt lebt«, sagte Wyatt Earp. »Wenn er uns nun in eine Falle führt? Wenn er gemeinsame Sache mit den Rebellen macht?« Larry Osborne lachte kurz und erwiderte: »Dann ist dies das Signal zu einem mächtigen Aufstand. Und wir würden so oder so sterben. Denn wir reiten durch die Dragoon Mountains.« Haggerty erkannte an den Spuren, daß sie die Fährte der räuberischen Mimbrenjos verließen. Ein Felsenweg zweigte scharf nach rechts ab, führte weg vom vermuteten Lager der Krieger. Der Scout schwieg, bis Cochise sie in ein langgestrecktes Tal führte, das nur diesen einen Zugang zu besitzen schien. Es roch nach Wasser und Gras. Haggerty leitete sein Pferd neben den Mustang des Chiefs und fragte: »Ist dies der Ort, an dem wir den Morgen abwarten?« »So ist es, Falke«, bestätigte Cochise lächelnd. »Wir können Feuer entfachen und uns ungestört unterhalten. Niemand hört auch nur ein Wort.« Unbehaglich fuhr John fort: »Ich habe das Gefühl, in einer Falle zu stecken. Gibt es noch einen anderen Ausgang?« 100
»Komm mit, Falke«, forderte der Chief seinen Freund auf. Sie saßen ab. Cochise ging leichtfüßig zu einigen großen Geröllbrocken, die scheinbar den Weiterritt verhinderten. Der Jefe wich seitlich aus, deutete mit der Rechten auf einen Weg, der breit genug für ein Pferd war, und sagte: »Folgst du diesem Pfad, gelangst du direkt zum Paß durch die Dragoons. Ein langsames Tier marschiert zwei Stunden, nicht länger.« Verblüfft blickte Haggerty den Apachenhäuptling an. Der Scout glaubte, die Gegend um den Mule Paß wie seine Hosentasche zu kennen. Aber in dieser zerklüfteten Felsenwildnis gab es immer mehr Wege und Wunder zu entdecken. »Verdammt, warum greifen wir nicht jetzt an?« fragte Wyatt Earp aufsässig, als er den Bauchgurt seines Pferdes lockerte. »Kostbare Zeit geht verloren. Und das nur deshalb, weil sich Haggerty und Cochise immer wieder erzählen, wie sehr sie befreundet sind.« Naiche sah den jungen Weißen an. Lächelnd sagte der Häuptlingssohn: »Komm mit, ich zeige dir Wasser und Gras.« Wyatt preßte die Zähne zusammen. Er witterte Verrat. Trotzdem stapfte er, sein Pferd am Zügel, hinter dem hochgewachsenen Chiricahua her. »Wir kämpfen nicht in der Dunkelheit«, erklärte Naiche auf dem Weg zur Quelle. »Unsere Seelen finden dann nicht den Weg ins Totenreich. Bu, der Bote des Todes, verfehlt sie und sie irren für alle Zeiten umher.« Wyatt Earp verkniff sich ein paar bissige Bemerkungen über diesen verdammten Aberglauben. Er murrte nun »Inzwischen lassen sich die Halunken mit Schnaps vollaufen und machen sich über die Frauen her.« Auf einmal stand Cochise vor ihm. Im Mondlicht sah der Häuptling noch ehrfurchtgebietender als am Tage aus. Er schien von einer silbernen Aura eingehüllt, die wie ein Mantel wirkte. 101
Selbst der hitzige Wyatt Earp war beeindruckt und hielt sein loses Mundwerk im Zaum. Buck und Larry entfachten ein Feuer. Der mitgeführte Proviant reichte für ein karges Mahl, das mit ein paar Schlucken Wasser abgerundet wurde. Als die Zigaretten brannten, sagte Naiche: »Ich wache. Legt euch nieder.« Cochise streckte sich dicht neben seinem Pferd aus, schloß die Augen und atmete regelmäßig. Buck und Larry löschten das Feuer. Die Earps unterhielten sich leise. Sie trauten dem Frieden nicht, sagten das auch, und abermals wies John Haggerty sie zurecht. »Wir müssen uns schon nach Cochise richten«, raunte der Scout. »Wir sollten dankbar sein, daß er uns hilft. Gelangen wir morgen mit den befreiten Frauen ungeschoren nach Tombstone, ist unser Ziel erreicht.« Endlich gaben auch die Earps Ruhe. Sie dachten noch eine Weile über ihr Pech nach. Denn Pearce wäre für sie sicher eine Goldgrube gewesen. So trailten sie am anderen Tag nach Tombstone zurück, in die Stadt, die ihnen kaum eine Chance gab. Mitten in der Nacht erwachte Wyatt. Er richtete sich auf, lauschte argwöhnisch und zuckte zusammen, als er das Rufen eines Kaktuskauzes vernahm. Der junge Mann sah zu Cochises Pferd. Der Pinto stand noch an seinem Platz. Aber von Cochise war keine Spur zu entdecken. Wyatt sprang auf, wollte Haggerty anstoßen, aber der Scout erwachte durch die Störung von selbst. »Was ist los?« fragte John hellwach. »Der Häuptling ist verschwunden«, erwiderte Wyatt zornig. »Ich hab's doch gerochen. Wir sind in eine Falle gelaufen. Vielleicht rösten uns die Apachen morgen früh schon über kleinem Feuer.« »Wartet, ich sehe mich um«, sagte Haggerty und stand auf. Wie ein Schatten verschwand er in der Dunkelheit. Es 102
dauerte lange, zu lange, bis er zurückkehrte, dachte Wyatt, der nervös am Griff seines Revolvers herumfingerte. »Sie sind beide fort«, berichtete Haggerty halblaut. »Was haben sie vor?« fragte Virgil, der ebenfalls erwacht war. »Ich denke, Apachen kämpfen nicht in der Dunkelheit.« Larry und Buck standen auf. »Frauen befreien ist kein Kampf«, sagte der Scout nachdenklich. »Vielleicht holen sie schon die Gefangenen.« »Und was wird aus den verdammten Bastarden, die Pearce niedergebrannt und die Männer dort umgebracht haben?« fragte Wyatt Earp hitzig. »Das ist ohnehin Cochises Angelegenheit«, erwiderte Haggerty. »Machen wir uns lieber Gedanken darüber, wie wir die Frauen nach Tombstone bringen. Wir können sie nur marschieren lassen, nicht wahr?« Wyatt fluchte halblaut vor sich hin. Darüber hatte er noch nicht nachgedacht. * Die Mitte der Nacht war erreicht. Cochise richtete sich auf. Er hatte keinen Moment geschlafen. Es war ihm gelungen, die Bleichgesichter zu täuschen. Lautlos gelangte der Jefe auf die Füße und glitt davon, ohne ein Geräusch zu verursachen. Naiche erwartete seinen Vater bereits. Gemeinsam schlichen sie durch die Felswildnis, die vom kalten Silberlicht des Mondes erhellt wurde. Die fußbreiten Gesteinsbänder, die kleinen Vorsprünge, die den beiden Chiricahuas als Halt dienten, waren kaum zu erkennen. Trotzdem fanden sie ihren Weg mit nachtwandlerischer Sicherheit. Endlich verharrten sie. Langsamer Trommelschlag klang durch die Nacht. Ein paar trunkene Stimmen sangen Bruchstücke eines Siegesliedes. Frauenstimmen kreischten angstvoll auf. 103
Cochise vollführte eine komplizierte Handbewegung. Naiche glitt davon. Er mußte die Wachtposten auf der linken Seite ausschalten. Sein Vater übernahm die rechte Hälfte des Kessels. Unhörbar glitt der Chief der Chiricahuas über Sand, kleine Steine und Grasbüschel. Er ahnte den Standort des Kriegers. Und als er näher gekommen war, roch er ihn. Der Alkohol verbreitete einen Gestank, der dem Chief unangenehm war. Hinter dem Posten, der sich schwer auf den Lauf seines Gewehres stützte, schnellte der Häuptling hoch. Ein Schlag mit der Faust genügte, und der Mimbrenjo sank zusammen. Mit der Linken packte der bärenstarke Chief den Krieger um den Oberkörper, während er mit der Rechten das kippende Gewehr auffing. Behutsam ließ Cochise seine Last zu Boden gleiten und sank in die Hocke. Auf dieser Seite mußte ein weiterer Posten stehen. Schlangengleich glitt der Apache weiter. Eine winzige Bewegung verriet den zweiten Wächter. Dieser Mann hatte nichts von dem brennenden Wasser getrunken. Lange Minuten wartete Cochise ab. Erst als weiter hinten Holz splitterte, als der Posten für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt wurde und den Kopf wandte, schnellte Cochise hoch. Er legte seinen Unterarm um den Hals des Mannes und drückte mit aller Kraft zu. Nur ein Atemzug drang lauter durch die Nacht, ehe der Mimbrenjo schlaff zusammenfiel. Vorsichtig legte der Häuptling auch diesen Mann auf den Felsenboden und horchte. Abermals splitterte es. Cochise vermutete, daß einer der Krieger in seiner Trunkenheit die Angst vor den fremden Geistern überwunden hatte und in die Hütte der gefangenen weißen Squaws eindrang. Mit weiten Sprüngen überquerte der Häuptling die Entfernung zu der großen Hütte. »Packt ihn, wenn er reinkommt«, sagte eine Frau leise. »Ich 104
werfe mich gegen seine Beine. Er ist doch betrunken. Wir müssen das schaffen. Hört ihr. Wir müssen!« Cochise glitt dicht an der Zweigwand des Jacales entlang, erreichte die Rückseite und sah den hochgewachsenen Krieger, der etwa so groß wie Naiche sein mußte. Ein Bein hatte der Mimbrenjo bereits über den Rest der Flechtwand geschwungen. Mit beiden Händen stützte sich der Betrunkene ab, als er das zweite Bein nachziehen wollte. Cochise zog lautlos den Dolch aus der Lederscheide. Eine andere Waffe hatte der Jefe in dieser Nacht nicht. Die scharfe Klinge lag sicher in der Hand des Chiricahuas. Ein blitzschneller Hieb genügte. Der massive Griff traf den Hinterkopf des Mimbrenjo. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach der Mann zusammen. Cochise hob ihn mühelos auf und trug ihn zur Seite. Naiche hetzte heran und flüsterte kaum hörbar am Ohr seines Vaters: »Wir sind sicher. Weißt du, daß Victorio in einem Jacale schläft?« Heiß wallte der Zorn in Cochise auf. Der Mimbrenjo machte gemeinsame Sache mit dem ehrgeizigen, machthungrigen Geronimo. Beide haßten die Weißen, beide lehnten sich immer wieder gegen den Frieden auf. Hätte der Chief bereits am Nachmittag Victorio gesehen, wäre es nicht zur Begegnung mit Falke gekommen. Denn dann wäre der Mimbrenjo-Häuptling gestorben. Cochise hätte ihn zum Zweikampf herausgefordert, nach den Bräuchen der Apachen. Und nach eben diesen Bräuchen die gesamte Beute der Kriegerhorde erhalten. »Sie haben was gemerkt«, sagte eine Frauenstimme in der Sprache der Weißen leise. »Mein Gott, jetzt überlegen sie sich eine wilde Teufelei.« »Höre, weiße Frau«, sagte Cochise gedämpft »ich bin hier, um euch zu holen.« »Das kann ich mir denken«, antwortete eine der Gefangenen 105
schrill. »Leise, leise«, warnte der Jefe, »wenn die Krieger erwachen, schlägt mein Plan fehl.« »Vielleicht haben wir dann noch eine Galgenfrist«, sagte eine andere Frau. »Also los, schreien wir. Ich zähle bis drei. Eins…« »Halt, ihr dummen Weiber«, sagte Cochise scharf, »mein Freund Falke, den die Weißen John Haggerty nennen, schickt mich. Er wartet auf euch, will euch in Sicherheit bringen.« »Falke?« klang eine Stimme auf. »Haggerty ist doch der Scout aus Fort Buchanan«, sagte eine andere Frau. »Wie soll der hierher kommen?« Cochise seufzte tief. Es war fast unmöglich, einem Weißen was klarzumachen, ihn zu schnellem Handeln zu bringen. Bei einer weißen Squaw schien das tatsächlich unmöglich zu sein. »Haggerty ist der Freund von Cochise«, sagte eine dritte Frau nachdenklich. »Und der Häuptling will Frieden mit den Weißen halten.« »Du meinst, er hat sich angeschlichen und will uns hier rausholen?« fragte eine andere ungläubig. »Es ist so«, sagte Cochise scharf, »wenn ihr noch länger zögert, muß ich gehen. Nicht alle Mimbrenjos sind betrunken. Ich bin in Gefahr, genau wie ihr.« Ein paar Sekunden war es still im großen Jacale. Entschlossenheit klang in der Stimme der Frau mit, die jetzt sagte: »Ich riskiere es. Cochise ist ein Chiricahua. Wenn uns Mimbrenjos überfallen und verschleppt haben, wird er uns helfen.« »Wenn es Cochise ist«, warnte eine andere ängstlich. »Es kann auch ein Trick sein.« »Egal, ob es heute oder morgen passiert«, erwiderte die entschlossene Frau. »Geschieht es jetzt, habe ich es hinter mir.« 106
Sie trat an die Öffnung, die Doppelwolf gerissen hatte, und blickte hinaus. Deutlich sah sie den Chief, der im vollen Mondlicht stand. »Heilige Madonna von Guadeloupe, es ist wahrhaftig Cochise«, sagte die Frau erleichtert und kletterte ins Freie. Sie erschrak, als Naiche ihr die Hand reichte und vor einem Sturz bewahrte. Sofort legte der Chief seine Hand auf ihren Mund und raunte: »Das ist mein Sohn Naiche. Er wird euch gleich zu Falke führen. Bewegt euch leise. Es ist wichtig, obwohl die meisten Mimbrenjos trunken vom brennenden Wasser sind.« Die Frau nickte, und der Häuptling löste seine Hand von ihren Lippen. Cochise half den anderen Gefangenen ins Freie und zählte fünfzehn Frauen. Besorgnis erfüllte ihn. Hoffentlich gelang es, so viele Pferde oder Mulis zu stehlen. Denn er hatte beschlossen, den Weißen zu zeigen, daß er seine Versprechen nicht nur erfüllte, sondern sogar mehr tat. »Der Weg ist schmal und gefährlich«, raunte Cochise. »Wenn Naiche es sagt, faßt ihr euch an den Händen. Ihr geht durch den Berg. Kein Licht erhellt den Stollen. Schweigt auch, wenn ihr bei Haggerty ankommt.« Eine Frau trat vor, deren Haar im Mondlicht golden aufglänzte. Sie blickte Cochise an, sah zu ihm auf, denn er war mehr als einen ganzen Kopf größer als sie. »Ich danke dir«, sagte die Blonde, »ich habe etwas gelernt, das ich nie vergessen werde.« »Und was hast du gelernt, weiße Squaw?« fragte der Chief leise. »Daß nicht alle Indianer schlecht sind«, antwortete sie schlicht und wandte sich ab, um hinter Naiche zu treten. Lächelnd blickte Cochise der Gruppe nach, die natürlich eine Menge Geräusche verursachte. Ein winziger Schritt, dachte der Häuptling, tausend solcher 107
Schritte ergeben bei einigen Menschen Verständnis für andere. Tausend solcher Menschen vermögen vielleicht andere zu überzeugen. Aber das ist etwas, das tausend Mondzeiten dauert. Es kommt zu spät. Er schüttelte die Gedanken ab und glitt in die Schatten der Felswände. Unruhig schnaubten die Pferde und Mulis, als sie den Geruch des Indianers in die Nüstern bekamen. Beruhigend sprach Cochise leise auf die Tiere ein. Im Schein des Mondes sonderte er sofort einige Pferde aus, die ihm schwach und wenig zäh erschienen. Dreizehn Tiere standen schließlich eng zusammengedrängt vor den Felsbrocken, mit denen die Mimbrenjos das kleine Seitental versperrt hatten, das vom großen Kessel abzweigte. Cochise wand sich zwischen den Steinen durch, fand Graszügel und befestigte sie. Er vertraute darauf, daß die übrigen zwölf Pferde dem ersten Tier folgten, das er führte. Er stemmte sich gegen einen Steinbrocken, wuchtete ihn mit seiner gewaltigen Kraft zur Seite und machte so den Weg frei. Langsam marschierten die Pferde durch die Lücke. Ehe der Häuptling sich mit den Tieren auf den Weg machte, verschloß er die Öffnung wieder. Nichts sollte vorzeitig das Mißtrauen der rebellischen Mimbrenjohorde erwecken. Dies war der Moment der größten Gefahr für den Chief der Chiricahuas. Denn die Pferde der Weißen trugen metallene Hufeisen, die auf dem Felsboden klirrten. Trotz dieser Geräusche gelang es Cochise, die Apacheria der Horde unangefochten zu verlassen. Auf Wegen, die nur den Indianern bekannt waren, leitete er die gestohlenen Pferde zum Lager seines Freundes Falke. * Naiche traf zuerst mit den befreiten Frauen ein. 108
»Es ist besser so«, sagte der hünenhafte Sohn des großen Häuptlings zu John Haggerty. »Victorio begleitet die Horde. Sieht er euch, kämpfen seine Krieger bis zum Tod.« Nachdenklich stimmte Haggerty zu. Damit hatte er nicht gerechnet, daß der Chief der Mimbrenjos seinen ehrgeizigen Widersacher Geronimo auf einem Raubzug begleitete. »Wo ist dein Vater, Naiche?« fragte der Scout. Er blickte zu Wyatt Earp hinüber, der sich mit einer blonden Frau unterhielt und sie sogar zum Lachen brachte. Es war gut, daß die befreiten Frauen ihren Lebensmut wiederfanden. Denn der Marsch nach Tombstone würde ihnen noch einiges abverlangen. »Er kommt bald, Falke«, antwortete Naiche. »Setz dich, ich will dir berichten.« Ein paar Sekunden war Haggerty verwundert. Als er jedoch Naiches Lächeln sah, dachte er sofort an Tla-ina. »Der Sanfte Wind trägt Trauer im Herzen«, sagte Cochises Sohn in der Sprache der Chiricahuas, damit ihn die übrigen Weißen nicht verstanden. »Sie ist unsicher, gehört nicht mehr ganz zu ihrem Volk. Genauso, wie du nicht mehr ganz zu deinem Volk gehörst. Und doch weiß sie, daß sie dir nicht folgen kann. Sie weiß, daß ihr in diesem Land niemals glücklich sein werdet.« Haggerty schwieg. Er dachte an das Mädchen. Es gehörte einfach nicht zu ihm und war doch ein Mensch, wie jeder andere. Aber gerade diese Erkenntnis fehlte vielen Männern und Frauen beider Rassen. Sie trugen nur Haß in den Herzen und spürten nicht, daß der andere Weg der bessere war. »Grüße sie von mir«, sagte John Haggerty schwerfällig. »Sage ihr meinen Dank für ihr Geschenk, das mir Hellauge brachte. Sobald ich kann, sende ich ihr etwas von mir.« Der Scout überlegte, was Tla-ina wohl erfreuen würde. Schmuckstücke waren bei den Apachen nicht beliebt und auch nicht üblich. Trotzdem hatte sie sorgsam ihr Haar zu einer 109
Schnur geflochten und sie durch die Perle gezogen, die sicherlich von einem Raubzug der Krieger in Mexiko stammte. Haggerty kam zu keinem Entschluß. Er wagte nicht, Naiche zu fragen. Denn das hätte das Eingeständnis einer Schwäche bedeutet. »Vielleicht kommt der Tag«, murmelte Haggerty, »an dem wir friedlich irgendwo zusammenleben können.« Wyatt Earp näherte sich den beiden Männern. »Ein tolles Bravourstück«, sagte der junge Mann bewundernd. »Myriam erzählte mir gerade, daß Cochise auch noch Pferde besorgen will. Ehrlich gesagt, Haggerty, allmählich komme ich dahinter, wieso die Army mit den Apachen nicht fertig wird. Das macht ihnen keiner nach: mitten in der Nacht ins feindliche Lager schleichen, Gefangene befreien und dann auch noch Pferde stehlen.« Ehe der Scout antworten konnte, hörte er den Klang von Hufeisen auf Gestein. Cochise brachte die Reittiere. Die Frauen jubelten, als sie die Pferde sahen. »Still!« sagte Haggerty scharf, »wir dürfen die Mimbrenjos nicht auf unsere Spur locken. Sättel gibt es nicht, wie ihr seht. Ihr schafft es auch ohne.« »Nur dreizehn Tiere waren gut und ausgeruht«, sagte Cochise bedauernd. Wyatt Earp grinste, drehte sich um und lief zu der Blonden zurück. Er packte sie mit beiden Händen und setzte sie auf sein Pferd, bevor er selbst in den Sattel stieg. Sein Bruder Virgil zog eine dunkelhaarige Frau hoch, die sich sofort an ihn lehnte. »Wie du siehst, mein Bruder«, sagte Haggerty zu Cochise, »gibt es keine Probleme.« Zögernd blickte der Chief seinen Freund an. »Naiche berichtete mir bereits, daß Victorio die Horde führt«, sagte der Scout gelassen. »Ich vertraue dir, Jefe. Wende eure Gesetze weise an. Laß es nicht zu einem Aufstand 110
kommen. Wir beide sind zu schwach, um ihm Einhalt gebieten zu können.« Cochise drückte dem Falken die Hand und raunte: »Wir sehen uns bald schon wieder, mein Freund. Reitet nun, wir wachen hier, bis der Hase die Sonne über den Horizont schiebt. Es ist nicht nötig, daß ihr leise auf dem Ritt seid.« Lächelnd antwortete John: »Sie sollen trotzdem schweigen. Das Geschwätz der Weiber ist von Zeit zu Zeit angenehm. Aber zu viele von ihnen auf einem Haufen machen einen Mann nervös.« Der Scout verabschiedete sich von Naiche und saß auf. Er leitete sein Pferd zu dem Weg, den ihm der große Jefe vor Stunden gezeigt hatte. Der Mond schien hell genug, um den Pfad zu erkennen. Die blonde Myriam winkte Cochise zu, als Wyatt Earp sein Tier an ihm vorbeitraben ließ. Und der Häuptling hob grüßend die Rechte. Innerhalb weniger Minuten verschwanden die Tiere, verklang der Schall der Eisen auf dem Felsen. Naiche kauerte sich auf den Boden, blickte zu seinem Vater hoch und fragte: »Welche Strafe erlegst du den Abtrünnigen auf?« Der Jefe blickte zum Mond hinauf, lächelte grausam und antwortete: »Sie müssen in der Reservation bleiben, zwei Monde lang. Trifft sie ein anderer Krieger außerhalb des Gebietes, ist er verpflichtet, sie sofort zu töten. Wagen sie jedoch den Todessprung, sind sie frei.« Naiche dachte über die Worte seines Vaters nach und kam zu dem Schluß, daß er ein wahrhaft weises Urteil gefällt hatte. Geronimo und Victorio würden sicherlich den Sprung über den Abgrund wagen. Denn sie galten als die mutigsten Krieger und Führer. Allein um ihren Einfluß zu erhalten, mußten sie springen. Aber Geronimos Anhänger würden ihr Leben dafür nicht aufs Spiel setzen. Und einige der Rebellen wurden 111
wenigstens für die nächste Zeit von Raubzügen ferngehalten. »Was geschieht, wenn sich der Stamm der Mimbrenjos gegen dieses Urteil auflehnt?« fragte Naiche. »Sie sind zweifach schuldig« erwiderte Cochise ernst. »Einmal brachen sie mein Wort. Zum zweiten brachen sie es im Gebiet der Chiricahuas. Sie müssen das Urteil anerkennen, wie es die Sitten der Apachen verlangen. Sonst wird sie der Rat der Stämme ausstoßen.« Cochise und Naiche machten sich auf den Weg zur Felsenfestung der aufrührerischen Mimbrenjos. Noch lagen die Krieger berauscht wie tot am Boden. Aber wenn die Sonne über die Felsen schien, würden sie den Verlust der weißen Squaws bemerken. Und dieses war Cochises Augenblick. * Victorio erwachte wie immer im Morgengrauen. Der Häuptling der Mimbrenjos glitt aus seinem Jacale und sah sich um. Wie leblos lagen die meisten seiner Krieger, vom Schnaps der Weißen niedergestreckt, nicht von einem Feind im Kampf. In der großen Rundhütte blieb es seltsam still. Langsam schlich der Anführer, der die Weißen so haßte, auf die Geisterhütte zu. Lauschend verharrte er neben dem Geflecht aus Zweigen. Nichts rührte sich. Kein noch so geringes Geräusch drang heraus. Ein langgezogener Eulenruf ließ Victorio zusammenzucken. Ungläubig starrte er zum grauen Himmel und verfolgte voller Schrecken den mächtigen Nachtvogel, der mit lautlosem Flügelschlag zwischen die Klippen glitt. Für Sekunden war Victorio verunsichert. Hatte der Todesbote wahrhaftig die Geister der weißen Frauen ins jenseitige Reich geleitet? Waren sie von den Schutzgöttern der Apachen vernichtet worden? Entschlossen überwand Victorio seine Furcht und riß den 112
Eingang auf. Sein Wutgeschrei gellte über die schlafenden Krieger und riß selbst diejenigen aus der halben Besinnungslosigkeit, die noch halb berauscht waren. »Die weißen Squaws sind verschwunden!« brüllte der Häuptling der Mimbrenjos. »Wer das gewagt hat, soll den Zorn meines Stammes zu spüren bekommen. Wir werden ihn jagen, bis er tot vor uns liegt.« Die Krieger umzingelten die Hütte, fanden Doppelwolf, der sich gerade stöhnend aufrichtete und die mächtige Beule betastete. »Die Frau mit dem Goldhaar«, stieß der Krieger hervor und lief unsicher auf die Hütte zu. Er spähte durch das Loch, das er in die Rückwand gerissen hatte und verspürte wilden, zügellosen Zorn in sich aufsteigen, als er gegenüber im Eingang Geronimo erkannte. Doppelwolf schwor in dieser Sekunde Rache. Er war entschlossen, sich die Squaw mit dem Goldhaar abermals zu erobern und in sein Jacale zu bringen. Sie gehörte ihm. Ein paar Krieger sahen auf, als die Sonne, die Spenderin des Lebens, im Osten über die Felsenformationen stieg. In diesem Augenblick trat eine große, muskulöse Gestalt auf die Klippe. »Cochise!« gellten die Rufe der Mimbrenjos auf. Vicotorio empfand für eine Sekunde Schrecken, zügelte ihn und wartete resignierend ab. Er wußte, daß er im Unrecht war. »Hört mich an, Mimbrenjos«, rief der oberste Häuptling mit donnernder Stimme. »Ihr habt mein Wort gebrochen, den Frieden gebrochen. Wenn euer Herz Kampf fordert, so reitet ins Land der Gelbhäutigen. Ich habe Frieden gelobt, und Friede herrscht in diesem Land. Ihr habt mein Wort mißachtet. Ihr habt in meinem Land getötet und Skalps genommen. Ich befreite allein mit meinem Sohn Naiche in der Nacht die weißen Squaws und nahm euch dreizehn Pferde. Die Squaws 113
sind in Sicherheit. Weiße Männer brachten sie in die Stadt Tombstone. Ihr seht sie nie wieder.« Cochise schwieg ein paar Sekunden lang. Mit verbissenem Gesichtsausdruck erwartete Victorio das Urteil des obersten Führers der Stämme. »Ihr dürft zwei Monde die Reservation nicht verlassen«, rief der große Jefe, der vom Licht der Sonne umflossen auf der Klippe stand. »Trifft euch ein Apache außerhalb des Gebietes an, wird er euch ohne Gnade töten. Wer es wagt, vollbringt den Todessprung in diesen Bergen. Ihr kennt die Schlucht. Ihr wißt, was euch erwartet. Entscheidet euch, Mimbrenjos!« Victorio zögerte keine Sekunde und rief: »Ich springe, Cochise. Und du weißt, daß ich damit dein Urteil aufhebe.« Herausforderung hatte in der Stimme des Häuptlings gelegen. »Ich springe ebenfalls«, brüllte Geronimo zur Klippe hinauf. Doppelwolf fühlte den brennenden Haß in seinem Herzen, einen Haß, wie ihn nur ein Apache empfinden konnte. Der sechs Fuß große Krieger trat vor und rief laut: »Ich wage den Sprung, Cochise. Ich will frei sein, nicht deinem Urteil unterworfen. Und ist dieses erst aufgehoben, erkenne ich dich nicht länger als obersten Führer der Stämme an. Ich, Doppelwolf, schlage meinen eigenen Weg ein.« Verwundert sprachen die übrigen Krieger aufeinander ein. Lediglich Geronimo schien zu ahnen, was den ehemaligen Sklaven bewegte. Und ganz sicher überlegte er bereits, wie er den mächtigen Krieger benutzen, zu seinen – Geronimos Zielen – lenken konnte. Keiner der anderen wagte es, Cochises Angebot anzunehmen. Sie alle wußten von dem Sprung über den Abgrund, auf dessen Sohle außer nadelscharfen Felszacken mehr als hundert Klapperschlangen lauerten. »Ihr reitet sofort«, befahl Cochise. »Jeder von euch weiß, wo meine Apacheria liegt. Ich gebe 114
euch einen Sonnenumlauf Zeit. Morgen um diese Zeit müßt ihr euer Leben wagen, wenn ihr frei sein wollt.« Cochise verschwand von der Klippe. Er war klug genug, nicht auch noch die übrige Beute der Rebellen zu fordern. Denn das hätte den Sitten widersprochen und mehr als böses Blut gegeben. Zudem wußte der Chief um die besonderen Windverhältnisse an der Klippe. Morgen um diese Zeit wehte ein kräftiger Luftzug den Springern entgegen. Entschloß sich doch noch der eine oder andere Krieger, das Wagnis einzugehen, würde er sicher zurücktreten, spürte er den Wind. Der große, kräftige Doppelwolf, den er vergangene Nacht niedergeschlagen hatte, vermochte es zu schaffen. Cochise verspürte Unruhe, wenn er an den Mann dachte. Er ahnte dumpf, daß dieser Krieger noch Anlaß zu harten Kämpfen geben würde.
ENDE
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