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Silke Frink
DER FEMININE STIL Businessmode für Frauen
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Für meine Mutter Irmgard, meine Tochter Leonie und meine Patin Elke von der Heyden
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DER
FEMININE STIL
Businessmode für Frauen
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Impressum
Bibliografische Information der deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detallierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-448-08609-6
Best. Nr. 00184-0001
© 2007, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG, Niederlassung Planegg/München Postanschrift: Postfach, 82142 Planegg Hausanschrift: Fraunhoferstraße 5, 82152 Planegg Fon (089) 89517-0, Fax (089) 89517-250 E-Mail:
[email protected] Internet: www.haufe.de Redaktion: Agentur Gorus, Engen und Berlin Lektorat: Jürgen Fischer
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten. Bildnachweis: Abbildung der Figurinenskizzen mit freundlicher Genehmigung von Albert Kriemler, Firma Akris, St. Gallen, Schweiz; Porträt der Autorin (S. 208): Nils Hendrik Müller Satz + Layout: appel media, 85445 Oberding Druck: J.P. Himmer AG, 86167 Augsburg
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Inhalt
Inhalt Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Warum es sich lohnt, schön zu sein . . . . . . . . . . . . . .
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Der Goldene Schnitt – Und ob das schön ist . . . . . . . . . . . . .
13
Die Evolution – Männer, Frauen und die Mode … . . . . . . . . . .
14
Die Proportionen – Vom Kind zur Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Die Attraktivität – Die Chearleaderin der Schönheit
........
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Altern – Aussehen, wie man sich nicht fühlt . . . . . . . . . . . . . .
22
… und was ist eigentlich typgerechter Stil? . . . . . . . . . . . . . .
24
2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode
........
27
Irrtum Nummer 1: Bei uns in der Firma sind alle locker drauf!
27
Irrtum Nummer 2: Ich muss mich doch wohl fühlen! . . . . . . .
29
Irrtum Nummer 3: Das ist ja alles so teuer! . . . . . . . . . . . . . .
31
Irrtum Nummer 4: Das ist doch zeitlos! . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Irrtum Nummer 5: Rot ist tough! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Irrtum Nummer 6: Schwarz passt zu allem. Weiß auch! . . . . . .
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Irrtum Nummer 7: Am besten gehen Sie mit einer Freundin shoppen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Irrtum Nummer 8: Jeans unterstreichen meine Persönlichkeit!
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Irrtum Nummer 9: Nie ohne Strümpfe ins Büro. Und Arme müssen immer bedeckt sein! . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Irrtum Nummer 10: Frauen wie Victoria Beckham sind fürs Business keine Vorbilder! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Mit welchen Zeichen die Mode spricht . . . . . . . . . . .
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Mode – Das ist eine lange Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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In der Mitarbeiterkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Beim Geschäftskontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
Im Bewerbungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tricks vor der Kamera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Die 50er: Frühe feminine Autorität – Chanel-Kostüm und Modeschmuck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4. Die ewig gültigen Business-Attribute . . . . . . . . . . . . .
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Materialien mit tragenden Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Warum eine gute Passform so schwer zu finden ist . . . . . . . . .
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Stilverhinderer Kindchenmode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Echtes Kompliment oder verdeckte Kritik? . . . . . . . . . . . . . . .
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Die 60er: Der Sekretärinnenlook – Minirock und Twinset . . . . .
85
5. Wie viel Farbe verträgt das Business? . . . . . . . . . . . .
90
So sind Farben wirkungsvoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
Die überstrapazierte Farbpassinszenierung . . . . . . . . . . . . . . .
94
Klassische Businesstöne neu aufgelegt . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Traditionelle und junge Farbkombinationen . . . . . . . . . . . . . .
103
Muster – Lebendige Linien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
Die 70er: Die grelle Forderung – Schlaghose und Mustermix . .
109
6. Meilensteine der Businessmode . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
Drunter für Drüber: Dessous . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
Von Termin zu Termin: Trenchcoat, Lederlongblazer, Kamelhaarmantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117
Urgesteine im Anzug: Jackett, Rock, Hose, Bluse . . . . . . . . . .
123
Wolliges: Twinset und Merino-Polo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
Aufsteiger: Jeans und Body . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Termine zwischen den Welten: Etuikleid, Cocktailkleid, das Kleine Schwarze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ohne geht’s nicht: Pumps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
Drum und Dran: Die Accessoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Die 80er: Der kopierte Kampfanzug – Schulterpolster und Bundfalte
..................................
155
7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike? . . . . . .
159
Ein Hauch Distanz: Grundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
Mehr als nur ein Wangenkniff: Rouge . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
Rote Lippen sind zum Küssen … und außerdem? Lippenstift . .
162
Der Augendreiklang: Kajal, Wimperntusche und Lidschatten . .
164
Die Krönung Ihrer Erscheinung: Die Frisur . . . . . . . . . . . . . . .
167
Die 90er: Die vereinfachte Beweisführung – Designerjeans und Kaschmirpullover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
8. Dann fühlen Sie sich schön . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dessous – Die innere Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Warum Sie in einer Stoffhose anders gehen, als in einer Jeans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Wie Röcke Ihre feminine Seite zum Schwingen bringen . . . . . .
178
Hochhackige Schuhe – Mehr als nur lange Beine . . . . . . . . . .
179
In einer Bluse sitzen Sie aufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Im gut sitzenden Jackett spüren Sie Ihre Körpermitte . . . . . . .
180
Mit passendem Gürtel fühlen Sie sich unangreifbar . . . . . . . .
181
Mäntel verleihen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
Kleider – Jetzt sprechen Sie selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
Millenium: Die selbstverständliche Souveränität – Dessous und Jackett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
9. Die drei mächtigsten Frauen der Welt . . . . . . . . . . . .
189
Platz 3: Wu Yi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190
Platz 2: Condolezza Rice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
Platz 1: Angela Merkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
Die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geleitwort
Geleitwort Moderner und selbstbewusster. Das ist die Frau von heute. Sie hat sich die Chance erarbeitet und den Mut bewiesen, ihre Fähigkeiten zum Tragen zu bringen und ist entsprechend erfolgreich. Das wirkt sich automatisch auf die Kleidung aus. Früher war es ein Dogma, dass erfolgreiche Frauen ihre Weiblichkeit hinter männlicher und vermeintlich autoritärer Kleidung verborgen hielten. Heute stehen auch Frauen in Führungspositionen zu ihrer Weiblichkeit, weil sie mindestens so viel Kraft und Potential ausstrahlt wie männliche Attribute. Frauen mit Ausstrahlung brauchen sich nicht zu verkleiden oder zu dekorieren, sie wollen einfach gut gekleidet sein. Passende Schuhe, moderne Accessoires und eine schlichte Tasche unterstreichen ihre Erscheinung und das Outfit, das sie tragen. Eine Frau darf mit subtilen Farben spielen. Ein unkomplizierter Look, der in jeder Situation sitzt und bequem ist, unterstützt sie in ihrer Arbeit und vereinfacht ihren Alltag. Sich in seinen Kleidern wohl zu fühlen, ist eine Kombination aus Stoff, Farbe und Schnitt. Ein professionelles Outfit unterstreicht die Persönlichkeit einer Frau durch diskreten Stil. Kleider tragen wir auf der Haut. Die Empfindung und Aufmerksamkeit, die sie auslösen, ist der entscheidende Faktor, ob wir uns wohl fühlen. Der Stoff ist das Medium für unauffällige, fühlbare Leichtigkeit des Materials auf der Haut. Wie sich ein Stoff anfühlt, wie er reist oder sich für das tägliche Leben eignet, ist die Grundlage für eine positive Empfindung. So steht denn auch zu Beginn jedes meiner Entwurfprozesse der Stoff. Erst wenn ich ihn in den Händen spüre, erfahre ich alles über ihn und erahne die Strukturen der Schnitte, für die er sich eignet.
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Geleitwort
In der Mode gibt Sensibilität unter anderem den Ansprüchen und Bedürfnissen Resonanz, die aus der Realität des täglichen Lebens resultiert. Nicht nur für besondere Anlässe, sondern auch für einen Businessalltag, der stark von der Mobilität unserer Zeit geprägt ist. Die Sensibilität der Frau besteht darin, nicht nur zu sehen, sondern auch zu fühlen, was mit den Kleidern gemeint ist, die sie trägt. Denn das ist ein versteckter Wert, den nur sie persönlich wahrnehmen kann. Er ist nicht demonstrativ, nicht oberflächlich. Dieses Gefühl der femininen Stimmigkeit wünsche ich Ihnen. Albert Kriemler Designer Akris St. Gallen, im Juli 2007
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Vorwort
Vorwort Die Voraufzeichnung der legendären Interviewreihe „Zur Person“ von Günter Gaus begann immer pünktlich. Außer an jenem Tag im Mai 1984, als Aenne Burda eingeladen worden war. Sie war ganz und gar nicht einverstanden mit dem Sessel, in dem sie für die Studioaufnahmen Platz nehmen sollte. „Lieber Günter Gaus“, sagte sie, „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich den weiten Weg hierher gemacht habe, um mit Ihnen über mein Leben zu sprechen, in einem Gestühl, in dem meine Beine einfach furchtbar aussehen?“ Nein, das glaubte er nicht. Und so begab sich der Kavalier der alten Schule mit der zu diesem Zeitpunkt 75-jährigen Aenne Burda auf eine zweistündige Suche durch den gesamten WDR nach einer besseren Sitzgelegenheit. Wenn Sie mal in Bonn sind, besuchen Sie das „Haus der Geschichte“. Da können Sie das eindrucksvolle Portrait von Aenne Burda, wie alle anderen Gaus-Portraits auch, in voller Länge sehen. Aenne Burda zeigt uns, dass es sich lohnt, im richtigen Moment eitel zu sein. Man ist klug, wenn man weiß, wie man besser aussehen könnte. Wenn man es nicht weiß, ist man nur zickig. Ist aber ein Buch das Richtige, um Ihnen diesbezüglich zu mehr Klarheit zu verhelfen? Wo doch die ganze Modewelt so ein denkbar schlechter Ort zum Verweilen ist, weil die Suche nach dem endgültig Schönen nie aufhört?
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Vorwort
Ich meine ja. Ein Überblick soll Ihnen näher bringen, wie unser ästhetisches Empfinden funktioniert, und warum in manchen Kleidungsstücken Autorität und Sexappeal stecken und in anderen weder das eine noch das andere. Mit Hilfe eines Rückblicks auf die Entwicklung der Businessmode seit 1950 können Sie besser verstehen, warum die Businesskleidung von heute so aussieht, wie sie aussieht. Damit Sie sich eine genaue Vorstellung von alledem machen können, arbeite ich in diesem Buch mit Skizzen, nicht mit Fotos. Fotos spiegeln immer den aktuellen Zeitgeist, und das können die alle 14 Tage erscheinenden Modejournale viel besser, als ein Buch das je könnte. Eine Skizze aber erklärt eine grundsätzliche Idee. Alle hier abgebildeten Skizzen – wie auch die dazugehörigen Zitate – stammen von Albert Kriemler, dem Design-Chef des Schweizer Modelabels Akris, der das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Peter Kriemler auch führt. Im Interview sagte er mal, dass jede neue Kreation ein „eingefangener Glücksmoment“ sei. Ich finde, das klingt wunderbar. Und ich danke Albert Kriemler für sein Vertrauen und dafür, dass er dieses Buch mit einigen davon bereichert. Ihnen wünsche ich, dass Sie die Businessoutfits bei Ihrer nächsten Einkaufstour ganz leicht erkennen, und dass diese Sie auf Ihrem Weg immer hilfreich unterstützen werden. Es gibt ja noch so viele Gipfel zu erklimmen! Silke Frink Königswinter, im Juli 2007
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1. Warum es sich lohnt, schön zu sein
1. Warum es sich lohnt, schön zu sein „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Ein wunderbarer Satz. Er besagt im Prinzip, dass wir schön finden können, was immer wir wollen. Schönheit sei quasi nur eine Frage der Perspektive. Und genau aus diesem Grund brauchen weitere Erklärungsversuche gar nicht erst unternommen zu werden. Richtig? Falsch! Sagen zumindest Evolutionsbiologen, Philosophen, Etho- und Ethnologen. Denn innerhalb jeder Gesellschaft besteht unausgesprochener Konsens darüber, wer als schön empfunden wird, und wer nicht – und nur ein ganz bestimmtes Schönheitsideal stößt auf breite Zustimmung. Schöne Menschen sind – nach arithmetischen Gesichtspunkten – erstaunlich leicht zu berechnen, aber ungemein schwer zu beschreiben. „Ich weiß nicht, was Schönheit ist, aber ich erkenne sie, wenn sie den Raum betritt“, sagte Aaron Spelling, der 2005 verstorbene, kreative Produzent erfolgreicher Fernsehserien wie „Melrose Place“ und „Starsky & Hutch“, und trifft damit den Nagel voll auf den Kopf. Wir empfinden schnell, was zu erklären viel Zeit und eine andere Bewusstseinsebene braucht. Wir unterscheiden ja auch verdorbenes Essen von frischen Lebensmitteln, Gestank von Duft und alt von neu, ohne, dass wir genau erklären könnten, was uns hieran ekelt oder daran missfällt. Und wir müssen es auch niemandem großartig erklären, selbst kleine Kinder können schon früh zwischen gutem und verdorbenem Essen unterscheiden. Das nur schwer zu ergründende Geheimnis schöner Menschen jedenfalls liegt in ihren symmetrischen Maßen, die man errechnen kann. Sie sind im Prinzip fast ebenmäßig gebaut – nur mit einem winzigen Schuss Asymmetrie versehen. Die Abstände zwischen Brauen, Augen, Nase und Mund folgen der Harmonie des „Goldenen Schnittes“, jener harmonischen Teilung einer Strecke, die Leonardo da Vinci in seiner berühmten Zeichnung des menschlichen Körpers dargestellt hat. Die Idee zu dieser Skizze stammt allerdings nicht von ihm, sondern schon geht auf den römischen Architekten Marcus Vitruvius Pollio zurück, der bereits 84 v. Chr. geboren wurde.
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Der Goldene Schnitt – Und ob das schön ist
Der Goldene Schnitt – Und ob das schön ist Der Wunsch, die Schönheiten dieser Welt verstehen zu wollen, ist uralt. Und die Suche nach Antworten beginnt jedes Mal auf die gleiche Weise: Es wird gemessen und verglichen, wie immer, wenn man nicht genau weiß, wonach eigentlich gesucht wird. Aber schließlich wurde man doch fündig: Des Rätsels Lösung – eine immergleiche Proportion, die Verhältniszahl Phi. Diese transzendente, reelle Zahl beschreibt Folgendes: Das Verhältnis eines kleineren Abschnitts zum größeren verhält sich wie das des größeren Abschnitts zu einer Gesamtstrecke. Oder: Das Verhältnis des kleineren zum größeren Abschnitt ist gleich dem Verhältnis des größeren Teils zum kleineren. Verwirrt? Gut, dann noch mal anders erklärt: In Zahlen ausgedrückt bedeutet das ein Verhältnis von 1:1,618. Oder noch einfacher als Bruchrechnung, ein Verhältnis von 5:3. Nicht nur das Gesicht, auch unser Körperbau und der jedes Lebewesens folgt diesen Proportionen, dieser universalen Maßzahl Phi, eben auch Goldener Schnitt genannt. Beim menschlichen Körper ist es der Bauchnabel, der seine Gesamtgröße harmonisch einteilt. Das Kniegelenk teilt das Bein im gleichen Verhältnis, 5:3, ebenso stehen Ober- und Unterarm sowie die Fingerknochen in diesem Verhältnis. „Der menschliche Erfindergeist ... wird nie etwas erdenken, das schöner, einfacher oder genauer zu sein vermag, als es die Natur vollbringt; denn ihren Erfindungen fehlt es an nichts und sie haben auch nichts Überflüssiges an sich.“ So fasst es Leonardo da Vinci ehrfurchtsvoll und wenig mathematisch zusammen – auch für ihn sind die Gesetze der Arithmetik in diesem Fall ein ästhetisches Wunder. Dabei geht es nicht um Vollkommenheit, denn bei niemandem ist diese Einteilung makellos. Auch bei einem Topmodel verhalten sich beispielsweise die rechte und die linke Gesichtshälfte leicht asymmetrisch zueinander. Sie haben bestimmt auch schon mal versucht, aus zwei gleichen Gesichtshälften ein Gesicht zu basteln. Zwei linke oder zwei rechte Hälften ergeben ein verblüffend anderes Gesicht. Hundertprozentige Schönheit wird also keineswegs durch hundertprozentige Symmetrie garantiert, im Gegenteil: Das perfekt symmetrische Gesicht wirkt künstlich, der perfekt symmetrische Körper wie eine Gliederpuppe.
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1. Warum es sich lohnt, schön zu sein
Aus meinem Beruf weiß ich, dass Menschen mit einem sehr symmetrischen Gesicht vor allem in der großen bunten Welt des Fernsehens, vor der Kamera nämlich, eher fad erscheinen. Moderatorinnen bekommen zu hören, dass sie ja im wirklichen Leben viel schöner seien. Jedes Gesicht wird von der Kamera auf die zweidimensionale Ebene heruntergebrochen, allzu große Symmetrie wirkt da schnell langweilig. Es gibt nichts zu entdecken in einem solchen Gesicht, es wirkt leer. Visagisten sind gefordert, um künstliche Asymmetrien herzustellen. Am besten lernt man das, wenn man statt vor dem Spiegel vor der Kamera schminkt. Symmetrie erzeugt also den Eindruck ebenmäßiger Schönheit. Aber es ist das kleine Quäntchen Asymmetrie, durch das die Schöpfung einzigartig und bis zum Schluss etwas Unerklärliches bleibt. Denn kein Mensch wird je einem anderen gleichen. Auch nicht ein Zwilling dem anderen. Seien Sie also sehr pingelig in der Wahl Ihres Schönheitschirurgen. Schon millimeterfeine Abweichungen außerhalb des goldenen Maßes Phi entscheiden im Gesicht über ein verschönerndes oder ein minderwertigeres Ergebnis. Tadellose Symmetrie wiederum wäre einfach zu einfach. Eine Disharmonie kann übrigens auch genetisch vorprogrammiert sein. Genetische Defekte hebeln das Gesetz des Goldenen Schnittes aus. Und auch ältere Menschen verlieren die göttliche Harmonie der Proportionen nach und nach. Der Rücken krümmt sich zunehmend, die Hüfte steht etwas schief, Ohren und Nase werden größer, die Lider senken und die Falten vertiefen sich. Natürlich sind diese altersbedingten Merkmale alles andere als schön, aber auch wiederum nicht so dramatisch. Denn Abweichungen bis zu 20 Prozent liegen im Streubereich der harmonischen Wahrnehmung – und gegen mehr als 20 Prozent kann man ja Verschiedentliches tun.
Die Evolution – Männer, Frauen und die Mode … Unter evolutionsgeschichtlichen Gesichtspunkten soll Schönheit uns Frauen aber nicht nur Freude machen, sie hat auch ganz handfeste Vorteile: Schönen Frauen wird viel eher geholfen, sie wecken bei Männern den Beschützerinstinkt. Im Gegenzug dazu erwartet man von ihnen keine Hilfe und bittet sie auch nicht um Rat. Schönen Frauen werden seltener hässliche Taten zugetraut. So haben zum Beispiel Drogendealer gute Er-
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Die Evolution – Männer, Frauen und die Mode …
fahrungen damit gemacht, attraktive Frauen als Kuriere einzusetzen. Seit die Polizei diesen Zusammenhang erkannt hat, passt sie besser auf. Wenn Sie sich also das nächste Mal beim Check-in einer besonders ausführlichen Kontrolle unterziehen müssen, nehmen Sie es als Kompliment! Schönheit erleichtert Frauen das Leben, es sei denn sie wollen in die erste Reihe der Spannteppichetage. Je näher sie der Entscheidungsebene kommen, desto mehr steht ihnen ihre Schönheit im Weg. Denn leider hat die Evolution weder etwas mit Romantik am Hut noch mit dem Business – Glück, Freude und Gleichberechtigung sind rein evolutionsbiologisch betrachtet keine Argumente. Sie werden vielmehr in Kauf genommen, wenn sie nur dazu beitragen die Art zu erhalten. Denn letztlich reduziert sich doch alles auf die Erhaltung der eigenen Spezies – oder vielmehr der eigenen Gene. Wie Frauen dazu ihren Beitrag leisten? Durch Fertilität. Und weibliche Schönheit steht sexualbiologisch betrachtet für nichts anderes als Fruchtbarkeit und gute Gene. Währenddessen finden Frauen bei Männern eher die breiten Schultern, das kantige Kinn, den knackigen Po und eine stattliche Körpergröße attraktiv. So einer könnte sie beschützen, aber vor allem weist all das, erraten, auf einen viel versprechenden Genpool. Warum sollen da Frauen anders denken als Männer, wenn es um die risikoreiche Suche nach einem potenziellen Kindsvater geht? Nun könnten Sie anmerken, dass wir doch nicht mehr in der Steinzeit leben und im Unterschied zu unseren Vorfahren wie erwachsene Menschen über alles diskutieren können. Richtig! Und niemand soll glauben, dass Frauen heutzutage noch auf derlei biologistische Argumente angewiesen sind! Aber: In manchen Fällen liegt die Steinzeit eben immer noch nicht weit genug zurück. Oder wie nennen Sie das, wenn eine Horde ungestümer, Testosteron versprühender Halbstarker auf Balztour geht? Oder wenn eine Gruppe pubertierender Mädchen kichernd und Händchen haltend durch die Fußgängerzone läuft? Es gibt eben so manches hormongesteuerte geschlechterstereotype Verhalten, das lässt sich durch Aufklärung und Postmoderne nicht wegdiskutierten, aber Hallo! Die Frage ist nur, wie geht man damit um? Machen Sie sich die Spielregeln bewusst! Ein einfaches Beispiel: Frauen flirten anders als Männer. Sie plustern sich nicht auf, trommeln nicht mit ihren Fäusten gegen den Brustkorb wie das Alpha-Männchen einer Horde Berggorillas. Sie jagen passiv, um sich bemerkbar zu machen. Ihr Köder ist ihre Schönheit und sie wissen sie in
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1. Warum es sich lohnt, schön zu sein
Szene zu setzen. Erst wenn er darauf aufmerksam geworden ist, wird sie aktiv und beginnt, unzählige andere Waffen einzusetzen, um ihn zu erobern und ihn glauben zu lassen, er hätte es getan. Und die Evolutionsgeschichte bestätigt, dass schöne Frauen eher auffallen als weniger schöne. Deswegen nehmen Frauen ihr Aussehen und Kleidungsfragen sehr persönlich und haben ein starkes Bedürfnis nach Abwechslung in ihrer Garderobe. Kritik an ihrem Äußeren erschüttert sie bis ins Mark. Während sie ihre gesamte Persönlichkeit in Frage gestellt sehen, ziehen Männer das nächste Mal einfach etwas anderes an. Noch nie waren so viele Frauen in Chefpositionen wie heute. Über Beharrlichkeit, Frauenquote und im Lauf der Zeit haben sie sich durchgesetzt. Und es werden noch mehr. Ob aber Chefinnen wieder Chefinnen nach sich ziehen, bleibt abzuwarten. Und wenn, wird es spannend sein, zu beobachten, ob eine attraktive Chefin ebenfalls attraktive Frauen fördert. Dem Evolutionsgedanken folgend darf man da skeptisch bleiben.
Proportionen – Vom Kind zur Frau Groteskerweise sind Frauen nur eine sehr kurze Zeit ihres Lebens wirklich zufrieden mit ihrem Aussehen: Zuerst sind da kindliche Proportionen, ein großer Kopf, große Augen, eine hohe, gewölbte Stirn. Dieses so genannte Kindchenschema weckt bei Erwachsen den Beschützerinstinkt. Während der Pubertät, jenem hormonellen Wirbelsturm, verschwinden diese lieblichen Züge. Es ist absurd, aber in dieser Zeit werden eigentlich nur Ellenbogen und Kniescheiben in Szene gesetzt. Und erst in der flüchtigen Zeitspanne danach, bis zu dem Punkt, an dem die ersten markanten Züge unserer Persönlichkeit ihre Spuren hinterlassen, ist der Frauenkörper für eine kurze Zeit von alleine so, wie wir ihn für den Rest unseres Lebens am liebsten behalten würden – und Männer ihn so gern mögen. Die Beine sind proportional länger und das Verhältnis der Hüfte zur Taille wird nie wieder so optimal sein. Übrigens ahmen Schaufensterpuppen und Designerskizzen genau diesen Zustand nach – nur noch etwas übertriebener. Ein Achtel der Gesamtgröße wird an den Beinen dazugemogelt und entsprechend proportional von der Taille weggenommen. In dieser Zeit kann auch die Haut dank intakter Kollagenstrukturen in der Lederhaut, einer tiefer gelegenen Hautschicht, so viel Wasser speichern
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Proportionen – Vom Kind zur Frau
wie niemals mehr im Leben. Und schon erinnert man sich schlagartig wieder daran, warum eine faltenfreie Haut so begehrenswert ist. Natürlich nicht, weil man sich bewusst sagt, dass all diese Attribute für gute Gene und Fruchtbarkeit stehen – evolutionsbiologisch gesehen, ist das aber genau so … Frauen, die ganz oben mitspielen und mitverdienen wollen, steht dieses Fertilitätsprinzip im Weg. Ihnen sei geraten, sich so geschlechtsneutral wie möglich zu geben, ohne dabei männliche Attribute zu kopieren. Wählen Sie eine schlichte, ja sachliche Form von Schönheit. Kleiden Sie sich ästhetisch, aber nicht zu extravagant. Sie sollten nicht auf die mit Macht verbundenen Privilegien verzichten. Und dazu gehört bei allen Frauen, dass sie – egal wie sie tatsächlich aussehen – wie schöne Frauen behandelt werden wollen. Wenn Sie in reiferen Jahren in der entsprechenden Hierarchieebene angekommen sind und aussehen wie Barbara Mawdsley alias Judi Dench haben Sie vieles richtig gemacht. Barbara Mawdsley, besser bekannt als „M“, ist seit 1995 die erste weibliche Chefin des MI6 und direkte Vorgesetzte von James Bond. Sie hält Bond für einen klassischen Aufreißer, sieht ihm aber jede seiner Eskapaden mütterlich und fast verständnisvoll nach. Sie hat wohl schon davon gehört, dass es so was wie Sex gibt auf dieser Welt, aber das hat alles nichts mit ihr zu tun. Eine echte „M“ war die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright – und Joschka Fischer ihr James Bond. Nach ihrer Amtszeit sah man Albright für einen UNESCO-Imagespot ausgelassen auf den Straßen tanzen. Nach ihrer Amtszeit, wohlgemerkt! An die Stelle panzerharter Autorität traten Gefühle der Ausgelassenheit. Wie sympathisch. Und einen Moment lang war es vorstellbar, dass auch diese Frau Sex hat. Für die allererste Reihe im Konferenzraum kommt nur das zurückgenommene weibliche Schönheitsideal in Frage. Ehemals eine rein männliche Domäne, werden Frauen hier am besten mit einer fein dosierten Weiblichkeit und einem kleinen Schuss Glamour akzeptiert. Das ist nicht der kopierte Mann, nur schwächer, es ist der bewusste Verzicht auf eine jugendlich orientierte sexy Inszenierung. Auf der Entscheiderebene geht es um einen kühlen Kopf in stressigen Situationen und darum, unter Zeitdruck eben die richtige Entscheidung zu treffen. Folgen Sie diesem geschlechtsneutralerem Schönheitsideal und machen Sie es wie Alfred
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Hitchcock in seiner Filmdramaturgie: „Es interessiert mich nicht, was ich sehe, sondern, was ich nicht sehe“, meinte der Meisterregisseur auf die Frage, wie es ihm gelänge, in seinen Filmen so eine enorme Spannung zu erzeugen. Es gibt nur wenige Frauen, die es sich leisten können, diesen Rat nicht zu befolgen. Eine Ausnahme bilden Frauen, die im schützenden Windschatten eines männlichen Protegés segeln, so wie Condoleezza Rice zum Beispiel. Sie darf sexy sein. Wenngleich gerade sie es auch immer verstand, bei ihren Auftritten kein Karat Autorität einzubüßen. Ihre natürliche Souveränität rührt von ihrer aufrechten Körperhaltung und von ihren anmutigen Gesten her. Damit bescheinigt sie ihrem Gegenüber Aufmerksamkeit und sich selbst Intelligenz. So professionell kann man die Parade auch schon mal in schwarzen Lackstiefeln abnehmen. Das bescherte ihr zwar jede Menge Karikaturen, aber schadete ihr nicht ernsthaft. Denn es ist sowieso jedem klar: Im Zweifel schlägt ihr männlicher Beschützer die Angreifer schon in die Flucht. Es ist so und nicht anders: Mit Siebzehn haben Frauen nicht nur Träume, sondern sie sind auch ausnehmend schön. Das haben der Liebe Gott und/oder die Genetik klug eingefädelt, und es ist den Männern wirklich nicht übel zu nehmen, dass es ihnen auffällt. Eher, wenn nicht. Männer und Frauen wollen etwas grundsätzlich Anderes voneinander. Sie sucht Ansehen, er sucht Aussehen. Trotzdem führen die unterschiedlichen Schönheitsideale des je anderen Geschlechts im evolutionsbiologischen Sinne zum gemeinsamen Ziel: der Erzeugung von Nachkommen, und damit der Replikation der eigenen Gene. Im Businessleben gibt es dieses gemeinsame Ziel nicht. Dennoch sind diese Zusammenhänge gewissermaßen im sozialen Subtext immer noch allgegenwärtig. So wird sich eine Frau immer lieber vom Geist eines Mannes beeindrucken lassen als von der Schönheit seines Körpers. Schön sein will sie selbst. Umgekehrt verbeugt sich der Mann lieber vor der Schönheit einer Frau, denn vor ihren schlauen Gedanken. Es lohnt sich also für Frauen oberhalb der Siebzehn, sich schön zu machen. Im Businesskontext stellt sich nur die Frage, wie viel weibliche Erotik Ihnen gut tut. Die neutralere, ästhetische Version von Schönheit ist auf alle Fälle ein Status der teuersten Kategorie – nichts erhebt Sie mehr als die respektvolle Sicht anderer auf Sie.
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Die Attraktivität – Die Chearleaderin der Schönheit Schönheit erregt Aufmerksamkeit, dabei ist sie für sich allein genommen ohne Wert. Nach drei Tagen ist Schönheit genauso öde wie Tugend. Was also anfangen mit der gewonnenen Aufmerksamkeit? Hat der Betrachter keinen persönlichen Nutzen von dem schönen Anblick, fängt er an, sich zu langweilen. Das eigentliche Kommunikationsinstrument, das ihn bei Laune hält, ist Attraktivität. Attraktivität ist die Chearleaderin der Schönheit, das gewisse Etwas, das Besondere. Und woran erkennt man bitte, ob jemand attraktiv ist? Ganz einfach: Attraktiv ist, wer interessiert ist, aber nicht interessant sein will. Fernsehmoderatorinnen, die allein von dem Wunsch beseelt sind, gut anzukommen und nur um sich selbst kreisen, werden in Monitoring-Analysen regelmäßig vom Zuschauer abgewatscht. Er hält sie nicht für kompetent, und sie sind auch deutlich weniger beliebt als ihre Kolleginnen, die ihre Laufbahn nicht mit dem Laufsteg verwechseln und dem Zuschauer noch etwas Raum lassen, damit ein Funke überspringen kann. Ein attraktiver Auftritt ist immer auch ein authentischer Auftritt. Medienleute, Politiker und Manager aus der Industrie stehen Schlange für Seminare, die versprechen, zu zeigen, wie man authentisch wird. Ich war in vielen dieser Seminare als Co-Trainerin dabei und habe immer eine gute Definition des Begriffs Authentizität vermisst. Die Synonyme echt und glaubwürdig sein beschreiben zwar den Begriff auf Deutsch, aber sagen nichts darüber aus, wie man so wird. Bis eines Tages ein Trainer den Teilnehmern eine Szene aus „Basic Instinct“ vorspielte. Die wegen Mordes verdächtigte Catherine alias Sharon Stone, erklärt der Polizei, warum ihre kriminalistischen Romane so erfolgreich sind: „Sie sind ohne jeden Zweifel.“ That’s it! Authentizität ist nicht von Zweifeln geplagt! Das ist ein Floh, der jeden beißt, und ohne Umwege zu attraktiver Ausstrahlung führt. Der Umkehrschluss gilt übrigens nicht: Nicht jeder authentische Auftritt wirkt auch attraktiv. Sie haben es vielleicht nicht gewusst, aber auf alle Fälle gespürt. Das ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Es bestätigt lediglich unser Bauchgefühl, das droht im narzisstischen Selbstbespiegelungswahn missverstanden zu werden: Männliche Zuschauer wollen attraktive Moderatorinnen
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sehen. Um schöne Frauen zu sehen, greifen sie zum Playmate des Monats. Meine Lieblingsfrage an neue Moderatorinnen lautet deshalb immer: Warum stehst du vor der Kamera? Zu antworten, sie verdiene damit eine Stange Geld, wäre zwar ehrlich, verbietet aber der Anstand an dieser Stelle. Meist kommt dann etwas Abstraktes von wegen journalistischer Anspruch und so und dass es toll sei, zum Wohle der Allgemeinheit beizutragen. Ich helfe gern weiter: „Du stehst hier, weil du schön genug bist, dass die Redaktion auf dich aufmerksam geworden ist. Wenn du die Dinge so erzählst, wie der Zuschauer es tun würde, wenn er es könnte, findet er dich attraktiv.“ Wer schön ist, von dem wird viel erwartet. Besonders Empathie und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Sie sehen aus wie Heldinnen, also sollen sie auch so handeln. Wenn Männer folgenden Satz aussprechen: „Sie ist nicht schön, aber attraktiv“, wird dies von vielen Frauen als Trostpreis verstanden. Ja, klar, schöne Frauen machen Männer unheimlich an, und sie verlieben sich auch in sie. Aber sie lieben sie wegen bestimmter Gesten, ihrem Blick und ihrem Lachen. Und das überwiegt dann sogar. Wäre es nicht so, würden alle Frauen nach der ersten Verliebtheitsphase verlassen werden. Attraktivität reflektiert die inneren Motive. Nicht, dass jemand lacht, sondern wie er es tut schlägt die Brücke. Je nachdem geht einem das Herz auf, oder der Raum kühlt sich gleich um ein paar Grad ab. Man fühlt sich geborgen oder hört auf, sich zu entspannen. Findet man jemanden attraktiv, hält man ihn auch gleichzeitig für interessiert, sensibel und verantwortungsbewusst. In Smalltalks zeigt sich schnell, wer attraktiv ist und wer nicht. Nur attraktiven Menschen gelingt es, auf interessante und amüsante Weise über nichts zu reden. Und dabei geben sie einem noch das Gefühl, selbst eine Bereicherung des Abends zu sein. Sie zeigen einem, wie man sein könnte, wenn man nur aus guten Eigenschaften bestünde. Ein guter Smalltalk setzt ein Feuerwerk an Attraktivität frei und ist eine hohe Kunst. George Eliot (eigentlich Mary Ann Evans) lebte Mitte des 19. Jahrhunderts, sie war eine bedeutende Romanschriftstellerin und eine „geistige Schönheit“. Sie selbst fand sich hässlich und viele haben ihr wohl beigepflichtet. Sie verliebte sich in Herbert Spencer, der sich ausgerechnet mit den Zusammenhängen physischer Schönheit befasste. Sie wurden Freunde, heirateten aber nie. Das Thema Schönheit stand immer zwischen ih-
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nen. Viele Jahre später verliebte sich ein anderer Mann in George Eliot und sagte, sie sei so „großartig hässlich“ und „herrlich abscheulich“. Doch gerade darin wohne eine „Schönheit von ungewöhnlicher Kraft, die sich innerhalb weniger Minuten hervorstiehlt und den Geist bezaubert“. Attraktivität liegt nicht in ebenmäßigen Proportionen, sondern in dem Geheimnis eines jeden Menschen, in dem, was nur ihn aus- und sympathisch macht. Attraktivität kann große Schönheit hervorbringen. Umgekehrt geht das nicht.
Es gibt nicht alt oder jung. Es gibt nur modern oder nicht modern … Viel wichtiger als das Alter der Kundin ist, dass ich die Sensibilität der Trägerin erreiche und diese nicht nur sieht, sondern auch fühlt, was wir machen. Denn das ist ein versteckter Wert, den nur sie persönlich wahrnehmen kann. Er ist nicht demonstrativ, nicht oberflächlich.
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Altern – Aussehen, wie man sich nicht fühlt Entspannt älter zu werden, gestaltet sich immer schwieriger, obwohl und auch gerade weil die Gesellschaft gemeinschaftlich vergreist. Altsein wird als eine besondere Form der Behinderung abgetan. Frank Schirrmacher sagt im „Methusalem-Komplott“, dass man ruhig älter werden könne, aber keinesfalls so aussehen dürfe. Und dabei haben die demnächst Grauhaarigen den Jugendkult überhaupt erst erfunden. Diane Vreeland war in den 60er Jahren Chefredakteurin der amerikanischen Vogue. Sie prägte den Begriff Youthquake. Er beschreibt die Generation der Babyboomer, die wie ein Erdbeben über uns hereinbricht, und zwar in Form einer riesigen Gruppe junger Konsumenten, die in Musik, Filmen und im Unterhaltungsfernsehen Zerstreuung suchen und mit der neuesten Mode ihr Ego aufpeppen. Spaß ist für sie zum einklagbaren Lebensgefühl geworden. Und was eben noch Youthquake hieß, ist in ein paar Jahren zum Agequake geworden: Der Verrentungsprozess der Babyboomer beginnt 2010 und dauert mindestens bis zum Jahr 2029 an. Dummerweise akzeptieren die ehemaligen Youthquaker keine anderen Vorbilder als sich selbst, denn so wie ihre Eltern wollen sie auf keinen Fall werden. Also machen sie das, was sie am besten können: Gemeinschaftlich fordern sie permanent ein, was ihnen bisher soviel Spaß bereitet hat – ihr jugendliches Lebensgefühl. Vor diesem Hintergrund wird klar, was am Älterwerden so schlimm ist – es passt nicht zum Lebenskonzept. Das ist fatal, denn wir können nichts daran ändern, dass wir immer älter werden. Und der Alterungsprozess wird bei Frauen viel früher sichtbar als bei Männern. Dreißigjährigen sieht man noch nicht unbedingt an, wie sie mit sich umgehen. Vierzigjährigen sieht man ganz deutlich an, wie sie bislang mit sich umgegangen sind. Ab Vierzig tritt zu Tage, was zuvor im Verborgenen schlummerte: Die Qualität der genetischen Ausstattung macht die eine Hälfte aus, die andere Hälfte ist die Summe aus Sonnensünden, erfolglosen Diäten, Bewegungsmangel, Schwangerschaften, schlechter Haltung, falscher Atmung und der Hormonumstellung. Zwischen vierzig und fünfzig verändern sich Frauen optisch am stärksten. In dieser Dekade überspringen manche Frauen einfach die schönsten Erwachsenenjahre.
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Altern – Aussehen, wie man sich nicht fühlt
Karrierefrauen vergessen in ihren Berufsanfängerjahren oft, dass sie eine Frau sind. In ihren schönsten Lebensjahren sind sie bienenfleißig. Studium, Berufserfahrung und späte Mutterschaft haben Priorität, denen ordnen sie ihr Aussehen unter bis es ihnen manchmal ganz abhanden kommt. In der ersten Position mit größerer Verantwortung angekommen, bemerken sie als Erstes, dass sie jetzt wirklich keine Zeit mehr haben. Sie sitzen viel im ICE oder Flugzeug und übernachten in Hotels. Sie treffen ihre Geschäftspartner häufig im Restaurant und an anderen Orten, die sinnlicher sind als ein Büro. In dieser Weichzeichneratmosphäre dämmert ihnen langsam, dass es neben den ganzen wichtigen Inhalten noch etwas gibt, das mit ihnen selbst zu tun hat. Wenn ihnen klar wird, was das sein könnte, haben sie die Vierzig bereits überschritten. Nun geben sie Gas. Meist zuviel. Cremes können nicht teuer und Outfits nicht hip genug sein. Die Haare werden erst blond, ein paar Jahre später, rot gefärbt. Ab achtundvierzig steigt die Konsumfreude exponentiell zu ihrem Chefinneneinkommen, ab fünfzig kannst du ihnen alles verkaufen, was Jugend verspricht, frohlocken Kosmetikindustrie und Modehersteller. Ob die Frauen das Älterwerden oder die Meinung der Männer über ältere Frauen fürchten, bleibt unklar. Klar ist jedoch, es sind die Frauen selbst, die sich vom Jugendwahn verrückt machen lassen. Es sind nicht die Männer, die das von ihnen verlangen. Bücher und Berichte, die Schönheitskorrekturen enttabuisieren, haben Hochkonjunktur. Sie verkünden einerseits, Frauen sollten die Sache mit dem Älterwerden lässig nehmen, und erzählen andererseits, wie gut man sich doch fühlt, wenn die Lidfalten wieder da sitzen, wo sie früher mal waren. Jane Fonda sagte mal: „Ich fühle mich nicht so, wie diese Frau aussieht, die mich da aus dem Spiegel anguckt.“ Älterwerden an sich tut nicht weh, aber es schmerzt sehr, wenn man es feststellt. Schon Ovid bemerkte, Frauen würden in jedem Alter versuchen, jung auszusehen. Anders gesagt: Frauen fangen meist zu spät an, sich ihrer Schönheit bewusst zu werden, überschlagen sich dann und versuchen alles, um ihre Jugend zu erhalten. Stattdessen sollten sie mit jeder Dekade ein wenig altern – würdevoll. Die Realität sieht anders aus: Sie erinnern sich der Attribute, die nach ihrer Wahrnehmung in Jugendtagen gut funktioniert haben: Wie war ich doch schön in Himmelblau! Und kaufen sich mangels Fantasie und fehlender Übung die Fummel, die sie an frühere
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1. Warum es sich lohnt, schön zu sein
Zeiten erinnern. Sie sehen die Grenzen nicht, besonders die für Himmelblau nicht. Die Altersgrenze ist die, bei der Frauen am häufigsten schummeln. Und an keiner anderen Grenze werden Sie öfter erwischt. Es ist schon eine große Ungerechtigkeit, dass der Liebe Gott die Falten alle fürs Gesicht vorgesehen hat, wo doch anderswo soviel Platz dafür wäre. Sie kommen behaglicher durch die Welt, wenn Sie in jüngeren Jahren mit Älteren zusammen sind und in älteren Jahren mit Jüngeren. Genießen Sie Ihren wachsenden scharfen Verstand, der Sie die Dinge so sehen lässt, wie sie sind. Und lassen Sie Jüngere davon profitieren. Sie wissen bereits: Die Dinge sind schön, weil sie nicht ewig dauern. Jeder Versuch, sie festzuhalten, macht sie nicht besser – und ist auf Dauer sowieso aussichtslos.
… und was ist eigentlich typgerechter Stil? Guter Stil entwickelt sich über die Ästhetik eines jeden Menschen. Stil ist immer die konsequente Umsetzung – von welcher Moderichtung auch immer. Ein Dirndl gehört zu einer Stilrichtung, der Gruftielook zu einer anderen. Sie müssen das nicht gut finden, und es hat auch mit Business nichts zu tun, aber jeder Stil verdient es, respektiert zu werden, wenn er konsequent umgesetzt wurde. Ein sicheres Stilempfinden entwickeln Sie am besten, indem Sie sich selbst beobachten, vor allem, während Sie sich bewegen. Frauen, die in jungen Jahren Sport getrieben oder – noch besser – viel getanzt haben, haben eine klare Vorstellung von ihrem Aussehen. Während sie sich bewegen, fällt ihnen auf, was gut fließt, fällt und schwingt. Und wie man sich in bestimmten Kleidungsstücken fühlt. Im Sitzen können Sie so manches ertragen, was im Stehen so gar nicht geht. Die Mode, die Sie kaufen, sagt immer etwas darüber aus, wer Sie sein möchten. Das ist okay in jungen Jahren. Je älter Sie aber werden, desto wichtiger wird es, dass Ihre Mode aussagt, dass Sie wissen, wer Sie sind. Auch unerotische Kleidung kann den Blick schärfen. Marilyn Monroe arbeitete während des Zweiten Weltkriegs in einer Fabrik. Dort mussten die Frauen Arbeitsoveralls tragen, eigentlich alles andere als sexy. Sie meinte jedoch, es war, als würde man ihnen erlauben, in Strumpfhosen zu arbeiten. Die Frauen wussten die unförmigen Overalls eben sexy zu tra-
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… und was ist eigentlich typgerechter Stil?
gen. Trotz oder gerade wegen dieses Mangels entwickelten sich bei Frauen ein Gefühl für Charme und der Wunsch, auch in dem sackartigsten Kleidungsstück anmutig zu wirken. Aber auch und gerade in Zeiten von Wohlstand und Überfluss zeigt Stil eher, wer gekonnt weglässt. Das ist viel schwerer, als hinzuzufügen. Wer hinzufügt, will sich alle Stilmöglichkeiten offen halten, will sich nicht festlegen. Wer weglässt, hat sich entschieden. Deshalb lassen Frauen nicht weg, sondern fügen hinzu, besonders dann wenn sie unsicher sind. Das ist ein schwerer Fehler! Genauso wie jemand, der anfängt, unheimlich viel zu reden, weil er nervös ist. Es wäre besser zu schweigen, aber es fällt eben oft schwer das Nahe liegende zu tun. Wenn Sie einen eigenen Stil entwickeln wollen, überlegen Sie, was genau wegzulassen sich empfiehlt. Beschäftigen Sie sich mit dem, was Sie nicht machen wollen genauso intensiv wie mit dem, was Sie machen wollen. Weniger ist immer mehr, auch wenn es um bequeme Sachen geht. Stretchfasern sind sicherlich eine große technische Errungenschaft, aber sie verhindern Stil. Denn es fühlt sich immer bequem an. Kontrollieren Sie Ihr Spiegelbild drei Mal. In Stretchgedehntem zeigt sich oft nur das Grauen in seiner vollen Größe, bar jeglicher Erotik. „Aber was ist denn dann der richtige Stil für mich?“, werden Sie nun fragen. Wir empfinden einen Stil als typgerecht, wenn er unsere Annahme von einer Person bestätigt. Wenn Kleidung und Typ in unserer Vorstellung zusammenpassen. Dazu bedienen wir uns so genannter Brain Scripts. Das sind soziokulturell festgeschriebene Mythen, manchmal auch Klischees, auf jeden Fall sehr stereotype Vorstellungen, die wir von anderen Menschen haben. Beispielsweise fühlen wir uns in einem Flugzeug sicher, in dem Stewardessen dunkelblau tragen. Obwohl wir wissen, dass sie uns in Dunkelblau genauso wenig werden retten kann wie in einer rosa Uniform. Oder wir denken, Brillen machen schlau, weil wir unterstellen, dass Brillenträger sich nur beim vielen Lesen die Augen verdorben haben können. Und Blondinen halten wir deshalb für dumm, weil blond am häufigsten als falsche Haarfarbe erkannt wird. Wir meinen dann, zu wissen, dass Blondinen die meiste Zeit ihres Lebens damit verbringen, ihre Haare zu färben. Immer, wenn ein Brain Script bestätigt wird, festigt sich ein Vorurteil in unserem Kopf. Wir freuen uns darüber, dass wir die Welt so gut einschätzen können und finden es einfach typgerecht.
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Das Gegenteil von Stil ist Beliebigkeit. Die zufällige oder wahllose Kombination von Kleidern, wie sie nebeneinander im Schrank lag. Sie können sich nie außerhalb der Mode bewegen, denn man wird ihre Kleidung immer zur Mode ins Verhältnis setzen, aber durchaus außerhalb von Stil. Kleiden Sie sich beliebig, bedeutet das immer auch Belanglosigkeit. Es gibt keine eindeutig erkennbaren Prioritäten. Soll es jetzt in erster Linie praktisch, modisch oder seriös sein? Am besten alles? Ein ehrgeiziger und zumeist unerfüllbarer Anspruch! Wenn alle Kleidungsstücke gleichermaßen wichtig sind, sind sie damit auch gleichermaßen unwichtig. Der Gesamtlook spiegelt alles und nichts wieder. Wie ein bunter Blumenstrauß: Ganz nett, wenn Sie ihn haben, wenn nicht, vermissen Sie ihn auch nicht. Vorbilder zu haben, wäre nicht schlecht. Leider stehen die meisten Lehrerinnen in der Schule dafür nicht zur Verfügung. Und stilfördernde Fähigkeiten wie Bewegung, Tanz, Musik und Kunst werden zwar abgefragt, bleiben aber immer an der Grenze zur Bedeutungslosigkeit. Mütter wiederum sind von Natur aus vorsichtig, was den Sexappeal ihrer Töchter angeht. Sie wollen die Heranwachsende schützen. Die Frauen der Babyboomer-Generation der 60er Jahre, die gerade auf die Chefsessel klettern, sind die ersten, die Mode nicht als Symbol für die Zugehörigkeit zu etwas, sondern für sich selbst entdeckt haben. Sie haben als erste die Chance, den inneren Konflikt, sich zwischen anständigem und attraktivem Aussehen entscheiden zu müssen, zu überwinden.
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Irrtum Nummer 1: Bei uns in der Firma sind alle locker drauf!
2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode Wenn ich Frauen frage, ob sie sich noch daran erinnern können, warum sie ausgerechnet dieses Outfit, das sie gerade tragen, gekauft haben, höre ich folgenden zehn Sätze am häufigsten. Sie beruhen auf Annahmen, die ganz einfach falsch sind. Oder es handelt sich nicht um Hin-zum-Erfolg-Gedanken, sondern um Weg-vom-Missgeschick-Gedanken, also nur um Ideen, die einen Schaden begrenzen wollen. Ich habe diese Äußerungen hier zu den „Zehn beliebten Irrtümern der Businessmode“ zusammengefasst.
Irrtum Nummer 1: Bei uns in der Firma sind alle locker drauf! Tatsächlich? Sie meinen, weil Mode in Ihrer Firma kein Thema ist? Oder weil Sie sich nicht vorstellen können, dass Kolleginnen so über Sie sprechen, wie Sie mit ihnen über andere? Gehen Sie davon aus: Alle Frauen haben eine Meinung zum Aussehen anderer. Und sie tauschen sich darüber gern aus. Jeder kennt sie, die Haste-das-gesehen-Flurgespräche, in denen der Auftritt anderer Frauen seziert wird wie eine Leiche in „Twin Peaks“. Der ganze Sinn dieser Stil-Autopsie liegt darin, sich gegenseitig zu bestätigen, dass man sich auf wohltuende Weise von besagter Kollegin unterscheidet. Wer in der Arbeitswelt glaubt, alle seien locker drauf, hält gern fest an einer Rolle, der er per definitionem längst entwachsen ist. Und hat meist einen Vertrag in der Tasche, der das zulässt. Es ist ja wohl kein Zufall, dass gerade in den Arbeitsverhältnissen mehr erlaubt zu sein scheint, in denen die Mitarbeiter besonders gut abgesichert sind. Im öffentlichen Dienst ist jedenfalls eine Menge erlaubt. Es handelt sich hier um jene beliebte, aber aussterbende Institution, in der sich nur langsam herumspricht, dass es so etwas wie Publikumsverkehr gibt. Deshalb kommen die Mitarbeiter nach eigener Auskunft auch prima ohne Rangordnungssignale und hochwertige Kleidung aus. In der Regel begegnen einem auf dem Amt Sachbearbeiterinnen um die Fünfzig mit hautengen Leggins, einer
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2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode
Bluse im Tigerlillie-Look, die das Bäuchlein kaschieren soll, grellroten Fingernägeln und hochtoupierten Haaren à la Peg Bundy. Weswegen es dort immer so aussieht, wie auf einem großen, lustigen Betriebsausflug. Oder Sie sind Lehrerin und gehören damit einer ganz besonderen Sparte des öffentlichen Dienstes an. Sie sind sich mit den Kollegen einig: Die Schule ist viel zu verdreckt, um sich gut anzuziehen. Ihre gute Kleidung wäre dort nur allzu großen Gefahren ausgesetzt. Und den Schülern ist es ja sowieso egal, was Sie tragen. Ersteres sagt viel darüber aus, wie die Lebenslang-Pädagogen ihr Arbeitsumfeld wertschätzen – nämlich überhaupt nicht. Das Gegenteil müsste der Fall sein. Gerade weil sie so viele Jahre dort verbringen, müsste eine schöne Schule und ein gut angezogenes Kollegium doch eine Herzensangelegenheit sein. Und auch der zweite Gedanke ist einfach fatal! Schüler sind Heranwachsende auf der Suche nach Vorbildern. Aber viele Schüler sind oftmals besser angezogen, als ihre Lehrer. Sie machen sich hinter vorgehaltener Hand lustig über sie, anstatt ihnen insgeheim zu folgen. Jede Lehrerin, die glaubt, es spiele keine Rolle, was sie trägt, schätzt die Situation falsch ein, unterschätzt ihre Schüler und überschätzt sich selbst. Und dann gibt es noch die, die denken, alle seien locker drauf, weil sie noch nicht mitbekommen haben, dass der Dotcom-Hype zu Ende ist. Unternehmer sind nie glücklich, wenn heiße Modetrends im Büro Einzug halten, doch wenn die Gewinne sprudeln, üben sie sich in Nachsicht. Highend-Jeans, Cargohosen und Tank Tops wurden in der allgemeinen Euphorie der New Economy gern geduldet. Aber in nüchternen Zeiten fällt bald auf, was nicht ins Büro gehört. Nur mit paralysiertem Blick auf explosionsartig wachsende Gewinne schien plötzlich alles möglich. Funfun-Firmen, die aus messbarem Nichts entstanden, wurden von verspielten Freigeistern geführt. Sollten sich Kreative, die zufällig auch Geschäfte machen, über Flip-Flops, offen zur Schau gestellten Bauchspeck und Kinderhaarspangen aufregen? Die Kreativen von damals vielleicht nicht. Aber die übrig gebliebenen Unternehmen von heute sind zur Realität des Businessalltags zurückgekehrt. 84 Prozent der amerikanischen Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern haben sich wieder geerdet und üben sich darin, den allzu angstfrei ausgelebten Vorlieben für Schräges, Offenherziges und Buntes Grenzen zu setzen. Sie erarbeiten Dresscodes. Bei rein administrativen
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Irrtum Nummer 2: Ich muss mich doch wohl fühlen!
Jobs sollen gar Uniformen zum Einsatz kommen. Auch in Deutschland wird am Schalter wieder Uniform getragen, seit Post und Bahn privatisiert wurden. Schüler und Studenten, die im Einzelhandel jobben, werden mit firmeneigenen Shirts ausgestattet und in den beschriebenen deutschen Lehranstalten wird laut über Schuluniformen nachgedacht. (Leider nimmt sich das Lehrpersonal bei diesen Überlegungen aus.) Amerika schafft gerade den Casual Dress Friday ab, an dem sich Mitarbeiter jahrzehntelang leger aufs Wochenende einstimmen durften. Im Gegensatz dazu werden ehemals rigide Dresscodes wie white tie oder black tie, die auch immer den Look der Begleitung definieren, um Formulierungen wie sommerlich elegant oder smart casual erweitert. Die locker klingende Formulierung stellt Sie in Wirklichkeit auf eine knallharte Probe. Es ist an Ihnen, Stil und Geschmack zu zeigen, den Sie ganz allein verantworten. Ja, es gibt ihn, den unübersehbaren Trend: Wer zu wem gehört, wird wieder zunehmend optisch definiert. Damit nähert sich die Mode-Anarchie ihrem Ende. Das Wissen um eine gute Garderobe ist Bestandteil der Wissensgesellschaft geworden. Letztlich stehen Sie vor zwei möglichen Situationen. Die erste: Es gibt in Ihrer Firma einen Dresscode. Freuen sie sich! Er bietet allzu unansehnlichen Mode-Freizügigkeiten Paroli und nimmt Ihnen Verantwortung ab. Die zweite: Es gibt keinen Dresscode. An dieser Stelle wird Ihnen Freiheit geschenkt mit der Sie, liebe Pippi Langstrumpf, umzugehen üben sollten. In einer diffusen Gemengelage der Stilrichtungen hilft es, sich nach oben zu orientieren und alles darunter zu ignorieren. Kleiden Sie sich so, wie Sie die Mitarbeiter gern sehen wollten, gehörte die Firma Ihnen, denn im Business sind innere Werte gerade soviel wert, wie man sie von außen erkennen kann.
Irrtum Nummer 2: Ich muss mich doch wohl fühlen! Na klar! Niemand hat etwas davon hat, wenn Sie es nicht tun. Ich frage mich nur, warum dieser Satz immer genau dann fällt, wenn wir beim Shopping sind und gerade anfangen wollen, bekannte Gefilde zu verlassen. Wenn wir Neuland betreten und sowohl das Gefühl als auch der Blick in den Spiegel eigentlich nur ungewohnt sind. In diesem Moment muss
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2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode
man sich nicht wohl fühlen, nein! Man kann sich gar nicht sofort wohl fühlen! Aber man darf sich verunsichert fühlen. Man sollte es sogar, denn Sie verlassen gerade Ihre emotionale Komfortzone. Wenn wir keine neuen Wege gehen, können wir auch kein neues Terrain erobern. So einfach ist das. Und natürlich neigt man bei allem, was neu ist, dazu, erstmal verunsichert zu sein. Eine gewisse Achtsamkeit sichert seit Tausenden von Jahren unser Überleben. Vorsicht ist gut und wichtig. Aber um beurteilen zu können, ob dieser mentale Sicherheitsgurt immer und überall angebracht ist, muss man manchmal auch einfach einen Schritt weitergehen: Halten Sie aus, was Ihnen neu erscheint, in Ihnen rumort und Sie verunsichert. Wir mögen, was wir kennen. Denn was wir kennen, verleiht uns Sicherheit. Im Fernsehen sehen wir zuerst die Dinge, die uns vertraut sind, weswegen die Krawatte des Nachrichtensprechers immer Thema ist und bleiben wird. Vertrautes bestätigt uns, dass wir noch richtig unterwegs sind. Auch in unserem Alltag suchen wir permanent Bestätigung. Wir wollen beglaubigt haben, was wir vor kurzer oder längerer Zeit als gut und richtig abgespeichert haben. Eine ganze Werbeindustrie macht sich diese Bestätigungsebene zu nutze und etabliert so Markenbewusstsein bei Kunden. Sich nicht wohl zu fühlen, weil die Kleidung unbequem ist, heißt eigentlich nur, in einer falschen Größe oder Passform zu stecken. Richtig unbequeme Kleidung gibt es nicht. Sie wäre schlichtweg unverkäuflich und welcher Modehersteller wollte das? Im Gegenteil: Die Aufgabe der Modeproduzenten ist es, größten Tragekomfort zu garantieren. Deshalb unterscheiden Sie passt nicht von ungewohnt und ungewohnt von ich fühle mich nicht wohl. Wenn Sie lange kein Kleid mehr anhatten, wird das ungewohnt für Sie sein. Sie wissen nicht oder nicht mehr, ob Sie sich darin wohl fühlen. In der Umkleidekabine befinden Sie sich für einen kurzen Augenblick auf Glatteis – wie wunderbar! Nur solche Gefühle des Zauderns und Zögerns zeigen Ihnen, dass Sie gerade eine Grenze übertreten. Halten Sie das doch mal einen Moment aus! Und entscheiden Sie dann.
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Irrtum Nummer 3: Das ist ja alles so teuer!
Irrtum Nummer 3: Das ist ja alles so teuer! Es gibt Unternehmen, die verordnen ihren Mitarbeitern einen ganz einfachen Dresscode: „Kaufen Sie sich, was Sie gerade noch bezahlen können.“ So wird ein Mehrwert spürbar – gegenüber den Kunden, den Vorgesetzten und letztlich auch gegenüber sich selbst. Außerdem schauen Sie bereits in die Richtung, in die Sie gehen wollen: Sie orientieren sich nach oben. Doch es ist ja viel verführerischer, auf den Preis zu schielen und auf Schnäppchenjagd zu gehen. Überall und wohin das Auge blickt: Sonderangebote! Das verdankt die Branche dem übergroßen Angebot an Ware und unzähligen Raubkopierern. Eine traurige Tatsache, die durch das Internet eine neue Dimension erreichen konnte. Vom Laufsteg bis auf den Bügel eines Trendkopierers dauert es 14 Tage – schneller als manches Echtlabel seine Mode produziert. So ist manche Kopie noch vor dem Original im Geschäft. Aber zum größten Teil liegen die Raubkopie-Misere der Textilbranche und die daraus resultierenden Rabattschlachten im Kaufverhalten der Leute selbst begründet. Menschen verhalten sich in der Rolle des Konsumenten komplett anders als in der des Produzenten. Als Konsumenten wollen sie das Besondere besonders billig und treten es dadurch mit Füßen. Als Produzenten erwarten sie vernünftige Arbeitsbedingungen und eine ideelle sowie finanzielle Anerkennung für ihre Arbeit. Der Rotstift am Verkaufsschild macht vor allem die Frauen blind, die nicht stilsicher sind. Entspricht der Preis den eigenen Möglichkeiten und ist das Label namhaft, müssen sie die Hose einfach haben. Natürlich macht es Spaß, mal nach Schnäppchen zu jagen, selbst wenn man es nicht mehr nötig hat. Aber lassen Sie sich vom Preisschild nicht verführen. Der der die Preise macht, hat seine Gründe dafür. Das Aktionsangebot hilft Ihnen kaum beim Sparen, sondern begrenzt den Schaden des Ladens. Was nicht heißt, dass Sie vielleicht doch mal genau den Gürtel finden, den Sie für Ihr Fischgrat-Deux-Piece seit zwei Jahren suchen. Klar, greifen Sie zu. Aber die kluge Jägerin weiß: Schnäppchen zu jagen ist wie Muscheltauchen – in den meisten Muscheln ist keine Perle drin.
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2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode
Zeitloser Stil und Kreativität bzw. Modernität sind keineswegs Gegensätze.
Irrtum Nummer 4: Das ist doch zeitlos! Albert Kriemler spricht von zeitlosem Stil, nicht von einzelnen zeitlosen Kleidungsstücken. Zeitloser Stil ist toll, wenn Kleidungsstücke als zeitlos tituliert werden, dient das meist dazu, den Preis zu rechtfertigen. Es ist das erste und letzte Argument, mit dem die Verkäuferin Sie zu überzeugen versucht, wenn sie spürt, dass Sie zögerlich sind. Und es ist die Begründung Ihrer Bausparerseele gegenüber der Kreativabteilung Ihres Gehirns; Zeitlosigkeit soll Ihnen garantieren, dass Sie nicht falsch liegen, aber auch keinesfalls langweilig wirken. Sie wollen für Ihren Mut gelobt werden und gleichzeitig eine Rückversicherung. Leider belügen Sie sich
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Irrtum Nummer 4: Das ist doch zeitlos!
selbst, wenn Sie glauben, es gäbe ein Kleidungsstück, das diesen Spagat schafft. Sie wollen das gute Stück lange und oft tragen können. Einverstanden. Aber wenn Zeitlosigkeit das ausschlaggebende Argument für den Kauf ist, investieren Sie bloß in das Kleidungsstück – und nicht in Ihr Aussehen. Das geht schief. Lassen Sie sich nicht von scheinbaren Vernunftargumenten verführen in einer Welt, in der es um die Balance zwischen businesstauglicher Erotik, etwas Glamour und Seriosität geht. Zugegeben, das Argument der Zeitlosigkeit scheint verführerisch, weil uns die Mode selbst jede Saison aufs Neue Langlebigkeit verspricht. Sie können blind ein zwanzig Jahre altes Modejournal aufschlagen, die Beschreibung der Kleidungsstücke ist stets die gleiche: Sportlich, elegant, klassisch, modern, wandelbar, praktisch und ganz natürlich. Genau das will jede Frau hören: Zeitlose Attribute! Es fällt uns kaum auf, dass sie sich widersprechen, gibt es uns doch das Gefühl, eine richtige Entscheidung zu treffen, die zudem noch Spaß macht. Jede intelligente Frau ahnt, dass es so nicht sein kann und trotzdem funktioniert das Prinzip. Schlimmer noch: Es ist der einzige Weg, Mode überhaupt verkäuflich zu machen. Sie wissen, Outfits halbieren ihren materiellen Wert bereits auf dem Weg vom Kaufhaus zu Ihrem Kleiderschrank. Jede Frau, die in Secondhand-Boutiquen einkauft, freut sich über den Preisverfall, jede, die dort Klamotten verkauft, schmerzt das bitter. Wenn Sie dann noch Änderungen haben vornehmen lassen, ist das Kleidungsstück nur noch für Sie von Wert. Da wird die Annahme im Secondhand-Laden bereits unwahrscheinlich. Kleidung selbst ist kein Investitionsgut, deshalb ist Zeitlosigkeit auch kein Kaufkriterium. Kaufen Sie nichts, nur weil es zeitlos ist, und Sie langfristig hoffen, etwas zu sparen, sondern kaufen Sie nur etwas, weil es Ihrem Typ und Ihrem Selbstverständnis im Job entspricht. Ihr Selbstverständnis ist es, das Sie leiten sollte und das Ihrem Umfeld kommuniziert: So und nicht anders will ich mich verstanden wissen.
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2. Zehn beliebte Irrtümer der Businessmode
Irrtum Nummer 5: Rot ist tough! Nur 20 Prozent aller Frauen geben rot als Lieblingsfarbe an, aber 80 Prozent halten es für eine toughe Farbe und tragen es deshalb im Job. Rot fällt auf. Und genau das wollen die Frauen damit erreichen. Der Wunsch ist legitim, funktioniert aber nicht, weil Sie in Rot nicht auf eine Art und Weise auffallen, die Ihnen gut tut. Rot, das ist, als schlügen Sie ein Glöckchen mit einem Vorschlaghammer an. Es wird nicht klingen, sondern kaputt gehen. Rot war tatsächlich über viele Jahrhunderte hinweg die Symbolfarbe der Macht und des Luxus. Rot war die teuerste Farbe, die man herstellen konnte. Und es war schwierig, in der Herstellung Leuchtkraft und Haltbarkeit hinzubekommen und zu erhalten. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war Rot deshalb den Adels- und Kirchenmännern vorbehalten. Besonders die katholische Kirche wusste Rot stets entsprechend zu platzieren. Das edelste unter ihnen, das blaustichige Purpurrot ist heute noch Kardinalsfarbe, und wenn Papst Benedikt XVI. rote Prada-Loafer zum weißen Gewand trägt, erinnert das schon stark an das von Hyacinthe Rigaud gemalte Bild von Ludwigs XIV. aus dem Jahr 1701. Denn rote Schuhe durften seinerzeit nur Adelige tragen. Diese Verwandtschaft ist kein Zufall – und auf alle Fälle ein Segen für Prada. Wer Rot trug war gut betucht, hatte was zu sagen und war ein Mann. Zumindest solange, bis sich Rot durch preisgünstigere Herstellungsverfahren in die Reihe weniger privilegierter Farben einreihte. Da wandten sich die Männer von ihr ab und überließen das Rot den Frauen. Ins Business kam Rot mit dem Bestseller „The Women’s Dress for Success Book“, das der Amerikaner John T. Molloy 1976 schrieb. Molloy empfiehlt Geschäftsfrauen einen starken Auftritt im männlichen Sinne. Dazu gehört für ihn unbedingt ein Jackett in aggressivem Rot, weil das die Männer nicht trugen und er damit den Frauen einen Vorsprung verschaffen wollte. Man darf aber dabei nicht übersehen, dass Amerikaner bunte Farben ganz anders einschätzen als wir das hierzulande tun. In Amerika gelten grelle Farben als lebensbejahend und vorwärtsgerichtet. Amerikanische Frauen haben ihre Vorliebe für auffällige Farben einfach mit ins Business genommen und sie gleichberechtigt neben die gedeckten Farbtöne der Männer gestellt. Einen Tag nach dem Anschlag vom 11. September 2001 auf das
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Irrtum Nummer 6: Schwarz passt zu allem. Weiß auch!
World Trade Center standen amerikanische Moderatorinnen und Reporterinnen weiterhin in türkisfarbenen, roten und royalblauen Jacketts vor der Kamera, während sich Europas Televisionistas in schwarz hüllten. Good Old Europe funktioniert eben anders. Dabei ist es gar nicht so einfach, in Rot gut auszusehen. Rot ist eine undankbare Textilfarbe. Besonders unter Tageslichteinfluss betrachtet, wirft Rot durch seine Leuchtkraft harte Schatten in den Bewegungsfalten. Das wertet jedes Outfit schnell ab, weil diese nie edel wirken. Rot ist eine Abendfarbe und kann dem Teint unter warmem Kunstlicht schmeicheln und edel aussehen. Es kann Ihnen auch seine ganze emotionale Symbolkraft zur Verfügung stellen: Es symbolisiert Liebe, Leidenschaft, Hass, Blut, Stärke und Kampfgeist. Auf Paloma Picasso geht die Kombination Rot-Schwarz zurück. Diese gibt Ihnen für den Abend alle Attribute, die Sie für einen leidenschaftlichen und sinnlichen Auftritt brauchen. Im Geschäftskontext am Tage haut es Sie und Ihre Betrachter nieder. Dann wirkt Rot ärmlich und aufdringlich. Schauen Sie sich in Sachen Rot etwas von der Kleidungskultur der Männer ab: Dort findet sich Rot nur noch gedeckt auf der Krawatte wieder. Die dunkelrote Krawatte gehört zum international anerkannten Dresscode für Männer im Business. Politiker, Botschafter und Manager aller Nationen, ob asiatischer oder afrikanischer Herkunft, tragen sie zu weißem Hemd und dunklem Anzug während der allerwichtigsten Verhandlungen. Als emotionales Bindeglied zwischen den ansonsten leblos wirkenden Farben schwarz und weiß ist rot akzeptiert. Lernen Sie daraus! Dosieren Sie, meine liebe Karrieristin, das Rot bei allen Geschäftsangelegenheiten immer so, dass es auf einer Krawatte Platz finden kann.
Irrtum Nummer 6: Schwarz passt zu allem. Weiß auch! Schwarz und weiß sind doch keine Farben – und passen deshalb zu allem. Im physikalischen Sinne stimmt das, aber bezogen auf Ihren Garderobenschrank stimmt es leider nicht. Schwarz und weiß werden oft als Puffer missbraucht, als phantasielose Klammer für Tage, an denen wenigstens das noch geht, wenn sonst nix mehr geht.
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Richtig ist, dass schwarz und weiß andere Farben stärker unterstreichen können, als andere Farbtöne es vermögen. Richtig ist auch, dass sie wirklich in jeder Kollektion auftauchen. Falsch ist, dass sie deshalb auch immer und zu allen anderen Farben gut aussehen. Schwarz und weiß haben ihre eigene Aussage: Sie sind aus gutem Grund die Urfarben des Business. Schwarz und weiß wirken durch ihre Schlichtheit und setzen mehr als andere Farben den Stoff in Szene. Dem kann man nicht einfach irgendetwas beimixen. Zudem stehen sie in Reinform für die Art Autorität, die man bekommt, wenn die Dinge auf das Wesentliche reduziert sind. Werden sie miteinander kombiniert, weiße Bluse zu schwarzem Anzug, bekommt der Körper größtmögliche Plastizität, die immer gleichbedeutend mit Autorität ist. Mehr Autorität geht nicht. Und für Ihren normalen Arbeitsalltag mag es auch schon zuviel sein. Frauen, die selbst an ihrer Autorität zweifeln, fällt es leichter, Anordnungen zu erteilen, wenn sie schwarz gekleidet sind. Aber nur durch „eine Hose zu XY“ oder „ein Jackett zu Z“ erlangen Sie nicht die nötige Autorität. Das sind dann nur Platzhalter in schwarz. Weiße Platzhalter in Form eines Jacketts oder einer Hose zu irgendwas sollen gute Laune versprühen und Sie locker erscheinen lassen. Vorsicht! Sie verlieren in weißer Kleidung prinzipiell sehr stark an Autorität. Das einzige weiße Kleidungsstück, das Ihnen Autorität verleiht, ist die weiße Bluse. Beide Töne verlangen genau so nach einer gut überlegten Einbettung in andere Farbtöne, wie es bunte Farben auch brauchen. Stil wird dann als Stil erkannt, wenn es zwischen den kombinierten Teilen Kongruenzen oder ganz eindeutige Gegensätze gibt. In Kapitel 5 wird davon noch ausführlicher die Rede sein, und Sie werden einiges darüber lesen, dass schwarz heute nicht einfach nur schwarz und weiß nicht einfach nur weiß ist. Auch im Abschnitt über das Kleine Schwarze in Kapitel 6 geht es um die gelungene Inszenierung schwarzer Kleidung. Bauen Sie sich keine halben Kompositionen, die unfertig und wie nicht zu Ende gedacht wirken. Wenn Unten und Oben eigentlich nichts weiter miteinander zu tun haben, werden sie beliebig. Und Beliebigkeit – das hatten wir ja schon – steht immer auch für Belanglosigkeit.
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Irrtum Nummer 7: Am besten gehen Sie mit einer Freundin shoppen!
Irrtum Nummer 7: Am besten gehen Sie mit einer Freundin shoppen! Wenn Sie erfahren möchten, worauf sich eine Freundschaft gründet, gehen Sie mit ihrer Freundin shoppen. Ihre Freundin ist für Sie jemand, die Sie mit am besten kennt und so ziemlich alles versteht? Einverstanden. Aber warum alles in der Welt soll sie helfen, die Schönste aus Ihnen zu machen? In der Umkleidekabine wird aus der Vertrauten schlagartig eine Konkurrentin. Männer verbringen viel Zeit damit, Frauen zu betrachten. Auch Frauen verbringen viel Zeit damit, Frauen zu betrachten. Aber nur in Hochglanzmagazinen und aus der Ferne. Frauen interessieren sich für ihre Konkurrenz, aber nicht dafür, dieser einen Vorteil zu verschaffen. Frauenfreundschaften gründen sich nicht darauf, einander zu gefallen, sondern einander zu verstehen. Sie sind Trutzburgen im Kampf gegen äußere Widrigkeiten, am besten funktionieren sie bei Liebeskummer oder Stress im Job. Gerade deswegen disqualifiziert sich die Freundin als Beraterin in der Umkleidekabine. Schönheit an sich erregt schon Neid, und Schönheit an Ihnen ist geradezu bedrohlich für Ihre Freundin. Beste Freundinnen wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie möchten erhalten, was Sie beide zusammenhält. Zusammen können Sie jede Menge Spaß haben, aber sparen Sie sich den Einkauf mit ihr; die Rate der Fehlkäufe wird sprunghaft ansteigen. Die meisten Frauen tragen die mit der Freundin gekauften Outfits selten bis nie. Ich selbst lehne übrigens Shoppingberatungen im Freundeskreis ab. Ich kann meine Freunde nicht so betrachten, wie sie es bräuchten, denn dafür kenne ich sie zu gut. Und es sollen doch ihre ureigenen Bedürfnisse und Belange im Vordergrund stehen. Lassen Sie auch Ihre Mutter daheim. Sie mag aus tiefstem Herzen das Beste wollen für Ihr Kind, aber Sie zur ungekrönten Fashion Queen zu machen, gehört sicher nicht dazu. Intuitiv ziehen Mütter die Handbremse an, wenn es um den Sexappeal ihrer Tochter geht. Weniger wegen ihres eigenen Alters, sondern eher um ihre Tochter vor dem bösen Unbekannten zu schützen – selbst wenn die Tochter schon über dreißig ist und bereits den idealen Schwiegersohn mit nach Hause gebracht hat. Soviel steht fest. Sie sind gut damit beraten, sich beraten zu lassen. Vor dem Kleiderschrank und im Geschäft brauchen Sie einen Spiegel, der
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nicht schweigt, nur weil Sie sich mit zuviel Wohlwollen betrachten. Was Sie brauchen, ist ein sprechender Spiegel, der blind ist für Ihre Narzissmen. Die Verkäuferin im Geschäft teilt Ihr Interesse schon von Berufswegen, aber leider manchmal zu sehr. Nur allzu gern bestätigt sie Ihre Meinung, um zu einem Abschluss zu kommen. Doch an Kompetenz fehlt es ihr dabei kaum. Wer sich den ganzen Tag zwischen Kleiderständern bewegt, kennt das Angebot und hat ganz selbstverständlich Geschmack entwickelt. Versuchen Sie es. Lassen Sie sich einmal ganz unvoreingenommen durch die Reihen führen. Möglicherweise geraten Sie dabei auf neue Wege. Und bevor Sie erschreckt zurückrudern und sich unsicher sind, bedenken Sie, dass Verkäuferinnen mehr davon haben, wenn Sie gut aussehen, als wenn Sie es nicht tun. Denn sonst kämen Sie schließlich kein zweites Mal in ihren Laden. Gönnen Sie ihnen den Erfolg und genießen Sie den Ihren. Ein weiterer unvoreingenommener Dritter könnte Ihr Mann sein. Der sagt Ihnen doch auch sonst ziemlich ehrlich, was er denkt: „Da hinten zieht’s, der Rock ist zu kurz! Die Farbe passt nicht zu Deinem Haar, und überhaupt bist du jetzt in einem anderen Alter ... Aber schau mal da hinten, das Kleid ...“ Et voilà, Sie haben es gefunden, Ihr Traumkleid. Versuchen es mal, und fragen Sie ihn. Auch er ist besser als sein Ruf und berät Sie lieber, als gelangweilt vor der Umkleidekabine zu herumzulungern. Sie dürfen ihn nur nicht überstrapazieren. Zehn Minuten sind für ihn wahrscheinlich wie eine Stunde! Sie blühen auf, je mehr Sie sehen, aber ihn erschöpfen die vielen bunten Farben und unterschiedlichen Schnitte. Aber unterschätzen Sie seinen Blick für Ihre Figur nicht. Ist doch sein Interesse ungebrochen, dass die Seine die Schönste ist. Und auch er sieht Sie gerne wieder Mal in einem neuen Licht. Möglicherweise mäkelt er am Preis. Dem begegnen Sie am besten mit entsprechender Großzügigkeit bei seinem nächsten Spielzeug – alles, was blinkt und eine Batterie braucht, darf dann schon mal teurer sein.
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Irrtum Nummer 8: Jeans unterstreichen meine Persönlichkeit!
Wir sind keine Künstler. Wir machen vergängliche Mode. Aber wir haben eine Handschrift.
Irrtum Nummer 8: Jeans unterstreichen meine Persönlichkeit! Die Jeans unterstreicht ihre Persönlichkeit nicht allein deshalb, weil sie eine Jeans ist. Diese Zeiten sind schon länger vorbei. Das rebellenhafte, jugendliche Flair des groben Stoffes, Denim genannt, reicht nicht mehr aus, um die entsprechende mentale Botschaft rüberzubringen. Und ein Label steht nicht mehr für eine gültige Passform, jede Firma bietet inzwischen vier bis fünf unterschiedliche Schnitte und mehrere Waschungen an. Eine Jeans führt Sie heute nicht mehr automatisch in die Welt des Rock’n’Roll und cooler Outsider, sondern auf den Straßenlaufsteg von Stars und Sternchen wie Victoria Beckham und Verona Pooth. Bei Jeans
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kommt es mehr denn je darauf an, wer sie trägt und wie sie getragen werden und nicht etwa, wer sie gemacht hat. Die Jeans sorgte stets für Kontroversen, die inzwischen längst keine mehr sind, aber an die wir uns gerne erinnern. Geblieben sind lange Beine und ein knackiger Po. Grober Denim auf zarter Haut, das hatte schon immer was, aber eine gut sitzende Jeans ist heute mehr denn je pure Erotik. Man muss aber genauer hinschauen, um das richtig zu dosieren. Denn heute vereinigen sich alle Widersprüche der gesamten Modewelt in einer großen Inszenierung: Der alte Geruch von Freiheit und Unabhängigkeit, von Auflehnung und unverwüstlichem Material trifft auf vorgefertigte Zerstörung – enjoy the holes! –, Pailletten, Stickerei und Glamour. Eine solche Inszenierung verträgt das Uplevel mit dem Jackett, der Businessbluse und dem Geschäftsschuh und steht dabei selbst für einen Downlevel. Mit einer Jeans bewegen Sie sich wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und genau das verlangt Ihnen Modekompetenz ab, für die Sie ein geschultes Auge brauchen. Gerade weil soviel möglich ist, unterstreicht nicht die Jeans Ihre Persönlichkeit, sondern Ihre Persönlichkeit sollte die richtige Jeans finden. Worauf Sie beim Jeanskauf genau achten sollten, lesen Sie im Kapitel 6.
Irrtum Nummer 9: Nie ohne Strümpfe ins Büro. Und Arme müssen immer bedeckt sein! Dies ist ein Appell aus der Zeit, als Büroräume noch nicht überall klimatisiert waren und die Frauen es schon wagten, sich bei kletternden Temperaturen selbstbewusst zu lüften. Es ist eine junge Etiketteregel aus den 80er Jahren, die etwas über die weit fortgeschrittene Emanzipation im Bezug auf das ganz private Wohlgefühl erzählt. Frauen aus den 60ern und 70ern brauchte man das noch nicht zu sagen. Sie trauten sich noch nicht. Was aber im Folgejahrzehnt mitunter zum Vorschein kam, musste zum großen Teil auch vor sich selbst geschützt werden. Die 80er-JahreFrauen, die noch lange nicht in den Hierarchieebenen angekommen waren, in denen sie heute stecken, waren gerade auf dem Weg, gute „zweite Männer“ zu werden. Sie rasierten sich nicht Achsel- und Beinhaare und gingen auch nicht regelmäßig zur Fußpflege. Totenblasse Beine mit schwarzem, spinnenbeinartigem Bewuchs, Hornhaut an den Füßen und
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Irrtum Nummer 9: Nie ohne Strümpfe ins Büro.
abgesplittertem Nagellack – die Reste vom Wochenende – sowie untrainierte Arme lugten aus dem Leger-Look hervor, frei nach dem Motto „Ich will so bleiben wie ich bin“. Individuelle Befindlichkeiten genossen oberste Priorität. Entsprechend legte man den Karrierefrauen von damals man mit unterschiedlichem Erfolg die in der Überschrift genannte Regel ans ehrgeizige Businessherz. Heute ist die gesamte weibliche Ästhetik eine andere: Es wird rasiert, gewachst und gezupft. Es gibt beeindruckendes Bein-Make-up und gut funktionierende Selbstbräuner. Es gibt Pilates und Fitness-Studios mit langen Öffnungszeiten. Und die Frauen würden all dies gern nutzen, wenn Sie als Führungskraft nur Zeit dafür hätten. Sie befinden sich nicht mehr in der körperlichen Befreiungsphase, sondern wissen, dass gepflegte Attraktivität ein wichtiger Teil ihrer Autorität ist. Sie sind sich darüber im Klaren, welche Anforderungen sie an sich selbst stellen müssen, um ihrem eigenen ästhetischen Anspruch gerecht zu werden. Keine Arme wie rohe Chicken Wings, sondern athletisch wohlgeformt. Und unter dem Rock lugt kein blasses Stoppelfeld hervor, sondern beneidenswert gepflegte Beine. Aber heute fehlt ihnen oft die Zeit, um diese Dinge im Blick zu behalten. Vor allem, da sie nun in der Chefetage sitzen. So vertrauen sie auf das unendliche Angebot der hauchzarten Wunder aus Nylon und haben besonders die halterlose Variante für sich entdeckt. Es ist das schmeichelnde zweite Bein, das auch nicht so schnell kaputt reißt. Sie mögen die Businessblusen mit pfiffigen Stummelflügelarmen und Merino-Polos mit einer Armlänge bis zur Beuge. All das gibt modernen Businessfrauen Sicherheit und schenkt ihnen weibliche Autorität. Sie könnten die Regel heute auch brechen, und es würde in den meisten Fällen gut aussehen. Aber sie wissen: Wer sich rauswagt, muss was zu bieten haben. Und außerdem sitzen sie in schönen klimatisierten Büros. Ich glaube auch, sie verzichten freiwillig auf nackte Arme und Beine, weil sie befürchten, Männer könnten auf die Idee kommen, gleichzuziehen und in kurzen Hosen aufschlagen. Schon das Kurzarmhemd ist eine theoretische Unmöglichkeit nach dem Kodex der Herrenbekleidung (findet aber dummerweise immer wieder reißenden Absatz) und ist bei Frauen wenig beliebt. Echte Gleichberechtigung bedeutet eben, auch mal freiwillig zurückzurudern.
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Irrtum Nummer 10: Frauen wie Victoria Beckham sind für’s Business keine Vorbilder! Doch, das sind sie! An ihnen können Sie studieren, wie erfolgreich Sie sein können, wenn Sie sich selbst die Bedeutung geben, die sich kein anderer mehr in Frage zu stellen traut. Ob als Spice Girl, Schauspielerin, Modedesignerin oder Parfumdesignerin: Die eigentlichen Verdienste der Jetsetterin und Super-Mom sind eher übersichtlich. Sie ist das einzige Spice Girl, das keinen Solo-Nummer-1-Hit in England hatte, und doch schließt sie für profane Geschichten, wie ihrem Umzug nach Amerika, Millionendeals ab. Victoria Beckham kennt man vor allen Dingen, weil sie mit dem Fußballer David Beckham verheiratet ist. Oder wissen Sie, wie ihre Jeans-Kollektion oder ihr Parfum heißen? Mit ihrer Heirat hat sie ihr Aussehen zu einem eigenem Wert machen können, deren kleiner Dienst an der Menschheit sie schwer verdienen lässt. Sie ist ein wahres 24-Stunden-Testimonial, das Fernsehsendern hilft, Sendeminuten zu füllen und das dabei noch die Modeindustrie unterstützt. Als lebendige Barbie-Puppe spart sie Modeherstellern mit ihrem straff organisierten wie kreativem Eigenmarketing jede Menge Zeit und Geld. Was sie trägt, wollen viele andere auch tragen, und das macht so manch teure Hochglanzanzeige überflüssig. Sie trägt schon mal die Imageaussagen zusammen, die das Frauenbild der Zeit spiegeln. Und Ihnen gibt sie im Wartezimmer des Arztes Style-Anregungen und beantwortet Fragen nach den angesagten Kombinationsmöglichkeiten zuverlässig. Damit sparen auch Sie Zeit und Geld! Sie sehen direkt, was Sie übernehmen und was Sie getrost an sich vorbeiziehen lassen können. Die deutsche Victoria Beckham ist Verona Pooth. Sie hat noch viel weniger geleistet. Außer einem Schönheitswettbewerbstitel hat sie nichts vorzuweisen. Sie singt nicht, tanzt nicht, aber schlägt aus vermeintlicher und klug inszenierter Dummheit Kapital. Frauen wie sie haben mehr Einfluss auf das heutige Frauenbild als alle Nachfolgerinnen von Alice Schwarzer zusammen. Apropos: Wo sind die eigentlich?
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Irrtum Nummer 10: Frauen wie Victoria Beckham …
Und Frauen wie Ms. Beckham sind die selbst ernannten Stilikonen unserer Zeit, die Models mit einer persönlichen Geschichte hintendran, die die Sicht der Anderen auf sich selbst immer wieder neu und selbst definieren. Nehmen Sie sich die Pooths und Beckhams dieser Welt zum Vorbild für die Momente, in denen Sie mal wieder an sich zweifeln wollen.
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3. Mit welchen Zeichen die Mode spricht
3. Mit welchen Zeichen die Mode spricht Jedes Kleidungsstück hat mal als modische Neuheit angefangen. Manche Modelle waren jedoch schon mit dem ersten Entwurf so gelungen, dass sie uns erhalten geblieben sind. Und jene, die es vermochten, Funktionalität mit den Insignien der Macht zu verbinden, landeten im Business. Sie erzählen die Geschichte von Stil, Prestige und Erotik. Die Zeichen, mit denen die Businessmode spricht, unterscheiden sich grundlegend von den restlichen Trends, die man getrost unter der Rubrik Trendmode zusammenfassen kann. Businessmode hat eine andere Entstehungsgeschichte und verfolgt erklärtermaßen ein anderes Ziel. Zu sagen, sie müsse lediglich gedeckt und unauffällig sein, reicht nicht mehr aus in Zeiten, in denen immer mehr Frauen ganz oben mitspielen. Die Anforderungen an die Businessmode werden komplexer, denn die Frauen, die sie tragen, wollen eine lebendige Tradition. Sie wollen in den Outfits das Feuer sehen, nicht die Asche anbeten. Trendmode spiegelt den aktuellen Zeitgeist. Sie zeigt uns, wie wir uns sehen wollen und richtet sich stets nach der kaufstärksten Schicht. Das sind die zwischen 1955 und 1980 Geborenen. Sie sind die tonangebende Zielgruppe, auf die es jetzt ankommt und immer ankommen wird, egal in welchem Alter sie sich befinden. Auch wenn sie alt sind, werden sie den Zeitgeist bestimmen – denn sie sind viele. In Trendmode fühlen Sie sich nur wohl, wenn Sie nicht die Einzige sind, die so etwas trägt, aber wenn auch nicht allzu viele andere die trendigen Teile tragen. Die Modeindustrie unterscheidet da sehr genau zwischen den Testimonials, den Early Adopters, dem Mainstream und der Red Light Zone. Auf die vier Stufen kommt es an, wenn die Kollektion den Pret-à-Porter-Laufsteg verlassen hat, denn sie geben Aufschluss darüber, ob und in welcher Dimension sich ein Trend durchsetzt, und wann er sich wieder seinem Ende nähert. Die Testimonials, also die Vorbilder und Multiplikatoren der Modewelt, sind Stars und Sternchen, die Victoria Beckhams dieser Welt, denen die Hersteller ihre Ware zu Füßen legen. Sie laufen auf dem von Paparazzi gesäumten Straßenlaufsteg. Werden sie mit einer neuen Tasche, Jeans oder
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Mode – Das ist eine lange Geschichte …
einem neuen Top beim Einkaufen gesichtet, ist das bares Geld wert. Als Madonna den Jogginganzug Adidas One trug, spülte das Millionen in die Kassen der Herzogenauracher Sportartikelfirma. Was diese Frauen tragen, wollen alle anderen auch haben. Besonders die Early Adopters, also die, die als erstes etwas Neues akzeptieren, wollen das. Jene exponierte Zielgruppe kauft die Trendoutfits zuerst. Für sie ist „neu“ ein Wert an sich. Sie haben Geld und wollen ganz vorne mit dabei sein. Es ist ihnen wichtig, sich von der Masse abzuheben, die sie als spießig und langweilig empfinden. Sie fühlen sich ewig jung mit der neuesten Mode. Diese Frauen sind im Business eher unterrepräsentiert. Der Mainstream, die Hauptrichtung, ist das, was wir in den Schaufensterauslagen von Peek & Cloppenburg in verschiedenen Preislagen sehen. Die Grundidee ist nun massentauglich geworden. Der Mainstream gibt uns größte emotionale Sicherheit – was fast alle tragen, kann doch nicht hässlich sein, oder? Die Red Light Zone ist folgerichtig das, was den Mainstream verlassen hat und nun gar nicht mehr angesagt ist. Der modische Rotlichtbezirk identifiziert die Modemuffel zuverlässig. Da seit einigen Jahren mehrere Trends nebeneinander existieren, Röhre- und Schlagjeans in friedlicher Koexistenz sozusagen, geht es im Red Light weniger um ein einzelnes Outfit, das geht oder nicht geht, sondern um die Kombination der Kleidungsstücke untereinander. Sie können gern zur Röhre überwechseln, aber sie müssen wissen, dass diese zwingend mit einem Ballonshirt getragen wird. Red Light heißt, wild zu kombinieren, ohne zu wissen, was läuft.
Mode – Das ist eine lange Geschichte … Trendmode lehnt die Mode der Eltern ab. Niemand will aussehen wie Vater und Mutter. Es ist die ältere Generation, gegen die wir uns immer auflehnen. Die Mode der Großeltern wird indes nicht nur von den erwachsenen Enkeln akzeptiert, sondern auch glorifiziert. Wenn Sie das aber das erste Mal vor einer neuen Kollektion stehen und die Dinge wiedererkennen, die Sie als Teenager oder junge Frau getragen haben, werden Sie daran erinnert, dass Sie nicht mehr ganz jung sind. Das passiert meist das erste Mal ab vierzig.
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3. Mit welchen Zeichen die Mode spricht
Mit der ausgereiften Konfektionsherstellung seit den 60er Jahren wurden Kleidungsstücke schneller in der Rangordnung von oben nach unten abgelöst. Hosenanzüge zum Beispiel. Da hatte der kleine Mann früher genau einen, den Hochzeitsanzug. Plötzlich konnte er sich mehrere leisten und trug diese auch an weniger entscheidenden Tagen seines Lebens. Und es zogen auch Kleidungsstücke von unten nach oben in die Gesellschaft ein. Die Jeans zum Beispiel. Die Arbeiterhose rückte auf in die Lifestyle-Ecke und erhielt Zugang zur Business Class. Mode wurde durch die Konfektion demokratisiert. Die Businessmode für Frauen, ist nur durch einen Blick in den Rückspiegel zu verstehen. Alle Klassiker für Frauen entwickelten sich, mit Ausnahme des Chanel-Kostüms, aus männlichen Kleidungsstücken, die selbst einer jahrhundertealten Tradition entsprungen waren. Die Hosenanzüge und Kostümformen für Frauen waren letztlich nur auf ihre Figur zugeschnittene Männerkleider. Und diese hatten allesamt ihren Ursprung beim Militär. Erst das Chanel-Kostüm gab den Frauen etwas ganz Eigenes, weil es die erste nicht an den Schnitt einer Uniform angelehnte Kreation eines Kostüms war. Es kam ohne die typisch männlichen Insignien der Macht aus, hatte aber dafür individuell-weibliche Formen. Wenn man bedenkt, dass das Männerjackett seit über hundert Jahren fast unverändert, das Chanel-Kostüm aber gerade mal fünfzig Jahre alt ist, wird klar, wie jung die erste weibliche Antwort auf die männlichen Vorlagen ist. Bei der Männerkleidung ging es schon immer um Dominanz und Stärke. Diese Kraft wird durch breite Schulterklappen und schmale Hüften vorgetäuscht. Spitz zulaufende dreieckige Revers am Ende des Kragens, gekappte Rockschöße und symbolträchtige Statusknöpfe unterstreichen diese Y-Linie des männlichen Körpers. So kann jeder Mann selbst in einer misslichen Lage noch aussehen, als sei er Herr derselben. Die Passgenauigkeit der Uniformen und folgerichtig des zivilen Jacketts entstand letztlich auch aus dem Problem heraus, diese männlichen Attribute immer, selbst auf einem galoppierenden Pferd, erhalten zu können. Unter wallenden Stoffen ist diese Y-Linie beileibe nicht zu erkennen. Die Redewendung „jemandem etwas auf den Leib schneidern“ ist gleichbedeutend mit „jemandem Ansehen verleihen“. Und darum geht es in der Businessmode für ihn, aber auch für sie. Nur, dass ihr Ansehen anders aussieht. Bei den Frauen steht nicht die
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Mode – Das ist eine lange Geschichte …
Uniformierung Pate für das, was wir heute als Bekleidungsidee für die Geschäftswelt sehen, sondern die Etikette. Die Etikette zeigte jahrhundertelang an, was sich schickt und was nicht. Und da ging es bei Frauen immer um Fertilität, nicht um Autorität. Sie wurden dazu erzogen, sich zu schmücken, damit sie anderen gefallen. Das Dekolleté beispielsweise ist eine Erfindung der Renaissance und gehört seitdem zur formellen Damengarderobe. Aber wie viel Busen eine Frau im welchen Alter zeigen oder wie aufreizend ein Schleifchen auf dem Popo sitzen durfte, stand genauestens in den strengen Etiketteregeln. Das ist natürlich lange vorbei. Etikette ist heute das, was man hier und da noch spürt, worüber aber keiner mehr so genau Bescheid weiß. Was war früher gleich noch mal – oder ist heute schon wieder – wichtig? Heute wollen Frauen nicht fertil wirken und das durch Dekolleté und Schleifchen zeigen, sondern Autorität ausstrahlen, ohne auszusehen, als seien sie infertil. Sie lernen gerade, der Kleidung Aufmerksamkeit zu schenken, die auf dem Bügel unspektakulär und noch etwas verwaist aussieht. Aber was so unaufgeregt dahängt, wartet nur darauf, der Trägerin Bedeutsamkeit zu verleihen: Souveräne Posen, geschmeidige Gesten und ein aufrechter Gang in der women’s edition. Die Businessklassiker sind wieder fester Bestandteil unseres gesellschaftlichen Macht- und Bildungsspiels geworden. Ein Spiel, das mehr denn je mit verdeckten Karten gespielt wird, denn die Spielregeln sind dabei nicht in einem festgeschriebenen Kanon der Gesellschaft verankert, sondern sie liegen allein bei Ihnen. Niemand wird Ihnen sagen, Sie seien ungebildet, und ebenso wenig, dass Sie schlecht angezogen sind. Und dennoch ist in unserer Gesellschaft jedes Argument für sich ein Ausschlusskriterium. Bei regelmäßigen Verstößen gegen die Kleidungs- oder Bildungsetikette reagiert Ihre Umwelt mit subtilen Sanktionen. Achten Sie mal darauf, wer mit wem wie lange spricht, wer wie lange und von wem angesehen wird und wer wen um einen Gefallen bittet. Das Wissenszeitalter wird nur scheinbar informeller, die alten Werte ziehen lautlos durch die Hintertür wieder ein. Je mehr Informationen verfügbar sind, desto entscheidender ist es, wie sie aufgearbeitet und von wem sie angeboten werden. Schon in wenigen Jahren wird so etwas wie Klassenzugehörigkeit optisch noch stärker zu erkennen sein. Die, die um diesen Umstand wissen, werden sich erfolgreich von jenen unterscheiden, die immer noch glauben, es gebe keine formel-
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3. Mit welchen Zeichen die Mode spricht
len oder informellen Dresscodes, und es sei tatsächlich alles unheimlich locker. Werte sind schon heute das, was wir sehen, wenn uns keiner gesagt hat, was wir anziehen sollen.
In der Mitarbeiterkonferenz „Ich bin eine von euch, nur stehe ich ganz vorn“, ist ein treffendes Statement für ene, die in der Mitarbeiterkonferenz weibliche Autorität ausstrahlt. Sowohl Frauen als auch Männer akzeptieren Frauen nur schwer als Führungspersönlichkeiten, wenn sie übermäßig schön sind. Trotzdem erwarten sie von ihnen, dass weibliche Chefs besser aussehen als der Durchschnitt und meinen damit, dass sie besser angezogen sind. An Arbeitsplätzen, an denen unter Druck und sehr effektiv gearbeitet wird, rasch Entscheidungen getroffen und andere motiviert werden müssen, wird allzu feminines Aussehen misstrauisch beäugt. Sie kennen das: Besonders hübschen Frauen gegenüber hat man häufig das Vorurteil, sie besäßen keine Führungsqualitäten und könnten sich nicht durchsetzen. Stattdessen wird allzu feminin wirkenden Frauen unterstellt, Signale auszusenden, die ihren Mitarbeitern bedeuten, dass sie sich um sie kümmern werde. Dieser Zug wird dann oftmals als Schwäche ausgelegt. Wenn Frauen tatsächlich diese Ich-kümmere-mich-darum-Signale ausstrahlen, während sie Anweisungen erteilen, ist das tatsächlich von Nachteil. Während ein Mann Aufgaben verteilt, macht er klar, dass er erst wieder etwas davon hören will, wenn diese – am besten zu seiner Zufriedenheit – erledigt sind. Wenn eine Frau Instruktionen gibt, steht oftmals im Subtext: „Und wenn es schwierig wird, kümmere ich mich drum.“ Sie können sich darauf verlassen, es wird schwierig. Verzichtet die Frau weitestgehend auf weibliche Attribute, wird sie zwar akzeptiert, aber nicht gemocht – weder von Frauen noch von Männern. Viele Frauen entkommen diesem Dilemma, indem Sie ihren Mitarbeitern optisch das Du anbieten. Indem sie die gleiche Garderobe tragen, wie ihre Mitarbeiter, wollen sie signalisieren: Wir haben alle das gleiche Ziel. Nett soll es sein, alle sollen sich verstanden fühlen, und überhaupt sind wir ein tolles Team. Vorsicht! Wenn Sie als Chefin unter Ihrem Niveau bleiben und sich weiterhin die Kleidung kaufen, die Sie sich auch schon zuvor leisten
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In der Mitarbeiterkonferenz
konnten, wird man Ihnen unterstellen, Sie nehmen ihre Führungsaufgabe nicht wahr. Nach einer Beförderung kaufen sich Männer neue Anzüge, Frauen wollen zeigen, dass sich soviel ja gar nicht verändert hat und tragen ihre alten Klamotten weiter. Aber mit dieser Tiefstapelei irritieren Sie Kollegen wie Mitarbeiter. Sie erreichen keine Begegnung auf Augenhöhe, wie viele Frauen meinen, sondern laufen als personalisierte Fürbitte durch die Gegend. Tatsächlich suchen Sie in Ihren Mitarbeitern emotionale Verstärkung für ihre Entscheidungen. Kleidung, mit der Sie weiblich-autoritäre Signale aussenden, hilft Ihnen bei Ihrer Führungstätigkeit, indem Sie Ihnen erlaubt, sich etwas von Ihren Mitarbeitern zu distanzieren. Darüber hinaus regt sie die Kollegen nicht dazu an, Ihre Person nach Ihrer Kleidung zu beurteilen. Denn je mehr Sie sich optisch solidarisieren und privaten Geschmack zeigen, desto mehr sorgen Sie für Gesprächstoff in der Kantine. Unerfahrenere Frauen in Führungspositionen, die anfangs an die Kraft gemeinsamer Ziele geglaubt und dabei die Kraft divergierender Interessen übersehen haben, müssen sich die freiwillig abgegebene Autorität später mühsam zurückerobern. Das andere Extrem wird Ihnen auch verübelt: Ist das Gefälle zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern zu groß, fürchten die Mitarbeiter um ihre Interessen. Es wird Ihnen unterstellt, Sie seien nur noch an der Meinung der Geschäftsführung und selbstredend an ihrer eigenen Karriere interessiert. Eine weibliche Führungskraft tut also gut daran, sich früh als Grenzgängerin zu üben. Praktizieren Sie einen kontrollierten Downstyle: Seien Sie Ihren Mitarbeitern – auch optisch – so nah wie nötig, aber gleichzeitig so distanziert wie möglich. Das funktioniert besser, wenn Sie zuvor nicht Kollegin waren. Die Abgrenzung fällt besonders schwer, wenn die Kollegin zur Chefin wird; besonders in den mittleren Hierarchieebenen ist das der Regelfall. Also, beides ist wenig hilfreich: Springen Sie nicht direkt aus dem Pullover in den Armani-Anzug, aber kaufen Sie sich auch bloß keinen autoritären schwarzen Mittelklasseanzug. Geben Sie sich sechs Monate, um in Ihre neue Garderobe hineinzuwachsen. Wenn Sie vorher Strick getragen haben, tun Sie dies weiter, aber tragen Sie jetzt feinste Merinowolle in den wichtigen, sprich dunklen, Farben. Sie sortieren ihre bewährt-bequeme Jeans aus und ersetzen Sie durch eine super sitzende, trendklassische
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Form. Ihre Kreppsohlen bleiben fortan daheim, an ihre Stellt tritt ein VierZentimeter-Blockabsatz. Denken Sie über Röcke und Jacketts nach. Ein businesstauglicher Rock verleiht Ihnen allerhöchste Autorität, und ohne vernünftige Jacketts geht es sowieso nicht richtig vorwärts. Wie das im Einzelnen funktioniert, zeige ich Ihnen in Kapitel 6. Nehmen Sie sich sechs Monate, um sich die verhaltene feminine Autorität anzuziehen, die aus Ihrer Like-me-Garderobe eine Respect-me-Garderobe macht.
Beim Geschäftskontakt Was Sie Ihrem Geschäftskontakt vor allem vermitteln sollten, ist der Gedanke: „Ihr Anliegen ist bei mir gut aufgehoben!“ Sie sind Teil der Lösung, nicht des Problems. Als solches sollten Sie nicht allzu offensichtlich in Ihrem persönlichen Orbit kreisen. Außenkontakte mit Geschäftspartnern und Kunden scheinen geradezu prädestiniert dafür zu sein, sich so anzuziehen, wie man es nie tun würde, wenn man etwas entspannter wäre. Der Außenkontakt gerät zur kleinen Repräsentationsbühne mit großem „Du bist Deutschland“-Effekt. Man trägt für ein paar Stunden einen großen Namen hinter dem seinen und wird fortan, zumindest von den Menschen, mit denen man zu tun hatte, damit in Verbindung gebracht. Das setzt Adrenalin und besonderen Ehrgeiz frei. Man will den guten Eindruck machen, von dem ja alle sagen, dass er so wichtig sei und vor allem zählt. Vor rund fünfundzwanzig Jahren hatte Bill Gates seine erste Aktionärsversammlung von Microsoft. Er begegnete dort seinen wichtigsten Kunden in kurzen Cargohosen und T-Shirt und begründete damit den bis heute gültigen Dresscode der Microsofties, den Lab-Atmosphere-Look. Die Presse nahm es ohne Aufschrei zur Kenntnis, denn auch sonst machte Bill Gates einiges anders, er war eben ein ausgewiesener Visionär. Und es war die Zeit der IT-Dämmerung – da war ohnehin vieles erlaubt. Solche Leute sind Highlights am Firmament. Sie wären im Elfenbeinturm der Wissenschaft respektive in ihrer Garage geblieben, hätte ihr Produkt nicht gerade zur Massenanwendung bereitgestanden. Ihr Auftreten ist sympathisch, weil es nicht aufgesetzt ist. Heute wird es dagegen oft von vielen aus verzweifeltem Ich-bin-eine-Marke-Wahnsinn inszeniert. Und: Der Erfolg spricht für sich. Wären Microsoft und sein Betriebssystem
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Beim Geschäftskontakt
ein Flop gewesen, wäre Bill Gates ein Kleidungskulturbanause geblieben, den heute keiner mehr kennt. Übrigens trägt auch Bill Gates heute dunkle Anzüge – wie die übrige amerikanische Businesselite auch. Geschäftskontakte bereiten den Beteiligten aus zweierlei Gründen Lust. Sie verbringen meist eine gute Zeit, und ein erfolgreiches Ergebnis stellt die beste Referenz dar. Jeder, der mit einem Interesse nach außen tritt, tut dies charmant und höflich. Manche Frauen erleben das als Urlaub von der Firma, in der es zugehen kann, als hätte man lauter alte Ehepaare zusammengesperrt. Im Betrieb kämpfen sie mitunter um Lob und Anerkennung. Manche Firmenchefs befürchten eben immer noch, dass jedes Lob gleich eine Gehaltsforderung nach sich ziehen könnte. Als Frau kommen Sie bei Geschäftskontakten in den Genuss, respektvoll und als Frau behandelt zu werden. Nichts wird Ihr Verhalten in den nächsten dreißig Minuten schneller verändern, als diese angenehme Erfahrung! Viele Frauen sagen, dass sie aus Geschäftskontakten das meiste Selbstbewusstsein ziehen. Grund genug, in dieser mit positivem Stress besetzten Situation gut auszusehen. Das Gemeine daran: Es bleibt niemandem verborgen, ob Sie mit klarem Selbstverständnis unterwegs und in Businessmodedingen vertraut sind oder nicht. Diejenigen, die es eher nicht sind, zeigen sich verunsichert, oder sie übertreiben fürchterlich. Ich beobachte häufig zwei Extreme: Da sind die, die es ganz besonders richtig machen wollen und, die, die sehr eindimensional auf das Ticket Sexappeal setzen. Erstere sind in ständiger Sorge um ihr akademisches Niveau, wollen bloß nicht auffallen und scheinen immer noch überrascht von ihrem Aufstieg zu sein. Letztere sind allein von dem Wunsch beseelt, gut anzukommen und denken, der Rest ergibt sich dann schon von selbst. Erstere holen ihr bestes Kleidungsstück aus dem Schrank, das leider oft das einzige ist, und tragen es zu einer schwarzen Hose, denn das geht ja immer – glauben sie! Sie wollen nur Argumente sprechen lassen, sie folgen hehren Motiven. Sie geben sich mütterlich oder ganz maskulin, aber nie weiblich. Diese Frauen müssen eigentlich ermutigt werden, ihr Selbstbewusstsein und ihre Person mit Kleidung aufzuwerten. Allerdings gibt es Frauen von dieser Fraktion immer seltener. Es ist die aussterbende Generation der Vorkämpferinnen, die im Business doppelt soviel leisten mussten, um auch nur halb so viel Anerkennung zu bekommen, wie die Frau-
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en, die sich heutzutage in der Geschäftswelt bewegen. Sie haben den Weg geebnet für die Jüngeren, und bei ihrem Kampf um bessere Karrierechancen und höhere Gehälter, blieb alles Weibliche auf der Strecke, ja galt sogar als verräterisch und unemanzipiert. Die jüngeren Frauen verhalten sich anders, sie zeigen ihre weibliche Seite im Business, punkten damit und freuen sich darüber, wie gut das funktioniert. Wie einfach sie Aufmerksamkeit erregen können, wenn sie zeigen, wie attraktiv sie sind und modisch auf der Höhe und vor allem, wie jung sie dabei (geblieben) sind. Doch manches ist auch des Guten zuviel: „Mach dich locker und vergiss nie: Sex sells! Auch unter Geschäftspartnern und Kunden.“ Der Rock wird schon mal kürzer, das Oberteil etwas enger, die Absätze höher. Das sind die heutigen Kapitalistinnen, die ungeschickt manipulieren und für ihre Zwecke einsetzen, was der Feminismus unter lila Strickpullis verborgen hielt. Er wollte die Frauen davor bewahren, nur als Lustobjekt betrachtet zu werden. Heute stellen sich manche Frauen auch ohne Aufforderung liebend gern selbst zur Schau, und die Männer müssen selbst sehen, wie sie in ihrem genetischen Gefängnis klarkommen. Jedes Styling, das sich so verselbständigt ist ein totes Styling und verfehlt das Ziel. Betrachten Sie Ihren optischen Außenauftritt eher als visuellen Smalltalk. Er ist Teil eines sozialen Spiels, bei dem Statussymbole und Allgemeinbildung abgefragt werden, und ein Auftakt zu tiefergehenden Gesprächen und Verhandlungen. In ihm verkörpern Sie, stellvertretend für Ihre Firma, die Wertschätzung eines Kunden oder Interesse an einem Auftrag, geben aber nichts Persönliches preis. Das heißt auch: Selbst suggestiv eingesetzte Erotik verträgt ein solcher Termin nur in begrenztem Maße. Die Details verraten, ob Sie sich auf gewohntem oder ungewohntem Terrain bewegen. Ob Sie frei von persönlichen Stimmungsschwankungen sind und die Konzentration für diese Situation aufbringen können, oder ob Sie dazu nur in Ihrer Lieblingsjacke fähig sind. Ob Sie sich organisieren können, oder ob Sie um jeden Friseurtermin kämpfen. Ihre Kleidung sollte zeigen, dass Sie Verantwortung für sich übernehmen können. Denn dann können Sie es auch für andere. Ihrer Tasche sollte man ansehen, dass sie Ihr ständiger Begleiter ist: Gebraucht, aber gepflegt. Tragen Sie Schuhe, die nicht extra erst gekauft wurden, und bei denen klar ist: Die zieht sie nicht gleich aus, wenn Sie wieder im Auto sitzt. Die Routine,
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Im Bewerbungsgespräch
sich souverän zu bewegen, kann man sich erarbeiten. Alles Übung. Und dieser Gedanke steht am Anfang: Nehmen Sie sich wichtig, aber nicht wichtiger als andere. Lassen Sie Ihr Gegenüber ihr Potenzial spüren, aber zeigen Sie es nicht zur Gänze. „Da ist noch viel mehr drin!“, denkt er, und das ist es, was ihn darauf vertrauen lässt, dass sein Anliegen bei Ihnen in guten Händen ist.
Im Bewerbungsgespräch In jedem Bewerbungsleitfaden ist zu lesen, wie wichtig es ist, gut auszusehen, allerdings ohne dass genauer spezifiziert würde, wie Sie das anstellen sollen. Klar ist, dass Sie ihre Chancen auf den Job dramatisch verschlechtern, wenn mit Sie kaputtem Rocksaum und schmutzigen Schuhen um die Ecke biegen. Ich will Sie nicht langweilen, aber ein gepflegtes Äußeres sollte selbstverständlich sein. Klar dürfte auch sein, dass Sie es in einer Anwaltskanzlei nicht mit einer hippen, 220 Euro schweren, premiumveredelten, sprich kaputten, Designerjeans probieren sollten. Und dass Werbeagenturen nach wie vor als Habitat besonders liebenswerter Chaoten gelten. Allerdings hatte ich mal mit einer besonders erfolgreichen Agentur zu tun und musste dieses Bild korrigieren. Es war überhaupt nicht chaotisch dort, weder die Büroräume, noch das Aussehen der Mitarbeiter. Die Kreativität konnte man trotzdem als fertige Kampagnen umso eindrucksvoller auf den Postern an den Wänden sehen. Was ich damit sagen will: Die branchenspezifischen Dresscodes weichen zwar immer mehr auf, aber konservative Branchen, wie Banken, Anwaltskanzleien und Steuerberater, halten noch am meisten an ihnen fest. Sich hineinzudenken in die Branche, bedeutet immer, in fremden Köpfen spazieren zu gehen. Sie werden nie genau wissen, was diese Menschen von Ihnen erwarten. Nur eines ist klar: Sie wollen in kurzer Zeit möglichst viel über Sie erfahren. Und ihr äußerer Stil ist dabei wesentlicher Bestandteil. Bevor Sie sich also Fragen stellen, die Sie sich schlussendlich nicht werden beantworten können, machen Sie sich lieber Gedanken über andere wichtige Aspekte: Haben Sie es im Bewerbungsgespräch mit einer Frau oder einem Mann zu tun? Führen Sie das Gespräch mit einer Frau ist es sehr von Vorteil, vom Outfit her unter ihr zu bleiben, sonst sieht sie Sie schon im Geiste auf ih-
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rem Platz sitzen. Unaufgeregter Schick und Verzicht auf jeglichen Glamour ist hier das Beste. Unaufgeregt heißt kein flammenneues Outfit, schon gar kein super teures aus der aktuellen Saison, aber durchaus von gehobener Qualität. Ziehen Sie also immer den Secondhand-Markenanzug einem neuen Mittelklasseanzug vor! Das besagt: Diese Frau kann haushalten. Und bitte kein Waschen-Fönen vom Friseur vorher. Besonders nicht, wenn Sie selbst nicht annähernd so gut stylen können. Bleiben Sie ein paar Umdrehungen unter Ihren Möglichkeiten, und spiegeln Sie mehr Ihre Vorstellungen über das Image Ihrer neuen Aufgabe, das im günstigsten Fall auch Ihr eigenes wird, als dass Sie ein allzu modisches Statement über sich abgeben. Die Frau Ihnen gegenüber sucht eine Mitarbeiterin zur Entlastung, keine Kollegin zum Austausch. Solide, zuverlässig, belastbar. Sitzen Sie einem Mann gegenüber, ist es gut, ihn optisch davon zu überzeugen, dass Sie die bevorstehenden Aufgaben schon mehrfach erledigt haben. Das kann er sich in Here-comes-trouble-Farben nicht gut vorstellen. Alles was zu bunt ist, mag ihn am Abend anregen, aber in der Umgebung seines Büros strengt es ihn an. Er erwartet ein absolut hochwertiges Outfit in wichtigen, sprich dunklen, Farben – so, als hätten Sie den gut bezahlten Job bereits. Er will Sie nicht entwickeln müssen, Sie sollen möglichst fertig sein. Ein Mann haut Ihnen kumpelhaft auf die Schulter, bevor er Sie Ihren neuen Aufgaben überlässt, und es wäre gut, wenn Sie dabei nicht ins Wanken geraten. Das ist seine Sprache, mit der er Ihnen auf Augenhöhe begegnet. Zeigen Sie, dass Sie bereits dazugehören. Von Anfang an. Intuitiv machen junge Bewerberinnen, was sie später oft gar nicht mehr tun: Sie nehmen sich zurück. Sie tragen einen schwarzen Hosenanzug und sind stark bemüht, geschmacklich nicht anzuecken, aber auch möglichst wenig Angriffsfläche für die eigene Beurteilung zu geben. Am Anfang der Karriere ist jeder aus mehreren Gründen besonders unsicher – dafür aber auch jung, und das verdient mehr Nachsicht, als einem in dem Moment der Aufregung bewusst ist. Außerdem hat man in der Tat noch keine tolle Garderobe. Da bietet sich der schwarze Anzug, für den man sich noch viele Gelegenheiten erhofft, tatsächlich an. Jeder weiß, dass er eigens zu diesem Zwecke gekauft wurde und wertet das bei Jüngeren sogar als gute Vorbereitung. Später dann, wenn die Vita schon etwas mehr hergibt, müssen Sie auch im Bewerbungsgespräch mehr zeigen. Nun will man bei Ihnen eine innere Haltung passend zum äußeren Style erkennen
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Im Bewerbungsgespräch
können. Das ahnen auch die Bewerberinnen und fühlen sich unter Druck gesetzt. Sie wollen in der Situation mit den vielen Fragezeichen in der Luft ganz besonders gut bestehen. Und meist möchten sie an dieser Stelle auch mehr Geld. Die erste Stelle bekommen Sie zu 70 Prozent wegen Ihrer Qualifikationen und zu 30 Prozent wegen Ihres guten Eindrucks, den Sie machen. Aus diesen 30 Prozent speisen sich aber auch zu 100 Prozent die Gründe für eine Kündigung. Da gilt auch bei uns die amerikanische Businessweisheit: You hire them because of their knowledge and you fire them because of their personality! Das bezieht sich nicht nur auf Äußerlichkeiten, sondern natürlich auch auf den Gesamteindruck. Aber schon immer wurde in Bewerbungsgesprächen nach äußeren Indikatoren gesucht, die auch Hinweise auf das Verhalten eines Menschen geben und das Risiko einer Fehleinschätzung minimieren könnten. Banken fragen bei Kreditvergaben mittlerweile nicht nur nach dem Einkommen, sondern klopfen auch die Soft Skills ab – und schauen sich das Outfit an. Einmal können Sie bluffen, beim fünften Gespräch wird das schon schwieriger. Qualifikationen werden im Laufe der Jahre ersetzt durch die Erfahrung. Diese werden sichtbar in den Namen der Unternehmen, für die Sie tätig waren und in Ihrem Auftreten. Der Gesamteindruck wird immer wichtiger, bis sich das prozentuale Verhältnis zum Schluss umkehrt. Erfolg und Auftreten müssen nun für sich sprechen. Wir lassen uns von einem schönen Antlitz immer wieder einladen zu glauben, dass dieses auch besonders anständig wäre. Es gibt jede Menge Studien über den Zusammenhang zwischen der äußeren Erscheinung und den wahren Charaktereigenschaften eines Menschen. Alle kommen zu dem gleichen Ergebnis: Es gibt keinen. Die Wahrheit ist: Engel betrügen und töten auch. Eine ansprechende Erscheinung ist allemal eine notwendige Eintrittskarte in eine Firma. Das Äußere beschreibt die Erwartungen aneinander – und das ist an dieser Stelle die wichtigste Information –, garantiert aber letztlich nichts. „Eigentlich müsste man das Casting in der Maske machen!“, kam als Vorschlag von einem Redaktionsleiter, als er mal ein wenig von dem Zickenalarm mitbekam, der häufig in der Maske von Fernsehstudios und Theatern abläuft. Das Verhalten so mancher zukünftiger Fernsehmoderatorinnen vorm Schminktisch ist ziemlich aufschlussreich darüber, wie sie zu ihrem Ka-
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merabild stehen. Es sagt nichts über ihre Qualifikation aus, aber es verrät viel über ihren Umgang mit sich selbst. Jene, die nicht wissen wie sie wirken, die kein Selbstbild im Kopf haben, geraten viel schneller in Panik, als diejenigen, die ihr Kamerabild gut einschätzen können. Es gibt keine abschließende Antwort auf die komplexe Frage, was Sie im Bewerbungsgespräch anziehen sollten. Es gibt nur den ganz wichtigen Tipp, rechtzeitig im Leben damit anzufangen, sich ein paar Gedanken über Ihr Selbstverständnis zu machen. Sonst lassen Sie andere in wenigen Minuten über etwas entscheiden, das Sie zuvor so erfolgreich ausgeblendet haben und im Adrenalinstau fällt Ihnen schlagartig ein, was Sie alles versäumt haben. Optimal ist, wenn Sie zum Gespräch gehen, wie Sie sonst auch losgehen würden. Der Style ergibt sich dann folgerichtig und auch, ob der Job der richtige für Sie ist. Denn ganz ehrlich, wollen Sie in einem Büro arbeiten, in dem Sie sich jeden Tag verkleiden müssten?
Tricks vor der Kamera Brauchen Sie nicht? Denken Sie! Morgen sieht Ihre Karriere vielleicht schon anders aus. Sie haben einen repräsentativen Job, und ihre Firma schickt sie zum nächsten kleinen – oder auch größeren – Lokalsender zum Interview. Oder es geht um den neuen Internetauftritt, für den ein Firmenvideo gedreht oder professionelle Fotos geschossen werden sollen. Und da wollen Sie nicht vorbereitet sein? Gerade in einer Zeit, in der die Sendeflächen immer weiter aufgeteilt werden und regionale und private Kleinsender überall wie Pilze aus dem Boden schießen, sollte jede Businessfrau, die Ambitionen hat, damit rechnen, ins Fernsehen zu kommen. Und Sie sollten auch auf offiziellen Fotos gut aussehen wollen und nicht wie auf einem Steckbrief von der Polizei. Ob Fernsehen oder Digitalkamera, seien Sie also bereit! Zunächst aber ein kleiner Exkurs, der Laien und Profis über die Veränderungen beim Fernsehen aufklären soll: Obwohl der Fernsehkuchen sich aus täglich um die 1000 Stunden zusammensetzt, fällt dem Auftritt im Fernsehen immer noch die größte Aufmerksamkeit zu. Sie erreichen mit einer Fernsehsendung, die wenige sehen, immer noch mehr Menschen, als mit einer Radiosendung, die viele hören. Außerdem steht dem Massenmedium demnächst die größte technische Revolution seit seiner Erfin-
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Tricks vor der Kamera
dung ins Haus. Das analoge System PAL, Phase Alternating Line, wird ersetzt durch digitales HDTV, High Definition Television. Die Einführung des Farbfernsehens war ein Klacks dagegen. War es doch nur eine Weiterentwicklung des schon bestehenden Schwarz-WeißFernsehens. HDTV ist dagegen etwas völlig Neues: High Definition Television wird der weltweit gültige und hochauflösende Videostandard sein, der eine fünffach höhere Zeilenauflösung bietet. Mit maximal 2 Millionen Bildpunkten pro Bild ist es vergleichbar mit dem 35mm-Film. Während man sich in Europa noch auf den letztendlichen HD-Standard einigt, wird in Japan und Amerika schon lange HD-Fernsehen geguckt. Die Bilder sind nicht nur schärfer, sondern auch ästhetisch anspruchsvoller. Für Ihr Gesicht im Fernsehen bedeutet das: Es wird nicht hässlicher, es wird klarer. HDTV ist „schärfer als die Realität“, so bringt es ein Imagespot auf den Punkt. Im HD-Bild kann man stundenlang mit den Augen spazieren gehen, so viel gibt es zu entdecken. Bei Strickwaren erkennen Sie das Maschenmuster, und den Käfer auf der Blume hinten rechts sehen Sie auch. Es zeigt Ihnen Details, auf die sie mit bloßem Auge nie gekommen wären. Moderatorinnen zucken schon jetzt zusammen, und die ersten Firmen biegen mit „digitalem Make-up“ um die Ecke. Tolle Sache, sofern ein Make-up digital sein kann … Was nutzen aber alle technischen Neuerungen, wenn sie es Ihnen und den Experten beim Fernsehen nur ungleich schwerer machen? Denn die Produktionsbedingungen werden sich besonders in der aktuellen Berichterstattung immer weiter verdichten. Mit anderen Worten: Es wird weniger Aufwand für das Styling von InterviewGästen getrieben. Vor der Kamera gut auszusehen ist allein Ihre Sache. Das Fernsehteam verhält sich eher wie ein deutscher Dienstleister und nicht wie ein Regisseur, von ihm ist in dieser Hinsicht keine Hilfe zu erwarten. Das überrascht alle beim ersten Mal und irritiert viele bis zuletzt, hat aber den Vorteil, dass Sie bekommen, was Sie fordern. Deshalb mischen Sie sich ein, stellen Sie Fragen, gestalten Sie: Machen Sie es wie Aenne Burda, und fordern Sie immer das beste Ergebnis – das gilt natürlich auf für einen Fotografen! Seien Sie nicht so schnell mit einem Ergebnis zufrieden wie er. Lassen Sie sich im besten Licht zeigen. Und haben Sie keine Angst vor Veränderungen, die für eine Fernsehaufnahme oder ein Foto nötig sind. Vor der Kamera ist es wie im Leben: Niemand will sich verändern, aber alle wollen schöner sein.
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1. Sagen Sie zu Beginn, dass Sie gerne im Anschluss den Take oder das Foto sehen möchten. Das Team druckst dann etwas herum, weil es meist keinen Vorschaumonitor dabei hat. Aber Sie können sich auf alle Fälle die Sequenz im Display der Kamera angucken. Das gilt auch für meisten digitalen Fotokameras heutzutage. Schon allein dieser Wunsch, erhöht die Aufmerksamkeit des Teams oder des Fotografen, und er wird Sie gut in Szene setzen. 2. Fragen Sie nach der Größe der Bildeinstellung. Sieht man nur den Kopf oder den halben Körper? Sonst machen Sie sich vorher Gedanken darum, wie das Jackett sitzt und hinterher ist es gar nicht zu sehen. Oder umgekehrt denken Sie, das Bild wird nur kopfgroß, und dabei ist viel mehr zu sehen. Ihr Abstand zur Kamera, lässt nur ungenaue Schlussfolgerungen darüber zu. Und der Zoom einer großen EBKamera kann sehr eindrucksvoll sein! 3. Achten Sie auf Tiefe. Lassen Sie sich nicht direkt vor eine Wand stellen. Das gräbt stark an Ihrer Kompetenz. Bilder mit Tiefe verstärken ihre Autorität und sind auch viel ästhetischer. Ein Bücherregal oder ein großes Bild an der Wand gelten bei Fernsehleuten als irritierende Unordnung im bildästhetischen Sinne. Denn sie schränken die Möglichkeiten ein, die Illusion von Tiefe zu erzeugen. Für einen gefilmten Hintergrund gilt: Entweder du erkennst alles oder nichts. Aber jedes Team ist angehalten, atmosphärisch aussagekräftige Bilder von der Location zu drehen und nicht nur Köpfe zu zeigen. Sie sind hin- und hergerissen zwischen dem Auftrag und Ihnen. Überlegen Sie laut, wo Sie sich wohl am besten positionieren könnten. Dann überlegt das Team mit. Das gleiche gilt im Prinzip für den Fotografen, nur dass ein Foto vor einer Bücherwand kein Problem ist, weil er im Gegensatz zum Fernsehkameramann nicht so ein Problem mit der Tiefenschärfe des Hintergrundes hat. Den kann er bequem im Unschärfebereich lassen, bewegte Bilder sind da doch noch ein bisschen anders. 4. Dieser Punkt gilt insbesondere fürs Fernsehen: Achten Sie darauf, dass Sie auf Augenhöhe zum Kameraobjektiv stehen. Gerade Frauen werden gern von oben gefilmt. Im Bild müssen Sie dann nach oben
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Tricks vor der Kamera
schauen, was immer leicht devot aussieht. Dahinter steckt keine böse Absicht, sondern Bequemlichkeit. Der Kameramann ist in den meisten Fällen größer als Sie. Um weitere Fallstricke zu vermeiden, können Sie sich vorbereiten. Dabei helfen Ihnen die folgenden zehn Punkte weiter. 1. Vor der Handlungs- in die Beweisebene Vor der Fernsehkamera wechseln Sie automatisch von der Handlungsin die Beweisebene: Sie sprechen und beobachten sich gleichzeitig dabei. Sie wollen es besonders gut machen und hübsch dabei aussehen und schauen innerlich ständig nach, ob es auch so ist. Es braucht einfach Übung, vor der Kamera wieder in die reine Handlungsebene zu kommen. Welche Entlastung, das zu wissen! 2. Unterscheiden Sie eine EB von Studioaufnahmen EB ist die Abkürzung für elektronische Berichterstattung und meint alles das, was nicht im Studio stattfindet. Also alle Aufnahmen, bei denen die Licht- und Positionsbedingungen nicht vollkommen steuerbar sind, zum Beispiel in Ihrem Büro. Im Büro etwa gibt es Tageslicht. Und die Raumgröße zwingt meist zu Kompromissen in den Bildeinstellungen. Tageslicht ist immer härter und kälter, als das weiche Licht des Studios, das der Haut schmeichelt. Weiße Wände und beigebraune Möbel tun ein Übriges, um die Stimmung kühler wirken zu lassen. Und: Für Studioauftritte gibt es eine Maske, für EB nicht. Deshalb: Schminken Sie sich selbst, wenn zum Team keine Maske gehört. Fernsehen ohne Make-up ist wie Waschen ohne Waschpulver. Und ein TV-Make-up für einen EB-Take unterscheidet sich nicht mehr grundlegend von einem normalen Tages-Make-up. Die heutigen Kameraobjektive sind sehr lichtstark und brauchen keine spezielle Ausleuchtung mehr. Aber gänzlich ungeschminkt verlieren Sie an Präsenz. Die Anleitung zum Profi-Make-up finden Sie in Kapitel 7. 3. Haarvolumen potenziert sich vor der Fernseh- und Fotokamera Vor der Kamera wird aus viel Haar ganz viel Haar. Aus einem längeren Pony wird der Pony eines Bobtails. Sollte der Fernsehauftritt Sie kalt
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erwischen – und das ist die Regel – frisieren Sie sich das Gesicht frei. Auch beim Fotografen gilt: Ein zugehängtes Gesicht gibt Abzug in der der Kompetenznote. 4. Lässig ist vor der Kamera nachlässig Lässigkeit vor der Kamera muss gut inszeniert sein. Aus dem augenscheinlichen 3D-Eindruck wird ein abgeflachter 2D-Bildschirmeindruck, aus Tiefen werden Linien. Diese Linien müssen kontrolliert unaufgeräumt wirken, damit sie wirklich lässig rüberkommen. Einen Touch geordneter als Sie es im wirklichen Leben sind, wirkt vor allen Kameras dieser Welt lässig. Weniger Ordnung ist nachlässig. 5. Eine gute Passform steht für Kompetenz Sie sollten immer auf eine gute Passform achten, aber vor der Kamera ist das doppelt wichtig. Das Fernsehen ist ein Vergrößerungsglas in Sachen Passform. Unscheinbare Zugfalten werden als große Quetschfalten wahrgenommen. Aus einer leicht überhängenden Jackettschulter werden depressive Hängeschultern. Aus zu langen Ärmeln werden Schlafanzugärmel. Verdoppeln Sie Ihren inneren Maßstab: ein Zentimeter wirkt im Fernsehen wie zwei Zentimeter. 6. Fernsehen macht nicht dick Es macht nicht dick, aber es macht flächig. Und das ist für viele Frauen im Ergebnis das Gleiche. Die dritte Ebene, die Tiefe, fehlt auf dem Bildschirm, und das wird besonders deutlich, wenn Sie stark gesättigte Farben tragen (die sollten Sie im Business ja sowieso vermeiden). Sie schaffen entweder keine oder aber harte Schatten. Beides wirkt flächig. 7. Garngefärbte Stoffe werfen edle Schatten Bei garngefärbten Stoffen, auch gute Tuche genannt, entsteht ein hochwertiger Farbeindruck, weil sie die Minikontraste liefern, die das Kameraauge so liebt. Sie sorgen für edle Schatten in den Bewegungsfalten und schaffen dadurch einen plastischen Eindruck.
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Tricks vor der Kamera
8. Grau ist immer farbtontreu Je grauer die Farbe, desto farbtontreuer die Wiedergabe. Zur Verarbeitung von Grau braucht es nur Helligkeits- und keine Farbsignale. Deswegen ist unbuntes Grau über die Kamera betrachtet genau so wie über das menschliche Auge gesehen. 9. Streifen und Kleinkariertes verursachen Cross-Colour-Störungen Das ist ein PAL-Problem. Mit HDTV ist es verschwunden. Fernsehleute erklären es so: Bei parallelen Linien in einem bestimmten Abstand zur Kamera „spuckt“ die Farbe in die Helligkeit und umgekehrt. Anders gesagt: Die Kamera weiß nicht, welches Signal sie verarbeiten soll. Verändert man den Abstand zur Kamera, hören die Störungen auf. Das ist bei Ihnen im Büro möglich, in standardisierten, unbemannten Studios nicht. Da sind die Abstände zur Kamera vorgegeben. Egal, ob Sie vor Ihren Kollegen, dem Geschäftkunden oder vor der Kamera stehen: Es lohnt sich immer, vorbereitet zu sein. Outfit, Frisur und Make-up im Griff zu haben und sich mit den Gegebenheiten der Umgebung vertraut zu machen. Und wenn Sie es nicht machen, wer sollte es dann tun?
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Auch Kleider sollten nicht zu eloquent sein. Das wichtigste ist die Persönlichkeit der Frau, welche sie trägt. Die Kleider sollten ihren Charme unterstreichen.
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Die 50er
Die 50er: Frühe feminine Autorität – Chanel-Kostüm und Modeschmuck Nach den kargen und entbehrungsreichen Kriegsjahren sind die 50er Jahre geprägt von wiederkehrender Lebensfreude und Lebensqualität. Es ist das letzte bedeutsame Jahrzehnt der Haute Couture. Als ahne sie es, putzt sie die Frauen noch einmal heraus. Die Stofffülle ist verschwenderischer denn je und lässt die Damen aussehen wie bunte Vögelchen in einem goldenen Käfig. Weiche Linien und prächtige Farben lösen die grauwollene Tristesse des Krieges ab. Textilien sind nicht mehr rationiert und Mode, man kann es sich gut vorstellen, macht den Frauen wieder Spaß. Endlich können sie sich wieder um sich selbst kümmern, sich schick anziehen und sich damit etwas Gutes tun. Nachdem sie während des Krieges und auch danach hart mit anpacken mussten, wollen sie nun nicht mehr länger ihren Mann stehen – sie möchten schön sein. Die meisten Frauen träumen in dieser Zeit nicht von einer Karriere, sondern von Traualtar, Familie und Eigenheim. Christian Dior denkt deshalb am wenigsten ans Büro, wenn er Kostüme kreiert, sondern an die Ladies who lunch. Wandlungsfähige Ensembles aus Kostümjacke und passendem Etuikleid sind ein Muss. Ein Etuikleid ist ein tailliertes, ärmelloses Kleid ohne Dekolleté. Es bedient einerseits den strengen Moralkodex, hilft aber andererseits durch seinen figurbetonten Schnitt bei der Partnersuche. Männer sind rar nach dem Krieg. Und da es den beruflichen Aufstieg für Frauen so gut wie gar nicht gibt, hoffen viele Frauen darauf, dass ihnen eine Heirat den sozialen Aufstieg bringt. So sind sie stets vorbereitet und bereit zu einem Schaulaufen nach dem altbekannten Motto: Wer ist die Schönste im ganzen Land? Anne Fogartys Buch „Wife Dressing“ von 1959 empfiehlt den Frauen schließlich, immer und überall einen Hüftgürtel zu tragen. Die amerikanische Modeschöpferin meint es ernst, weshalb sie auch keine Vorschläge, sondern Vorschriften macht. Ob beim Staubsaugen oder auf einer Party: Der Hüftgürtel garantiert eine gute Haltung, körper-
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lich wie moralisch. Ob er bequem ist oder nicht, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dem vorgegebenen Modebild zu entsprechen. In Deutschland nimmt sich Erica Pappritz mit ihrem Buch „Der Gute Ton“ der Bestimmungen zu Stil und gutem Benehmen an. Erica Pappritz ist in der Adenauer-Ära die stellvertretende Protokollchefin des Auswärtigen Amtes. Nach ihrem starren Modekanon kleidet sich eine ganze Generation, die so genannte Pappritz-Generation. Von den Menschen der Zeit wird man fünfzig Jahre später sagen, sie seien zwar vom Weltkrieg traumatisiert, aber augenscheinlich immer gut angezogen und stets sehr höflich gewesen. Dann werden die ersten Frauenzeitschriften geboren. Und die wichtigste Vorreiterin ist Aenne Burda. Aenne Burda wird 1949 Verlegerin wider Willen. Ihre Ehe mit dem Buchdrucker Franz Burda ist nicht glücklich. Sie ist belastet durch dessen zahlreiche Affären. Eine ernstere hat er mit seiner Sekretärin Elfriede Breuer, der er den defizitären Elfi-Moden-Verlag finanziert. Aenne Burda lässt sich nicht scheiden, sondern kauft der Geliebten mit erzwungener Unterstützung ihres Mannes den Verlag ab. Ab Januar 1950 nennt sie den Verlag Burda Moden. Ab 1952 fügt sie jedem Mode-Heft Schnittmusterbögen bei. Eine gute Idee, denn die Konfektion ist noch oftmals teurer als das Selbstschneidern zu Hause. 1961 war Burda Moden mit einer Auflage von 1,2 Millionen die weltgrößte Modezeitschrift. Diese Zeitschriften geben den Ton an in einer Art, die heute nur noch schwer vorstellbar ist. Sie sagen den Damen, wie sie sich am besten und anständig präsentieren und gleichzeitig den langsam wiederkehrenden Wohlstand hemmungslos zeigen können. Dabei betont die neue Mode ganz bewusst die Klassenunterschiede: Wer reich ist, sieht auch so aus. Der sichtbare Luxus einiger weniger spornt die anderen an. Die Mittelschicht entsteht. Die Frauen tragen Twinsets, Perlenketten, Hüte und Kopftuch und sitzen mit Sonnenbrille im Cabrio. Auch Accessoires wie Taschen und Gürtel gehören dazu und Augen-Make-up, das unbedingt die gleiche Farbe haben muss. Ein Dekolleté darf nur am Abend gezeigt werden, dann aber richtig. Und am besten mit einem patentierten BH, der den aus alten Filmen bekann-
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Die 50er
ten mörderisch-spitzen Atombusen formte. Auch Brokatstoff darf erst ab 18 Uhr getragen werden, dann aber ausladend und am liebsten nur unter seinesgleichen. Nylon- und Perlonstrümpfe sind immer noch die Luxusartikel schlechthin. Die Polyamidherstellung ist ein bahnbrechendes technisches Ereignis, das den hauchzarten Traum und zugleich unglaublich viele Arbeitsplätze ermöglicht. Die wenigen Feministinnen, die es gibt, bezeichnen den Weiblichkeitskult als das, was er ist – Weibchenkult. Alte Konventionen in neuen Korsetts. Coco Chanel ist entsetzt über den Erfolg von Diors Wespentaillenmode. Der so genannte New Look sei nicht neu, sondern rückwärtsgerichtet, sagt sie. Diese Taille sehe nämlich nur mit Korsett gut aus und mache die Frauen völlig unbeweglich. Die versteiften Röcke und Jacken erlauben nur klitzekleine Trippelschritte. Das Innenleben der Dior-Modelle hatte eingearbeitete Korsagen aus Fischbeinstäbchen, die zu einer geraden Haltung zwangen, und BHPolster, die Üppigkeit vortäuschten. Rückblickend sagen Modehistoriker, dass der New Look ein typischer Fall eines nicht zu verhindernden Erfolgs war. Wäre es nicht Dior gewesen, hätte ein anderer den Look kreiert. Die Sehnsucht nach dem extrem weiblichen Formen liegt in der Luft in dieser Zeit. Dior war eben der erste, der aus dieser Sehnsucht Kleider gemacht hat. Während Coco Chanel denkt, sie hat diese Geister bereits in den 20ern für immer erfolgreich vertrieben, regiert jetzt wieder das Männerbild die Frauenmode. Für Coco Chanel aber liegt die wahre Macht der Frau in ihrer Beweglichkeit. Kleider, die das nur eingeschränkt zulassen, zwingen die Frauen dazu, ständig ihre Garderobe zu kontrollieren und halten sie davon ab, sich auf den Rest der Welt zu konzentrieren. Deshalb kreiert Coco Chanel 1954 den Gegenentwurf zu Diors Frauenmode, den bis heute jeder als Chanel-Kostüm kennt. Sie ist damals bereits 71 Jahre alt und kehrt eigens zu diesem Zweck aus ihrem Exil aus Lausanne nach Paris zurück. Dort eröffnet sie in der gleichen Straße wie damals, der Rue Cambon No. 31, wieder ihren Salon. Für das Kostüm verwendet sie Tweed, wie sie es schon so oft getan hatte, eigentlich ein Stoff für Männerkleidung. Für die kasten-
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förmige, bortengefasste Jacke, verzichtet sie auf das klassische Männerrevers und veredelt den derben Stoff stattdessen mit Goldknöpfen. Das Geheimnis der Jacke: Weil sie nur bis zur Hüfte geht, steht sie Frauen mit den unterschiedlichsten Figuren und Körpermaßen. Zum Kostüm gehören bis heute die typischen Chanel-Accessoires wie die Tasche mit Schulterkette, die bunte Glassteinbrosche und die Slingpumps mit Kontrastkappe. Sie verlängern das Bein optisch. Modeschmuck ist für Chanel das Statement gegen die alten, reichen Schachteln, denen auch echter Schmuck nicht zu mehr echter Schönheit verhilft. Coco Chanel ist auch nicht für Klassenunterschiede. Sie will den Luxus demokratisieren, indem sie ihn für alle erschwinglich macht – durch Modeschmuck. Chanel ist nicht die Erfinderin des Modeschmucks, aber sie gibt ihm eine Seele. Nach dem Motto: Modeschmuck muss nicht täuschend echt wirken, er muss authentisch sein. Das europäische Presse-Echo auf den Chanel-Look ist vernichtend. Ihr Kostüm sei ein Fiasko, nur die melancholische Retrospektive einer verbitterten Frau. In Wahrheit aber liegt in dem, was viele für Vergangenheit halten, die Zukunft. Die Amerikaner wussten das schon damals. Obwohl Amerika bis heute nicht durch großartige Modebeiträge auffällt, jubelt es ihr zu, und schon bald tragen Filmstars wie Präsidentengattin Jackie Kennedy dieses wunderbare – und wunderbar bequeme – Kostüm. Und weil Erfolg immer für sich spricht, schwappt dieser schon bald aus den USA nach Europa zurück. Den Weg über den Atlantik müssen im Übrigen bis heute alle Modeschöpfer auf sich nehmen: Einmal Amerika und zurück, steht bis heute für internationalen Erfolg. Mit ihrer Kostümjacke hat sich Chanel vom männlichen Jackettschnitt gelöst. Sie hat eher eine geschlechtsneutrale Jacke geschaffen, in der sie derben Tweedstoff mit weiblichem Glamour vereinte – es ist der größte feministische Beitrag zur Businessmode überhaupt. Ein strategischer Gegensatz, der genau fünfzig Jahre später wieder den Zeitgeist bestimmen sollte. Christian Dior stirbt 1957 während einer Schlankheitskur in Italien an plötzlichem Herversagen. Seine Taille war alles andere als schmal.
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4. Die ewig gültigen BusinessAttribute Am Anfang einer Idee steht immer das Material. Stoffe haben zu allen Zeiten vorgegeben, was überhaupt möglich ist. Sie schränken den Designer ein, aber sie inspirieren ihn auch. Wenn er die Farbe eines Stoffes sieht und fühlt, wie er beschaffen ist, entstehen Bilder in seinem Kopf. Er sieht, in welchen Linien ein Material am Körper einer Frau besonders gut wirkt, er kann sich schon vorstellen wie Schatten- und Faltenwurf aussehen werden. Und er weiß ziemlich genau, wie sich die Frau darin fühlen wird. Wenn Sie ein Kleidungsstück aus gutem Material gefunden haben, sollten Sie als Nächstes auf eine gute Passform achten. Woran Sie die erkennen, werde ich Ihnen in diesem Kapitel erklären. Außerdem werde ich auf ein ganz großes Mode-No-No dieser Tage eingehen, die Kindchenoder Girly-Mode, und Ihnen schließlich verraten, wie Sie ein echtes Kompliment von einem unechten unterscheiden können.
Materialien mit tragenden Fähigkeiten Gute Materialien sind für den Erfolg absolut entscheidend. Niemand trägt, was nicht gut zu tragen ist, geschweige denn, was sich unangenehm anfühlt auf der Haut. Die heutigen Käuferinnen sind anspruchsvoller denn je und nehmen keinerlei Einbußen im Tragekomfort hin – außer bei Schuhen. Aber das Geheimnis, warum sie sich immer wieder mit den unbequemsten Trittchen abmühen, wird wohl nie gelüftet werden. Doch Tragekomfort allein reicht nicht aus. Neben einem Wohlgefühl müssen die Stoffe auch klimaaktiv und reisetauglich sein. Keine Frau will nach einem Achtstundenflug übel riechen und sich fühlen wie ausgewrungen. Und keine will im Hotel zu allererst das Reisebügeleisen auspacken – wobei der Erfolg dieser Dinger auch nicht wirklich durchschlagend ist. Die Raumfahrt steht nicht selten Pate für Stoffe, die auch auf dem Planeten Erde extremen Bedingungen und Belastungen standhalten können. Hitze, Kälte, und Dauerbeanspruchung treiben die Forschungslabore zu innovativen Höchstleistungen, von denen auch der Rest der Welt etwas
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abbekommt, wie etwa federleichte Jacken, die den Körper bis minus 60 Grad warm halten, Gewebe, die ebenso druck- wie zugfest sind und besonders bei Dessousherstellern nachgefragt werden. Lycra machte in den 60ern die figurnahe Hose möglich, aus Polyurethan schuf man in den 80ern Radlerhose und Leggings. Ein paar Innovationen schwappten, wenn auch unsichtbar, in die Businesswelt hinüber und sorgten für den inneren Luxus knitterfreier und klimatauglicher guter Zwirne. Weil Designer wissen, wie entscheidend die Qualität ihrer Stoffe zu ihrem Erfolg beiträgt, machen sie sich oftmals selbst daran, einen neuen Stoff zu entwickeln. Sie spezialisieren sich auf bestimmte Materialien, die ihre Schöpfungen einzigartig machen und treiben die Weiterentwicklung der Mode durch ihre persönliche Handschrift ehrgeizig voran. Fertig werden sie damit nie. Und manchmal geht es auch schief: Helmut Lang etwa entwickelte Fasern mit wärmeempfindlichen Mikrokapseln. Ein Unterschied in der Temperatur sollte durch eine andere Farbe anzeigt werden. Dies geschah dann auch dummerweise besonders ausgeprägt im Genital- und Achselbereich. Der Modedesigner Paco Rabanne trägt den Spitznamen Metallarbeiter, weil er stets mehr sägte und schliff als nähte. Giorgio Armani ist bekannt für seine unvergleichbar lässig fließenden Anzugstrickstoffe und Albert Kriemler von Akris widmet sich dem Thema Double-Face. Double-Face ist eine qualitativ hochwertige Stoffart, die aus zwei rechten Seiten besteht, die über die gesamte Fläche durch eine unsichtbare Naht miteinander verbunden sind. In den 20er Jahren gab es Double-Face-Mäntel und -Jacken, die eine Gabardine und eine Kamelhaarseite hatten. Auch in der Haute Couture kam dieses Prinzip zur Anwendung, allerdings war es vor fünfzig Jahren immer auch schwerfällig, weil dieser Stoff ein größeres Gewicht mit sich brachte. Doch das ist vorbei. Der Double-Face-Stoff ist der Haute Couture, die ja weltweit nur noch 2000 Kundinnen zählt, rechtzeitig entwachsen und hat vorausschauend die Branche gewechselt – in die Businessmode, in der erlesenes Material hervorragend verarbeitet wird. Die Jacken müssen perfekt verarbeitet sein, so als könnte man sie nach innen wie nach außen gewendet tragen, schließlich wollen Sie Ihr Jackett auch mal ausziehen. Das geht nicht ohne sachverständige Schneiderhandarbeit vonstatten, was die Jacken hoffentlich vor Raubkopierern schützen mag.
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Für Herrenanzüge werden von jeher gute Tuche verwendet. Gutes Tuch ist aus Zwirn. Und Zwirn entsteht, indem mindestens zwei Garne zusammengezwirbelt werden. Das erhöht die Reißfestigkeit, und man kann auch besondere optische Effekte damit erzielen. Sind Zwirne aus mehr als zwei Garnen, sind sie mehrstufig. Und erst dann tragen sie den Namen edler Zwirn zu Recht. Der Farbeindruck bei gutem Tuch entsteht durch die Garnfärbung, die sich von der Flächenfärbung unterscheidet. Bei der Garnfärbung entsteht der Farbeindruck entweder, weil verschiedenfarbige Garne zum Zwirn zusammengedreht werden oder, weil verschiedenfarbige Zwirne verwebt werden. Auch beides gleichzeitig ist möglich. Bei der Flächenfärbung wird der Stoff erst gewebt und anschließend in einem Stück gefärbt. Muster wie Fischgrat, Glencheck, Pfeffer & Salz und der Nadelstreifen sind nur durch Garnfärbung möglich. Ein Gütesiegel für gutes Tuch ist die Bezeichnung ab 100s aufwärts. Das „s“ steht für super, die Zahl 100 setzt sich zusammen aus Länge und Durchschnitt des Garns. In einem herkömmlichen Schurwollanzug stekken 110 Kilometer Garn, das 18 bis 20 Mikrometer fein ist. Das entspricht einem Millionstel eines Meters. Ein Anzugstoff, der die Bezeichnung englisches Tuch tragen darf, hat mindestens 140s, das Garn ist 158 Kilometer lang und 16 Mikrometer fein. Je höher die Zahl wird, desto feiner das Gewebe, aber desto höher wird leider auch der Abrieb. Wenn Sie einen 180s-Stoff gegen das Licht halten, können Sie schon fast durchgucken.
So sind Sie gut betucht Damit ein gutes Tuch an Ihrem Körper tun kann, wofür Sie es gekauft haben, nämlich Ihnen feminine Autorität verleihen, hier drei Regeln für die Auswahl: 1. Gutes Tuch berührt nie die Haut Diese alte Regel stammt aus einer Zeit, als die Anzugtuche noch kratzige Wollstoffe waren. Ein sichtbares Unterkleid schützte die Haut vor der rauen Wolle. Auch die Manschette ist ein Relikt aus dieser Zeit. Sie hielt das Unterkleid an den Armen zusammen, um die Haut zu schützen. Und weil man immer besser betont, was man nicht ver-
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stecken kann, wurde aus der funktionalen Manschette ein Schmuckstück. Heute fühlen sich gute Tuche sehr angenehm an, und die alte Regel sollte sich eigentlich in Luft aufgelöst haben. Hat sie aber nicht, denn der Ärmelabschluss sorgt dafür, dass die Proportionen bestens zur Geltung kommen. Im Jackett ohne Ärmelabschluss, wirken Männer immer ein etwas verloren und wenig weltgewandt. Sie sehen aus, als wüssten sie nicht, wie ein Jackett zu tragen ist – und meist stimmt das ja auch. Für Frauen gilt das ebenso, wenn sie eine Bluse unterm Jackett tragen, die man am Ärmelabschluss nicht sieht. Tragen sie aber einen Body oder ein Shirt hat der Hautkontakt eine sehr erotische Aussage. Grober Männerstoff auf zarter Frauenhaut ist unendlich sexy, so wie grober Denim auch – Donna Karan hat das erkannt. Ihre Bodys wurden den Businessfrauen hauptsächlich als praktisch angepriesen. Das war zweifellos auch so, aber die erotische Wirkung beflügelte den Erfolg maßgeblich. Und es gibt noch einen ganz praktischen Grund, warum Sie die alte Tradition nicht aufgeben sollten: Wenn Sie etwas drunter ziehen, schützen Sie den Anzugstoff vor Schweißgeruch und Hautfett. Und das ist wieder ein Zeichen von Wertschätzung der guten Dinge auf dieser Welt. Wussten Sie, dass echte Traditionalisten Ihren Anzug nie chemisch reinigen lassen? Sie Pflegen ihn nach guter englischer Tradition mit air, brush and steam. Lüften, bürsten und mit ins Bad nehmen, wenn man duscht – das wirkt Wunder gegen Knitterlook und Falten! 2. Gutes Tuch muss fließen Nur an den Schultern. Im Brustbereich (da ist es ja auch verstärkt. Früher mit einer Rosshaareinlage, heute mit entsprechenden modernen Kunstfasern), an der Hüfte und am Gesäß darf gutes Tuch eng aufliegen. Ansonsten sollte es fließen können, denn nur dann können die Bewegungsfalten überhaupt an der richtigen Stelle sitzen. Eine richtig platzierte Bewegungsfalte wie zum Beispiel die beiden senkrechten Falten an der Rückseite eines Jacketts in Höhe der Schultern sind nicht nur wunderschön, sondern zeugen auch von Kompetenz in Kleidungskultur. Sie sagen damit: „Ich weiß, wie es aussehen muss.“ Absolut unerotisch und ärmlich wirken Stoffe, die an Oberarmen und Oberschenkeln spannen.
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3. Gutes Tuch sieht nie Asphalt Gute Tuche sind für Innenräume gemacht. Wenn Sie nach draußen gehen, ziehen Sie sich einen wetterfesten Mantel an. Sie tragen mit gutem Tuch Luxus am Leib, und der möchte etwas gehegt und gepflegt werden. Live-Reporter, die im Jackett auf der Straße stehen, sehen immer so aus, als hätten sie sich verlaufen. Einzige Ausnahme: Es ist ein schützendes Gebäude im Hintergrund zu sehen. Dann wirkt es, als sei man gerade kurz vor die Tür getreten. Wenn Sie nun alles Wichtige über gute Tuche wissen, so bleibt doch noch eins zu sagen: Für Männer ist es kein Problem, zu jeder Jahreszeit Anzüge aus gutem Tuch zu bekommen. Für Frauen schon. Besonders in den Frühjahr- und Sommer-Kollektionen wird es dünn auf den Kleiderständern in der Abteilung für feinere Anlässe und Businessmode. Da herrschen bei den meisten Herstellern chemisch aufgerüstete Baumwollqualitäten, Kord, leichter Samt und Leinen vor. Nur gehobene Anbieter haben auch im Sommer weiterhin Kleidungsstücke aus gutem Tuch vorrätig. Da sich das Angebot in der Marktwirtschaft nach der Nachfrage richtet, scheint es diese in der Damenabteilung bislang nicht zu geben. Führungsfrauen und Managerinnen, die nicht darauf warten wollen, bis sich ihnen genügend Mitstreiterinnen anschließen, gehen zur Maßkonfektion. Dort teilen sie sich die Businessstoffe mit den Männern und lassen sich anfertigen, was sie brauchen. Leider blieben die Schnitte lange Zeit hinter den Ansprüchen der Frauen zurück. Kein Sexappeal, keine Erotik. Es waren eben nur adaptierte Männerschnitte. Aber die Maßkonfektion holt auf. Sie entdeckt gerade die gut verdienende Businessfrau als Kundin.
Warum eine gute Passform so schwer zu finden ist Alle Menschen, die beruflich mit Mode zu tun haben, können es immer kaum glauben, dass es überall auf der Straße so viele Leute mit schlecht sitzender Kleidung zu bestaunen gibt. Designer, Verkäufer und Schneider fragen sich, warum sich diese Menschen mit einer mittelmäßigen Passform genügen. Ob Sie alle unter einem verschobenen Selbstbild leiden? Oder ob es daran liegt, dass eine gute Passform so schwer zu finden ist? Dass ihnen die vorhandene also oftmals genügen muss?
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Wenn ich mit Frauen aus dem Management, der Politik oder dem Fernsehen arbeite, fällt mir immer wieder auf, dass sie allesamt die Wirkung einer guten Passform unterschätzen. Sie denken, dass es hauptsächlich darum ginge, ob eine Farbe zu ihnen passt oder nicht. Aber da irren sie sich gewaltig. Die Farbe sagt etwas darüber aus, ob sie den Kontext, in dem sie sich bewegen, gut einschätzen können. Und wenn es sich um eine außergewöhnliche oder auffällige Farbe handelt, sagt sie etwas darüber, was sie persönlich schön finden. Eine gute Passform zeigt indes, wie gut sie sich selbst kennen. Ob sie wissen, dass sie etwas kürzere Arme haben und jedes Jackett gekürzt werden muss. Ob ihnen klar ist, dass Hosen bei ihnen in der Taille zu groß sind, wenn sie an der Hüfte passen sollen. Und ob sie ein Missverhältnis einfach akzeptieren und die Hose schlabbern lassen oder sich um eine wirklich optimale Erscheinung bemühen. „Nicht so wichtig“, sagen Sie. Falsch! Nicht so wichtig ist das nur, wenn Sie die olle Hose bei der Gartenarbeit tragen. Aber wenn im Job wichtige Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen müssen, also sich um hundertprozentige Präzision bemühen, sollten Sie nicht Gefahr laufen, im wichtigsten Moment – und im wahrsten Sinne des Wortes – die Hosen herunterlassen zu müssen und Nachlässigkeit bei Ihrer Kleidung offenbaren. Kurz gesagt: Nichts verleiht mehr Autorität als eine gute Passform. Und niemand wirkt weniger kompetent als jemand mit Schlotterärmeln und bollerigem Hosenboden. Gleiches gilt natürlich auch für Passformen, die offensichtlich zu klein sind. Wie gut sich eine Frau kennt, wird in einer Passform durchaus sichtbar. Aus dem guten Sitz Ihrer Garderobe folgert der Betrachter, dass Sie in der Lage sind, Verantwortung für sich zu übernehmen und dies auch für andere tun werden. Klar, es ist ärgerlich, ein teures Kleidungsstück zu kaufen und dann noch mal Geld hinzulegen, um es ändern zu lassen. Doch was im ersten Moment teurer wirkt, ist bei näherer Betrachtung immer noch günstiger als eine Maßanfertigung (mit den erwähnten Nachteilen) – oder als der ideelle Preis, den Sie auf alle Fälle zahlen, wenn das Kleidungsstück nicht sitzt.
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Nach dem Material kommt die Skizze … „Wenn aber die Passform so wichtig ist, warum sitzen dann viele Kleider nicht auf Anhieb?“ Da muss man zuerst fragen: „Wie funktioniert der Übertrag vom Stoff zum Schnitt?“ So, dass die Umsetzung nicht hinter den Erwartungen zurückbleibt und zum Schluss ein ungeliebter Kompromiss auf dem Bügel hängt, den der Designer nicht wieder erkennt und die Kundin nicht will. Mit der Stoffidee begibt sich der Designer an die Skizze. In dieser flüchtig wirkenden Strichzeichnung, visualisiert er seine Idee von einem bestimmten Material – nicht von einem Frauentyp. Figurinenskizzen bilden keinesfalls einen realen Frauenkörper ab – selbst Barbie ist dicker –, aber dafür sind sie auch nicht da. Es geht in diesem Schritt darum, die Längen und Linien eines Kleidungsstücks darzustellen und Proportionen festzulegen, um herauszufinden, wie diese wirken. Die Figurinenskizze mit einer Größe kleiner als Size Zero ist der neutrale Unter-
Akris gibt unter anderem den Ansprüchen und Bedürfnissen Resonanz, die aus der Realität des täglichen Lebens entstehen. Ohne auf den Luxus eines schönen Stoffes in nach wie vor artisanaler Couture-Verarbeitung zu verzichten.
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grund dafür. Lassen Sie sich nicht einschüchtern von unrealistischen Skizzen und Modellpuppen; hier geht es nur um die Idee des Outfits. Was aussieht, als sei es gedankenverloren während eines Telefonats hingekritzelt worden, ist das Herzstück einer Kollektion und das Ergebnis langwieriger, innerlich ausgefochtener Kämpfe. Es ist die eigene Vision, die dann später die Models zum Leben erwecken und die der Designer zwischendurch nicht aus den Augen verlieren darf, wenn er mit einer Handschrift in Verbindung gebracht werden will. Das ist ganz schön schwierig, denn jeder Designer weiß: Die Skizze in der Hand drei verschiedener Modelleure ergibt drei verschiedene Entwürfe. Und schauen wir uns einmal die Konfektionsherstellung genauer an, dann wird klar, warum das mit der Passform nicht immer so gut funktioniert. Die Herstellung von Konfektionsware ist die Herstellung von Kleidung auf Vorrat. Dabei existiert die Kleidung zuerst und dann der Kunde. Der Käufer muss also selbst maßnehmen. Umgekehrt ist es bei der Maßanfertigung. Da kann sich der Kunde in Sachen Passform auf den Schneider verlassen, und das tut mitunter gut, denn „Schneider“, so der irische Schriftsteller George Bernard Shaw, „sind die klügsten Menschen überhaupt, weil sie immer wieder aufs Neue Maß nehmen, anstatt sich auf die alten Angaben zu verlassen.“ Die deutsche Konfektionsgröße ist ein Durchschnittswert, der die Größen in Zentimetern angibt. (US-Größen werden in Zoll gemessen. Das kennen Sie von der Jeans.) Bislang gibt es noch keine europäische Norm, geschweige denn einen weltweiten Standard. Eine gemeinsame Einteilung ist zwar in Vorbereitung, das ist aber ein komplizierter und langwieriger, eben typisch europäischer Prozess. Die normalen Frauengrößen, von Größe 32 bis Größe 44, gehen davon aus, dass eine Frau zwischen 164 und 170 Zentimeter groß ist. Für kleinere Frauen gibt es die Kurzgrößen 17 bis 22, die im Kaufhaus aber nur theoretisch vorkommen. Ebenso verhält es sich mit den Langgrößen 68 bis 88. Warum das so ist? Das Angebot wird genau wie bei den Stoffqualitäten auch hier von der Nachfrage geregelt. Die Zahlangaben der hiesigen Größen ergeben sich, indem man den Brustumfang in Zentimetern halbiert und noch mal 6 Zentimeter abzieht. Diese normale Größenangabe mal 2 ergibt die schlanke Größe, die untersetzte Größe entsteht durch die Division durch 2. Innerhalb einer Reihe unterscheiden sich die Größen nur im Taillenumfang und entsprechend
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auch im Brust- und Hüftumfang. Dabei gibt es für das Maßnehmen strenge Regeln, die eine aufrechte Haltung und normale Atmung voraussetzt. Die Oberweite ist der maximale horizontale Umfang und wird gemessen, indem man das Maßband unter den Achseln und über der Brusterhebung anlegt. Der Taillen-, Bund-, Bauchumfang ist der Umfang der natürlichen Gürtellinie zwischen der Oberkante der Hüftknochen und den unteren Rippen. Der Hüft- und Gesäßumfang ist der horizontale Umfang des Gesäßes gemessen an der breitesten Stelle. Die Größe 38 zum Beispiel geht von einem Brustumfang zwischen 86 und 89 Zentimetern aus, einem Taillenumfang zwischen 70 und 73 und einem Hüftumfang zwischen 96 und 98 Zentimetern. In Drei-Zentimeter-Schritten geht es weiter zu Größe 40, 42, 44 … und abnehmend zu Größe 36 bis 32. Bei der Konfektionsware überträgt man den Mittelwert eines Unikats auf ganz viele Kleidungsstücke. Dass die Größen unterschiedlich ausfallen können, haben Sie ja bestimmt schon erlebt; es scheint da durchaus eine kreative Freiheit der Hersteller zu geben, deren Logik mir verborgen bleibt. Aber eines sollten Sie keinesfalls unterschätzen: Wir sind umgeben von unendlichen, großen Textilbergen in den unterschiedlichsten Qualitäten. Von Pret-à-Porter-Ware über gehobene Konfektion bis zur billigsten Raubkopie ist alles zu haben. Wer heute im unteren bis mittleren Preissegment überleben will, hält sich mit Details in der Passform nicht auf. Eine gute Passform ist das Ergebnis von Detailversessenheit. Wie man eine Klaviersonate in verschiedenen Perfektionsgraden spielen kann, lässt sich auch in der Mode derselbe Entwurf unterschiedlich umsetzen.
Angebot und Nachfrage Im Grunde ist es ja schon verwunderlich, dass es überhaupt so gut funktioniert mit der Passform. Ja, das tut es, jedenfalls bis Größe 42. Ab Größe 42 ist bei vielen Anbietern Schluss. Das ist sehr frustrierend. Viele Frauen fühlen sich zu recht ausgegrenzt und als Kundinnen nicht wahrgenommen. Aber für den Anbieter sieht die Sache umgekehrt aus: Eine gute Passform in Größe 44 zu gewährleisten heißt, die Vorschrift des Konfektionsmaßes zu verlassen. Eine 44 ist eine eigene Linienführung und nicht einfach nur eine große 36. Das bedeutet für den Anbieter, dass er eine neue Kollektion auflegen muss, wenn er seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden will. „Aber dafür ist die Nachfrage nicht groß genug“, sa-
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gen die Hersteller. Hochwertige Anbieter liefern die Größe durchaus auf Bestellung, aber sie halten sie nicht vorrätig. Im mittleren Preissegment finden sich auch die größeren Größen. Aber sie wurden oftmals nicht in der Linienführung verändert, so dass sie nur mäßig sitzen. Max Mara hat mit Marina Rinaldi eine hochwertige Linie ab Größe 42 bis Größe 52 etabliert. Es gibt nur in einigen wenigen Städten in Deutschland eigene Stores und lediglich ein paar spezialisierte Boutiquen führen diese Edellinie im Gesamtprogramm. Es gibt sie also, die hochwertigen Anbieter, aber sie sind nicht flächendeckend verbreitet und das hat seinen Grund: Modehersteller bieten an, was nachgefragt wird. Sie machen die Bedürfnisse nicht, sie bedienen sie nur.
Ihr Weg zum passenden Outfit Hier habe ich noch einmal die Gedanken zusammengefasst, die Sie sich auf dem Weg in die Umkleidekabine machen sollten, damit Sie mit etwas Passendem wieder herauskommen: 1. Passform toppt Farbe Oder andersherum: Eine schöne Farbe verdeckt nicht eine schlechte Passform. Nicht die schönste Farbe der Welt sollte Sie zum Kauf anregen, wenn etwas nicht super passt. Sie spüren schon richtig, was Sie sehen. Hoffen Sie nicht darauf, dass andere es übersehen – das Gegenteil wird der Fall sein. Halten Sie es wie die amerikanische Schauspielerin Mae West. Sie sagte 1932, bei den Dreharbeiten zu Sie tat ihm unrecht, zu ihrer Kostümbildnerin: „Meine Kleider müssen locker genug sitzen, um zu beweisen, dass ich eine Dame bin und eng genug, um zu zeigen, dass ich eine Frau bin.“ Schatten und Falten an den richtigen Stellen zeigen Ihnen, wo es lang geht. 2. Bei Konfektionsware sind Sie Ihre eigene Beraterin Ihr kritischer Blick ist hier genauso ausschlaggebend wie eine realistische Selbsteinschätzung. Häufig vertrauen Frauen zu sehr auf das Image eines namhaften Herstellers und die alleinige Kenntnis ihrer Kleidergröße. Das berühmte Label gibt dann die Sicherheit, die einem selbst fehlt. Größe 38 von der Marke XY? Das muss doch gut sein. Muss es wirklich?
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3. Labels haben eigene Linien Wenn Ihnen das Gefühl für die Passform fehlt, erkennen Sie auch nicht die verschiedenen Linien, die der Hersteller führt. Ein Label schneidert schmaler als ein anderes, und die Jacketts sind auch kürzer – was gut für Sie ist oder auch nicht. Das ist die kreative Designerfreiheit! Und da hilft nur eines: Üben. Ab mit Ihnen in die Umkleidekabine. 4. Beratung ist Verkauf Verkäufer verdienen so gut wie nichts. Sie stehen am Ende einer Milliardenkette und unterliegen einer stark umsatzgesteuerten Leistungskontrolle. Wie würden Sie sich verhalten? Wahrscheinlich genau so: „Sie tragen die Jacke doch sowieso offen!“ Ja, klar und die Hose auch, oder wie? Hier wird Ihnen gerade vorgeschlagen, ein Jackett lieber sportlich zu tragen. Damit wird allerdings nur eins gemacht: Eine schlechte Passform legitimiert. Shoppen Sie mal in einem guten Kaufhaus in Amerika. Da erfahren Sie, wie die Beratung einer gut bezahlten Verkäuferin aussehen kann. 5. Nicht vom Preis verführen lassen Davon war ja im Kapitel 2 schon die Rede, wenn die Klage kommt, es sei alles so teuer. Reduzierter Preis ist in Frauenohren das, was in Männerohren „von der Steuer absetzbar“ ist. Man denkt, hofft und glaubt mehr für sein Geld zu bekommen. Das ist ganz legitim. Die Menschheit hat sich prima entwickelt, weil sie stets darauf geachtet hat, dass der Nutzen dem Aufwand entspricht oder sogar darüber liegt. Aber etwas haben zu wollen, nur weil es in Ihren finanziellen Möglichkeiten angekommen ist, verführt nach meiner Erfahrung zu schlechten Kompromissen. Eigentlich mögen Sie 7/8 Ärmel nicht, aber Outfits von dem Anbieter kosten normalerweise das Doppelte? Eigentlich spannt die Hose ein wenig, aber Sie wollten schon immer mal was vom Label XY haben? Einen schlechten Kompromiss werden Sie – jede Wette! – nicht oft und lange tragen. Überlegen Sie einmal, von wie vielen Kleidungsstücken Sie den genauen Preis noch wissen? Sie haben ihn längst vergessen. Aber die Wirkung der Kleidungsstücke im Outfit werden Sie nicht vergessen. Trauen Sie sich zu verzichten, wenn allein der Preis Sie (ver)führt.
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6. Oben eine andere Größe als unten Die Hersteller gehen immer mehr darauf ein und bieten Jacketts und Hosen beziehungsweise Röcke getrennt voneinander an. Außerdem werden Jacketts meist in zwei Längen angeboten. Nur allzu oft tauschten Kunden in der Umkleidekabine heimlich ein Teil gegen ein anderes aus, und der Händler blieb auf einem Ensemble sitzen, das nicht zusammenpassen wollte. Das Problem ist erkannt und im eigenen Interesse sind die Hersteller heute bemüht, die Kollektion so flexibel wie möglich zu gestalten. 7. Konfektion passt wirklich nicht Auch das gibt es. Es ist selten, aber es kommt vor. Zu wenig Busen, eine überlange Taille, kurze Beine. Das ist in der Konfektion nicht vorgesehen, aber die Maßkonfektion hält bereit, was Sie brauchen. Eine Maßkonfektion orientiert sich an der Konfektion, berücksichtigt aber bei der Fertigung gewisse Abweichungen. Sie sind dort gut aufgehoben, wenn die Konfektionslabels aller Preiskategorien bei Ihnen an der gleichen Stelle tatsächlich eine unzulängliche Passform aufweisen.
Stilverhinderer Kindchenmode „Kinderkleidung muss vor allem eins sein“, sagen alle erprobten Eltern, „praktisch.“ Zwar lieben es Mütter und auch Väter aller Generationen ihre Kleinen auszustaffieren – der Stolz auf den Nachwuchs muss sich ja schließlich irgendwo Bahn brechen –, aber die praktische Seite gewinnt im Alltag immer wieder. Und so kommt es, dass die praktischsten Details aus der Kinderabteilung stammen. Heute gleichen sich Kinder- und Erwachsenenkleider fast wieder so wie vor hundert Jahren. Allein die Motivation ist eine vollkommen andere: Vor hundert Jahren behandelte man die Kleinen wie Erwachsene. Sie trugen fast den gleichen Matrosenanzug wie richtige Matrosen, nur eben eine Miniversion. Heute ist es umgekehrt: Erwachsene bedienen sich bei der Kindermode. Der Jugendwahn kippt ins infantile. Im Büro mag es noch nicht die Regel sein, aber niedliche Heidi-Zöpfchen oder Rattenschwänze à la Pippi Langstrumpf, die schon aus meterweiter Entfernung die Jugend erwachsener Frauen bezeugen sollen, sind im Straßenbild immer häufiger
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zu sehen. Und immer öfter treiben Kleinmädchenaccessoires wie Rüschchen, Bändchen, Schleifchen auch ihr Unwesen auf Stoffen, die aus so genannten Businessabteilungen stammen. Soziologen versuchen bereits, einen Zusammenhang zwischen der sinkenden Geburtenrate und einer wachsenden Beliebtheit infantiler Accessoires auszumachen. Besonders in Japan, dem Land mit der weltweit niedrigsten Geburtenrate, werden die größten Umsätze mit Teddybären und kindlicher Mode für erwachsene Frauen gemacht. Inzwischen wird trotzdem fast widerspruchslos hingenommen, was sich in vielen Büroetagen wie ein Flächenbrand verbreitet: Reißverschluss, Kapuze und Gekrempeltes. Dabei brauchen Sie im Büro nicht, was die Designer Cross Dressing nennen und womit Mütter ihre Kinder vorm Alltagsdreck schützen. Reißverschlüsse etwa, die gut verstauen, und nicht unabsichtlich aufspringen können wie Knöpfe. Kapuzen, die angenäht sind, damit sie nicht verlorengehen. Gekrempeltes, das Sie beim nächsten Sturz des Betriebsklimas auf unter null oder bei plötzlichen Wachstumsschüben ausrollen könnten. Diese Reminiszenz an die Kindheit bringt keinerlei Prestige, nur unerwünschte Assoziationen mit sich. Ganz ehrlich: Sich mit vierzig als kleines Mädchen zu verkleiden, wirkt – auf eine andere Art, aber genauso heikel – genauso, wie wenn ein kleines Mädchen sich zu sexy anzieht. Sie wissen, was ich meine? Und: Wie Sie eine Kapuze auch drehen und wenden: Prestige ist damit heute allenfalls unter Hip-Hoppern zu gewinnen. Streichen Sie sie ersatzlos von der Liste. Auch den Reißverschluss sollten Sie vergessen und lieber schöne Knöpfe tragen. Der Reißverschluss hat sich im ersten Weltkrieg auf amerikanischen Fliegeruniformen bewährt. Später dann in den 30er Jahren spielte Elsa Schiaparelli mit dem Reißverschluss als Symbol der schnellen Verführung. Hier sind die Assoziationen zwar eindeutig, aber einen Zugewinn an Prestige können Sie damit nicht verzeichnen, zumindest nicht in der Businessliga. Und schließlich und letztendlich die Krempelmode: Sie ist geprägt durch das Outfit von Westernhelden und Holzfällern. „Immerhin etwas Heldenhaftes“, sagen Sie. Ja, aber es erinnert doch an ein ziemlich verstaubtes Heldentum. Und wenn Sie den Krempel-Look nicht ganz konsequent inszenieren, zerhaut er Ihnen den Auftritt, weil er Ihre Proportionen verfälscht. Freuen Sie sich lieber an Ihren lang gestreckten Beinen in einer formschönen Hose.
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Der verspielte Jugendwahn ist im Business nur ein Stilverhinderer. Hier geht es nicht um Praktisches, sondern um Ansehen. Das gilt in geschlossenen Räumen noch mehr als draußen. Ein Mantel mit Kapuze ist in Ordnung, besonders, wenn sie an einen fließenden Schaal erinnert. Aber ein Jackett mit Kapuze wirkt lächerlich und trotzig. Da ist zuviel des Praktischen, zumal sich Ihr Alltag vermutlich vor allem in Innenräumen abspielt. Da krabbelt Ihnen kein Käferchen unter das Bündchen, es regnet nicht in die Schühchen wie auf dem Spielplatz und Sie brauchen sich nicht mit Fäustlingen vor Kälte zu schützen, die am Bändchen hängen. Ihre Abenteuer erleben Sie im Job eher auf einer Metaebene und nicht auf der Rutsche. Ein kindlich sorgloses Spiel mit Ihrem Outfit zeigt nur, dass Sie in einer Dauerpirouette um sich selbst kreisen. Und Sie dokumentieren amateurhaft, dass Sie sich öffentlich zeigen, wie es Ihnen gerade passt. Dies kann sich mit den Gezeiten oder dem Börsenkurs verändern, wer weiß das schon. Etwas mehr Beständigkeit sollten Sie im Business schon an den Tag legen. Sie zahlt sich bereits schon mittelfristig aus. Möglicherweise springt manches Firmenoberhaupt auf Ihren privaten Geschmack an, aber dann machen Sie eine andere Karriere. Wenn Sie eine Jobkarriere machen wollen, sind Sie gut beraten, sich so erwachsen und so wenig privat wie möglich zu zeigen. Selbst wenn Sie sich noch jung fühlen, die Mädchenzeit haben Sie hinter sich. Schade, wenn Sie in Ihrer Kinder- und Teenagerzeit nicht das getan haben, wofür diese Jahre vorgesehen waren. Nachholen können Sie das höchstens zu Hause, nicht im Büro. Und seien Sie gewiss: Mit kindlich-kindischen Details hat sich noch niemand verjüngt. Also halten Sie sich an eine erwachsene Mode, auch wenn Sie die Vorbilder dafür in der Werbung, den Schaufensterauslagen und auch im Fernsehen zunehmend vermissen.
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Echtes Kompliment oder verdeckte Kritik?
Echtes Kompliment oder verdeckte Kritik? Von dem französischen Schriftsteller Bernard le Bovier de Fontenelle (1657–1757) wird folgende nette Anekdote überliefert: Bei einem Empfang hat der nicht mehr ganz so junge Fontenelle, er war 97 Jahre alt, einer wunderschönen Dame auf galanteste Art Komplimente gemacht, um sich danach wieder anderen Gästen zu widmen. Später geht er, ohne sie anzuschauen, an der jungen Frau vorbei und zu Tisch. „Was soll ich von Ihren Komplimenten halten“, fragt sie ihn später erstaunt, „wenn Sie an mir vorbeigehen, ohne mich eines Blickes zu würdigen?“ „Madame“, entgegnet Fontanelle, „hätte ich Sie angeschaut, hätte ich nicht vorbeigehen können.“ Hier haben wir es mit einem einwandfrei ernst gemeinten Kompliment zu tun, das lässt sich mühelos erkennen, wenngleich die Dame es nie erfahren hätte, hätte sie nicht nachgefragt. Heute sind echte Komplimente weitaus schwerer auszumachen, zum einen, weil sie in unserem höchst komplexen Kommunikationssystem kaum noch von ironischen oder unehrlichen Äußerungen zu unterscheiden sind, und zum anderen ganz einfach, weil sie seltener geworden sind. „Sie sehen gut aus!“, ist ein besonders schönes Kompliment, eigentlich das einzig wahre, denn es bezieht sich auf Sie selbst und nicht auf Ihre Kleidung, Ihr Make-up oder die Frisur. Der Komplimentgeber weiß gar nicht so recht, was es genau ist, das Sie so erstrahlen lässt, aber das Kompliment will heraus und wird freundlicherweise bemerkt. „Sie sehen gut aus!“, werden Sie eher von Männern als von Frauen hören. Leider sind Männer sehr vorsichtig geworden mit Komplimenten. Die Emanzipation hat sie gelehrt, dass Frauen im Business ein Problem damit haben. Behandeln sie ihre Kolleginnen wie Männer, beschweren sie sich, behandeln sie sie wie Frauen, haben Sie Sorge, ihre Kollegen könnten es bemerken und ihnen etwas unterstellen. Tatsächlich erzählen mir Männer oft, dass sie durchaus gern galanter wären, aber eben, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Ja, die Emanzipation hat auch die Männer ganz schön verändert. Komplimente von Frauen an Frauen sind gerne mal wie Blumen, an denen noch der Blumentopf hängt. Frauen sind schnell neidisch auf andere Frauen. Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung, heißt es. Ja, und dieses Gefühl muss dann auf unehrliche Weise unterdrückt werden. Da
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das nicht immer klappt, sagen Frauen, die auf Sie neidisch sind, am besten erst mal gar nichts, oder sie lenken davon ab, indem sie sich vordergründig liebevoll, aber eigentlich auf beleidigende Art und Weise nach Ihrem Wohlergehen erkundigen: „Du siehst aber schlecht aus in letzter Zeit. Ist alles okay?“ Schön ist auch immer die Frage „Hast du abgenommen?“, wohl wissend, dass das nicht der Fall ist. Wenn Moderatorinnen mir erzählten, dass in der Redaktion solche Sätze fielen, nachdem sie sich nach einem Coaching optisch verändert hatten, sagte ich: „Glückwunsch! Du wirst wahrgenommen, und sie sind neidisch. Echte Besorgnis klingt anders.“ Neid muss man sich verdienen, nur Mitleid bekommt man geschenkt. Je weiter Frauen auf der Karriereleiter nach oben kommen, desto mehr sind sie auf der Suche nach Anerkennung. Sie dürsten nach Nettigkeiten und emotionaler Wärme. Aber genau in dieser Phase bekommen sie so wenig zu hören, wie in ihrem ganzen Leben noch nicht. Aus Kolleginnen werden Konkurrentinnen, und auch Männer werden vorsichtiger. Jeder liest gerne seinen Namen in der Zeitung, und jeder hört gerne ein Kompliment. „Komplimente sind die einzigen Worte, die auch Taube hören und Blinde lesen können“, sagt der Volksmund. Die charmante Vergrößerung einer kleinen Wahrheit kommt gut an. Aber echte Komplimente müssen sich immer auf Sie selbst beziehen. Die Bemerkung „Schöne Jacke!“, aus einem Frauenmund, erzählt viel über die Komplimentgeberin selbst. „Wo gibt’s die?“, heißt ihr Kompliment übersetzt. Mit Ihnen hat das alles nur am Rande zu tun. „Schöne Frisur!“, heißt: „Wie heißt Ihr Friseur?“ Auch bei: „Sie sehen gut aus!“, möchte die Frau meist lieber die Geschichte hinter der Geschichte erfahren. „Sind Sie verliebt? Neue Diät gemacht? Haben Sie eine neue Creme ausprobiert?“ In einem Satz: Wie macht sie das bloß? Nur Frauen, die deutlich älter sind als sie selbst, haben genügend Abstand zu Ihnen und meinen ihre Worte ernst. Sie stehen nicht in Konkurrenz zu Ihnen und meinen es meistens gut. Und: Von diesen Frauen mit einem Kompliment bedacht zu werden, ist ein Ritterschlag. Es gibt natürlich auch Gleichaltrige, die souveräner sind. Aber glauben Sie mir, dieser Fall ist eher selten.
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Echtes Kompliment oder verdeckte Kritik?
Machen Sie andern mal ein Kompliment Komplimente zu bekommen, ist heutzutage mindestens genauso schwierig, wie welche zu machen. Die Komplimentempfängerin steht sich dabei auch gerne mal selbst im Weg. Sie glaubt den schönen Worten nicht und macht das Kompliment kaputt. „Ja, ja, wer’s glaubt! Schöner Versuch! Schuldest Du mir Geld, oder warum bist Du so freundlich?“ Eine andere Volksweisheit heißt deshalb: „Wenn du möchtest, dass eine Frau dummes Zeug erzählt, musst du ihr ein Kompliment machen.“ Frauen sind peinlich berührt, wenn man Ihnen ein Kompliment macht. Statt es anzunehmen, machen Sie sich selbst lieber klein und katapultieren sich damit ins Aus. Sie erzählen sofort, was die anderen hören wollen: Ja, der Friseur ist neu. Nein, sie haben nicht abgenommen. Nein, sie sind nicht verliebt. Auf den Satz „Du siehst toll aus“, antwortet kaum eine Frau: „Danke, ich weiß!“ Und wenn doch: Stellen Sie sich mal vor, was da los wäre … „Was für eine eingebildete Ziege!“, hieße es dann. Bevor sie arrogant wirken, erzählen die Frauen lieber, das Outfit sei gar nicht so teuer gewesen, und schlimmer noch, sie nennen auch gleich den Preis. Sie geben zu, wie unsicher sie bei der Entscheidung waren. Und das ist fishing for a second compliment, denn jetzt muss ihr Gegenüber antworten: „Doch, doch, du, das war ganz richtig, das zu nehmen!“ Gähn! Lächeln Sie doch einfach charmant. Ein Dankeschön ist oft schon zuviel. Es fällt schwer, das zu tun, und deshalb müssen Sie es üben. Zur Belohnung gibt es dafür noch mehr Komplimente. Ein charmantes Lächeln als Antwort auf ein Kompliment, den Blick fest auf die Augen des Sprechenden gerichtet, verleitet jeden dazu, nachzulegen. Und niemand wird Ihnen den Vorwurf machen, Sie seien eingebildet. Genauso sollten Sie sich darin üben, Komplimente zu machen. Machen Sie anderen eine Freude, helfen Sie ihnen, sich wundervoll zu fühlen. Seien Sie weitgehend ehrlich, und übertreiben Sie nicht. Das würde man sofort spüren. Schenken Sie besonders den Menschen ein Kompliment, die unter Druck stehen. Sie sind es oft, weil sie so streng mit sich selbst sind. Ihnen ein Kompliment zu machen, entspannt sie. Und das tut allen gut. Eins noch: Für stille Anerkennung, aber auch für einen kritischen Subtext, bieten sich im alltäglichen Umgang viele Gelegenheiten. Dreht man Ihnen länger den Rücken zu? Oder sieht man Sie gern an? Lächelt Ihr
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Gegenüber, wenn Sie sprechen? Oder rollt er mit den Augen und hat sofort ein Gegenargument parat? Und das Wichtigste: Bittet man Sie um Hilfe? Attraktive Frauen werden viel seltener um Hilfe gebeten, als weniger attraktive. Im Gegenteil, ihnen wird Hilfe angeboten. Von Männern, aber auch von Frauen, die sich weniger attraktiv fühlen. Frauen, die ständig mit fürsorglichen Aufgaben betraut werden, wie etwa Geld einzusammeln für das Geschenk des Chefs, den Kaffeevorrat aufzufüllen, und die man gerne bittet, etwa den Urlaub zu tauschen, sollten aufwachen. Klar, jeder ist mal dran. Aber eben jeder. Leider sind aber gerade Frauen, die sich selbst weniger attraktiv fühlen und auch sonst wenig selbstbewusst sind, erpressbar. Nach dem Motto: „Ich bin nicht so sexy wie Frau Schulze, dafür lieben mich alle, weil ich die Weihnachtsfeier organisiere.“ Klar, einen Dummen findet man immer! Lassen Sie das nicht zu. Wahre Attraktivität, das habe ich Ihnen erklärt, kommt von innen – arbeiten Sie an sich.
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Die 60er
Die 60er: Der Sekretärinnenlook – Minirock und Twinset Die unerschütterliche Lust am Konsum hält an, wird aber durch Fragen und Provokationen der jungen Leute empfindlich gestört. In den 60ern werden die Weichen – mit bis heute spürbaren Auswirkungen – für Gesellschaft, Politik und Kultur neu gestellt. Die Heranwachsenden lehnen sich gegen das autoritäre Establishment auf, das ihnen viele Antworten auf den Holocaust schuldig bleibt. Die Beatles werden 1962 über Nacht berühmt und verhelfen unbeabsichtigt der englischen Designerin Mary Quant zum Durchbruch: Alle Fans wollen den Minirock tragen, den sie bereits fünf Jahre zuvor kreierte. Mitunter recht junge Kundinnen zeigen Bein und pfeifen auf Sittlichkeit und Anstand. Dazu werden einfarbig blickdichte Strumpfhosen oder überlange Lackstiefel getragen. Beides garantiert den Frauen Bewegungsfreiheit, denn dank André Courrèges haben die Stiefel flache, wie er sich ausdrückt, „geerdete und wirklichkeitsnahe“ Absätze. „These boots are made for walking“, gibt Sinatras Tochter Nancy 1966 den Feministinnen mit auf den Weg. Courrèges, eigentlich Ingenieur von Beruf, will das Frauenbild mit mädchenhaftfrecher und gleichzeitig praktischer Mode erneuern. Zu seinen Stiefeln gibt es auch warme Strickstrumpfhosen für den Winter – welch ein Realist! – und das, obwohl die Feinstrumpfhose ständig in verbesserter Ausführung und immer preiswerter zu haben ist. 1966 machen Nylonstrumpfhosen dank des Minis schon 77 Prozent der Strumpfwaren aus. Coco Chanel kritisiert: „Dieser Mann hat nichts anderes im Sinn, als die Frauen zu zerstören, ihre Körperformen zu verstecken und sie in kleine Mädchen zu verwandeln“, sagt sie 1966 in der Zeitschrift Paris Match über Courrèges. Dabei ist er es, der dem Chanel-Kostüm mit sachlichen Akzenten neuen Schwung verleiht. Modefragen werden zunehmend zum Deutungsmuster einer Gegenkultur. Die Minirock-Erfinderin Mary Quant treibt die Modewelt auch mit dem Fünf-Punkte Haarschnitt vorwärts. Als Jugendfreundin des Fri-
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seurs Vidal Sassoon wird sie zum prominenten Modell des ordentlichen Pilzkopfes, der nur im nassen Haar so detailgenau geschnitten werden kann. Der futuristische Helm ist eine optische und zugleich handwerkliche Revolution für die Friseurzunft, die bis dato im trokkenen Haar schnitt. Von der Mitte des Kopfes ausgehend, fallen die glatten Haare im Konturenverlauf auf fünf Punkte zu, die sich vor und hinter dem Ohr und im Nacken befinden. Die Stirn ist mit einem Vollpony bedeckt. Frauen mit lockigen Haaren haben bei dieser Frisur übrigens das Nachsehen. Von vorne mutet der Schnitt unspektakulär bis brav an, der Pfiff tritt erst zutage, wenn sich der Kopf im Profil zeigt. Und damit dieser auch schnell mal wieder angepasster aussehen kann, werden spezielle Haarteile entwickelt. Damit die sich aber noch ausreichend von den Haarteilen der Frauen aus dem Establishment und besonders von denen der Präsidentengattin Jackie Kennedy unterscheiden, die wie keine andere das Haarteil zelebriert und nie ohne mindestens 14 Stück auf Reisen geht, hält Mary Quant dazu Haarspangen aus Plastikgänseblümchen bereit, die den Blumenkindern wenige Jahre später ihren Namen geben. Ansonsten setzt sich alles durch, was die Moralisten der 50er Jahre zur Weißglut treibt und den technischen Fortschritt begrüßt. Die Antibaby-Pille, hilfreiche Küchengeräte und bezahlbare Fernseher, Autos und ganz viel Konfektionsbekleidung in lichten Farben aus zukunftsweisender Synthetik. Die Konfektionsware löst sukzessive die Burda-Schnitte ab und bringt erschwingliche Kopien von Hollywoodträumen ins Kaufhaus – es ist die Geburtsstunde von Marken und Designern. Fortan kann vieles für viele reproduziert werden und das schafft ein neues Lebensgefühl, das sich aber nicht am Arbeitsplatz, sondern im Straßenbild zeigt und die Frauen ermutigt, sich gegen überkommene Geschlechterbilder zu wehren. Der spitze, einen Atombusen vorgaukelnden BH wird abgelöst durch den No-Bra-BH. Rotgeschminkte Lippen und kräftiges Rouge weichen einem blassen Make-up mit transparentem Gloss und unscheinbarem Rouge, das nur dazu da ist, die schwarz umrandeten Augen mit falschen Wimpern in Szene zu setzen. Das superdünne Model Twiggy vereint die-
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ses Make-up mit dem Fünf-Punkte-Schnitt zum nymphischen Mondmädchenlook. Dazu trägt sie grellbunte Pop-Art- Muster, die eng Andy Warhol verbunden sind, und Optical -Art-Muster, deren bekanntestes das sogenannte Mondrian-Muster ist. Yves Saint Laurent, ein Schüler und erklärter Nachfolger Diors, stellt 1961 die Haute Couture und alles, was das extravagante Dior-me ausmacht, auf den Kopf, wenn er für seine Kollektion die BeatnikKultur als Vorlage nimmt. Beatniks sind desillusionierte Außenseiter, die ihren Protest in Musik oder aber im Schreiben ausdrücken und sich nur frei fühlen, solange sie von Ort zu Ort ziehen. Ihre berühmteste weibliche Vertreterin ist Janis Joplin. Im Gegensatz dazu verkörpert Jackie Kennedy als überzeugte Chanelistin das gehobene Establishment. Verkehrte Welt, wo doch Chanel die Mode stets demokratisieren will und Dior für überbordenden Glamour steht! In Deutschland spielen die Frauen an der Seite der Mächtigen keine so große stilbildende Rolle, dafür erscheinen die ersten Politikerinnen auf der Bildfläche: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Annemarie Renger ist von 1969 bis 1972 Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und damit die erste Frau, die in den Fraktionsvorstand der SPD-Fraktion einzieht. Natürlich verdankt sie die Karriere auch der intimen Nähe zu Kurt Schumacher. Die bayrische FDP-Landtagsabgeordnete und Salem-Absolventin Hildegard Hamm-Brücher wird 1967 als Staatssekretärin in das Kultusministerium des Landes Hessen berufen. Beide tragen konservativen Kostümchic, den sie bis ins hohe Alter so elegant inszenieren, dass der Begriff der Lady nur allzu angemessen ist. Alice Schwarzer ist gerade 26 Jahre alt, als sie 1966 bei den „Düsseldorfer Nachrichten“ volontiert. Die Studenten stellen die Regierung immer lauter in Frage. Sie bekämpfen gerade jene Positionen, die sie später einmal selbst besetzen werden. Joschka Fischer ist einer der prominentesten Vertreter dieser Generation, der es 1998 sogar bis zum Außenminister bringt. Wie seine Mitstreiter kämpft er zunächst mit Worten und wirft später Steine. Einer von ihnen schafft es sogar ins Fernsehen. Im Dezember
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1967 lädt der Fernsehdirektor des SWF Günter Gaus Rudi Dutschke in seine Interviewsendung “Zu Protokoll“ ein und gibt den sogenannten 68ern eine Plattform, was heftig kritisiert wird. Der 27-jährige Rudi Dutschke im geringelten Grobstrickpullover sitzt dem 14 Jahre älteren, im feinen Zwirn gekleideten Gaus gegenüber – in dieser ersten öffentlichen Begegnung zwischen einem intellektuellen Rebellen und einem Vertreter des Establishment offenbart sich augenscheinlich in der Kleidungskultur wie weit die Positionen von einander entfernt sind. Vier Monate danach stirbt Rudi Dutschke an den Folgen des an ihm verübten Attentats. Gaus sagt später oft von Dutschke, er sei von ausgesuchter Höflichkeit gewesen, die man in diesem Zottelpullover nicht vermutet hätte. In der zweiten Hälfte der Dekade steht dem Experimentiergeist neuer Lebensformen kaum noch etwas im Weg: Freie Liebe statt Eheglück, Kommune statt Kleinfamilie, urwüchsiges Landleben statt spießiges Vorstadtleben. Die Mode folgt den Freiheiten, wenn sie die klaren Linien durch Wallegewänder ablöst und Schuhe mit Karreespitze durch weiche Sandalen, eckige Op-Art-Taschen durch Patchwork- und Jutebeutel ersetzt. Konsequent dazu wird das Haar bei Frauen und Männern lang und länger. Im Büro kommt die Aufbruchstimmung nicht an. Die wenigen Frauen, die arbeiten, sind Sekretärinnen oder kleine Angestellte und können sich den Proteststil nicht erlauben. Sie betrachten vom Bürofenster aus, was auf der Straße vor sich geht, zupfen sich das Twinset zurecht und hacken weiter auf ihre Schreibmaschine ein. Ihr Mini heißt nach wie vor Bleistiftrock und reicht bis zum Knie. Er schränkt ihre Bewegungen ein und macht eine Wespentaille. Auch die Cocktailkleider und die dazugehörenden -mäntel bleiben unverändert konservativ und haben lediglich braven Chic. Die Kostüme haben einen lieblich-herzchenförmigen, ausladenden Reverskragen und eine weiche Linienführung. Der Haute-Couture-Schocker Yves Saint Laurent schockt im Jahr 1966 erneut, und zwar mit seiner markanten Kreation Le Smoking. Dieser Smoking ist etwas für Frauen, die ein Doppelleben führen, sagt seine Muse Catherine Deneuve zu diesem
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erotischen Männerlook. Am Tage erregt er keine übermäßige Aufmerksamkeit, ist aber durchaus für kontroverse Begegnungen geeignet. Und am Abend, wenn sie entscheiden kann, mit wem sie zusammen sein will, ist er verführerisch. Allerdings wird den Frauen in diesem Look in vielen Hotels und Restaurants der Eintritt verwehrt. Der Grund: die Hose! Die Begegnung der Intellektuellen mit dem Bildungsbürgertum ist alles andere als verführerisch. Beide Seiten scheinen auf immer unversöhnlich.
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5. Wie viel Farbe verträgt das Business?
5. Wie viel Farbe verträgt das Business? Wie viel Farbe das Business verträgt? Eigentlich gar keine. Denn hier geht es nicht um Farbeindrücke, sondern um Abstufungen von hell nach dunkel. Es geht darum, gekonnt mit diesen Unterschieden zu spielen und dem Körper klare Konturen und die größtmögliche Plastizität zu verleihen. Bunte Farben stehen diesem Anliegen eher im Weg. Trotzdem wird Frauen gern etwas anderes erzählt. Zum Beispiel, dass rot tough ist. Ein rotes Jackett gelte als kraftvolles Zeichen ausgewachsener Emanzipation, so die landläufig-falsche Annahme, die ich ja bereits in Kapitel 2 widerlegt habe. Grün verleiht Frische, blau ist unschuldig, braun wirkt behäbig, gelb macht blass und rosa erregt Mitleid. So oder so ähnlich lauten die zugewiesenen Eigenschaften, die alle ein bisschen wahr und ebenso falsch sind. Die Psychologie der Farben ist viel komplexer und in der Modewelt allemal. Die vereinfachenden Binsenweisheiten blenden aus, dass das menschliche Auge an die 100.000 Farbtöne unterscheiden kann. Es erkennt 1400 verschiedene Blautöne, 1375 Brauntöne, 1000 Rottöne, 820 Grüntöne, 550 Orangetöne, 360 Violettöne, fünfzig Grautöne und zwölf Weißtöne. Für Computerprogramme sind 16 Millionen Farben registriert, ein Vielfaches von dem, was das Auge unterscheiden kann. Wer will da noch eine seriöse Aussage über die Farbe Blau an sich treffen? Blau sei unschuldig? Welches Blau genau meinen Sie? Das etablierte Farbspektrum der Businessmode spielte sich lange Zeit in einem übersichtlichen Wahrnehmungsbereich ab – entgegen aller selbstbewussten Eigenbeteuerungen und entgegen so mancher bemühter Beteuerung von Verkäufern. Fünfzig Grau-, zwanzig Blau-, dreißig Braun-, zwölf Weißtöne und ein Schwarzton bilden die übersichtliche Grundlage für Ihren Weg zu Erfolg und Ansehen. Dass dabei letztlich doch viel mehr Farbeindrücke eine Rolle spielen, liegt daran, dass diese Grundtöne mit den übrigen bunten Farben der Welt angereichert werden. „Mit Farbe modulieren nach …“, sagen die Fachleute dazu. Die Geheimrezepte der Farbmodulation erweitern den schlicht-edlen Charakter der einst so leblosen Businessgrundfarben um raffinierte Farbstimmungen – ohne dessen Seriosität aufzugeben.
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So sind Farben wirkungsvoll
Akris steht als Ausdruck von Geschmack für Frauen, die Mode als Zeitgeist und Understatement verstehen.
So sind Farben wirkungsvoll Wenn ich einen Anzug in einer unspektakulären Farbe vom Bügel ziehe, höre ich von Frauen oft: „Ist der nicht zu langweilig?“ „Nein“, sage ich, „ist er nicht.“ Ein 1,5 Quadratmeter großer Langweiler von einem Anzug wirkt auf den ersten Blick zurückhaltend – und erfüllt damit auch eine ganz bestimmte Funktion: Fast noch wichtiger als die Wahl einer einzelnen Farbe ist ihre Kombination mit einer anderen. Das Auge nimmt ein
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5. Wie viel Farbe verträgt das Business?
und dieselbe Farbe unterschiedlich wahr, je nachdem, welche anderen Farben sich in ihrer Nachbarschaft befinden. Das ist das Phänomen des so genannten Simultankontrastes: Ein und dieselbe Farbe wirkt auf dunklem Grund heller und auf hellem Untergrund dunkler. Eine weiße Bluse leuchtet am stärksten – und wirkt am härtesten –, wenn sie in einem schwarzen Anzug steckt. Sie strahlt längst nicht so – und wirkt viel weicher – in einem mittelgrauen Anzug. Aber das übersehen die Farbexperten und Hobby-Psychologen beneidenswert konsequent, weswegen ihre nett gemeinten Statements eigentlich nichts aussagen. Stattdessen merken Sie sich Folgendes: Der Langweiler steht im Dienste der Kombinationsfarbe. Die soll er stärken und gleichzeitig eine gesunde Haarfarbe und einen frischen Teint befördern. Die Farbgestaltung für Businessmode lässt sich am wirkungsvollsten an einer Hierarchie erklären. Nehmen wir als Beispiel die Hierarchie eines Bienenstaates: Es gibt dort eine Königin und viele kleine, fleißige Arbeiterinnen. Die Königin steht für die Hauptfarbe Ihrer Garderobe, das ist der Eindruck, den Sie betonen wollen. Die Hauptfarben sind die bunten, auffallenden Farben. Die Königin ist zwar mächtig, aber sie ist eben nur eine und braucht deshalb nicht soviel Platz. Die Arbeiterinnen haben nichts zu sagen, aber weil sie so viele sind, brauchen sie mehr Fläche. Die Farben der Arbeiterinnen sind die Grundfarben des Business in allen erdenklichen Farbmodulationen: grau, beige, braun, dunkelblau und schwarz. Das sind keinesfalls bunte Farbtöne. Die große Fläche befördert die kleinere, und es entsteht eine Rangordnung, ein übersichtliches Nacheinander. Ein Beispiel: Schwarz, als Farbe der Arbeiterinnen, und weiß, die Farbe der Bienenkönigin, funktionieren sehr gut zusammen, aber sie funktionieren auch als solitär. Alle anderen Farben brauchen für eine gelungene Wirkung einen Partner, der für einen Helligkeits- oder Farbkontrast sorgt. Das bedeutet, Sie dürfen im Geschäftsalltag genau zwei Farben miteinander kombinieren. Mehr als zwei in einem Outfit sind eindeutig zuviel und machen aus Ihnen einen bunten Blumenstrauß. Der ist zwar ganz nett anzuschauen, zeigt aber auch, dass sie es nicht geschafft haben, sich gegen ein beliebiges Nebeneinander in Ihrer Kleidung und für eine klare Linie zu entscheiden. Und außerdem: Wollen Sie nett gefunden werden, oder wollen Sie sich durchsetzen?
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So sind Farben wirkungsvoll
Klar, wollen Sie Letzeres! Sie können es mit den unaufdringlicheren Grundfarben, die die Sinne des Betrachters angenehm streifen. Außerdem stehen diese Farben den allermeisten Menschen gut zu Gesicht. Wenn sie dem Teint doch nicht bekommen, liegt das entweder an der Farbmodulation oder am Gewebe selbst. Grau zum Beispiel wirkt ohne jegliche Reflexion stumpf und bieder. Seiden- oder Kaschmiranteile reflektieren und verhelfen der Tristesse zu einem edlen Schimmer. Grau entsteht nicht, weil man schwarz und weiß zu gleichen Teilen mischt. Es ist heute mit anderen bunten Anteilen angereichert, moduliert eben. Zwischen einem eisigen Silbergrau, dem kein einziger warmer Ton beigemischt wurde, und einem satten Bleigrau mit einem Schuss Grün und Braun liegt ein weites Feld. Gleiches gilt für Beigetöne, die so unterschiedlich wirken können, als hätte man zwei komplett verschiedene Farben vor sich. Diese Töne werden jede Saison aufs Neue und immer anders moduliert. Die bunten Farben der Königin hingegen werden nach grau moduliert. Der gesamte Bereich der Graumodulation ist sehr umfangreich. Die Ergebnisse sind im Vergleich zu einer reinen Schwarz- oder Weißmodulation angenehm und zurückhaltend. Die Graumodulation gilt im Design als unverbraucht und ist gerade auf dem Vormarsch. So taugt selbst Rosa als rauchiges Rosé für ein Businessoutfit. Aus der Farbe grasgrün wird ein verhaltenes Flaschengrün, aus Flammenrot weiches Chianti. Die vormals wärmsten oder grellsten Farben Gelb und Orange sind nach einem Grauüberzug nicht mehr als solche zu identifizieren: Aus gelb plus grau wird beige. Orange plus grau ergibt cognacbraun. Auch im Fernsehen sorgt der Grauschleier für eine edle Wirkung. Hier ist ein verschwommenes Grau immer elegant. Gesättigte Farben wirken hart, flächig und niemals hochwertig. Der flächige Eindruck mag im HDStandard verschwinden, aber als hart und wenig hochwertig wird man Ihre Kleidung auf alle Fälle wahrnehmen. Und im HD-Format empfindet man grelle Farben als noch greller, und das ermüdet die Augen. Angenommen, Sie tragen leuchtendes Rot, dann werden die Rotanteile bildtechnisch reduziert. Allerdings nicht nur auf Ihrem Jackett, sondern im ganzen Bild, was dazu führt, dass das Fernsehen Sie insgesamt ziemlich blass aussehen lässt.
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5. Wie viel Farbe verträgt das Business?
„Okay, gut, das ist Fernsehen“, sagen Sie jetzt. Und: „Ich habe ja verstanden, dass es in der Businesswelt schlicht und eher einfarbig zugeht. Aber warum kann ich die Grundtöne nicht durch einfarbig bunte Kleidung ersetzen?“ Auf diese Frage gebe ich eine ganz einfache Antwort: „Auch in einfarbig bunter Garderobe wirken Sie so ähnlich wie ein Blumenstrauß. Ob in einem einfarbigen gelben Kleid oder einem rosa Anzug, ob in türkis, orange oder rot: Sie wirken nur niedlich.“ Deshalb sollten diese Farben in Ihrem Businessoutfit nur dosiert auftauchen. Gerade soviel davon, wie Sie sie auf der Krawatte eines Mannes mögen würden. Aber keine Sorge. Gerade diese Einschränkungen verhelfen Ihnen zu vielen Möglichkeiten, sich farblich gut zu inszenieren, denn sie machen die gute Wirkung aus. Welche Farbe denn nun demnächst modern wird, weiß niemand ganz genau. Um Voraussagen zum Farbtrend des nächsten Jahres treffen zu können, müssen selbst Designer mit einer guten Intuition ein bisschen pokern. Um ihr Spielerglück nicht zu sehr herauszufordern, treffen sie sich zweimal jährlich zu den Fashion Forecast Days. Das ist eine Art Börse für Farben und Schnitte, auf der jeder Designer seine Farbkompositionen und Schnittideen vorstellen und mit den Vorschlägen der Kollegen abgleichen kann. Er hat die Wahl, sich gänzlich gegen einen Trend zu stellen oder im Fahrwasser der allgemeinen Annahmen mitzuschwimmen. Klar ist jedoch: Wer auf das falsche Pferd setzt, erleidet empfindliche Verluste.
Die überstrapazierte Farbpassinszenierung Auf die sehr komplexe Frage: „Welche Farben stehen mir besonders gut?“, bekommen Sie nur allzu oft eine billige Antwort: „Machen Sie doch mal eine Farbtypberatung. Dann werden Sie sehen, was zu Ihrem Typ passt.“ Ja, genau! Und dann waschen Sie Ihre Wäsche doch auch gleich nach dem Mondkalender! Der so genannte Farbpass basiert auf dem Wahrnehmungsphänomen des Simultankontrastes. Wir verdanken ihn dem Schweizer Maler und Kunstpädagogen Johannes Itten (1888–1967). Der Farbpass ist die kommerziell überstrapazierte Kurzversion seiner Theorie, die ansonsten durchaus einleuchtet. Itten hat herausgefunden, dass sich bestimmte Farben gegenseitig in ihrer Intensität steigern. Und zwar betrifft das so genannte Komplemen-
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Die überstrapazierte Farbpassinszenierung
tärfarben, also Farben, die einander im Farbkreis gegenüberliegen: grün und rot, orange und blau und gelb und violett. An der Stelle, an der sich zwei solche Farben berühren, nimmt das menschliche Auge nur noch ein monochromes Graubraun wahr. Diesen Übergang empfinden alle Menschen als besonders harmonisch. Itten beobachtete in seiner Schule in Wien, dass die Studenten bevorzugt mit Komplementärfarben malten, die ihrer Haar-, Haut- und Augenfarbe ähnelten. Ein Schüler mit einem warmen gelblich-goldenem Hauttyp griff zu lindgrün, türkis und gold. Ein anderer, ein kühler Typ, dessen Haut eher bläulich-rosa wirkte, wählte Farben wie himmelblau, grau und himbeerrot. Itten machte den Test: Er ließ seine Schüler mit Farben malen, die ihrer individuellen Vorstellung nach harmonierten. Er selbst war nicht im Raum. Erst im Nachhinein ordnete er die Bilder seinen Schülern zu – mit Erfolg. Heute weiß man: Schon kleine Kinder haben einen Blick dafür, was zu ihnen passt und was nicht. Dies zeigen Sie nicht nur auf dem Malpapier, sondern auch beim Griff in den Kleiderschrank – sofern man sie lässt. Ittens Erkenntnisse wurden oft auf einfachste Zusammenhänge reduziert und verfälscht. Noch heute findet sich seine Lehre in der Handtasche so mancher Frau wieder – als Farbpass verunglimpft. Farbpässe teilen Menschen in so genannte Jahreszeitentypen ein. Je nachdem, was Sie für einen Hauttyp haben, gibt es eine vorteilhafte Farbpalette, die Sie in ihrem Schminkkasten oder im Kleiderschrank haben sollten. Winter- und Sommertypen wirken eher kühl und haben eine bläuliche Hautfarbe, Frühling- und Herbsttypen wirken eher warm. Wintertypen sollten eisige Töne, Sommertypen Pastellfarben bevorzugen. Frühlings- und Herbsttypen teilen die warmen Frühjahrs- und Erdtöne unter sich auf. Der Farbpass wiederholt also die Farben Ihres eigenen Typs. Dazu listet er Ihre Gegenfarben mit entsprechend warmem oder kühlem Einschlag auf. Sind Sie eher der kühle Sommer- oder Wintertyp, passen zu Ihnen alle Blautöne und kühl unterlegte Rottöne. Das klingt doch gut, oder? Klar klingt das gut. Aber es hat eben nicht nur mit der Farbwahl, sondern auch stark mit der Intensität einer Farbe zu tun: Wenn Sie zum Beispiel die richtigen Gegenfarben kombinieren, dann ist das zwar ein Hingucker. Aber Sie müssen aufpassen, dass Sie den Betrachter damit nicht zu schnell ermüden. Das kann durchaus passieren, wenn zwei Farben in gleicher Intensität in Ihrer Garderobe auftauchen. Ein rot-grün-geringeltes
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Shirt macht einen schlichtweg fertig. Designer wissen das. Wenn Sie trotzdem zu dieser Kombi greifen, dann dämpfen sie die Leuchtkraft einer der beiden Farben. Es stimmt auch nicht immer, dass die reine gesättigte Farbe am intensivsten ist. Im blauen bis violetten Bereich steigern Aufhellungen die Farbkraft ungemein. Es ist also alles ein bisschen diffiziler, als man denkt. Deshalb sollten Sie Ihre Kleidung nicht unbedingt nur nach den Empfehlungen eines Farbpasses kaufen. Er ist vielleicht ein erster Schritt, um sich mit der Farbwelt der Mode auseinander zu setzen. Aber bedenken Sie, dass ihr Auge weit mehr als die darin vorgesehenen 48 Farben unterscheiden kann. Das ist der Grund, warum sich Frauen zunächst akribisch an ihren Pass halten, um ihn dann nach sechs Monaten wegzuwerfen. Die Farbpassberatung selbst ist viel erfolgreicher als die Handlungskonsequenzen, die sich daraus ergeben. Beim Shoppen stoßen Sie damit auch viel zu schnell an Grenzen. Das Rot ist in dieser Saison nicht vorgesehen, jenes Blau auch nicht. Und: Sie mögen die Alternative ja trotzdem, oder? Was nun? Vertrauen Sie Ihrem Auge. Ich persönlich habe mit der Farbtypberatung folgende Erfahrung gemacht: Drei verschiedene Anbieter ordneten mir drei verschiedene Jahreszeiten zu. Herbst, Winter und Sommer. Jetzt suche ich noch den, der mir den Frühling anbietet.
Klassische Businesstöne neu aufgelegt Die klassischen Farbtöne für das Business sind allesamt kühl. Sie enthalten traditionell wenig bis keine Gelb- und Rotanteile. Schwarz, braun, blau, grau, beige und weiß bilden das Farbfundament. Mit der Modulation entstehen feinste Nuancierungen. Jede Farbe bringt eine eigene Tradition mit sich, an die ich hier erinnern will. Ich habe die Töne von dunkel nach hell sortiert:
Schwarz Martin Luther (1483–1546) lehnte den verschwenderischen Luxus der päpstlichen Kirche ab und trug zum Ausdruck dessen einen schwarzen Talar. Dieser ist bis heute die festliche Amtskleidung von protestantischen Pastoren und die offizielle Bekleidung von Richtern – nur heißt sie hier Robe. Als schwarz in der Wirtschaftswelt Einzug hielt, stand die Farbe be-
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reits für Würde und Autorität. Und zu alledem war schwarz eine praktische Farbe. Noch vor hundert Jahren war die Luft durch alles, was aus Kohleöfen und Fabrikschornsteinen gen Himmel gepustet wurde, stärker verschmutzt als heute. Ein schwarzer, rußiger Film legte sich über die industrialisierten Städte. Auf jedem helleren Kleidungsstück wäre dies am Ende des Tages deutlich zu sehen gewesen. Schwarz galt und gilt bis heute als Zeichen der Trauer. Die ersten Frauen, die sich bewusst – und ohne konkret zu trauern – in schwarz kleideten, waren die französischen Existenzialistinnen um Jean Paul Sartre. Chanson-Sängerin und „Königin der Existenzialisten“ Juliette Gréco machte den schwarzen Rollkragenpullover zu einem Szenekleidungsstück – für Männer wie für Frauen. Heute verleiht schwarz den Frauen eine erotische Eleganz. Ihre Geheimwaffe ist bis heute Chanels schockierend schlichtes Kleine Schwarze. Im Businessalltag wirken ganz klassisch geschnittene schwarze Hosenanzüge und Kostüme aus sehr feiner Schurwolle mittlerweile fast übertrieben. Mit einer sportlichen Note, einem casual Detail, wie einem veränderten Kragen, einem gegensätzlichen Drunter oder etwa einem robusteren Stoff, kann man den strengen, hoheitlichen Eindruck etwas abmildern. Das ist ein Willkommensgruß an festere Strickstoffe wie Chanels Jersey, und an alle Baumwollqualitäten, die im Sommer eine wunderbare Alternative zur Schurwolle bieten. Der feine schwarze Hosenanzug und das Kostüm sind in Europa nach wie vor festlichen Anlässen vorbehalten. Frauen in Führungspositionen etablieren weichere Schwarztöne – farblich moduliert zum satten braunschwarz, kobaltschwarz und grünschwarz. Letzteres wäre ohne den Vormarsch der Frauen kaum vorstellbar – denn grün ist eine absolute Antifarbe in der Businesswelt.
Braun No brown in town, ist eine Bekleidungsregel der Engländer. Braun gehört für sie aufs Land, nicht in die Stadt. Dort hatte sie von jeher einen praktischen Nutzen: auf brauner Arbeitskleidung sah man den Dreck eines langen Arbeitstages nicht so schnell. Deshalb ist braune Kleidung ebenso wie eine sonnengebräunte Haut lange Zeit Kennzeichen einer bäuerlichen Herkunft. Das Schönheitsideal von damals was die vornehme Blässe. Dass braun noch ganz andere Assoziationen hervorruft, macht Arnold
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Rabbow im „DTV-Lexikon politischer Symbole“ klar, und zwar mit der Frage, ob sich die NSDAP bei dieser ungewöhnlichen Farbwahl unbewusst selbst charakterisiert habe, und ob die SA sich wirklich nicht bewusst war, zu welchen Assoziationen ihr Sturmlied „Wir sind des Führers braune Haufen“ herausfordere ... So steht Braun als Lieblingsfarbe fast an letzter Stelle. Nur Orange wird noch stärker abgelehnt, aber das ist ja letztlich ein helles leuchtendes Braun. Und doch ist braun heute wieder sehr beliebt in der Frauenmode und ein gutes Beispiel dafür, wie der praktische Aspekt manchmal überwiegen kann. Braun ist unempfindlich gegen Schmutz und ein unauffälliger Grundton. Für Frauen, die sich gerade an den Platz in der ersten Reihe gewöhnen und die im Leben oft genug mit Reinigungsfragen konfrontiert wurden, sind das zwei vernünftige Gründe, um es oft zu tragen. Dies ist aber erst seit den 70er Jahren so. Brauntöne erhielten als letzte Farbfamilie Zutritt zur Welt des Business. Und wurde als erste Palette warmer Töne akzeptiert. Es war nicht so ernsthaft wie schwarz, nicht so festlich wie dunkelblau und etwas entschlossener als grau. Aber beachten Sie immer: Ein rötliches Braun kann schnell billig und künstlich wirken, es sei denn es geht um Leder. Aber als gutes Tuch steht es nur der Frau mit dem ohnehin bräunlich-rotem Teint – da funktioniert der Farbpass eindeutig! Graubraun hingegen, das Braun mit dem geringsten Anteil an Rotpigmenten, ist von faszinierend lässiger Eleganz. Es ist wie ein Chamäleon, das sich an jede Gegebenheit anpasst und alles betont, was immer Sie wollen. Ein solches Braun verändert sich in Nachbarschaft zu anderen Farben so sehr, dass man glauben könnte, es sei ein ganz anderer Stoff. Ich empfehle es viel lieber als ein unbuntes Grau. Es wirkt viel edler und weicher. Und es steht den meisten Frauen aus den westlichen Breiten gut zu Gesicht.
Blau Mit 36 Prozent ist Blau bei Frauen die beliebteste Farbe überhaupt. Das ist deshalb interessant, weil dieselben Frauen die Komplementärfarbe Orange am stärksten ablehnen. Nur 8 Prozent geben Orange als Lieblingsfarbe an. Wir lieben Blau und hassen Orange. Blau ist auch in anderer Hinsicht etwas speziell. Im Leben, auf Fotos und im Fernsehen ist es die einzige Farbe, mit der Sie die Illusion von unendlicher Ferne erzeugen
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können. Blau ist die Farbe der unbegrenzten Dimensionen, was daran liegt, dass wir transparente Luftschichten als blau wahrnehmen. Wasser und Luft sind ja nicht tatsächlich blau, aber je mehr Luftschichten übereinander liegen, desto bläulicher wirken sie. Wenn wir in der Businessmode von blau reden, meinen wir damit nur eine Reihe von dunkleren Blautönen. Eine kräftig leuchtende, blaue Kleidung strahlte noch nie Autorität aus. Aber Königsblau wirkt elegant und Preußischblau ist fast schon eine politische Aussage an sich. Orchestermusiker tragen mitternachtsschwarze Anzüge. Sie sind ganz dunkelblau, aber nicht schwarz. Aus der Ferne betrachtet wirken sie allerdings wie ein weiches und edles Schwarz. Dieser Eindruck macht Blau zur Farbe der internationalen Begegnung und der Uniformen. Die deutsche Polizei wird wegen ihrer grünen Uniformen in der ganzen Welt belächelt. Wie uns ein froschgrüner Freund und Helfer in brenzligen Situationen beschützen soll, ist schwer vorstellbar. Schwerer jedenfalls, als wäre er in blau gekleidet. Und besuchen Sie mal das europäische Parlament – es wimmelt nur so vor dunkelblau gekleideter Menschen. Blau ist die Farbe der „Tagesschau“, so tiefblau wie es die elektronische Farbübertragung zulässt. Alle Versuche, dem Studiodesign eine andere Farbe zu verpassen, wären zum Scheitern verurteilt. Der Zuschauer würde dies nicht akzeptieren. Mit der künstlichen Herstellung von Indigo um 1870 herum, war der Farbton nicht mehr so unerschwinglich wie zuvor. Aus der Farbe, die allein aus Kosten- und Repräsentationsgründen dem König vorbehalten war, wurde eine Farbe der Arbeiter – noch heute gibt es den Blaumann. Auch die Blue Jeans wurde für Goldgräber und Cowboys entwickelt und später von Arbeitern getragen. Im Englischen bezeichnet man Angestellte als white collar workers, einfache Arbeiter als blue collar workers. Der Unterschied zwischen blau und blau: Helles und immer heller werdendes Blau ist die Farbe der Jeans, guter, blauer Zwirn sollte dunkler sein. Es gibt ein Kleidungsstück im Business, das nur dunkelblau daherkommen darf: Der dunkelblaue Blazer – eine lebende Legende unter den Blazern. Ursprünglich leitet er sich vom zweireihigen Navy Blazer der Marine ab. Den ließ der Kapitän der Fregatte HMS Blazer 1837 für den Besuch der jungen Königin Viktoria an Bord des Schiffes anfertigen. Dass die Knöpfe des Blazers golden sind, versteht sich dabei fast schon von selbst.
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So ein Blazer zu einer gut sitzenden hell verwaschenen Jeans ist ein faszinierendes und akzeptiertes enfant terrible in der Geschäftswelt. Dunkelblau wirkt so elegant, dass man es nur mit Ehrfurcht tragen sollte.
Grau Was früher als langweilig und unentschlossen galt, hat an Attraktivität im Business stark aufgeholt. Grau ist schon lange in der Geschäftswelt vertreten, allerdings hatte es bis vor kurzem ein trübes Image. Es wirkte alltäglich und bürokratisch. Das klingt nicht sexy. Aber in Zeiten, da Geschäftsangelegenheiten noch von Freizeitbelangen getrennt wurden, sorgte die Farbe grau für eine strikte Trennung und wirkte sehr neutral. Jemand, der grau trägt, gibt nichts preis von seinem persönlichen Geschmack. Nun werden Sie sagen: „Neutralität kann es ja bei Farben, wie bei allen anderen modischen Fragen, überhaupt nicht geben.“ Stimmt, Farben treffen immer eine Aussage, und wenn es die ist, keine treffen zu wollen. Wenn Sie sich bedeckt halten wollen – das ist akzeptierter, gesellschaftlicher Konsens –, tragen Sie grau. Nach spektakulären historischen Geschichten oder wenigstens Anekdoten rund um die Farbe Grau, sucht man vergeblich. Ist es nur irgendwie übrig geblieben, oder war es immer schon da? Grau ist eine Nebensache. Grau fällt nicht auf. Nicht umsonst spricht man von zu farblos gekleideten Menschen, als von grauen Mäusen. Grau ist als Farbe der Trauer etabliert und jemand, der Sorgen hat, bekommt graue Haare. Grau erzählt immer die Geschichte von Abschied und Trübsal. Die Businessfrauen hauchen jetzt der charakterlosen Farbe Glamour ein. Mit einem einfachen Trick wird reines Grau aus der Trübsalecke befreit und zu weltmännischen Auftreten verholfen: Mit Reflexion. Eine schöne Lichtbrechung auf den Stoffen ist für den hochwertigen und plastischen Eindruck immer wichtig, aber der Farbe Grau verhilft sie zu einer Metamorphose. Plötzlich halten Sie eine Kostbarkeit in Ihren Händen. Jetzt vereint sich wunschlose Bescheidenheit mit tadelloser Weltgewandtheit. Die Dosierung der Reflexion ist dabei von maßgeblicher Bedeutung. Echter Glanz ist schon zuviel, er macht aus grau silber, und das ist im Konferenzraum Fehl am Platze. Die Reflexion sollte den Betrachter nicht anspringen, nur aufmerksam machen.
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Frauen im Anzug sollten außerdem dafür sorgen, dass grau mit Farben moduliert wird. Genauso wie bunte Farben mit einem Grauschleier überzogen businesstauglich werden, wird das Repertoire von einem Grauton durch die Beimischung bunter Garne um allerfeinste Nuancierungen verfeinert. Damit gehört die Farbe Grau aber auch nicht mehr in jene Ecke des Kleiderschranks, in der die Teile liegen, die immer gehen. Alle Grautöne sind innerhalb eines Labels und einer Saison aufeinander abgestimmt. Da passt kreuz und quer alles zusammen. Aber zur nächsten Saison verändern sich die Töne. Zwar nicht genau ins Umgekehrte, aber sie verändert sich durchaus so sehr, dass nicht jede bunte Farbe zu dem Grau des Vorjahres automatisch wundervoll aussieht.
Beige Für beige gilt das Gleiche wie für grau. Es hält sich selbst bescheiden im Hintergrund, setzt aber eine stärkere Farbe gekonnt in Szene. Beige kommt aus der Farbfamilie der Brauntöne, die ja als letzte zur Businessfarbe avancierte. Vielleicht assoziiert man beige auch deshalb immer noch stärker mit Freizeitmode als grau. Außerdem wird diese Farbe von Rentnern sehr geschätzt. Vielleicht, weil auch ältere Menschen dazu neigen, sich unauffällig anzuziehen. Und sie fallen auch nicht auf, solange sie nicht als Gruppe zusammenstehen. Als Reisegruppe hat man jedoch einen beigefarbenen Windjacken-Pulk mit grauen Haaren vor sich. Der Gelbanteil im Beige entscheidet darüber, ob Sie in beiger Kleidung blass und alt aussehen. Er sollte in diesen Breitengraden nicht zu hoch sein, das bekommt dem mitteleuropäischen Teint nicht. Ein gelbliches Beige entzieht den hauteigenen Rot- und Gelbanteilen die Vitalität. Ein helles, sandiges Beige hingegen schmeichelt unseren Landsleuten und wirkt selbst unter kaltem Tages- und Kunstlicht weich. Auch ein gräuliches Beige ist nur auf dem Bügel gewöhnungsbedürftig. Zusammen mit einer kraftvollen Königinnenfarbe ist es sehr edel.
Weiß Der Farbe Weiß werden nur positive Eigenschaften zugeschrieben. Unschuld, Reinheit und Wahrhaftigkeit. Das sind auch wirklich gute und brauchbare Tugenden für das Business. Aber deshalb sollten Sie trotzdem auf keinen Fall weiß tragen. Denn als Lady in White vermitteln Sie alles
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andere, aber nicht das positive Bild einer engagierten Powerfrau, im Gegenteil: Im weißen Hosenanzug oder gar Kostüm wirken Sie wie eine jungfräuliche, unerfahrene und nicht sehr belastbare Braut – im wahrsten Sinne des Wortes – und nicht wie eine selbstbewusste und reife Frau, die jeden Tag wichtige Entscheidungen trifft. Weiß ist sehr elegant, es ist aber auch die Farbe einer Schwesterntracht. Als Miss Nightingale erwecken Sie leicht den Eindruck, Sie seien zu gut für die Welt und nur allzu verhandlungsbereit, kurz: Sie kapitulieren schnell. Und im Prinzip ist das auch so. Frauen, die weiß tragen, verwenden viel Energie darauf, zu achten, dass das Weiß auch weiß bleibt. Und das ist schon eine große Aufgabe an sich, sie lenkt leicht vom eigentlichen Ziel ab. Übermäßiges Weiß erinnert an die Jahrhundertwende, als adlige und gut betuchte Frauen weiß als Zeichen trugen, dass sie sich die Finger nicht mit Arbeit schmutzig machen mussten. Eine dekadente Art, seinen Luxus zu zeigen. Das hat in der heutigen Businesswelt, in der Sie sich wenigstens symbolisch auch mal sie Ärmel hochkrempeln sollten, nichts verloren. Und weiße Schuhe erst recht nicht. Die passen wirklich nur zum Brautkleid. Doch dann gibt es da doch ein Weiß, das aus der Geschäftswelt nicht wegzudenken ist, das Weiß des Kragens. Geschäftsleute trugen von jeher weiße Hemden unter ihren dunklen Anzügen. Was heute ein weißes Oberhemd ist, war in seinem Ursprung ein Unterhemd, von dem mit der Zeit mehr und mehr gezeigt werden durfte. Vermutlich, weil die kleine weiße Fläche den größtmöglichen Kontrast bietet und für einen plastischen Eindruck. Denn helle Stoffe erscheinen dem Auge näher, dunkle treten weiter zurück. So erscheint die Person in der Wahrnehmung dreidimensional. Plastizität wird wahrgenommen, und Sie wollen doch wahrgenommen werden, oder nicht? Der Hell-Dunkel-Kontrast ist also ein optischer Trick. Zudem reflektiert ein weißes Hemd das Licht und hellt damit das Gesicht auf. Noch der dunkle Anzug dazu, der klar die Körpersilhouette markiert – mehr Autorität kann man in Zivilkleidung nicht ausdrücken. Die weiße Bluse für die Frau ist aus den gleichen Gründen eine unschlagbare Aussage. Mit ihr reihen Sie sich ein in die Elite, in die Riege der white collar workers. Was Sie als Businessfrau vermeiden sollten, ist das härteste Weiß, das Ariel-Reinweiß, das kein Geknitter oder Schmutz verträgt. Denn das wirkt nicht weich und feminin, sondern sehr steril. Ein gebrochenes Weiß kommt dem femininen Understatement da schon viel
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näher. Unser Auge kann zwölf Weißtöne unterscheiden. Das schönste unter ihnen ist für viele das Frank-Lloyd-Wright-White. Jenes Weiß, das der Architekt Frank Lloyd Wright eigens für die Innen- und Außenwände der Guggenheim Museen mischte. Wer einmal die Werke der ganz großen Künstler vor diesem Hintergrund gesehen hat, ist fasziniert von dem feinen Unterschied. Dosieren Sie das Weiß in Ihrer Garderobe. Auch die löblichen Tugenden Unschuld, Reinheit und Wahrhaftigkeit finden Sie im Business oft genug nur dosiert vor.
Traditionelle und junge Farbkombinationen Traditionelle Farbkombinationen sind innen hell und außen dunkel, das wissen Sie inzwischen. Sie wirken plastisch, weil die dunkle Farbe weiter entfernt und die helle näher dran erscheint. Ein Anzug oder Kostüm in einer dunkleren Farbe, dazu eine helle Bluse oder ein Body, bilden den Körper räumlich ab. Eine dunkle Silhouette wirkt immer markanter, die hellere Bluse oder der Body hellen das Gesicht auf. Schwarz-weiß ist die älteste aller Farbkombinationen und auf der ganzen Welt verbreitet. Sie konnte sich immer gegen buntere Farben durchsetzen und steht gerade durch den Verzicht auf Farbe für Ernsthaftigkeit und Autorität. Männer lockern einen allzu harten Eindruck gern mit einer farbenfrohen Krawatte auf, quasi als emotionale Affektbrücke. Als die Damenblusen noch steifer und braver anmuteten als heute, übernahmen Schmuck und Taschen diese Funktion. Heute stehen die Lässigkeit der Schnitte und sportiv-elegante Materialien im Vordergrund – sie schenken Autorität, ohne hart zu wirken. Bei einer „Ton in Ton“-Kombination stammen die Farbtöne alle aus einer Familie. Innerhalb der Kombination spielt man mit Hell-Dunkel-Kontrasten. Auch hier gilt die Regel: Die hellere Farbe nach innen, die dunklere nach außen. Der Klassiker unter ihnen ist die hellblaue Bluse zum dunkelblauen Anzug. In coolen Zeiten als spießiges Lufthansa-Outfit verschrien, ist und bleibt es doch ein ewig gültiger Klassiker – zumal es ja auf die Modulation ankommt. Sie wissen ja jetzt: Blau ist nicht gleich blau. Auch weiß und grau zählen zu den „Ton in Ton“-Kombinationen. Grau hat ja hohe Weißanteile. Das war es auch schon in der kühl unterleg-
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ten Palette. Mehr Auswahl gibt es bei den warmen „Ton in Ton“-Kombinationen. Eine cognacfarbene Bluse zu einem mittelbraunen Anzug wirkt immer etwas weicher. Die warmen Farbkombinationen bieten dazu den großen Vorteil, Lederjacken in der Garderobe unterzubringen zu können. Leder sollte im Business ursprünglich daherkommen und deshalb in einem Braunton gehalten sein. Ein Lederjackett in einer hautfreundlichen Beigefärbung wie zum Beispiel das des Ahornsirups oder das von hell gerösteten Mandeln bietet sich an. In einem klassischem Reh- oder Tannenzapfenbraun oder aber in dem weichem schwarzbraun eines Pfefferkorns ist es ebenfalls wunderbar geeignet für den Konferenzraum, ein Marsrotes oder rabenschwarzes Lederjackett ist es indes nicht. Mit diesen Farben assoziiert man, vor allem im Zusammenhang mit dem Material Leder, nur allzu schnell die Welt der käuflichen Erotik oder auch die Bikerszene. Zu den ursprünglichen Lederfarben passt eine Bluse oder Hose im Elfenbeinton. Diese Kombi schafft vor allem in Sommermonaten eine lässige Eleganz. Auch andere Materialmischungen wirken in „Ton in Ton“-Kombination unaufgeregt gut. Weicher Chiffon etwa zu fester Baumwolle oder feine Seide zu gröberer Schurwolle, das sieht einfach wunderbar aus, vorausgesetzt, es gibt nur einen Farbeindruck. Ähnliches gilt für Muster. Wenn sie leise und unaufdringlich wirken sollen, brauchen sie die Einbettung in weiche Kontraste. Zu den jüngeren Farbkombinationen zählt die Kombination einer Grundfarbe mit einer bunten Königinnenfarbe (Sie erinnern sich, der Bienenstaat): Oberteile im gesättigten Gelb, Orange oder Rot, ein leuchtendes Lila, ein intensives Grün oder ein Preußischblau kombiniert mit grauund beigefarbenen Anzügen und Kostümen – Freizeitfarben hielten ihren Einzug in die Businesswelt. Eine Idee, die wir letztlich schon von den unbunten grau-, beige- und braunfarbenen Tuchen kennen, die durch feines Buntgarn moduliert worden waren, was aus zwei entfernten Verwandten enge Vertraute gemacht hatte.
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Muster – Lebendige Linien
Die jüngste Entwicklung ist jedoch die Kombination zweier Farben in gleich schwacher Farbintensität und gleicher Helligkeit, aber mit unterschiedlich klarem Ausdruck: Eine Farbe ist rein pigmentiert, die andere ist verwaschen. Die klare Farbe übernimmt in jedem Fall die Rolle der Königin, die verwaschene den Part der Arbeiterinnen. Das können auch zwei Arbeiterinnenfarben oder zwei Königinnenfarben sein. Es geht um den Kontrast zwischen klar und verwaschen. Hier ein Beispiel für zwei Arbeiterinnenfarben, die einander gut tun: Man nehme einen etwas verschwommen-braun pigmentierten Anzug mit einem klar pigmentierten grauen Oberteil – das ist wunderbar farbharmonisch. Und auch: Die gleichen Farben, aber ein bisschen weniger hell, führen zu einem weichen, gebrochen schwarzbraunen Anzug mit reinschwarzem Oberteil – sehr lässig! Und noch ein Beispiel für zwei Königinnenfarben, die sich gegenseitig gut tun: Ein schmutzig-olivfarbener Anzug mit einem Oberteil in klarem Pilotenblau. Zusammengefasst bedeutet das für Ihre Businessgarderobe: Auffällige Farben helfen vor allem dem Modekarussel, aber nicht Ihnen weiter. Nur ausgewiesene Frauen-Freizeitkleider dürfen sich mit viel Farbe schmücken. Leiten Sie von diesen jedoch nicht ab, dass Sie im wie selbstverständlich auch viel bunte Farbe tragen dürften. Damit würden Sie die Sonderstellung einer niedlichen Kollegin einnehmen. Die Gleichberechtigung ist im Management aber erst dann richtig angekommen, wenn Sie nicht mehr wie das Mädchen von der Blumenwiese daherkommen, sondern mit den für Sie modulierten Businesstönen eine unaufgeregt feminine Autorität ausstrahlen.
Muster – Lebendige Linien In der Wirtschaftswelt gelten Muster weniger als Schmuck, vielmehr definieren sie Ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Alle Muster, die Sie als Geschäftsfrau tragen dürfen, haben drei Dinge gemeinsam. Sie sind gerade und auf einfarbigem Untergrund, dem so genannten Fond, angeordnet. Und sie sind immer eingewebt, nie aufgedruckt. Alles zusammen bedeutet: Businessmuster gibt es nur auf gutem Tuch. Eine gute Verarbeitung erkennen Sie, wenn die Linien des Musters parallel zu den Nähten verlaufen und oben an der Schulter sauber abschließen. Das ist quasi
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wie beim Tapezieren. Beachten Sie, dass Sie Ihrem Gegenüber durch ein Muster auch immer Ihren persönlichen Geschmack offenbaren. Hier die wichtigsten Muster im Überblick:
1. Nadelstreifen Der Nadelstreifen kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Er zeugt vom Wohlstand der Unternehmer, die aus der industriellen Revolution hervorgingen. Das Muster entstand wohl durch einen Zufall während des Fertigungsprozesses auf der Schneiderpuppe. Mit weißem Faden wurde der Oberstoff vorläufig mit dem Zwischenflies und Futter zusammengenäht. Der Nadelstreifen war also auch ein sichtbares Zeichen für einen tailored handmade suit, einen maßgeschneiderten und handgearbeiteten Anzug. Der klassische Nadelstreifen ist weiß und verläuft senkrecht und im Abstand von einem Zentimeter auf dunkelblauem oder schwarzem Untergrund. Streifen, die mehr als einen Zentimeter auseinander stehen, wirken schnell wie eine Karikatur der eigentlichen Idee. Streifen, die enger zusammenstehen, sorgen für eine unruhiges Bild. Nadelstreifen findet man nur auf feinem Anzugstoff, nicht auf Sakkotuch. Der Streifen muss nicht weiß, aber heller als der Fond sein. Eingewebte „Ton in Ton“-Streifen sind deutlich weniger autoritär, aber sehr elegant. Die Umkehrung, dunkler Streifen auf hellem Untergrund, gehört in die Abteilung der schnelllebigen Trendmode Der Nadelstreifen genießt weltweit höchstes Ansehen. Vor Ihrem geistigen Auge sehen Sie direkt Broker, Banker, Anwälte und Politiker. Seien Sie sich bewusst, dass Sie mit ihm immer den elitärsten Auftritt haben.
2. Kreidestreifen Der breitere, weicher wirkende Verwandte des Nadelstreifens ist der so genannte Kreidestreifen. Er sieht aus wie mit Schneiderkreide auf den Stoff gezeichnet, wirkt auffälliger, aber viel weniger autoritär. Er geht gerade noch so als Abendgarderobe durch. Der Prince of Wales und spätere Edward VIII. machte das Muster in den 30er Jahren populär, als Zweireiher auf grauem Grund.
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Muster – Lebendige Linien
3. Fischgrat Fischgrat, auch Fischgrät genannt, stammt ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Das an ein Fischskelett erinnernde Muster entsteht, indem das Weberschiffchen nach einiger Zeit die Versatzrichtung wechselt. Dabei kommt ein Zickzackmuster mit einer eindeutig sportiven Note heraus. Weshalb das Muster auch nur tagsüber getragen werden sollte. Man findet Fischgrat bei Männern bevorzugt auf gröberem Sakkotuch, bei Frauen in allen Stoffqualitäten.
4. Karo Karomuster sind kumpeliger als Streifen, und es gilt: Je größer das Karo, desto gröber die Tätigkeit. Vergleichen Sie das Karomuster eines Holzfällerhemdes mit dem Karo des Golfspielers. Bis auf das Glencheck-Muster findet man Karos bevorzugt auf gröberem Sakkotuch, das den sportiven Charakter noch mal unterstreicht. Deswegen sind auch Karos prinzipiell nur für den Tag geeignet.
5. Glencheck Damit die verschiedenen Clans der schottischen Mc-Irgendwas-Familien sich besser voneinander unterschieden, entwickelten sie für ihre Kilts verschiedene Checks, auch das sind Karos. Der klassische Glencheck ist schwarz-weiß, doch in der Damenmode sind auch andere Farbkontraste verbreitet. Er findet ihn in allen Tuchqualitäten. Der Glencheck ist etwas für einen konservativen Geschmack.
6. Hahnentritt und Pepita Hahnentritt ist ein Kleinkaro mit geringfügigen Verlängerungen an dessen Ecken. Die erinnern an eine Hahnenkralle. Hahnentritt ist klein, aber größer als Pepita. Meist findet man es auf der gröberen Schurwolle eines Sakkotuchs. Das Pepita-Muster besteht aus kleinen Karos, meist in schwarz-weiß gehalten, die sich diagonal miteinander verbinden. Im Gegensatz dazu verlaufen die Verbindungen bei der Hahnentritt-Musterung zwischen den einzelnen Karos im rechten Winkel.
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7. Überkaro Das ist sozusagen der senkrechte und waagerechte Nadelstreifen mit einer ganz anderen Aussage. Überkaros beleben die Einfarbigkeit des Fonds etwas. An Frauen wirken Sie schnell etwas behäbig und schwer.
8. Paisley Das Paisleymuster stellt in zweierlei Hinsicht eine Ausnahme dar: Es ist die einzige geschwungene Form, die es auch im Business zu gebührendem Ansehen gebracht hat. Und: es wird nicht gewebt, sondern aufgedruckt. Das Muster sieht aus wie ein Blatt mit einem spitz zulaufenden, gebogenen Ende. Es wird auch nach seiner Drucktechnik Handballenabdruck genannt. Es ist ein Fruchtbarkeitssymbol und stammt ursprünglich aus dem indischen Kaschmirgebiet. Hier wurden Seidenstoffe bedruckt, indem man die Farbe auf den Handballen auftrug und diesen dann auf dem Stoff abrollte. Der Name Paisley ist eigentlich der einer Kleinstadt aus den schottischen Lowlands. Als die Stoffe aufgrund eines Handelsboykotts nicht mehr aus Indien importiert werden konnten, hatte man hier zuerst die Idee, das Symbol und die Technik zu kopieren.
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Die 70er
Die 70er: Die grelle Forderung – Schlaghose und Mustermix Seit 1970 wird man in Deutschland früher erwachsen; die jungen Menschen sind jetzt schon mit achtzehn Jahren wahlberechtigt. Aber das interessiert die bereits Volljährigen nur am Rande, da sie die etablierten Parteien aus politischen Gründen ohnehin nicht wählen werden. Mit Jesuslatschen, Blumen im langen Haar und einem verklärten Lächeln auf den Lippen trabt die Studentenbewegung im Partnerlook in das neue Jahrzehnt. Make love, not war, lautet ihr Grundsatz. Mode ist jetzt mehr als eine Gegenkultur. Sie ist ein politisches Statement. BH-Verbrennungen und die legendäre Minirock-Demo 1972 in Dortmund bringen die Forderungen nach Gleichberechtigung sehr anschaulich auf den Punkt. Der Minirock wird zum Synonym für die moderne, in jeder Hinsicht gleichberechtigte Frau aus der Mittelschicht. Es wächst die erste Mädchengeneration heran, die von Anfang an Hosen tragen darf. Die Hose ersetzt nun zu allen Gelegenheiten den Rock, und die Jeans wird erstmals im Büro getragen. Aber nicht irgendeine Jeans. Der Firma H.I.S. gelingt es, die Jeans mit schmaler Taille und rundem Po salonfähig zu machen. Und auch sonst üben sich Designer darin, das wilde Image der Jeans zu domestizieren. Sie scheuen weder vor Aufschlag noch vor einer Bügelfalte zurück. Dazu wird der grobe Denim in nur alle denkbaren Farben getaucht. Die Jeans rückt aus der Arbeiter- in die Lifestyle-Ecke. Zur gezähmten Jeans trägt die berufstätige Frau einen Blazer, meist in beige, denn Beige ist die Hauptfarbe für das Büro. Die Frauen, die arbeiten, halten sich vornehmlich in den unteren Hierarchieebenen auf und müssen sich anpassen. Sie wissen, was ihre Chefs erwarten: Zurückhaltende, unauffällige und nicht selbständig denkende Sekretärinnen. Da ist die Kombination von Blazer und Jeans schon ein kleines Erdbeben. Die Blazer haben in den 70ern alle ein ausladend breites Revers, das mitunter über der gesamten Brustpartie verläuft. Diese Form unterstreicht jedoch nur das Ego, nicht die Wichtigkeit
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der Person. Bei jenen Frauen, die fortan nur noch den one-size-BH der Firma Triumph tragen, sitzt die Jeans eher eng. Bei jenen, die ihren BH verbrannt haben, darf die Jeans eher bollerig und weit sitzen, aber diese Frauen wollten ja auch nicht ins Büro. Schlag hat die neue Allzweckhose in jedem Fall. Am Abend mutieren die braven Büromädchen zu Glittergirls. Sie tragen für die Disco Synthetikblusen oder Kunstfasershirts zur Jeans und Schuhe mit Plateausohlen. So tanzen sie ab 1974 zum schwedischen Gewinner des Grand Prix Eurovision ABBA, die das gleiche tragen. Auf den Oberteilen sind psychedelische Muster zu sehen, die nur unter Drogenkonsum kreiert worden sein können und den Betrachter fast blind machen, so grell klirren sie in den Augen. Auch Dauerwellen sind populär. Sie bringen gekringeltes, luftgetrocknetes Volumen in jedes noch so flusige Haar. Neben den schrillen Vertretern der Me-Generation, gibt es die Do it yourself-Bewegung, die – ebenfalls in beigefarbener Kleidung, aber diesmal in selbst gebatikter – zurück zur Natur will. Anita Roddick gründet 1976 den Body Shop und verkauft mit großem Erfolg Rezepte für Kosmetika, die das geheime Wissen von Frauen aus aller Welt in sich tragen. Die ökologische Bewegung warnt vor den Gefahren der Atomkraft und häkelt sich ihren Bikini selbst. Es gibt einen neuen Boom für Burda-Schnitte, denn selbst Gemachtes ist ein Symbol gegen maschinelle Industrieprozesse und deshalb ein Wert an sich. Außerdem dauert es vielen zu lange, bis sich der große Apparat der Konfektion in Bewegung gesetzt und die Trends aufgegriffen hat. Die großen Zeiten der Haute Couture sind endgültig vorbei. Modedesigner entwerfen nicht mehr nur für gehobene Einkommensschichten, sondern für jemanden, der gerade in poppiger, romantischer oder eleganter Stimmung ist. Yves Saint Laurent stellt sich diesem Trend und entwirft 1971 Hotpants, André Courrèges kreiert im gleichen Jahr die junge Linie Hyperbole, zu Deutsch „Übertreibung“: Ein eng anliegender, beigefarbener, ärmelloser Overall mit kurzer hellblauer Kastenjacke aus Nylon. Zwei Jahre später gibt Courrèges seinen konstruktivistischen Stil auf und verlegt sich auf eine betont fe-
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minine Linie. Beide Designer handeln sich den Vorwurf ein, ihre Grundfesten aufzugeben. Und das in Zeiten, in denen die gerade mal dreißigjährigen Nachwuchsdesigner Ralph Lauren und Calvin Klein die Haute Couture nicht nur laut in Frage stellen, sondern auch verändern, in dem sie zeigen wie viel lukrativer es sein kann, ein Image durch den Verkauf von Lizenzrechten als exklusiv zu bejubeln, anstatt es tatsächlich exklusiv zu halten. Beide sind unter üblen Bedingungen in der Bronx aufgewachsen und haben sich beharrlich hochgearbeitet. Ihr eigener monetärer Erfolg ist ihre größte Vision. Sie wissen, dass nur noch mit den Massen Geld zu verdienen ist und entwerfen „Pret a Porter“-Kollektionen, die ein Lebensgefühl von unkomplizierter Freiheit ausstrahlen. Schon 1970 wird Calvin Klein international bekannt, als er eine Neuauflage des pea coat von Yves Saint Laurent mit ausladendem Revers erfolgreich neben den inzwischen etwas angestaubten Trenchcoat stellt. (Ein pea coat ist ein doppelreihiger Kurzmantel, in dessen Name pea, vom englischen Wort „Erbse“, auf den kurzen Schnitt anspielt.) Die deutsche Jil Sander stellt 1973 ihre erste Kollektion in Hamburg vor. Das Besondere daran sind die variabel kombinierbaren Teile, die dem grellen Zeitgeist eine flexible und angenehme Zurückhaltung entgegensetzen. Der Italiener Giorgio Armani stellt 1975 auch seine erste Damenkollektion vor, bei der er den lässigen Blazerschnitt für Männer auf die Frauen überträgt. Das bietet sich an, sind doch seine Männerstoffe geradezu unmännlich weich und fließend. Im gleichen Jahr erscheint in den USA „The women’s dress for success book“ von John T. Molloy. Aber sowohl Molloys Buch als auch Armanis Anzug finden nur allmählich ihre Käuferinnen; ihre Klientel, die Yuppies, formiert sich erst Anfang der 80er Jahre. In der französischen Vogue erscheint ein Foto von Helmut Newton im Auftrag von Yves Saint Laurent, das den Look des 1966 von ihm kreierten Le Smoking fortschreibt. Das Model im Nadelstreifenanzug und perlgrauer Seidenbluse mit Schleife wirkt lasziv elegant, aber mit hartem Sexappeal. Das Foto zeigt zukunftsweisend wohin die Reise für Businessfrauen gehen kann.
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5. Wie viel Farbe verträgt das Business?
Alice Schwarzer schreibt 1975 den Bestseller „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, der in zwölf Sprachen übersetzt wird. 1977 gründet sie EMMA, die weltweit einzige unabhängige feministische Publikumszeitschrift. Alice Schwarzer kämpft mit grimmigem Blick und im schwarzen Schlabberlook für eine straffreie Abtreibung und für finanzielle Unabhängigkeit. Für alle Männer ist sie ein Grusel, während die meisten Frauen sie verehren, wenngleich sie es anfänglich mehr heimlich als offen tun. Sie mögen ihre Gedanken und Forderungen, aber kaum eine von ihnen will so aussehen wie sie. Schwarzer klammert ein attraktives Erscheinungsbild aus: Wer seine Sexualität einsetzt, um ans Ziel zu kommen wird am Ende nur ein trostloses, vom Mann bestimmtes Leben führen können. Die modemufflige Emanzipationsbewegung versteht nicht, wie man überhaupt Geld für Modemagazine ausgeben kann. Aber es gibt genügend andere, die es verstehen. Die erste Ausgabe der deutschen Vogue, die 1979 mit einer Auflage von 12.000 Exemplaren erscheint, ist bereits nach zwei Tagen ausverkauft. Übrigens: Die amerikanische Vogue gibt es schon seit 87 Jahren. Ein Beispiel einer erfolgreichen Karrierefrau zum Ende des Jahrzehnts ist Margret Thatcher. 1979 wird sie Premierministerin von Großbritannien. Beim Einzug in die Downing Street No. 10 wird ihr Ehemann Denis Thatcher gefragt: „Wer hat eigentlich bei Ihnen zu Hause die Hosen an?“ „Ich“, antwortet er. „Und ich wasche und bügele sie auch.“ Maggie Thatcher wird später den Spitznamen Eiserne Lady bekommen, weil sie mit den Bergbaugewerkschaften in gnadenloser Härte das durchficht, was längst überfällig ist, im Einzelfall jedoch grausame Konsequenzen hat. Ihre Frisur ist zu jeder Tages- und Jahreszeit eine einzige perfekt gelegte Welle. Und so eine Frisur braucht Zeit. Hier zeigt sich, dass man in allen Ländern außer in Deutschland einsieht, dass auch Frauen in verantwortlicher Position ihre special needs haben, die ihre Zeit brauchen. Thatcher trägt konsequent den englischen Lady Style. Kostüme in schwarz, royalblau oder grün. Das sind die wichtigen Farben. Im Gegensatz dazu trägt die Queen nur Pastelltöne.
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Die 70er
Der befreite Geist, dem die Kleider folgen sollten, schlug sich in absolut überdrehten Trends nieder: Pluderhosen und Hotpants, Mini, Midi oder Maxi. Die 70er Jahre in denen man sich engagieren, provozieren oder einfach nur den wachsenden Wohlstand genießen konnte hinterlassen viele unübersichtliche Freiheiten.
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6. Meilensteine der Businessmode
6. Meilensteine der Businessmode Nun wissen Sie genug über Farben, Formen und Schnitte, um sich mit Ihrer Kreditkarte bekleidet auf den Weg zu machen. Um sich von Oben bis Unten businesstauglich einzukleiden, braucht es vor allem eins: Übung. Am besten, Sie fangen damit so schnell an, wie möglich. Ich zeige Ihnen, wie es geht.
Drunter für Drüber: Dessous Marilyn Monroe hatte eine besonders sexy Figur. Dabei war sie nicht mal so dünn und mit 165 cm kleiner als die heutigen Topmodels. Na klar hatte sie eine Brustvergrößerung, aber sie ließ sich auch Nase, Kinn und Haaransatz verändern, damit ihr Kopf im Verhältnis zum Körper zierlicher erschien. Außerdem trug sie, man höre und staune, eine Gummisilhouette über dem BH beziehungsweise unter dem Kleid. Models ahmen das bis heute nach und wickeln sich Frischhaltefolie um Taille und Brust. Nichts bringt Ihre Formen besser zur Geltung und lässt ein Kleidungsstück besser über den Körper gleiten. Das Gleiche sollten Sie von Dessous erwarten. Wenn der Schöpfer es gut mit ihr gemeint hat, kann eine Frau mit schönen symmetrischen Proportionen punkten. Die Breite der Taille einer Frau beträgt im Durchschnitt 0,7 bis 0,8 Mal die Breite ihrer Hüfte. Barbie hat eine Hüfte-Taille-Relation von 0,54 – unerreicht und unerreichbar ist dieser Wert, aber er verrät viel über unsere Träume. Eine schmale Taille steht für Fruchtbarkeit und Jugendlichkeit. Ihr Verschwinden ist der sichtbare Vorbote der Menopause. Auch schlanke Frauen haben im Alter weniger Taille. Jüngere Frauen ohne ausgeprägte Taille werden deshalb älter geschätzt als sie eigentlich sind. Die Größe der Brust sagt nichts darüber aus, ob Frauen stillen können oder nicht, aber eine schmale Taille steht nachgewiesenermaßen für eine größere Empfängnisbereitschaft. Männer finden eine schlanke Taille letztlich aus evolutionsgeschichtlichen Gründen attraktiv, und es ist nachvollziehbar, warum Frauen so hart daran arbeiten, sie zu erhalten – und warum sie auch von der Mode betont wird.
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Drunter für Drüber: Dessous
Es ist jetzt etwas mehr als hundert Jahre her, dass die so genannte Reformkleidbewegung unbequemen Korsetts und Korsagen aus Draht, Fischbein und mit aufwändigen Taillenschnürungen ein Ende bereitete und Frauen zu einer praktischeren Unterwäsche und damit zu mehr Bewegungsfreiheit verhalf. Alles, was die Wirbelsäule schädigte, wurde zwischen 1910 und 1915 abgeschafft. Ein Grund dafür war die erstarkende Frauenbewegung, ein anderer der Erste Weltkrieg. Denn mangels männlicher Arbeitskräfte gingen mehr und mehr Frauen in Fabriken arbeiten und benötigten dafür eine bequeme und praktische Kleidung. Dessous sagten immer viel darüber aus, wie es gerade um die Gleichberechtigung bestellt war. Zwischen Studentenrevolte und dem Höhepunkt der zweiten feministischen Welle verbrannten Frauen ihre BHs demonstrativ. Heute zeigen Dessous aus hochinnovativen Hightech-Fasern das Beste aus bereits Vorhandenem, und das wollen die Frauen nicht mehr hergeben (geschweige denn verbrennen). Die Form gebenden Stützen mit Erotikfaktor verhelfen einer Frau zu mehr Selbstbewusstsein und jedem Outfit zu einem besseren Sitz. Der Busen besteht zu 70 Prozent aus Fett- und zu 30 Prozent aus Drüsengewebe. Das heißt 0 Prozent Muskelgewebe. Dadurch ist die Brust formbar, das ist ein echter Vorteil. Mit einem ganzen Arsenal an clever gearbeiteten BH-Cups und Korsagen können Sie das geschmeidige Gewebe in fast jede erdenkliche Position dekolletieren, pushen oder minimizen. Wenn Sie Spaß dran haben, ist das eine gute Nachricht: Es gibt für jedes Outfit ein spezielles Dessous. Und: Mit zwei BHs kommen Sie nicht weit. Zudem gibt es zahlreiche Sondermodelle: BHs mit Gel-Einlage ersetzen das Silikonimplantat mit verblüffend gutem Ergebnis. Stars behelfen sich mit Klebe-BHs, damit der bauchnabeltief dekolletierte Gang über den roten Teppich nicht zur Hängepartie wird. Dreiviertel-Cups vollenden die Wirkung des Cocktailkleides, Neckholder sorgen für den Sitz der rückenfreien Outfits und die thermoplastisch vorgeformten Molden Cups zeichnen sie sich nicht ab. Die Reihe ließe sich mühelos fortführen, aber der Besuch in einem Shop macht da einfach mehr Spaß. Ungeachtet dieses Feuerwerks von Erotik sollten Sie immer darauf achten, dass der BH, den Sie tragen, gut formt. Alles andere wäre einfach zu schade. Besonders, wenn Sie ein neues Jackett kaufen wollen, sollten Sie beim Anprobieren einen sehr guten BH darunter tragen. Er hilft Ihnen,
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den Brustpunkt des Jacketts an der richtigen Stelle zu platzieren. Das ist der Punkt, an dem der Brustumfang am größten ist. Den BH, den Sie bei der Anprobe getragen haben, sollten Sie dann immer zu dem Jackett tragen. Bisher ist es den BH-Herstellern leider noch nicht vollständig gelungen, optimale Formgebung mit einer erotischen Aussage zu kombinieren. Da geraten Spitze und Stütze schnell aneinander und die Kundin muss sich entscheiden: Sanitätshausflair oder verführerische Begehrlichkeit? Es wird besser, aber Zugfestigkeit, Stützkraft und hauchzarte Wunder sind auch nicht ganz so mühelos miteinander zu versöhnen. Wenn Sie etwas Engeres tragen, sollten Sie Folgendes beachten: Ein normaler BH stößt an seinen Übergängen auf die nackte Haut und deshalb auch immer schneller an seine Grenzen als ein durchgängiger Bodyformer. Auch bei schlankeren Frauen zeichnet sich der Rückenbügel eines BHs unter der Bluse ab, durch Feinstrick und manchmal sogar durch ein Jackett durch. Sind die Oberteile dazu noch mit Stretchanteilen versehen, verstärken sich Röllchen und Einbuchtungen deutlich. Bodyformer glätten die Hüften und schaffen schöne Übergänge zwischen Hose, Rock und Bluse. Sie vermindern das Wackeln etwaiger Speckröllchen und sorgen dafür, dass Sie sich insgesamt schlanker fühlen und auch so aussehen, ob im Sitzen oder Stehen. Außerdem fließt, fällt und sitzt jedes Kleidungsstück, das Sie drüber tragen, sehr viel besser Es gilt: Je weicher das Drüber, desto wichtiger wird der Former darunter – wie beim Frischhaltefolieneffekt.
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Von Termin zu Termin: Trenchcoat, Lederlongblazer und Kamelhaarmantel
Von Termin zu Termin: Trenchcoat, Lederlongblazer und Kamelhaarmantel
In der Mode gibt Sensibilität unter anderem den Ansprüchen und Bedürfnissen Resonanz, die aus der Realität des täglichen Lebens resultieren.
Trenchcoat Die Geschichte des Trenchcoats führt uns direkt zu seinem Schöpfer Thomas Burberry. Nicht viele Kleidungsstücke lassen sich so eindeutig ihrem Erfinder zuordnen. Allerdings ist der Begriff Trenchcoat heute ein Sammelbegriff für alle möglichen hochmodernen Stoffregenmäntel. Grund genug, sich das Original noch mal anzuschauen. Der Original-Trenchcoat war der erste Regenmantel, der nicht wie einer aussah. Er kam ohne Gummi- und Wachsoberfläche aus. Trench heißt Rinne, Furche oder auch
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Schützengraben und bezieht sich auf die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Der Trenchcoat diente den englischen Soldaten damals als Armeemantel und sollte sie vor Nässe und Kälte schützen. Neben Burberry waren Barbour und Aquascutum die bekanntesten Hersteller dieses Manteltyps. Ein Geheimnis von Thomas Burberry lautete: Erst imprägnieren, dann weben. So machte er das Kammgarn wetterfest. Ein weiteres Geheimnis bestand darin, Wolle mit Baumwolle zum so genannten Steilkörpergrat besonders dicht zu verweben, bis ein robustes Gewebe, die Gabardine, entstand. Sie wärmte, war leicht und hielt trocken. Im Jahr 1888 ließ er sich das Webverfahren patentieren. Die typischen Details des Trenchcoats sind dem Einsatz im Krieg geschuldet: An den Schulterklappen konnte man Kriegsgerät befestigen, unter der doppelten Stoffhaut blieb man selbst, aber auch das Gewehr einigermaßen trocken, so genannte D-Ringe auf Taillenhöhe waren die Schnellverschlüsse jener Zeit. Mit ihnen konnte man beispielsweise Luftpolster unter dem Mantel festschnüren, um sich damit zu wärmen. Und dann war da noch der Gürtel mit einer Gürtelschnalle, die bis heute nicht benutzt wird, denn beim Trench wird geknotet. Aus heutiger Sicht ist das Gabardine von damals nur bedingt wettertauglich und leicht, Mikrofasern können das alles viel besser, aber damals war es das intelligenteste Gewebe seiner Zeit. Mangels vergleichbarer Stoffe und wegen seines im Krieg erworbenen Ruhmes schaffte es der Trench zu Friedenszeiten bald auch in die feine Gesellschaft und englische Herrenclubs. Dass der Trenchcoat auch in der restlichen Welt seinen rasanten Siegeszug antreten sollte, ist den Filmhelden der 40er Jahre zu verdanken. Greta Garbo und Humphrey Bogart kamen in dem Mantel mit Off-Road-Qualitäten zu dem Image, das damals wie heute begehrt ist: modern, cool, dynamisch. Der Trenchcoat ist ein Unisex-Kleidungsstück. Im Original hat er Raglanärmel, das heißt, der Stoff des Ärmels geht mit einer schrägen Naht in die Schulterpartie über, was immer bequem ist, weil der Ärmelansatz dann groß genug ist. Außerdem ist der Trench zweireihig geknöpft. Kommt er aus dem Hause Burberry, ist er innen zudem mit dem so genannten
Burberry-House-Check,
jenem
bekannten
rot-beige-weiß-
schwarz-karierten Stoff ausgestattet. Auch hierin unterscheidet sich der Mantel für Damen und Herren in keiner Weise.
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Modische Neuheiten am bewährten Klassiker bieten fast alle Hersteller Jahr für Jahr an. Meist kommen dabei pfiffige Details heraus. Manchmal bleibt der Trench aber auch nicht vor modischen Torheiten verschont. In den 70ern entwarfen Designer Modelle aus durchsichtigem Plastik und rotem Lackleder, in den 80ern gab es plötzlich an der Schulter überschnittene, bodenlange Modelle, die locker das Familienzelt ersetzen konnten. In den 90er Jahren gab es wiederum verunglückte Versuche, den Trenchcoat mit neuen Materialien aufzumotzen – stumpf und plüschig weichgespült kam er daher. Und dann stellte das Haus Burberry höchstselbst in dieser Dekade auch noch eine mädchenhafte Ausführung in Barbiepink sowie eine dramatischere Version in goldfarbener Wattierung vor. Doch darauf fällt die kluge Businessfrau nicht herein. Sie weiß, an welchen Merkmalen sie einen echten Trench identifizierenden kann: Dazu gehören eine unauffällige Farbe, eine nur leicht überschnittene Schulter, der typische Hochstellkragen und ein Gürtel, der sich zum Knoten eignet. Frauen entspannen sich im Trenchcoat. Sie schätzen ihn als unkomplizierten Reisebegleiter, bei dem aus kontrollierter Schlampigkeit Lässigkeit wird. So werden auch ihr Gang und ihre Gestik ein paar Umdrehungen lässiger. „Er ist ein echtes Image-Chamäleon“, sagte mir einmal eine Chefredakteurin, „ich kann darunter ein sündhaft teures Kostüm tragen oder einen legeren Feinstrickpulli mit Hose. Und er eignet sich sowohl für den Besuch beim Intendanten, als auch in der Kantine.“ Er schenkt den Frauen eine bodenständige Sexiness, die nach oben offen und nach unten nicht abgrenzend wirkt – ein Abenteuer, das leicht zu handhaben ist.
Lederlongblazer Bei ihm gibt es keine Entstehungsgeschichte und auch kein eindeutiges Vorbild wie beim Trenchcoat. Trotzdem ist der Longblazer aus Leder ein Klassiker für Businessfrauen und eine geeignete Garderobe auf dem Weg in die Chefetage. Mit dem Revers eines Jacketts und der Länge eines kürzeren Mantels ist er ein echter Zwitter. Auch was das Drinnen und Draußen, Drüber und Drunter angeht, ist er ein echtes Zwischending. Er wirkt zunächst empfindlich und deshalb wenig praktisch, aber je mehr man ihn trägt und berührt, desto besser sieht er schließlich aus. Luxus ist immer die angenehme Seite des Nichtnotwendigen. Leder ist Luxus und ein Wert an sich. Es lohnt sich, auf gute Kürschnerarbeit zu achten, denn die Ver-
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arbeitung von Leder zum Jackett ist eine besonders knifflige Sache. Vertrauen Sie auf die Namen international bekannter Hersteller, die, wenn sie es nicht selbst herstellen, die Lederverarbeitung in gute Hände geben und mit ihrem Namen dafür gerade stehen. Das Leder des Longblazers sollte weich sein, aber nicht zu weich. Sonst hängt er schlapp an Ihnen herunter und zieht im Schulter- und Brustbereich unvorteilhafte Falten. Diese Falten erkennen Sie beim Kauf nur, wenn Sie die Knöpfe schließen. Und aufgepasst: Der Longblazer, der fürs Business immer aus Glatt- nicht aus bravem Veloursleder sein sollte, ist gerechtfertigt teuer. Für die Geschäftswelt hatte der Longblazer nicht von Anfang an eine Eintrittskarte. Dazu weckt er wohl zu viele negative Assoziationen. In schwarz erinnert er zum einen an die Mäntel der SS, zum anderen an existenzialistische Künstler, überdrehte Filmemacher und andere anstrengende Zeitgenossen, die sich stolz einer Subkultur zugehörig fühlen. Grobes, braunes Leder lässt an einen Westernhelden denken, und in Reptilausführung ruft er – zurecht – die Tierschützer auf den Plan. Erst die Liebes-Kolumnistin Carrie Bradshaw alias Sarah Jessica Parker aus „Sex and the City“ setzte den Lederlongblazer Ende der 90er Jahre auch für die Businessetage durch. Sie trug ihn in der seinerzeit angesagten Farbe Chiantirot zu einer weißen, schlichten Bluse, zu einer verwaschenen, knackig engen Jeans und hohen Hacken. Das war casual auf hohem Niveau und traf den Zeitgeist punktgenau. Er steht für einen seriös-informellen Stil und etablierte sich mit einem adäquaten Partner, etwa der Jeans, schnell als Inhouse-Kombination für Tage, an denen man nur seinen eigenen Leuten begegnet. Die drei gängigen Geschäftsfarben sind ein sattes Chiantirot, ein weiches Schwarzbraun und ein leichteres Bernsteinbraun. Mit durchgehend einfarbiger Kleidung drunter, beispielsweise schwarzer oder weißer Hose plus Oberteil, ist der Lederlongblazer auch für Außenkontakte eine gute Wahl. Offen getragen oder auch nur den obersten Knopf geschlossen ist er besonders vorteilhaft, da er in dieser Kombination einen block view verursacht – der Betrachter nimmt hauptsächlich die einheitliche Farbe wahr, und die Frau wirkt schlanker. Der Lederlongblazer sollte wie ein italienischer Rock genau eine Handbreit über dem Knie enden. So wird das Bein in der Harmonie des Goldenen Schnittes geteilt. Durch passende Schuhe mit einem Fünf-Zentimeter-Absatz
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wird es insgesamt verlängert. Über den Lederblazer sollte man keinen Mantel ziehen, und es passt auch kein Jackett drunter. Dazu ist er einerseits zu sehr Mantel, andererseits mit passgenauer Jackettschulter aber auch wieder nicht. Er ist beides, und weil der Lederlongblazer Mantel und Jackett in einem ist, braucht man ihn auch nicht gleich abzulegen, wenn man einen Raum betritt, aber man kann es tun. Wenn Sie sich seiner entledigen, empfiehlt es sich, ihn nicht an die Garderobe abzugeben, sondern ihn bei sich zu behalten, wie man es mit einem Jackett auch tun würde. Für Geschäftsfrauen hat der Lederlongblazer den Vorteil einer informellen Autorität. Sie sind Kollegen und Mitarbeitern näher, aber nicht zu nah. Kein Kumpel für alle Tage, aber ein treuer Freund für die spezielle Situation.
Kamelhaarmantel Der Begleiter für kalte Wintertage ist heute meistens nicht mehr aus Kamelhaar. Er wurde früher Magnatenmantel genannt und die Legende dazu besagt, dass ungarische Magnaten den Mantel 1908 den Olympischen Spielen in London trugen. Dies waren die ersten Spiele, bei der eine Wintersportart, der Eiskunstlauf, ausgetragen wurde. Die ungarischen Großgrundbesitzer konnten den Wettkampf in der unbeheizten Halle sichtbar unbeschwert genießen, der Mantel aus warmem Kamelhaar wärmte sie. Dies blieb in England nicht lange unbemerkt, einem Land, dessen Bewohner schon immer etwas übrig hatten für Kleidungsstücke, die zur rechten Zeit ein echtes Problem lösen konnten – siehe Trenchcoat. Das war hier zweifelsohne der Fall, außerdem waren Material und Farbe des weichen, edel-sandfarbenen Kamelshaars neu. Und die großzügig gepolsterten Schultern sowie der ursprünglich zweireihige Jackettmantelschnitt stärkten Ego und Image des Trägers. Erst seit den 60er Jahren findet man den Mantel auch in der Damengarderobe. In den experimentierfreudigen 70ern und 80ern geriet er ziemlich in Vergessenheit und wurde nur noch von älteren Damen getragen, was ihm das Image eines Oma-Mantels einbrachte. Das italienische Traditionshaus für Mäntel, Max Mara, ließ sich davon nicht irritieren und entwarf 1981 das maskuline, aber an der Frau sehr lässig wirkende Modell Nummer 101801. Es war zweireihig, knielang und leicht tailliert,
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aber nicht aus Kamelhaar gefertigt, sondern aus Kaschmir. Die Nummer – 101801 – ist eine Art Code an dem die Mitarbeiter des Unternehmens ablesen können, in welcher Weise und Abfolge dieser Mantel gefertigt wird. Es bedarf 73 Arbeitsschritte und knapp drei Stunden dafür. Auch Gucci und Prada, die in den 90ern besonders von Trendsettern unter den Designern umschwärmt wurden, brachten ziemlich detailgenaue Interpretationen des ersten Damenmodells aus den 60ern auf den Markt. Wie bei Max Mara zweireihig, knielang, aber stark tailliert. Der Blazermantel hüllt Sie großzügig ein, entweder in Kaschmir oder in feine Schurwolle. Jedes Jackett findet darunter bequem Platz. Er ist leichter als im ersten Moment vermutet, das ist so, als hätten Sie einen überraschend guten Tanzpartner erwischt, dem Sie das gar nicht zugetraut hätten. Besser können Sie Understatement, Eleganz und Glamour in den Wintermonaten nicht zum Ausdruck bringen.
Es ist falsch, sich als Frau so zu kleiden wie ein Mann. Ich jedenfalls habe Mühe, wenn eine Frau irgendeine Jacke zu einer Hose kombiniert. Oder eine Hemdbluse zum Anzug. Das ist kein Tenue, das hat keinen Zusammenhalt …
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Urgesteine im Anzug: Jackett, Rock, Hose, Bluse
Urgesteine im Anzug: Jackett, Rock, Hose, Bluse Wenn Sie drei von diesen vier Kleidungsstücken als Hosenanzug oder als Kostüm tragen, zeigen Sie mit dieser Kombination, dass Sie sich im Business bewegen. Ihr Zusammenspiel erzielt zu jedem Zeitpunkt eine große Wirkung. Jackett, Rock, Host und Bluse sind im wahrsten Wortsinn Urgesteine der Businessmode und mehr denn je „im Anzug“. Lassen Sie sich von ihnen zum Erfolg tragen.
Mein Lieblingsstück in meinen Kollektionen ist immer wieder die DoubleFace-Jacke, weil Double-Face den höchsten handwerklichen Anspruch erfüllt und zudem für Modernität und einmaliges Tragegefühl sorgt.
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Jackett und Blazer – für Hosenanzug und Kostüm Jacketts und Blazer sind deshalb genau das Richtige für offizielle Anlässe, weil sie nur kontrollierte und keine besonders sportlichen Bewegungen zulassen. Ihre gesamte Erhabenheit kommt sogar am besten zum Tragen, wenn Sie sich gar nicht bewegen, sondern einfach nur dastehen. Sie sind weder praktisch noch pflegeleicht. Sie wärmen nicht und schützen nicht vor Regen. Und auf alle Fälle müssen sie chemisch gereinigt werden. Jacketts und Blazer sind keine Jacken zum Drüberziehen, sondern statusfördernde Körperhüllen mit rein gesellschaftlicher Funktion. Im gängigen Sprachgebrauch des Einzelhandels unterscheidet sich der Begriff des Blazers nur dadurch vom Jackett, dass es keine stoffgleiche Hose dazu gibt. Der Blazer ist quasi ein Synonym für das Sakko der Herren. Der Begriff des Jacketts hingegen weist auf eine dazugehörige Hose oder einen Rock hin. Der Begriff Blazer hat damit gar nichts zu tun. Die ursprüngliche Bedeutung kommt vom Englischen to blaze, was leuchten heißt und von blazon, was so viel wie Wappenschild bedeutet. Das verweist auf die Farben der Herrenclubjacken englischer Ruderer, die im Gegensatz zum bürgerlichen Alltagsanzug auffallend leuchteten, sowie deren aufgestepptes Clubabzeichen auf der linken Brusttasche. Dass wir mit dem Blazer vor allem die Farbe Dunkelblau und goldene Knöpfe assoziieren, liegt daran, dass sich der Navyblazer, den ich Kapitel 5 erwähnt habe, zeitgleich entwickelte. Auch der Schnitt des Blazers unterscheidet sich nicht grundlegend vom Jackett, weshalb hier beide gemeinsam beschrieben werden. Für das klassische Frauenjackett gibt es zwei von der Männergarderobe abgeleitete Urformen, die sich seit über hundert Jahren fast nicht verändert haben. Sie werden in der Frauengarderobe in jeder Saison zitiert, adaptiert und manchmal auch bis fast zur Unkenntlichkeit verändert. Als dritten Archetyp gibt es die so genannte Chanel-Jacke, die sich fundamental von den ersten beiden unterscheidet (und deswegen auch Jacke und nicht ChanelJackett heißt). Wenn Sie den Formenkanon der drei Archetypen kennen, fällt es Ihnen nicht schwer die gelungenen Umarbeitungen in der Damenabteilung von missglückten Experimenten zu unterscheiden. Doch zuvor gebe ich Ihnen noch ein paar allgemeingültige Regeln bezüglich der Ärmel- und Endlänge an die Hand sowie die Übersetzung der wichtigsten Vokabeln:
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Urgesteine im Anzug: Jackett, Rock, Hose, Bluse
Endlänge: Bei der klassischen Länge können Sie mit der herabhängenden Hand den unteren Saum umfasst, ohne dass sich das Jackett hochzieht. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Schnitte deutlich kürzer geworden, bisweilen sogar so kurz, dass das Jackett an die Jacke eines Liftboys erinnert. Jacketts, die zum Rock getragen werden, sollten auf Hüfthöhe abschließen und nicht länger sein. Jacketts, die zur Hose getragen werden, dürfen dagegen etwas länger sein. Je länger das Jackett, desto eher erinnert es an seinen Ursprung – die Uniformjacke.
Ärmellänge: Klassischerweise endet der Ärmel an der Handmaus, dem Muskelstrang, in den der Daumen mündet. Kürzere Längen sind die Dreiviertel- und die Siebenachtellänge. Erstere wirkt brav, wenn keine Gegenakzente, zum Beispiel durch eine abgerissene Jeans, geschaffen werden, die aber im Geschäftskontext auch nicht optimal ist. Letztere wirkt abendlich elegant. Schauen Sie sich dazu mal die Garderobe von Audrey Hepburn an. Fasson: Fasson nennt man den vorderen Teil des Jacketts vom Hals bis zum ersten Knopf. Es umfasst den Kragen und das Revers. Verbunden sind beide durch die Spiegelnaht. Kragen: Bezeichnet den oberen Teil des Fassons. Revers: Bezeichnet den unteren Teil des Fassons. Spiegelnaht: Ist die Verbindungsnaht zwischen Kragen und Revers. Hierbei unterscheidet man die fallende Spiegelnaht, auch fallendes Revers genannt (siehe auch Skizze Seite 123), von der steigenden Spiegelnaht, auch steigendes Revers genannt (siehe auch Skizze Seite 122). Bei Ersterer verläuft die Naht nach schräg unten, bei Letzterem ist die Naht gebrochen. Das heißt, sie läuft zunächst nach schräg unten, um dann nach schräg oben weiterzulaufen.
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Jetzt zum Formenkanon. Es gibt drei Archetypen, die Sie kennen sollten: 1. Einreihiger Drei-Knopf mit fallendem Revers Die Urform des einreihigen Anzugs hat grundsätzlich drei Knöpfe und ein fallendes Revers. Für die Knöpfung gilt Folgendes, wenn Sie stehen: Den oberen Knopf schließen Sie manchmal – sometimes. Den mittleren Knopf schließen Sie immer – always. Aber never ever – nie – dürfen Sie den untersten Knopf schließen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, das auf König Edward VII. zurückgeht. Dieser korpulente Regent ließ als erster den untersten Knopf seiner Weste offen, ganz einfach deshalb, weil er nicht mehr zuging. Um ihn nicht zu brüskieren, ließen fortan alle in seiner Gegenwart den untersten Knopf offen. Das ist zur Tradition geworden sowohl bei der Weste als auch beim Jackett. Wenn Sie sitzen, dürfen Sie das Jackett übrigens ganz offen tragen. Des Weiteren hat der Anzug schräg angesetzte Pattentaschen. Das heißt es gibt eine Stoffklappe über der Tasche, die zur Paspeltasche wird, wenn man die Stoffklappe in der Tasche verschwinden lässt. Dazu gibt es eine Brust-Leistentasche. Am Rücken hat der Anzug einen mittigen Rückenschlitz. 2. Zweireihiger Sechs-Knopf mit steigendem Revers Die Urform des zweireihigen Jacketts hat grundsätzlich ein steigendes Revers. (Das heißt, richtig, die Spiegelnaht ist gebrochen und weist schräg nach oben.) Von den sechs Knöpfen sind zwei Blindknöpfe, die nicht geschlossen werden. Von den zwei schließbaren Paaren werden nur die oberen geschlossen. Der Anzug hat gerade angesetzte Pattentaschen, die ebenfalls zu Paspeltaschen werden können. Ein Zweireiher bleibt immer geschlossen. Am Rücken gibt es zwei Rückenschlitze. 3. Chanel-Jacke Die Chanel-Jacke ist im Original kastig geschnitten und hat eine hüftkurze Form mit Rundhalsausschnitt ohne Revers. Sie hat Siebenachtel-Ärmel und schließt oben mit einem großen goldenen Knopf ab, der stets geschlossen bleibt. Die Ränder am Kragen und an den Ärmeln sind bortenumsäumt, und die Jacke ist aus Tweedstoff. Dazu wurde prinzipiell ein stoffgleicher knielanger Rock getragen, keine Hose.
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Urgesteine im Anzug: Jackett, Rock, Hose, Bluse
Heute sind die Chanel-Adaptionen oft Solitäre. Sie werden zu Rock und Hose getragen, die nicht unbedingt stoffgleich sein müssen. Ihre Ärmel sind oft normal lang und der Stoff ist nicht zwingend Tweed, aber immer weichere Maschenwaren. Die Knopfanzahl variiert meist von eins bis vier. In der Skizze Seite 62 sehen Sie eine moderne Interpretation der Chanel-Jacke mit kurzem Stehkragen und 7/8 Ärmeln.
Das sollte ein Jackett können Wenn ich Sie jetzt in die Stadt schicken würde, um eine der drei beschriebenen Formen zu kaufen, so kämen Sie mit leeren Händen zurück. Die besten Chancen hätten Sie noch beim einreihigen Drei-Knopf-Anzug. Er gilt als formvollendetes, proportional nicht mehr zu verbesserndes Kleidungsstück und ist daher fast bei jedem Hersteller im Sortiment zu finden. Die letzten Adaptionen von Chanel-Jacken in allen Preislagen gab es in der Saison 2006, danach war erstmal Schluss. Diese Form finden Sie derzeit deshalb so gut wie überhaupt nicht. In der Frauengarderobe wird mit den Urformen gespielt, wobei sich auch gern Elemente alle drei Archetypen auf einer Jacke wieder finden. Das kann toll und sehr schick sein, aber bis zur Lächerlichkeit ist es manchmal auch nur ein schmaler Grat. Um den Modekaspern nicht in die Falle zu tappen, sondern businesstaugliche Waren und damit auch seriöses Sexappeal einzukaufen, ist es von Vorteil, die Elemente der Archetypen zu kennen. Wenn Sie dann noch die drei folgenden Regeln beachten, wird es schon klappen: 1. Jacketts und Blazer sind keine Jacken Sie müssen fließen und gleichzeitig sitzen wie eine schmeichelnde zweite Haut. Und das können sie nur, wenn Sie (im Stehen) mindestens einen Knopf schließen. 2. Knopfanzahl Das Fasson wird mit Anzahl der Knöpfe kürzer, und die Knöpfe stehen enger zusammen. Bei mehr als drei Knöpfen wird das Jackett fast zur Jacke, was bedeutet, dass man es dann auch durchaus offen tragen kann.
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3. Fassonlänge Je größer Ihr Busen, desto länger sollte das Fasson sein. Denn kürzere Fassons wirken sonst schnell brav und bieder. Der oberste Knopf sollte im unteren Bereich des Brustbeins platziert sein. Dann durchbricht das Fasson die Brustpartie und Sie wirken schlanker. Zu guter Letzt noch eine Regel, die immer Gültigkeit besitzt: Je ernster der Anlass, desto schlichter sollte das Jackett sein. Keine gesteppten Nähte, kein Materialmix, keine aufgesetzten Taschen, keine Zweifarbigkeit. Nur der klassische Schnitt sollte im Vordergrund stehen. „Ernst“ bedeutet in die Modesprache übersetzt „reduziert“.
Der Rock Der Rock ist eines der ältesten Kleidungsstücke überhaupt. Das leuchtet ein, denn letztlich besteht er nur aus einem um die Hüften gewickelten Stück Stoff. Und weil Einfaches gerade im Business immer gute Chancen auf eine lange Lebensdauer hat, finden auch Managerinnen an ihm Gefallen. Sie holen den Rock aus der lieblichen Ecke, um ihn in der Chefetage zu tragen. Vor allem, weil sie wissen, dass sie darin eine natürliche Autorität ausstrahlen. Viel mehr als eine Hose steht der Rock zwar für Weiblichkeit, aber klare Linien vermitteln den Eindruck von Kompetenz und Seriosität. Eine gekonnte Mischung aus Zartheit und Entschlossenheit entsteht – geprägt von Coco Chanel. Sie wusste genau, was sie tat, als sie ihre „Befreiungskleider“ für die Frauen erfand. Die Macht der Frauen liegt in der Beweglichkeit, war ihr unverrückbares Credo. Aber nicht um den Preis der weiblichen Formen! Diors Schnitte, ob H-, Y- und Tulpenlinie, verjüngten sich nach unten und ließen allenfalls zu, dass sich die Frauen trippelnd fortbewegten, wenn überhaupt. Oder sie hatten einen so genannten Diorschlitz, der zwar beim Gehen half, aber Männerfantasien nur so beflügelte. Für Chanel eine prima Vorlage, die zeigte, wie sie es nicht machen wollte. Sie entwarf eine das Knie umspielende, gradlinige Rockform aus bewährtem, weichem Tweed oder Jersey. Aber der Clou war diesmal nicht im Stoff, sondern der schöne Übergang zum Oberteil. Chanels Jacke war hüftkurz und ließ den Blick auf den Rockübergang zur Bluse frei. Der Rock war, zumindest von vorn, in seiner Gänze zu sehen. Strickoberteile waren gerade
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so lange, dass sie bis zum Rock reichten und Blusen wurden im Rock und nicht darüber getragen. Den Übergang mit dem Oberteil zu verdecken war nicht vorgesehen, denn das hätte alle Proportionen kaputt gemacht. Dazu ist eine breitere Passe von Vorteil, denn sie glättet den Weg zum Oberteil. Gürtelschlaufen untermauern den Businesscharakter, erinnern sie doch an den Hosenbund. Was „Knie umspielend“ bei Ihnen bedeutet, müssen Sie selbst herausfinden. Meist sitzt der Saum etwas darüber oder knapp drunter. Jede Frau hat ihre eigene perfekte Länge. Vertrauen Sie dabei dem mit dem Geschäft kooperierenden Änderungsschneider. Er sieht, welche Länge Sie brauchen. Es hängt davon ab, wie sich ihre Beinlänge proportional zum restlichen Körper verhält. Und es hängt davon ab wie flach oder ausgeformt ihre Kniescheibe ist. Je ausgeformter ihr Knie ist, desto sinnlicher schaut es in die Welt, und das dürfen Sie auch im Geschäftsalltag gerne zeigen. Ob der Rock dabei keine oder drei Falten hat, eher leicht ausgestellt oder sogar etwas glockig ist, ist tatsächlich eine Modefrage. Auch ein luftiger Glockenrock bringt sehr viel Autorität mit sich, wenn Sie zwei Punkte berücksichtigen: Die richtige Knielänge und einen sichtbar gelungener Übergang zum Oberteil. Diese Bleistift-Rockform assoziiert man bis heute untrennbar mit dem Bürojob. Heute haben innovative Materialien den schweren Tweed abgelöst und unaufdringliche, pfiffige Details spiegeln die Souveränität der gelassenen Businessfrau in Sachen Mode. Der Rock verleiht Bodenständigkeit und Sexappeal und steht Frauen aller Altersklassen gut.
Die Hose Als letztes zog die Hose in den Kleiderschrank der Frauen ein. Der Urtyp war die Bloomers aus dem Jahr 1851, benannt nach ihrer Erfinderin Amelie Bloomers. Hierbei handelt es sich um eine knöchellange Pluderhose, die unter dem Rock getragen wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie – ohne Rock – zur beliebten Fahrradhose. In der Stadt oder gar der feineren Gesellschaft war sie allerdings nicht akzeptiert. Noch 1931 wurde Marlene Dietrich vom Pariser Bürgermeister der Stadt verwiesen, weil sie einen Hosenanzug trug, wobei die Hose und nicht das Jackett der Stein des Anstoßes war. Diese Hose bezeichnen wir heute als Marlene-Hose: Weich fließender Tweed mit geradem Bein, Bügelfalte und
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Umschlag. Und 35 Jahre später verursacht der Damensmoking von Yves Saint Laurent noch immer einen Aufschrei, vor allem beim Bildungsbürgertum. Es gab Restaurants und Hotels, die Frauen im Le Smoking den Zutritt verwehrten. Ein Mini wäre zu dem Zeitpunkt schon okay gewesen, aber eine Hose … Nur im Ersten und Zweiten Weltkrieg war es Frauen erlaubt, Hosen zu tragen. Aber dahinter steckte kein revolutionäres Modesignal, sondern Pragmatismus. Anders hätten die Frauen die schwere Arbeit schlichtweg nicht erledigen können. Die Hose war in den letzten hundert Jahren stets das sichtbarste Zeichen für Fortschritt und Gleichberechtigung. Erst in den 70er Jahren wurden Mädchen geboren, die nie etwas anderes getragen haben, als eine Hose. Heute überwiegen Hosen im Straßenbild und auch im Büro. Vor allem, weil sie als praktisch empfunden werden. Praktisch auch, um Erotikfallen zu umschiffen. Praktisch, um nicht ständig auf eine gute Körperhaltung achten zu müssen. Praktisch, um der gemischten Wetterlage etwas entgegenzusetzen. Leider sind es all diese praktischen Erwägungen, die Ihnen bei einer lässigen Autorität im Weg stehen können. Wer sich nicht dazu zwingt, auch Erotikfallen im Visier zu haben, verlernt mit ihnen umzugehen. Wer sich nicht zwingt, auf seinen Gang und seine Haltung zu achten, vergisst sich gerade hinzustellen und zu -setzen. Wer für alle Wetterlagen gerüstet sein will, geht am Ende mit Fleecepulli ins Büro. Doch Sie dürfen natürlich auch mal Hose tragen. Eine geschäftstaugliche Tuchhose sollte einen schönen Po machen. Egal, ob es sich um eine höhertaillierte Bundfaltenform oder eine glatte Hüfthose handelt. Der Anblick Ihres Hinterns sollte immer davon zeugen, dass Sie diesen Körperteil bewusst, aufmerksam und vorteilhaft in Szene setzen können, da er ja ohnehin große Aufmerksamkeit genießt. Von der Taille bis zum größten Gesäßumfang sollte jede Hose eng aufliegen, dann aber fließen können. So wirkt jeder Po knackig. Die Hose darf keinesfalls an den Oberschenkels spannen! Dass sie zu eng ist, sieht man oft nicht von vorn, aber dafür umso mehr von hinten. Dort entstehen die wellenförmigen Zugfalten, die immer billig wirken, und sei die Hose noch so teuer gewesen. Tuchhosen kommen prima ohne Taschen aus. Aufgesetzte Gesäßtaschen und Vordertaschen wirken sportlich und haben auf gutem Tuch nichts verloren. Indes sind die bei den Herren abgeguckten Paspeltaschen sehr willkommen.
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Die vordere schräge Tütentasche lässt eine kastige Figur weicher wirken. Ist die Frau eher ein Sanduhrtyp sollte sie die Tasche unbedingt zunähen. Die Hose ist kein ureigenes weibliches Kleidungsstück. Die Frauen haben sie geklaut, und als die Männer sie zurückhaben wollten, haben sie sie verteidigt. Das ist der Unterschied zum Jackett, das den Frauen von Männerhand zugewiesen wurde. Heute ist die Hose für Frauen so selbstverständlich geworden, dass es sich lohnt, ihr zwischendurch mal wieder mit etwas mehr Distanz zu begegnen. Sie gibt den Frauen naturgemäß Autorität, aber sie steigert diese nicht mehr automatisch, wie sie das bei Marlene Dietrich auf für Männer bedrohliche Weise getan hat. Die Reaktion des Bürgermeisters war eindeutig. Übrigens tat die Dietrich das einzig Richtige: Sie behielt die Hosen an.
Die Bluse Die Bluse markiert ebenso wie die Hose eine Wende in der Modegeschichte. Denn sie ist das erste Oberteil für Frauen, das vom Unterteil getrennt und damit eben kein Kleid mehr ist. Erst in der frühen Biedermeierzeit um 1820 herum entwickelt sich dieses Kleidungsstück für Frauen, das Männer schon viel länger trugen. Aber die Biedermeierblusen unterscheiden sich deutlich von den Männerhemden. Sie haben Rüschen, Schmuckfalten und weite Ärmel. Ein Zeichen dafür, dass sie von Damen aus gutem Hause aus rein repräsentativen Zwecken getragen wurden, denn in diesen Blusen konnte man nicht arbeiten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich die schnörkellose Hemdbluse. Gianfranco Ferré wurde der Architekt der weißen Bluse genannt. Ihn faszinierten die unterschiedlichen Aussagen dieses Kleidungsstücks, mit dem Sie immer brave Unschuld und gleichzeitig verruchter Vamp sein können. Gerade in den Erfolgsjahren des Bodys entwarf er immer wieder neue Blusen. Seine Entwürfe für den Laufsteg bestanden aus riesigen Stoffbergen, ja ganzen Plastiken aus Stoff. Viele Büglerinnen brachten die weiße Kunst bis zur letzten Minute mit viel Wäschestärke in Form. Natürlich waren diese Modelle nicht alltagstauglich, aber sie inspirierten. Dennoch war die Bluse während des Body-Booms im Business fast verschwunden. Man sah sie nur noch gelegentlich an einer Bankerin oder Politikerin, zwei Branchen dicht am Zentrum der Macht. Im Gegensatz zum praktischen und angenehm zu tragenden Body, erschien sie vielen Frauen
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zu kompliziert. Und wenn Frauen doch zur Bluse griffen, dann aus ganz rationalen Gründen. Als Äquivalent zum Herrenhemd war die Bluse ein must have für das Büro. Sie vermittelte ein geschäftstaugliches Image: seriös, ordentlich und unschuldig. Besonders letzteres half Frauen über so manche Klippe hinweg. Aber die Bluse überzeugte nicht deswegen, weil sie so angenehm zu tragen war. Frauen trugen die Bluse und ertrugen ihre Nachteile: zu viel Stoff an den falschen Stellen. Das Jackett darüber war unbequem und machte Falten in die Bluse. Anderswo verrutschte die Bluse und rutschte heraus. Und wieder anderswo musste sie möglichst unsichtbar in den eng geschnittenen Hosen und Röcken verstaut werden. Der Kragen war entweder zu labbrig oder zu steif und die Bewegungsfreiheit der Arme oft genug eingeschränkt. Dass klingt schon alles nicht besonders toll, aber das Ausschlag gebende war, dass Frauen sich in Blusen dick fühlten. Besonders in den etwas festeren Baumwollgeweben wie Twill, Popeline oder Oxford kommen schnell fünf gefühlte Kilos hinzu. In feineren Gewebearten wie Batist, Voile oder Seide entsteht der Eindruck nicht in dem Maße, aber das hauchzarte Wohlgefühl war meist für die festliche Bluse am Abend gedacht. Für den Büroalltag war es zu fein. Heute ist das zum Glück vorbei. Wieder sind es innovative chemische Aufrüstungen, die der Baumwollfaser zum entscheidenden Wohlfühlfaktor verhelfen.
Das sollte eine Bluse können 1. Hemdblusen guter Hersteller sind heute federleicht und gerade soweit dehnbar, dass sie körpernah, aber nicht knatschig eng sitzen. Und ihre Kragen sind von außerordentlich lässigem Schick. 2. Kragensteg und Kragenenden Der Kragensteg sollte mindestens 2 Zentimeter hoch sein. Erst dann können sich die Kragenenden so aufstellen, dass Sie zu Ihrem Gesicht hinweisen. Das wirkt professionell. Auf den Schultern flach aufliegende Kragen sehen immer nach Schuluniform oder Kirchenchor aus. Im Geschäftsleben befördern die spitz-geometrischen Formen einen kompetenten Eindruck. Das bedeutet, dass die Kragenenden eher spitz als rund sein sollten. Je runder, desto niedlicher. Das trifft im Übrigen auf alles andere auch zu.
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3. Knopfplatzierung Ähnlich wie beim Jackett ist auch hier die Knopfplatzierung entscheidend. Ein guter Hersteller setzt die Knöpfe so, dass Sie sich nicht entscheiden müssen zwischen zu viel Dekolleté und zu wenig. Er hat für Sie mitgedacht, und Sie sehen im Spiegel, wie weit Sie gehen können. Eine pfiffige Idee mancher Anbieter ist die zugenähte Knopfleiste mit einem Reißverschluss an der Seite – da kann nichts rausrutschen. 4. Armlänge Blusenärmel sollten, angelehnt an die Regel aus der Kleidungskultur der Männer, unter dem Jackettärmel sichtbar abschließen. Aber ohne Jackett wirkt ein zu kurzer Ärmel immer bieder und unerwachsen. Eine Doppelmanschette ist businesstauglich und enorm elegant. Und auch Manschettenknöpfe sind ein Modeattribut, das den Frauen inzwischen genauso gehört wie den Männern. 5. Bodybluse Eine eigene Kategorie ist die Bodybluse. Sie vereint das Beste aus zwei Welten und eignet sich besonders für Röcke und Hosen, die auf der Hüfte sitzen. Da rutscht nichts raus. Und gerade auch unter Stoffen, auf denen sich das Drunter abzeichnet. 6. Farbe Alle Pastelltöne sind für den Berufsalltag geeignet. Auch klassische Blockstreifen sind ein ewig gültiges Geschäftsattribut. Im Zusammenhang mit dem Jackett gilt die Regel: Innen heller als außen. Wie ich bereits im Farbkapitel ausgeführt habe, wirkt Ihre Figur auf diese Weise plastischer. 7. Details Hemdblusen können ziemlich pfiffig ausgestattet sein. Angedeutete Rüschen, Biesen und eine lässig gebundene Halsschleife funktionieren im Business immer.
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Wolliges: Twinset und Merino-Polo Strickware kann edel und hochwertig sein, ist aber in der Führungsriege der Damen eher selten anzutreffen. Vielleicht weil man trotz allem nicht an Macht denkt, wenn man Wolliges vor Augen hat. Manche Ensembles scheinen jedoch so bestrickend zu sein, dass sie es doch in die oberen Etagen der Businesswelt schaffen. Das Twinset ist eines davon.
Twinset Es war schon immer ein Prestigeobjekt. Coco Chanel veredelte es bereits in ihren Kollektionen der 20er und 30er Jahre mit Perlenketten. Sie gilt auch als Erfinderin des Twinsets, wobei da mehr Legende als Wahrheit drinsteckt. Wahr ist, dass sie es populär gemacht hat. In den 50ern war es das erste Bürooutfit, das die Frauen – erst zum Rock, später auch zur Hose – hatten. Kombiniert mit dem Bleistiftrock war es das Outfit einer ganz neuen Berufsgruppe – der weiblichen Angestellten: Telefonistinnen, Stenotypistinnen und Sekretärinnen. Wenn Sie das Twinset heute mit in die Chefetage nehmen wollen, reichen elitäre Accessoires aber nicht aus, um es aufzumotzen. Die Qualität erkennt man an einem passgenauen und zugleich fließenden Schnitt, der den Körper eins zu eins abformt. In anderen Materialien wäre das schon zu körperbetont und zuviel Erotik für die Vorstandsfrau. Aber aus feinster Wolle und mit dem materialgleichen Jäckchen darüber, bekommt es eine angenehm verhaltene Aussage. Da bei der Jacke immer nur der oberste Knopf geschlossen wird, kann sie schön über den Busen fließen. Grace Kelly und Brigitte Bardot hatten ziemlich aufregende Kurven im Strickensemble und sahen gleichzeitig aufrichtig brav aus, zum mindest gerade so viel, wie es nötig war, um die faszinierende Spannung zwischen brav und anstößig aufrechtzuerhalten. Darin, dass Sie das optisch gleiche Oberteil ab- und wieder anlegen können, ist das Twinset dem Etuikleidensemble sehr ähnlich. Beide verwandeln sich – von Korrektheit zu lasziver Erotik. Und bei beiden ist es wichtig, dass Sie ein gut formendes Dessous darunter tragen. Twinset und Etuikleid betonen lediglich, was zuvor gut eingepackt wurde; sie selbst formen und kaschieren nichts
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Wolliges: Twinset und Merino-Polo
Weil das Twinset aber aus Strickwolle, im Original aus Kaschmir, und nicht wie das Etuikleid aus gewebtem Tuch ist, eignet es nicht für Außenauftritte, sondern nur für Inhouse-Gelegenheiten. Tragen Sie es, wenn Sie in der Firma unter sich sind, es ist ein Paradestück des informellen Stils. Und bitte nehmen Sie kein ganz kurzärmeliges Model. Eine Ärmellänge bis zur Beuge ist sportiv-elegant, lange Ärmel sind der Klassiker. So können Sie das Twinset unbesorgt mitnehmen auf die Karriereleiter.
Merino-Polo Das Merino-Poloshirt ist ein Hybrid. Der Polokragen kommt tatsächlich vom englischen Polosport, bei dem das Shirt ebenso vorgeschrieben wie beliebt ist. Außerhalb dieser Sportart war es lange Zeit nicht bekannt. Zu weltweitem Ruhm verhalf ihm der Tennisspieler René Lacoste, von dem heute viele glauben, er sei ein Modemagnat gewesen. Lacoste war in den 20er Jahren der berühmteste Tennisspieler, er gewann zweimal Wimbledon. Für einen dieser wichtigen Wettkämpfe ließ er sich eigens ein Hemd mit Polokragen anfertigen. Die vorgesehene Tenniskleidung, ein langärmeliges weißes Oberhemd, war ihm zu unbequem. Er schrieb ihr sogar eine Niederlage zu. Mit dem Sieg im revolutionären Tennisdress, siegte auch das Poloshirt. Fürs Business sollte das Poloshirt nicht aus Baumwollpiqué, sondern aus feinster Merinowolle sein. Mit langen Ärmeln oder Ärmeln bis zur Beuge und mit wunderbar flach gestricktem Kragen bedient es eine ähnliche und doch andere Nische als das Twinset. Beide sind auf hohem Niveau informell-seriös, aber dem Merino-Polo hängt nicht die Sekretärinnenvergangenheit nach, es ist ein Seiteneinsteiger aus dem Sportbereich. Besonders, wenn Sie ein Jackett darüber tragen, was mit dem flach gestrickten Kragen wunderbar aussieht, rückt es an die Wirkung einer Bluse dicht heran. In farbiger Ausführung ist es einer Bluse sogar bereits überlegen – lieber ein rotes Merino-Shirt als eine rote Bluse.
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Aufsteiger: Jeans und Body Diese zwei haben es geschafft. Die Jeans als ehemalige Arbeiterhose und der Body als einstige Unterwäsche haben sich quasi in die Businessetage hochgearbeitet. Da es sich hier um zwei wirkliche Ausnahmen in der Modegeschichte handelt, sollen sie hier auch gesondert erwähnt werden.
Der Body Der Body ist eine Erfindung der 80er Jahre, und Donna Karan könnte seine Erfinderin sein – sie ist es aber nicht. Der Vorläufer des bequemen Oberteils mit angesetztem Unterteil, der Diaper Suit, ist eine Kreation von Claire McCardell aus dem Jahr 1943. Diaper Suit heißt auf Deutsch „Windelanzug“, und das Unterteil erinnert wirklich an eine Stoffwindel. Beim Diaper Suit steht wie bei Karans Bodies der 80er Jahre nicht die Taillen- und Dekolletéformung im Vordergrund, sondern der Tragekomfort. Anders als ein Dessous formt der Body nicht, sondern zeichnet nach, was man ihm anbietet. Als Alternative zum Shirt taugt er deshalb nur, wenn Sie eine tolle Figur haben – Donna Karan ging davon aus, dass erfolgreichen Frauen auch erfolgreich Sport treiben. Sie sah den Body als Basiskleidungsstück, eines der seven essentials für die moderne mobile Frau: Eine überaus bequeme und pflegeleichte Alternative zu Bluse oder Shirt. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass es mal anders war, aber die große Innovation von Donna Karans Design bestand darin, dass sie die erste war, die den Body im Schritt aufknöpfbar machte. Außerdem verwendete sie modernste Trikotfasern, mit allen Vor- und keinerlei Nachteilen. Aber das zeichnet auch Bodys anderer Designer aus: kein zwicken, zwacken und verrutschen. Damit folgte sie der textilen Erfolgsregel Nummer eins: sympathisch für die Haut, praktisch und erotisch. Aber auch die weniger athletischen Frauen mögen den Body und dürfen ihn tragen. Mit BH drunter und Jackett drüber ist er bis Anfang dieses Jahrtausends das Standardoutfit von Karrierefrauen. Sie holen das an Sexappeal nach, was ihre Hosenanzüge während der Dress-for-Success-Welle der 80er und der minimalistischen Linien der 90er vermissen ließen. Ein Hauch von nichts lugt als kleines Dreieck unter dem Fasson hervor. Die Regel „gutes Tuch berührt nie die Haut“ wird zugunsten einer angedeuteten Erotik erfolgreich außer Kraft gesetzt. Oder wie es eine erfolgreiche
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Politikerin mal formuliert hat, die sich ihre Reisen ohne zehn Bodies im Gepäck nicht vorstellen will: To be tough is going smart.
Die Jeans Das Symbol für Freiheit und Rebellentum, die Jeans, ist heute der Big Mac der Textilindustrie. Ihr Aufstieg von der reißfesten Arbeitshose zum High-End-Produkt mit Zutritt zur Business Class hat keine hundert Jahre gedauert. Was die meisten nicht wissen: Die Jeans wurde von einem jüdisch-deutschen Zeitgenossen erfunden. 1873 meldete Levi Strauss alias Löb Strauss, der 1847 mit seiner Mutter nach Amerika ausgewandert war, das Patent an. Der Name Jeans ist eine amerikanische Verballhornung von Genua, wo sich der Hauptausfuhrhafen für Baumwolle befand. Denim, der Name des Stoffes, leitet sich aus dem Französischen ab: Serge de Nîmes, also Gewebe aus der Stadt Nîmes. Auch sonst war eigentlich nichts besonders Amerikanisches dran an der Hose. Aber seit sie von Goldgräbern und Cowboys getragen wurde, steht die Jeans für grenzenlose Freiheit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es war nicht weiter kompliziert, die Hose herzustellen. Der Denim wurde mit Kupfernieten und verstärkten Doppelkappnähten zusammengehalten. Denim war reißfester als alle anderen Stoffe – die Arbeitshose war geboren. Dass sie die Farbe Blau bekam, ergab sich durch Zufall und hatte ganz betriebswirtschaftliche Gründe. Seit 1880 konnte Indigoblau auch chemisch hergestellt werden, eine haltbare und preiswerte Lösung. Auf einer blauen Hose sieht man den Dreck auch nicht so wie auf ungefärbtem hellen Baumwollstoff. Und es gab noch eine Besonderheit, die allein der Sparsamkeit geschuldet war und sich bis heute nicht verändert hat: Der derbe Denim wird wie gutes Tuch garngefärbt und nicht wie seine anderen Freizeitverwandten im Bottich flächengefärbt. So vereint die Jeans Elemente aus zwei Welten: Der Kettfaden bleibt weiß, nur der Schussfaden wird mitgefärbt. Die heutzutage sehr beliebten hellen Flecken auf den Oberschenkeln entstanden damals noch durch Abrieb bei der körperlichen Arbeit. Heute wird künstlich nachgeholfen. Die Geschichte der Jeans verbindet Boheme und Bourgeosie, Aufsteiger und Machthaber. Sie ist auch für die oberste Chefetage wie geschaffen – für den gekonnten Bruch.
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Mit der Jeans ist etwas gelungen, das sonst kein Kleidungsstück jemals geschafft hat: Sie vermittelt den Eindruck des Einzigartigen, obwohl sie das meistverkaufte Kleidungsstück der Welt ist. Sie erzählt dem Träger stets den gleichen Mythos – Rebellentum wird zum tragbaren Lebensgefühl. Jeansträger sind anders als die andern, sind nie spießig geworden, sondern stets locker geblieben. Unkompliziert und unerschrocken. Jeansträger sind lonesome rider, die noch für Gerechtigkeit kämpfen. Ein Mythos eben, aber einer, den wir immer wieder gerne hören und noch lieber an uns sehen. Und eine Jeans kann sehr erotisch wirken. Die erotische Ausstrahlung entsteht aus dem Gegensatz zwischen derbem Stoff und zarter Haut. Das ist faszinierend sexy, gerade weil diese Kombination ursprünglich gar nicht vorgesehen oder, noch besser, verboten war. Der coole Heldenmythos bringt wie nebenbei auch eine laszive Erotik mit sich, die umso stärker wirkt, je ramponierter die Jeans ist. Der wegen seiner Unverwüstlichkeit geschätzte Denim geht heute nur noch über die Ladentheke, wenn er bereits künstlich verwüstet wurde. Destruktivveredelung nennen das die Fachleute.
Das sollte eine Jeans können Eine Jeans für die Geschäftsetage sollte bestimmte Dinge können. Damit Ihnen nicht unterstellt wird, Sie seien lieber mit der Harley auf der Route 66 unterwegs, anstatt auch mal ein bisschen die Abteilung zu führen. Oder sie würden sich niemals von Hosen trennen, mit denen Sie aufgewachsen sind. 1. Schnitt Es gibt zwei Grundschnitte: Den weiteren Worker-Schnitt und die enganliegende Form. Den Namen des Worker-Schnitts versteht man erst, wenn man ihn anhat. Gerade weil er so unsexy daherkommt, ist er von besonderem Reiz und zeugt in gemäßigter Ausführung von Individualität. Die eng anliegende Form ist weit verbreitet. Der Sattel, also der quergenähte Abschluss auf der Rückseite sollte höher sein als vorne. Das schmeichelt den weichen Linien der weiblichen Hüften und sorgt für einen plastischen Eindruck.
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2. Taschen und Gürtelschlaufen Eine Jeans sollte immer Taschen haben. Vorn und hinten. Besonders die Gesäßtaschen haben bei der Jeans die Aufgabe, einen knackigen Po zu zaubern. Platzierung und Ziernaht folgen allein optischen Gesichtspunkten. Das Label 7 for all mankind verdankt seinen Erfolg hauptsächlich der geschickten Gesäßtaschenoptik. Ebenso verhält es sich mit den Gürtelschlaufen. Eine Jeans ohne Taschen und Gürtelschlaufen ist keine. 3. Denimqualität Es gibt hundert verschiedene Denimqualitäten. Die meisten von ihnen sind mit Stretchanteil versehen, weil die Kundinnen nicht mehr bereit sind, sich den Denim weich zu waschen. So genießen Sie vom ersten Tag an allerhöchsten Tragekomfort. Aber: Ihr kritisches Auge ist mehr denn je gefragt. Eine Jeans, die aussieht wie mit der Farbpistole aufgespritzt, wirkt immer billig. Achten Sie auf Bewegungsfalten im Schritt und auf etwas Luft an den Oberschenkeln. Frauen, die es ernst meinen, lassen sich nicht einschweißen. 4. Farbe Also, wenn Jeans, dann richtig. Die klassische Blue-Waschung von dunkelblau bis hellblau steht dem originalen Jeansgedanken am nächsten. Sie wirkt echt. 5. Krempeln Krempeln Sie ihre Jeans niemals um. Glauben Sie, Sie wachsen noch? Oder wollen Sie der Welt sagen, dass Sie nicht bereit sind, das Geld für eine fachgerechte Änderung auszugeben? Die doppelt gesteppte Naht muss dabei unbedingt erhalten bleiben. 6. Längen Wenn Sie eine modische Länge tragen, wie etwa eine Siebenachteloder die Dreiviertellänge, sollten Sie unbedingt den passenden Schuh der Saison dazu tragen. Modische Jeanslängen sind immer Teil einer ganzen Komposition. Sie machen damit das Modefass auf und sollten zeigen, dass Sie wissen, was Sie tun.
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Termine zwischen den Welten: Etuikleid, Cocktailkleid, das Kleine Schwarze Sie haben es sich vielleicht noch nie bewusst gemacht: Wenn Sie ein Kleid tragen, stecken Sie im ursprünglichsten aller Kleidungsstücke. Trotz dieser Tatsachen und der langen Tradition, auf die Sie bei dieser Garderobe zurückblicken können, genießt das Kleid – und Sie in ihm – am wenigsten Ansehen. In einem Kleid kann man nicht regieren, nicht führen. (Denken Sie an die Queen. Sie trägt stets ein Kostüm.) Das Kleid ist kein Kleidungsstück, in dem Sie kompetent wirken. Sie werden nie erleben, dass eine Spezialistin für innere Sicherheit oder eine Managerin ihren Aufgabenbereich in einem Kleid präsentiert. In einem Kleid repräsentieren Sie nur sich selbst als Frau. Und das ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Allerdings gibt es wie immer Ausnahmen: Es gibt auch auf der Ebene der Chefetage zwanglosere Termine, so genannte Schnittchentermine, bei denen es etwas weniger amtlich zugeht. Auch bei dieser Art von Terminen repräsentieren Sie Ihre Firma oder haben ein bestimmtes Anliegen oder Image zu vertreten, aber eben in einem lockereren Rahmen. Das können etwa kulturelle Veranstaltungen sein, bei Benefizveranstaltungen, Konzerte oder Ausstellungseröffnungen. Situationen eben, die nicht nach Arbeit aussehen, aber ganze Arbeit sind. In diesen Situationen können auch hochrangige Businessfrauen im Kleid erscheinen.
Das Etuikleid Étui bedeutet im Französischen Schutzhülle oder auch Behälter. In Deutschland ist das Etuikleid auch als Futteralkleid bekannt. Der Name ist Programm, denn ein Etuikleid soll weibliche Kurven auf elegante Art verhüllen und auf diese Weise gleichzeitig betonen. Das Etuikleid wurde etwa um 1918 entworfen, parallel zum Cocktailkleid und knappe zehn Jahre, bevor Chanel das Kleine Schwarze lancierte. (Das Kleine Schwarze nimmt jedoch, wie wir noch sehen werden und wie alles, was Coco Chanels kreativem Kopf entstammt, eine Sonderstellung ein.) Und der gleiche Entstehungszeitraum ist das Einzige, das das Etuikleid mit dem Cocktailkleid gemein hat. Denn während das Cocktailkleid als halboffizielle Abendgarderobe Glamour und Erotik in sich vereint und uns in mal mehr, mal weniger verschwenderischen Farben und Formen begegnet,
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Termine zwischen den Welten: Etuikleid, Cocktailkleid, das Kleine Schwarze
lassen sich am Entwurf und Stoff des Etuikleids die damaligen Gegebenheiten ablesen. Währenddessen und auch noch nach dem Krieg waren Stoffe und Nähgarn gleichermaßen knapp. Modische Vorlieben wurden vor diesem Hintergrund zum Luxusproblem. Kleidung wurde geflickt und noch und noch umgearbeitet. Trotzdem hatten Frauen das Bedürfnis, gut auszusehen. Was tun? Aus verschlissenen langen Kleidern, Jacketts und Mänteln mit langem Arm wurden kurze Kleider mit kurzem Arm und rundem oder ovalem Halssauschnitt. So entstand das Etuikleid, und so sieht es heute noch aus. Es ist – ebenfalls bis heute – das einzige Kleid, das vornehmlich aus garngefärbtem Anzugtuch gewebt wird. Deshalb dehnt es sich keinen Millimeter und muss Ihnen perfekt auf den Leib geschnitten sein. Aber wenn das Etuikleid gut sitzt, ist es der Verführer par excellence. Heute haben Frauen zunächst erstmal Probleme mit der Passform. Der kastige Schnitt wird mitunter als gewöhnungsbedürftig empfunden, ebenso der Übergang vom Anzugstoff zum nackten Arm. Wenn der Ärmelausschnitt nicht richtig sitzt, sieht das Kleid gleich weniger hochwertig aus. Aber das ist ja das Ergebnis jeder schlechten Passform, wie Sie inzwischen wissen. Wegen der fehlenden Elastizität beim Anzugstoff, müssen Sie auch bei der Auswahl eines adäquaten Mantels aufpassen. Am besten, Sie nehmen das Kleid zur Anprobe mit. Unter dem Kleid sollten Sie einen Bodyformer tragen, der ihre Kurven gefälliger macht. Anzugtuch berührt nie Haut, lautet die Regel, die guten Stoff vor dem Schweiß des Trägers schützt und in früheren Tagen den Träger vor kratzenden Wollstoffen bewahrte. Das Etuikleid ist die Ausnahme, die diese Regel bestätigt: Es sieht so aus, als läge der gewebte Stoff direkt auf der Haut – in diesem Fall ist das Erotik pur. Das gilt auch im Bezug auf das Jackett, das zu jedem Etuikleid gehört. Bei der Gesamtkomposition spricht man übrigens nicht, wie beim Rock, vom Kostüm, sondern vom Ensemble. Das Ensemble erzeugt den Eindruck von verführerischer Seriosität. Eine faszinierende Spannung, die auch nicht nachlässt, wenn Sie das Jackett ablegen. Was Sie allerdings mit dem Jackett ablegen, und das ist von großem Vorteil, ist der geschäftliche Charakter. Das funktioniert weder beim Kostüm noch beim Hosenanzug so gut wie beim Etuikleid. Hose oder Rock bleiben auch ohne Jackett immer Businessgarderobe. Das Etuikleid aber ist durchaus in der
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Lage, das Image zu wechseln – von der unschuldigen Versuchung zur ausdrücklichen Verführung. Sie werden überrascht sein, wie sexy es an Ihnen wirkt. Von dieser steigerbaren Sinnlichkeit machten die Frauen der Nachkriegsgeneration reichlich Gebrauch. Und da es in den 50er Jahren mehr Frauen als Männer gab, erlebte das Ensemble einen richtigen Boom. Tagsüber mit Jacke noch sittsam, verspricht es für den Abend Aussichten auf Mehr. Wenn Sie es tragen, bedenken Sie bitte: •
Als Ensemble ist es eine vollwertige Alternative zum Hosenanzug. Tragen Sie Kleid oder Jackett jedoch nie mit anderen Kleidungsstücken. Wenn Sie die einzelnen Teile zweckentfremden, verlieren beide.
•
Rasieren Sie sich die Achselhaare. Sie kommen garantiert in Situationen, in denen Ihnen der Wildwuchs unter den Armen unangenehm ist. (Das gilt im Übrigen für alle ärmellosen Oberteile.)
•
Tragen Sie unbedingt einen Bodyformer darunter. Das Etuikleid formt nicht selbst, es fließt nur über die Form.
•
Achten Sie darauf, dass das Etuikleid am Gesäß und an der Hüfte eng sitzt. Sonst wirkt es wie gewollt, aber nicht gekonnt.
•
Eine Handbreit über dem Knie, das ist ein schöne Länge. Kürzer wirkt das Kleid leicht anzüglich. Ist es länger, wirken Sie schnell wie eine Nanny.
•
Eine Linie, die sich Richtung Knie verjüngt, wirkt reifer. Das Gegenteil wäre die ausgestellte Linie, eine Form, die immer einen mädchenhaften Eindruck macht.
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Termine zwischen den Welten: Etuikleid, Cocktailkleid, das Kleine Schwarze
Das Cocktailkleid Das Cocktailkleid gehört zur Familie der Korsagenkleider. Sein Name leitet sich von den gleichnamigen alkoholischen Mixgetränken ab, die ab 1905 auch in Europa populär wurden. Cocktail heißt Hahnenschweif auf Englisch, und die Entstehung dieses kuriosen Namens ranken sich viele Legenden, etwa, das Getränk heiße so, weil die diversen Alkoholika im Glas so schön bunt aussehen wie ein Hahnenschweif. Sicher ist, dass die teuren Spirituosen in einem neuen Ambiente, den Cocktailbars, getrunken werden wollten, was wiederum eine gehobene Kleiderordnung nach sich zog. Und es gab noch eine Besonderheit: Cocktailbars gewährten, anders als die britischen Clubs, auch Frauen Zutritt. Es fehlte nur noch ein glamouröses Kleid für diesen Anlass. Die Geschichte handelt sowohl Coco Chanel als auch Christian Dior als Erfinder des Cocktailkleids. Im Ergebnis sieht man wohl die Handschriften beider. Chanel hat Mitte der 20er Jahre einen eleganten Auftritt mit dem so genannten Kleinen Schwarzen. Das Kleine Schwarze ist klassischerweise knielang hat lange Ärmel und das Dekolleté fehlt. Das ist schwächer dosierte Erotik, vom Abend auf den späten Nachmittag vorverlegt. Der 18 Jahre jüngere Dior versieht diese Vorlage in den 50ern mit einer sehr weiblichen Aussage. Seine Korsagenoberteile mit und ohne Träger betonen Brust und Taille und haben immer ein großes Dekolleté. Heute ist das Cocktailkleid oben Dior und unten Chanel und so zur Abendrobe geworden, die eine Stimmung einer ausgelassenen Party verspricht. Das königlich Hoheitsvolle der Abendrobe fehlt beim Cocktailkleid gänzlich, es suggeriert viel eher den ungestümen Auftritt einer jungen Prinzessin. Bedenken und genießen Sie dies im Hinblick auf geschäftliche Anlässe: •
Verzichten Sie auf auffallend bunte Blumenmuster. Muster, die entstehen, weil unterschiedliche Stoffqualitäten verwendet wurden, sind indes reizvoll. Zum Beispiel Streifenlagen aus transparentem und blickdichtem Stoff. Achtung: Gelb kommt nicht vor; gold auch nicht.
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Bevorzugen Sie beim Ausschnitt des Dekolletés eckige geometrische Schnitte wie ein V oder ein U und vermeiden Sie runde. Sie wirken sonst immer etwas lieblich, was Sie in Ihrem Kontext nicht so gut gebrauchen können.
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6. Meilensteine der Businessmode
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Ein Touch Glamour ist erlaubt, aber bleiben Sie im Businessfarbbereich. Aus schwarz wird glänzendes schwarz, aus beige wird bronze, aus grau wird silber. Verzichten Sie auf Pastelltöne wie rosa, mint und hellblau, denn sie machen aus Ihnen ein Mauerblümchen.
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Fügen Sie nur sparsam Details hinzu. Eine schwarze Schleife hat was, vor allem, wenn man Sie erst auf den zweiten Blick wahrnimmt.
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Tragen Sie eine 15-Den-Strumpfhose dazu. Sie ist so gut wie unsichtbar als Strumpfhose; der deutlich glättende, ebenmäßige Effekt auf die Beine ist dafür umso besser zu erkennen.
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Tragen Sie offene Schuhe mit entsprechend hohem Absatz. Entsprechend hoch heißt proportional passend dazu. Ist das Dekolleté besonders tief, sollte der Schuh besonders hoch, ab 6 cm plus, sein. Ist das Dekolleté dagegen eher halsnah, sollte auch die Absatzhöhe damit korrelieren und sich eher zwischen 5 und 6 cm bewegen. Das eine bedingt das andere. Im Business ist 6 cm Höhe allemal ausreichend, höhere Absätze sorgen nicht mehr für steigende Autorität und Grazie. Das Dekolleté sollte nur entsprechend sein – das reicht ebenfalls allemal.
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Tanzen Sie in dem Kleid. Dazu ist es da.
Das kleine Schwarze Um 1926 herum, also mitten im Aufwärtstrend der Cocktailmode, kreierte Coco Chanel einen Gegenentwurf ganz in schwarz. Er hatte lange Ärmel, so gut wie kein Dekolleté und war aus weichem, wolligem Jersey, dem Strickmaterial aus dem bis dato Herrenunterhosen gefertigt wurden. Das Kleine Schwarze mutete an wie ein Hauskleid, wenn es nicht aus irgendeinem Grund so unendlich elegant gewesen wäre. Paul Poiret nannte es naserümpfend „Armut deluxe“. Es war ein ganz neuer Kleidertyp, mit dem Coco Chanel auch die Trauerfarbe schwarz neu besetzte. Sie machte schwarz zu einer prestigeträchtigen Farbe. Schwarz ist nicht gleich schwarz. Je nachdem, welchen Stoff Sie auswählen, verändert sich der Charakter stärker als bei jeder anderen Farbe. Ist das Kleine Schwarze aus Seide gearbeitet, wirkt es streng, aus Samt königlich, aus Satin fließend und aus Jersey weich. Coco Chanel bevor-
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zugte Jersey, passend zu ihrer Botschaft für alle Frauen: bewegliche Eleganz. Jersey ist ein Sammelbegriff für maschinengestrickte Maschenwaren aus Baumwolle, Wolle oder Seide. Im Unterschied zu gewebten Stoffen sind Jerseywaren dehnbar mit großem Erholungsvermögen, so der Fachbegriff. Der Name Jersey bezieht sich auf die englische Kanalinsel Jersey, auf der angeblich schon im 15. Jahrhundert Kittel für Fischer und Matrosen aus diesem Stoff gestrickt wurden. Kein Stoff schmeichelt der Figur einer Frau so, wie Jersey dies vermag. Es gibt harten Schatten und Falten keine Chance, und aus kleinen Mängeln werden sympathische Merkmale Ihrer Figur. „Scheherazade ist einfach“, sagt Coco Chanel, „das Kleine Schwarze ist schwierig.“ Kompromisslosigkeit in der Wahl des Stoffes und Raffinesse im Schnitt waren entscheidend dafür, dass es an der Trägerin wirken konnte. Das Kleine Schwarze ist bis heute eine Ikone, ein Mittelding zwischen Cocktail- und Abendkleid und von allen Altersklassen zu tragen, eben weil es so schockierend schlicht ist. Es schafft seit knapp hundert Jahren das, was Marketingexperten nur langsam begreifen: Dass viele Grundbedürfnisse sich nicht verändern. Sich schön und elegant zu fühlen, gehört zweifelsohne dazu. Einige Kleider sind sehr berühmt geworden, auch wenn sie nur sehr wenig mit dem Original zu tun haben. Audrey Hepburn trägt in „Frühstück bei Tiffany“ (1961) ein bodenlanges Modell von Givenchy. Ärmellos, dafür mit langen Handschuhen, ovalem Rundhalsausschnitt, gefüllt bis zum Hals mit einem Perlencollier. Mit dunkler Sonnenbrille, groß wie Insektenaugen, wirkt sie ebenso zerbrechlich wie knabenhaft, ebenso sinnlich wie unschuldig. Oleg Cassini, der Privatdesigner von Jackie Kennedy, begründet mit dem Kleinen Schwarzen die Jackie-O-Linie, sie ist knielang und leicht ausgestellt. Erneut Weltberühmtheit erlangt das Kleine Schwarze 1970, als Yves Saint Laurent ihm einen großen geigenförmigen Rückenausschnitt verpasst, der mit schwarzer Spitze unterlegt ist. In den späten 80ern kamen hautenge und minikurze Variationen auf, damit die männermordende Karrieristin auch mal ein sexy Outfit für den Abend hatte, sollte ihr Filofax das zulassen. Karl Lagerfeld entwarf 1997 Kleine Schwarze als weißes T-Shirt-Sommerkleid, als er höchst selbst für das Haus Chanel arbeitete. Na ja ... Etwa zur gleichen Zeit entwarf Philippe Starck für den Strumpfhersteller Wolford einen hautengen Schlauch, zum
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6. Meilensteine der Businessmode
Mini aufrollbar, mit abnehmbaren Trägern und integrierter Strumpfhose. Das nur 50 Gramm schwere Material passte in jeden Koffer und gut in die Zeit der mobilen Karrierefrau, die dafür aber bitte superschlank sein muss. Dieses Modell kaschiert nichts. Coco Chanel war eine Feministin, die die Männer liebte. Sie wusste, wie erotisch und elegant Frauenkleider aussehen müssen, damit Männer sie mögen, und sie wusste, wie sie beschaffen sein müssen, damit Frauen sich in ihnen bewegen und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Was Männer mögen und Frauen bequem finden, scheint in einem grundsätzlichen Widerspruch zueinander zu stehen. In der Kreation des Kleinen Schwarzen gelang es Coco Chanel jedoch, beide Aspekte zu verbinden. Wenn Sie folgende Punkte beachten, wird das Kleine Schwarze an Ihnen zum Symbol bewussten Understatements. Jeder wird ein exzellentes Gedächtnis haben, wenn es darum geht, sich an Sie zu erinnern.
Das sollte ein Kleines Schwarzes können •
Es sollte wirklich schwarz sein. Achten Sie darauf, dass der Stoff auch im Tageslicht schwarz ist. Dann kann abends unter Kunstlicht nichts mehr schief gehen. Je tiefer der Schwarzton, desto hochwertiger der Eindruck.
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Es sollte aus einer hochwertigen Jerseyqualität sein. Heute ist Cocos Jersey ein Hightech-Maschenwarenprodukt, das dem Kleinen Schwarzen den businesstauglichen Akzent verleiht. Verzichten Sie im geschäftlichen Kontext auf Seide oder Satin. Beide Stoffe fließen zu sehr und sollten einem festlichen Anlass vorbehalten werden.
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Es sollte Ihnen Luft zum Atmen geben. Eine Bewegungsfalte an der richtigen Stelle ist wunderschön. Das Kleine Schwarze sollte Ihren Körper nachzeichnen und zeigen, was möglich, aber nicht, was wahr ist.
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Es sollte die Arme bedecken. Nur Modelle, die den Arm bedecken, stehen im Businesskontext für eine suggestive Erotik.
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Ohne geht es nicht: Pumps
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Es sollte das Knie umspielen. Es sollte eine für Sie optimale Länge haben, und das ist nicht kürzer und nicht länger als eine Handbreit vom Knie entfernt.
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Es sollte nicht überfrachtet sein. Lady Di trug mal ein hautenges, aber selbst für ihre Topfigur zu kurzes schwarzes Kleid mit breiteren Spaghettiträgern, die mit zwei großen Schmuckknöpfen befestigt waren. Ich weiß nicht, wo sie damit hin wollte, aber das war ein touch too much. Für welche Gelegenheit auch immer.
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Es sollte eingebettet werden. Auf Schmuck und Schuhe kommt es an. Versuchen Sie nicht, das Kleine Schwarze aufzupeppen, aber betten Sie es angemessen ein. Es ist Ihre Leinwand, die Ihre Figur optimal nachzeichnet, und dazu gehören sorgfältig ausgesuchte Strümpfe, transparente für den Tag und schwarze für den Abend, aber nicht über 20 Den. Tragen Sie Schuhe mit modischem Blockabsatz, keine Riemchensandale oder Pfennigabsätze. Am Tage sollten die Schuhe vorn und hinten geschlossen, am Abend sind auch Schuhe möglich, die nur hinten geschlossen sind. Und tragen Sie Schmuck dazu. Modeschmuck oder echten Schmuck. Das Kleine Schwarze braucht einen Schuss Glamour, der im Licht aufblitzt. Sei es klassisch mit Perlen oder mit Swarowski-Steinen.
Ohne geht es nicht: Pumps Marilyn Monroe sagte einmal, sie wisse nicht, wer die hohen Absätze erfunden habe, aber es müsse ein Mann gewesen sein. Sie hätten die größte Freude an Frauen, die sich mit Trippelschritten und einer wiegenden Hüfte fortbewegten, die sie ebenso zerbrechlich und schutzbedürftig aussehen lassen. Aber Frauen kaufen Schuhe nicht nur für Männer. Frauen sind besessen von Schuhen. Eine Frau besitzt durchschnittlich dreißig Paar Schuhe, eine passionierte Sammlerin bringt es locker auf hundert. Schuhe sind treue Begleiter. Man kann mit seinem Körper noch so unzufrieden sein, Schuhe lassen einen nicht im Stich – sie kriegen von Diäten ja auch nichts mit. Und Schuhe erinnern einen in einem langweiligen Meeting an Reisen, die man gerne mit ihnen unternehmen würde. Schu-
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6. Meilensteine der Businessmode
he werden im Unterschied zu allen anderen Kleidungsstücken auch dann gekauft, wenn sie nicht besonders bequem sind – verraten Sie mir bitte, warum. Und ein Rätsel ist mir auch, warum es keine abgeglichene DIN-Norm für den Durchmesser von Absätzen und Gitterrosten beziehungsweise Pflastersteinfugen gibt. Es ist, als zögen diese den Absatz magnetisch an. Ein Jammer, denn ramponierte Absätze sind nur schlecht bis gar nicht zu reparieren. So kommt zum zerbrechlich, wiegenden Hüftgang ein konzentrierter Blick Richtung Straße hinzu, und das ist weder sexy noch entspannend. Höhere Absätze zu tragen ist mehr, als sich ein paar Zentimeter größer zu machen und den Po auf ein Podest zu heben. Mit höheren Absätzen sind Sie gezwungen, auf den Fußballen zu balancieren wie eine Tänzerin, die Schultern zurückzuziehen und den unteren Rücken durchzudrücken. Das sieht schön aus, denn es lässt Ihren Busen größer, Ihren Bauch flacher und den Po runder wirken. Höhere Absätze helfen, die Taille noch besser in Szene zu setzen und die Beinverlängerung erinnert an eben jene verschobenen Proportionen, mit der eine Frau kurz nach Ende der Pubertät Geschlechtsreife signalisiert. Das wirkt. Über die Höhe des Absatzes lässt sich insofern nicht streiten, als jeder Absatz auf den Index gehört, der den Spann des Fußes nicht mehr stützt. Das ist meist ab sieben Zentimetern der Fall. Da gehen Sie nur noch auf Zehenspitzen und das ist ein ganz anderer, nämlich hilfloser, Gang. Aber vier Zentimeter sollte ein Absatz schon haben. Das ist geländetauglich und hoch genug, um Sie in einen aufrechten und eleganten Gang zu versetzen. In ganz flachen Schuhen bringen Sie sich um das Erlebnis, die Welt von weiter oben zu betrachten. Den Frauen, die aus orthopädischen Gründen wirklich keinen Absatz tragen können, empfehle ich eine EinZentimeter-Variante als Blockabsatz. Wenn Sie in elegante Arbeitsschuhe steigen, machen Sie automatische ein Zäsur. Es erhöht Ihre Betriebsspannung, Sie werden sich Ihrer Aufgabe bewusst und spüren die Bereitschaft, loszulegen. Die Businessklassiker schlechthin sind Pumps. Die Herkunft des Wortes leitet sich von dem Geräusch ab, dass der Schuh macht, wenn er über einen gebohnerten Fußboden geht – pump, pump, pump … Pumps sind weit ausgeschnittene, ansonsten aber geschlossene Halbschuhe ohne Ver-
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schluss: Es gibt keine Schnürsenkel, Riemen, Reißverschlüsse, Elastikbänder oder Ähnliches. Die Sohle ist flach und der Absatz variiert in Höhe und Form. Von mindestens drei bis maximal 9,5 Zentimeter Höhe bekommen Sie alles. Eine businesstaugliche Höhe liegt zwischen drei und sechs Zentimetern. Und auch die Schuhspitze variiert je nach vorherrschender Mode von spitz bis karreeförmig. Dieser schnörkellose Pump, der weite Teile des Fußrückens bedeckt, wird auch Hochfrontpump genannt, was ihn von der Vielzahl hinzugekommener Modellvarianten unterscheidet. Der Hochfrontpump ist seit den 50er Jahren der elegante Tagesschuh aller First Ladies der USA: Lady Bird Johnson, Pat Nixon, Betty Ford, Rosalynn Carter, Nancy Reagan und Barbara Bush trugen nichts anderes. Ähnlich wie beim Chanel-Kostüm steigert ein guter Schuh Ihre Chancen auf Erfolg. Als Karrierefrauen in den 80er Jahren vermehrt ins Büro einzogen, reagierte die Schuhindustrie mit moderat hohen Absätzen und breiter geschnittener Zehenkappe. Hinzu kamen die bürotauglichen Modelle Peeptoe, das sind Flamencopumps, und die Wiederauflage von Chanels Zweifarbenpump. Der Peeptoe ist an der Schuhspitze offen; der große Zeh schaut heraus. Chanels legendärer Zweifarbenpump ist im Zehenbereich schwarz und sonst cremefarben. Er wurde von Raymond Massaro 1957 für Chanel kreiert. Ziel war es, das Bein länger wirken zu lassen. Indem der Fuß durch die schwarze Kappe kürzer wirkte, funktioniert das auch. Karl Lagerfeld, der in den 90ern für das Haus Chanel arbeitete, baute ihn fast detailgetreu nach. Er löste den so genannten Entenschwung auf, bei dem der Fuß unterhalb des Ballens einen Knick machen musste und ersetzte den filigranen Absatz durch einen stärkeren Blockabsatz. Lagerfeld machte den Schuh dem Zeitgeist der 80er entsprechend geländetauglich ohne seinen Charakter zu verändern. Man bemerkt den Unterschied nur im direkten Vergleich. Er legte noch weitere Varianten nach, zum Beispiel 1994 den an den Seiten durchbrochenen Riemchenpump, der einen schwarzen Absatz hatte. Die folgenden Regeln helfen Ihnen, nicht nur so feminin wie möglich und so stabil wie nötig Ihren Weg zu gehen, sondern sie werten damit auch jedes Outfit auf:
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6. Meilensteine der Businessmode
1. Business ist, wenn mindestens die Ferse geschlossen ist. Das gibt Ihnen den besten Halt. Tagsüber sollte der Schuh auch vorn geschlossen sein; die seitlich durchbrochene Hochfront wie zum Beispiel bei Knöchelriemenpumps ist aber mittlerweile akzeptiert. Am Abend darf der Schuh vorn Sandalencharakter haben, wenn die Ferse geschlossen ist. Der Slingpump, das kommt von sling für Schlinge, ist vorn geschlossen und an der Ferse offen und ist deshalb kein Pump im engeren Sinne. Abgesehen davon haben Sie darin auch deutlich weniger Halt. Im Business geben Sie damit Autorität ab und brauchen dazu unbedingt einen sehr gepflegten Fuß. 2. Business ist, wenn der Schuh durch seine Form, aber nicht durch seinen Schmuck wirkt. Schleifen, Broschen und Spangen sollten Sie nur sehr dosiert einsetzen. Prägungsmuster im Leder hingegen, die sich an den Herrenklassiker, den Budapester, anlehnen, sind immer geschäftstauglich. 3. Business ist, wenn man nichts hört. Gehen Sie direkt nach dem Kauf mit den Schuhen zum Schuster und lassen Sie die Absätze mit gummierter Sohle versehen. Auch teure Schuhe werden mittlerweile nur noch mit Hartkunststoff besohlt. Das klingt auf Stein und Parkett zu sehr nach here comes trouble! 4. Business ist, wenn man die No Go Area kennt. Keilabsätze, Stilettos, also Pfennig- oder Bleistiftabsätze, High Heels, die höher sind als zehn Zentimeter und Plateauschuhe sind sehr spezielle Modellgruppen und stehen Ihnen bei Businessangelegenheiten im Weg. 5. Business ist, wenn man weiß, dass die Sandale nur zum Cocktailkleid gehört. 6. Business ist, wenn man Humor hat, das aber niemals unter Beweis stellt, indem man „witzige“ Schuhe anzieht. Beschränken Sie sich auf die Businessfarbpalette der Braun-, Dunkelblau- und Schwarztöne. Und freuen Sie sich mit ihm, Manolo Blahnik himself: „Ich bin so froh, dass Frauen den hohen Absätzen nicht widerstehen können. Könnten sie es, gäbe es mich nicht.“
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Drum und Dran: Die Accessoires
Drum und Dran: Die Accessoires Das Wort kommt aus dem Lateinischen accedere und heißt hinzufügen. Die Übersetzung des französischen Begriffs bedeutet Nebensache, Zubehör oder Beiwerk. Eine Nebensache sind die Accessoires nie gewesen, als Zubehör oder Beiwerk werden sie allein auf ihren nützlichen Wert reduziert, und das ist zuwenig. Accessoires sind vielmehr unübersehbare Rangordnungssignale, an denen Sie genau erkennen können, wer da vor Ihnen steht. Männliche Führungskräfte spielen in dieser Hinsicht ein Spiel, von dem Frauen etwas lernen können. Der Ranghöchste betritt den Konferenzraum mit der schmalsten Aktentasche aus feinstem Leder. Von daher ist Aktentasche auch ein falscher Begriff an dieser Stelle, denn es geht kein Aktenordner mehr hinein. Allen ist klar – den trägt sein Assistent. In der Cheftasche befinden sich ein hochwertiger Füllfederhalter und etwas Papier. Oder vielleicht der unterschriftsreife Fusionsvertrag? Vielleicht ist es auch nur die Bildzeitung, wer weiß das schon. Es geht nicht darum, was drin ist in der Tasche, nur darum was sie repräsentiert. Frauen bepacken sich gern mit halben Reisetaschen, damit sie auch bloß immer alles dabei haben. Ist Ihnen die teure Rindsledertasche zu teuer, dann nehmen Sie eben eine Kunststofftasche. Besser eine hochwertige Kunststofftasche als eine drittklassige Ledertasche. Die Kunststofftasche führt Sie in Sphären, in denen Sie sich die erstklassige Ledertasche eines Tages werden leisten können. Die drittklassige Ledertasche führt Sie nirgends hin. Sie tun gut daran, Accessoires ernst zu nehmen. Aber man darf nicht merken, dass Sie es tun. Jahrhunderte lang gaben Accessoires verlässlich Auskunft darüber, wie reich jemand ist, denn Taschen, Schreibgerät, Gürtel, Uhren und Schmuck waren aus denkbar teueren Rohstoffen und entsprechend prunkvoll. Erst seit diesem Jahrhundert gilt: Eher ein reduziertes Design als edel. Und es kann durchaus aus bezahlbaren industriell herstellbaren Rohstoffen sein: Hochwertige Nylonfasern dürfen das Leder ersetzen, Glassteine echte Brillanten. Dieser Wandel geht wieder ursprünglich auf die Vollblutfeministin Coco Chanel zurück, die den Frauen bereits in den 20ern zu ihren Kreationen Perlenketten empfahl, die gern auch unecht sein durften. Welche Aufregung! Auch wenn die Frauen nicht über viel Geld verfügten, war dies für Chanel kein Grund, dass sie ärmlich
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6. Meilensteine der Businessmode
aussahen. Jeder so wie er kann, aber mit Stolz und Liebe zum Detail. Sie selbst trug allerdings nur echten Schmuck, was sie offen zugab. Sie war eine Selfmade-Unternehmerin und warum sollten andere Frauen nicht auch erreichen können, was sie erreicht hatte? Mit den Imitaten wollte sie die Mode demokratisieren. Und die alten reichen Schachteln ärgern, die sich zwar mit echtem Schmuck nur so zuhängten, aber dadurch nicht schöner wurden. Die Swatch war die erste Uhr, die allein wegen ihres modischen Designs gekauft wurde. Verspielt, bunt und aus Plastik zieht sie seit 1983 um die ganze Welt. Ihr Materialwert ist gering, ihr Imagewert unbezahlbar. Die Swatch entkrampft die Welt der goldenen, mit Brillanten besetzten Präzisionsuhren, so wie es Coco Chanel seinerzeit auch mit dem Modeschmuck tat. Wenn Sie eine Uhr von einem Lifestyle-Imperialisten kaufen und dessen kreative Leistung einzig im konsequenten Marketing besteht, kaufen Sie eigentlich keine Uhr, sondern ein Modegefühl. Kein Uhrmacher, der etwas auf sich hält, würde mehr als fünfhundert Rädchen und Federn zusammenfügen und diese in Plastik stecken oder mit einem Ziffernblatt versehen, das keine Ziffern mehr hat, auf dem nichts weiter zu sehen ist als zwei Zeiger, die um das Logo kreisen. Und Sie lassen sich damit einen Geschmack zuweisen, auf den Sie ohne das beeindruckende Logo nie gekommen wären. Es sollte nicht soweit kommen, dass die Lettern eines Markennamens Ihren Sachverstand ersetzen. Geben Sie kein Geld aus für Dinge, bei denen sich keiner fragt wie Sie das bezahlt haben, sondern warum. Wenn Ermenegildo Zegna einen Gürtel entwickelt, der mit einer drehbaren Schnalle versehen ist, so dass man den Gürtel beidseitig – in schwarz und in braun – tragen kann, ist das eine geniale Idee. Und wenn Tchibo versucht, diese ausgefeilte Konstruktion für einen Bruchteil des Geldes nachzumachen und Ihnen dann ein klapperndes, bruchgefährdetes Schnallengestänge in die Hände drückt, schlägt Ihnen die lückenhafte Gesetzgebung im Patent- und Urheberrecht voll entgegen. Dann lieber doch zwei Gürtel kaufen … Auch andere Plagiate, die nicht so eindeutig zu erkennen sind wie das Schnallengeklapper von Tchibo, sollten Sie meiden. Die sichtbar mangelhaft verarbeitete Gucci-Tasche aus China will schon niemand mehr haben. Über diese schlechten Kopien freuen sich die Unternehmen sogar,
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Drum und Dran: Die Accessoires
weil sie zeigen, dass die Marken wahrgenommen werden. Aber diese minderwertige Ware wird zunehmend abgelöst durch optisch gut gemachte Plagiate, die Premium aussehen (weswegen sie ohne Zucken gekauft werden), aber dennoch Mittelmäßigkeit beherbergen (weswegen man sie nach ein paar Monaten wegschmeißt). Trotz Tchibo und aller Plagiate bleiben Accessoires Insignien der Macht. Auch wenn es Ihnen unfassbar teuer erscheint, empfehle ich Ihnen, sich immer zuerst an den ganz Großen zu orientieren. Lassen Sie Idee und Wertschöpfung auf sich wirken. Stellen Sie sich vor, wie viel Kreativität in der Tasche, dem Gürtel oder in der Uhr stecken. Sie erfahren viel über formschönes, funktionales Design, und Sie betrachten Plagiate aus einem anderen Blickwinkel. Wenn der Preis wirklich komplett außerhalb Ihrer Möglichkeiten liegt, wenden Sie sich den Herstellern zu, die mit günstigeren Rohstoffen arbeiten. Zum Beispiel Swarowski. Was Chanels Kunstperlen waren, sind heute Swarowskis Glassteine. Da versteht es ein Unternehmen, Glas die Schönheit einzuhauchen, die es am Hals einer Frau braucht, und das Licht so zu brechen, dass es ihrem Teint schmeichelt. Hier geht es nicht darum, so zu tun, als trage man echten Schmuck. Hier geht es darum, aus einem offensichtlich bezahlbaren Rohstoff das Beste für Sie rauszuholen. Das sind wunderschöne Stücke, die immer soviel wert sind, wie die Trägerin, die es versteht, diese einzusetzen. Wenn Sie über eine Tasche, einen Gürtel, Schmuck oder eine Uhr nachdenken, lassen Sie folgende Gedanken wirken. Sie helfen Ihnen, langjährige Begleiter zu finden, die die Geschichte von ästhetischer Funktionalität erzählen: 1. Bewegen Sie sich immer an der oberen Grenze Ihrer Möglichkeiten. Nur dann kann echter Mehrwert entstehen.
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2. Eine Uhr ist eine Uhr. Sie sollte in erster Linie deutlich die Zeit anzeigen. Alles andere sind modische Spielereien auf der Suche nach dem ultimativ witzigsten Design und machen aus der Uhr bloßen Armbandschmuck. Form follows function, nennen Designer dieses Prinzip. 3. Egal ob Tasche, Schmuck oder Uhr. Das Accessoire sollte in der Größe zu Ihnen passen. Mir fällt auf, dass sich gerade besonders kluge Frauen mit zu kleinen Accessoires umgeben. So, als wollten sie nicht noch mehr auffallen. Eine große Frau braucht großen Schmuck und eine große Tasche. Eine zierliche Armbanduhr am großen Handgelenk wirkt einfach nicht gut. 4. Die Tasche sollte immer einen Schulterriemen haben. Reine Henkeltaschen wirken im Business betulich. Es muss möglich sein, sich die Tasche lässig über die Schulter zu hängen. Das ist eine schöne bythe-way-Geste, die nur Frauen bringen können. Wenn die Tasche über der Schulter hängt, sollte ihre herabhängende Hand sie unten umfassen können. Ist sie länger, schlägt sie Ihnen um die Beine. Ist sie kürzer, sieht sie nicht lässig aus. 5. Der Schmuck ist das einzige Accessoire ohne jegliche Funktion, er ist nur zum Schmücken da. Tragen Sie nicht den Schmuck, den Sie auch an kichernden Mädchen auf der Straße sehen. Aber schauen Sie sich ihn an. Einen besseren fashion forecast können Sie nicht bekommen – junge Mädchen sind außerordentlich trendbewusst. Und tragen Sie Ketten nicht zu nah am Hals. Eine runde Halskette wirkt betulich, besser ist ein länger gezogenes V. Die Form ihrer Anhänger sollte eindeutig und klar und keinesfalls zu filigran sein. Mit Liebe ausgewählt, mit Sorgfalt gepflegt und im ICE bewährt, so bekommen Accessoires Bedeutung und geben Sie Ihnen zurück.
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Die 80er
Die 80er: Der kopierte Kampfanzug – Schulterpolster und Bundfalte Die Suche nach Alternativen zur existierenden Demokratie wird unterbrochen von dem angenehmen Lebensgefühl Erfolg zu haben. Überstunden sind schick, denn sie machen einen wichtig. Außerdem wird jede Überstunde bezahlt. Beruflicher Erfolg gilt als steuerbar. Wer nicht erfolgreich ist, ist selbst schuld. Auf großzügig platzierten Logos wird der gewonnene Status sichtbar gemacht und in zwei Kategorien aufgeteilt: Die Markennamen, die Kult sind, und die, die es nicht sind. Ganz vorn stehen dabei Calvin Klein und Ralph Lauren. Ihr konsequentes Konzept mit dem Lizenzrechtehandel verkauft das Gefühl von unkomplizierter Freiheit zum richtigen Zeitpunkt und begründet nun ausgewachsene Lifestyle-Imperien. Ihre Namen sind derart identitätsstiftend, dass sie sich verselbständigen: Das Design von Brillen, Taschen, Schmuck und Wohnaccessoires muss nicht mehr von ihnen selbst kommen, es genügt ihre Signatur. Ihr Lebensgefühl trifft den Nerv der Yuppies, den Young Urban Professionals, die gern deutlich zeigen, was sie tragen. Meryll Streep haucht dem Burberry Trenchcoat neues Leben ein, als sie ihn in dem Scheidungsfilm „Kramer gegen Kramer“ trägt. Daneben gibt es auch Romantisches, das sich besonders in Kleidern und einem Traum von der Märchenprinzessin ausdrückt: 1981 heiraten Prinz Charles und Lady Di. Sie ist zwanzig Jahre alt und bald schon die Prinzessin der Herzen. Donna Karan, Claude Montana und Giorgio Armani pflegen den dezenten Business-Stil. Armanis unübertroffen eleganter Hosenanzug aus den 70ern wird nun ein Bestseller. Ebenso John Molloys „Women’s Dress For Success Book“ – immerhin mit acht Jahren Verspätung. Er befördert die Affinität der Businessfrauen zum Jackett in aggressivem Rot und den Respekt einflößenden dunklen Farben, weil er sie darüber aufklärt, dass Machtanspruch und Kompetenz in einer wohlausgeformten Schulter sitzen. Es ist die Empfehlung, die zu kopie-
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ren, die schon längere Erfahrung damit haben: die Männer. Das tun, was die Männer schon lange tun, nämlich mit dem Style zeigen, dass man bereit ist, Verantwortung und Macht zu übernehmen. Auch der Sport unterstützt die Schulterbetonung. Frauen zeigen mit ihrem athletischen Körper wie diszipliniert sie Karriere, Ehe, Kinder und Fitness managen und dabei tough aussehen können. Sport zu treiben, ist wichtig ist den 80ern, aber er muss cool sein. Aus Dauerlaufen wird Joggen, aus Turnen Aerobic. Aerobic macht das Material Lycra populär, nie zuvor gab es eine so hautenge Mode mit der man auch auf die Straße gehen konnte. Und die Mikrofaser macht die Sportler für draußen fit. Der künstliche Faden hat einen Durchmesser von 0,1 dtex. Zum Vergleich: Die dünnste natürliche Seidenfaser hat den Wert 1 dtex. Je größer die Zahl, desto gröber das Material. Die Mode nimmt die athletische Silhouette durch das Powerdressing mit betonten Schultern und Bundfaltenhose endgültig auf. Serien wie „Dallas“ und „Denver Clan“, die von Intrigen und den Luxusproblemen der Reichsten unter den reichen Imperialisten erzählen, dokumentieren mit diesem Style wie elementar wichtig es ist, im harten Geschäftsleben ebenso gut wie kraftvoll auszusehen. Alles was männlich ist, steht jetzt für Erfolg – deshalb gibt es jetzt auch die Männerunterhosen von Calvin Klein für Frauen. In der Polizeiserie „Miami Vice“ jagen Sonny Crockett und Michael Tubbs die Schurken in edlen Armani-Anzügen mit T-Shirt drunter. Popstar Madonna macht Mode zu einem elementaren Aspekt ihrer PR-Strategie. „Eine Frau kann jede Frau sein“, meint sie, verzichtet auf einen durchgängigen Stil und hält dafür ihre Fans mit ihren ständigen Verwandlungen in Atem. Leder wird dank verbesserter Herstellungsmethoden und weicher Lederqualitäten zum Lieblingsmaterial ausgewiesener Powerfrauen. Besonders der Hosenanzug aus weichem Nappaleder und in fröhlichen Farben eingefärbt, ist beliebt. Als Bundfaltenhose mit tief dekolletierter Satinbluse ist Leder sogar ausgehtauglich, ohne die Power der Geschäftsfrau zu untergraben. Preiswerter und pflegeleichter sind allerdings die Lederimitate Alcantara, Amaretta und Sofrina.
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Die 80er
Die Sorgen um Umweltverschmutzung und Ozonloch sind groß und finden erstmals in der breiten Öffentlichkeit Gehör, was der Partei Die Grünen 1982 zum Einzug in das Parlament verhilft. Fortan wird in den Bundestag geradelt, dortselbst gestrickt und in ungewohnt frechem Ton dazwischengerufen. Dann und wann werden ein paar Sonnenblumen aufgestellt. 1984 gehen RTL und SAT.1 an den Start und werden von ARD und ZDF spöttisch belächelt. Kumpelig präsentierte Nachrichten und pornografisch angehauchte Unterhaltung mit viel blondem Sexappeal und naiv entkrampfter guter Laune ziehen in die deutschen Wohnzimmer ein. Nach kompliziertem Erklärfernsehen, „Dalli-Dalli“ und „Was bin ich?“, harmlosen Serien und bewährten Spielfilmen der öffentlich-rechtlichen Sender bekommt der Zuschauer eine leise Ahnung davon, wie sehr sich die Dinge in Waltons Mountain verändern werden. Die Forderungen der Gewerkschaften befinden sich 1985 auf dem Höhepunkt: 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Bundeskanzler Helmut Kohl spricht vom „kollektiven Freizeitpark“, was ihm die Öffentlichkeit stark verübelt. Aids wird 1985 offiziell von der WHO als weltweite Epidemie eingestuft. Erst langsam soll sich ein Bewusstsein dafür entwickeln. Später wird das Powerdressing der materialistisch eingestellten Frau durch blickdichte Perlonstrümpfe ergänzt, die es der Frau erlauben, ihr ausgepolstertes Kostüm zu Herrenschuhen zu tragen. Japanische Designer wie Issey Miyake gewinnen auch in europäischen Büros an Einfluss. Ihr Askese- und Dekonstruktionsgedanke verhüllt den Körper sackartig und spricht die gut verdienende, ältere Frau an, die ihre persönliche Unabhängigkeit auf geschlechtsneutrale Art demonstrieren will. Besonders Miyakes Hosenanzüge aus schwarzem glänzendem Kunststoff sind beliebt, die Hosen sind ähnlich wie Reiterhosen geschnitten sind und stehen um die Hüfte herum wie luftgefüllt ab. Das ist ein Gegenentwurf zum sportlichen Look. „Warum Fitness treiben, um dann in einem übergroßen Sack zu verschwinden?“, fragen aufgeweckte Modejournalisten. Die deutsche Jil Sander lässt sich vom japanischen Stil zu lässig weiten, grauen und schwarzen Kleidungsstücken inspirieren.
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6. Meilensteine der Businessmode
Die Gleichberechtigung ist auf dem Papier schon ziemlich weit gediehen: Zumindest theoretisch ist von Erziehungszeiten für Männer und Mutterschaftsgeld die Rede. Frauen dürfen theoretisch alles werden und können tatsächlich einiges, aber sie müssen sich tüchtig in Zeug legen dafür. Nach einer herausragenden Frau in Wirtschaft und Politik – neben Urgestein Margret Thatcher – sucht man in dieser Dekade vergebens. Die einzige Frau, über deren Leistungen ab 1986 regelmäßig in der Presse berichtet wird, ist die blutjunge Tennisspielerin Steffi Graf. 1987 bricht weltweit die Börse zusammen und erinnert daran, dass es für einen hedonistischen Lebensstil so etwas wie Grenzen geben könnte. Dafür öffnet sich eine andere Grenze: 1989 fällt die Berliner Mauer.
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Ein Hauch Distanz: Grundierung
7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike? Wie viele Minuten? So viele wie Sie brauchen, aber nicht mehr als zehn. Zehn Minuten für Make-up und noch mal zehn Minuten für Ihre Frisur sollten reichen. Jeden Aufwand, den Sie darüber hinaus betreiben, verwerfen Sie sowieso wieder. Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen vor allem an Pflegeleichtem interessiert sind, was sie aber nicht davon abhält, große Wünsche zu äußern. Die Kosmetikindustrie geht darauf ein. Alle Produkte werden Jahr für Jahr besser und immer auch ein bisschen teurer. Beim Schminken ist es wichtig, dass Sie sich aus der Perspektive des Betrachters im Spiegel sehen, so wie ein anderer Sie eben auch sehen würde. Frauen heben meist den Kopf, wenn sie Lidschatten auftragen, stellen sich seitlich, wenn sie zum Rougepinsel greifen und spreizen die Lippen, wenn Sie Lippenstift nehmen. So können Sie aber die Schatten und Fältchen im Gesicht nicht richtig sehen und übertreten mit dem Make-up wichtige Markierungslinien. Im Ergebnis hängt dann die Farbe da, wo sie nicht hingehört. Das beste Licht zum Schminken ist das, was vom Rücken her leuchtet. Am besten der Spiegel hängt gegenüber dem Fenster. Die Lichtquelle aus dieser Richtung schmeichelt Ihnen auch ohne Schminke, und Sie geraten nicht in Versuchung zuviel aufzutragen. Das grelle Ausleuchten von vorn ist definitiv passé. Es strengt die Augen zu sehr an und leuchtet viel weg – Falten und Besonderheiten Ihres Gesichts –, so dass man immer zu tief in den Farbtopf greift. Grelle Leuchten rund um den Spiegel sind im Theater wichtig, wenn es um die Maske geht. Für ein dezentes Beauty-Makeup ist das zu viel Licht.
Ein Hauch Distanz: Grundierung Make-up heißt im Fachjargon Grundierung. Diese soll Ihren Teint ebenmäßig wirken lassen. Augenringe, Unreinheiten und rote Flecken, die bei zu viel Hektik entstehen, sollten unter ihrer Deckkraft verschwinden. Zu den Produkteigenschaften ist in den letzten Jahren auch ein Eindruck von Frische hinzugekommen. Ihre Haut bekommt somit eine Frischeversiegelung
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7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike?
verliehen, die ihr sonst in klimatisierten oder verrauchten Räumen vorenthalten bleibt. Das Beste an all diesen Produkten ist: Sie funktionieren. Eine moderne Grundierung ist ein großes technisches Wunder. Morgens aufgetragen ist sie abends immer noch genau da, wo sie hingehört. Von der Zusammensetzung her ist eine Grundierung eine pigmentierte Emulsion. Wasser und Ölanteile werden durch Emulgatoren zusammengehalten. Früher fiel das Gemisch im Laufe des Tages auseinander wie Instant-Kartoffelbrei. Das Wasser verdunstete, und das Öl kroch mit den Pigmenten in Fältchen und rutschte Richtung Hals. Dies passiert Ihnen heute nicht mehr so oft, aber eine gute Grundierung ist teuer. Da entscheidet wirklich der Preis, während man bei anderen Schminkprodukten gern ein Auge zudrücken kann. Japanische Hersteller sind innovativer als andere. Das liegt nicht nur daran, dass sie schon lange im HD-Standard senden, so dass man im Fernsehen wirklich alles sieht, sondern auch daran, dass die japanischen Frauen einen Porzellanteint bevorzugen. Die Natürlichkeit entsteht durch den Anteil deckender und transparenter Pigmente, die das Licht reflektieren beziehungsweise schlucken. Es wirkt so, als würden Sie ihre eigene Haut auftragen, nur makelloser. Auch Fältchen werden reduziert, weil die Licht reflektierenden Anteile sie einfach wegreflektieren. 1. Tragen Sie die Grundierung mit einem Schwämmchen auf, das Sie zuvor anfeuchten, sonst frisst es zuviel von der Grundierung. Zur Technik: Stellen Sie sich eine Abrollbewegung vor, wie man sie mit den alten halbrunden Tintenlöschkissen gemacht hat. Niemals wischen, niemals kreisen! 2. Tragen Sie das Make-up dünn auf. Durch die Wärme der Haut fließen die modernen Grundierungen noch etwas nach. Warten Sie einen kurzen Moment und kontrollieren Sie, ob und wo Sie noch nachlegen müssen. 3. Das Präparat: Testen Sie in der Parfümerie zunächst die transparenteste Grundierung, die Sie kriegen können. Es ist erstaunlich, welch hohe Deckkraft die Artikel haben. Steigern Sie es bei Bedarf. Nachpudern ist nicht mehr obligatorisch, ein komplett mattierter Teint ist out. Die neuen Wunderprodukte verleihen Ihnen eine ganz sanfte Refle-
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Mehr als nur ein Wangenkniff: Rouge
xion, die auch auf Fotos wunderschön und natürlich aussieht. Die größte Deckkraft bekommen Sie mit Two-in-One-Produkten, die Grundierung und Puder in einem sind. Die Two-in-Ones sind übrigens auch die Standardgrundierungen für den Fernsehauftritt. 4. Besonderheiten: Grundierungen mit Lichtschutzfaktor sind eine tolle Sache! Der präventive Schutz der Haut vor UV Strahlung ist immer noch am wirksamsten gegen Falten. Anti-Faltencremes, die kollagene Fasern wieder aufbauen, werden zwar auch immer besser, entfalten aber niemals die Wirkung der Präventivmaßnahme Lichtschutzfaktor (LSF) und sind natürlich viel teurer.
Mehr als nur ein Wangenkniff: Rouge In schlechten Zeiten wurde Rouge tatsächlich durch einen Wangenkniff gesetzt – ganz so wie Frauen sich auch die Naht der ersten Perlonstrümpfe mit einem Kajal auf die Waden malten. Not macht eben erfinderisch. Der Wangenkniff ließ die blassen, unterernährten Kriegsgesichter für eine kurze Weile gesünder erscheinen. Das Rouge hatte schon immer zwei Aufgaben: Es soll Ihnen zu einem frischen Aussehen verhelfen und ihre Gesichtsform vorteilhaft betonen. Was als vorteilhafte Gesichtsform gilt, bestimmt die Mode. In den 70ern wurde Rouge als grellroter dreieckiger Pfeil gesetzt, heute soll es dagegen eher so aussehen, als hätten Sie gerade einen ausgiebigen Spaziergang gemacht – oder Sex gehabt. In der Tat bekommen Frauen – und nicht nur Frauen –, die sexuell erregt sind, rote Bäckchen. Viele Frauen wissen das gar nicht – wer guckt dabei schon in den Spiegel? Rouge soll die Gesichtsform nur marginal verändern, vielmehr soll es die Formen aufnehmen, die ohnehin da sind. Erfolgreiche Serien wie „Friends“, „Sex and the City“ und „Desperate Housewives“ beschleunigten den Trend, charmant-chaotischen Erfolgsfrauen Frische und einen Touch sexuelle Erregung ins Gesicht zu zaubern, und Puderrouge wurde durch das Cremerouge abgelöst. Die technische Revolution im Fernsehen tat ihr Übriges für die neue Cremerougeästhetik. Amerika sendet schon länger im HD-Standard – Cremerouge sieht einfach viel natürlicher aus. Bei diesen brillant scharfen Bildern sieht man mitunter, dass in den Gesichtshärchen Puderrougepartikel festhängen.
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7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike?
Das Auftragen von Rouge ist ziemlich einfach. Denken Sie sich eine Querlinie unterhalb des Nasenflügels und eine senkrechte Linie, die durch den äußeren Rand der Iris verläuft. An dem Punkt, an dem sich die beiden Linien treffen, setzen Sie an. Das Cremerouge wird mit dem Finger und in kreisenden Bewegungen Richtung Schläfe massiert. Dabei werden die Kreise, entlang der senkrechten und waagerechten Linien, immer größer. Mit dem Rouge beleben Sie die zuvor mit der Grundierung gesetzte makellose Fläche, ohne Rouge bliebe sie fad und konturlos. Tiefe und Plastizität machen Ihr Gesicht interessant. Falls Sie Puderrouge verwenden wollen, verfahren Sie ebenso, mit dem Unterschied, dass Sie mit dem Pinsel arbeiten. Für die Farbauswahl lassen Sie sich in der Parfümerie beraten – die Verkäuferinnen dort sind besser als ihr Ruf!
Rote Lippen sind zum Küssen … und außerdem? Lippenstift Auch wenn Frauen sich ansonsten nie schminken, so haben sie doch einen Lippenstift. Und der ist rot. Lippen haben keine Epidermisschicht – das ist die oberste Hautschicht, die den übrigen Teil unseres Körpers bedeckt. Sie sind weich wie Schleimhäute, aber trocken, und sie brauchen nicht, wie die innen liegenden Schleimhäute, ständig benetzt zu werden. Zudem sind Lippen das älteste Symbol für Sexualität und aufgrund der hohen Nervendichte selbst eine erogene Zone. Schöne Lippen können die sexuelle Attraktivität eines Menschen steigern. Ob Lippen schön sind, ist neben einer symmetrischen Form und einem gesunden Aussehen insbesondere davon abhängig, wie voll sie sind: Je voller die Lippen, als desto schöner wird ein Mensch empfunden. So sind Lippen eine ganz besondere Hautpartie, und niemand auf der Welt stellt in Frage, warum Frauen sie herausputzen. Ihr besonderes Augenmerk sollte beim Schminken auf dem Lippensaum liegen. Das ist der Übergang zwischen normaler Haut und Lippe. Mit einem Konturenstift wird dieser Saum hervorgehoben und mit ihm die Form, die die Lippen bereits haben oder eben haben sollen. Manche Frauen, deren Lippen von Natur aus einen kleinen Absatz formen – so genannte bounding lips –, sind im Vorteil, was die Konturen angeht. Besonders an der Oberlippe sorgt dies dafür, dass solche Lippen niemals hart und
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Rote Lippen sind zum Küssen … und außerdem? Lippenstift
verkniffen wirken, unabhängig davon, ob sie ansonsten voll und üppig sind oder nicht. Allein der leicht nach oben springende Saum wirkt plastisch. Im Profil können Sie erkennen, ob Sie eine solche Lippe haben. Der zweite Punkt, der eine Lippe noch sinnlicher werden lässt, liegt im Rot der Lippen selbst. Je durchbluteter sie sind, desto schöner ist der farbliche Kontrast zur Haut. Für schöne rote Lippen genügt oft eine im gleichen Lippenrot nachgemalte Kontur und ein wenig Transparentgloss. Dann klauen Sie sich noch etwas Farbe von der Kontur, und schon haben Sie einen sehr natürlichen Eindruck geschaffen, der im Übrigen auch wunderbar vor der Foto- und Fernsehkamera funktioniert. Frauen mit blassen Lippen, einer amorphen Kontur oder sehr schmalen Lippen, empfehle ich die gleiche Technik. Allerdings sollte hier der Gloss farbig und bei den Damen mit schmalen Lippen zusätzlich noch mit Perlmuttanteilen ausgestattet sein. Dünne Lippen brauchen mehr Glanz als Farbe, denn zuviel fremde Farbe lässt sie noch schmäler und härter wirken. Haltbarkeit und Farbe in Einklang zu bringen, ist eine ähnlich hohe Anforderung wie eine natürlich wirkende Grundierung mit hoher Deckkraft herzustellen. Viel Glanz und wenig Farbe bieten eine geringere Kussfestigkeit. Ein erhöhter Pigmentanteil verspricht auch eine erhöhte Haltbarkeit auf den Lippen. Je höher die Haltbarkeit, desto trockener muss der Lippenstift sein. Je trockener, desto weniger brillant kann er sein und desto unangenehmer wird er sich auf den Lippen anfühlen. Man ahnt rasch, wie schnell die Hersteller an ihre Grenzen stoßen. Doch Sie wissen ja, wie eng verbandelt die Kosmetikhersteller mit Raumfahrt und chemischer Industrie sind – die Gegensätze in den Ansprüchen werden zunehmend besser vereint! Volle Lippen sind natürlich toll. Sie sind einmal mehr ein ursprüngliches Merkmal für Weiblichkeit, wie alle kurvigen Formen. Und meistens sind sie nicht nur voll, sondern haben auch eine ausgeprägte Herzchenform. Der Teil der Oberlippe, der unter den Nasenflügel sitzt, sieht im günstigsten Fall wie ein Herzchen aus. Dieses Herzchen macht auch einen großen Teil der Aussagekraft eines Mundes aus, und es lohnt sich sehr, mit dem Konturenstift dort besonders liebevoll im Detail zu sein. Manche Frauen übermalen und überbetonen diesen Teil gern. Vorsicht! Übermalen ist im Zuge inszenierter Natürlichkeit ziemlich out und sieht auch immer etwas merkwürdig aus, sobald Sie sprechen.
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7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike?
Körpermerkmale wiederholen sich an verschiedenen Stellen: Wer volle Lippen hat, ist auch sonst ein eher femininer Typ. Frauen mit vollen Lippen, haben auch gebogene Augenbrauen und rundere Schultern, ein runderes Gesicht und mindestens etwas Bewegung in den Haaren, meist sogar Locken. Schmallippige Frauen sind meist kastiger gebaut, haben geradere Augenbrauen und glatte Haare. In den letzten Jahren halfen viele Frauen Ihrem weiblichen Look mit Botox auf die Sprünge. Die Werbung erklärt die Wirkung von Botox mit Entspannung für Ihre Mimikmuskulatur. Das klingt nett und vor allem harmlos. Der Proteinkomplex, eigentlich Botulinumtoxin, hemmt die Erregerleitung von den Nervenzellen zum Muskel, so dass dieser sich weniger stark oder gar nicht mehr kontrahiert, also gelähmt wird. Mit dem Ergebnis, dass durch die Mimik bedingte Falten – besonders die senkrechten über der Oberlippe verlaufenden, in die der Lippenstift so gern reinläuft – schwächer werden. Die Lähmung lässt im Laufe der Zeit nach. Über das Wie viel und Wie oft der Anwendung gehen die Aussagen von Ärzten und Frauen auseinander. Fakt ist, wer sich einmal zurückgebeamt hat oder seine Traumform hat spritzen lassen, wird es immer wieder tun. Mir geht es nicht darum, etwas gutzuheißen oder zu verteufeln. Denken Sie nur einfach daran, dass bestimmte Formen nur in Nuancen korrigiert werden dürfen, damit Ihnen Ihr Gesicht nicht fremd wird. Das verlangt handwerkliches Geschick.
Der Augendreiklang: Kajal, Wimperntusche und Lidschatten Komplimente von Männern über schöne Augen sind deshalb so verbreitet, weil sie so herrlich unverfänglich sind. „Du hast so schöne Augen“, kann ein Mann sagen, ohne abgestraft zu werden. Aber: „Du hast so einen schönen Busen“, das würde vielen Frauen wohl zu weit gehen. Wer wird schon gerne auf seine sekundären Geschlechtsmerkmale reduziert. Aber Augen, das ist natürlich etwas anderes. Eine schöne Bemerkung über Ihre Augen, das klingt nach echtem Tiefgang, da hat jemand Interesse an Ihren inneren Werten. Ein wacher Blick spiegelt aber tatsächlich Intelligenz und Aufmerksamkeit wider. Frauen lieben es, ihre Augen in Szene zu setzen. Am liebsten mit Wimperntusche. Sie wollen ihre Augen im dichten Wimpernkranz eingerahmt
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Der Augendreiklang: Kajal, Wimperntusche und Lidschatten
sehen, das verändert die Augen noch nicht, schenkt ihnen aber den unschuldigen Bambiblick. Aber Wimperntusche ist noch kein offensichtliches Tuning. Verhaltener werden die Frauen bei Kajal und Lidschatten. Das ist schon Profiwerkzeug und verändert das Gesicht auffälliger. Dabei ist es ganz einfach, wenn man mal die Anatomie des Auges verstanden hat: Die Haut, die das Auge bedeckt und schützt, teilt sich auf in das Unterlid, den beweglichen Liddeckel, die Lidfalte und das unbewegliche Oberlid. Den Liddeckel können wir öffnen und schließen, mit ihm klimpern wir. Das unbewegliche Oberlid schließt daran an und geht bis zur Braue, die Lidfalte trennt das bewegliche Lid vom unbeweglichen Oberlid. Bei einem jüngeren Auge endet die Lidfalte in der Verlängerung des Unterlides. Im Laufe der Jahre senkt sich die Lidfalte, denn die Haut um die Augen hat kein stützendes Unterhautfettgewebe. Es gibt nur die Epidermis, so nennt man die verhornte Oberhaut, und die Lederhaut, die daruntergelegene Bindegewegsschicht, die von kollagenen und elasthanen Fasern durchsetzt ist. Diese Fasern werden im Laufe der Zeit spröde, ähnlich einem Gummiband, ihr ärgster Feind ist die Sonne. UV-Schäden sind irreparabel. Die folgende Art, das Auge zu schminken, ist das klassische AugenMake-up, von dem sich alle weiteren Trends ableiten. Sie sehen es zum Beispiel auch im Fernsehen bei allen Nachrichtensprecherinnen.
Kajalumrandung Der Kajalstift dient dazu, dem Auge Kontur zu geben. Benutzen Sie grauen oder mittelbraunen Kajal. Kein schwarz! Schwarzer Kajal ist zu hart für blasse mitteleuropäische Gesichter. Wenn Sie es dunkler haben wollen, schattieren Sie sich die Augen lieber mit grauer beziehungsweise mittelbrauner Lidschattenfarbe nach. Sonst sehen Sie schnell aus, als seien Sie in einen Kohleneimer gefallen. Zur Technik: Setzen Sie den Kajalstift im unteren, äußeren Augenwinkel an und ziehen Sie in kurzen Strichelchen die Kontur nach. Dabei ist es wichtig, dass sich die Breite des Kajalstrichs zur Nase hin verjüngt, er sozusagen unsichtbar endet. Das schmeichelt jeder Augenform. Ob Kajalstrich auch am oberen Lidrand gezogen wird, ist abhängig von der Mode. Immer schön ist es, den Augenaußenwinkel einzurahmen und so einen Übergang vom unteren Lid zum oberen zu schaffen. Und da gilt ebenfalls, dass sich der Kajalstrich in Richtung
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Pupille verjüngen sollte. Diese schmaler werdenden Linien lassen jedes Auge größer wirken.
Lidfaltenbetonung mit Lidschatten Für das Augen-Make-up brauchen Sie zwei Lidschattenfarben, die sich in der Helligkeit deutlich voneinander unterscheiden. Denn es geht mal wieder darum – Sie ahnen es schon! –, einen plastischen Eindruck zu verstärken. Und Sie brauchen zwei gute Lidschattenpinsel, einen flachen und einen breiteren. Die kleinen Pinselchen, die jeder Lidschattendose beiliegen, vergessen Sie besser. Sie schlucken häufig mehr Farbe, als sie abgeben, und Sie müssen schon sehr versiert sein, um damit gut schminken zu können! Beim klassischen Augen-Make-up wird der bewegliche Liddeckel hell schattiert, damit er optisch hervortritt, während der Lidfaltenbereich dunkler schattiert wird. So wird der natürliche Schatten, den die Lidfalte auch ohne Lidschatten wirft, verstärkt. Den helleren Lidschatten setzen Sie mit dem breiteren Pinsel auf das bewegliche Lid. Den dunkleren Lidschatten setzen Sie mit dem flachen Lidschattenpinsel über Ihre Kajalkontur. Dadurch wirkt die Kontur weicher und der wachsweiche Kajalstift hält besser darauf. Mit dem breiteren Pinsel setzen Sie nun die Lidfaltenbetonung. Dazu schauen Sie sich geradeaus im Spiegel an, denn nur so sehen Sie den natürlichen Lidfaltenschatten. Setzen Sie nun den breiteren Pinsel dort an, wo die (gedachte) Verlängerung des Unterlids auf die Lidfalte trifft. Von dort schattieren Sie schräg hoch bis Sie oberhalb der Pupille angekommen sind. Zwischen äußerem Ober- und Unterlid entsteht je nach Augenform ein spitzer Winkel. Nehmen Sie den größeren Lidschattenpinsel und schaffen Sie einen weichen Übergang, indem sie den spitzen Winkel mit der dunkleren Farbe weich ausschattieren, so dass ein stumpfer Winkel entsteht. Die Grenzlinie markiert den Beginn der Iris. Und bitte: dabei geradeaus schauen! Wenn Sie ein so genanntes Schlupflid haben, verschwindet das bewegliche Lid unter dem oberen, unbeweglichen. In diesem Fall gibt keinen Lidfaltenschatten. Dennoch kann man die Technik auch sehr gut bei dieser Augenform anwenden: Die Lidfaltenbetonung wird einfach oberhalb der Lidfalte gesetzt. Die Lidfaltenbetonung ist anfangs etwas knifflig, bis man die eigenen Linien entdeckt hat und weiß wie viel Pulver auf das
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Pinselchen gehört. Deshalb bitte nicht verzweifeln, man muss es wirklich ein paar Mal üben. Welche Farbe Sie nehmen sollen? Wählen Sie die Farbkombination, die Sie mögen. Allein wichtig für die gute Wirkung ist ein gehöriger Helligkeitsunterschied. Eher zurückhaltendere Klassikerkombination, rosé und grau oder rosé und braun, sind zum Anfangen sehr gut geeignet und stehen wirklich jeder Frau.
Die Krönung Ihrer Erscheinung: Die Frisur Schöne glänzende Haare sind ein Aushängeschild für gute Gene. Aus evolutionsbiologischer Sicht sind Menschen mit gesunden Haaren auch sonst gesund. Frauen haben eine ganz eigene Beziehung zu ihren Haaren, und ein neuer Haarschnitt ist eine heikle Angelegenheit. Für einen Friseur ist jeder gute Haarschnitt bei einer kritischen Kundin deshalb ein kleines Wunder. Das kommt schon der Landung einer Boeing bei Nebel und Ausfall der Navigationsinstrumente gleich. Denn es braucht schon ein gutes Stück Einfühlungsvermögen, um zu verstehen, was eine Kundin wirklich will. Vorne locker, hinten füllig, oben pfiffig, sind Erklärungen, die nichts erklären. Es gibt keine gemeinsame Sprache zwischen Kundin und Friseur, um einen Haarschnitt zu beschreiben. Und wenn eine Kundin sagt: „Ich möchte mich total verändern!“, weiß der Friseur, dass höchste Vorsicht geboten ist. Seinen Vorschlägen folgen ihre Einschränkungen auf dem Fuße. Hier darf es nicht zu kurz sein und der Scheitel auf der anderen Seite steht mir nicht. Schon ist es um die Totalerneuerung geschehen. Noch viel häufiger als ganz anders, wollen Frauen blond sein. Das Klischee der dummen Blondine hält sie nicht davon ab. Als ich vor vielen Jahren als Friseurmeisterin im Salon arbeitete, mussten wir am häufigsten Blondierungen nachbestellen und haben uns zwischendurch gefragt: Warum bloß? Weil Frauen nicht blond sind. Die Haarfarbe blond kommt als natürliche Haarfarbe vergleichsweise selten vor und wird mit zunehmendem Alter immer unwahrscheinlicher. Es gibt keine fünfzigjährigen Blondinen. Aber Rothaarige sind doch auch selten? Ja, das stimmt, aber die Farbe rot steht auch nicht wie blond für Jugend und Weiblichkeit der Frau. Blond ist die verführerische Loreley, blond ist, wer noch kein Kind bekommen
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hat. Es ist die Farbe der Heranwachsenden, die gerade geschlechtsreif geworden sind. Marilyn Monroe wusste das. Sie konnte nur platinblond ein Star werden. Rote Haare werden nur von den Frauen getragen, die so geboren wurden oder die sich als emanzipiert empfinden und dem Blondchenschema abschwören. Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, für welche Frisur Sie sich entscheiden oder welche Haarfarbe Sie wählen sollten, aber ich kann Ihnen erzählen wie ein guter Friseur arbeitet: Ein erfahrener Friseur weiß, dass die Kundin eher von ihren Träumen erzählt, als von einer konkreten Frisur, wenn sie ihre Wünsche darlegt. „Jeder Haarschnitt hat eine Geschichte“, pflegte mein Chef zu sagen. „Glauben Sie nie, dass eine Frau ihre Frisur dem Zufall überlässt.“ Also brachte er uns bei, wie man die Geschichte erfährt und mit der vorhandenen Haarqualität abgleicht. Es
Human must be given more importance than fashion. Fashion is what shows the best of the person inside.
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Die Krönung Ihrer Erscheinung: Die Frisur
dauert eine ganze Weile, bis man in der Beratung so gut ist, das man den einzelnen Schnitt so erklären kann, dass er Ihrem Traum etwas näher kommt. Ein guter Friseur kann eine Haarqualität sehr schnell einschätzen. Er sieht und fühlt, wie schnell die Haare Spannung aufnehmen und wieder abgeben, wie sie auf Farbe reagieren und was passiert, wenn man sie mit Dauerwellflüssigkeit begießt. Letzteres ist schon verdächtig lange aus der Mode … er weiß das und auch, was sonst noch geht. Ein guter Friseur hat außerdem gelernt, wie Haare natürlicherweise fallen. Er sieht, wo er schief entlangschneiden muss, damit es gerade aussieht. Er weiß, wie viel er ausdünnen darf, ohne dass der Hinterkopfwirbel die Vorherrschaft übernimmt. Mein Chef war der Ansicht, dass der Haarschnitt bereits ohne Fön gut aussehen muss, denn lange fönen oder gar die Haare eindrehen wollte schon vor zwanzig Jahren niemand mehr. „Kaum eine Kundin will sich großartig stylen“, klärte uns der Master of Haircult weiter auf, „und wenn, kann sie es nicht besonders gut.“ Der Haarschnitt muss also von alleine gut fallen, wenn sie auf der nächsten Party Reklame für uns laufen soll. Also starteten wir einen Übungsabend nach dem anderen und perfektionierten unseren Umgang mit Kamm und Schere in Sachen Kontur und Feinstabstufung. Wir kämmten das Haar nach jedem Schnitt mehrmals, bis jedes Haar die optimale Länge hatte und von alleine so fiel, wie es das im natürlichen Fall auch tat. Dabei musste die Kundin gerade sitzen und sich selbst im Spiegel anschauen. Zeitschriften und Kaugummi wurden ihr charmant ausgeredet. Die Mühen lohnten sich, denn die Kundinnen schworen, dass sie mit unseren Haarschnitten nicht nur besonders gut, sondern auch satte zwei Wochen länger klarkamen. Wir zeigten den Kundinnen, was schön war an ihren Haaren. Und sie fingen an, ihre Haare zu mögen wie sie waren. „Die Hälfte kommt vom lieben Gott und Ihren Eltern, die andere Hälfte machen wir. Aber mehr geht nicht.“ Das überzeugte sie. Wir arbeiteten viel mit Farbe und Strähnentechniken, um Haaren den Glanz zu verleihen, dem man nicht widerstehen kann. Glanz wirkt gesund, ist schön anzuschauen und setzt jeden Haarschnitt noch besser in Szene. Nur sehen darf man die Farbe nicht. Färben ist out, painting ist in. Das Painting ist eine innovativere Färbetechnik. Sie färbt das gesamte Haar nicht mehr einfarbig, sondern verstärkt die natürlichen Unterschiede, wie Schattenbildung und von der
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Sonne ausgebleichte Spitzen, und hebt fast unmerklich kleinste Nuancen hervor, die faszinierend natürlich wirken. Unser Lieblingsthema: natürlich blond färben. Wer es hinbekam, Haare blond zu färben und einen möglichst natürlichen Eindruck zu erzeugen, war der Held des Tages. Es war übrigens nicht besonders schwer, die Kundin für dieses Unterfangen zu gewinnen. Letztlich haben wir den Kundinnen ein bisschen zugehört und dann gemacht, was uns das Haar vorgegeben hat. Wir haben eigentlich nach den Möglichkeiten Ausschau gehalten. Unsere Beratung war das Echo der Kundenwünsche. Und es gab in den vielen Jahren niemanden, dem das nicht gefallen hätte, denn was die Kundin im Spiegel sah, war immer noch sie selbst – nur eben in Höchstform. Suchen Sie sich einen Friseur, der Haare liebt. Und weniger die Inszenierung seines Salons. Von den Idealisten gibt es leider nur einige, denn es ist wahrlich schwer, sich auf dem übersättigten Markt durchzusetzen.
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Die 90er
Die 90er: Die vereinfachte Beweisführung – Designerjeans und Kaschmirpullover Nach zwei Jahrzehnten lautem Feminismusgepolter ziehen ein paar Frauen ziemlich lautlos in Führungsetagen größerer Unternehmen ein. Olivia Goldsmith schreibt 1991 den Roman „The First Wives Club”. Es geht um drei Frauen im besten Alter, die wegen einer Jüngeren von ihren Ehemännern verlassen werden und die sich nun in der gleichen finanziellen Abhängigkeit wieder finden, in der auch schon ihre Mütter steckten. Mit dem Unterschied: Das war noch vor der Emanzipation. In Höchstform sind Bette Midler, Goldie Hawn und Diane Keaton in der großartigen Verfilmung dieses Romans „Der Club der Teufelinnen“ von 1996 zu sehen, wie sie aus Schmerz Kapital schlagen und entdecken, dass es etwas viel Besseres gibt, als um undankbare Ehemänner und verpasste Chancen zu weinen und auf Rache zu sinnen. Sie entdecken ihre eigenen Möglichkeiten und nehmen diese in Angriff. Es wird nun langsam ernst mit der Gleichberechtigung. Einzelne bekennende Powerfrauen nehmen Führungspositionen für sich in Anspruch und haben jetzt Gelegenheit zu beweisen, was sie zuvor nur behauptet haben, gut zu können. Sie treten die Beweisführung zu dem Zeitpunkt an, an dem die Welt anfängt, sich zu globalisieren. Handy und Internet verbinden Menschen, die sich vorher meilenweit voneinander entfernt wähnten, und treiben den technischen Fortschritt schneller voran als je zuvor. Alle ahnen, dass dies etwas ist, dessen Ausmaße sie noch nicht so recht überblicken können. Die alten Grabenkämpfe zwischen den Geschlechtern erscheinen dagegen belanglos. Die einen sehnen sich nach dem Lebensgefühl der statusträchtigen 80er zurück, die anderen nach den einfachen Dingen. Steigende Arbeitslosenzahlen führen in ganz Europa zu Konsumverzicht. Nur die Deutschen bekommen anfangs davon nicht soviel mit. Sie stehen im Bann der Wiedervereinigung, die ab 1990 für die nächsten Jahre das ganze Land euphorisiert. Der Glamour der 80er Jahre weicht schließ-
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lich aber auch hier dem puristischen Prinzip Back to Basics. Modische Notausstattungen zeigen, wie luxuriös ein kühles Shoppingambiente aussehen kann. Geschäfte internationaler Labels siedeln sich in exklusiven Lagen an und machen den Einkaufsbummel zum Shopevent. Die wenigen Führungsfrauen finden in dem Italiener Giorgio Armani, der Deutschen Jil Sander und der Amerikanerin Donna Karan ihre Hauptlieferanten. Alle drei Designer verkörpern selbst ihre eigene Zielgruppe; Sie empfinden wie ihre weiblichen Pionierkundinnen den Zwiespalt. Tough und gefühlsbetont zu sein, sich hart und zart zu geben und dabei emanzipiert und empfindsam zu bleiben, ist wahrlich nicht einfach. Aber mit der Garderobe dieser drei im Kleiderschrank, kommt die effiziente Businesslady weiter. Karans aufknöpfbarer Body als Basic für Armanis minimalistische Hosenanzüge und Sanders schmale Röcke in den die Zeit überdauernden Farben grau, beige, weiß und blau. Die kurze Perlenkette taucht wieder auf. Sie ist neben einer zulässigen Armbanduhr aus schlichtem Design zeitweise sogar der einzig wahre Schmuck. Edle Kaschmirpullis geben der Perlenkette eine hochwertige Kuschelunterlage und runden das Design der einfachen Formen perfekt ab. „Luxus ist, wenn das Unsichtbare so luxuriös ist wie das Sichtbare. Der eigentliche Luxus steckt im Futter“, sagt Karl Lagerfeld in den 90ern. Die verunsicherten und unentschlossenen Frauen lassen sich von amerikanischen Outfits leiten, die als bürotauglich gelten. Die USA nehmen mit hochinnovativen Mikrofasern für den Sportbereich auch starken Einfluss auf Businessoutfits. Wenn das moderne Leben schon so schnelllebig ist, muss es nach dem amerikanischen Bequemlichkeitsgedanken wenigstens komfortabel und weich sein. Und das führt geradewegs zu den maschinenwaschbaren, knitterfreien Anzügen mit Stretchanteil von Lands’ End und zu Tommy Hilfigers Collegestil in Primärfarben. Sie dokumentieren, wie fließend die Übergänge vom Berufs- zum Privatleben sind: Ich lebe und arbeite. Und das ist oftmals dasselbe. Die Antimodebewegung der Zeit ist der so genannte Grungelook. Grunge heißt Schmutz und steht für das, was in den 60ern die Jeans
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Die 90er
war – ist nur noch viel besser vermarktet. Aufgerissene Nähte und Aufgetrenntes, das aussieht als sei es falsch wieder zusammengenäht, wurde von Models mit verschmierter Wimperntusche und Nasenringen präsentiert und auch sonst sahen die Frauen auf dem Catwalk nicht besonders gesund aus. Der Grunge war 1993 auf seinem Höhepunkt und dann auch wieder schnell zu Ende, wenngleich der Dekonstruktivismus als Thema blieb und mit den Frauen auf den Chefsesseln Platz nahm. Das sieht man besonders an den Jeans bis heute. Die Jeansherstellung mutiert zu einem eigenen Industriezweig, der noch boomt als die anderen es schon nicht mehr taten. In Mailand veredelt die Firma Matelli Jeans der verschiedensten Anbieter im großen Stil. Chinesische Arbeiter lasern und sandstrahlen jede einzelne Jeans von Hand, damit ihre Zerstörungen möglichst natürlich aussehen. Original Levi’s, die fünfzig Jahre und älter sind, dienen als Vorlage für die authentische Abnutzung. Sie liegen bei Matelli im Safe, denn jede einzelne von ihnen hat einen Wert von rund 100.000 Euro. Die Deutsche Telekom geht an die Börse und wird zur Volksaktie. Sie steht für die Aktie ohne Risiko und lockt Börsenunerfahrene wie gewiefte Aktionäre. Beide Gruppen erfahren wenige Jahre später, dass es keine Aktien ohne Risiko gibt. 1997 wird der Neue Markt eingeführt. Nach dem amerikanischen Vorbild Nasdaq soll er das Marktsegment der Neuen Technologien widerspiegeln. Dort ist das große Risiko Teil des Reizes. Man spricht vom Dotcom-Hype und von der New Economy, in der es verspielten Freigeistern gelingt, ihre Firmen, die nichts waren außer einer großartigen Idee, an der Börse zu platzieren. Die jungen Bosse tragen schwarze Hemden ohne Krawatte und einen einreihigen Vier-Knopf-Anzug dazu. Sie wirken intellektuell und geschäftsmäßig zugleich. Die Frauen sehen indes überhaupt keinen Grund, sich von ihrem Studentenstyle zu verabschieden, um einen Riesenkredit von der Bank zu bekommen. Die Modegesetze, die die gesellschaftliche Hierarchie verkörpern, scheinen außer Kraft gesetzt. Was zählt, sind Ideen und Mut. Gianni Versace zeigt im gleichen Jahr seine letzte Haute-Couture-Show, bevor er we-
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7. Wie viele Minuten im Bad sind businesslike?
nige Monate später auf den Treppenstufen vor seiner Villa in Miami von einem Serienmörder erschossen wird. Elegante Etuikleider werden mit reich bestickten goldenen Kreuzen garniert. Die Presse schreibt was von Sinnsuche und einem Karneval der Trends. Kabelprogramme, Handys und E-Mails sorgen dafür, dass Mode schneller kopiert werden kann. Vom Laufsteg zur Fabrik des Kopierers und bis in den Streetwear–Laden, das dauert keine vierzehn Tage – manchmal ist der Kopierer sogar vor dem Designer da. Zur Uniformität der Mode tragen auch die mittlerweile ausgewachsenen Lifestyleimperien von Calvin Klein und Ralph Lauren bei. Allein die gezielte Werbepower generiert die Anziehungskraft, nicht die Mode selbst. Im Deutschen Bundestag nehmen zwei Frauen aus dem Osten Platz. Angela Merkel und Claudia Nolte. Angela Merkel ist Physikerin und verfügt über kein Gramm Modebewusstsein. Sie wird Kohls Mädchen genannt und von allen unterschätzt. Niemand kann sich Mitte der 90er vorstellen, dass diese Frau zehn Jahre später das Land regieren wird. Die Ingenieurin für Automatisierungstechnik und Kybernetik Claudia Nolte ist mit 29 Jahren die jüngste Familienministerin, die Deutschland je gesehen hat. Sie wirkt in ihren Medienauftritten bieder und hausbacken und fasziniert live mit Porzellanhaut, azurblauen Augen und einem strahlenden Lächeln. Sie ist ein Beispiel für absolute Symmetrie, was ihr vor der Kamera zum Nachteil gereicht. Eine weitere prägende Politikerin ist die Westdeutsche Rita Süßmuth. Als Bundesvorsitzende der Frauen-Union engagierte sie sich für die Einführung der Frauenquote, der viele Frauen letztlich ihren Chefsessel verdanken. Jetzt scheint alles möglich für die Frau. Dennoch sehen viele dem neuen Jahrtausend mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Männer auch. Irgendwie ahnt man: Individuelle Freiheit und die Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit schließen sich wohl gegenseitig aus.
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Dann fühlen Sie sich schön
8. Dann fühlen Sie sich schön Im ersten Kapitel habe ich erläutert, dass Frauen anders jagen als Männer. Während Männern seit Jahrhunderten beigebracht wurde, steilste Karriereleitern zu erklimmen, wurde Frauen gelehrt, sich über Ihre Schönheit erfolgreich an den Mann zu bringen. Reichtum der Eltern und ein hübsches Gesicht, das waren noch zu Zeiten unserer Großeltern die beste Mitgift. Wenn das Gesicht ganz hübsch war, verzichtete so mancher sogar auf die Aussteuer. Deshalb erreichen so viele Frauen sowohl im Beruf als auch im Hinblick auf das andere Geschlecht immer sehr, sehr viel, wenn sie mit ihrer Schönheit Aufmerksamkeit erregen. Das muss ihnen gar nicht bewusst sein, aber es führt dazu, dass Frauen viel mehr darauf achten, wie andere sie sehen. Ob eine Frau sich schön fühlt, hängt entscheidend davon ab, ob andere sie auch schön finden. Klar, es gibt auch Ausnahmen. Aber für die meisten gilt: Nichts verändert ihr Verhalten stärker, als ein fremder Blick. Wenn einer Frau gespiegelt wird, dass sie wenig attraktiv ist, zieht sie sich zurück und legt auch weniger Wert auf Äußeres. Sie spricht leiser, senkt den Kopf und sackt in sich zusammen. Sie macht sich selbst kleiner als sie ist. Wenn ihr aber signalisiert wird, sie sei attraktiv, spricht sie mit fester und klarer Stimme. Ihr Auftreten ist selbstbewusster und ihre Statements sind klar. Ihre Körperhaltung ist aufrecht. Brust raus, Bauch rein – diesen Appell kennen Sie bestimmt noch aus Kindertagen – geht dann automatisch. Kurz: Sie traut sich mehr zu. Im Business steht Ihnen ihre evolutionsbiologische und soziologische Vergangenheit oft im Weg, Sie sind abhängig von der Einschätzung anderer. Hätten Sie doch bloß gelernt, zu jagen wie die Männer, aktiv zu sein, unabhängig von der Meinung anderer und selbstbewusst gegenüber Andersdenkenden und, ja, sogar gegenüber Menschen, die Ihnen feindlich gesonnen sind. Gerade hier kommt es darauf an, mit Ablehnung klarzukommen und deswegen nicht an der eigenen Attraktivität zu zweifeln und zu verzweifeln. Frauen müssen dieses Verhalten aber auch gar nicht völlig aufgeben. Aber Sie sollten unbedingt wissen, was es damit auf sich hat, dann können Sie darauf reagieren. Denn wie immer kommt es am meisten auf Ihre Einstellung an. Es ist ganz einfach: Niemand wird Sie für schön halten, wenn Sie selbst sich nicht schön finden. Aber alle werden Sie attraktiv finden,
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8. Dann fühlen Sie sich schön
wenn sie selbst dies auch tun. Erkennen Sie diesen Zusammenhang und verfahren Sie nach dem Victoria-Beckham-Prinzip: Geben Sie sich selbst Ihre attraktive Bedeutung und die anderen werden folgen. Der zweite Schritt in diese Richtung: Wählen Sie Kleidung aus, die Ihnen hilft, die netten Gefühle der eigenen Wertschätzung selbst herstellen zu können. Jedes Kleidungsstück at its best. Wenn eine Frau sich schön fühlt, bewegt sie sich anders. Noch bevor der Blick in den Spiegel sie bestätigt, spürt sie das Wohlgefühl – oder nicht. Deshalb gebe ich jeder Frau eine kleine Aufgabe: In dem Moment, da sie den Vorhang der Umkleide aufreißt, um sich prüfend im Spiegel anzuschauen und dann von mir eine Antwort zu erwarten, bitte ich sie, aus dem Laden eine bestimmte Bluse oder Hose zu holen, die auf einem Ständer gute zwanzig Meter weiter weg hängen. Sie ist überrascht, aber sie zieht los. Ich möchte, dass sie sich in dem Outfit bewegt, ohne sich darauf zu konzentrieren. Und das erreiche ich nur, indem sie sich auf etwas anderes konzentriert. Ist sie dann auf dem Weg zur besagten Kleiderstange, sehe ich, wie sie sich bewegt, ob sich etwas verändert hat. Outfits, die gut funktionieren, richten Frauen auf. Sie verleihen ihnen eine andere Körperhaltung, einen erhobenen Kopf, einen geschmeidigen Gang und einen selbstbewussten Blick. Bei Outfits, die nicht gut funktionieren, schauen sie an sich herunter, streichen sich über den Bauch und bewegen sich unsicheren Schrittes und mit gesenktem Kopf. Gerade intelligente Frauen, Kopfmenschen, die alles steuern, alles im Griff haben, gehen an die Outfitsuche sehr rational heran. Ihnen tut es gut, einfach mal zu spüren, ob ein Kleidungsstück gut sitzt, bevor Sie es mit kritischem Blick im Spiegel betrachten. Und ich stelle immer wieder fest: Es ist nicht der High Fashion Look, der die guten Gefühle in anmutige Bewegung übersetzt. High Fashion erregt Aufmerksamkeit auf dem Bügel, wohl wahr, aber wenn Sie sie am Körper tragen, zählt nur noch, wie Sie sich darin fühlen. Der Blick in den Spiegel sollte immer eine Bestätigung Ihres Gefühls sein, keine Überraschung. Eine beliebte Übung für Models ist, sich in einem hässlichen Outfit so zu bewegen, als wäre es traumhaft. Wenn Ihnen das gelingt, dann haben Sie es geschafft. Das ist die ganz hohe Schule der eigenen Wertschätzung. Egal welche Größe und Figur Sie haben. Egal, wie alt Sie sind: Das passende Kleidungsstück fühlt sich immer richtig an. Wenn Sie folgende
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Warum Sie in einer Stoffhose anders gehen, als in einer Jeans
Veränderungen an sich feststellen, in dem Moment, da Sie die Umkleide verlassen, sind Sie auf einem guten Weg.
Dessous – Die innere Sicherheit „Es kommt nicht nur auf das Äußere einer Frau an – auch die Dessous sind wichtig“, befand der Publizist und Kulturkritiker Karl Kraus schon vor 80 Jahren. Recht hat er noch heute, denn damit fängt wirklich alles an. Das gute Drunter sorgt für ein besseres Drüber. Ein hochwertiges Dessous wird Sie innerlich und äußerlich wachsen lassen. Frauen gehen geschmeidiger, wiegen die Hüften, haben eine bessere Haltung und heben den Kopf, wenn sie ihre schöne, formgebende Unterwäsche spüren. Dabei geht es nicht darum, etwas davon zu zeigen. Im guten Dessous spüren Sie, dass alles da ist, wo es hin gehört. Der Busen in Bestform, Bäuchlein und Hüfte unter Kontrolle. Wow! Der schönste Ausspruch kam von einer Frau, die erstmals in ein edles Dessous stieg: „Warum hat mir niemand gesagt, wie viel Spaß Ferrari fahren macht?“ Ein gutes Dessous ist Ihr schönstes, unsichtbares Geheimnis, und das erste, das Sie sich anschaffen sollten.
Warum Sie in einer Stoffhose anders gehen, als in einer Jeans Eine Stoffhose aus gutem Tuch sitzt optimal, wenn sie an der Hüfte und am Gesäß eng aufliegt, ihre Beine aber locker umfließt. Sie veranlasst Sie zu einem wiegenden und weichen Gang. Es ist ein erhabenes Gefühl, zu wissen, dass der Stoff Hüfte und Po fest umschließt und formt, aber dafür an den Beinen nachschwingt. Insgesamt gehen Sie gemächlicher. Und Gemächlichkeit ist im Business genau das richtige Tempo. Statt durch hektische Bewegungen gestresst zu wirken, strahlen Sie Souveränität und Würde aus. Besonders Frauen neigen dazu, allzu geschäftig zu wirken, denn sie wollen ja alles gut machen, sprich allen gefallen – oh Mann, ist das ist anstrengend. Eine Stoffhose bremst Sie im positiven Sinne. Stellen Sie sich nervöse Bewegungen in einer Stoffhose vor – das geht gar nicht!
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8. Dann fühlen Sie sich schön
Jeans sitzen heute oft wie Leggings aus den 80er Jahren. (Sie wissen natürlich an dieser Stelle bereits: Ihre darf um Himmels Willen nicht so sitzen!) Der Denim ist im Voraus so handzahm gemacht und mit Stretchfasern versehen worden, dass er nicht mehr eingetragen werden muss und sofort bequem ist. Eine Jeans packt Po und Beine ein und ist, wenn es ganz dumm läuft, nicht mehr zu spüren. Eine Stoffhose kennt keine Toleranzen, sie ist nicht dehnbar – sie sitzt oder nicht. Orientieren Sie sich daran. Erkaufen Sie sich das Wohlgefühl nicht durch chemische Aufrüstung, sondern durch eine gute Passform. Und das ist ein wirklich gutes Gefühl, genau so, wie wenn ein Schlüssel ins richtige Schloss passt. Natürlich zieht eine Stoffhose auch anderes Schuhwerk nach sich, aber die maßgebliche Veränderung steckt in der Hose selbst. Sie bewegen sich darin bereits barfuß anders.
Wie Röcke Ihre feminine Seite zum Schwingen bringen So wenig Stoff und so schlicht. Und doch steckt so viel Geschichte drin. Der Blick auf den Rock rollt die gesamte Geschichte der Frauenbewegung auf. Das zwangsverordnete Kleidungsstück stempelte Frauen früher zu Haus- und Ehefrauen ab und doch ist es heute das Kleidungsstück, das Businessfrauen zu höchster Autorität verhilft. Die knieumspielende Länge bringt Ihr Unterbein zum Vorschein, und das sieht bei den allermeisten Frauen wunderschön aus. Und, oh Wunder: Ich kenne nur wenige Frauen, die sich über ihr Unterbein beschweren, und das will bei Frauen ja einiges heißen, denn die meisten Körperzonen kommen in der Selbsteinschätzung nicht besonders gut weg. Auch stellt sich eine Frau im Rock sofort anders hin. Ihr sichtbares Unterbein macht sie verletzlicher, sie muss nun gut schützen, was nicht mehr verhüllt oder eingepackt ist. So bewegt sie sich automatisch vorsichtiger, und das wirkt leichtfüßiger. Und auch wenn sie lange keinen Rock mehr anhatte, weiß sie, wie es geht. Die weiblichen, leichtfüßigen Bewegungen sind nicht verloren gegangen, sie waren nur etwas verschüttet. Andere Schuhe verstärken, wie bei der Hose, die verfeinerten weiblichen Attitüden, aber es ist hauptsächlich der Rock selbst, der Ihre feminine Seite zum Schwingen bringt.
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In einer Bluse sitzen Sie aufrecht
Eben weil Sie sich aus Sorge vor Missgeschicken höchst feminin darin bewegen müssen, und weil es Ihre persönliche Entscheidung ist, ob Sie einen Rock tragen, ist es heute ein Kleidungsstück, mit dem Sie sagen: mit allem Respekt … Das bleibt auch so, wenn Sie in einem Rock auf das Jackett verzichten. Das funktioniert viel eher als in einer Hose, Sie werden dennoch großes Ansehen genießen (vorausgesetzt, der Rock erfüllt die in Kapitel 6 beschriebenen Kriterien). Im Rock, mit Jackett oder ohne, wird man Ihnen alle Türen aufhalten, inklusive der Autotür, und man wird Sie fragen, ob man Ihnen vielleicht die schwere Tasche abnehmen kann. Man wird Ihnen zulächeln und Sie trotzdem ernst nehmen. Man wird Ihnen als Frau begegnen mit allen Vorzügen, die das hat, ohne dass Sie auch für einen Bruchteil einer Sekunde an Glaubwürdigkeit verlieren.
Hochhackige Schuhe – Mehr als nur lange Beine Darüber habe ich ja schon in Kapitel 6 gesprochen: Pumps, ja hohe Hacken generell, heben nicht nur Ihren Po auf ein Podest und verlängern die Beine, sondern sie verändern Ihren gesamten Muskeltonus. Durch hohe Absätze ziehen Sie Ihre Schultern zurück, spannen den Bauch an und beschäftigen so ziemlich alle Muskelfasern, die Ihre Beine zu bieten haben. Natürlich gehen Sie darin auch anders. Der Schuh hebt Ihre ganze Person, und das alles, ohne auf Tragekomfort zu verzichten. Schuhhersteller sind nicht dumm. Sie wissen, für wen sie Schuhe herstellen. Einer Businessfrau können sie nichts vormachen. Sie wird ihre Schuhe nur dann anziehen, wenn sie sie komfortabel zum Erfolg tragen. Genießen Sie es, im Business genau die gleichen Dinge tun zu können wie die Männer, nur dass Sie dabei hohe Hacken tragen dürfen. Schließlich haben wir die letzten fünfzig Jahre hart daran gearbeitet, bis dahin zu kommen.
In einer Bluse sitzen Sie aufrecht An der Knopfleiste der Bluse können Sie kontrollieren, ob Sie aufrecht sitzen. Die gerade oder verbogene Linie zeigt an, wie es um Ihre Haltung bestellt ist. Zwischen den Knöpfen sperrt es, wenn Sie sich allzu bequem
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geben oder gar halb im Stuhl liegen. In einer Bluse spüren Sie, wie andere Sie sehen. In einem Shirt nicht. Auch der Kragen sorgt dafür, dass Sie gerade sitzen. Sie spüren im Nacken den schützenden und stützenden Abschluss, den Sie, wenn Sie mit zu wenig Körperspannung im Konferenzsessel lümmeln, als unangenehm empfinden und der auch unansehnlich aussieht. Eine weiße Bluse sorgt zudem noch dafür, dass Sie behutsamer gestikulieren – Sie wollen ja, dass sie fleckenfrei weiß bleibt. Behutsam, aber seriös gekleidet sind Sie die willkommene Gesprächspartnerin. An Ziermanschetten oder doppelte Manschetten haben auch Sie selbst allergrößte Freude, denn Sie sehen sie ja immerzu. Mit einem Blick erinnern Sie sich selbst an die vornehme Eleganz und an die langjährige Tradition dieser Schmuckstücke und können sich freuen, dass Sie in einer beruflichen Situation stecken, in der eine gute Bluse nur allzu angemessen ist.
Im gut sitzenden Jackett spüren Sie Ihre Körpermitte In einem gut sitzenden Jackett fühlen Sie sich wie nach drei Übungsstunden Pilates: Sie spüren Ihre Körpermitte. Es ist ein gutes Gefühl, in sich selbst zu wohnen. Mit Beinen auf der Erde und unumstößlich. Mit dem Gefühl, Ihre Körpermitte zu spüren, fühlen Sie sich erwachsen. Niemand wird sich erlauben, mit Ihnen zu sprechen, als seien Sie ein kleines Schulmädchen. Eine gute Schulterabformung steht für Anfang und Ende, für selbstverständlich gewachsene Kompetenz. Besonders dann, wenn die Knöpfe geschlossen sind – weshalb ein Jackett, das sich beim Schließen der Knöpfe verzieht, nichts taugt. Ein Jackett ist keine Jacke und muss mit geschlossenen Knöpfen optimal sitzen! Ein Jackett umfasst Sie sanft, aber entschlossen, und das fühlt sich ziemlich gut an. Und sitzen Schatten und Falten genau da, wo sie sitzen sollten, hilft Ihnen das Jackett, dem Anlass gerecht zu werden. Jeder Blick in den Spiegel oder ersatzweise in die Glasscheiben der Bürogebäude bestätigt Ihnen: Mehr Grandezza geht nicht.
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Mäntel verleihen Sicherheit
Mit dem passenden Gürtel fühlen Sie sich unangreifbar Gürtel sind wunderbar. Sie markieren Grenzen und schützen Ihren Unterleib. Sie funktionieren wie ein Schutzschild, das Sie zudem noch als Schmuck ansehen dürfen – eine schöne Schnalle ist ein echtes Pfund mit dem Sie wuchern können. Sie ersetzt so manchen anderen Schmuck und hat dabei auch noch eine echte Funktion. Uniformen ohne Gürtel gibt es nicht! Die Männer wissen schon lange, welches Attribut sie sich da vor den Bauch geschnallt haben: Es verpasst der Hose einen schmucken Abschluss und schützt vor der wohl prekärsten Situation, die man sich vorstellen kann. Nicht umsonst gibt es die Redensart: „Da hat er seine Hosen herunterlassen müssen.“ Das Bewusstsein, einen schönen Gürtel zu tragen, macht Sie im wahrsten Wortsinn unangreifbar.
Mäntel verleihen Sicherheit Ich liebe es, im ICE zu fahren, und ich liebe es zu fliegen. Doch ich tue beides nie ohne einen Mantel. Je besser diese Transportmittel funktionieren, je schneller sie werden, desto fleißiger arbeitet auch die Klimaanlage. Im ICE der neuesten Generation ist es immer eiskalt. Den Mantel brauchen Sie dort tatsächlich als Decke. Sie werden sehen, je öfter Sie ihn tragen, desto besser freunden Sie beide sich an. Er umhüllt, schützt und hält Sie warm – er ist eine echte Schmusedecke. Und er hält was aus: Als Kissen zweckentfremdet oder noch rasch in den Koffer gestopft, wenn man nicht wirklich sicher ist, ob man ihn tatsächlich braucht, nimmt er nichts übel. Die paar Knitterfalten hängen sich bei allen guten Qualitäten ziemlich schnell wieder aus. Und er kann noch etwas, zu denen alle anderen Businessoutfits nicht in der Lage sind: Seine Taschen können Sie unbesorgt benützen und sogar etwas darin verstauen. Hosen- und Jacketttaschen beulen sich dagegen beleidigt aus, sofern überhaupt welche vorhanden sind. Und auch das geht: Ich traf mal eine Frau, die das ganze Jahr über zwei Kastanien in der Manteltasche trug. Sie sagte: „Es beruhigt mich zutiefst, damit zu spielen, während ich von Termin zu Termin unterwegs bin. Niemand sieht, wenn ich am Bahnsteig stehe und mit der Hand in der Tasche die Kasta-
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nien hin- und herdrehe, wende oder einfach nur berühre.“ Aber auch, wenn Sie den Mantel nur über den Arm hängen, ist er ein vertrauter Begleiter, der Ihnen Sicherheit verleiht. Er hilft Ihnen, Nervosität und Spannung abzubauen. Ein Mantel ist wie ein Maskottchen. Mit ihm nehmen Sie einen best friend mit an Bord. Und er gehört wirklich nur Ihnen.
Kleider – Jetzt sprechen Sie selbst In einem Kleid treffen Sie eine ganz persönliche Aussage – über sich selbst. Kleider spenden keine Autorität, sie sind ein modisches Statement über Sie als Frau. Die in Kapitel 6 beschriebenen Kleider rauben Ihnen aber zumindest keine Autorität. Sie zeigen schon, dass etwas in Ihnen steckt, aber Sie zeigen es eben offen. Ein schönes Kleid, jenes durchgängige Gewand, mit dem die Modegeschichte überhaupt erst losging, verleiht jeder Frau etwas Romantisches. Sie sieht sich schon mit dem Prinzen auf einem Schimmel dem Sonnenuntergang entgegenreiten. Da wird aus der starken Businessfrau eine hoffnungslose Träumerin, elfenhaft und hauchzart, und das sieht man ihr an. Und in einem Kleid sieht man am besten, ob Sie tatsächlich mit Messer und Gabel essen können. In einem Kleid geben Sie viel von sich preis. Im Business ist es wahrlich kein Einsteigeroutfit, aber es ist das As im Ärmel für die erfahrene und parkettsichere Frau. Es erlaubt den Blick unter die Ritterrüstung. Erlauben Sie sich die sympathische Verletzlichkeit, wenn Sie bereit dazu sind.
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Kleider – jetzt sprechen Sie selbst
Heute gibt es einen Weltgeschmack. Was in Paris gut ist, passt auch in Tokio oder New York. Wichtig ist, immer Menschen zu finden, die das gut finden, was wir tun.
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Millenium: Selbstverständliche Souveränität – Dessous und Jackett Während sich die Kommunikationsabteilungen der Unternehmen zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch den Kopf darüber zerbrechen, wie man einen weiblichen Chief Executive Officer auf Deutsch übersetzen würde, nehmen immer mehr Frauen auch ohne Übersetzung in der obersten Chefetage Platz. Die Bundesrepublik hat mit Angela Merkel ihre erste Kanzlerin, Hillary Clinton bereitet sich darauf vor, ins Weiße Haus einzuziehen. Ségolène Royal hat ihre Chance in Frankreich verpasst, ist aber so weit gekommen, wie noch nie jemand vor ihr. Es gibt unter Frauen genügend Führungspersönlichkeiten, um bei Anlässen mit Begleitung über ein Herrenprogramm nachzudenken. Wie heißt eigentlich das Pendant zu First Lady? Fernsehsender sind durchsetzt mit weiblichen Chefinnen und mittelständische Unternehmen werden von Enkelinnen beerbt, im Jahr 2006 so häufig wie nie zuvor. Im Morgengrauen der großen Karrieredämmerung etablieren die Frauen eine neue Leistungselite, in der sie die männliche Vorlage nicht mehr brauchen, sich aber auch nicht mehr hinter ihr verstecken können. Sie fühlen sich nicht verlassen, wenn sie bemerken, dass auch Männer eine Welt in sich tragen, die sie nie in Gänze verstehen werden und sie freuen sich über sie, wenn sie ihnen hilfreich zur Seite stehen. Sie sind ehrgeizig im Beruf, liberal in den Anschauungen und sehr konsumfreudig. Es wird für alles viel Geld ausgegeben, was von professioneller Qualität zeugt und an jedem Flughafen der Welt zu bekommen ist, wenn es nur dazu dient, einen natürlichen Eindruck zu schaffen: Die Zusammensetzung von Make-up-Grundierungen sind in der chemischen Zusammensetzung komplizierter als die Lackierung eines Flugzeugträgers, denn neben traditioneller Abdeckung sollen sie vornehmlich den Teint mit Frische versiegeln. Durchsichtige Mascara lässt die Wimpern wirken, als hinge noch der Morgentau an ihnen – das wirkt frisch und erotisch zugleich. Lidschatten sind in allen erdenklichen Farbvariationen fürsorglich vor-
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sortiert; sie stehen den Werken großer Maler in Farbharmonie und -qualität in nichts nach. Longlasting lipbalm lässt Lippen schimmern, ohne dass sie fettig wirken und crackle wax bringt jeden Haarschnitt in Form oder Unruhe, ganz wie gewünscht. Eben das Nötigste für das Unerlässliche. Protziges ist Tabu: Warum echten Schmuck tragen – Chanel lässt grüßen –, wenn man mit Modeschmuck viel besser urbanes Understatement zeigen kann? Frauen sind weder bei Kosmetika noch bei Kleidung auf ein Label fixiert. Sie wissen, von welchem Hersteller sie was erwarten können. Modeunternehmen denken immer strenger in Themen und in Farbfamilien. Eine Saison besteht aus vielen eigenen, kleinen Inseln. Sie sind durch Brücken und Stege miteinander verbunden, die nur das geübte Auge der Businessfrau leicht überquert. Wenn man überhaupt von einem offiziellen Ende der Emanzipationsbewegung sprechen will, dann lässt sich dies am Fernsehduell zwischen Alice Schwarzer und Verona Feldbusch, verheiratete Pooth, festmachen, dass sich die zwei im Herbst 2001 im ZDF bei „Johannes B. Kerner“ liefern. Gutes Aussehen tritt gegen gute Argumente an. Gutes Aussehen plappert sich in die Herzen der Zuschauer und lässt die Verdienste der größten Feministin aller Zeiten ziemlich alt aussehen – ein Lehrstück über das Fernsehen und die Generationen. Die Frauen wissen jetzt, wo es in Richtung selbstverständliche Souveränität lang geht. Sie spiegelt sich in zwei Kleidungsstücken wieder; im Dessous und im Jackett finden Schönheit und Macht ihren Platz als gehörten sie schon immer zusammen. Jetzt üben sich die Frauen in der richtigen Dosierung ihrer erotischen Ausstrahlung. Sie dürfen schön sein, im ästhetisch neutralen Sinne müssen sie es sogar, wenn sie an der Macht partizipieren wollen, aber sie wissen, dass allzu viel Erotik im Subtext ihren Zielen schadet, wie im Fall der Fürther CSU-Landrätin Gabriele Pauli, die sich im Frühjahr 2007 sehr rothaarig in Latexhandschuhen und mit schwarzer Augenmaske für die Zeitschrift „Park Avenue“ ablichten lässt. Auch Ségolène Royal, gern im kurzen Rock und sehr hochhackig, verliert in Meinungsumfragen an Glaubwürdigkeit.
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8. Dann fühlen Sie sich schön
Die Modesprache der Businessgarderobe ist längst in der globalisierten Welt angekommen. Echte Karrieristinnen bevorzugen den Archetyp des Jacketts aus gutem Tuch und ausgewogenen Proportionen. Sie meiden Kleidungsstücke, auf denen sich das Styling verselbstständigt hat, und sie meiden jene, die ihren Körperproportionen nicht gerecht werden, und wenn sie noch so modern aussehen. Für die restliche Mode gilt, dass sich der Karneval der Trends vom Ende der 90er fortsetzt. Mehrere Revivals laufen parallel nebeneinander und finden sich mitunter auf nur einem einzigen Kleidungsstück vereint wieder, das sich liest wie eine abgehobene Essenskreation: „Schulterklappen zur Rüschenkante an ausgefransten Enden in Grungelook-Dschungelfarbe Khaki aus Baumwolle.“ Da trifft das Militär auf Laura Ashley und will mit Tarzan den Begriff von Freiheit und Abenteuer revolutionieren. In Wahrheit ist das einfach nur der flüchtige Erfolg eines gänzlich überstrapazierten Individuallooks. Der Wunsch nach jugendlichem Aussehen verstärkt sich ab Mitte vierzig und die Arbeit am eigenen Körper nimmt zu. Fortan ist es möglich, das Büro früher ohne schlechtes Gewissen zu verlassen, weil man einen Pilates-Kurs besucht. Es ist klar, dass nach langen Abendterminen ausgeschlafen werden darf, und der Bürotag erst um 11 Uhr beginnt. Im Notfall gibt’s ja Handys. Stress ist keine Voraussetzung mehr für Erfolg, gestresst auszusehen, erst recht nicht. Schönheitsoperationen sind kein peinliches Geheimnis mehr, manche Frau betrachtet sie als technische Make-up-Erweiterung. Die höchste Dichte an Schönheitschirurgen pro Quadratmeter findet man in Kalifornien, wo künstliche Jugend zur kollektiven Norm geworden ist, doch Europa zieht nach. Aber wo auch immer auf der Welt: Wer nachhilft, muss halbwegs reich sein. Die Imitate von Uhren und Handtaschen sind so gut, dass es schwer geworden ist, daran die Reichen von den Armen zu unterscheiden. Aber die reiche Person ist um einiges faltenloser und dünner. Für einen schlanken und gesunden Körper ist Zeit in einen Personal Trainer, in gesundes Essen und Chirurgie investiert worden.
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Gegen diesen Trend wehrt sich die englische Zeitung „The Sun“. Sie weigert sich, drei Models abzulichten, deren Brüste nicht echt waren. Auch das US-Pornomagazin „Perfect 10“ verspricht, nur Echtes zu zeigen. Der Kosmetikkonzern Dove verdoppelt seinen Umsatz mit Kampagnen, in denen Frauen mit normaler Figuren Werbung machen, und bietet Pro-Age- anstatt Anti-Age-Produkte an. Pilates ist okay, Kinder abholen immer noch schwierig. Arbeitende Mütter mit Anspruch auf Mehr im Job, tun gut daran, nicht wegen ihrer Kinder zu schwächeln. Wenn Mütter Karriere machen, wird argwöhnisch beobachtet, wie viel Energie das emotionale Bündnis für den Job übrig lässt. Zu Hause, das ist da, wo das noch besser organisierte Büro ist. Frauen rüsten nicht auf wie Männer, sie richten sich ein. Das ist unterm Strich ähnlich teuer, sieht aber anders aus: Es sind nicht die großen Autos, die sie faszinieren, aber ein Mini – so süüß! –, der gern das Gleiche kosten kann. Sie genießen die Nähe des smarten Assistenten genau so, wie ein Mann Freude an einer schönen Sekretärin hat. Sie kämpfen nicht um das größte Büro, aber um das mit dem Fenster, an dem die Sonne jeden Tag um drei das Licht so schön bricht. Sie haben die gleichen Beweggründe, wie Männer, sich ihre Arbeit zu erleichtern und vergnüglicher zu machen, nur die Gestaltung ist jetzt sichtbar weiblich und ihr Gespür dafür dürfen sie jetzt beschwerdefrei in der Öffentlichkeit ausleben. Ausgeklügelte Materialien helfen dabei, den Arbeitsalltag mit höchstem Tragekomfort und ohne knittrige oder übel riechende Garderobe zu meistern. Aluminiumbedampfung, Mikrofasern, Mikroverkapselungen und Gewebe mit Keramikfasern und Edelstahlbeschichtungen sind tragbare technische Innovationen. Sie sehen edel aus, fühlen sich gut an, sind funktional und werden immer öfter auch umweltgerecht hergestellt. Es verbreitet sich ein neues Bewusstsein für hochwertige Produkte, die unter ökologischen, sozialen und ethisch vertretbaren Aspekten hergestellt werden. Designer wie Stella McCartney entwerfen blutfrei hergestellte Textil- und Schmuckwaren und Hollywoodstars fahren Hybridautos. Die fair-fashion-Bewegung ist
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8. Dann fühlen Sie sich schön
glamourös und grün, die Müslis der 80er Jahre werden zu Marktführern. Verdienste ohne Verdienst sind uninteressant. Die Ladies who govern kommen optisch in den obersten Hierarchien so an, wie sie als Ladies who lunch der 50er Jahre gestartet sind. Sehr weiblich, nun aber freiwillig Brust, Taille und Schultern betonend, gehen sie ehrgeizig und pragmatisch ihren Weg. Sie stehen heute vor Problemen, über die sie in Wirklichkeit froh sind, denn diese bedeuten, dass sie echte Alphamädchen sind. Einiges wird immer kompliziert bleiben, aber Frauen wissen jetzt: Für Männer bleibt es das auch.
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Die drei mächtigsten Frauen der Welt
9. Die drei mächtigsten Frauen der Welt 2004 fügte das US-Magazin Forbes seinen jährlichen Hitlisten der Reichsten und Schönsten eine neue Aufstellung hinzu: Erstmals wurden die fünfzig mächtigsten Frauen der Welt gewählt. Hier schreibe ich über diejenigen, die 2006 Platz drei, zwei und eins besetzten. Die chinesische Vizepremierminsterin Wu Yi, die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice und, auf Platz eins, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese drei Frauen haben ein paar verblüffende Parallelen im Lebenslauf und die gleichen Ziele im Visier, könnten aber unterschiedlicher kaum aussehen. Angela Merkel und Condoleezza Rice sind beide im Jahr 1954 geboren, beider Väter waren Pfarrer. Ihrer beider Erziehung war geprägt von klaren Überzeugungen und deutlicher Ausgrenzung. In der einen Familie wegen der Hautfarbe und in der anderen, weil Kirchen in der DDR wenig gelitten waren. Merkels Mutter war Lehrerin, sie durfte aber aus ideologischen Gründen weder Englisch noch Latein unterrichten. Beide Frauen tragen Vornamen von ausgesuchter Zärtlichkeit. Angela bedeutet Engel und Condoleezza leitet sich von der musikalischen Anweisung con dolcezza ab, das bedeutet, dass ein Stück „besonders zart und gefühlvoll“ zu spielen ist. Beide Frauen haben sich im Erwachsenleben und sogar in der Politik mädchenhafte Züge erhalten. Auch die ältere Wu Yi hat etwas Mädchenhaftes an sich. Über ihre Herkunft und ihren Werdegang ist so gut wie nichts in Erfahrung zu bringen. Presseberichte und öffentliche Meinungsäußerungen zu ihrer Person mag es geben, leicht zugänglich sind sie nicht. Wu Yi wurde im Jahr 1938 geboren, elf Jahre bevor die Volksrepublik China ausgerufen wurde. Sie weiß, was es bedeutet einen Staat umzubauen. Noch drastischer als Angela Merkel erlebte und gestaltete sie die Abkehr vom Kommunismus mit. China war nicht abgefedert durch eine soziale Marktwirtschaft, sondern steuerte ohne Umwege auf einen Turbokapitalismus zu. Wu Yi ist wie Condoleezza Rice unfassbar diszipliniert und kommt als Ingenieurin wie Angela Merkel aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich. In der Presse taucht in ihrem Zusammenhang der Begriff der Eisernen Lady wie-
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der auf, für den einst Margret Thatcher stand und den man kurzzeitig auch Angela Merkel zuschrieb. Spiegelt er einen Mangel an Ideen und neuen Formulierungen, oder müssen Frauen mit Macht immer „eisern“ sein und möglichst auch so aussehen?
Platz 3: Wu Yi Hierzulande kennt man sie nicht, die vom US-Magazin Forbes zur drittmächtigsten Frau der Welt gekürte Politikerin. Auf die Frage, wie denn die chinesische Vizepremierministerin heißt, erhält man durchwegs Achselzucken zur Antwort. Das zeigt einerseits, wie weit weg die westliche Welt in Gedanken vom asiatischen Kontinent ist und andererseits, dass Frauen in Machtpositionen keine besondere Aufmerksamkeit mehr erregen. Wu Yi ist 1938 geboren und ist bislang die einzige Frau im chinesischen Führungsgremium. Sie ist Ingenieurin, und ihr Lebensweg liest sich so, wie der einer europäischen oder amerikanischen Politikerin. Über das Amt der stellvertretenden Bürgermeisterin (1981–1991) von Peking wurde sie Vizeministerin und Ministerin für Außenhandel. Ab 1998 wurde sie Staatsrätin und ab 2003 Vizepremier. Sie war an den Verhandlungen über den WTO-Beitritt der Volksrepublik China beteiligt und reorganisierte den chinesischen Zoll nach US-amerikanischen Klagen über Patentverletzungen. Während der SARS-Krise trat Wu Yi an die Stelle des entlassenen Gesundheitsministers Zhang Wenkang. Wu Yi ist stämmig, aber für chinesische Verhältnisse eine normalgroße Frau. Von ihrer Figur her erinnert sie an Madeleine Albright. Ihr Gesicht zeigt so gut wie keine Falten, sie könnte glatt als zwanzig Jahre jünger durchgehen. Sicherlich genießt sie einen genetischen Vorteil, aber asiatische Gesichter erscheinen im Vergleich zu unseren auch deutlich jünger, weil sie nicht so reich an Mimik sind und daher immer glatter wirken. Wu Yis Haar ist kurz geschnitten, stirnfrei frisiert und ungefärbt. Es wirkt nicht so, als hätte sie viel Arbeit damit, aber das ist schwer einzuschätzen. Auf Fotos trägt sie eine europäische Frisur, die nicht unbedingt zu der Beschaffenheit von asiatischem Haar passt. Doch es gelingt ihr jedenfalls wie Condoleezza Rice, immer gut frisiert zu erscheinen. Wu Yi ist das, was man eine efficient Lady bezeichnet. Sie scheint frei zu sein von jeglichen persönlichen Befindlichkeiten, sie bietet keinerlei Angriffs-
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fläche und zwingt niemanden zur Bewertung ihrer Person – sie ist so, und so ist es eben. Diese Frau wählt ihre Garderobe mit akribischer Detailgenauigkeit und erweist dem Anlass stets die Ehre. So sitzt sie neben George W. Bush in einem leuchtend roten, westlich geschnittenen Jackett – sie kennt die Vorliebe der Amerikaner für leuchtende Farben. Anlässlich des ersten chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsdialoges trägt sie ein royalblaues Kostüm im Mao-Stil – eine schöne Gelegenheit, um an die eigenen Wurzeln zu erinnern. Sie und der US-Finanzminister Henry Paulson haben dort jeweils als Sondervertreter beider Staatsoberhäupter den Dialog geleitet und natürlich gibt es in so einem Rahmen auch ein Gruppenfoto: Wu Yi in Royalblau in der Mitte, umringt von mehreren Dutzend schwarz gekleideten Männern – das hat Erinnerungswert. Sie trägt ein Hawaii-Hemd auf Hawaii, wenn sie sich dort mit den USA auf ein Tourismusabkommen verständigt. Nicht schon dann, wenn Sie aus dem Flugzeug steigt, aber im Rahmen des gesellschaftlichen Beiprogramms ist das eine freundliche Geste, die zeigt, dass man sehr wohl weiß, dass es hier aller Globalisierung zum Trotz schon noch andere Sitten, Gebräuche und vor allem Geschmäcker gibt. Wu Yi meint es nicht nur gut, sie macht es gut. Biete deinen ausländischen Geschäftspartnern nur ihre einheimische Küche an, wenn du sie auch kochen kannst. Begrüße den Amerikaner nicht mit fettigen Fritten und den Japaner nicht mit weichem Sushi. Wu Yi kann kochen in diesem übertragenen Sinn. Sie bewegt sich in Jacketts mit klassischem Revers westlicher Herkunft ebenso sicher wie in Chanel-Jacken mit mehr oder weniger Glamouranteil oder in den Anzügen im Mao-Stil aus kommunistischen Zeiten. Letzterer heißt übrigens nur in der westlichen Welt so, in China ist er nach dem Namen seines Schöpfers, Sun Zhongshan, als Zhongshan Zhuang benannt. Der Mao-Anzug war eine Auftragsarbeit. Nach dem Sturz des Kaiserreichs beauftragte der erste provisorische Staatspräsident Sun Yat-Sen (d. i. Sun Zhongshan) einen Schneider mit der Herstellung eines neuen Anzuges, der sich explizit von dem westlichen Herrenanzug unterscheiden sollte. Im Jahr 1923 wurde dieser Anzug Pflichtkleidung für Beamte, ab 1927 trug ihn Mao Zedong, und natürlich trug er ihn auch an dem Tag im Jahr 1949, als er die Volksrepublik China ausrief.
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Er ist ein Beispiel für eine verordnete Mode mit gleichfalls verordneter Symbolkraft. Der kleine Stehkragen ist das offensichtlichste Zeichen dafür, dass es sich hier um einen Gegenentwurf zum westlichen Herrenanzug handelt. Ist er zugeknöpft gibt es auch kein Fasson mehr. Aber dennoch sind seine Wurzeln westlich. In dem Stehkragen finden sich Elemente japanischer Studentenuniformen, und die leiten sich wiederum von der preußischen Uniform ab. Die drei Manschettenknöpfe stehen für die drei Prinzipien Nationalismus, Demokratie und Staatssozialismus. Sun Yat-Sen sah in den vier Taschen die vier Rechte des Volkes und in den fünf Vorderknöpfen einen Bezug zu den fünf Gewalten der chinesischen Verfassung. Offenbar übertrug er mit dieser Symbolik nur seine Vision vom chinesischen Staat auf den Anzug, denn Allgemeingültigkeit haben die genannten Kategorien nicht erlangt. (Weder Sinologen noch die chinesische Botschaft selbst wissen die vier Rechte und fünf Gewalten zu nennen.) Wu Yi folgt bei allem, was sie trägt, dem Chanel-Prinzip: Weichere und gröbere Maschenwaren in körperbetonten Schnitten. Sie stehen allen Frauen gut, aber besonders den kräftigen. Sie umschließen die füllige Statur und machen immer noch Figur. Aufmerksamkeit im Detail trägt dazu bei, dass diese Frau, die weit weg ist von irgendwelchen Traummaßen, niemals unförmig wirkt. Sie werden sie niemals in einem Jackett sehen, das nicht zu 100 Prozent gut sitzt, zu lange Ärmel hat oder in einem Rock, der nicht die optimale Länge hat. Der Stil der Frau sagt: Eine Frau ist in jedem Alter und mit jeder Figur schön, wenn sie weiß, was ihr steht. Diese Spitzenpolitikerin spielt die Klaviatur des visuellen Smalltalks einfach großartig.
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Platz 2: Condeleezza Rice
Platz 2: Condeleezza Rice
Condoleezza Rice hat ein Gefühl dafür, was ihr steht, und sie weiß, was sich in ihren Kreisen gehört. … Der Stil ist keine Frage der Mode, sondern der Persönlichkeit. Bei Frau Rice gibt es diese gewisse Tonigkeit, die den Ausdruck einer interessanten Individualität unterstreicht. Und sie hat natürlich Glück mit ihren Proportionen.
Condoleezza Rice sind Schwankungen niemals anzusehen. Weder Müdigkeit noch Nervosität fallen dem Betrachter auf. Er wird nie erleben, dass ein Friseurbesuch fällig oder der Lippenstift nicht hundertprozentig abgestimmt ist und auch nicht, dass das Kostüm nicht richtig sitzt. „Wie macht sie das?“, fragen sich die Leute. Alles nur eine Frage eines disziplinierten Timings? Oder gibt es da noch einen anderen Vorsprung?
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Beides stimmt wohl. Rice räumt ihren Beautyphasen genau so viel Zeit ein, wie sie braucht, damit sie mit dem Ergebnis zufrieden ist. Und natürlich ist sie erst dann zufrieden, wenn alles stimmt. Dafür gönnt sie sich schon mal einen Sonntag im renommiertesten Kaufhaus Amerikas, das einzig und allein für sie öffnet und eine gut ausgebildete und noch besser bezahlte Direktrice bereithält. Ihr Anspruch ist auch auf dieser Ebene hoch. Er muss es auch sein, schließlich setzt sie sich als Politikerin in Amerika durch, dem Land, das wie kein zweites auf die optische Wirkung einer öffentlichen Person achtet und diese kritisch hinterfragt. In dem aus Informationen Stories werden und aus Routinehandlungen inszenierte Bühnenauftritte. Mit vollkommener Körperspannung etwas selbst zu präsentieren, im Sessel nicht zu lümmeln, Gefühlsregungen zu kontrollieren, Mimik und Gestik im Griff zu haben und mit festem Blick in Kamera- oder echte Augen zu schauen, ist ein Pflichtprogramm, das Condeleezza Rice verinnerlicht hat, ebenso wie das Wissen, dass sie ohne ein schickes Outfit ihr Ziel verfehlen würde. Und sie weiß: Es ist nichts wert, wenn es nicht mit Würde und Anmut getragen wird. Die Nähe zu den Mächtigen war Condoleezza Rice nie fremd. Ihre Familie ist von jeher mit der Familie von Colin Powell befreundet gewesen und auch zu Madeleine Albright gibt es schon seit langem eine Verbindung. „Meine Eltern überzeugten mich davon, dass ich möglicherweise keinen Hamburger bei Woolworth bekommen würde, aber durchaus Präsidentin der Vereinigten Staaten werden könne“, sagte Condoleezza Rice einmal im BBC-Interview. Auch passioniertes Footballspielen und Eiskunstlauf in Jugendtagen und ein noch intensiveres Klavierspiel, aus dem beinahe ein Beruf geworden wäre, bereiteten Condoleezza Rice bestens auf den Wettbewerb auf höherer Ebene vor. Konzertpianistin wurde sie nicht, weil sie sich selbst nicht für befähigt genug hielt. „Ich war nicht gut genug“, sagte sie über ihr Klavierspiel. Durch solche Aussagen bekommt man eine Ahnung davon, wie ehrgeizig sie ist. Sich immer bewusst zu sein, dass viele Menschen einen beobachten – und wenn es nur aus den Augenwinkeln ist –, und das ohne merkliche Anstrengung aushalten können, ist für sie im politischen Alltag vor diesem Hintergrund eine leichte Übung.
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Ihre dunklere Hautfarbe hat ihr sicherlich so manche Schwierigkeit eingebracht und hat bestimmt ihren Blick auf die Welt entscheidend geprägt, aber unabhängig von rassistischen Tendenzen in den USA bietet ihr ihre Hautfarbe einen uneinholbaren Vorteil. Der natürliche Helligkeitskontrast zwischen Teint, Augeniris, Brauen und Haarfarbe macht Schlafmangel, Anspannung oder hormonelle Schwankungen viel weniger sichtbar, als bei einer Frau mit deutlich hellerem Teint. Mitteleuropäische Frauen sehen müde aus, wenn sie müde sind, Condoleezza Rice nicht. Und sollte die Müdigkeit doch mal sichtbar sein, sind diese ungeliebten Erscheinungen wie Augenringe und ein fahler Teint ganz leicht wegzuschminken, denn die Kontraste liegen wiederum auch nicht zu nah beieinander, wie bei vielen aschblonden Mitteleuropäerinnen, aber auch nicht zu weit auseinander wie bei Schneewittchentypen mit ganz heller Haut und rabenschwarzem Haar. „Sie sieht in echt genauso aus wie im Fernsehen“, sagen die, die ihr schon einmal begegnet sind. Sie verändert sich nicht durchs Kameraobjektiv, was einen großen Teil ihrer telegenen und authentischen Ausstrahlung ausmacht. Ein schöner Vorteil, den sie mit wenigen mitteleuropäischen Frauen, aber durchaus vielen Frauen aus den Südstaaten teilt. Aber das ist nur die eine Hälfte. „Ohne Anstrengung, Disziplin und Ausdauer läuft auch auf diesem Sektor nichts“, weiß die amerikanische Elitefrau, joggt, hält Maß und gönnt sich mit dem stillen Einverständnis der Nation jede Unterstützung, die sie dafür braucht. Über Kanzlerin Merkel gibt es dagegen eine bissige Kolumne, als bekannt wird, dass sie auf ihre Chinareise eine Stylistin mitnimmt. Das ist Deutschland … Das genetische Erbe von Condeleezza Rice ist ihr harmonisch geformter, wohlproportionierter Körper, der den Goldenen Schnitt begreifen lehrt. Diese Ausgewogenheit setzt sich auch in ihren Gesichtszügen fort, und wenn es etwas Fett am Körper dieser Frau gibt, dann liegt es unter der Gesichtsmuskulatur und bringt ihr einen dritten großen Vorsprung: Sie wirkt niemals hart. Dass sie es dennoch sein kann, ist hinlänglich bekannt, ihr aber eben nicht anzusehen. Und wenn sie lacht, die makellose, weiße Zahnreihe zeigt, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass es Probleme geben könnte, die nicht lösbar wären. So wird sie dann und wann falsch eingeschätzt.
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Ob im weicheren Boucléstoff eines Chanel-Kostüms oder im feinen Tuch eines schwarzen Hosenanzugs nach der Klassikvorlage von Yves Saint Laurent, ob hochgeschlossen und zweireihig oder mit tiefem Revers und Schalkragen, sie strahlt stets die gleiche Autorität aus. Oberstes Augenmerk liegt – wie bei Wu Yi auch – auf der Passgenauigkeit der Kleidung, da gibt es keine Kompromisse. Schließlich sollen eine ungenaue Passform oder eine unvorteilhafte Hosen-, Rock- und Jackettlänge nicht zerstören, was von der Natur so schön vorgegeben wurde. Die Farben wählt sie nach dem Protokoll des Amtes, und das fragt immer: „Wie kann ich dem Anlass am besten Ehre erweisen? ... Und dabei nichts über mich persönlich preisgeben?“ Die Ladies who govern lehnen sich in ihrer Kleidung an das Farbspektrum der Männer an und erweitern es um fein nuancierte Einspieler. Und: Es wird überhaupt nichts angezogen, was nicht zuvor in der Wirkung geprüft worden wäre. So gibt es keine unliebsamen Überraschungen, weil sich ein Stoff doch nicht so verhält, wie gedacht, mehr knittert oder vor der Kamera nicht hochwertig genug aussieht. Rice kennt ihre Garderobe und weiß, wie sie darin wirkt. Die mächtige Amerikanerin inszeniert sich, wie es alle Mächtigen in den USA tun und findet das ganz normal. In Europa galt lange Zeit als übertrieben eitel, wer eine zu große Aufmerksamkeit auf Äußerlichkeiten legte – zu wenig war allerdings auch nicht gut, wie Angela Merkel schmerzlich erfahren musste –, aber die Mediendemokratie erzieht ihre Promis erst langsam zum Umdenken. Je größer das Angebot an Informationen wird, desto wichtiger wird das Wie: Wie tritt jemand auf? Wie sieht jemand aus? Wie ist jemand gekleidet? Ihrer Frisur bleibt Rice treu. Maximal bis zum Kinn reichen ihre Haare und umrahmen helmartig das Gesicht. Die Stirn ist weitgehend frei, aber nicht ganz. Da ist eine kleine Haarsträhne, die asymmetrisch über die Stirn fällt. Genau die kleine Asymmetrie, die jedes Gesicht, besonders durch Kameraaugen betrachtet, interessanter machen. Viel mehr ist auch nicht möglich mit dieser sehr eigenwilligen Haarqualität. Trotzdem ist gerade glattes Haar ein Ideal aller Afroamerikanerinnen, denn glatte Haare verschaffen der Gesichtskontur klare Linien, und das verleiht viel mehr Kompetenz als Locken. Locken wirken ungeordnet und erinnern häufig an kleine Kinder. Vor allem aber haben Weiße eben glattes Haar …
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Platz 1: Angela Merkel
Es ist sehr einfach, Condoleezza Rice attraktiv zu finden. Mir läge das Wort „perfekt“ auf der Zunge, wenn dies nicht im Widerspruch zu den sinnlichen Merkmalen eines schönen Menschen stünde. Ihre Eltern haben es besser auf den Punkt gebracht: Sie inszeniert sich als zweitmächtigste Frau der Welt wie ihr Name es vorgibt: Mit lieblichem Vortrag.
Platz 1: Angela Merkel Mädchen haben keine markanten Gesichtszüge und verfügen über keinerlei erotisierende Attribute. Sie wirken süß, aber harmlos. Auch Angela Merkel wirkte lange Zeit so. Als hätte man nichts zu befürchten von dieser Frau mit dem leicht nach vorne gebeugten Gang, der sich verstärkt, wenn man viel sitzen, schreiben und zuhören muss. Ihr Blick erreicht ihr Gegenüber demutsartig von schräg unten. Ihr Lächeln kommt dem einer gestrengen, aber gerechten Internatsleiterin gleich. Kleidung, Frisur und nicht vorhandenes Make-up taten ein Übriges, sie eher zu unterschätzen, als eine Gipfelstürmerin in ihr zu sehen. „Kohls Mädchen“ wurde sie in den 90er Jahren genannt, als Helmut Kohl die Republik regierte. Merkel war weder von einer Aura der Macht umflort noch gab es optische Hinweise auf den klugen Physikergeist, der in ihr steckt. Sie hatte nichts von dem an sich, was Frauen dringend zu empfehlen ist, wenn sie vorhaben, sich unter die Mächtigen zu mischen: keine Eleganz, keine Sinnlichkeit und schon gar keine Weltgewandtheit. „Das Merkel“ war ein weiterer Spitzname, der ihre Weiblichkeit ignorierte und sie zum alterslosen Neutrum machte. Als sie im September 2005 die Bundestagswahl gewann, war sie 51 Jahre alt, und es lagen anderthalb Jahrzehnte des Kräftemessens der besonderen Art mit den Medien hinter ihr. Keine andere Person in der Bundesrepublik wurde öffentlich so wegen ihres Aussehens gemaßregelt und verspottet. Kein Mann und keine Frau. Modedesigner und Friseure hatten sich all die Jahre lautstark daran beteiligt und setzten damit vor allem sich selbst in Szene. Aber auch Branchenfremde kühlten ihr Mütchen, wie 2001 der Autoverleiher Sixt in seiner verletzenden Cabrio-Werbung mit dem Spruch „Brauchen Sie eine neue Frisur, Frau Merkel?“ Dann wurde Merkel Kanzlerin, und der Dauerfrontalangriff auf Kleidung, Augenringe und vor allem auf ihre Frisur ebbte ab. Plötzlich war man stolz, als Designer für die First Lady arbeiten zu dürfen …
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Aber bis es soweit war, war Angela Merkel auch für die Medien stets eine willkommene Negativvorlage. Sie beschrieben und filmten ihre Gestalt bergab, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Und das war sehr oft der Fall. Denn sie lieferte so fabelhaft eindeutige Indizien dafür, wie eine Staatsmännin nicht auszusehen hat. Rock zu altmodisch, Hose ausgebeult und zu kurz, die Schuhe zu flach und erst die Haare … das geht so gar nicht! Da war man sich hüben wie drüben einig. Und das tat Auflage und Quote gut, erleichterte Schreibern wie Moderatoren das Leben, selbst bei den Artikeln und Sendungen, die vorgaben, sie seien auf Inhalte und auf Weltnachrichten beschränkt. Angela Merkel bot den Stoff für die redaktionell verordneten emotionalen Zugänge, die besonders trockene Themen auflockern sollten. Wie Karikaturen in der Zeitung. Und Fragen wie „Was sagen Sie zu den Frisurenvorschlägen in der Bunten?“, waren beliebte Opener im Interview. Aber was warf man ihr eigentlich vor? Dass sie keine Modelmaße hatte, ihre Kleidungstücke kein Barometer für Trends und ihre Haare nie gefärbt waren? Nein, das war zu keinem Zeitpunkt Stein des Anstoßes. Menschen lehnen nicht andere Menschen ab, weil ihnen eine Frisur nicht gefällt, oder weil das Jackett aus der letzten Saison stammt. Wer das glaubt, nimmt sich selbst zu ernst. Was man Angela Merkel vorwarf war, dass sie sich außerhalb einer gesellschaftlich akzeptierten ästhetischen Grenze bewegte. Ihre Kleiderwahl schien mit so ausgewiesener Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit getroffen worden zu sein, dass es jedem tapferen Krieger das Blut in den Adern gefrieren ließ. Da passte nichts zueinander, alles war irgendwie zusammengestellt worden und wirkte unausgewogen in den Proportionen. Nicht das Ob, interessierte die Menschen, die ihr folgen sollten, allein das Wie war der Grund für die Beschwerde. Mit dem Wie machte sie sich selbst zum größten Widerspruch: Sie forderte Status und sah statusverneinend aus. Sie forderte Anerkennung und Respekt, befolgte aber die einfachsten Statusspielregeln nicht. Wer viel will, von dem wird viel erwartet. Vor allem wird erwartet, dass er auf sich selbst achtet. Darauf bin ich in Kapitel 3 ausführlich eingegangen. Wenn jemand schon nicht auf sich achtet, wie soll er dann auf andere achten können? Für sie Verantwortung übernehmen können? Und diese Frau wollte ein ganzes Land repräsentieren, in den Klamotten? Nicht, dass ihre Jacketts aus ein paar fashion turns zuvor stammten, löste
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Platz 1: Angela Merkel
Ressentiments aus, sondern, dass in ihren Ensembles nichts zusammenpasste. Dass die Ärmel zu lang waren. Oder dass die Farbe Babyblau nichts verloren hat in Kreisen, in denen es richtig zur Sache geht, und dass genau diese Gehrocklänge oder jene praktische Karottenhose zu den flachen Schuhen alle Gesetze harmonischer Proportionen verleugnet, das war das Problem. Es missfiel dem Bürger, der sie wählen sollte, nicht, dass ihre Haare nicht in besonderer Weise gelegt oder toupiert waren, sondern dass sie einen lieblosen, braven Pagenkopf trug, wie die Mädchen in den Anfängen der 70er Jahre. Etwas länger als bei den Jungen, aber immer so kurz, dass die Haare gerade nicht im Gesicht hängen. Und tatsächlich trug sie die Haare in den 70ern ja nachgewiesenermaßen auch schon so. Ponypartien sind bei Führungsfrauen sowieso umstritten. Amerikanische Spindoktoren empfehlen jenen, die nach vorn drängen, prinzipiell: Zeigen Sie Stirn! und meinen das nicht nur im übertragenen Sinne. In Europa ist man da großzügiger, aber mit diesem Pony, der nur das Ergebnis einer stumpfen Nagelschere in den Händen eines Nicht-Friseurs sein konnte, war auch bei bestem Wohlwollen kein Frieden zu schließen. Er bildete den konsequenten Höhepunkt des immergleichen Signals: Mein Äußeres ist mir egal. Als Kanzlerin trägt Angela Merkel nun den Pony so, wie auch Condoleezza Rice – halbseitig und mit aufgelockerten Haarsträhnen. Der Gedanke, sein Äußeres nicht allzu wichtig zu nehmen, ist an und für sich sympathisch, aus tiefstem Herzen authentisch und wohltuend in Zeiten des Narzissmus. Allerdings kam er im Meinungsbild des Bürgers nur sehr schleppend an. Stattdessen verstand man die Botschaft so: Wir sind ihr so egal. Gerade der freie und tolerante Westen wollte sie nicht lieben, wie sie war, und hatte keine Lust nach ihren inneren Werten zu suchen. So wurde leibhaftige Natürlichkeit als Disziplinlosigkeit gewertet, die klare Priorität gegenüber den Inhalten als Unfähigkeit und Argumente als trotzige Ignoranz. Angela Merkels oberste Politikerpflicht war es, diese Menschen dazu zu animieren, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen, stattdessen stieß sie sie unbeabsichtigt vor den Kopf. Sie wusste, dass sie besser mit Argumenten überzeugen als mit medientauglichem Charme und telegenem Aussehen Stimmung machen konnte. Sie wollte sich nicht abgeben
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mit Dingen, die sie aus tiefstem Herzen für unwichtig hielt und vergrub sich stattdessen lieber noch tiefer in Akten und Gesetzestexten. Sie reagierte auf Häme und Spott folgerichtig konsequent – mit einem: Auch das ist mir so egal. Ein kapitaler Fehler, wie sich herausstellte. Denn anstatt dass die Berichte über ihr Aussehen von allein abebbten, rief sie damit die Medien erst recht auf den Plan. Sie verkannte den Einfluss der Presse und vor allem den Einfluss einer guten Wirkung in der Presse und vor allem im Fernsehen. Sie selbst öffnete der Demontage ihrer Person Tür und Tor. „Angela Merkel – Kan-di-dat?“, fragte noch 2005 ein Wahlplakat der SPD und eine Karikatur über Modeneuheiten war unterschrieben mit: „An ihr sieht alles aus wie Merkel.“ Der Imagewechsel kam spät, aber dafür schneller als von ihr selbst gedacht. Gerhard Schröder reagierte auf die große Wahlniederlage bei den NRW-Landtagswahlen vom Mai 2005 mit der Ankündigung, die Bundestagswahlen vorzuziehen, Angela Merkel wird wenige Tage später zur Kanzlerkandidatin gekürt. Das machte den geplanten Imagewechsel, der kaum merklich und sukzessive von statten gehen und wie zufällig zu den Wahlen im September 2006 vollzogen sein sollte, unmöglich. Nun musste schneller sichtbar werden, worauf alle schon so lange gewartet hatten. Zunächst wurden die Haare rötlich-blond gefärbt. Das entspricht nicht ganz ihrer natürlichen Haarfarbe, diese ist Aschblond, aber Rotanteile wirken weicher, und der gesunde Glanz einer künstlichen Haarfarbe aus der Tube, der dem Naturton meist überlegen ist, kommt noch besser zur Geltung. Aus dem helmartig anliegenden Pagenkopf, der in unvorteilhafter Länge abrupt aufhörte, wurde ein ausgewogen gestufter Bob mit Volumenbetonung am Hinterkopf. Das unterstützt einen überlegenen und überlegten Eindruck. Das praktische Kinderpony wurde durch einen Scheitel getrennt, leicht asymmetrisch geschnitten und als harmonische Welle in die Frisur integriert. Die leichte Asymmetrie ist wichtig. Allzu große Symmetrie geht auf Kosten eines plastischen Eindrucks und das – Sie wissen es schon – wirkt immer, aber besonders im Fernsehen fade und langweilig. Dann wurde zartes Make-up aufgelegt. High Tech Foundation mit lichtdurchlässigen und lichtundurchlässigen Pigmenten, das für größtmögliche Natürlichkeit sorgt, Falten nicht zu verstecken versucht, aber auch nicht bloßlegt. Die Augen wurden weich schattiert und umrahmt mit Lid-
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Platz 1: Angela Merkel
schattenfarben, die nie dunkler sind als die Iris. Das würde nur älter machen und besonders vor der Kamera unnötig hart wirken. Ein bisschen Rouge und ein Lippenstift, der etwas mehr glänzt als färbt, kultivieren einen souveränen Eindruck. Die langen Gehröcke, die gern von Frauen bevorzugt werden, die glauben, ein zu ausladendes Hinterteil zu haben, wurden durch deutlich kürzere ersetzt, die dort enden, wo die Hüfte am breitesten ist. Eine Hose mit geradem Bein, die dazu eng am Gesäß anliegt, macht in jeder Größe eine feminine Silhouette. Auch die Jackettärmel sind enger geschnitten und enden immer genau an der richtigen Stelle, an der Handmaus (die kennen Sie jetzt auch schon aus Kapitel 6). Angela Merkel trägt heute oft den gleichen Schnitt, was auf Maßanfertigung schließen lässt. Ein einreihiger Dreiknopf, der unter dem letzten Knopf angeschrägt ist – wieder eine leichte Asymmetrie, die den Kameraaugen schmeichelt. Das Revers ist fallend, eben das typische Businessrevers des Drei-Knopf-Anzugs. Sie trägt meist Hosen, ganz selten nur einen Rock und noch seltener ein Kleid. Vier Zentimeter hohe und etwas breitere Blockabsätze sind über viele Stunden geländetauglich und tragen sie durch den Tag. Die Wahl der richtigen Farbe gibt ihr Amt vor. Es gibt nicht nur ein detailliertes Protokoll für gutes Benehmen – wer begrüßt wen zuerst und wer steht, links oder rechts, neben wem –, sondern es gibt auch einen detaillierten, anlassbezogenen Dresscode. Die Farben der Macht sind für Frauen die gleichen wie für Männer und auch international gilt: Je wichtiger der Anlass, desto dunkler und reduzierter im Detail der Anzug. Einzig und allein dem Abend und seinen Vergnügungsverpflichtungen sind etwas mehr Farbe und ein paar Accessoires vorbehalten. Dafür hat Angela Merkel jetzt genügend ernst gemeinte Angebote von Designern, die sich jetzt darum reißen, für sie entwerfen und schneidern zu dürfen. Die erste Kanzlerin der Republik auszustatten, das ist prestigeträchtig. Und dann kann da auch nicht mehr soviel schiefgehen. Jetzt klingt ganz selbstverständlich, was vor ein paar Jahren noch keiner an Frau Merkel vermutet hätte: Harmonische Gesamtproportionen in den internationalen staatstragenden Farben dunkelblau und schwarz haben eine Staatsmännin mit lässiger Eleganz aus ihr gemacht.
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Von Angela Merkel kann man lernen, dass man sich gegen das allgemeine ästhetische Empfinden nicht durchsetzen kann, und seien die Motive noch so ehrenhaft. Dass innere Werte nur soviel Wert sind, wie man sie nach außen sehen kann. Und dass, wenn man es geschafft hat, diese Dinge ganz einfach werden, weil man unterstützt wird. Nach einem Jahr Kanzlerschaft bekommt Angela Merkel in Meinungsumfragen beste Noten für Auftritt und Outfit und wird im Ausland sehr geschätzt. Imagewechsel – hin zum Positiven – werden zu jeder Zeit akzeptiert. Es wird eigentlich sehr schnell vergessen, wie jemand vorher aussah. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt fällt plötzlich auf, dass sie eine schöne Stimme hat und ohne Druck ins Mikrofon spricht. Man bemerkt den ernsthaften, nachdenklichen Blick, der nicht mehr so verklemmt-verkniffen wirkt. Und manchmal zeigt sie sogar ein entspanntes Lächeln, das einem kein Spindoktor der Welt beibringen kann. Das kann nur jemand zeigen, der da angekommen ist, wo er immer hinwollte.
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Danksagung
Danksagung Eine der schönen Begleiterscheinungen meiner Arbeit ist, dass ich an den unmöglichsten Orten so viele gute Gespräche führen kann. Sie beginnen ganz harmlos beim Jackett, dem Rock oder einem Accessoire und enden stets bei den kosmischen Fragen über Macht, Erotik und Liebe. Offenbar führt Mode zu Wesentlicherem. Jetzt bin ich sehr froh, dass dieses Buch eine Seite bereithält, auf der ich all diesen interessanten Gesprächspartnern, Frauen wie Männern, ein dickes Dankeschön schicken kann. Letztlich waren sie der Impuls für dieses Buch. Ich danke den Menschen, die immer wieder nach mir geschaut haben. Horst Otto Klag, ein Pionier der Bildingenieurtechnik des ZDF, der mich mit seinen köstlichen rheinischen Frauenanalysen immer wieder zum Lachen brachte, und Michael Thamm, dem Studioleiter des WDR Bielefeld, der mich mit unerschrocken queren Gedanken und vielen Eiskugeln geduldig vorwärts schob. Großer Dank gilt auch Carla Schulte-Reckert, der Leiterin der Journalistenakademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, und der Moderatorin des WDR, Benedicta Junghanns, weil sie mich sicher zurückführten, wenn ich drohte, mich im Kleiderbügelwald zu verlaufen. Ich danke Heidi Schmidt, der Chefin der ARD-Online-Koordination, weil sie mit mir zusammen vor vielen Jahren die Lippenstiftseminare erfand. Mein großer Dank geht an Albert Kriemler, dem Inhaber und Design-Chef des Schweizer Modelabels Akris, der mir seine eingefangenen Glücksmomente vertrauensvoll überlassen hat. Ich danke dem Haufe Verlag, der als Wirtschafts- und Steuerrechtsverlag erkannt hat, dass hinter trockenen Zahlen und komplizierten Paragrafen immer Menschen und immer mehr Frauen stecken, denen Samt und Seide eine Herzensangelegenheit ist. Ich danke Markus Maeder, dem nightwriter aus Rapperswil, der mich in den Anfängen begleitete und zur denkbar besten Agentur führte: Dank an Oliver Gorus, meinen Agenten, und an Dr. Catharina Oerke, meine Lektorin, für die erstklassige Betreuung.
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Danksagung
Mein größter Dank gilt meinem Ehemann Hans Ulrich Frink, der sich mit der Frage „Brauchst du noch was?“ ständig nach meinem Wohlergehen erkundigte, meinem Sohn Nikolas, der mir die Businessfrauen von morgen vorstellte, und meiner Tochter Leonie, weil sie mir täglich zeigt, wie ästhetisch wertvoll Girly Look aussehen kann. Und ich danke meinem Bruder Frank Häger für lebenslange Inspiration.
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Sachregister
Sachregister Accessoires 66, 79, 151 ff. Alter 22 ff. Alterungsprozess 22, 23 Ansehen 18, 46 f., 80 Arme 40 f., 146 Attraktivität 19 ff. Augen 164 ff. Außenkontakt 50 ff. Authentizität 19 Autorität 17, 18, 36, 41, 47, 48 f., 50, 63 ff., 72, 97, 102, 103, 128, 178 Beförderung 49 Beine 16, 40 f., 148, 178, 179 Bewerbungsgespräch 53 ff. BH 114 ff., 136 Blazer 99 f., 109, 124, 127 Bluse 36, 70, 92, 102, 103 f., 120, 122, 131 ff., 179 f. Body 70, 103, 131, 136 f. Bodybluse 133 Bodyformer 116, 141, 142 Botox 164 Branchen 53 Busen 115, 128, 148 casual Dress Friday 29 Chanel-Jacke 124, 126 f. Chanel-Kostüm 46, 65 f., 85, 149 Cocktailkleid 143 f., 150 Cross Dressing 79 Dekolleté 47, 143, 144 Denim 39 f., 70, 137, 139, 178 Dessous 114 ff., 134, 177 Designer 68, 73 f., 94 Double-Face 68, 123 Dresscode 28 f., 53 Early Adopter 45 Einkaufen 37 f. Ensemble 141 f. Erotik 18, 33, 40, 51 f., 70, 97, 115, 125, 129, 134, 136, 138 Etikette 47 Etuikleid 63, 134, 135, 140 ff.
Evolution 14 ff., 18, 114, 167 Farbe 34 ff., 49, 54, 60, 61, 72, 90 ff., 133, 139, 143, 144, 150, 167, 169 Farbmodulation 90, 92, 93 Farbkombinationen 103 ff. Farbpass 94 ff. Fernsehaufzeichnung 56 ff., 93 Fernsehen 56 ff. Fertilität 15, 17, 47, 114 Figurinenskizze 73 Fischgrat 107 Firmenvideo 56 ff. Fotoaufnahmen 56 ff. Friseur 54, 167 ff. Führungsqualitäten 48 f. Futteralkleid 140 garngefärbt 60, 69, 141 Geschäftskontakt 50 ff. Girly-Mode 78 ff. Glamour 17, 33, 40, 100, 147 Glencheck 107 Grundfarben 93 Goldener Schnitt 12, 13 f., 120 Gürtel 152, 181 Haare 23, 59 f., 85 f., 167 ff. Hahnentritt 107 Haltung 18, 22, 63, 65, 75, 130, 175, 176, 177, 178, 179 f. Haut 16 f., 59, 69, 159 f. Haute Couture 63, 68 Hose 51, 78, 109, 125, 129 ff., 142, 177 f. Hosenanzug 46, 49, 54, 97, 102, 103, 123, 124, 129, 142 Hüfte 16, 70, 114, 142, 177 Jacke 127, 134. 142 Jackett 50, 68, 70, 78, 80, 124 ff., 141 f., 180 Jeans 39 f., 46, 100, 109, 120, 137 ff., 173, 178 Jersey 145 Jugend 23, 114
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Sachregister
Jugendwahn 23, 79 f. Kamelhaarmantel 121 f. Kapuze 79 f. Karo 107 Kindchenmode 78 ff. Kleid 140 ff., 182 Komplementärfarben 94 f. Komplimente 81 ff. Konfektionsware 74 f., 86 Körperhaltung 18, 22, 63, 65, 75, 130, 175, 176, 177, 178, 179 f. Korsagenkleider 143 Kostüm 97, 102, 103, 123, 124, 191, 193 Kleines Schwarzes 36, 97, 144 ff. Kreidestreifen 106 Lebenskonzept 22 Lederjackett 104 Lederlongblazer 119 ff. Lippenstift 162 ff. Mainstream 45 Make-up 59, 159 ff. Manschettenknöpfe 133, 180 Mantel 71, 80, 141, 181 f. Marlene-Hose 129 Maßkonfektion 71, 74, 78 Merino-Polo 41, 135 Merinowolle 49, 135 Minirock 85, 109 Mitarbeiterkonferenz 48 ff. Mode-Anarchie 29 Modeschmuck 65, 147, 153 Muster 105 ff., 143 Nadelstreifen 106 Neid 81 f. New Economy 28 Paisley 108 Passform 30, 60, 71 ff., 134, 141 Pepita 107 Persönlichkeit 39 f. Plastizität 36, 60, 90, 100, 102, 103, 133, 138, 162, 163, 166, 200 Po 40, 109, 130, 139, 142, 148, 177, 178, 179
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Preis 31, 153 Proportionen 16 ff. Pubertät 16 f., 148 Pumps 148 ff., 179 Rock 50, 78, 125, 128, 142, 178 f. Red Light Zone 45 Raubkopie 31, 152 f. Reflexion 100, 160 f. Rouge 141 f. Schmuck 147, 153, 154 Schnäppchen 31, 77 Schönheit 12, 13 ff., 20 f. Schönheitskorrekturen 23, 186 Schuhe 52, 144, 147 ff., 179 Secondhand 33, 54 Selbstverständnis 33, 51, 56 Sensibilität 21 Sicherheit 30 Smalltalk 20, 52 Stoff 60, 67 ff., 141 Stil 24 ff., 27, 32 Stilempfinden 24 Stretchfasern 25, 178 Strickware 49, 57, 119, 128, 134 f. Strümpfe 40 f., 144, 147 Symmetrie 13 f. Taille 16, 114, 148 Tasche 52, 151, 154 Testimonial 44 f. Tragekomfort 30, 67 ff. Trendmode 44 f., 106 Trenchcoat 117 ff., 155 TV-Aufzeichnung 56 ff. Twinset 134 f. Überkaro 108 Uhr 152, 154 Uniform 29, 99, 125 Vorbilder 42 Vorstellungsgespräch 53 ff. Weiblichkeit 8, 17, 128, 163 Werte 47 f. Zeitgeist 44 Zeitlosigkeit 32 f. Zwirn 69
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Personenregister
Personenregister Albright, Madeleine 17 Armani, Giorgio 68, 111, 155, 172 Bardot, Brigitte 134 Beckham, Victoria 39, 42 f., 44, 176 Benedikt XVI., Papst Blahnik, Manolo 150 Bloomers, Amelie 129 Bogart, Humphrey 118 Burberry, Thomas 117 f. Burda, Aenne 10, 57, 64 Cassini, Oleg 145 Chanel, Coco 65, 85, 128, 134, 143, 144 ff., 151 Courrèges, André 85, 110 Deneuve Catherine 88 Dietrich, Marlene 129, 131 Dior, Christian 63, 64, 143 Eliot, George 20 Evans, Mary Ann 20 Ferré, Gianfranco 131 Fogarty, Anne 63 Fonda, Jane 23 Garbo, Greta 118 Gates, Bill 50 f. Givenchy, Hubert de 145 Gréco, Juliette 97 Hamm-Brücher, Hildegard 87 Hitchcock, Alfred 18 Hepburn, Audrey 125, 145 Itten, Johannes 94 f. Karan, Donna 70, 136, 155, 172 Kelly, Grace 134 Kennedy, Jackie 66, 86, 87, 145 Klein, Calvin 111, 155, 174 Kraus, Karl 177 Kriemler, Albert 11, 68 Lacoste, René 135 Lagerfeld, Karl 145, 149, 172 Lang, Helmut 68 Lauren, Ralph 111, 155, 174 Leonardo da Vinci 12, 13 Luther, Martin 96
Madonna 45, 156 Massaro, Raymond 149 McCardell, Claire 136 McCartney, Stella 187 Merkel, Angela 174, 184, 189, 197 ff. Miyake, Issey 157 Molloy, John T. 34, 111, 155 Montana, Claude 155 Monroe, Marilyn 24, 114, 147, 168 Nolte, Claudia 174 Pappritz, Erika 64 Parker, Sarah Jessica 120 Poiret, Paul 144 Picasso, Paloma 35 Pooth, Verena 39, 42 f., 185 Quant, Mary 85 f. Rabanne, Paco 68 Renger, Annemarie 87 Rice, Condoleezza 18, 189, 193 ff. Royal, Ségolène 184, 185 Saint Laurent, Yves 87, 88, 110, 130, 145 Sander, Jil 111, 157, 172 Sassoon, Vidal 86 Schiaparelli, Elsa 79 Schirrmacher, Frank 22 Schwarzer, Alice 87, 112, 185 Shaw, George Bernard 74 Spelling, Aaron 12 Spencer, Herbert 20 Starck, Philippe 145 Stone, Sharon 19 Strauss, Levi 137 Streep, Meryll 155 Thatcher, Margret 112, 158 Versace, Gianni 173 f. Vreeland, Diane 22 West, Mae 76 Wu Yi 189 ff. Zegna, Ermenegildo 152
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Die Autorin
Die Autorin
Silke Frink war bis 1999 als freiberufliche Visagistin und Stylistin für die Bonner Hauptstadtstudios von ARD & ZDF und die Deutsche Welle tätig. Mit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin gründete sie die Agentur »bildschoen medien« und entwickelt seither Imagedramaturgien für Live- und Fernsehauftritte von Politikern, Führungskräften und Pressesprechern sowie für Redaktionen der Landesrundfunkanstalten der ARD.
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