Lobo erwachte und fühlte die Kraft in seinem Körper. Er spannte die Muskeln wie eine Raubkatze und öffnete die Augen. E...
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Lobo erwachte und fühlte die Kraft in seinem Körper. Er spannte die Muskeln wie eine Raubkatze und öffnete die Augen. Er war nackt. Ei ne rauhe, mit einem tonroten Muster bestickte Decke lag über seinen Hüf ten. Lobo winkelte probeweise den lin ken Arm an. Er spürte keinen Schmerz mehr. Die Muskeln schwol len unter der dunkelgebrannten Haut. Eine helle Narbe zog sich fast von der Schulter bis zum Ellbogen hinunter. Dort hatte das Messer des Mestizen seinen Arm aufgeschlitzt. Nun war der Mestize tot, das Messer rostete irgendwo in der Nähe von Rio Carrera, und Lobo fühlte sich beina he wieder wie neu. Sonnenschein erfüllte das Zimmer. Er lag auf den groben, dunkelgebeiz ten Holzmöbeln und dem Bretterbo den, die frisch gewachst waren und
noch danach rochen. Durch das offe ne Fenster drangen die Geräusche des Morgens herein, wie man sie so nur auf einer Farm hören kann. Das Rascheln von Hühnerkrallen im Ge büsch, das Schnauben von Pferden, das leise Singen des Windes, der vom Rio Carrera her wehte, und das Quietschen der Winde, mit der Em mylou gerade das Wasser aus dem Brunnen heraufholte. Lobo stand auf, schüttelte die Dek ke ab und fuhr in seine Hose. Durch das offene Fenster drang der Geruch von, Sand und Salbei herein, dazu der Duft von Mais in der Sonne. Es war noch früh, dennoch schien die Luft im Hof schon zu flimmern. Lobo konnte Emmylou am Brun nen sehen. Sie war groß und schlank und dunkelhaarig. Sie trug einen Rock, der faltenlos bis zu den Knö cheln fiel, und ein dünnes Hemd ohne
Lobo blickte suchend nach seinem Ärmel und ohne Kragen. Die nack Halftergurt. Das Gewehr lehnte in ten Arme waren dunkelbraun von der Sonne. Sie bewegte sich entschie der Ecke, wo er es vom Bett aus er den und dennoch graziös. Jetzt reichen konnte. Wo war sein Army schüttelte sie die langen Haare über Colt? Ein Gefühl plötzlicher Unruhe er die Schulter und hob den Eimer vom füllte ihn, so stark, daß es sogar die Haken. Lobo wurde warm ums Herz, als er Vorfreude auf Emmylous Frühstück sie beobachtete. Sie war allein auf die verdrängte. Es war eine instinktive ser Farm mit ihren kaum fünfund Regung, aber gerade deshalb konnte zwanzig Jahren und hielt sie dennoch er sich darauf verlassen. Der metal tadellos in Schuß. Sie arbeitete den lische Geruch von Gefahr hing in der Luft. ganzen Tag und war dennoch in der Lobo wandte Lage, einem Mann sich rasch um, Die Hauptpersonen des Romans: die Nacht kurz wie blickte aus dem eine lose Reihe, von Fenster Emmylou Lobo — Erst kämpfte er für seine Liebe dann um sein Leben Augenblicken er befand sich unge Artie Sheridan — Er war heimtückisch scheinen zu lassen. fähr drei Yards wie ein Skorpion, aber an Lobo zer vom Brunnen ent brach sein Stachel Sie hatte ihn fernt, weitere aufgenommen, als Sam Sheridan — Er glaubte an die Un schuld seines Bruders, bis der Tod fünfzehn mußte er verletzt gewe seine Illusionen zerstörte sie zum Farmhaus sen war. Nun, da es Curt Maxwell — Er und die anderen zurücklegen. Lobo ihm wieder gut waren aufgebrochen, eine neue Zu kunft zu suchen, aber beinahe hätten sah ihre schmale, ging, würde er die sie den Tod gefunden hohe Gestalt auf Zeit und die Liebe, dem sonnenlicht die sie ihm gewid überkrusteten Hof. met hatte, zurück Und dann sah er die vier Schatten, zahlen. Sie konnte zwei kräftige Hände auf der kleinen Farm gut ge die in blauem Flimmern hinter dem aufwuchsen, rasend brauchen. Der Stall brauchte ein Brunnen neues Dach, der Hühnerstall neue schneller größer wurden und Gitter, und auch das Farmhaus schließlich als Reiter auf Pferden in konnte einige Reparaturen vertra den morgendlichen Frieden des Ho fes einbrachen. gen. „Emmylou!" schrie Lobo. Schließlich waren da noch die Emmylou wirbelte herum. Der Ei Nächte; die unendlich süßen Nächte, die wiederum eine Belohnung für die mer fiel zu Boden. Wasser färbte den Sand in großen Spritzern dunkel wie Arbeit des Tages waren. Lobo wandte sich ab, knöpfte die Blut. Emmylou schrie, erstickte den Hose zu und fuhr in das rostrote, grob Schrei dann selber mit den Händen. leinene Hemd, das neben dem Bett Wie gelähmt stand sie in der Sonne auf einem Stuhl lag. Emmylou hatte und starrte die vier Reiter an, die auf ihn am Fester gesehen und ihm zuge den Hof sprengten und um den winkt, ehe sie auf das Haus zumar Brunnen herum auf sie zujagten. schierte, leicht nach links gebeugt, „Lauf, Emmylou!" brüllte Lobo. um das Gewicht des vollen Eimers Ohnmächtig mußte er sehen, wie auszubalancieren. sein Ruf ohne Wirkung auf sie blieb. 4
Vielleicht wollte sie laufen, aber et was in ihr schien sie an die Stelle zu bannen, an der sie stand. Die vier Reiter waren jetzt fast über ihr. Eine große Staubwolke stieg hinter ihren Hufen auf. Die Waffen, die sie in der Hand hielten, blitzten in der Sonne. Der Wind trieb den Staub und das Donnern des Huf schlags auf das Haus zu. Lobo sprang zu seinem Gewehr und riß es aus der Ecke. Er stieß den Lauf durch das Fenster, repetierte mit der linken Hand, visierte den er sten Reiter an und drückte ab. Ein Schuß krachte, aber der Mann, auf den Lobo gezielt hatte, der Mann, dessen Colt auf Emmylou wies, stürzte nicht aus dem Sattel. Die Kammer der Winchester, die Lobo in den Händen hielt, war leer. Emmylou mußte die Patronen her ausgenommen haben. Sie mochte keine Waffen auf ihrer Farm, hatte sie gesagt, keine Waffen und schon gar keine geladenen. Lobo fluchte und stieß noch einmal den Repetierbügel vor, drückte ab. Er schwitzte plötzlich. Das Klicken, das erklang, war kaum zu verneh men. Im Hof krachten jetzt mehr Schüs se. Die vier Reiter galoppierten um Emmylou herum. Der Staub um wehte sie wie Rauch. Die Mündungs flammen zerrissen die Schleier wie feurige Schwerter. Emmylou schrie nicht. Die Kugeln schlugen in ihren Körper ein, und sie brach zusammen. Der Staub legte sich auf ihre Gestalt und ihre Wun den. Lobo hatte das Gewehr, aber es war nutzlos. Er wußte nicht, wie ihm geschah. Er lief aus der Tür, durch den Gang nach draußen. Die vier Reiter hatten noch eine Runde um den Brunnen gedreht und sich dann
nach Westen gewandt, in Richtung auf den Rio Carrera. Emmylou lag bewegungslos mitten auf dem Hof, neben dem umgestürz ten, ausgelaufenen Eimer. Sie war zweifellos tot. Lobo fühlte ein Dröh nen im Kopf, spürte Hitze in seiner Brust aufsteigen. Sein Mund war trocken geworden. Er lief zurück ins Haus. Er hatte keine Zeit mehr, jetzt nach seiner Halfter mit dem Army Colt zu su chen. Er lief in die Küche und riß die Schranktür auf. Im untersten Fach war die Schachtel mit den Patronen für die Winchester. Mit zitternden Händen lud er die Waffe. Er hätte niemals zulassen dürfen, daß Emmylou ihren Willen durch setzte und ihn von seinen Waffen trennte. Sie wäre noch am Leben ge wesen, wenn er ihr nicht nachgege ben hätte. Lobo schob zehn Schuß in den Unterlauf der Waffe, dann griff er sich die ganze Schachtel und lief wieder hinaus in den grellen Son nenschein. Der Morgen, der wie im Paradies begonnen hatte, war zu einem Alp traum geworden. Einem Alptraum aus Blut, Schweiß und Staub. Aber er, Lobo, würde dafür sorgen, daß er noch für andere zu einem Alptraum wurde - nicht nur für ihn. Er würde die Mörder Emmylous zur Rechenschaft ziehen. Er sah ihren schlanken, schmalen Körper im Sand liegen und wußte, daß er es jetzt nicht ertragen würde, ihr ins Gesicht zu sehen. Außerdem durfte er die Mörder nicht entwi schen lassen. Er würde sie stellen und dann zurückkehren, um Emmy lou zu beerdigen. Lobo lief in den Stall, wo sein Mor gan stand. Er nahm sich nicht die Zeit, das Tier aufzuzäumen und zu satteln. Er warf dem Grauen nicht 5
einmal eine Decke über. Er führte ihn aus seiner Box und saß mit einem Sprung auf dem Rücken des Tiers. Seine langen, schwarzen Haare flo gen. Sein narbenübersähtes Gesicht war starr und verkniffen. Nur die Augen schienen von innen her zu brennen. Nach zwei heftigen Stößen mit den Fersen schoß der Morgan-Hengst los. Lobo klammerte sich mit den Schenkeln fest, klemmte das Gewehr in die Armbeuge und stopfte sich so viele Patronen wie möglich in die Hosentaschen, ehe er die Schachtel fortwarf. Jetzt hielt Lobo die Winchester mit der rechten Hand, während er mit der linken den Hals des Morgan um klammerte. Die Farm mit dem be wegungslosen Körper neben dem Brunnen blieb hinter ihm zurück. Ein paar Hühner folgten ihm gak kernd, nachdem sie zuvor davonge stoben waren. Schließlich war er allein, allein mit einer Mörderfährte und einer Staub wolke in der Ferne vor sich. Wer waren die vier Männer? War um hatten sie Emmylou, die niemand ein Haar krümmen konnte und Waf fen haßte, erschossen? Es mußten Wahnsinnige sein, die wahllos Men schen überfielen und töteten. Em mylou hatte keine Feinde gehabt, dessen war Lobo sicher. Oder doch? Das Ganze war schnell und geplant abgelaufen, sie hatten nicht versucht, Emmylou zu quälen oder zu vergewaltigen. Sie waren herangeritten, hatten getötet und waren dann wieder davongaloppiert. Hatte es doch einen Grund gegeben? Lobo hieb dem Hengst die Fersen in die Flanken. Er würde die Ant worten auf all diese Fragen erhalten, bald. Er würde den vier Mördern die Fragen über den Lauf der Winche 6
ster hinweg stellen, und sie würden in die Mündung antworten.
Die Fährte führte schnurgerade auf den Rio Carrera zu. Das Land war trocken und sandig, hin und wieder unterbrochen von Felssträn gen. Die Maisfelder von Emmylou Mansons Farm lagen weit zurück. In dem rötlichen Erdreich waren die Trittsiegel der vier Pferde deutlich zu erkennen. Lobo ließ den Morgan jetzt Schritt gehen. Er sah keine Staubfahne mehr, deswegen nahm er an, daß die Reiter irgendwo angehalten hatten. Oder sie ritten im Flußbett. Bald würde er es wissen. Trockene, brau ne Sträucher hatten ihre dürren Zweige zum Himmel gereckt, als flehten sie um Wasser. Ein Steinad ler zog am Himmel seine Kreise. Plötzlich brachte der Wind stark und deutlich den Geruch von Wasser mit sich. Wenige Yards später fiel das Land ab. Lobo erblickte den Rio Carrera, der sich in großen Windun gen durch das Land zog. Es war ein schmaler Fluß, aber die Oberfläche in ihrem goldenen Gleißen ließ ihn größer wirken, als er war. Das Ufer, zu dem keine erkennbare Böschung hinunterführte, war dicht mit grü nem Gestrüpp bestanden. Auf der anderen Seite hob sich das Land wie der auf das Niveau des diesseitigen Gebiets. Lobo lenkte den Morgan zum Fluß ufer. Die vier Männer hatten ihn wahrscheinlich nicht bemerkt, we der auf der Farm, noch später auf dem Weg zum Rio Carrera. Dennoch waren sie nirgendwo zu sehen. Viel leicht hatten sie im Schutz der Bü sche gelagert, um die größte Vormit tagshitze vorübergehen zu lassen.
Lobo saß ab und ging direkt zum Ufer hinunter. Hier wehte kein Wind. Die Hitze war unerträglich. Das leise Plätschern des Wassers, das sich an den glitschigen Steinen brach, vereinigte sich mit dem Blit zen der Sonnenstrahlen auf den Wel len zu einer beruhigenden, einschlä fernden Atmosphäre, auf die Lobo alle Karten setzte. Die Banditen würden nicht mehr wachsam genug sein. Er aber, nichts als Emmylous bewegungslosen Kör per vor Augen, war vorsichtiger denn je. Ein paar große, schimmern de Libellen standen über dem Was ser. Der Fluß war nicht tief. Die klei nen Zweige, die am Ufer in die Strö mung hingen, berührten fast schon den Grund. An der tiefsten Stelle mochte das Wasser einem Mann viel leicht bis zu den Knien reichen. Lobo ließ den Morgan zurück. Er wollte sich am Ufer entlang zu Fuß zu der Stelle vorarbeiten, an der die Fährte im Gebüsch verschwunden war. Dann würde er wissen, ob die Männer im Fluß weitergeritten wa ren oder noch im Schatten lagerten. Das Schnappen des Repetierbügels war über dem Plätschern des Flusses kaum zu hören. Lobo schritt langsam am Ufer entlang. Er war barfuß. Er ging im Wasser, geräuschlos. Das Blitzen der Wellen ließ Reflexe über die Büsche huschen, die ihn ein we nig irritierten. Er hatte den Finger die ganze Zeit am Drücker. Er spürte kleine Steine unter seinen Fußsoh len. Manchmal gruben sich die Zehen in den Flußboden. Schwärme kleiner blauer Fische stoben davon, wenn er zwischen sie trat. Auf einmal hörte er einen Ast knacken und erstarrte. Er kauerte sich nieder. Die Wasseroberfläche zerbrach sein Bild in tausend Split ter. Er lauschte, aber er hörte kein
weiteres Geräusch. Er richtete sich wieder auf und ging weiter, diesmal noch vorsichtiger. Rauch hing in der Luft. Kein Rauch von einem Feuer, sondern von Tabak. Ein Zündholz segelte durch die Luft und erlosch zischend vor Lobo im Wasser. Durch das Geäst konnte er einen Mann auf dem Bo den sitzen sehen. Der Mann rauchte. Er hatte Lobo noch nicht bemerkt. Der Mann war allein. Sein Pferd stand einige Yards hinter ihm, mit den Zügeln an einer Wurzel festge bunden. Der Mann trug eine schwar ze Hose, einen schwarzen Stetson und eine grüne Bluse mit einer schwarzen Lederweste. Er hatte sich den Stetson in die Stirn gezogen. Wahrscheinlich beabsichtigte er, ein Nickerchen abzuhalten. Es war einer der vier Mörder. Lobo hatte zwar ihre Gesichter nicht erkennen kön nen, dafür aber kein Detail ihrer Kleidung vergessen. Der Mann in Schwarz mit dem grünen Hemd war einer von ihnen, daran bestand kein Zweifel. Lobo verließ leise das Wasser und legte das Gewehr an. Seine Silhouet te hob sich groß und breitschultrig gegen das Geflimmer des Wassers hinter ihm ab. Er ging bis zu der Stel le, wo der Mann saß und sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm lehnte. Der Mann sah ihn nicht kom men, bis sein Schatten auf die schwarzen Stiefel fiel. Der Kopf des Mannes ruckte hoch, seine Rechte wollte nach dem Colt greifen. „Nein", sagte Lobo. Der Mann begriff sofort. Kaum ein Schmetterlingsflügel hätte noch Platz gefunden zwischen seinen Fin gern und dem Kolben der Waffe, dennoch zog er sie nicht mehr. Er kniff die Augen zusammen und ver 7
suchte Lobos Gesicht zu erkennen. Der Mann hatte einen sandfarbe nen Schnurrbart und helle, rotge äderte Augen. Langsam gewöhnten sie sich an das Gegenlicht, und er konnte Lobos Gesicht sehen. „Ein Halbblut?" fragte er ungläu big. „So ist es", sagte Lobo. Das Gesicht des Mannes rötete sich. „Was fällt dir ein? Was willst du von mir? Ich warne dich, ich bin nicht allein." „Ich weiß. Wo sind die anderen?" „Woher weißt du das? Wer bist du?" „Ich bin Lobo. Nimm die Hand vom Colt und heb sie hoch, als wolltest du einen Eid leisten." „Wie redest du mit mir?" fragte der Mann wütend. „Wie mit einem Mörder", sagte Lobo. Der Lauf war auf den Mann gerichtet und zitterte nicht. Es war, wie Lobo sich seine Rache vorgestellt hatte. „Wie heißt du?" „Was geht dich das an, Halbblut?" „Ich beantworte keine Fragen. Und ich stelle sie auch nur einmal." „Ray Slaughter", antwortete der Mann. Etwas in Lobos Tonfall mußte ihn davon überzeugt haben, daß er besser redete, wenn er noch eine Chance haben wollte. Lobo faßte die Winchester fester. Sein Finger krümmte sich um den Stecher. Er mußte sich mit aller Macht zusammennehmen, um nicht abzudrücken. Sein Kopf war noch so leer wie zu dem Zeitpunkt, als er die Farm verlassen hatte. Das, woran er dachte - Emmylou -, schien außer halb seines Kopfes zu sein. Es war et was, das er aus den Augenwinkeln sah, das aber verschwand, wenn er schnell den Kopf wandte. „Ray Slaughter", sagte er. „Ich be 8
schuldige dich des Mordes an Emmy lou Manson, begangen heute morgen um sieben Uhr, zusammen mit drei weiteren Männern, deren Namen ich jetzt von dir hören möchte." Slaughter war erbleicht. Er hatte zu husten begonnen, die Zigarette war ihm von den Lippen gesprungen. „Woher weißt du . . . ? " „Die Namen", sagte Lobo. „Tony Douglas", sagte der Mann. „Und?" „Artie Sheridan." Der Mann schwieg. Lobo wartete. Schließlich sagte der Mann noch: „James Walker." „Und jetzt den Grund", verlangte Lobo. Die Waffe war noch immer auf Slaughters Stirn gerichtet. Unter der Stetsonkrempe schielte der Mörder nach der glühenden Kippe, die ins Gebüsch gefallen war. „Woher, verdammt noch mal...?" entfuhr es Slaughter noch einmal. „Ich war da. Ich habe es gesehen. Und ich will wissen, warum!" Die Augen Slaughters unter der Stetsonkrempe flogen hin und her. Er wußte, daß er in der Falle saß, in einer Falle, vor der ein Halbblut mit einer geladenen Winchester hockte. Die Augen schienen Hilfe zu suchen, aber nirgendwo zu entdecken. „Zuviel Wissen bringt Unglück", sagte Slaughter. „Nur wenn man es nicht verwerten kann", erwiderte Lobo. Er hob leicht den Lauf der Winchester und sagte dann: „Aber ich habe keine Lust, mir einen Sonnenstich zu holen, während ich darauf warte, daß du mich an deinem Wissen teilhaben läßt!" „Es ist eine lange Geschichte", meinte Slaughter. „Besonders, wenn man sie mit erhobenen Händen er zählen muß." „Ich kapiere schnell", sagte Lobo.
„Du kannst dich also auf das Wich tigste beschränken. Und laß die Hände ruhig oben. Vielleicht hilft dir das, dich kürzer zu fassen!" Slaughter ließ den Kopf sinken, bis unter der Stetsonkrempe nur noch das Kinn zu sehen war. „Vor ein paar Wochen haben wir eine Postkutsche überfallen", be gann er dann. „Douglas, Sheridan, Walker und ich. Die Wells Fargo von Odessa nach El Paso. Kurz vor Rio Carrera schlugen wir zu. Die Frau von heute morgen, Emmylou Manson, saß in der Kutsche. Wir hatten zwar Halstücher vor das Gesicht ge bunden, aber sie scheint dennoch ei nen von uns erkannt zu haben." „Wen?" „Artie." „Weiter." Slaughter zuckte mit den Schul tern. „Wir raubten, was an Geld und Schmuck an Bord der Kutsche war. Es hat sich kaum gelohnt. Vor einer Woche ungefähr hat die Frau Artie wiedererkannt, als sie ihm in Rio Carrera auf der Straße begegnete." „Und deswegen mußte sie sterben", sagte Lobo. „Ja. Es war nichts Persönliches, verstehst du? Aber Arties Bruder Sam ist Sheriff in Rio Carrera. Für ihn würde eine Welt zusammenbre chen, wenn er wüßte, daß Artie Post kutschen überfällt." „Und deswegen mußte Emmylou sterben", sagte Lobo noch einmal. „Was glaubst du, wie seine Welt erst erschüttert wird, wenn er erfährt, daß sein Bruder Artie ein Mörder ist!" „Er darf es nie erfahren", sagte Slaughter. Lobo lachte grimmig. „Er wird es erfahren, darauf gebe ich dir Brief und Siegel." „Das glaube ich nicht", stieß
Slaughter plötzlich hervor. Dann warf er sich zur Seite. Für einen Au genblick war Lobo von einem Auf flammen rechterhand irritiert. Er mußte seine Aufmerksamkeit teilen und schoß deswegen nicht sofort. Die glühende Kippe hatte das trok kene Gebüsch in Brand gesetzt. Es war nur ein kleines Feuer, aber es hatte Slaughter gereicht. Der Bandit hatte noch im Fallen seinen Colt her ausgerissen. Lobo hatte das Gefühl, daß eine Ewigkeit verstrich zwischen dem Moment, wo er Slaughter auf sich anlegen sah, und dem, wo er den Fin ger krümmte und selber schoß. In Wirklichkeit verging kaum eine Viertelsekunde. Slaughters Waffe bellte auf. Die Mündungsflamme war fast unsicht bar. Rauch zerfaserte in der Luft. Lobo spürte den Ruck in seinen Armen, als die Winchester das heiße Blei auf Slaughter spie. Sofort riß er den Repetierbügel wieder vor, hörte, wie schnappend eine neue Patrone in den Lauf geschoben wurde. Slaughter schrie auf und ließ den Colt fallen. Er rollte sich zur Seite und hielt den verletzten Arm. Sein Gesicht krampfte sich zusammen. Der Stetson rollte auf der Krempe ein paar Inches über den Boden und blieb dann in einem Loch liegen. „Verdammt", stieß Slaughter her vor. „Ja", sagte Lobo, „das war dumm!" Das Feuer in dem Busch rechter hand schien farblos über die Äste zu huschen, züngelte hier und dort kurz auf und ließ das Gezweig dann schwarz zurück. Die Luft flimmerte über dem kleinen Brand. Die Flam men fanden nicht viel Nahrung und erstarben bald wieder, als hätten sie nur die Aufgabe gehabt, Lobo kurz von seinem Gefangenen abzulenken. 9
Plötzlich hörte Lobo das Platschen von Pferdehufen im Wasser. Es nä herte sich von Süden her. Es war so nah, daß die Reiter den Schußwech sel gehört haben mußten. Er lief hin unter zum Ufer, ohne Slaughter in des aus den Augen zu lassen. Unten wartete er im Schutz eines überhän genden Busches.
Es waren drei Reiter. Obwohl sie die Sonne im Rücken hatten und das glitzernde, gleißende Wasser blende te, erkannte Lobo sie sofort wieder. Die schwarzen Silhouetten, die sich dort gegen den fast weißen Mittags himmel abzeichneten und in immer wieder neu aufgeworfenen, funkeln den Tropfenkaskaden herangalop pierten, waren die der Mörder von Emmylou Manson. Sie kehrten zurück, um zu sehen, was die Schüsse zu bedeuten hatten. Sie würden es erfahren. „Artie, Tony, James!" brüllte Slaughter links von Lobo los. „Ach tung, hier ist ein Killer-Halbblut, das..." Den Rest des Satzes konnte er nicht vollenden. Lobo wirbelte herum und sah, daß der Mörder seinen Colt mit dem gesunden Arm hielt und im Knien auf ihn feuern wollte. Diesmal zielte Lobo nicht mehr auf den Unterarm. Er ließ sich blitz schnell in die Hocke sinken und jagte dann zwei Kugeln über den schma len Streifen Ufer, der ihn von Slaughter trennte. Die Kugel, die sich aus der Waffe des Mörders löste, flog ein Stück der Sonne entgegen. Slaughter selber wurde zu Boden ge schleudert. Er war tot, ehe die Kugel, die er in die Luft gejagt hatte, wieder zu Boden gefallen war. Lobo hetzte den Uferstreifen hin 10
auf. Er hielt die Winchester in beiden Händen vor der Brust. Der Huf schlag der drei Reiter war jetzt sehr nah. Sie mußten die Stimme ihres Komplizen gehört haben und waren gewarnt. Drei gegen einen. Kein faires Spiel, aber eins, das er gewohnt war. Zweige schlugen ihm ins Gesicht. Er dachte an Emmylou, deren Kör per noch immer auf dem Hof in der Sonne lag. Der brünierte Lauf der Winchester war noch heiß. Lobo konnte seinen eigenen Atem hören. Schweiß rann ihm die Schläfen hinunter. Hinter ihm am Flußufer spritzte das Wasser ein letztes Mal auf, als zwei Reiter das Ufer hinauftrabten. Sonnenlicht blitzte auf den Läufen ihrer Gewehre. Lobo kauerte sich nieder, schmieg te den Winchesterkolben in seine Halsbeuge. Die Reiter trabten in sei ne Richtung, aber er wußte nicht, ob sie ihn schon gesehen hatten. In diesem Augenblick hörte er den dritten Reiter links hinter sich. Trok kener Hufschlag, das Knacken von brechenden Zweigen, das Schnauben des erbarmungslos angetriebenen Reittiers. Ihm blieb keine Zeit mehr, auf die beiden Reiter, die sich vom Fluß her näherten, zu feuern. Der dritte Mann war gefährlicher. Lobo blickte hinter sich, ließ sich zur Seite fallen und gab seiner Dre hung gleichzeitig mit dem rechten Zehenballen den Schwung, den er brauchte, um sich einmal um sich selber drehen zu können. Der dritte Reiter hatte ihn fast er reicht. Er trabte heran, beugte sich links am Pferdehals vorbei aus dem Sattel, das Gewehr wie eine Lanze angelegt. Lobo wußte nicht, ob es
Sheridan, Walker oder Douglas war. Es war auch egal. Er wußte, es war ein Mörder, der auf ihn angelegt hat te und gleich schießen würde. Er landete auf dem Rücken, den Kolbenhals gegen die Hüfte gepreßt. Der Reiter drückte ab. Zweimal hintereinander blitzte es an der Mündung seiner Waffe auf. Lobo riß die Winchester hoch, feu erte im Liegen. Der Reiter war fast über ihm. Die Kugel schlug von un ten in seine Brust und hob ihn aus dem Sattel. Schwer schlug der Körper des Mörders von Emmylou Manson eini ge Yards von Lobo entfernt auf. Das Gewehr wurde dem Reiter aus der Hand geprellt. Der Mann rührte sich nicht mehr. Er war der dritte Tote an diesem Tag. Mit katzenhafter Gelenkigkeit richtete Lobo sich wieder auf, repe tierte und wandte sich den beiden letzten Reitern zu. Sie waren abgesessen und in Dek kung gegangen. Lobo wußte, was nun begann - ein harter, langer Kampf, der nerven aufreibend war. Er legte sich flach auf den Boden, gab einen Schuß in Richtung auf die beiden Männer ab und begann dann, die Kammer der Winchester mit Patronen aus seiner Hosentasche aufzufüllen. Anschließend wartete er.
Slaughter und der Mann, den Lobo aus dem Sattel geschossen hatte, la gen bewegungslos in der Sonne. Es war heiß. Hier unten am Fluß ufer wehte kein Wind, aber Lobo konnte ihn weiter oben in den Bü schen summen hören. Schutzlos lagen er und die beiden Banditen in der Mittagsglut. Der Schweiß rann ihm
in Bächen über das Gesicht. Kleine Insekten krabbelten über die Erde, tauchten in Lobos Schatten ein und wieder auf. Die beiden Banditen lagen unge fähr fünfzehn Yards von Lobo ent fernt in einer Mulde. Sie hatten die Pferde zu Boden gezogen. Nur ihre Gewehrläufe waren zu sehen. Slaughter lag direkt vor ihrer Nase, so wie der andere Reiter nur unweit von Lobo lag. „He, du!" erklang plötzlich eine Stimme aus der Mulde. Lobo antwortete nicht. „Ist es wahr, daß du ein Halbblut bist?" „Ja", antwortete Lobo. Die beiden verdauten die Informa tion, aber Lobo bezweifelte, daß sie ihnen viel nutzte. Nach zwei Minuten erklang die Stimme wieder. „Was hast du mit Walker ge macht?" „Falls du den meinst, der mich von hinten erledigen wollte", rief Lobo, „der ist tot!" „Warum hast du das getan?" „Weil er mich erschießen wollte." „Warum hast du Slaughter erle digt?" Darauf antwortete Lobo nicht so fort. Er wußte, daß ihnen diese Frage auf den Nägeln brannte, und das sollte sie ruhig noch ein bißchen tun. Der Schaft der Winchester in sei nen Händen erwärmte sich immer mehr. Ein paar Moskitos summten um seinen Kopf herum. „Vielleicht lassen wir dich laufen, wenn du uns sagst, warum du Slaughter umgelegt hast!" rief die Stimme aus der Mulde. Lobo lachte. Er kniff die Augen zu sammen, denn direkt hinter der Mul de gleißte das Wasser durch das Ge büsch. „Die Frage ist, ob ich euch leben 11
lasse", sagte er dann. „Slaughter und Walker haben nur einen Teil eurer Schuld bezahlt!" „Welcher Schuld?" „Emmylou Manson", sagte Lobo hart. „Was weißt du von ihr, Halbblut?" „Ich war heute morgen auf ihrer Farm!" „Sei verdammt!" brüllte die zweite Stimme. Die beiden Gewehrmün dungen spien plötzlich Blei. Lobo preßte das Gesicht gegen den Boden. Er konnte die Projektile rechts und links von sich einschlagen hören. Dann hörte er gleich darauf etwas anderes. Er hob den Kopf. Zu spät. Er sah nur noch einen der Männer tief über den Pferdehals ge beugt davonjagen. Der zweite feuer te wieder, und diesmal gab Lobo das Feuer zurück. Sie wechselten ein paar Schüsse, deren Echos sich im Gebüsch verfin gen, über den Fluß davonrollten und schließlich verklangen. Der beißen de Geruch von ausgeworfenen Pa tronenhülsen stieg Lobo in die Nase. Es würde ein Stellungskampf wer den, das wußte er. Aber immerhin war nur noch einer da, nachdem der andere das Weite gesucht hatte. „Sheridan!" rief Lobo. Er erhielt keine Antwort. „Douglas!" „Ja?" klang es aus der Mulde. „Hoffentlich begehst du nicht den gleichen Fehler wie Sheridan!" rief Lobo. „Alles, was er gewonnen hat, ist Zeit. Ich kriege auch ihn. Er wird nur der letzte sein." „Klar", rief Douglas zurück. „Wenn Worte töten könnten, würde ganz Amerika jetzt den Indianern gehö ren!" Lobo überlegte. Er konnte sich nicht ewig hier von Douglas festhal ten lassen. Er mußte irgendwie ver 12
suchen, ihn vor den Lauf der Win chester zu kriegen — ohne Deckung. Er mußte ihn dazu bringen, daß er seine Deckung aufgab. „Ich weiß, was du vorhast, Halb blut!" rief Douglas in dem Moment. „Aber ich bin kein Idiot wie Slaugh ter oder Walker. Mich erwischst du nicht. Du solltest es besser erst gar nicht versuchen, sonst endest du wie die Kleine heute morgen!" Die Worte versetzten Lobo einen Stich. Er war dem Tod schon oft be gegnet. Er hatte überlebt. Aber er hatte Menschen sterben sehen, viele Menschen. Einige davon hatten ihm etwas bedeutet, für einige hatte er etwas empfunden, was man Liebe nennen konnte. Und seine Eltern waren die Opfer von blutrünstigen Mördern geworden, vor vielen Jah ren, als er noch ein Kind gewesen war. Emmylou war die letzte. Es war noch nicht einmal einen Tag her. Er robbte sich zur Seite, von Wut erfüllt. Douglas sollte seine Worte bereuen. Er hatte sich kaum bewegt, als eine Serie gut plazierter Schüsse dicht vor ihm die Erde aufriß. Er sprang auf, feuerte aus der Hüfte und hetzte dabei nach links, wo das Gestrüpp dichter war. Dann begann er, sich auf die Mulde zuzuarbeiten, in der Douglas lag. Er ließ sich Zeit. Sein Gefühl sagte ihm, daß Douglas nicht wie Sheridan das Weite suchen würde. Er war lautlos, aber der Preis, den er dafür bezahlte, hieß Langsamkeit. Er konnte nur stückweise vorrücken und pausierte zwischendurch immer wieder, um zu hören, wie Douglas sich verhielt. Einmal krachte ein Schuß, aber Lobo hörte keinen Einschlag. Dou glas schien tatsächlich zu glauben, er sei immer noch an der alten Stelle
unweit von Walkers Leiche. Schließlich hatte er sich aus einer Richtung, die seiner alten Position entgegengesetzt lag, bis auf fünf Yards an Douglas herangearbeitet. Er konnte durch ein paar grünbe laubte Zweige die Stiefelsohlen des Mörders in der Sonne sehen. Douglas wandte ihm den Rücken zu. Er hielt die Winchester dicht an sich gepreßt und hatte den Colt griff bereit in Schulterhöhe neben sich de poniert. Lobo stand auf. Jetzt konnte er über das Gestrüpp hinweg auf Dou glas hinabsehen. „Dreh dich nicht um, sonst endest du wie Slaughter und Walker", sagte er ruhig. Ein scharfes Zucken lief über Dou glas' Rücken. Die Oberarme des Ban diten zitterten plötzlich. Das braune Hemd wies dunkle Flecken vom Schweiß auf. Ein paar trockene Hal me klebten an seinen Hosenbeinen. Er wußte, wie Douglas in diesem Moment zumute war - nach einer Stunde in der mörderischen Sonne und mit einem gefährlichen Gegner im Nacken. Und er wußte mit einem Schlag, daß Douglas alles auf eine Karte set zen würde. Er wußte es, vielleicht noch ehe Douglas es selber wußte. „Nein", sagte er rasch, „nein, Dou glas!" In diesem Augenblick hatte der Bandit aber schon seine Winchester losgelassen und nach dem Perlmutt griff seines Colts gelangt. Er schwang die Waffe herum, warf sich selber ebenfalls herum, wobei er sich mit den Stiefeln abstieß. „Zum Teufel, du verrückter Hund!" brüllte Lobo, denn er hatte fast gleichzeitig gemerkt, daß sein Rachegefühl eigentlich längst ver raucht war und daß er nicht mehr tö
ten wollte. Aber da bellte die Waffe in der Faust von Emmylous Mörder schon auf. Der Mund des Banditen war verzerrt, die Zähne gefletscht. Eine Pulverfaust schoß auf Lobo zu, sichtbare Warnung vor der unsicht baren Kugel. Lobo sprang nicht zur Seite. Er krümmte den Zeigefinger, schoß auf eine ungefährliche Stelle an Douglas, aber der Bandit warf sich noch ein mal herum und landete genau in der Schußbahn. Atemlos ließ Lobo die Winchester sinken, als er sah, daß Douglas' Fin ger nicht mehr die Kraft hatten, den schweren Frontier Colt zu halten. Der Schweiß brannte in seinen Au genwinkeln. Douglas lag auf dem Rücken, der Colt rutschte neben ihm in die Mul de. Sein Gesicht lag im Schatten der Hutkrempe. Seine Hände öffneten und schlossen sich. Dann bewegten sie sich nicht mehr. Lobo ging die drei Yards bis zu dem Toten. Nun blieb nur noch Sheridan. Lobo bückte sich, um noch einmal das Gesicht von Emmylous Mörder zu sehen. Plötzlich erstarrte er. Er sah den Schatten, der über Douglas fiel, und er wußte, daß es nicht sein eigener war. Gleichzeitig hörte er eine tiefe Stimme, die sagte: „Da ist das Schwein, Sheriff! Auf frischer Tat ertappt!" Lobo wollte sich aufrichten. Er hatte die Bewegung halb vollendet, als ein heftiger Schlag seinen Hinterkopf traf. Die Exiplosion riß ihn hoch. Er drehte sich. Für einen Augenblick starrte er in die Sonne, die groß und glühend auf ihn zuzu fallen schien,. Dann verschluckte Dunkelheit die Sonne, und Lobo spürte, wie er fiel, 13
aber nicht mehr, wie er aufschlug.
Seine Zunge lag dick und pelzig am Gaumen. Er wollte schlucken, aber sein Mund war ausgedörrt, und seine Kehle schmerzte sofort mörderisch. Jeder Atemzug ließ seinen Kopf er beben. Die Augäpfel schienen in ih ren Höhlen zu glühen und jeden Au genblick zerfließen zu können. „Er wacht auf", sagt eine Stimme lauter, als es nötig gewesen wäre. Vielleicht erschien sie Lobo aber auch nur so laut, weil er sich nach Ruhe und Frieden sehnte. Er öffnete die Augen. Das Gesicht über ihm war riesen groß. Es trug einen Hut und hatte ei nen Kranz aus goldenen Strahlen, denn es verdeckte die Sonne. „Na, Killer-Halbblut, gut geschla fen?" Das Gesicht hatte hagere, scharf geschnittene Züge und unangenehm farblose Augen ohne erkennbare Iris. Ein sichelförmiger Schnurrbart, schwarz wie die Haare, verdeckte den halben Mund. „Sheridan", sagte Lobo. Der Mund unter dem Schnurrbart verzog sich zu einem abstoßenden Grinsen. Er schloß bejahend die Au gen. Lobo war übel. Er hatte das Gefühl sich erbrechen zu müssen, aber das Gefühl würde vorübergehen, das wußte er. Außerdem hatte er Hun ger. Er hatte seit dem vergangenen Abend nichts mehr gegessen. Jetzt aber war schon Nachmittag, wie er am Himmel sehen konnte. Hunger und Durst. Emmylou. Plötzlich fiel sie ihm wieder ein, die Frau, die er geliebt hatte. Er wollte in Sheridans Gesicht schlagen, aber er konnte sich nicht bewegen. 14
Er erinnerte sich daran, wie sie an diesem Morgen aufgewacht waren und sich geliebt hatten. Hinterher war Emmylou zart mit der Handflä che über die Wunde an seinem Bizeps gefahren und hatte gefragt: „Habe ich dir weh getan?" „Nein", hatte er geantwortet. „Es war gut so." Gleich darauf hatte er selber mit einem Grinsen gefragt: „Und ich? Habe ich dir weh getan?" „Nein", hatte sie lächelnd geant wortet. „Es war gerade gut so." Und jetzt war sie tot. Der letzte der Mörder kniete über ihm, und er konnte sich nicht bewegen. Lobo bäumte sich auf. Er stellte fest, daß seine Handgelenke hinter seinem Rücken zusammengebunden waren. Mit Handschellen. Sheridan grinste. „Schon wieder munter wie ein Fisch im Wasser, was?" Der Mörder richtete sich auf, bis sein Kopf den Himmel zu berühren schien. „Willst du mit ihm reden, Sam?" fragte er. Lobo schaltete nicht sofort. Wer war Sam? Dann fiel ihm wieder ein, wie die Stimme gesagt hatte: Da ist das Schwein, Sheriff!, bevor er nie dergeschlagen worden war. Eine zweite Gestalt wuchs vor Lobo auf. Sam war größer und brei ter als Artie, er schien auch älter zu sein. Dennoch war die Ähnlichkeit zwischen den beiden Brüdern un übersehbar. Auch Sam hatte einen Schnurrbart, der nur schon grau war. Seine Augen blickten weniger unberechenbar. Er erweckte einen anständigen Eindruck, wenngleich sein Gesicht hart war, so hart wie der Stern, der an seiner Brust blitzte. Sam Sheridans graue Augen blick ten auf Lobo herunter. „Warum haben Sie das getan, Mi
ster?'' fragte er. „Ich habe sie in Notwehr töten müssen", antwortete Lobo. „Und sie hatten den Tod verdient." „Das konnten Sie nicht entschei den, Mister", sagte der Sheriff. „Mein Name ist Lobo." „Schön, Mister Lobo, Sie sind ein Mörder, und dafür werden Sie hän gen. Das wollte ich Ihnen nur sagen." „Ich habe nicht zuerst geschossen", sagte Lobo noch einmal. Der Sheriff sagte nichts. Schließ lich meinte er: „Das wird das Gericht klären. Zuerst bringe ich Sie ins Be zirksgefängnis. Bei uns in Rio Carre ra haben wir nichts, das einem Mann wie Ihnen angemessen wäre. Sie brauchen dicke Mauern und kräftige Gitter, denn Sie sind ein gefährlicher Mann!" Lobo schloß die Augen, denn die Schmerzen in seinem Schädel waren noch immer stark und heftig. Als er sie wieder öffnete, sagte er: „Sie irren sich, Sheriff. Die Mörder waren sie, nicht ich. Und Ihr eigener Bruder Artie war einer von ihnen. Sie haben heute morgen eine junge Farmerin kaltblütig abgeknallt, und ich war dabei!" Halb und halb rechnete Lobo da mit, jetzt einen Stiefeltritt gegen die Brust zu erhalten, aber Artie beherr schte sich. Er fing es geschickter an. Er schwieg. Er baute auf das, was er seinem Bruder bereits auf dem Ritt vorgelogen hatte. Der ältere, Sheridan, der Sheriff, beugte sich nieder und packte Lobos Hemdbrust, um ihn halb in die Höhe zu heben. „Sie sollten sich überlegen, ob Sie mit solchen Lügen nicht alles noch schlimmer machen, Mister Lobo. Zum Teufel, Artie hat mir erzählt, wie Sie das junge Mädchen voll Blei gepumpt und dann Jagd auf ihn und
seine Freunde gemacht haben, weil sie das Verbrechen beobachtet hat ten." Lobo schloß die Augen, diesmal nicht vor Schmerz, sondern vor ohn mächtiger Wut. Artie Sheridan hatte alles bestens eingefädelt. Nun stand er, Lobo, als der Schuldige da - als der Mann, der seine Emmylou er schossen hatte. Er zerrte wild an den Handschellen, aber außer einem me lodischen Klirren geschah nichts. „Verdammt - er hat Emmylou er mordet. Sie hatte ihn beobachtet, wie er eine Postkutsche überfallen hat, deswegen ließ er sie umlegen, ehe sie mit ihrem Wissen zu Ihnen gehen konnte." Der Sehriff schüttelte den Kopf, als könne er soviel Dummheit nicht fas sen. „Er kennt ja nicht einmal ihren Namen. Sie aber kennen ihn. Ich fin de, das sagt eine ganze Menge." „Aber anscheinend in einer Spra che, die Sie nicht verstehen, Sheriff. Ich bin unschuldig!" Der Sheriff richtete sich wieder auf und ließ Lobo los. „Sie machen es nur noch schlim mer", sagte er. Lobo wußte, daß das zutraf. Er würde sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Er brauchte Beweise, die den Sheriff überzeugten - über zeugten, daß sein eigener Bruder ein Räuber und Mörder war. Aber wie sollte er diese Beweise erhalten, ein gefesselter Mann auf dem Weg zum Galgen? „Ich habe Hunger", sagte er. Der Sheriff nickte. „Das klingt schon vernünftiger", sagte er. „Gib ihm nichts, Sam!" sagte Artie Sheridan. „Er ist eine Bestie." Sheridan schüttelte den Kopf. „Er ist ein Mensch", erwiderte er. Dann ging er zu seinem Pferd, um etwas zu 15
essen aus der Satteltasche zu holen.
Während der kargen Mahlzeit war Lobo die ganze Zeit mit einer Hand an einen kräftigen Wurzelstrang ge fesselt, so daß er nicht hätte fliehen können, selbst wenn er gewollt hätte. Aber er wollte nicht. Er wußte, daß er nach seiner Flucht per Haftbefehl als vierfacher Mörder gejagt worden wäre. Nein, er mußte das böse Spiel mitspielen und eine Gelegenheit ab warten, um seine Unschuld beweisen und mit Artie Sheridan abrechnen zu können. Die Sonne stand schon tief am Himmel. Der Nachmittag neigte sich dem Abend zu. Es war der Tag, an dem Emmylou ermordet worden war, und sie war noch nicht gerächt. Der Sheriff hatte Lobo auch Wasser aus dem Fluß zum Trinken gebracht, und von dem Schlag auf den Hinter kopf war nur eine Beule zurückge blieben. Davon abgesehen, fühlte Lobo sich dreckig und verschwitzt, aber gut. „Wir brechen jetzt auf", sagte der Sheriff plötzlich. Lobo nahm ein Lauern in Arties Augen wahr. Er wußte, daß der Mörder versuchen würde, ihn unterwegs zu erledigen, sobald er das Gefühl haben sollte, Lobo könne sich vielleicht erfolg reich rechtfertigen. Er mußte auf der Hut vor Artie sein. „Wohin reiten wir?" fragte Lobo. „Nach Odessa." „Wie weitest das?" fragte Lobo. „Wenn wir Glück haben, sind wir in zwei Tagen da." „Was heißt das, wenn wir Glück haben?" fragte Artie mißtrauisch. „Comanchen", sagte der Sheriff und sah zum Himmel auf, als könne er dort schon ihre Rauchzeichen se 16
hen. „Es heißt, ein paar von ihnen hätten sich bis hierher durchge schlagen und würden die Gegend unsicher machen." „Anscheinend wimmelt es hier von Indianern", sagte Artie gehässig und starrte Lobo dabei an. Der Sheriff bückte sich und schloß Lobo los. „Darf ich mich vorher noch einmal waschen?" fragte Lobo. „Wer weiß, wann wir das nächste Mal in die Nähe von Wasser gelangen." „Meinetwegen. Artie wird mit Ih nen zum Wasser gehen." Der Sheriff reichte seinem Bruder das freie Ende der Handschelle. Artie ergriff sie. Der Sheriff wandte sich seinem Pferd zu, das er sattelte. Jetzt erst nahm Lobo die drei primitiven Kreuze wahr, die am Ufer standen. Anscheinend hatten Artie und sein Bruder die Toten während seiner Bewußtlosigkeit begraben. „Komm schon!" fauchte Artie Lobo an. Er riß ihn brutal an der Kette mit sich. Lobo stolperte und wäre beina he gestürzt. Er warf sich zurück, so daß Artie zu ihm herumflog. Seine Zähne waren gefletscht. Sofort lag der Colt in Artie Sheri dans Faust. Ein gefährliches Grinsen umspielte seine Lippen. „Halbblut, Halbblut", sagte er spöt tisch. „Wenn du dich weiter so gebär dest, wirst du der wildeste Tote sein, den man sich vorstellen kann." Er ließ die Mündung noch einen Augenblick auf Lobo gerichtet, dann steckte er den Colt wieder ein und legte alle Kraft in einen Ruck, der Lobo beinahe den Arm abgerissen hätte. „Du wolltest Wasser, oder? Hier hast du welches!" Er stieß Lobo zum Fluß hinunter und stellte ihm im letzten Moment ein Bein. Lobo stürzte der Länge
nach in das aufschäumende Wasser. Als er sich wieder aufrichtete, lag der Colt erneut in Sheridans Hand. Lobo wußte, daß der Mann nur den ge ringsten Anlaß suchte, um ihn abzu knallen. „Jetzt wasch dich! Du hast es nötig, du Schwein." Lobo wusch sich und verließ schließlich triefend und völlig durchnäßt das Wasser. Der Sheriff sagte nichts zu dem Anblick. Er hatte eins der Pferde der Toten für Lobo hergerichtet. Lobo saß auf. Sheridan schloß seine Hände mit den Handschellen zusammen. „Auf geht's, Mister Lobo!" Der She riff bestieg sein eigenes Pferd. „Es wird nicht mehr allzu lange hell blei ben, und wir wollen heute noch ein gutes Stück schaffen." „Wir?" fragte Lobo. „Halt's Maul, Halbblut, oder ich stopfe es dir!" sagte Artie drohend. Er ritt einen Falben, der gut zu sei ner dunklen Kleidung paßte. Der Sheriff, der zu kräftig für ein norma les Pferd gebaut war, saß auf einem stämmigen Schecken, der fast einen Kopf größer als die anderen Pferde war. Er schnalzte mit der Zunge, und sein Tier setzte sich in Bewegung. Der Sheriff ritt an der Spitze, gefolgt von Lobo und seinem Bruder. „Eine falsche Bewegung, und ich spicke dich mit Blei, Halbblut", sagte Artie halblaut, als sie die drei Kreuze am Ufer passierten. Das Wasser des Rio Carrera er strahlte goldrot. Die Hufe der Tiere wühlten die Strömung auf. Funkeln de Tropfen sprangen von den Pfer debeinen. Der Himmel war tiefblau und rot am Horizont. Rot wie Emmy lous Blut.
Lobos gefesselte Hände faßten das Sattelhorn und preßten es. Ein heller, faustgroßer Mond hing am Himmel. Die Kakteen mit ihren kugelförmigen Köpfen warfen lange Schatten, die hin und her sprangen, je nachdem, wohin der leise Wind die Flammen des Lagerfeuers blies. Die beiden Sheridans hatten eine Stunde nach Anbruch der Dunkel heit beschlossen, nicht mehr weiter zureiten, weil sie nicht das Risiko eingehen wollten, sich zu verirren. Sie hatten diese Stelle am äußersten Rand der Llano Estacado für die Nacht als Rastplatz ausgesucht und Lobo mit gefesselten Händen gegen seinen Sattel gelehnt. Die beiden Brüder hielten abwech selnd Wache. Lobo konnte nicht schlafen. Sam Sheridan hatte sich in seine Decke gerollt. Artie saß am Feuer und stocherte mit einem Ast in der Glut herum. Seine Augen spie gelten die tanzenden Flammen wider und wirkten vor dem blauen Vor hang der Nacht wie zwei rote Lichter. Lobo beobachtete Artie. Er hatte keine Waffe in seiner Reichweite und wäre hier in der Einsamkeit mit gebundenen Händen wohl auch nicht allzu weit gelangt. Neben Artie lag eine automatische Winchester, und in seiner Halfter steckte ein Colt. Das Metall reflektierte die rote Glut des Feuers. Lobo dachte an Emmylou. Dort saß der Mann, wegen dem sie hatte ster ben müssen. Der Mann, dessen Leben das ihre gekostet hatte. Nur vier Yards entfernt; und doch eine Ewig keit. Lobo hatte die Augen geschlossen. Hin und wieder spähte er unter den Lidern hervor zu Artie hinüber, um sicherzugehen, daß Emmylous Mör 17
der nun nicht auch noch ihn erledig te. Ein Schuß in den Rücken war schnell mit einem Fluchtversuch er klärt, wenn der Sheriff schlaftrun ken fragte, warum Artie Lobo getö tet hätte. „He, Halbblut, schläfst du schon?" fragte Artie Sheridan plötzlich leise. „Nein. Warum?" „Hast du Hunger?" „Ja." Die beiden Sheridans hatten vor Sonnenuntergang einen Präriehasen erlegt und hinterher über dem Feuer gebraten. Der aromatische Duft des knusprig gebräunten Fleisches hatte Lobo das Wasser im Munde zusam menlaufen lassen, aber sie hatten ihm nichts abgegeben. Und diesmal war er zu stolz gewesen, darum zu betteln. Jetzt lagen noch einige Reste des Abendessens auf ein paar Steinen nahe der Glut. Lobo hatte immer wieder hungrig hinübergeschaut. Artie Sheridan grinste und griff nach einem Stück Fleisch. Er stieß einen leisen Fluch aus, weil es offen sichtlich heißer war, als er vermutet hatte. Er betrachtete es beim Feuer schein, dann stand er auf. Langsam ging er zu der Stelle, an der Lobo lag. „Hier, sollst auch nicht leben wie ein Hund!" Er bückte sich zu Lobo hinunter, seine Augen glommen kalt. Dann stieß er Lobo den heißen Knochen ins Gesicht, preßte ihn gegen seine Lip pen und hielt dabei mit der anderen Hand Lobos Kopf an den Haaren fest. „Du gottverdammtes Killer-Halb blut", stieß er zischend hervor. „Wage es nicht noch einmal, mich vor mei nem Bruder als Mörder hinzustel len." Lobo spürte den heißen Schmerz 18
an seinem Mund und versuchte, She ridan mit den Füßen wegzustoßen. „Artie!" Beide fuhren herum. Der Sheriff hatte sich aufgerichtet und blickte zu ihnen herüber. Sein Mund war schmal und verkniffen. Seine Augen hatten einen harten Ausdruck. „Du sollst Wache halten, nicht mit Mister Lobo reden. Geh wieder an deinen Platz zurück!" Die Stimme klang klar und be stimmt. Lobo spürte, wie sich Arties Hand in seinem Haar verkrampfte und alles in dem Mörder sich gegen diese Maßregelung spannte. Beiden war klar, daß der Sheriff sehr wohl gesehen hatte, was Artie mit Lobo getan hatte. Aber sie wußten nicht, ob er auch seine Worte gehört hatte. Artie ließ Lobos Kopf los und rich tete sich abrupt auf. Er ging mit selt sam unkoordinierten Bewegungen zurück zum Feuer. Schließlich brach es aus ihm heraus: „Ich bin kein Kind mehr, Sam. Die Zeiten, wo du mich herumkomman dieren konntest, weil du der Ältere warst, sind vorbei - ein für allemal. Wir sind jetzt gleichberechtigt!" Er starrte den Sheriff über das Feuer hinweg an. Müde sagte Sam Sheridan: „Nein, ich vergesse es nicht, Artie. Aber ich bin der Sheriff, und Mister Lobo ist ein Gefangener des Gesetzes. Bei ei nem Ritt wie diesem kann nur einer sagen, was getan wird. Ich!" „Ich habe ihn dir erst gebracht, die sen Mörder!" sagte Artie heftig. „Auch das solltest du nicht verges sen." „Nein, Artie. Auch das vergesse ich nicht." Der Sheriff ließ sich wieder zurücksinken und schloß die Augen. Lobo und Artie starrten sich über die züngelnden Flammen hinweg an.
Und zwischen ihnen und zwischen den Flammen schien der Körper der niedergeschossenen Emmylou zu lie gen, leblos in der gnadenlosen Sonne.
Der Tag war heiß wie das Zentrum der Hölle. Der Sand, über den die müden Pferde ihre Hufe schleiften, war weiß und blendete wie ein vom Was ser abgewaschener Knochen. Große, vielarmige Kakteen reckten sich dem Himmel entgegen, als strebten sie von dem glühenden Sand fort. Die Sonne stand so hoch, daß es keine Schatten gab. In der Luft kreisten Geier, aber sie waren zu hoch, als daß ihre Anwe senheit etwas zu bedeuten gehabt hätte. Die einzigen Geräusche waren das Knarren des Sattelleders und ein ge legentliches Schnauben der Pferde, denen der Schaum in langen Fäden aus dem Maul tropfte. Ganz fern zo gen sich Berge dahin, ein grauer Streifen, mit dem Daumen und dün ner Farbe auf den Horizont gemalt. Lobo dachte an Emmylou, die jetzt vielleicht immer noch unbegraben in der Sonne auf ihrem Hof lag. Sie hatten dieselbe Reihenfolge wie am Vortag eingehalten. Sheriff Sheridan ritt an der Spitze, sein Bru der bildete den Schluß. In der Mitte ritt Lobo, die Hände gefesselt und müde auf dem Sattelhorn ruhend. Sie bewegten sich langsamer vor wärts, als der Sheriff ursprünglich gedacht hatte und würden deshalb länger als vorgesehen brauchen. Ihr Wasser ging zuende. Sie hatten nicht mehr genug Proviant, um bis Odessa damit zu reichen. Die Hitze entzog ihren Körpern die Flüssigkeit und verdickte das Blut. Ihre Haut
schimmerte ölig vor Schweiß. Sam Sheridan hatte sich am Mor gen noch rasiert, Artie hingegen nicht. Schwarze Bartstoppeln be deckten sein Kinn. Als die Sonne am höchsten stand, bemerkten sie einen dunklen Punkt vor sich. Sie trieben die Pferde an, brachten sie in Trab und näherten sich dem im Sonnenglast flimmern den Punkt so schnell wie möglich. Bald war der Punkt hinter einer Staubwolke verborgen, die in der Luft hing und in die sie hineinritten. Als sie noch näher waren, konnten sie erkennen, daß es sich um den letz ten Wagen eines Trecks handelte. Die schweren, mahlenden Räder wirbelten eine mächtige Staubfahne auf, die vorher nicht zu sehen gewe sen war, weil der Treck anscheinend gehalten hatte. Der Treck bestand aus zehn Wa gen. Langsam bewegte er sich wie ein riesiger Wurm am Wüstenrand entlang. Die Berge waren näher her angerückt. Zu beiden Seiten der Wa gen ritten einige schwerbewaffnete Männer mit ernsten, verkniffenen Gesichtern. Lobo fiel auf, daß sie kei nen Scout zu haben schienen. Sam Sheridan trabte auf einen der Männer zu und tippte sich grüßend an die Stetsonkrempe. Der Mann sah den Stern und erwiderte den Gruß erfreut. „Wohin geht die Reise?" fragte Sheridan. „Zuerst nach Odessa", sagte der Mann. „Vielleicht weiter, hängt vom Empfang ab." Der Sheriff nickte. Sie ritten nebeneinander her. „Und woher kommt ihr?" fragte er weiter. „Mexiko." „Warum seid ihr da weg?" „Ärger. Zuviel Ärger. Das Land ex plodiert bald." 19
Der Sheriff nickte, als sei das auch seine Ansicht. Dann fragte er: „Irgend etwas besonderes vorgefal len auf dem Weg bisher?" „Unfreundliche Gesichter", erwi derte der Mann. „Sonst nichts." Einen Moment sah er dabei so aus, als wolle er noch etwas sagen, aber der Mo ment ging vorbei, und sein Gesicht war wieder unbewegt. „Können wir uns euch anschlie ßen?" fragte der Sheriff. „Ich muß ei nen Mörder nach Odessa überfüh ren. Unterwegs sind uns Wasser und Proviant ausgegangen." „Ich glaube schon, daß das geht", sagte der Mann. „Wir haben von al lem genug. Und wenn wir auf Comanchen stoßen, können zwei Ge wehre mehr nicht schaden. Ist das auch ein Comanche da?" Er sah Lobo an. Lobo erwiderte den Blick. Es war ein Blick ohne Feindschaft, neutral. „Nein, das ist kein Comanche", sag te der Sheriff. Er sah Lobo ebenfalls an. „Oder?" „Nein. Pimablut ist das", sagte Lobo. „Die Indianer sind alle gleich", ließ sich Artie hinter Lobo vernehmen, aber weder sein Bruder noch der an dere Mann zollten ihm Aufmerk samkeit. Der Treck bewegte sich langsam weiter. Ein paar der anderen Reiter gesellten sich zu dem Sheriff, Lobo und Artie. Der Mann erzählte ihnen, daß der Sheriff sich dem Treck an schließen wollte. Niemand hatte et was dagegen einzuwenden. Lobo atmete innerlich auf. Es wa ren mindestens zwanzig Männer zu Pferd und auf den Böcken noch ein mal so viele Frauen und Kinder, ins gesamt bestimmt sechzig Menschen. Sie alle bedeuteten Sicherheit für ihn, denn vor Zeugen würde es Artie 20
Sheridan nicht wagen, ihn umzule gen. Auf den Bockbänken der schwe ren, tiefliegenden Wagen saßen Frauen, die ihr Gesicht zum Schutz gegen die Staubmassen verhüllt hat ten, und Männer mit zugeknoteten Halstüchern. Allein auf dem ersten Wagen war diese Maßnahme nicht vonnöten. Die Wagen wurden Von stämmigen Pferden gezogen, die heftig schnaub ten. Das Zaumzeug ächzte, und die Deichseln knarrten. Die Radnaben veranstalteten ein Quietschkonzert. Hin und wieder ließ ein Windstoß die Planen über den Wagen knattern. Man sah den Gefährten an, daß sie schon viele Meilen zurückgelegt hat ten - den Gefährten und den Zugtie ren. Manche Speichen waren gebro chen und notdürftig repariert wor den, die Planen hatten die Frauen mehrfach geflickt; an einem Wagen waren sogar Brandspuren zu sehen. „Rechnen Sie mit einem Coman chenüberfall?" fragte Lobo den Rei ter, der mit ihnen gesprochen hatte. „Auf so einem Treck rechnet man mit allem", sagte der Reiter ernst. „Vor allem aber mit dem Schlimm sten. Wir haben gehört, daß sich Comanchen zwischen hier und Odessa herumtrieben, also rechnen wir mit einem Angriff. Übrigens, mein Name ist Curt Maxwell." „Sam Sheridan", stellte der Sheriff sich vor. „Das da ist mein Bruder Ar tie. Und dieser Mann heißt Lobo." Maxwell sah Lobo scharf an. „Doch nicht etwa Lobo Gates?" fragte er. „Doch", sagte der Sheriff. „War um?" „Ich habe viel von Mister Gates ge hört", sagte Maxwell. „Unten an der Grenze und dann auch unterwegs ein paarmal." „Wahrscheinlich Berichte über ei
nen Killer und Kinderschänder", meldete sich Artie aus dem Hinter grund. „Nein", antwortete Curt Maxwell ernst. „Ich habe nur Gutes über ihn gehört. Ich wäre nie darauf gekom men, daß es sich um einen Mörder handeln könnte." „Vielleicht gibt es einen anderen Mann, der so ähnlich heißt oder aus sieht", meinte der Sheriff. „Es gibt nur einen Lobo Gates", sagte Lobo. „Halt's Maul, Halbblut!" stieß Artie heftig hervor. Maxwell und die anderen Reiter warfen einen unwilligen Blick zum Bruder des Sheriffs hinüber, aber Artie bemerkte ihn nicht. Er war zu tief in seinem Haß auf Lobo befan gen. Die anderen Reiter nahmen wieder ihre Posten links und rechts von dem Treck ein. Zwei von ihnen trieben ein paar Rinder an, die mit einem Strick an einem der Wagen festgebunden waren und plötzlich angehalten hat ten. Der Sheriff ritt an den Wagen her an, zu dem Maxwell gehörte, und klappte den Deckel des Wasserfäß chens hoch, das an der Außenwand befestigt war. Mit einer daran ange bundenen Kelle schöpfte er Wasser und trank in großen Schlucken. Die Flüssigkeit spritzte über sein Kinn auf seine staubige Hemdbrust. Er keuchte beseligt. Auch Artie stürzte heran und riß ihm fast die Kelle aus der Hand. Lobo erhielt kein Wasser. „Wollen Sie Ihren Gefangenen ver dursten lassen, Sheriff?" fragte Curt Maxwell. „Der Kerl braucht nichts", fuhr Ar tie Sheridan ihn an. „Die Indianer können eine Ewigkeit ohne Flüssig keit auskommen."
„Er hat Durst, das sieht man", wandte Maxwell ein. Seine Stimme besaß eine starke Autorität, die sich sofort mitteilte. „Solange ich bei die sem Treck etwas zu sagen habe, wer den Menschen hier nicht mißhan delt." Arties Gesicht lief rot an unter der Staubschicht, aber der Sheriff nick te, als hätte er Maxwells Worte ein gesehen. Er winkte Lobo an den Wasserbehälter und hielt ihm eine Kelle an die ausgetrockneten Lippen. Lobo trank mit großen, gierigen Schlucken. Dann gab Maxwell seinem Pferd die Sporen und trabte einmal den Treck in seiner ganzen Länge ab. Er schien so etwas wie eine Autoritäts person bei dem Treck zu sein, auf die die Siedler hörten. Lobo war froh, daß es ihn gab. „Wie weit ist es noch?" fragte er den Sheriff. Sheridan brummte. „Bei dem Schneckentempo jetzt wird es be stimmt noch mal zwei Tage dauern!" sagte er. „Wir sollten allein weiterreiten", meinte Artie. „Dann wären wir diesen Bastard bald los!" Das glaube ich dir, amigo, dachte Lobo. Du würdest mir eine Kugel in den Rücken jagen. Dann wärst du mich ein für allemal los. „Nein. Wir reiten mit dem Treck. Wenn wirklich Comanchen auf un serem Weg sind, haben wir allein keine Chance!" Sheriff Sheridan blickte mit zu sammengekniffenen Augen zu dem hinter einem Vorhang flimmernder Luft verborgenen Horizont hin. Die Berge waren noch ein Stück näher gerückt.
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Der Siedlertreck bewegte sich nur langsam vorwärts. Lobo, der in der Nacht nicht viel geschlafen hatte, sank immer wieder müde im Sattel zusammen. Er hörte die Schreie der Männer, die die Gespanne anfeuer ten, nur wie durch eine Wand. Die Wand bestand aus dem monotonen Quietschen und Knarren der Räder und Wagen, dem Knattern der schla genden Planen, dem Zügelschlagen, dem Schnauben der Pferde und dem leisen Singsang des Windes. Die Sonne hatte den Zenit längst überschritten, aber die Hitze hatte noch zugenommen. Schweiß und Staub, der wie eine Glocke über dem Treck hing, hatten die Männer zu Gespenstern werden lassen. Die Landschaft hatte sich ein we nig verändert. Es gab keine Kakteen mehr, und ab und zu lag sogar ein Fleck verdorrten Grases oder ein Ballen Gebüsch auf ihrem Weg. Der Gebirgszug, der vorher den Horizont gebildet hatte, war jetzt so nah, daß man schon den Canyon erblicken konnte, durch den der Treck seinen Weg nehmen mußte. „Wie lang ist der Canyon eigent lich?" fragte Sheridan Maxwell. „Ungefähr zwanzig Meilen", laute te die Antwort. Die beiden Männer dachten dassel be wie Lobo. Wenn die Comanchen irgendwo in diesem Canyon lauer ten, würde es ein höllisches Massaker geben. In einem Canyon konnte man keine Wagenburg bilden und war auch sonst in seiner Bewegungsfrei heit außerordentlich eingeengt. Zu allem Überfluß konnten eventuelle Angreifer dann auch noch von oben herab feuern. Die Frauen auf den Bockbänken saßen breitbeinig. Einige hatten Ge wehre gegen die Schenkel gelehnt. Alle waren zum Schutz gegen die 22
Sonne und den Staub verhüllt. Irgendwo schrie ein Baby. „Wie viele Männer und Frauen, die mit einem Gewehr umgehen können, sind in den Wagen?" fragte Lobo. Maxwell dachte einen Augenblick nach. Dann sagte er: „Ungefähr acht unddreißig, auf die ich mich verlas sen würde." „Das ist besser, als ich gedacht habe", sagte Lobo. Wenn Comanchen sie angreifen würden, dann mußte es sich um eine zu weit nach Südosten verschlagene Splittergruppe han deln, die bestimmt nicht mehr als fünfzig Mitglieder haben würde. Dennoch verließ er sich auf diese Vermutung nicht. Sich selbst in Si cherheit zu wiegen war die gefähr lichste Sache, die einem Mann im Westen passieren konnte. Dann fiel ihm ein, daß er ja gar nicht für die Sicherheit des Trecks verantwortlich war, sondern als Ge fangener mitgeschleppt wurde. Aber er hörte dennoch nicht auf, nachzu denken. Gegen Abend vernahm Lobo plötz lich Geschrei von den ersten Wagen her. Der Zug stockte und blieb schließlich ganz stehen. Die Stille klang wie ein Rauschen in Lobos Oh ren. Nur die Pferde schnaubten noch, jedes andere Geräusch war erstor ben. Die Pferde und der Wind, der ih nen aus dem Canyon entgegenwehte. Lobo wischte sich mit dem Hand rücken den mit getrocknetem Schweiß verklebten Staub aus den Augen. Seine Handketten klirrten leise. Seine Lippen klebten aneinan der und trennten sich mit einem schmatzenden Geräusch. Der Himmel hatte eine hellblaue, an den Rändern rötliche Färbung. Kleine Wolken erglühten rotgolden über den Bergen, deren Silhouetten sich schwarz gegen das Leuchten des
Himmels abhoben. Alle Siedler schienen zu lauschen, Männern, Frauen und Kinder. Sie hatten angehalten, um zu lauschen. Unruhe zeichnete sich auf einigen Gesichtern ab. „Was ist los? Weswegen halten wir?" fragte Artie krächzend. „Ruhig", sagte der Sheriff. Er hob leicht die Hand. Dann hörten sie es, das Geräusch, das die ersten Wagen hatte stillste hen lassen. Schüsse! Ein fernes Knattern wie von Feuerwerkskörpern. Lobo kannte das Geräusch, und es zog ihm den Magen zusammen. Auch die anderen Männer waren bleich geworden, die Gesichter legten sich in verkiffene Falten. Dieses ferne Knattern bedeutete, daß irgendwo, in ein paar Meilen Entfernung, Menschen um ihr Leben kämpften. Jeder Schuß bedeutete vergossenes Blut, Tod und Sterben. Das Knattern hielt eine ganze Zeit lang unverändert an, dann brach es schließlich ab. Die Menschen des Trecks aber verharrten noch eine kleine Weile starr und bleich. Schließlich brach einer das Schweigen. „Vielleicht haben ein paar von unseren Blauröcken mit den Comanchen aufgeräumt", sagte er. Dabei lächelte er aufmunternd, aber das Lächeln erstarb mißglückt, und niemand fühlte sich angeregt, es ihm nachzutun. „Reiten wir weiter", ordnete schließlich einer der Männer aus dem Kreis um Curt Maxwell an. „Es wird nicht mehr lange hell bleiben, dann müssen wir ohnehin lagern. Vielleicht schaffen wir es noch bis zum Fuß der Berge." Langsam setzte sich der Treck wieder in Bewegung. Wieder knall ten Peitschen, schollen kehlige Rufe
über die Wagen hinweg. Bald er klang die unveränderliche Sympho nie eines Trecks auf dem Weg in eine neue Zukunft in alter Lautstärke. Die letzten Strahlen der sinkenden Sonne griffen die hachgewirbelten Staubwolken auf und brachten sie zum Leuchten. Lobo dachte an die Schüsse, die sie gehört hatten. Der ferne Tod, von dem sie erzählt hatten, berührte ihn immer wieder aufs neue wie ein kal ter Finger.
Donnernd rollten die Wagen im Kreis herum, bis sie hintereinander eine Burg bildeten. Der Grund war felsdurchsetzt, und die eisenbeschla genen Räder knirschten und schep perten. Es war fast ganz dunkel ge worden. Nur im Westen hing noch ein roter Balken am Himmel. Die Pferde wurden ausgespannt. Die Männer saßen ab. Auch der Sheriff und sein Bruder schwangen sich erschöpft aus dem Sattel. Lobo blieb sitzen, denn er wußte nicht, welche Pläne der Sheriff mit ihm hatte. Einige der Frauen hatten ihre Wa gen verlassen und damit begonnen, trockenes Holz zusammenzusuchen, das sie in der Mitte des Rondells zu einem Haufen schichteten. Jetzt, im letzten Licht des sterben den Tages, wurden die Wagen leben dig und spien alte Frauen und Kin der aus. Die Planen wurden zurück geklappt. Die Gefährte wurden zum Abend zu offenen Hütten, in denen die einzelnen Familien lebten, ob wohl der mitgeschleppte Hausrat kaum Platz ließ. Nur ein Wagen blieb verschlossen. Die Plane war hinten festgezurrt. Ei ne Frau ging zu dem Wagen und rief 23
einen Namen, den Lobo nicht ver stand. Eine Antwort erscholl, und die Frau löste etwas von der Verzur rung, so daß ein Durchgang entstand. Eine zweite Frau schlüpfte heraus und zurrte die Leinen hinterher wie der sorgfältig fest. Mit dem Wagen schien es eine be sondere Bewandnis zu haben. Viel leicht gab es darin besonders hitze oder lichtempfindliche Güter, aber das wäre kein Grund gewesen, ihn auch noch bei hereinbrechender Dunkelheit verschlossen zu halten. Lobo fragte sich, warum über die sem einen Wagen eine solche Aura des Geheimnisvollen lag. Er blickte Curt Maxwell an und stellte fest, daß die Augen des Treckführers auch auf ihm lagen. Ehe er etwas sagen konnte, fragte der Treckführer: „Haben Sie wirk lich jemand ermordet, Mister Ga tes?" Sein Gesicht war dabei nicht genau zu erkennen, denn die Nacht war hereingebrochen, und die Feuer brannten noch nicht hell genug. „Nein", sagte Lobo. „Ich habe drei Männer getötet, aber in Notwehr." „Er lügt", schaltete sich Artie She ridan rasch ein. „Er hat drei Männer hinterrücks erschossen. Und außer dem hat er eine junge Frau auf einer Farm ermordet!" „Eine junge Frau auf einer Farm?" fragte Maxwell. Es war ein seltsamer Ton in seiner Frage, den Lobo nicht auf Anhieb zu deuten wußte, der ihm aber nicht dazu zu passen schien. Lobo antwortete daher nicht, son dern vertraute darauf, daß sich ihm in den nächsten Tagen irgendwann die Möglichkeit bieten würde, sich zu entlasten und Artie zu überführen. Er hoffte auf eine solche Chance. Sie würde seine einzige Rettung sein, die Rettung vor dem Galgen. 24
Er hatte nur noch nicht die gering ste Ahnung, wie er sie herbeiführen sollte. In seiner Lage durfte er sich nicht darauf verlassen, daß ihm et was angeboten wurde. Er mußte es sich vorher nehmen, selbst wenn er das Glück mit einer großen, drecki gen Hand anfaßte. „Was ist das für ein Wagen? Habt ihr einen Toten darin?" fragte Lobo Maxwell, der ihn immer noch ansah. Es war eine Frage, die ins Blaue ge zielt war, aber sie schien das Schwarze zumindest zu streifen. Maxwell bewegte sich nicht auf fällig, seine Stimme hatte nur einen Moment lang einen anderen Klang. „Einen Verwundeten", sagte er. Er hat sich selber angeschossen, als er die Gegend erkundete. Dann lag er ziemlich lang in der glühenden Son ne. Er sieht nicht gut aus." „Wird er sterben?" fragte Lobo. „Vielleicht", sagte Maxwell. „So, Halbblut, jetzt hast du genug gequatscht!" Artie war plötzlich neben Lobos Pferd aufgetaucht, ein böses Grinsen im Gesicht. Maxwell, dankbar über die Ablen kung, trat rasch zurück und gesellte sich zu den Männern, die um das Feuer standen. Ein paar Frauen und Kinder liefen von den Wagen zum Feuer. Männer mit Gewehren bezo gen Posten außerhalb der Wagen burg, um eventuelle Angreifer sofort ausmachen zu können. „Los, runter mit dir, Killer!" sagte Artie schnarrend. Sheriff Sheridan stand am Feuer und warf nur einen kurzen Blick herüber. Lobo überlegte, ob er Artie seinen Stiefel ins Gesicht treten solle, aber der Bruder des Sheriffs schien sei nen Gedanken erraten zu haben, denn er sprang zurück und riß den Colt aus der Halfter.
„Du sollst absteigen, habe ich ge sagt, los - wird's bald?" Lobo stieg ab. Er reckte sich, um die verspannten Muskeln zu lockern. Artie Sheridan sprang vor und packte mit raschem Griff die Kette zwischen den hocherhobenen Hand gelenken. Er riß sie an sich. Der scharfe Ruck hätte beinahe Lobos Schultergelenke ausgekugelt. Er taumelte rückwärts und stürzte. „Los, steh auf!" schrie Artie kei fend. Die Strapazen des Tages schie nen ihn an den Rand der Hysterie ge bracht zu haben. Der stechende Schmerz, der von Lobos Schulterge lenken aus die Brustseiten hinunter gezuckt war, breitete sich aus zu ei nem sanften Glühen. Lobo stand auf. Sheridan führte ihn zu einem der Wagen. Er zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und sperrte Lobos Handschellen auf. „Ach, bist du jetzt für mich zustän dig?" fragte Lobo. „Der Sheriff hat mich damit beauf tragt, dich für die Nacht sicher unterzubringen. Und genau das tue ich hiermit." Er stieß Lobo gegen eins der gro ßen Speichenräder. „Runter mit dir!" Sheridan schien nur in kurzen haß erfüllten Befehlen sprechen zu können. Lobo reagierte nicht sofort. Im nächsten Augenblick traf ihn der Lauf von Sheridans Waffe am Wan genknochen. Die Wunde platzte auf, warmes Blut lief über seine Wange. Lobo ließ sich zu Boden rutschen. Der Bruder des Sheriffs schloß die Handschellen um eine der dicken Speichen. Jetzt hatte Lobo die Wahl, ob er mit dem Gesicht oder dem Rük ken zum Rad sitzen wollte. Er ent schied sich für den Rücken, denn dann konnte er wenigstens die Sied ler beobachten. Er spürte die Radna
be neben seiner Wirbelsäule und rutschte etwas beiseite. „So, schlaf gut!" sagte Sheridan, drehte sich um und ging davon. Lobo stieß einen Fluch hervor und preßte den Kopf gegen die Schulter, um das Blut von seiner Wange zu tupfen. Seine Hände hingen über seinem Scheitel. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Blut daraus gewichen sein würde und sie anfangen würden zu schmerzen. Das Feuer in der Mitte des Ron dells brannte jetzt schon recht hoch. Funken stoben in den dunkelblauen Nachthimmel. Die Gesichter der Umstehenden wurden rot ange
strahlt, ihre Silhouetten blieben schwarz. Es begann nach gebrate nem Fleisch und heißem Mais zu rie chen. Lobo sah zwei Frauen und drei Kinder zu ihm herüberstarren. In ih ren Augen standen weder Haß noch Furcht. In ihren Augen stand Mit leid.
Lobo hatte Hunger. Er wollte sich waschen. Seine Arme hatten mörde risch zu schmerzen begonnen. Aber er war an dem harten Rad festgeket tet, dessen hölzerne Speichen noch 25
die am Tag gespeicherte Sonnenhitze ausstrahlten. Er dachte an Emmylou Manson. Er dachte daran, wie sie in der Nacht zu ihm gewesen war. In der Nacht und am Tag, all die Tage und all die Nächte. Und er dachte daran, daß es jetzt mehr als einen Tag her war, daß sie erschossen worden war und er sie im Hof ihrer kleinen Farm neben dem Brunnen in der glühenden Son ne hatte liegenlassen müssen. Er bewegte sich, weil ein Krampf durch seine Muskeln lief. Die Kette zwischen seinen Handgelenken klirrte. Plötzlich stand ein Junge vor Lobo. Er mochte sechs Jahre alt sein. Lobo sah nur seine kleine Gestalt vor dem Hintergrund des Feuers. Der Junge hatte ausgefranste Hosen an, ein kurzärmeliges Hemd und Sandalen. Auf seinem blonden Haar lag ein goldener Schimmer. „Es geht Ihnen nicht gut, nicht wahr, Mister?" fragte er. „Das stimmt", sagte Lobo. „Sie sind ein Mörder, was?" „Nein. Ich bin unschuldig." „Wer war es dann?". fragte der Junge. „Der Bruder des Sheriffs", sagte Lobo. „Das glaube ich auch", meinte der Junge. „Wie heißt du?" „Timmy. Und wie heißen Sie?" „Lobo." „Sind Sie Comanche?" „Nein, ich bin Apache. Tust du mir einen Gefallen?" „Gern, wenn ich kann." Der Junge trat ein paar Schritte näher heran. Lobo sagte: „Sag dem Sheriff, daß ich ihn sprechen möchte. Aber so, daß sein Bruder es nicht merkt." „Klar, Mister Lobo. Hab schon ver 26
standen. Sie können sich auf mich verlassen." Timmy drehte sich um und lief auf das Feuer zu. Seine Gestalt wurde kleiner. Die Siedler hatten gegessen und sangen nun Lieder, die von ihrer Furcht vor Gott und ihrer Hoffnung auf neues, fruchtbares Land handel ten. Der Sheriff und sein Bruder muß ten irgendwo unter ihnen sein, aber Lobo konnte sie nicht erkennen. Er lehnte den Kopf zurück, um seine schmerzenden Nackenmuskeln zu entspannen. Er berührte eine der Speichen und atmete flach. Er wußte nicht, wieviel Zeit ver gangen war, als plötzlich die dunkle Stimme des Sheriffs neben ihm er klang: „Sie wollten mich sprechen, Mister Gates?" „Ja." „Was gibt es?" „Ich bin unschuldig, Sheriff", sagte Lobo. „Ist das alles?" „Ich wollte, daß Sie es nicht verges sen." „Das Gericht wird feststellen, was ich nicht vergessen werde", sagte der Sheriff und stand im Begriff sich wieder abzuwenden. „Dann kann es vielleicht zu spät sein", sagte Lobo rasch. „Warum?" „Weil der Mann, der es wirklich ge tan hat, hier ist. Und er wird versu chen, mich umzubringen, ehe es zu einer Gerichtsverhandlung kommen kann." Sheriff Sheridan lachte. „Und wer soll der echte Mörder sein?" „Ihr Bruder Artie." Sheridan beugte sich vor. „Überle gen Sie sich, was Sie sagen, Gates. Artie benimmt sich nicht immer kor rekt, aber er ist weder ein Räuber noch ein Mörder. Sie scheinen zu
vergessen, daß wir Sie über den Lei chen von Slaughter, Douglas und Walker gefunden haben!" „Das war Notwehr", sagte Lobo. „Ich rede von dem Mord an Emmylou Manson." Der Sheriff richtete sich wieder auf. „Ich habe noch nicht einmal die Leiche gesehen." „Eben", sagte Lobo hart. „Und das kann Ihnen vor einem guten Gericht das Genick brechen. Eigentlich hät ten Sie sofort nach meiner Verhaf tung zu Mansons Farm reiten müs sen, um sich von dem Tod der jungen Frau zu überzeugen." „Wenn es wirklich ein gutes Ge richt ist, wird es dein Genick bre chen, Killer-Halbblut, und nicht seins!" erklang plötzlich eine dritte Stimme neben ihnen. Artie Sheridan trat aus dem Dun kel und legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter. „Laß dich nicht von diesem Mistkerl aufhetzen, Sammy", sagte er. „Keine Sorge, Artie - so alt bin ich noch nicht", erwiderte der Sheriff. Lobo war nicht sicher, aber er glaub te einen Unterton von Verärgerung in der Stimme Sam Sheridans zu hö ren, weil sein Bruder sie nicht mit einander allein ließ. Der Sheriff stand auf, als sie plötz lich den Schrei vom Feuer her ver nahmen. Die beiden Sheridans drehten sich um. Zwischen ihnen hindurch konn te Lobo sehen, daß die Siedler vor dem Hintergrund der Flammen auf gestanden waren. Einige sangen noch, aber eine Stimme nach der an deren fiel aus. Schließlich herrschte Stille. Nur das Prasseln der Flam men war noch zu hören. Die Siedler starrten über die Wagen hinweg zum Berg hinauf. Lobo wandte den Kopf, aber der
Wagen, an dessen Rad er gekettet war, nahm ihm die Sicht. „Was ist los?" fragte er. Aufgeregtes Raunen drang von den Siedlern her zu ihm. Artie und Sam Sheridan antworteten nicht. Ihre Gesichter lagen im Dunkeln, aber ihre Haltung drückte Spannung aus. Spannung und Entsetzen. „Was ist los?" fragte Lobo noch ein mal. „Ein Feuer", sagte Sam Sheridan langsam. „Ein Feuer auf dem Berg." Plötzlich fielen Lobo die Schüsse vom Nachmittag wieder ein, die Schüsse in der Ferne. „Sind es Comanchen?" fragte er. „Wahrscheinlich", antwortete der Sheriff. „Es ist zu weit weg. Mal sieht man es und mal nicht. Als wollten sie damit jemand ein Zeichen geben." Es hatte keinen Sinn, jetzt das Feu er zu löschen. Wenn es Indianer wa ren, hatten sie die Wagenburg längst bemerkt. Und wenn sie sie überfal len wollten, würden sie es tun. Lobo hörte die Stimme von Curt Maxwell, der anordnete, die Posten zu verdoppeln und alle fünf Stunden abzulösen. Artie und Sam Sheridan gesellten sich zu den Menschen am Feuer und ließen Lobo am Rad zurück.
Lobo fand keinen Schlaf. Mitternacht mußte längst vorbei sein, aber er hatte noch kein Auge zugetan. Die Stellung, in der er an das Rad gekettet worden war, wirkte sich wie eine Folter auf seinen Kör per aus. Jeder Muskel schien ver krampft, jede Sehne verspannt. Das Feuer war heruntergebrannt zu einem Tümpel aus Glut und wei ßer Asche. Die meisten Siedler hat ten sich schlafen gelegt. Die ersten 27
Posten waren bereits abgelöst wor den. Lobo dachte an die Schüsse und das Feuer auf dem Berg. Wenn die Comanchen den Treck überfielen, solange es noch Nacht war, hatte er kaum eine Überlebenschance. Er hatte keine Waffe, bot an seinem Rad ein hervorragendes Ziel und konnte sich nicht einmal mit den Fäusten wehren. Wie eine Schießbudenfigur, dachte er. In seinem Magen wütete der Hun ger und in seinem Kopf die Erinne rung an Emmylou. Auch das trug dazu bei, daß er nicht schlafen konn te. Es war noch völlig dunkel. Aus den Wagen drangen die Geräusche der Nacht. Irgendwo weinte ein Kind. Zwei Hunde schnüffelten in der Nähe des Feuers auf dem Boden her um. Der Mond nahm ab oder zu und legte einen silbernen Schimmer über die Planen der Wagen. Lobo lauschte. Die Nacht hat viele Geräusche. Der leise Wind, der von den Bergen herunterwehte, brachte das dürre Gestrüpp zum Rascheln. Tiere setzten leise ihre Pfoten auf und umschlichen die Wagenburg. Oder waren es schon die Comanchen, die sich anschlichen? Irgendwo schrie ein Nachtvogel. Oder war es gar kein Tier, sondern ein Mund, der den Schrei täuschend echt nachahm te? In ausgeruhtem Zustand hätte Lobo sich nicht beunruhigen lassen und schnell die Ursache eines jeden Geräusches herausgefunden. Aber er war erschöpft, übermüdet und ge schunden. In seinen Ohren dröhnte der Schlag seines Herzens, und die alte Messerwunde am Bizeps schmerzte wieder. Dennoch blieb die Nacht ohne Zwi schenfälle. Erst gegen Morgen schloß 28
Lobo die Augen, um einzuschlafen. Er glaubte, erst eine Minute geschla fen zu haben, als er schon wieder ge weckt wurde. Der Himmel war blei grau, die Vorstufe des Sonnenauf gangs. Die Wagen standen grau wie Ge spenster ihrer selbst im Kreis um das erloschene Feuer. Was hatte ihn ge weckt? Die Siedler schienen alle noch zu schlafen. Nur aus einigen Planwagen krochen die Männer, die Oberkörper nackt, den Schlaf noch in den Augen. Dann hörte Lobo den Ruf einer Wache. „Mister Maxwell, kommen Sie, wir kriegen Besuch!" Der Mann hatte wohl schon einmal gerufen und Lobo damit aufgeweckt. Maxwells dunkle Stimme antwortete: „Wer will uns besuchen?" „Reiter", sagte der Wachtposten. Seine Stimme klang frisch, ausge ruht und überhaupt nicht beunru higt. „Blauröcke. Eine Abteilung Ka vallerie, Mister Maxwell." „Aus welcher Richtung?" „Aus der Ebene." „In Ordnung. Ich bin gleich so weit!" Der gebrüllte Dialog hatte die an deren Siedler ebenfalls aufgeweckt. In jedem Wagen wurde es jetzt le bendig. Die meisten Männer und Frauen krochen ohne ihre Waffen ans Tageslicht. Vielleicht eine Pa trouille, dachte Lobo. Eine Patrouille der Kavallerie, die unsere Spuren gefunden hat und uns nun Geleit schutz bis Odessa geben wird. Er richtete sich soweit wie möglich auf, um in die Ebene hinausblicken und die Soldaten sehen zu können. Es dauerte ein paar Minuten, bis er sie entdeckt hatte und ein paar weitere Minuten, bis ihm auffiel, was ihn an ihnen störte. Da aber war es schon fast zu spät. Entsetzen schlug ihn wie
eine geballte Faust in die Magengru be.
Aus dem Nebel des Morgens, der wie ein zu tief hängender Baldachin über der rosagetönten Ebene schwebte, tauchten sie auf. Es waren mindestens zwanzig Reiter in den blauen Uniformen der US Kavalle rie. Sie ritten mit gesenkten Köpfen, als wollten sie die Fährte nicht ver lieren. Sie ritten hintereinander wie Comanchen auf dem Kriegspfad, nicht nebeneinander in Zweiergrup pen wie eine Patrouille der Kavalle rie. Lobo sah sie größer werden, sah die braunen Hände, die die Zügel mit völlig unmilitärischem Griff hielten. Dann sah er die langen, schwarzen Haare, die unter den Käppchen auf die Schultern fielen, obwohl die In dianer zweifellos versucht hatten, sie hochzustecken. Er schrie. Er klirrte mit der Kette seiner Handschellen gegen die Spei chen und schrie: „Es sind Coman chen! Zu den Waffen, zu den Waf fen!" Dann wollte er schreien, daß man ihm auch eine Waffe geben solle, aber er wußte, daß niemand es tun würde. Die Köpfe der Männer in den blau en Uniformen mit den gelben Hosen trägern in Y-Form ruckten bei sei nem Schrei hoch. Die Reiter waren schon nah genug, um ihn gehört zu haben. Jetzt war die bronzefarbene Gesichtshaut zu sehen, der indiani sche Schnitt der Wangen und Augen. Aus dem Nebel ritten sie heran, gut zwanzig Männer, wurden größer und begannen nun gellende Schreie aus zustoßen und die Waffen zu schwen ken. Sie waren schon so nah, daß es
keinen Sinn mehr hatte, sie mit Ge wehrfeuer zurückzuschlagen. Die meisten Siedler reagierten nicht. Sie standen starr mit nacktem Oberkörper im Licht des anbrechen den Tages und begriffen nicht, daß in den Uniformen keine Soldaten, son dern Comanchen steckten. Lobo dachte noch, daß er jetzt wußte, was die Schüsse vom Vortag zu bedeuten gehabt hatten, nämlich, daß eine Armeepatrouille niederge metzelt worden war; dann hatten die Indianer in den Uniformen auf den gescheckten Pferden die Wagenburg schon erreicht und schossen. Curt Maxwell schien als erster das Feuer zu erwidern. Dann tauchten Artie Sheridan und sein Bruder Sam auf. Sie hatten die Handfeuerwaffen gezogen, waren aber ebenfalls von den blauen Uniformen verwirrt, Sam mehr als Artie. Der Sheriff hat te Hemmungen, auf ein blaues Hemd zu schießen, genau wie er Hemmun gen gehabt hätte, wenn die Coman chen alle Deputy-Sterne auf der Brust getragen hätten. Nach und nach erwachten die Siedler. Einige riefen nach ihren Frauen, andere rannten von Panik erfüllt irgendwohin, wo sie Deckung finden konnten. Nur wenige waren so klug, in die Wagen zu springen, um ihre Waffen herauszuholen. Die Wachtposten, die sich außer halb der Wagenburg befunden hat ten, wurden niedergemetzelt. Einige Indianer in Uniform sprengten auf sie zu und streckten sie mit ein paar Schüssen aus den Armeekarabinern nieder. Lobo zerrte wie wild an seinen Handfesseln. Immer wieder klirrte das Metall gegen das Holz. Mit sol cher Kraft warf er sich vor und zurück, daß der ganze Wagen zu schaukeln begann. Die Haare fielen 29
ihm in das zernarbte Gesicht, und seine Muskeln zeichneten sich dick wie Taue unter der Haut ab. „Sheriff!" brüllte er. „Sheriff, bin den Sie mich los! Geben Sie mir eine Waffe!" In diesem Augenblick gab es nicht den geringsten Zwiespalt in seiner Seele. Er dachte nicht daran, daß hier Indianer gegen Weiße kämpften. Er wußte, daß die Männer da draußen versuchen würden, die Männer hier im Inneren der Wagenburg zu töten. Er war innen. Und er war wehrlos. Der Sheriff hatte sich neben einen der Planwagen gekniet und feuerte über die Deichsel hinweg. Der Him mel war jetzt hellbau und die Ebene nicht mehr rosa, sondern gelb. Die Sonne würde jeden Moment aufge hen. Die Indianer galoppierten um die Wagenburg herum. Die Armee karabiner spien Blitze auf die Wa gen. Noch immer stießen die Coman chen die hellen Schreie aus, die wie Ge bell klangen. Sie hingen weit vornübergebeugt auf ihren Pferden. Das Knattern der Schüsse erfüllte die Luft. Curt Maxwell stand in der Mitte der Wagenburg und brüllte Befehle. Hin und wieder wirbelte er herum, knickte mit erstaunlicher Behendig keit in der Hüfte ein und feuerte auf einen der Indianer, die jetzt begon nen hatten, in das Rondell einzudrin gen. „Den Wagen", brüllte Maxwell, „schützt den Krankenwagen!" Er selber und noch zwei andere Männer liefen zu dem geheimnisvol len Gefährt, zu dem niemand Zutritt hatte außer den Frauen, die den Ver wundeten pflegten. „Sheriff, geben Sie mir eine Waffe und binden Sie mich los!" brüllte Lobo noch einmal, aber der Sheriff hörte ihn nicht. Oder er wollte ihn 30
nicht hören. Einer nach dem anderen setzten die Comanchen über die Deichseln. Blaue Schatten auf hellen Pferden füllten den Kreis, jagten durch die kalte Feuerstelle und schossen wild um sich. Jetzt endlich begannen die Männer des Trecks ihre Verteidi gung zu organisieren. Einige feuer ten aus den Wagen, vorbei an den zurückgeschlagenen Planen. Das Krachen der Schüsse, die Mün dungsblitze zerrissen die helle Luft des Morgens. Im Inneren des Rondells lagen die Leichen von mindestens fünf Män nern und sechs Frauen. Sie hatten Mexiko verlassen und würden auf Erden keine neue Heimat mehr fin den. Zwischen ihnen lag ein toter Co manche in Uniform. In ihrer Verzweiflung stürzten sich einige der Siedler mit bloßen Händen auf die Angreifer, um sich und ihre Familien zu schützen. Einer von ihnen packte einen Comanchen am Bein und mit der anderen Hand am Gürtel, um ihn aus dem Sattel zu zerren. Eine Tomahawkklinge traf ihn in die Schulterbeuge. Blutüber strömt sank er zusammen. Pulverdampf, aufgewirbelte Asche und Staub füllten den Kreis. Die Mündungsblitze zerrissen die Schlei er und beleuchteten die verzerrten Gesichter der Kämpfenden. Das Ge bell der Angreifer vermischte sich mit dem Weinen der Kinder und den Angstschreien ihrer Mütter. Lobo hatte es aufgegeben, an sei nen Ketten zu zerren. Die beiden Sheridans waren irgendwo anders in den Kampf um das nackte Leben verstrickt. Hin und wieder riß eine Kugel das Holz neben seinem Kopf auf, und er duckte sich, um nicht von den messerscharfen Splittern ge troffen zu werden.
Einer der Comanchen stürzte sich aus dem Sattel auf einen bulligen Siedler, der noch den Rasierschaum im Gesicht und ein Handtuch um die Brust geschlungen hatte. Ein wilder, verzweifelter Ringkampf entspann sich. Die beiden Männer wälzten sich in der Asche hin und her. Der schneeweiße Schaumbart des Sied lers färbte sich grau, als sei der Mann blitzschnell gealtert. Dann zuckte ein Messer in der Hand des Comanchen hoch und fuhr nieder. Lobo wandte das Gesicht ab. Er nahm eine neue Szene des Grauens wahr. Ein Indianer hatte eine der Frauen gepackt und zerrte sie hinter sich her. Ein Mann stürzte heran und wollte den Indianer fortreißen. Der Comanche tötete beide, die Frau und den Mann. Dann stürzte er auf den Wagen zu, in dem der Verwundete lag. Er packte die Rückwand mit bei den Händen und zog sich daran hoch, das Messer zwischen den Zähnen. Er wollte gerade ein Bein in den Wagen schieben und die Plane aus einanderschlagen, als Curt Maxwell hinzusprang und ihn aus kurzer Di stanz in den Rücken feuerte. Der Co manche stürzte zurück. In diesem Moment hörte Lobo ein Geräusch ganz in seiner Nähe. Sein Oberkörper flog herum. Nur wenige Yards von ihm entfernt hatte ein Co manche sein Pferd gezügelt. Er starrte Lobo aus brennenden Augen an. Das Pferd tänzelte schnaubend hin und her. Der Indianer trug die Uniform eines Sergeants, seine lan gen, dunklen Haare flogen im Wind. Er schien zu überlegen, ob er Lobo befreien oder töten solle. Dann fiel eine Entscheidung. Viel leicht war der Blutrausch stärker als die Blutsverwandtschaft. Vielleicht aber hatte er auch in Lobos Augen etwas gesehen, das es ihm nicht rat
sam erscheinen ließ, den Gefangenen zu befreien. Er riß den langläufigen Armeerevolver herum und feuerte. Lobo warf sich zur Seite. Die Kugel prallte mit einem schrillen Mißklang von dem Eisenbeschlag des Rades ab. Der Comanche wollte ein zweites Mal schießen. Der Hammer klickte auf die Trommel. Leer. Der Coman che warf die Waffe weg, zog ein Mes ser und sprang aus dem Sattel. Lobo zerrte an seinen Handschel len. Sie blieben unverbrüchlich fest. Er spannte alle Muskeln an, um dem Angriff des Comanchen zu begeg nen. Der Tumult um sie herum, die Schüsse, die Todesschreie, der Pul verdampf und die wirbelnde Asche versanken vor dem Bild des heran laufenden Comanchen. Er sah die Mordlust in den Augen des Angrei fers, sah die verzerrten Lippen und die glänzenden Muskeln im Aus schnitt des weitoffenen Hemdes. Der Comanche stürzte sich auf ihn. Lobo zog die Beine an und stieß sie dem Angreifer gegen die Knie. Der Comanche schrie auf und stürzte. Lobo schloß seine Unterschenkel blitzschnell um die Hüfte des Krie gers, zog ihn zu sich heran und trat ihm dann das Messer aus der Hand. Der Comanche hatte nicht damit gerechnet, daß Lobo so schnell und entschlossen reagieren könne. Er rappelte sich auf und stürzte sich mit ausgestreckten Händen auf ihn. Sei ne Finger schlossen sich um Lobos Hals. Lobo riß sein Knie hoch und stieß sich mit dem anderen Bein her um. Er kniete auf dem Comanchen. Die verdrehten Handschellen schnit ten brennend in seine Gelenke. Er bog seinen Rücken durch und häm merte dem Comanchen dann seinen Schädel entgegen. Hinterher wälzte er sich zurück und schnappte erschöpft nach Luft. 31
Er war in Schweiß gebadet, seine Stirn schmerzte. Die Haare hingen ihm feucht ins Gesicht. Der Kampf endete so plötzlich, wie er begonnen hatte. Die Indianer hat ten Feuer an die meisten Planwagen gelegt. Die Übermacht der weißen Verteidiger, die sich endlich organi siert hatten, schrumpfte immer mehr zusammen, aber auch die Zahl der Comanchen wurde kleiner. Der Rest brach schließlich aus dem Rondell aus und galoppierte davon, zurück in den Canyon, aus dem sie in der Nacht in die Ebene geritten waren, um sich der Wagenburg von dort nähern zu können. * Es waren nicht viele übriggeblie ben. Der Wagen, an den Lobo geket tet war, brannte nicht. Ebenso der, in dem der Verwundete lag, und noch zwei weitere. Die Überlebenden sammelten sich in der Mitte des von Rauch und Pul verdampf erfüllten Rondells. Zuk kender Feuerschein beleuchtete die Gesichter. Die Sonne war aufgegan gen und schien auf den Ort des Mas sakers. Schwarzer Qualm wälzte sich in die Ebene davon. Curt Maxwell hatte überlebt. Er blutete aus einer Schulterwunde. Auch Sheriff Sheridan und sein Bru der Artie hatten überlebt. Nach und nach fanden sich alle Übriggebliebe nen bei ihnen ein, mit rußgeschwärz ten Gesichtern, zerfetzten Kleidern und teilweise blutend. Lobo zählte acht Männer, zwölf Frauen und sieben Kinder. Es war ein erschütternder Anblick. Um die Überlebenden herum lagen die Leichen der Gefallenen. Es war die Mehrzahl. Zwischen ihnen be fanden sich immer wieder unifor 32
mierte Tote - die Comanchen. Der Treck hatte ein plötzliches Ende gefunden. Selbst wenn Max well und der Rest der Siedler weiter ziehen würden, konnte man nicht mehr von einem Treck auf der Suche nach neuem Land sprechen. Es war ein Häufchen Verzweifelter, das im mer wieder sein Leben würde vertei digen müssen, bis es schließlich irgendwo Obdach fand. Sheriff Sheridan löste sich aus der Gruppe und trat auf Lobo zu. Er sah erschöpft und angeekelt aus. Tiefe Ringe hingen unter seinen Augen. Er beugte sich zu Lobo hinunter und sperrte die Handschellen auf. „Tut mir leid", sagte er. „Ich habe vorher nicht daran gedacht." „Mir auch", antwortete Lobo. „Ich lebe nur durch Zufall noch." „Wie wir alle", sagte der Sheriff. Er half Lobo von dem Rad und schloß die Handschellen dann wieder zu sammen. Lobo traute seinen Augen nicht. Seine Handgelenke waren blutig geschurrt. „Ist das wirklich notwendig?" fragte er. „Ja", sagte der Sheriff. „Und wenn ich Ihnen mein Ehren wort gebe, daß ich nicht zu fliehen versuchen werde?" „Sie sind kein Weißer. Ich kann Ih rem Ehrenwort nicht vertrauen." Lobo spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Ihm lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber dann schluckte er sie doch hinunter. Es konnte ihm nichts nützen, wenn er den Sheriff noch mehr gegen sich aufbrachte. Er sah, wie Artie miß trauisch zu ihnen herüberstarrte. „Sie müssen es tun - wenn nicht jetzt, dann später, Sheriff", sagte er eindringlich. Und Sie werden noch etwas tun müssen."
„Was?" „Sie werden mir eine Waffe in die Hand geben müssen." Ungläubig sah der Sheriff ihn an. „Sind Sie verrückt geworden?" „Nein", antwortete Lobo ruhig. „Aber bis Odessa ist es noch weit. Vor allem liegt der Canyon vor uns zwanzig Meilen unübersichtliches Gelände. Hinter jeder Biegung kön nen die Comanchen lauern. Oder glauben Sie ernsthaft, sie hätten auf gegeben?" Der Sheriff senkte den Kopf. „Nein", sagte er. „Wenn einer die Wagen heil durch den Canyon bringen kann, dann bin ich das", sagte Lobo jetzt hart. „Wenn einer erfolgreich gegen die Coman chen kämpfen kann, dann ich. Ihr Bruder Artie wird Ihnen gern be stätigen, daß ich selber ein verschla gener Roter sei." Der Sheriff steckte den kleinen Schlüssel ein, ohne Lobos Hand schellen aufzuschließen. „Gehen Sie zu Ihrem Pferd. Ich glaube, wir brechen gleich auf", sagte er. Dann drehte er sich um und ging zurück zu den anderen.
Artie Sheridan hatte die Gelegen heit genutzt und kletterte über die herumliegenden Leichen hinweg. Er ging auf den Wagen zu, in dem der Verwundete lag, der von dem grau enhaften Massaker nur den Lärm gehört haben konnte, wenn er über haupt bei Bewußtsein war. Eine schwarze Qualmwolke trieb durch die Wagenburg. Überall knackte und knisterte es. Krachend brach einer der brennenden Wagen zusammen, und eine Fontäne glü hender Funken spritzte zu Boden. Artie Sheridan hatte den geschlos
senen Wagen erreicht, hinter dem noch der Comanche lag, den Maxwell in den Rücken geschossen hatte. Er wollte die Plane zurückschlagen. „Hände weg!" brüllte Curt Max well. Artie Sheridan erstarrte. Dann be wegte er sich und wollte in den Wa gen steigen, die Aufforderung Max wells ignorierend. Der Treckführer zog seinen Colt und richtete ihn mit dem gesunden Arm auf den Bruder des Sheriffs. „Noch eine Bewegung, und ich schieße!" sagte er. Niemand sonst sprach. Seine Stimme war klar und deutlich zu hören. „He, he, Mister Maxwell, was ist los?" fragte Artie. Er drehte sich mit einem breiten Grinsen um. „Nichts ist los, Mister Sheridan", sagte der Treckführer nur. „Was in dem Wagen ist, geht Sie nichts an. Niemand außer den Männern und Frauen des Trecks ist berechtigt, den Verwundeten anzuschauen, das ist alles!" Sheridan zögerte, dann wandte er sich ab und nickte. Er grinste immer noch. „Okay, okay, Maxwell", sagte er. „Möchte bloß wissen, wen Sie da so vor uns verstecken!" „Jemand, den jede Aufregung um bringen könnte, das ist alles", sagte Maxwell. „Wenn Sie unbedingt et was tun wollen, dann helfen Sie uns, die Toten zu beerdigen und die Wa gen umzuladen, ehe wir weiterzie hen." Er steckte den Colt wieder ein. Sheridan und die anderen Männer suchten nach Schaufeln. Maxwell verband sich seine Wunde. Lobo ging zu seinem Pferd und ließ sich dane ben im Schneidersitz nieder. Er war tete. Er fragte sich, was wirklich in dem Wagen war, den Maxwell wie seinen Augapfel hütete. Wenn es ein 33
Verwundeter war, dann wer? Und was für eine geheimnisvolle Krank heit mochte er haben? Die Erklä rung, die der Treckführer am An fang gegeben hatte, war mehr als dürftig gewesen.
Es war eine der Grabstellen, wie es sie im Westen zuhauf gab. Schwarze Erde kennzeichnete den Ort eines Massakers, und schwarzverkohlte Wagenwracks sprachen von brutal zerstörten Hoffnungen. Eine Reihe schlichter, aus dunklen Brettern zu sammengenagelter Holzkreuze wür de noch eine Zeitlang daran erin nern, daß hier weiße Männer und Frauen bei einem Comanchenangriff den Tod gefunden hatte. Maxwell sprach ein schlichtes Ge bet. Inzwischen brannte die Mittags sonne erbarmungslos auf den Rest der Siedler herab. Lobo hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Überall roch es nach Asche und verbranntem Holz. Nach dem Begräbnis nahm Curt Maxwell den Sheriff beiseite. Lobo sah ihn gestikulieren und auf den Sheriff einreden. Der Sheriff schüttelte empört den Kopf, aber Maxwell schien auf seinen Worten zu bestehen. Nach und nach wurde die Position des Sheriffs wankend, und schließlich nickte er zögernd. Er ließ Maxwell stehen und ging zu Lobo. Lobo hob den Kopf und sah ihm entgegen. Er ließ sich nicht anmer ken, daß er wußte, was Sheridan nun tun würde. Maxwell war ein ver nünftiger Mann und hatte dem Sternträger das einzig Richtige gera ten. Ohne Lobo in die Augen zu sehen, holte Sheridan den Schlüssel aus sei 34
ner Westentasche und schloß Lobos Handschellen auf. Er nahm sie ihm aber nicht ganz ab, sondern ließ sie an dem linken Gelenk befestigt. „Maxwell ist der Überzeugung, Sie könnten uns von Nutzen sein, wenn Sie sich als unser Scout betätigten", sagte er. Seine Haut war leicht gerö tet, ob vor Ärger oder von der Sonne, ließ sich nicht erkennen. „Sie kriegen eine Waffe, damit Sie sich verteidi gen können." Lobo sagte nichts. Er rieb sich die geschundenen Gelenke. „Verteidigen, haben Sie gehört?" fuhr Sheridan fort. „Kommen Sie nicht auf die Idee, uns anzugreifen oder zu fliehen. Wir sind mehr, als Sie umlegen könnten; und wir wür den Sie erbarmungslos jagen, wenn Sie sich abzusetzen versuchten. Ha ben Sie das alles verstanden?" „War nicht schwer", sagte Lobo. In diesem Augenblick stürzte Artie herbei. Auch Maxwell und die ande ren Siedler traten näher. „Bist du verrückt geworden, Sam?' fragte Artie wütend. „Du läßt das Killer-Halbblut frei? Los, leg ihm so fort wieder Handschellen an, oder, bei Gott, ich selber jage ihm hier eine Kugel durch den Kopf!" „Das werden Sie nicht tun, Mister Sheridan", sagte Curt Maxwell mit kalter Stimme. „Sie haben sich unse rem Treck angeschlossen, und damit stehen Sie unter meinem Befehl - so lange Sie bei uns bleiben. Es steht Ih nen aber jederzeit frei zu gehen. Sie sind kein Mensch, an den man sein Herz hängt!" Artie lief rot an. Sein Mund klapp te zu und wieder auf. Dann starrte er Maxwell an. „Mit Ihnen rechne ich noch ab, Maxwell", stieß er hervor. „Das ist jetzt das zweite Mal, daß Sie mir in die Parade fahren. So können Sie mit mir nicht umspringen. Ich
Wir möchten unsere interessierten Leser gern darauf aufmerksam machen, daß soeben die Nr. 4 des MAGAZINS FÜR AMERIKANISTIK erschienen ist. Diese Fachzeitschrift für alle, deren Hobby die Pionierzeit Amerikas ist, braucht nicht mehr besonders vorgestellt zu werden. Der zweite Jahrgang geht gerade zu Ende, und jeder, der die Zeitschrift kennt, weiß, welche Fülle von Themen in der Zeit ihres Bestehens bereits abgehandelt wurden. Immer wieder gelingt es dem Herausgeber und seinen Autoren, einen farbigen, packenden und wohl fundierten Querschnitt durch die wil den Jahre der Westbesiedelung zu geben. Ne ben der Fortsetzung der Lebensgeschichte des legendären TOM MIX, enthält das neue Heft die lange vergessene Geschichte eines Aus wanderes aus Bremen, der zum Eisenbahnkö nig von Missouri wurde und entscheidenden Anteil am Entstehen von Abilene hatte. Ein hochinteressanter Beitrag über die erste Be siedelung von Arizona schließt sich an, und auch die Freunde der Indianer kommen selbst verständlich nicht zu kurz. Es lohnt sich wie der, nach der neuen Ausgabe des Magazins zu greifen.
Herbe Kritik an der LOBO-Heftreihe äußerte in einem Brief Herr K F aus Ober kirchen:
„Ich kann mich der Meinung von Herrn S im LOBO-Forum 77 nur anschlie ßen: Was ist das für ein LOBO geworden, der jeder Frau aus der Hand frißt, der
sich in die Angelegenheiten anderer heute mischt, der sogar vor zwei unbewaffneten Männern panikartig die Flucht ergreift („Crandalls Gesetz", „Falle Gottes")? LOBO wird in den Heften total vertrot telt. Er wird von jeder Frau als Werkzeug benutzt. Überhaupt: die Frauen! Nicht nur, daß die schönen Titelbilder durch ständige Frauendarstellungen verdorben werden, in jedem Heft muß sich die Handlung auch noch um Frauen drehen. Glauben Sie nicht auch, daß das langsam langweilig wird? LOBO kämpft für eine Frau, wird von ihr gefangengenommen, wird von ihr befreit, usw. Frauen verderben meiner Meinung nach den Charakter einer Serie wie LOBO. Es würde gar nichts schaden, wenn in einigen Heften keine Frauen mitspielen oder nur in kurzen Abschnitten vorkommen wür den. LOBO, den ich mir als wortkargen, gna denlosen Mann vorstelle, führt seitenlange Dialoge — natürlich mit Frauen. Er bringt es nicht übers Herz, mit Verbrechern und Mördern abzurechnen. Die ursprünglich gute Serie ist auf das Niveau des üblichen Käse abgeglitten. Ich hoffe nur, daß das Tief überwunden wird und LOBO wieder ein Mann wird, der gegen das Verbrechen kämpft, der sich nicht einfach beleidigen läßt und dabei auch noch rot wird. Ein wortkarger, einsamer Wolf, ein Mann, der das Böse ausrottet. Warum muß ein Serienheld eigentlich immer alle gute Ei genschaften haben? Ich wünsche Ihnen so oder so noch viel Erfolg."
Frl. S M aus Klosterneuburg, Öster reich, schrieb uns:
„Ich lese sehr gerne RONCO-Romane und habe nun einmal etwas von einem RONCO-Poster gelesen. Könnten Sie mir eines schicken? Alle Romane, die ich bis jetzt gelesen habe, finde ich sehr gut. Ich lese die Serie seit der Nr. 100."
AMERIKANISCHE
PRÄSIDENTEN — VII.
Der 8. Präsident der Vereinigten Staaten war eine der schillerndsten Persönlichkeiten auf dem politischen Parkett in Amerika. Martin Van Buren war als Senator, Kongreßabgeord neter, Minister, Vize-Präsident und Präsident fast 30 Jahre lang für jedes hohe politische A m t der U S A gut und ständig für hohe Ämter im Gespräch. Ein fähiger, ein äußerst wendi ger Mann, der mit erheblichem Selbstbewußt sein auftrat, Witz und Schläue besaß und auf dem schlüpfrigen parteipolitischen Parkett der Intrige und Finesse großes Geschick bewies. Martin Van Buren wurde 1782 in dem kleinen Ort Kinderhook im Staate New York geboren. Sein Vater war ein Auswanderer aus Holland, der sich hier als Farmer niedergelassen hatte. V a n Buren studierte Jura und wurde im Jahre 1803 in New Y o r k als Anwalt zugelassen. Er war ein durchaus begabter Jurist, und als sol cher war sein W e g in die Politik geradezu selbstverständlich. Gewandte Juristen haben bis auf den heutigen Tag in Amerika stets die besten Chancen, politische Ämter zu erlan gen. 1821 wurde Van Buren zum Senator gewählt und stieg bereits kurze Zeit später zum Justiz minister auf. Im Jahre 1824 schloß Van Buren sich der Demokratischen Partei an und wurde zum wortgewaltigen Streiter für den demokra tischen Präsidentschaftskandidaten General A n d r e w Jackson, der 1828 zum Präsidenten gewählt wurde. Van Buren erhielt, als Jackson für eine zweite Amtszeit kandidierte, den verdienten Lohn: Er wurde als Vizepräsident aufgestellt und ge wann 1832 an der Seite Jacksons die Wahl. Im Jahre 1836 dann wurde Van Buren auf den Schild gehoben: Als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zog er in den Wahlkampf und siegte. Als 8. Präsident der U S A zog er ins Weiße Haus.
Unter seiner Regierung trudelten die Vereinig ten Staaten in eine große Handelskrise mit internationalen Problemen. Van Buren w u r d e mit den sich auftürmenden Schwierigkeiten nicht fertig. Er regierte glücklos und stieß im mer wieder an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Die Kritik an ihm in der Öffentlichkeit w u r d e immer heftiger. Aber die Demokratische Par tei, die die Macht zu erhalten wünschte, sah sich in der unglücklichen Lage, keinen Politi ker vorweisen zu können, der Van Burens Be kanntheitsgrad und Statur besaß. So w u r d e Van Buren 1840 abermals für das Präsidenten amt aufgestellt, verlor aber die Wahl gegen den Kandidaten der Whig-Partei. Auch 1844 kandidierte Van Buren w i e d e r um das Präsi dentenamt — und verlor wiederum, diesmal bereits in der innerparteilichen Vorentschei dung. Statt seiner wurde Polk nominiert. Auch 1848 spielte Van Burens Name für die Aus scheidung um das Präsidentenamt w i e d e r eine Rolle. Als Vizepräsident-Kandidat trat er neben Lewis Cass auf — beide wurden v o n Zachary Taylor geschlagen. — V a n Buren sah ein, daß er seinen, politischen Zenit überschrit ten hatte. Er gab auf. Er zog sich aus der gro ßen Politik zurück, ging in seine Heimatstadt Kinderhook und engagierte sich hier in der kommunalen Politik, bis er im Jahre 1862 starb. O b w o h l er zu seiner Zeit einer der be kanntesten Politiker der U S A war, ist sein Name heute beinahe vergessen. Bis zur nächsten Woche! Ihre
Martin
Van
D. Kügler.
Buren,
RONCO-/LOBO-Redaktion
U.S.
Präsident.
Archiv
kriege Sie, verlassen Sie sich darauf!" „Sicher, Mister Sheridan, sicher", sagte Maxwell geringschätzig. Artie explodierte: „Ich ..." „Halt den Mund, Artie", sagte der Sheriff scharf. „Du bist nicht mehr du selber. So kenne ich dich gar nicht!" „Sie kennen ihn noch von einigen Seiten nicht", warf Lobo ein. Der Sheriff griff an seinen Gürtel und reichte Lobo seinen Army Colt Kaliber .44. Lobo nahm ihn und steckte ihn in die leere Halfter an seiner Hüfte. Der angenehm schwere Druck gegen den Oberschenkel gab ihm wieder neuen Mut. „Vergessen Sie nie, daß wir nach Odessa wollen", sagte Sam Sheridan. „Und daß Sie uns dorthin geleiten sollen, obwohl Ihnen dort ein Prozeß gemacht werden wird, der Sie an den Galgen bringen wird." „Keine Sorge", meinte Lobo. „Das vergesse ich nicht." Er ging zu seinem Pferd und saß auf.
Die Sonne stand direkt über dem Canyon. Ihr Licht rollte wie glühen des Gold die Felswände hinunter und ergoß sich über den kleinen Treck. Die rötlichen Steine strahlten die Hitze zurück und verstärkten sie noch. Die Pferde legten sich müde in ihr Geschirr. Es waren drei Wagen. Auf den Wagen saßen die zwölf Frauen und die sieben Kinder. Die acht Män ner, die neben Lobo und den beiden Sheridans überlebt hatten, begleite ten die Wagen zu Pferd. Lobo ritt ein Stück voraus. Er war ebenfalls müde und er schöpft, aber die Aufgabe, die ihm
übertragen worden war, hielt ihn wach. Er war nun verantwortlich für das Leben der letzten Siedler, es lag in seiner Hand. Er würde es nicht fallen lassen. Der Canyon war schmal, nur unge fähr zehn Yards breit. Die Felswän de ragten rechts und links zum Be rühren nah auf. Nach oben verbrei terten sie sich allerdings stark, so daß Platz geschaffen wurde für klei ne Plateaus, Überhänge, Höhlen und Vorsprünge. Sogar etwas trockenes Unkraut und Gestrüpp klammerte sich an den roten Stein. Hinter jedem Fels, jedem Busch konnten die Comanchen lauern. Lobo war sicher, daß die uniformier ten Indianer, die die Wagenburg an gegriffen hatten, nicht der ganze Trupp gewesen waren. Was hätten sonst die Feuerzeichen in der Nacht zu bedeuten gehabt? Und Lobo war ständig auf der Hut. Seine Augen schwenkten ununter brochen hin und her, selbst wenn sie bei halb herabgesunkenen Lidern eher den Eindruck vermittelten, er schlafe. Er saß zusammengesunken im Sattel, die Kette der Handschellen hing wie eine silberne Schlange von seinem linken Gelenk hinunter. Die Felswände warfen das Quiet schen der Radnaben und das Knar ren der Deichseln zurück. Die Wagen folgten ungefähr in einer halben Meile Abstand, aber der Canyon lei tete und verstärkte jedes Geräusch. Selbst um die häufig den Lauf der Schlucht verändernden Biegungen drangen sie mit unverminderter Lautstärke. Es war ein Konvoi des Todes, und Lobo wußte es. Seine rechte Hand ruhte auf dem Holzgriff des Army Colts, der warm und trocken war. Am wolkenlos blauen Texashimmel kreiste ein Steinadler. 37
Lobo bremste sein Pferd und war tete auf die Wagen. Hinter der näch sten Biegung begann eine etwas län gere Gerade, wo sie beieinander blei ben konnten. Eine Zeitlang trabte er neben den Wagen her, deren helle Planen so porös waren, daß das dar auffallende Sonnenlicht wie Gold staub hindurchdrang. In der Mitte fuhr der Wagen, an den Curt Maxwell niemand heran ließ. Der Wagen, den ein Geheimnis umgab, das zu lösen Lobo gereizt hätte - unter anderen Umständen. Aber er konnte die tote Emmylou nicht vergessen. Er konnte nicht ver gessen, daß der Mörder einer von den zehn Männern war, die die drei Wa gen begleiteten. Und er konnte nicht vergessen, daß er dem Galgen ent gegenritt, wenn es ihm nicht gelang, seine Unschuld zu beweisen. Plötzlich lauschte er. Über dem trockenen Hufschlag, dem Mahlen der beschlagenen Räder hatte er ein Stöhnen aus dem Kran kenwagen gehört. Aber es war keine Männerstimme gewesen. Das Stöh nen drang eindeutig aus einem Frau enmund. Gedämpft, als hätte ihr je mand ein Tuch über das Gesicht ge legt. Lobo runzelte erstaunt die Stirn. Der Verwundete war also eine Frau. Aber dadurch geriet nicht mehr Licht ins Dunkel. Es blieb ein Ge heimnis. Sie waren jetzt seit ungefähr zwei Stunden unterwegs, hatten aber noch nicht einmal die Hälfte des Ca nyons hinter sich gebracht. Die er schöpften Pferde zogen schwer an den überladenen Wagen und beweg ten sich nur langsam vorwärts. Wenn alles gut ging, hoffte Lobo aber dennoch gegen Abend den Ausgang des Canyons zu erreichen. Er winkte Maxwell zu und spreng 38
te wieder voraus. Er sah, wie der Sheriff nach seinem Colt griff, die Hand dann aber wieder zurückzog. Beunruhigt starrte Sheridan ihm nach. Wahrscheinlich fürchtete er, Lobo könne jeden Augenblick die günstige Gelegenheit ergreifen und fliehen. Er wußte nicht, daß Lobo seine Unschuld beweisen wollte, um nicht den Rest seines Lebens als Ge hetzter verbringen zu müssen.
Die Wolken hätten wie zufällig an den Himmel gelangt sein können. Aber es wurden immer mehr, und sie stiegen in verschiedener Größe und verschieden großen Abständen hinter der nächsten Biegung auf. Lobo zügelte sein Pferd sofort. Er saß steif und aufrecht wie ein Jagd hund, der eine Fährte aufgenommen hat. Rauchzeichen! Es war schwer, bei der flimmern den heißen Luft, die Entfernung bis zu der Feuerstelle zu schätzen, wenn man nur die Rauchwolken als An haltspunkt hatte. Die Comanchen konnten hinter der nächsten Bie gung sitzen, hinter der übernächsten, aber auch erst hinter der zehnten. In jedem Fall brannte das Feuer irgendwo innerhalb des Canyons. Wahrscheinlich auf halber Höhe zwischen der Sohle und dem oberen Rand. Lobo riß die Hand hoch. Maxwell verstand das Zeichen sofort. Wagen und Reiter blieben stehen und ver hielten sich stumm. Nur noch das Schnauben der Pferde war zu hören - und der Wind, der leise an den Fels wänden wimmerte. Lobo beobachtete die Rauchzei chen. Sie stiegen zielstrebig wie weiße Luftballons im Aufwind hoch. Dann
zerfaserten die letzten in der Luft, und es folgten keine mehr nach. Lobo war zu spät eingetroffen, um die Botschaft verstehen zu können. Es war unmöglich, sie vom Ende her aufzuschlüsseln. Sie hatte ihm nur verraten, daß vor ihm Comanchen waren. Comanchen, die anderen Comanchen Zeichen ga ben. Wahrscheinlich hatten sie eine zweite Gruppe herbeigerufen und sie über das Eintreffen der Reste des Siedlertrecks informiert. Lobo war nicht überrascht. Er hat te sich keinen Illusionen hingegeben. Er wußte, daß sie seit ihrem Auf bruch am Mittag beobachtet worden waren. Er trabte zurück zu den Wagen. „Rauchzeichen", sagte er nur. „Wie viele sind es?" fragte Max well. „Keine Ahnung", erwiderte Lobo.
„Vielleicht nur zehn, vielleicht fünf zig." „Sollen wir umkehren?" „Nein, das würde nichts nützen. Wahrscheinlich sind sie auch schon hinter uns. Sie werden uns in die Zange zu nehmen versuchen." „Verdammt, das ist deine Schuld, Indianer - du hast uns verraten!" sagte Artie zischend in blindem Haß. „Reden Sie keinen Unsinn, Sheri dan", fuhr Maxwell ihn an. „Was schlagen Sie vor, Mister Gates?" Lobo lehnte sich im Sattel zurück und musterte die hochaufragenden Felswände. Seine Bauchmuskeln traten hervor. „Ich werde versuchen, mich an sie heranzuschleichen und herauszufin den, wie viele es sind. Je nachdem können wir uns dann entscheiden ob wir abwarten oder zum Angriff übergehen."
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„Heißt das, Sie klettern hier an den gleitenden Bewegung in der Halfter Wänden hoch wie ein Affe und ver verschwinden. Er sagte: „Was Sie suchen dann, sie von oben zu zäh vorhin zu Mister Maxwell sagten, Artie, gilt auch für uns. Irgendwann len?" fragte der Sheriff erstaunt. „So ungefähr", sagte Lobo. „Nur kriege ich dich!" „Soll mich freuen", meinte Artie der Vergleich mit dem Affen gefällt nur bleich. In seinen Augen loderten mir nicht." „Laß ihn nicht gehen, Sam, er ver zwei kalte Flammen. Die Siedler hatten mit Genugtu sucht nur abzuhauen!" sagte Artie. „Glauben Sie, das hätte ich nicht ung verfolgt, wie Lobo dem Bruder schon längst gekonnt, wenn ich ge des Sheriffs eine Abreibung verpaßt hatte. Niemand hatte eingegriffen wollt hätte?" fragte Lobo kalt. „Er hat recht", sagte Maxwell. oder ein Wort des Protests gesagt. „Wollen Sie allein gehen, Mister Ga „Ich gehe jetzt", sagte Lobo. „Ich tes, oder soll einer von uns Sie beglei reite ein Stück vor, bis ich an eine ge ten?" eignete Stelle gelange, dann klettere ich den Canyon hoch. Sie warten „Allein", sagte Lobo. „Natürlich", stieß Artie hervor, hier, bis ich zurück bin." „Viel Glück", sagte Maxwell. bleich vor Wut. „Wir können uns glücklich preisen, wenn er nicht die Lobo nickte und ließ sein Pferd auf Comanchen auf uns hetzt, bevor er der Hinterhand wenden. In einer abhaut!" kleinen roten Staubwolke ver Lobo preßte die Schenkel gegen die schwand er hinter der nächsten Bie Flanken seines Pferdes. Es tat einen gung. Satz vorwärts und brachte ihn neben „Ohne ihn wären wir verloren", das von Artie Sheridan. Lobo schlug sagte Maxwell leise. zu, ohne auszuholen. Der kurze, Eine der Frauen begann zu weinen. knappe Haken explodierte auf Ar ties Kinnlade und riß den Bruder des Sheriffs aus dem Sattel. Mit einem Schrei auf den Lippen prallte er im Lobo ritt bis zur nächsten Biegung Staub des Canyons auf. und schwang sich dann aus dem Sat „Das wirst du mir büßen!" schrie tel. Elastisch landete er neben dem Artie und griff noch im Sitzen nach Pferd, das zu erschöpft war, um sich dem Revolver an seiner Seite. Er während seiner Abwesenheit von der Stelle zu rühren. Er blieb schwit starrte zu Lobo hoch und gefror. Der Army Colt Kaliber .44 war ge zend stehen und würde sich nicht be nau auf seinen Bauch gerichtet. Son wegen, bis er wieder da war. nenlicht blitzte auf dem Lauf der Lobo fand eine Stelle, an der die Waffe. Darüber waren Lobos Augen, Felswand nicht ganz so glatt und kalt, unbewegt und entschlossen. Die steil wie an anderen Passagen war. Bläue des Himmels verdunkelte sein Er beugte sich weit vor und ergriff Gesicht. einen Felsvorsprung mit beiden Artie beschloß, den Colt steckenzu Händen. Das Gestein war warm. lassen. Er rappelte sich auf und be Lobo zog den Revolver und schob ihn stieg leise fluchend wieder sein auf den Vorsprung, auf den er nicht sehen konnte. Manchmal lagen in Pferd. Lobo ließ den Army Colt mit einer Gegenden wie dieser Giftschlangen 40
zusammengerollt auf einem Felspla teau in der Sonne. Er hatte keine Lust, direkt in eine hineinzufassen. Aber kein Rasseln ertönte, nichts schnappte nach dem Colt. Lobo griff zu und zog sich hoch, elastisch wie ei ne Raubkatze. Dann schob er den Revolver wieder in die Halfter. Unter ihm stand das Pferd am Wegrand, mit gesenktem Kopf, aus dessen Maul Schaum troff. Über ihm neigte sich die Felswand dem Him mel entgegen. Weiter oben war die Steigung so schwach, daß sie vor übergehend fast als eben bezeichnet werden konnte. Dort waren Höhlen und Plateaus. Von dort aus mußte er auch einen guten Blick auf die näch sten Biegungen haben. Er lauschte. Er hörte nichts außer dem leisen Wimmern des Windes. Die Sonne prallte herab und verbrannte seine Haut. So dicht am Gestein war die Hitze besonders stark. Öliger Schweiß rann über Lobos Haut. Er bewegte sich leise und rasch auf wärts. Seine Hände schmerzten von den scharfzackigen Steinen. Seine Stie felspitzen rutschten immer wieder ab, waren ihm aber auch von großem Nutzen, wenn es darum ging, sich dicht an der Wand hochzuschieben. Lobo hatte die Kette der Handschel len um das Gelenk gewickelt, damit die Metallglieder nicht gegen den Fels schepperten und ihn verrieten. Aber er konnte nicht verhindern, daß sie immer wieder im grellen Sonnenschein aufblitzten. Nach einiger Zeit konnte er, wenn er hinter sich blickte, die drei Wagen sehen. Sie standen unbeweglich auf der Sohle des Canyons. Die Siedler waren abgesessen und hatten sich neben den Wagen niedergelassen, um ein wenig Schatten zu ergattern. Sie sahen von hier oben aus, als seien sie
schon tot, und jemand hätte die Lei chen nur aufrecht hingesetzt, damit sie lebendig wirkten. Lobo wischte sich den Schweiß aus den Augen und schob die etwas zu langen Haare über die Ohren zurück. Dann kletterte er weiter, gleichzeitig nach oben und zur Seite. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er die Stelle sehen konnte, von der aus die Comanchen die Rauchzeichen gege ben hatten. Er hoffte, daß sie nicht gesehen hatten, wie er sich von den Wagen getrennt hatte. Die Zeit verstrich langsam, aber unaufhaltsam. Lobo schob sich um eine Biegung und prallte zurück. Er hielt unwill kürlich den Atem an und biß sich auf die Lippen. Da waren sie. Sie konn ten ihn nicht sehen, wenn sie nicht gerade nach oben blickten. Sie befanden sich ungefähr sieben Yards unter und zwanzig Yards vor ihm auf einem Plateau, das man von der Sohle des Canyons aus nicht se hen konnte. Mit den Füßen scharrten sie die Asche ihres Feuers auseinan der. Die Decke, mit der sie die Rauch zeichen gegeben hatten, lag noch auf der Erde. Lobo zählte. Bei achtzehn hörte er auf, weil das alle waren, die er sehen konnte. Sie trugen Hosen und hatten nackte Oberkörper. Die Oberkörper waren genauso wie die Gesichter in grellen Farben bemalt. Ihre langen, dunklen Haare schimmerten in der Sonne. Sie hatten keine Pferde bei sich, aber jeder trug ein Gewehr. Keiner von ihnen war in eine Uni form der US Kavallerie gekleidet Entweder hatten sie sie abgelegt, weil sie ihren Zweck erfüllt hatten, oder die Uniformierten gehörten zu dem zweiten Trupp, dem auch die Rauchzeichen gegolten hatten. Lobo fragte sich, ob sie ihre Pferde 41
am Ende des Canyons versteckt hat ten. Er zog sich wieder etwas zurück. Die Comanchen hatten ihn nicht be merkt. Achtzehn, dachte er. Achtzehn zu allem entschlossene Krieger auf ei nem mörderischen Feldzug gegen ei nen Siedlertreck auf dem Weg nach Odessa. Er wagte nicht zu schätzen, wie viele Männer zu dem anderen Trupp gehörten. Wenn das Glück auf ihrer Seite stand, hatten sie schon jetzt gewonnen. Aber vielleicht be stand der zweite Trupp nur aus den Resten der zwanzig Mann, die den Treck angegriffen hatten, und sie hatten noch eine Chance. Eine Chance, dachte Lobo bitter, die vergleichbar der war, in Odessa dem Galgen zu entgehen, wenn ihm nicht bald eine Möglichkeit einfiel, seine Unschuld zu beweisen. Er drehte sich um und wollte vorsichtig zurückklettern. Leise klirrte die Kette an seinem linken Handgelenk. Der rote Staub auf dem Plateau leuchtete grell im Schein der Nach mittagssonne. Der Himmel hatte et was von seinem strahlenden Blau verloren, aber die weiße Hitze war fast noch schlimmer. Etwas verdorr tes Gebüsch warf einen kleinen ge zackten Schatten auf den Rand des Plateaus. Die beiden Comanchen warfen größere, dunklere Schatten. Sie stan den am anderen Rand des Plateaus und warteten, bis Lobo sich von dem Felsen gelöst hatte. Die Gesichter der Comanchen waren ausdruckslos. Kein Triumph, kein höhnisches Grinsen. Ausdruckslos. Sie hatten ihn verfolgt, hatten ihn jetzt gestellt und warteten ab, wie er sich verhal ten würde. „Wie lange seid ihr mir gefolgt?" fragte Lobo. Er erhielt keine Antwort. Da wuß 42
te er, daß sie kämpfen würden. Die beiden Comanchen hielten Gewehre in der Hand. Einer von ihnen trug ein blaues Hemd, das mit einer Kordel zusammengeschnürt war. Der ande re, der auch ein Messer besaß, trug nichts außer Mokassins und einer hellbeigen Hose, wie sie auch sein Begleiter besaß. Das Sonnenlicht blitze auf den Muskeln seines nack ten Oberkörpers. Er war stark, das sah man ihm an, stärker als der andere. Wahrschein lich war er auch dumm und hinterli stig. In jedem Fall würden sie nicht gleichzeitig auf Lobo losgehen. Der mit dem blauen Hemd würde den Anfang setzen. Und natürlich würde ihr Stolz es ihnen verbieten, die Ge wehre zu benutzen - hoffentlich! Nur darin lag seine Chance, das wußte Lobo. Er hob die rechte Hand, so daß der Handteller den beiden Co manchen zugewandt war. Dann griff er vorsichtig mit der Linken nach seinem Colt und zog ihn mit zwei Fingern aus der Halfter. Er warf den Colt an den Rand des Plateaus, wo er schimmernd liegenblieb. Dann ging er in Kampfstellung. Wenn er die beiden Comanchen richtig eingeschätzt hatte, würden sie sich nun ebenfalls ihrer Schuß waffen entledigen. Er verlebte einige qualvolle, an den Nerven zerrende Sekunden in der glühenden Sonne. Dann legten die beiden Comanchen ihre Gewehre nieder. Und aus der gebückten Bewegung griff der mit dem blauen Hemd an, schneller und behender als eine Klapperschlange und ohne warnen des Rasseln. Lobo wußte auf der Stelle, daß die ser Kampf härter werden würde als die meisten, die er in letzter Zeit aus gefochten hatte. Denn diesmal war sein Gegner ein Indianer, kein Wei
ßer. Die Weißen waren gute Kämp fer, aber nur mit der Waffe in der Hand. Wenn es Mann gegen Mann hieß und die bloßen Hände die Waf fen waren, dann konnten sie nur zu schlagen; die meisten waren nicht sehr gelenkig und ermüdeten schnell. Der Comanche mit dem blauen Hemd griff hinter sich, fast noch im Sprung, und hatte plötzlich ein To mahawk in der Hand. Ein stechender Blitz traf Lobos Augen von dem Blatt der Axt. Lobo tänzelte hin und her. In den Augen des Comanchen stand An griffslust. Die Lippen waren leicht geöffnet, als wolle er jeden Augen blick zu zischen beginnen. Mit halb gespreizten Beinen schob er sich auf Lobo zu. Lobo hielt den Atem an. Tödliche Stille herrschte auf dem kleinen Pla teau. Sogar der Wind schien ausge setzt zu haben. Nur das Scharren der Füße auf dem Gestein war zu hören. Und das leichte Atmen der beiden Kämpfer die sich umschlichen. Durch die lähmende Hitze schien es Lobo, als bewegten sie sich in klarem, heißem Wasser. Plötzlich pfiff die Axt durch die Luft. Lobo sprang zurück, er hatte die winzige Veränderung in den Augen des Comanchen gesehen. Nur knapp pfiff die Axt an seinem Ohr vorbei und hätte Lobos Schulter gespalten, wenn er sich nicht mit dem ganzen Oberkörper herumgeworfen hätte. Damit war der Kampf vorbei, denn Lobo reagierte blitzschnell und ent schlossen. Er schwenkte die schwere Handschellenkette. Blitzend be schrieb sie einen Kreis durch die Luft. Dann traf sie den Nacken des Comanchen im blauen Hemd. Der Comanche verdrehte die Au
gen und stürzte zu Boden. Bewe gungslos blieb er liegen. Lobo wandte seine Aufmerksam keit sofort dem zweiten Krieger zu, dem mit dem nackten Oberkörper, der bereits die Arme ausgebreitet hatte, als wolle er Lobo an seine brei te Brust drücken und dort zerquet schen. „Wie heißt du?" fragte Lobo ihn. Sein Atem ging heftiger als vorher, aber er war noch nicht erschöpft. „Schlafende Schlange", antwortet der muskulöse Comanche. Lobo grinste. „Dann wird es Zeit, daß du aufwachst, Schlange", sagte er. Jetzt standen sie sich allein gegen über. Langsam setzte Lobo sich in Bewegung und schritt auf Schlafen de Schlange zu. Seine Stiefel verur sachten fast kein Geräusch auf dem felsigen Grund. Schlafende Schlange erwartete ihn am anderen Ende des Plateaus. Er war ein kräftiger, durchtrainierter Krieger, den das Leben in den Bergen hart gemacht hatte. Der jeden Muskel, jede Sehne in seinem Körper einzusetzen wußte, mit unglaublicher Geschmeidigkeit jeden Vorteil wahrnehmen und dazu mit der berühmten Ausdauer der Comanchen kämpfen würde, bis er tot umfiel. Das alles hatte Lobo bedacht, und dennoch hatte er eins vergessen: Es war die Hinterlist. Fast hätte er deswegen diesen Kampf verloren, bevor er richtig be gonnen hatte. Als Lobo nah genug war, riß Schla fende Schlange einen Batzen Un kraut aus der trockenen Erde und schleuderte ihn Lobo ins Gesicht. Lobo sah etwas Dunkles auf sich zu schießen und schloß instinktiv die Augen und riß die Hände hoch. Das Unkraut traf ihn voll ins Gesicht. Im 43
gleichen Augenblick warf er sich zur Seite und dann mit geschlossenen Augen gegen den Comanchen. Er war immer noch blind von dem Staub, aber er hatte die Ausdünstung der Schlange neben sich gespürt. Der Schwung riß sie beide zu Bo den. Dann spürte Lobo die nervigen Fäuste des Comanchen, die sich um seinen Hals schlossen und zudrück ten, immer fester, immer enger, bis er keine Luft mehr kriegte und seine Kehle zu pochen begann. Er hörte ein Rauschen, das zu ei nem Tosen anschwoll, dem Tosen des Blutes in seinem Kopf, und das hek tische Hämmern seines Herzens. Dann verfärbte sich die Dunkel heit zu einem von Lichtblitzen durchzuckten Firmament. Lobo bäumte sich mit aller verbliebenen Kraft auf und schüttelte Schlafende Schlange ab. Blitzschnell sprang er auf die Beine und wischte sich Ge sicht und Augen sauber. Jetzt standen sie einander wieder gegenüber. Lobo schluckte und ver suchte, den schmerzenden Druck aus seiner Kehle zu vertreiben. Rasselnd schwang die Kette an seinem linken Handgelenk hin und her. Er überleg te, wie er sie am effektivsten einset zen könne, um seinen Gegner zu erle digen. Dann griff Schlafende Schlange wieder an. Sein Körper schimmerte bronzefarben im grellen Schein der Nachmittagssonne, aber in seiner Hand schimmerte noch etwas ande res - silbern und tödlich. Es war die Klinge des Jagdmessers, das er aus dem Gürtel gerissen hatte. Lobos Oberkörper war bereits schweißüberströmt. Schweiß klebte auch zwischen seinen Beinen. Die Hände von Schlafender Schlange waren von seinem Hals abgerutscht, als er sich aufgebäumt hatte. 44
Nun umschlichen die beiden Män ner einander mit halb ausgebreiteten Armen. Jeder war bemüht, das hefti ge Keuchen zu unterdrücken, das aus seiner Kehle drang. Plötzlich warf sich Schlafende Schlange vorwärts, täuschte einen Messerstoß von oben herab vor, än derte ihn aber im letzten Moment in einen Angriff von unten ab. Lobo wußte, daß jeder verloren war, der von einer so gestoßenen Klinge ge troffen wurde. Er reagierte blitzschnell. Seine Hand spannte sich um das Gelenk der Messerhand des Comanchen. Ihre Muskeln traten wie Wurzel stränge hervor, als sie um das Messer rangen. Mit den freien Händen hat ten sie einander um die Hüften ge faßt. Jeder versuchte, den Oberkör per des anderen nach hinten zu drük ken, aber sie rutschten immer wieder ab. Beide legten gleichzeitig alle Kraft in dieses verbissene Ringen, beide brachen gleichzeitig in die Knie und neigten sich mit gegeneinander ge preßten Oberkörpern zur Seite. Dann stürzten sie mit einem plötz lichen Ruck um, rollten übereinan der, bis sie nebeneinanderliegenblie ben, das Messer zwischen sich. Mit einem Aufbäumen letzter Kraft gelang es Lobo, den Messerarm der Schlange gegen sein hochgerisse nes Knie zu schmettern. Die Klinge segelte aufblitzend durch die Luft und verschwand über den Rand des Plateaus. Maßlos erbittert stieß Schlafende Schlange Lobo von sich und sprang auf. Seine Beine zitterten bereits leicht von der Anstrengung. Einen solchen Gegner hatte er nicht erwar tet. Der Kampf trat in seine letzte Pha se. Lobo ließ die Kette an seinem
Handgelenk immer wieder durch die Luft pfeifen und trieb damit den Comanchen vor sich her. Er stolperte und wäre beinahe gestürzt. Schla fende Schlange rammte ihm den Kopf gegen die Brust. Er taumelte rückwärts und prallte mit ausge breiteten Armen rücklings gegen die Felswand. Er schnappte nach Luft. Die Kette klirrte gegen die Steine. Dann stieß er sich wieder vorwärts und packte den Comanchen. Ein erbittertes Rin gen begann zwischen den beiden Männern. Ihre Arme waren ineinan der verschlungen. Immer wieder setzten sie mit den Beinen nach, wir belten einander herum und legten die letzten Kraftreserven in diesen düsteren, verbitterten Kampf. Plötzlich glitt Lobo aus. Schlafen de Schlange schleuderte ihn herum und zwang ihn zu Boden, hämmerte sein Gesicht immer wieder gegen den Fels. Den Mund voller Staub, brach Lobo aus dem Griff aus, schlang sei nen Arm um die glatten Hüften von Schlafende Schlange und warf ihn zu Boden. Damit hatte er gewonnen. Er schwang sich auf den von der Wucht des Falls betäubten Kriegers und versetzte ihm einige harte Schläge mit den Handschellen. Ein Zucken durchlief die Muskeln des Coman chen. Dann lag er bewußtlos unter Lobo. Das Halbblut sank über dem Körper seines Gegners zusammen und pumpte in hektischen Zügen Luft in seinen völlig erschöpften Leib. Erst Minuten später richtete er sich langsam auf, schweißüber strömt und verdreckt und stand leicht schwankend in der Mitte des Plateaus. Nur langsam kehrte die Kraft in seine Arme zurück. Er emp
fand keine Befriedigung über den Sieg, dazu war er noch zu erschöpft. Aber er hatte sich und den Siedlern damit einen Aufschub gewährt - ei nem Aufschub, der das Überleben bedeuten konnte. Er ging zu seinem Single Action Colt, hob ihn auf und steckte ihn zurück in die Halfter. Er hätte nicht schießen können, selbst wenn er ge wollt hätte. Der Lärm des Schusses hätte ihm sämtliche in der Gegend herumstreichenden Comanchen auf den Hals gehetzt. Über die Körper der beiden be wußtlosen Krieger trat er den Rück weg zu den Wagen des Trecks an.
Die Männer und Frauen des Trecks saßen noch immer im Schatten der drei Wagen. Nur Sheriff Sheridan hielt immer wieder Ausschau nach seinem Gefangenen. Artie, sein Bru der, saß etwas abseits und warf stän dig kleine Steinchen nach dem Kran kenwagen. Lobos Rückkehr schreckte sie alle auf. Ihre Gesichter schwankten zwi schen Erleichterung und Besorgnis. Sie bemerkten kaum, wie abgerissen und verkratzt Lobo aussah. „Haben Sie sie gesehen?" fragte Maxwell. „Ja. So nah, daß ich sie berühren konnte." „Wie viele sind es?" „An der Feuerstelle habe ich acht zehn gezählt. Wie viele in der zweiten Gruppe sind, weiß ich nicht." „Sind Sie unterwegs gestürzt?" fragte Sheridan. „Nein. Zwei Comanchen wollten mir den Rückweg abschneiden. Ich mußte sie bewußtlos schlagen." „Du hättest sie abknallen sollen, Halbblut", meldete sich Artie aus sei 45
ner Ecke. „Dann hätten wir keine Minute mehr zu leben gehabt", sagte Lobo. „Außerdem töte ich nur, wenn es sich nicht vermeiden läßt." „Das habe ich gesehen", erwiderte Artie höhnisch. „Du bist ein Killer und bleibst ein Killer. Und weil du mehr Rothaut als Weißer bist, killst du eben die Weißen und läßt die Ro ten leben!" Lobo war einen Moment ernsthaft versucht, Artie Sheridan einfach niederzuknallen, aber dann beherr schte er sich und ignorierte das Ge schwätz. „Sie haben einen Hitzschlag, Ar tie", sagte er nur, ehe er sich abwand te. „Was sollen wir jetzt tun?" fragte Maxwell. „Sie sind der Treckführer", ant wortete Lobo. „Sie entscheiden." „Aber Sie können mir einen Rat geben." „Ich kann es versuchen. Aber das Risiko wird dadurch nicht ausge schaltet." „Natürlich nicht", meinte Maxwell. Lobo wußte, daß es nicht viele Möglichkeiten gab. Und welche er auch vorschlug, sie war zum Besten der Männer, die ihn begleiteten - und die ihn weiter begleiten würden, wenn sie es durch die Reihen der Comanchen schafften. Bis in den Ge richtshof. Vielleicht bis an den Gal gen. „Ich schlage vor, wir fahren weiter, solange es noch hell ist. Bei Tag kön nen wir wenigstens sehen, worauf wir schießen müssen. Es sind acht zehn Comanchen vor uns und eine unbekannte Zahl hinter uns. Wenn jeder, der eine Waffe benutzen kann, dies auch tut, haben wir unsere Chance. Die beste, die unter diesen Umständen möglich ist!" 46
Maxwell nickte. Auch die anderen Siedler schienen einverstanden zu sein. Sogar Artie Sheridan schwieg und machte keine Einwände. Er war blaß. Die Gefahr, in der sie schweb ten und die sie alle das Leben kosten konnte, schien seine ganze Energie zu verlangen, damit er nicht zusam menbrach. „Also los!" kommandierte Curt Maxwell und ging zu seinem Pferd. Der Sheriff sagte zu Lobo: „Ich weiß das zu schätzen, was Sie für uns und diese Menschen tun. Und glau ben Sie mir, ich werde dafür sorgen, daß es vor Gericht eine Rolle spielen wird." Lobo nickte, ohne zu lächeln. Er wußte, daß diese Worte für den She riff einiges bedeuteten. Artie wandte sich abrupt ab und schwang sich in den Sattel. Langsam setzte sich der Treck wieder in Bewegung. Eine der Sied lerfrauen kletterte aus dem Kran kenwagen und redete flüsternd auf Curt Maxwell ein. Maxwell lächelte. Anscheinend ging es der Verwunde ten besser. Der Treckführer warf ei nen langen Blick zu Lobo und dann zu Artie Sheridan herüber, sagte aber nichts. Die drei Wagen rollten den Canyon entlang. Wieder füllten das Schnau ben der Pferde, das Quietschen der Radnaben und das Ächzen des Ge schirrs die schmale Schlucht. Die Sonne hatte sich weiter nach Westen bewegt. Bald würden die Schatten des Nachmittags auf den Weg des Trecks fallen. Lobo setzte sich an die Spitze. Er wußte nicht, ob und wann die Co manchen angreifen würden. Es war ungefähr eine Meile gewesen bis zu der Feuerstelle in der Felswand, aber vielleicht würden die Indianer den Weg des Trecks einige Zeit unsicht
bar begleiten, ehe sie zuschlugen. Nach ungefähr fünfhundert Yards hatte sich noch immer nichts ge rührt. Lobo blickte jetzt ganz offen zu den Felswänden hoch, denn in zwischen waren wahrscheinlich die beiden Comanchen wieder aus ihrer Bewußtlosigkeit erwacht und hatten die anderen darüber informiert, daß sie geortet worden waren. Lobo zügelte sein Pferd und warte te, bis Maxwell aufgeschlossen hatte. Dann sagte er: „Wenn wir angegrif fen werden, wäre es Mord, die Ver wundete weiter in dem Planwagen zu lassen. Sie werden auch von oben schießen, und sie werden auf die Pla nen halten." „Woher wissen Sie, daß es eine Frau ist?" fragte Maxwell. „Tut mir leid", sagte Lobo nur. „Ich wollte Ihnen nicht die Freude an Ih rem Geheimnis verderben. Trotzdem muß sie im Falle eines Angriffs raus und unter den Wagen. Klar?" „Ja." Maxwell wollte umkehren, besann sich dann aber anders. Er schien ei nen Moment zu zögern. Dann gab er sich einen Ruck und fragte: „Diese Frau, die Sie umgebracht haben sol len, Mister Gates ..." „Was ist mit ihr?" fragte Lobo. „Waren Sie es wirklich?" „Nein", sagte Lobo. „Ich war auf ih rer Ranch unweit des Rio Carrera, als es geschah. Wir waren befreun det, Emmylou und ich. Plötzlich ga loppierten vier Männer auf die Ranch und schossen sie nieder. Drei von ihnen habe ich schon erwischt. Artie Sheridan ist der vierte." „Aber warum sollten sie das getan haben?" fragte Maxwell. Es arbeitete in ihm, das war deutlich zu sehen. Lobo fragte sich, warum der Treck führer all das wissen wollte. „Emmylou hatte einen von ihnen
erkannt, als sie eine Postkutsche überfielen, in der sie als Passagierin saß. Der Mann war Artie. Sie fürch teten, sie könne zu Sam Sheridan, Sheriff in Rio Carrera, gehen und Artie entlarven. Sam weiß nämlich bis jetzt noch nicht, was für ein sau beres Früchtchen sein Bruder ist." „Ach, so war das ...", meinte Max well versonnen. Er hatte die Enden seines Schnauzbartes zwischen die Lippen genommen und spuckte plötzlich ei nen dunkelbraunen Fleck Kautabak auf den heißen Felsen, wo er zi schend landete. Die Enden des Schnauzbartes waren bräunlich ge färbt. Seine Augen waren schon vor her keine Sekunde ruhig gewesen.
Genau wie die Lobos flogen sie hin und her, nahmen jeden Felsvor sprung, jedes dürre Gebüsch unter die Lupe. Nichts entging Maxwells Aufmerksamkeit. Manchmal mu sterte er zusätzlich zu den Felswän den noch die Wolken, als sei auch ein Angriff aus dem Himmel nicht aus zuschließen. Aber jetzt trat zu der Aufmerk samkeit seiner Augen noch eine Fra ge auf sein Gesicht. Eine Frage, die er sich selber zu stellen schien. Lobo wußte, daß der Vorgang mit ihm zu tun hatte, aber er schwieg. Er wollte Maxwell nicht beeinflussen. Sie schwitzten, denn der milchige Himmel strahlte Hitze aus wie ein Ziegelstein, der im Feuer gelegen hat, 47
obwohl die Sonne inzwischen hinter einer Wolkenschicht verborgen war. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde es dunkel sein. Von Mi nute zu Minute schien es heißer zu werden. Die Hitze prallte von den Felswänden auf sie nieder. Sie summte in den Ohren. Das Schnau ben der Pferde und das Knarren der Wagen klang noch lauter als sonst. Lobo zog die Winchester aus dem Scabbard und legte sie quer über den Sattel. Der Schweiß kitzelte auf sei ner Stirn und biß in den Augenwin keln. „Irgendwo hier verstecken sich die Hundesöhne", sagte Maxwell und wischte sich die schweißfeuchten Handflächen an den Oberschenkeln ab. „Ja", sagte Lobo. „Irgendwo hier. Man kann sie schon riechen." Er sah Maxwell an. Maxwell erwi derte den Blick. Es war wie ein Fun ke des Vertrauens, der hin und her sprang.
Lobo löste die Hand vom Kolben der Winchester, um sich den Schweiß aus den Augen zu wischen. Die Ab drücke seiner Finger blieben feucht auf dem Holz der Waffe. Es war dieser Moment, in dem Lobo sich mit den Fingern die Nässe aus den Augen rieb, den die Coman chen benutzten, um zuzuschlagen. Curt Maxwell hatte sich anschei nend endlich dazu durchgerungen, zu sagen, was er auf den Herzen hat te. „Ich ...", begann er. Es blieb bei diesem einen Wort. Lobo hörte seinen Hengst schnau ben, und ein Alarmsignal zuckte durch seinen Kopf. Da aber war es schon zu spät. Er hörte das scharfe 48
Sirren eines brennenden Pfeils, der durch die Luft schnellte, und dann das Plopp, mit dem er sich in die Pla ne des ersten Wagens bohrte. „Kümmern Sie sich um die Kran ke!" brüllte Lobo Maxwell zu. Die Comanchen hatten sich halb in den sandigen Boden gegraben und mit Gebüschfetzen getarnt. Plötzlich sprangen sie auf und waren überall. Sie kauerten hinter den Felsen, und ein rascher Blick nach oben zeigte Lobo, daß auch dort welche waren. In der Ferne hörte er Hufgetrappel. Also näherten sich zu allem Über fluß auch noch zu Pferd ein paar Co manchen. Lobo riß die Winchester hoch und schwenkte sie herum. Er schoß aus dem Sattel. Er schoß, ohne sich zu ducken oder auf andere Weise in Deckung zu gehen. Er jagte Schuß um Schuß mit der Geschwindigkeit eines Kunstschützen aus dem feu erspeienden Lauf. Dabei versuchte er, den Überblick über den ganzen Kampfplatz nicht zu verlieren. Er sah Curt Maxwell, dessen Pferd sich auf die Hinterläufe gerichtet hatte. Der Treckführer feuerte aus zwei Colts auf die An greifer. Das Mündungsfeuer seiner Waffen glich fahlen Blitzen, denn die scheuenden Pferde wirbelten den tonfarbenen Sand auf. Einer der Männer des Trecks hing bereits verwundet auf dem Rücken seines Pferdes. Sheridan, der Sheriff, und sein Bruder saßen vornüberge beugt auf ihren Pferden, die im Kreis herumtänzelten. Immer wieder quoll weißer Rauch aus den Mündungen ihrer Colts. Mit zusammengekniffe nen Augen schossen sie auf alles, was sich bewegte. Unter den Schüssen und dem schrillen Wiehern der Pferde hörte Lobo Frauen und Kinder weinen.
Plötzlich waren die Reiter da. Sie donnerten den Canyon entlang auf die Wagen zu. Lobo nahm den ersten Mann aufs Korn. Lobo hörte seinen Namen. Er wir belte herum und sah einen Coman chen auf sich zulaufen. Auf dem breitrandigen Hut des Indianers funkelten Münzen matt im trüben Licht. Es war ein Mann, den er vor her nicht gesehen hatte. Er war wohl bei den Reitern gewesen. Lange, zot telige Haare hingen ihm in das schmale Gesicht, das von stechenden Augen und einem breiten Mund be herrscht wurde. Lobo riß den Kolben der Winchester an die Schulter, stieß den Repetier bügel vor und schoß. Es war sein Vorteil, daß ein Gewehr die größere Reichweite hat. Noch ein paar Yards, und der Comanche hätte in aller Ruhe die Trommel seines langläufi gen Revolvers auf ihn leeren können. Der Comanche starb im Staub, den die Pferdehufe über seinen Kopf hinwegwirbelten. Lobos Kugel hatte ihn wenige Inches vor der Stelle ge stoppt, von der aus er ein freies Schußfeld gehabt hätte. Lobo sicherte blitzschnell in die Richtungen, aus denen er die näch sten Attacken erwartete. Gleichzei tig versuchte er, Curt Maxwell zu entdecken. Hoffentlich hatte sich der Treckführer der Verwundeten ange nommen. „Maxwell!" brüllte Lobo. In der Nähe ratterte ein Single Ac tion Colt los. Der Mann, der seinen Finger am Drücker hatte, verstand sein Handwerk. Artie Sheridan! Dann hatte Lobo den Treckführer entdeckt. Er saß immer noch auf sei nem Pferd und feuerte aus beiden Colts auf die Comanchen. Mit den Daumen klappte er die Hähne zurück, mit dem Zeigefinger drückte
er ab. Er nickte Lobo zu. Aber Maxwell war nicht der einzi ge gewesen, der Lobos Schrei gehört hatte. Während der Treckführer sich zu dem Halbblut vorzuarbeiten ver suchte, stürzten zwei Comanchen auf Lobo zu. Sie waren schon so nah, daß ihm keine Zeit mehr blieb, das Ge wehr anzulegen. Er schoß aus der Hüfte. Die Win chester ruckte zweimal scharf in sei nen Händen, die Mündungsflammen leckten auf die Angreifer zu. Die bei den Comanchen blieben stehen, als hätte sich eine Mauer vor ihnen er
hoben. Dann fielen sie, jeder in eine andere Richtung. Lobo feuerte eine dritte Kugel ab und ließ den Repetierbügel vorflie gen, um eine vierte hinterherzu schicken. Dann aber ließ sich der Bü gel nicht mehr zurückbewegen. Er klemmte. Lobo stieß ihn noch einmal ganz vor, aber auch diesmal ließ er sich nicht zurückbewegen. Lobo warf die Winchester zur Sei te. Er atmete heftig. Seine Hände schmerzten. Die Kugeln rissen rings um ihn feinen Steinstaub aus den Wänden des Canyons. Querschläger sirrten mörderisch wie bleierne Hor nissen hin und her. 49
Ein grell bemalter Comanche tauchte aus dem Staub direkt vor Lobo auf. Lobo riß den Army Colt aus der Halfter, aber ehe er ihn in Anschlag gebracht hatte, war der Comanche schon bei ihm. In diesem Moment sprengte Curt Maxwell heran. Er wollte Lobo zur Hilfe eilen und den Indianer über den Haufen reiten. Der Comanche schien einen Augenblick im Zweifel zu sein, welchem Gegner er sich zu erst zuwenden solle. Unsicherheit breitete sich auf seinem grell bemal ten Gesicht aus. Dann war Maxwell über ihm und feuerte aus nächster Nähe auf den Indianer. Und dann war plötzlich alles vor bei. Erstaunt hörte Lobo, daß keine Schüsse mehr fielen. Der Comanche lag tot zu seinen Füßen. Der Staub lichtete sich und wallte zu beiden Seiten in den Canyon davon. Nur die Toten lagen noch auf der Sohle der Schlucht. In der Ferne verklang das Hufge trappel der Indianer. Die weißen Verteidiger des Trecks schauten sich verwundert an. Dreck und Schweiß verklebte ihre Gesichter. Stille herrschte. Jemand weinte. „Mein Gott", sagte Maxwell. „Glauben Sie, daß alles vorbei ist?" fragte ein Mann Lobo. Lobo schüttelte den Kopf. „Nein." „Seht nach den Verletzten", ord nete Maxwell an. Lobo hatte rasch festgestellt, daß weder Sam noch Artie Sheridan bei dem Überfall etwas passiert war. Zwei Männer schienen tot zu sein. Eine Frau und ein Kind ebenfalls. Der erste Planwagen war bis auf die Achsen niedergebrannt. „Mein Gott", sagte Maxwell noch einmal. „Sie glauben wirklich, sie greifen noch einmal an?" 50
„Ja", sagte Lobo. „Was wollen diese Bestien nur von uns?" „Unsere Leben. Jedes einzelne." Lobo griff seine Winchester, die auf der Erde lag, und untersuchte die Ladehemmung.
Sie warteten. Es wurde langsam dunkel. Die Sonne ging unter, ohne noch einmal hinter den Wolken hervorzutreten. Auf Lobos Anordnung hin hatten die Überlebenden des zweiten An griffs die drei Wagen so gegen eine der Felswände gerückt, daß sie nach drei Seiten hin geschützt waren. Die vierte Seite war die Felswand. Innerhalb der drei Wagen kauer ten sich Frauen und Kinder an der Felswand. Die Männer hockten schußbereit hinter den Wagen und warteten. Maxwell hatte persönlich dafür gesorgt, daß die Verwundete aus dem Wagen gehoben wurde. Sie lag auf einer Bahre. Sie war an mehre ren Stellen mit Verbänden bedeckt. Auch ihr Gesicht war hinter einer weißen Maske verborgen. „Sie hat lange in der Sonne gele gen", sagte Maxwell zur Erklärung. „Sie hat schwere Verbrennungen er litten." „Wie lange liegt sie schon dar unter?" fragte Lobo. Beim Klang sei ner Stimme bewegte sich die Ver wundete. „Sie ist bald wieder gesund", ant wortete Maxwell ausweichend. „Zu mindest teilweise." Dann wurde die Bahre auf die Erde gelegt, dicht an die Felswand, wo Maxwell sie für besonders geschützt hielt. Die Kranke schien sich bewegen
und aufstehen zu wollen, aber der Treckführer beugte sich über sie, flüsterte ihr etwas ins Ohr und drückte sie auf die Bahre zurück. Lobo fand es eine merkwürdige Szene, aber letztendlich ging sie ihn nichts an, deswegen schwieg er. Artie Sheridan lehnte an der Bock bank eines der Planwagen und hielt eine Winchester in beiden Händen. Er schien schon wieder nahe dran zu sein, eine Bemerkung über Lobo ab zugeben, hielt sich dann aber doch zurück. Lobo spürte, daß er Angst hatte. Angst nicht nur vor den Comanchen, sondern davor, daß vor dem Gericht die Wahrheit enthüllt werden und sein Bruder die Schat tenseite von Artie Sheridans Dasein erblicken könne. Der Sheriff selber lag hinter dem verkohlten Planwagen auf dem Bauch, ebenfalls mit einem Gewehr bewaffnet. Er hatte den Kopf zurückgewandt, als wolle er etwas sagen, ließ seine Blicke dann aber doch nur zwischen Artie und Lobo hin und her wandern. Anscheinend hatte er angefangen nachzudenken und Vergleiche anzustellen. Auch das mußte Artie Angst einjagen. Lobo trat an den ersten Wagen heran, setzte einen Fuß auf die zu Boden hängende Deichsel und blick te in die Richtung, in die die Com an chen verschwunden waren. Dann blickte er nach oben, die Wände des Canyons hinauf. Auch die Coman chen, die dort gesessen hatten, waren verschwunden. Es wurde immer dunkler. Schwar ze Schatten krochen aus den beiden Öffnungen des Canyons auf die Wa gen zu. Der Wind hatte wieder zu we hen begonnen, und es war, als triebe er die Finsternis vor sich her. Lobo war sicher, daß die Indianer nicht bis zum Morgengrauen warten
würden. Diesmal würden sie sich des Schutzes der Dunkelheit bedienen. „Sheriff, begleiten Sie mich?" frag te Lobo. „Wohin wollen Sie?" fragte der Sheriff mißtrauisch. „Ich möchte ein paar Feuer anzün den", antwortete Lobo. „Das können wir doch auch hier tun", sagte der Sheriff begriffsstut zig. „Wenn wir hier innerhalb der Wa gen ein Feuer anzünden, geben wir davor blendende Zielscheiben ab", erklärte Lobo. „Wenn wir sie hin gegen auf der anderen Seite und in beiden Richtungen ein Stück in den Canyon hinein anzünden, beleuchten sie die Comanchen, wenn sie anrük ken." „Lassen Sie den Sheriff hier, Mi ster Gates. Ich gehe mit", schaltete Maxwell sich ein. Lobo hatte das Gefühl, daß der Treckführer ihm etwas mitteilen wolle - vielleicht dasselbe, wobei er durch den Angriff der Comanchen unterbrochen worden war. „Okay, kommen Sie, Maxwell. Wir müssen uns beeilen!" Lobo und der Treckführer stiegen über die Deichseln der Wagen. Die Pferde befanden sich ebenfalls im Inneren des Karrees. Die beiden Männer ließen die Gewehre zurück, damit sie die Hände frei hatten, um genügend Holz zusammenzuhäufen. „Gehen Sie rechts hin, ich fange links an", sagte Lobo. Maxwell gehorchte.. Sie würden sich in der Mitte treffen, wenn sie das letzte Feuer direkt gegenüber der kleinen Befestigung auf der anderen Seite des Canyons anzündeten. Lobo ging schnell, aber nicht un vorsichtig zu Werk. Es war noch nicht so dunkel wie in tiefer Nacht, aber das Zwielicht reichte aus, einen 51
Maxwell ächzte und hob einen Schatten in Bewegung sehen zu las sen, wo kein Leben war. Er mußte Armvoll Laub auf. Jetzt hatten sie zweimal hinschauen, ehe er sicher auch für dieses Feuer genug. war. Er suchte trockenes, dürres „Darum geht es nicht", sagte er. „Es Holz zusammen, wovon es auf der geht um die Frau." Sohle des Canyons genug gab. Es war Lobo riß ein weiteres Schwefelholz im Laufe der Zeit von den Felswän an und hielt es an den schon ansehn den gefallen und liegengeblieben. lich hohen Stapel. Er sah Maxwell, ungefähr vierzig „Welche Frau?" fragte er. Yards entfernt, dasselbe tun. Leider Die Flammen fraßen sich züngelnd gab es nicht genug dicke Äste, die sie von einem Ast zum nächsten. gebraucht hätten, um ein längeres, „Die Frau, die wir ..." stetiger brennendes Feuer zu unter Maxwell sprach nicht weiter. Lobo halten. Aber sie mußten nehmen, blickte auf. Er sah Maxwell an, dann was sich bot. Als Lobo fertig war, folgte er dem Blick des Treckführers hielt er ein Schwefelholz an den und brüllte: „Achtung! Sie kommen Haufen und wartete, bis die ersten zurück!" Flämmchen züngelten. Lobo stieß den Treckführer, der Dann blickte er zur anderen Seite immer noch vor Entsetzen wie er und sah, daß der Treckführer eben starrt war, vor sich her auf die Wa falls soweit war. Er ging zu der Stel gen zu. Maxwell stolperte. Lobo riß le, wo er das dritte Feuer haben woll ihn hoch. Dann packte er sein linkes te. Maxwell ging ihm entgegen. In Handgelenk und zerrte ihn hinter ihren Rücken warfen die beiden sich her. Feuer bereits einen hellen, rötlichen Die Comanchen hatten die Hufe Schein. ihrer Pferde mit Lappen umwickelt. Sie bückten sich und begannen Aber jetzt waren sie so nah, daß das auch hier das herumliegende Geäst dumpfe Trommeln der Hufe das aufzuklauben. Lobo schwitzte leicht. Trommelfell vibrieren ließ. Fast wa Er nahm an, daß sie bereits wieder ren sie schon im Einzugsbereich des beobachtet wurden und rechnete je linken Feuers. den Augenblick mit einer Kugel in den Rücken. „Was wollten Sie mir sagen, Max well?" fragte er gebückt. Wenig später war die Hölle los. „Etwas, das die anderen nicht hö Lobo stieß Maxwell über die ren sollten", antwortete der Treck Deichsel und sprang selber hinter führer. Auch er stand gebückt. Sie her. Er stürzte. Noch im Fallen riß er warfen ein paar Äste auf einen Hau den Army Colt heraus. Dicht neben fen. ihm eröffnete einer der Siedler das „Was?" Feuer auf die Comanchen. Die India Knackend stießen die Äste inein ner galoppierten an den drei Wagen ander. Maxwell blickte zu den drei vorbei und wieder zurück. Der Sied Wagen hinüber. „Ich glaube Ihnen ler war ein guter Schütze, aber es ist Ihre Geschichte. Ich glaube Ihnen nicht leicht ein bewegliches Ziel zu sogar, daß Artie Sheridan der Mör treffen. der war." Inzwischen erfüllte Dunkelheit den Canyon. Es war Nacht gewor „Danke", sagte Lobo. 52
den. Allein die drei Feuer sorgten für Licht. Vor den zuckenden Flammen bildeten die Indianer gute Ziele, selbst wenn sie sich rasch hin und her bewegten. Die drei Wagen waren so zusam mengestellt, daß ihre Pferde den Co manchen nichts nützten. Deswegen saß ein Teil von ihnen ab, während die anderen laut schreiend zwischen den beiden Schützenlinien herumga loppierten. Lobo fragte sich, ob sie Feuerwasser getrunken hatten. Sie feuerten aus allen Rohren, aber die meisten Schüsse hämmerten in das Holz der Wagen oder rissen kleine Steinchen aus der Felswand. „Okay, zeigen wir's ihnen!" rief Lobo und ließ seinen Colt aufbellen. Maxwell neben ihm richtete sich halb auf, eine Winchester in der Hand und jagte Schuß auf Schuß unter die Angreifer. Die Eingeschlossenen hinter den drei Wagen entfesselten die Hölle für die angreifenden Comanchen. Schuß auf Schuß verließ ihre Läufe. Immer wieder wurde die Dunkelheit von dem Blitzgewitter der Salven aus den Siedlergewehren zerrissen. Und jeder Blitz bedeutete einen Toten. Bedeutete einen Schrei und einen Comanchen weniger. „Wir schaffen es nie!" brüllte Artie Sheridan plötzlich verzweifelt. Er hatte recht. Die Schüsse der Co manchen waren jetzt besser gezielt und saßen immer näher. Die abge sessenen Comanchen arbeiteten sich langsam aber sicher auf die Wagen zu. Es war ein gespenstischer, angst einjagender Anblick. Artie Sheridan lag einige Yards weiter rechts von Lobo. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und seine Hän de waren schwarz von verschosse nem Pulver. Er murmelte leise vor sich hin. Fast hatte er nichts Mensch
liches mehr an sich. Das Haar hing ihm in Strähnen ins Gesicht. Er fluchte wie ein irischer Postkut schenfahrer. „Wir schaffen es nicht!" brüllte er noch einmal, den Tränen nah. „Wir müssen uns ergeben!" „Mein Gott, sind Sie verrückt? Hal ten Sie das Maul!" brüllte Lobo ihn nun seinerseits an. Gleichzeitig holte er mit einem gezielten Schuß einen Angreifer aus dem Sattel, der mit angelegtem Gewehr auf den nieder gebrannten Wagen losgaloppiert war. „Nein, er hat recht!" schrie jetzt ein anderer der Siedler. Lobo faßte ihn scharf ins Auge. Es war ein noch recht junger Mann mit großen ver ängstigten Augen. „Wenn du gehen willst, geh, Pat O'Brien!" brüllte Maxwell. „Aber sprich nicht darüber!" „Es ist Wahnsinn, Sie schaffen es nicht!" rief Lobo, aber keine Macht der Welt hätte den jungen Mann zurückhalten können. Artie Sheri dan blickte ihn einen Augenblick zweifelnd an, entschied sich dann aber doch fürs Bleiben. Inmitten der jaulenden Querschlä ger, die den Staubschleier durchfetz ten, schwang sich Pat O'Brien in den Sattel seines völlig verängstigten Pferdes. Einen Moment lang saß er hoch aufgerichtet wie eine dunkle Statue auf dem nervös tänzelnden Tier. Dann sank er vornüber und hieb dem Hengst die Absätze in die Flanken. Gleichzeitig riß er das Tier auf die Hinterhand hoch. Der Hengst schien vom Boden ab zuheben und sprang dann zwischen Lobo und Maxwell über die Deichsel des heruntergebrannten Wagens. Lobo warf sich in letzter Sekunde zur Seite, sonst wäre er von den wild 53
keilenden Hufen getroffen worden. O'Brien donnerte in die Nacht hin aus, mitten unter die Comanchen. Ei ner der Indianer richtete sich auf, wurde von der Pferdebrust erfaßt und beiseite geschleudert. Ein anderer sprang auf, sobald O'Brien vorbei war und zielte sorg fältig, ehe er schoß. Dann jagte er drei Kugeln hinter O'Brien her. Selbst in der Dunkel heit, beim zuckenden Schein der drei Feuer, konnte Lobo die Kugeln ein schlagen sehen. Drei schwarze Flek ke waren plötzlich auf O'Briens wei ßem Hemdrücken. Er breitete die Arme aus, dann rutschte er aus dem Sattel und schlug schwer auf dem harten, trockenen Boden auf. Lobo sprang auf, zielte kurz und feuerte zwei Schüsse auf den Co manchen ab. Der Mann wurde her umgerissen und stürzte. Er hatte sein Opfer nicht lange überlebt. Einem der Indianer war es inzwi schen gelungen, sich den Wagen zu nähern. Grell bemalt, wuchs er plötzlich vor Lobo aus der Dunkel heit. Er hielt ein Gewehr in der Hand, dessen Lauf auf Lobo zielte. Maxwell brauchte keine Sekunde, um sich auf den Rücken zu rollen und die Winchester in Anschlag zu bringen. Noch ehe der Comanche den Finger krümmen konnte, um Lobo abzuknallen, verließ eine flammende Feuerzunge den Lauf von Maxwells Winchester. Der Comanche stieß ei nen schrillen Schrei aus. Das Gewehr entfiel seinen muskulösen Armen, und er brach zusammen. Lobo ließ sich wieder fallen. „Danke", preßte er zwischen den Zähnen hervor. „Nichts für ungut, Mister Gates", erwiderte Maxwell. Immer wieder galoppierten die Co manchen zu Pferd an den Wagen 54
vorbei. Einige der Pferde innerhalb des Wagenkarrees, eine Frau und ein Mann waren bereits getroffen wor den. Auch die abgesprungenen In dianer ließen nicht locker. Sie beleg ten die Verteidiger mit genau geziel tem Sperrfeuer. „Wieviel Munition haben wir noch?" fragte Lobo. Er wischte sich mit dem Handrücken über die trok kenen Lippen. Er hatte einen bitte ren Geschmack im Mund. „Genug, daß jeder von uns sich eine Kugel in den Kopf jagen kann, bevor sie uns skalpieren", sagte Maxwell. Lobo feuerte eine letzte Kugel ab, dann ging er daran, die Trommel des Army Colts neu zu laden. Sie hatten einige Comanchen aus dem Sattel geholt und auch von den schon Abge sessenen ein paar erwischt. Aber im mer noch standen ihnen eine Über macht gegenüber. Eine Übermacht zu allem entschlossener Indianer, die kein Pardon kannten. Plötzlich war es unwichtig, daß er des Mordes verdächtigt wurde. Er würde nie vor ein Gericht gestellt werden und eine Verhandlung erle ben. Einfach weil es keine Ankläger mehr geben würde. Keine Ankläger und keine wirklichen oder falschen Schuldigen. Es würde nur Tote geben. Ausge blutete Leichname in einer Todes schlucht zwischen Rio Carrera und Odessa. Die Pferde innerhalb des Wagen karrees wieherten und standen im Begriff sich loszureißen. Einige der Frauen schrien. Die Kinder hatten zu weinen begonnen. Jemand hielt die Verwundete unten, die sich aufrich ten wollte. Lobo schlug die Trommel wieder in den Rahmen und sprang auf. Ste hend feuerte er Schuß um Schuß hinaus. Sein Handteller fächerte
über den Hahn des Single Action Colts. Die Mündungsflammen ver schmolzen zu einem einzigen Feuer strahl. Mit auseinandergerissenen Lippen und gefletschten Zähnen, das Gesicht dreckig und verschwitzt, hämmerte Lobo alles Blei hinaus, das er noch besaß. Danach... Plötzlich hörte er ein Geräusch, das weder Schuß noch Schrei war. Ein Geräusch, das ihm einen eiskal ten Schauer den Rücken hinunter laufen ließ, denn auch plötzliches, unerwartetes Glück kann einen er schrecken. Das Geräusch war noch einige Biegungen entfernt, aber die Wände des Canyons leiteten und ver stärkten es. Dann erklang es wieder und wie der, in immer kürzeren Abständen und immer lauter. Es war das Signal einer Trompete. Einen Moment lang glaubte Lobo selbst da noch, einer Sinnestäu schung zum Opfer gefallen zu sein. Er wäre nicht der erste Mann gewe sen, dem dies in seiner letzten Stunde passierte. Aber er nahm das ungläu bige Staunen auf den Gesichtern der anderen wahr und sah, wie sie zu schießen vergaßen. Da wußte er, daß er sich nicht verhört hatte. Auch den Indianern waren die Trompetensignale nicht entgangen. Verwirrt schrien sie durcheinander, rissen die Pferde herum, ohne zu wissen, ob sie in die Richtung, aus der die Signale erklungen waren, an greifen oder in die entgegengesetzte fliehen sollten. Wenig später war das Trommeln der Hufe auf der Talsohle zu hören. Das Trompetensignal klang jetzt heller und schärfer. Die Verteidiger der Wagen sprangen auf. Einer schwenkte seinen Hut. „Die Kavallerie!" brüllte er. „Die
Kavallerie!" In diesem Augenblick traf ihn eine Kugel, und er brach tot zusammen. Er war der letzte Tote des Coman chenangriffs auf den Siedlertreck. Die Soldaten tauchten plötzlich hinter der nächsten Biegung auf. Der Feuerschein fiel auf ihre blauen Uni formen mit den gelben Rangabzei chen und Hosenträgern. Der Leut nant an der Spitze hielt in der rech ten Hand den gezogenen Säbel, in der linken einen Army Colt. Die Flam men warfen eine glühende Leiste auf die Klinge des Kavalleriesäbels. Gleich hinter ihm ritt der Trompe ter, der gleichzeitig die Flagge hielt. Immer mehr Kavalleristen don nerten um die Biegung. Lobo hatte schon mehr als zwanzig gezählt, und trotzdem folgten immer noch mehr. Die Comanchen sprangen auf ihre Pferde und gaben ihnen die Fersen zu spüren. Binnen weniger Minuten war der Spuk vorbei. Die Indianer galoppierten in Richtung auf die große Ebene davon, und die Soldaten nahmen die Verfolgung auf. „Das war Rettung in letzter Minu te", sagte Maxwell. Lobo sagte nichts, aber er dachte dasselbe. Er sah sich um. Die Flam men der langsam niederbrennenden Feuer beleuchteten die Toten und die Verwundeten. Selbst die Überleben den, denen nichts geschehen war, sa hen halbtot aus. Artie Sheridan und der Sheriff ge hörten zu diesen Überlebenden. Maxwell sah den Blick, den Lobo ih nen zuwarf. Er sagte: „Wenn es sie erwischt hätte - wir hätten Sie lau fen gelassen." Lobo zuckte nur müde mit den Schultern.
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Eine halbe Stunde später kehrten gen Zelte auf und zündeten Feuer an. die Soldaten zurück. Die Siedler hat „Ich möchte Sie bitten, heute nacht ten die Leichen zusammengetragen Gäste der US Kavallerie zu sein", und die Wagen auseinandergefah sagte der Leutnant förmlich. „Bei ren. Die Verwundeten waren ver Morgengrauen brechen wir dann bunden worden. auf." Curt Maxwell begrüßte den Leut Er streifte Lobo mit einem kurzen nant, der das Kommando der Ret Blick, war aber offensichtlich zu gut tungsaktion geführt hatte. erzogen, um Fragen nach dem Grund Der junge Offizier saß ab und salu seiner Anwesenheit zu stellen. Ein tierte. Die wilde texanische Umge Blick auf Lobos linkes Handgelenk, bung hatte den West-Point-Schliff an dem immer noch die Handschel noch nicht ganz abgetragen. len baumelten, hatten ihm die Ant „Eine halbe Stunde später, und Sie wort gegeben. Schließlich erzählten hätten nur noch Leichen vorgefun sie eine ganze Geschichte - sie und der abgekämpfte Zustand, in dem den, Leutnant", sagte Maxwell. „Sobald wir die Schüsse hörten, Lobo sich befand. haben wir alles aus den Tieren her „Wir haben eine kranke junge ausgeholt", sagte der Leutnant fast Frau bei uns", sagte Maxwell. „Dür entschuldigend. Er blickte sich um. fen wir sie in einem Ihrer Zelte „Mein Gott, es sieht schlimm aus unterbringen, Leutnant?" hier." „Selbstverständlich. Meine Män „Ja. Aber es hätte noch schlimmer ner werden Ihnen helfen." Er wandte sich ab und ging auf die aussehen können - ohne euch Jun andere Seite des Canyons, wo seine gens!" „Wem sagen Sie das? Wir haben die Männer das Lager vorbereiteten. Leichen unserer Kameraden außer halb des Canyons gefunden. Wir wa ren aufgebrochen, vom Fort, weil sie nicht zurückgekehrt waren, von ei Langsam erholte Lobo sich von den nem ganz normalen Patrouillenritt." Strapazen des Tages. Er hatte mit „Wir haben die Schüsse gehört", den anderen gegessen und getrunken und sich notdürftig gesäubert. Die sagte Maxwell. „Gestern." Jetzt gesellte sich auch Sheriff Siedler saßen mit den Soldaten an Sheridan zu ihnen. Er sah erschöpft den Feuern, aber diesmal wurden keine Lieder gesungen. Ein junger aus. „Werden Sie uns nach Odessa be Kavallerist zupfte nur ein paar me lancholische Akkorde auf einer Gi gleiten, Leutnant?" fragte er. Der Offizier nickte. „Das ist das tarre, die in einem der Planwagen wenigste, was ich für Sie tun kann. gelegen und nun keinen Besitzer Haben Sie dort etwas besonderes zu mehr hatte. erledigen." Artie Sheridan war schweigsam „Ja. Ich muß einen Gefangenen ab geworden. Er wußte genau wie Lobo, liefern." daß die Entscheidung noch ausstand. Der Leutnant nickte, ohne weitere Der Sheriff hatte Lobo nicht wieder Fragen zu stellen. Seine Männer hat gefesselt, nachdem Maxwell ihn bei ten angefangen, eine Grube für die seite genommen und ihm etwas er Leichen auszuheben. Andere schlu zählt hatte, was niemand mithören 56
konnte. Zum erstenmal seit einigen Stun den dachte Lobo wieder an Emmy lou. Die Erinnerung an sie war wäh rend des Tages verblaßt, trat nun aber wieder gestochen scharf vor sein inneres Auge. Er dachte auch an Odessa und an den Galgen, der ihm drohte. Artie Sheridan blickte immer wie der zu dem Zelt hinüber, in dem die verwundete Frau mit dem verhüll ten Gesicht, das die Sonne verbrannt hatte, lag. Irgend etwas an dem Geheimnis um diese Person ließ ihn genauso wenig los wie Lobo. Sam, der Sheriff, streifte seinen Bruder immer wieder mit langen Seitenblicken, die erkennen ließen, daß er sich über etwas klar zu wer den versuchte. Etwas verstohlener nahm er auch Lobo fortwährend unter die Lupe. Plötzlich stand Curt Maxwell auf und sagte: „Ich schlage vor, wir ge hen jetzt alle schlafen. Die Nacht ist schon weit fortgeschritten, und mor gen wird kein leichter Tag sein." „Schwerer als der heutige kann er nicht werden", sagte einer der Sied ler. Er erntete Gelächter. Langsam erholten sie sich von dem Schock des Comanchenüberfalls. „Glauben Sie, daß wir es morgen bis Odessa schaffen?" fragte Sheriff Sheridan Maxwell. Der Treckführer gab die Frage an den Leutnant der Kavallerieeinheit weiter. „Vielleicht", sagte der Leutnant. „Aber die Wagen sind zu langsam. Wenn wir die Zugpferde nicht über fordern wollen, müssen wir zwei Tage rechnen." Also noch zwei Tage. Zwei Tage bis zum Bezirksgefängnis. Zwei Tage, um seine Unschuld zu beweisen und
den wahren Mörder zu überführen. Lobo sah Artie Sheridan an. Der Kil ler blickte zurück. In seinen Augen stand Hohn. Er wußte ebenso wie Lobo, daß es fast unmöglich war. „Danke, Leutnant. Gute Nacht." „Gute Nacht, Sir." Die Siedler gingen auf ihre Seite des Canyons, wo die drei Wagen standen. Die Soldaten blieben auf der anderen Seite bei ihren Feuern und Zelten. Auch die Verwundete blieb bei ihnen. Lobo ging mit den Siedlern hin über, die beiden Sheridans ebenfalls. Die Soldaten rollten sich in ihre Dek ken. Aus Rücksicht auf die Siedler verzichteten sie dabei auf jeden mili tärischen Lärm. Maxwell und die ihm Anvertrau ten legten sich in und unter die Wa gen. Lobo rückte Sich seinen Sattel zurecht und bettete den Kopf darauf. Die Feuer erloschen langsam. Vom Himmel war nur ein Streifen zu se hen, blau mit kleinen weißen Punk ten. Der Mond selber war unsichtbar, aber eine der beiden Felswände trug einen milchigen Schimmer von sei nem Licht. Lobo schlief ein, nachdem er sich vergewissert hatte, daß sein Army Colt geladen in der Halfter an seiner Hüfte steckte. Die Handschelle an seinem linken Handgelenk klirrte leise. Aus irgendeinem Grund hatte sich der Sheriff nicht dazu entschlie ßen können, sie ihm ganz abzuneh men. Es wäre ihm wohl wie ein vor zeitiger Freispruch erschienen. Er hatte die beiden Gelenke aber auch nicht wieder miteinander ver bunden, wahrscheinlich auf Max wells Bitten hin. Das Klirren verfolgte Lobo bis in seine Träume.
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Als Artie Sheridan sich leise auf richtete, waren die Feuer gänzlich erloschen. Nur die Glut schwelte noch rosig unter einer Haube weißer Asche. Er hatte sich schlafend gestellt. Nachdem alle sich zur Ruhe begeben hatten, war sein ganzes Bemühen darauf hingelaufen, wachzubleiben. Er hatte sich die Fingernagelspitzen in die Handballen gegraben, um nicht einzuschlafen, obwohl auch er am Rand der Erschöpfung dahintau melte. Immerhin waren alle so müde ge wesen, daß es nur kurze Zeit gedau ert hatte, bis sie in tiefem Schlaf la gen. Sheridan hatte noch eine Drei viertelstunde dazugegeben, um völ lig sicher zu gehen. Diese Dreiviertelstunde war jetzt um. Der Mond war nicht zu sehen, aber sein Schein fiel fast bis in die Schlucht hinunter, so daß Sheridan die Silhouetten der Schlafenden deutlich erkennen konnte. Schwarze Balken auf dem hellen Untergrund. Der Offizier der Kavallerie hatte Wachen aufgestellt, aber so weit in beide Richtungen den Canyon hin unter, daß sie nicht mehr sehen konnten, was im Lager selbst vor ging. Leise stand er auf. Er war jetzt tatsächlich hellwach. Er wußte, daß er mit der Gefahr spielte, aber er hatte einen furchtba ren Verdacht, und er mußte sich Ge wißheit verschaffen. Als er die er sten Schritte in seinen weichen Le derstiefeln getan hatte, blieb er ste hen und blickte sich um. Er beobachtete mehrere Sekunden lang die beiden Männer, vor denen er sich im Augenblick am meisten in acht nehmen mußte - seinen Bruder und Lobo. Aber beide lagen in ihre 58
Decken eingewickelt und rührten sich nicht. Artie Sheridan grinste verächtlich und ging dann weiter, hinüber zur anderen Seite des Canyons. Er war ihnen über, ihnen allen - und diesem mordenden Halbwilden sowie sei nem vertrottelten Bruder besonders. Er spielte sie gegeneinander aus und kassierte am Ende den Gewinn. So hatte er es immer getan, und so wür de es auch diesmal sein. In welchem der Zelte lag noch ein mal die Verwundete? Er durfte nicht aus Versehen in das falsche gehen und dem Leutnant das Kopfkissen vom Gesicht reißen. Er dachte genau nach und wußte dann, daß es das lin ke gewesen war. Jetzt trat er zwischen die schmalen Körper der jungen, schlafenden Sol daten. Er hielt unwillkürlich den Atem an. Wenn einer von ihnen wach wurde und nervös um sich ballerte, war er verloren. Aber die Aufregun gen des Tages schienen sie alle in ei nen bleiernen Schlaf sinken gelassen zu haben. Einige schnarchten leise vor sich hin. Von der Glut des Feuers schlug ihm leichte Wärme entgegen. Dann hatte er das Zelt erreicht. Er lausch te. Er hörte keine Atemzüge. Ob ihr Gesicht auch bei Nacht verbunden war? Von der Sonne verbrannt, daß er nicht lachte! Natürlich, sie hatte schon einige Sonnenstrahlen abge kriegt, aber der Verband diente noch einem anderen Zweck. Nur war Ar tie Sheridan klüger als sie alle zu sammen und hatte es längst durch schaut. Leise schlug er die Zeltplane zurück und schob sich in das niedrige Zweimannzelt, das im allgemeinen für Offiziere und Verwundete reser viert war. Der Schein des Mondes
drang nicht durch die Plane. Es war stockfinster im Inneren des Zeltes. Sheridan verhielt und lauschte. Dann tastete er in seinen Taschen nach ein paar Schwefelhölzern, die er immer bei sich trug. Er riß eins mit dem Daumennagel an und hielt es hoch. Für Sekunden kniff er die Au gen zusammen, aber dann sah er den weißen Körper in seinen Verbänden. Schußwunden Der Körper bewegte sich. „Wer ist da?" fragte eine weibliche Stimme durch das Tuch, das auf dem Gesicht der Verwundeten lag. „Lobo Gates", sagte Artie Sheridan flüsternd. Wenn man so leise sprach, klangen fast alle Stimmen gleich. Ein Zucken ging durch den Körper der Frau. „Lobo!" rief sie. Sheridan schlug das Streichholz aus, weil es ihm beinahe die Finger verbrannt hätte. Rasch entzündete er ein neues. „Lobo?" fragte die Stimme der Frau noch einmal. Jetzt hatte Sheridan die Bestäti gung. Er riß der Frau das Tuch vom Gesicht und hielt das Zündholz dicht an ihren Kopf. Er verzog leicht das Gesicht. Die Sonne hatte die Haut der Frau wirklich arg verbrannt, aber zum größten Teil hatte sie sich unter den schützenden Verbänden bereits wie der regeneriert. Das rötliche Schim mern bloßliegenden Fleisches konn te Artie im Licht des Zündholzes nur noch an zwei Stellen erkennen. Die Frau hatte mit einem Laut des Schmerzes die Augen zusammenge kniffen. Jetzt öffnete sie sie wieder und starrte Artie Sheridan an. „Sie sind nicht Lobo!" rief sie. „Sie sind der Postkutschenräuber! Sie und ihre Freunde haben mich auf der Farm ..."
Rasch legte Artie Sheridan ihr die Hand auf den Mund und hielt ihn zu. Er grinste teuflisch. „Emmylou Manson", sagte er. „Der Teufel soll mich holen, wenn das kein Zufall ist!" Angst, nackte Angst, stand plötz lich in den Augen der schwerverletz ten jungen Frau. Dieser Mann und seine Spießgesellen hatten sie auf ih rer Farm brutal zusammengeschos sen und beinahe tot liegenlassen. Und jetzt war einer von ihnen, der gefährlichste, allein mit ihr in die sem Zelt. Was konnte er wollen? Nur eins - die begonnene Arbeit zuende führen. Wieder wollte sie schreien, aber die schwere, brutale Hand auf ihren schmerzenden, mit frischer Haut überzogenen Lippen erstickte jeden Laut. Sie bäumte sich auf, aber er war stärker. „Ja, wehr dich nur kleine Katze, es wird dir nichts nützen. Morgen früh, wenn sie in dein Zelt schauen, wer den sie nur noch eine Tote vorfinden. Das Herz, verstehst du - das Herz hat nicht durchgehalten!" Emmylou Manson wandte leise den Kopf hin und her, Angst und Fle hen im Blick. Das zweite Schwefel holz erlosch, und Sheridan riß rasch das dritte an. Er grinste teuflisch. „Wenn dies heruntergebrannt ist, wirst du das letzte Mal in deinem Le ben Licht gesehen haben." Jetzt starrten sie beide die stetig brennende Flamme an, die immer mehr schwarzes Holz zurückließ. Artie Sheridan grinste. Die Flamme wurde kleiner. „Du wirst mich nicht anzeigen, kleine Katze, nicht wegen des Post kutschenraubs und nicht wegen des Überfalls auf deine Farm", stieß er hervor. „Deine letzte Sekunde ist da!" Das Streichholz erlosch, und Artie 59
Artie leckte sich wieder über die Sheridan wollte zudrücken, ihre Lippen. Er blinzelte. Sein Spiel war Kehle zwischen seinen Fingern. In diesem Augenblick wurde es verloren, das hätte ein Blinder gese hell in dem kleinen Zelt. Sheridans hen. Er ließ das Schwefelholz fallen und griff nach dem Colt. Es war eine Kopf flog herum. Zuerst sah er nur die Öllampe, die kaum sichtbare Bewegung, denn er das Licht in das Innere des Zeltes war ein Profi, und er war schnell. brachte. Gleich darauf sah er den sil Diesmal aber war er schneller als je bern schimmernden Colt im Licht zuvor, denn es ging um sein Leben. der Lampe. Der Colt zitterte nicht, Der Sheriff war kein Profi. Er war und die schwarze Mündung war ge ein Mensch, der sein Leben dem Ge nau auf ihn gerichtet. setz gewidmet hatte und der nicht Erst bei genauerem Hinsehen er mit dem Colt richtete. Und er war ein kannte er etwas weiter hinter dem Bruder, der seinen jüngeren Bruder Colt den fünfzackigen Sheriffstern vor der Waffe sah. Er zögerte eine an der Brust des Mannes, der den Sekunde zu lang. Colt hielt. Seine Augen zogen sich Artie Sheridans Hand flog mit dem ungläubig zusammen. Und als ver Colt darin hoch. Dicht vor seiner stärkte sich dadurch ihre Sehschär Brust spie die Waffe Feuer und Blei. fe, erkannte er endlich das Gesicht Der Knall war ohrenbetäubend in seines Bruders, der in die Hocke ge dem kleinen Zelt. Der erste Schuß gangen war und ihn über den Colt durchlöcherte den Blechstern an hinweg anstarrte. Neben Sam Sheri Sam Sheridans linker Brusthälfte, dans Gesicht tauchten die von Curt der zweite ließ die Lampe zersplit Maxwell und dem West-Point-Leut tern. Es wurde dunkel. Draußen er nant auf. die ebenfalls zu ihm her tönten Schreie. einstarrten. Artie feuerte weiter, und im Schutz „Komm raus, Artie!" sagte Sam seiner Kugeln brach er aus dem Zelt. Sheridan heiser. „Komm raus, ehe Er spürte die Plane gegen sein Ge ich dich da drin abknalle! Und das sicht schlagen, war draußen an der werde ich tun, wenn du nur den ge frischen Luft, rammte jemand seine ringsten Versuch unternehmen soll Schulter gegen den Oberkörper und test, Miß Manson etwas anzutun. Wir rannte. haben jedes Wort gehört, das ihr ge Er gewöhnte sich nicht sofort an wechselt habt." die veränderten Lichtverhältnisse Artie Sheridan blinzelte. Das teuf draußen im Canyon. Er nahm sche lische Grinsen auf seinem Gesicht menhaft wahr, wie sich die Soldaten zerrann und wurde blöde. Er leckte unter ihren Decken aufrichteten. Er sich über die Lippen. Noch immer wußte nicht, wohin er sich wenden hielt er das abgebrannte Zündholz in sollte. Er verließ sich auf sein Glück, das ihn bisher noch nie im Stich ge der Hand. „Hau ab, Sam", stieß er schließlich lassen hatte. Fast noch nie. hervor. „Das hier geht dich nichts Artie Sheridan rannte nach links. Er an!" hörte Schreie hinter sich. Er nahm „Du täuschst dich, Artie. Es geht an, daß er seinen Bruder getötet hat mich verdammt viel an. Soviel, daß te, aber das war ihm egal. Warum ich bei drei abdrücke, wenn du nicht mußte dieser gottverdammte Idiot sich ihm auch in den Weg stellen? sofort herauskommst!" 60
Nachdem er einige Yards zwischen sich und das Soldatenlager gelegt hatte, wandte er sich nach rechts. Er erinnerte sich, daß Lobo eine der Felswände erklommen hatte, als er die Comanchen beobachten wollte. Was dieses Halbblut geschafft hatte, konnte er auch. Er spürte die Steigung und schob den Colt in die Halfter. Mit beiden Händen packte er zu und zog sich hoch. Seine Stiefelspitzen fanden ei nen Halt. Irgendwo über ihm mußte es eine Plattform geben. Wenn er sie erreicht hatte, war er zunächst in Si cherheit. Dort konnte er jeden An greifer erwarten und in den Canyon zurückschleudern. Keuchend erklomm er die schräge Wand, griff nach allem, was ihm Halt bot. Felsvorsprünge schurrten seine Haut auf, Gebüsch zerfetzte seine Kleidung. Es war ihm egal. Er mußte aus dieser verfluchten Klemme her aus. Das Plateau, da war es! Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung schwang er sich hinauf. Geschafft! Im Mund statte er den Geschmack von Rost. Schweratmend kauerte er sich nieder. Die Stimme traf ihn wie ein Faust schlag gegen die Stirn. „Hallo, Artie, da bist du ja endlich!" Er zuckte zurück, sein Gesicht flog hoch und sah die dunkle Silhouette gegen den hellen Felshintergrund. Er brauchte nicht zu fragen, wen er vor sich hatte. „Du gottverdammtes Halbblut!" schrie er und griff an seine Hüfte. In stinktiv war er einen Schritt zurück getreten. Er trat ins Leere. Er schrie, als er fiel...
sonne lugten über den Rand des Ca nyons. Der Himmel war blau und rosa. Das Grau der Nacht zog sich aus dem Canyon zurück. Lobo beugte sich über den Sheriff, dessen Gesicht noch den Schmerz des Sterbens trug. „Ist er tot?" fragte er. „Ja", sagte Maxwell. „Keine Sorge, der Leutnant und ich haben alles mitgehört. Sie sind voll rehabilitiert und frei." „Es tut mir leid, daß er dafür ster ben mußte", sagte Lobo. Maxwell nickte. „Er ist für die Ge rechtigkeit gestorben, so wie er für sie gelebt hat. Irgendwo da oben wird er dafür belohnt werden." Lobo sagte nichts. „Wir fanden die junge Frau auf ih rer Farm", fuhr Maxwell fort. „Ein
Die ersten Strahlen der Morgen 61
paar von uns waren dort, weil wir hofften, wir könnten uns dort mit frischem Wasser eindecken. Sie war nicht tot, sie war auch nicht mehr am Leben. Wir haben alles für sie getan und sie mitgenommen. Ihr Körper hat sich schließlich für das Leben entschieden." Lobo hatte ein Gefühl, als wolle ihm das Herz zerspringen, als er die schmale junge Frau auf ihrer Bahre sah. Sie versuchte ein Lächeln. Er er widerte das Lächeln. „Du hast mir zum zweitenmal ge holfen", sagte er leise. Sie lächelte noch immer. „Mal se hen, was daraus wird", sagte sie leise und schwach.
„Das sage ich dir, wenn du wieder ganz gesund bist", antwortete Lobo. Emmylous Lächeln wurde breiter. „Darauf freue ich mich schon", sagte sie. Hinter ihnen schmetterte die Mes singtrompete einige helle Töne in die Morgenluft. Die Soldaten schwangen sich auf ihre Pferde. „Können wir aufbrechen?" fragte der Leutnant. „Ja", sagte Maxwell. „Ich glaube, jetzt freuen wir uns alle auf Odessa." Lobo ergriff. Emmylous Hand und half mit, ihre Bahre in einen der Wa gen zu laden. Sie lächelten sich an, das Halbblut und die verletzte junge Frau...
Lobo dachte an Red Left Hand. Er sprang zur Seiie, als einer der beiden Söhne von Black Jack Miller sein Pferd mit einem heiseren Schrei antrieb. Er feuerte auf Lobo, traf aber nicht. Lobo rannte im Zickzack, erreichte das Zelt von Red Left Hand und warf sich durch die Öffnung hinein. Die beiden Holzscheite, die er in die Feuergrube gelegt hatte, brannten noch. Der Flam menschein beleuchtete die beiden angstvoll verzerrten Gesichter von Red Left Hand und dem Mädchen. Lobo sprang über die Feuergrube hinweg. Er zog das Messer aus der Scheide und durchschnitt zuerst die Fesseln des Mädchens und dann die von Red Left Hand. Der Häuptlingssohn bleckte seine Zähne. Er sprang zu seinen Sachen, packte eine Winchester und riß sie hoch. Er hatte einen wilden Ausdruck im Gesicht. Die Mündung des Gewehres zeigte jetzt genau auf Lobo, der geduckt im Tipi stand, nur das Messer in der Hand. „Komm, Bruder!" rief Red Left Hand scharf. „Komm, kämpfe wie ein Sioux, und stirb wie ein Sioux!" Lobo, der Einzelgänger, muß sich sein Recht zu leben gegen eine unerbitt liche Umwelt immer wieder erkämpfen. Lesen Sie nächste Woche Band 110 dieser großartigen Western-Serie:
Stirb wie ein Sioux
von Lee Roy Jordan
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