Nr. 505
Der Katzer
von Detlev G. Winter
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährte...
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Nr. 505
Der Katzer
von Detlev G. Winter
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergeben hatte. Die neuen Herren der SOL sahen sich somit endlich in die Lage versetzt, ih re Wünsche zu realisieren. Sie trennten sich von der Menschheit, um ihre eigenen Wege zu gehen. Sie betrachteten den Weltraum als ihren eigentli chen Lebensbereich und das Schiff als ihre Heimat — und die meisten von ihnen scheuten davor zurück, das Schiff zu verlassen und einen Himmels körper zu betreten. Seit der Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf gro ße Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs ge hört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit — und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten ent lassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert. Doch auch der Arkonide erfährt anfänglich nichts über die zurückliegen den Ereignisse, die die SOL zu einem Ort des Chaos gemacht haben. Dabei sind diese Ereignisse im Logbuch der SOL festgehalten, deren eines Kapi tel sich mit einem seltsamen Mann befaßt. Dieser seltsame Mann ist DER KATZER . . .
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treten, aber einem Problem wie die sem war er bislang noch nicht begeg Seit anderthalb Monaten befand net. Aus allen möglichen Lagen hatte sich die SOL jetzt im Bann des Gravi es irgendeinen Ausweg gegeben. In tationsstrahls, dessen übermächtige der jetzigen Situation schienen jedoch Kraft das Schiff immer tiefer in das alle Mittel zu versagen. Die SOL, die System Mausefalle hineinzog. Inzwi ses große, mächtige Schiff, war zum schen galt es als sicher, daß der siebte Spielball geworden und nicht fähig, Planet, von der Sonne aus gerechnet, sich aus eigener Kraft zu befreien. das Ziel der unfreiwilligen Reise sein Selbst der konzentrierte Einsatz aller verfügbaren Triebwerke hatte keinen würde. Doch diese Welt hielt ihre Geheim Erfolg gebracht. Der Zugstrahl erwies sich als stärker. nisse weiterhin un ter einer dichten Chart Deccon Wolkendecke ver hielt es für einen borgen. Die pau glücklichen Um Die Hauptpersonen des Romans: senlos arbeitenden stand, daß außer Chart Deccon — Der High-Sideryt stu Instrumente der ihm und den Ma ----- das Logbuch der SOL. Fernbeobachtung gniden kaum ein hatten bisher keine Solaner sich des Joscan Helmut — Ehemaliger Spre cher der Solgeborenen. brauchbaren Er ganzen Ausmaßes kenntnisse gelie der Gefahr wirklich Perg Ivory — Ein Pilot wird zum Meute rer. fert, und die Versu bewußt war. Wenn che, durch Sonden sich erst herum France Ivory — Perg Ivorys Tochter. und Beiboote Ein sprach, wie aus Bjo Breiskol — Der Katzer in seeli zelheiten zu erfah sichtslos die Lage schem Aufruhr. ren, waren längst bei der Schiffsfüh eingestellt worden. rung eingeschätzt Die physikalischen wurde, konnten die Besonderheiten des Zugstrahls be Krisen an Bord leicht eskalieren. schränkten den Aktionsradius ausge Erst gestern hatte es in einem Sek schleuster Objekte auf ein Minimum. tor wieder Unruhe und Aufregung ge Der Einsatz von Material und Men geben. Aus Centerhaven lagen dem schen war deshalb von vornherein High Sideryt Berichte vor, wonach an zum Scheitern verurteilt. den Vorfällen jener geheimnisvolle Daß neben der SOL noch eine Men Fremde beteiligt gewesen sein könn ge anderer Körper von der unbekann te, den er seit Wochen verfolgen ließ. -Allein die Anwesenheit dieses Man ten Kraft eingefangen worden waren und hilflos durch den Raum trieben, nes bedeutete für Deccon und die SO bedeutete für Chart Deccon keinen LAG schon eine Bedrohung. Was die Trost. Vielmehr erhöhte sich dadurch Sache noch schlimmer machte, war die Gefahr, daß die Besatzung des Ge der Umstand, daß der Unbekannte nerationenschiffs durch eine Kollision seine äußerliche Ähnlichkeit mit ei nem Arkoniden. der vor vielen Jahr ein unrühmliches Ende fand. zehnten eine Rolle an Bord gespielt Vor zwei Jahren und fünf Monaten hatte der High Sideryt sein Amt ange- hatte, schamlos ausnutzte. Er nannte 1.
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sich Atlan und hatte damit insbeson dere bei den Terra-Idealisten sehr schnell großen Einfluß gewonnen. Der High Sideryt war entschlossen, den Fremden verhaften zu lassen. Die überall schwelende Unruhe unter den Solanern gebot es, ihn so schnell wie möglich dingfest zu machen. Noch immer hatte die SOL und ihre Besat zung kein festes Ziel, dem man nach eifern konnte und das die Verhält nisse an Bord stabilisieren half. In die ser Situation konnte Deccon einen Krisenherd wie diesen Unbekannten weniger denn je gebrauchen. Manchmal, überlegte er, wurde ihm das alles zu viel. Er merkte es in sol chen Momenten, wenn sich seine Ge danken im Kreis drehten. Dann wurde er sich seiner Ohnmacht bewußt, sei ner Unfähigkeit, die anstehenden Din ge sachlich zu überschauen und zu meistern. Wieder, wie so oft in den letzten Wo chen, begann er damit zu liebäugeln, die Schläfer zu erwecken. Nur in einer äußerst schweren Krise war das er laubt, wenn es keinen Ausweg zu ge ben schien — dann durften sie aus ih rem Kälteschlaf erlöst werden, um dem Wohl der Menschen an Bord die nen zu können. Aber noch zögerte Chart Deccon. Mit ihrem Wissen mochten die Schläfer, die viele gerne die Weisen oder einfach die Alten nannten, tat sächlich eine wertvolle Hilfe sein. Aber das konnte auch unversehens da zu führen, daß er selbst den größten Teil seiner Macht einbüßte. Das Risi ko wollte er nicht eingehen; noch nicht. Er kannte die frühere Stellung der fünf Menschen, deren reduzierte Le bensfunktionen seit mehr als hundert Jahren von SENECA überwacht wur
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den. Er kannte sie aus vielen Erzäh lungen, die er im Logbuch gelesen hat te, und er wußte, daß sie die Verhält nisse an Bord abermals verschlech tern konnten. Davor fürchtete er sich. Es war keineswegs sicher, daß sie mit ihm Hand in Hand arbeiten würden. Träge erhob sich der High Sideryt aus seinem thronähnlichen Sessel und stieg die Stufen des Podests hinab. Sein Blick fiel auf den Zeitmesser, der den 3. April 3791 anzeigte. Der grego rianische Kalender, überlegte er in ei nem Anflug von Ironie, war wohl das einzige Relikt aus der terranischen Ära, das bis auf den heutigen Tag in unveränderter Form Bestand hatte. Niemand war damals, im Zuge der all gemeinen Loslösung von dem bela stenden irdischen Erbe, auf den Ge danken verfallen, eine neue Zeitrech nung einzuführen. Die Gründe, warum er sich so gern mit der Vergangenheit beschäftigte, waren Chart Deccon selbst nicht ganz klar. Vielleicht lag es an seinem Hang zur Einsamkeit, dem er manchmal ausgiebig frönte, gepaart mit der selt samen Faszination, die die alten Ein tragungen im Logbuch vermittelten. Die Gedanken an die Schläfer hat ten sein Interesse unvermittelt wieder geweckt. Durch einen knappen Rück ruf in die Zentrale vergewisserte er sich, daß an Bord weitgehend Ruhe herrschte. Einige Stunden der Muße durfte er sich leisten. Von den Ge schichten aus längst vergangenen Ta gen konnte er sich ablenken lassen; er konnte Kraft sammeln für kommende Konflikte. Etwas von der drückenden Düster keit, die das schwarze Mobüiar dieses Raumes vermittelte, sprang auf Chart Deccon über. Seine Bewegungen wa ren langsam, als er sich einem der
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Schränke zuwandte. Kein Muskel zuckte in dem massigen Gesicht, und die kleinen Augen blickten kalt. Es hieß, daß er keine Gefühle kannte. Er selbst wußte es besser. Oft genug mußte er sich eisern beherrschen, um seine Emotionen nicht zu zeigen. Auch jetzt, während eine seltsame Melancholie ihn erfüllte, hielt er sein Äußeres unter Kontrolle. Er hatte es sich angewöhnt, es war zu einer unbe wußten Verhaltensweise geworden. Vor dem Schrank blieb er stehen und öffnete eine Schublade. Ein paar Sekunden hielt er sich damit auf. die Schatulle zu betrachten. Es war ein wertvolles Stück aus reinem Elfen bein gefertigt und mit silbernen Be schlägen versehen. Beinahe andächtig öffnete er das Behältnis und nahm das Logbuch her aus. Dann ging er zurück und ließ sich wieder in seinem Thronsessel nieder. Prüfend wog er das Buch in der Hand. Es war kein Logbuch im herkömm lichen Sinn, kein Datenspeicher mit nüchternen elektronischen Aufzeich nungen. Dies waren Papierblätter, lo se gebunden, mit zum Teil sogar hand schriftlichen Eintragungen. Einmal ließ Chart Deccon die Längskanten der Blätter an seiner Daumenkuppe entlanggleiten. Dann schlug er die erste Seite auf. Er tat das fast jedesmal, bevor er sich einen an deren, beliebigen Eintrag heraussuch te. Den Text kannte er mittlerweile fast auswendig, trotzdem las er ihn im mer wieder.
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eignet. Wir sind unter uns. Wir — das sind jene Menschen, die innerhalb des Schiffes geboren wur den, die zwischen den Sternen leben wollen und die das Dasein auf der Oberfläche eines Planeten nicht ertra gen können. Keiner von den Alten ist bei uns ge blieben. Alle Terraner haben sich auf die BASIS zurückgezogen. Ich gebe zu, daß die Trennung etwas schmerzt. Mit vielen, die jetzt nicht mehr bei uns sind, habe ich mich gut verstanden. Sie waren aufrichtige Menschen, fast Freunde, auch wenn wir oft genug gegensätzliche Stand punkte vertreten mußten. Selbst bei harten Auseinandersetzungen blieben sie immer fair: Perry Rhodan, Regi nald Bull, Mentro Kosum, Jentho Kan thall und wie sie alle heißen. Nickt zu vergessen den kleinen Gucky, dessen muntere Spaße mir sicher fehlen wer den. Aber ich möchte mich hier nicht in Sentimentalitäten verlieren. Die SOL hat sich von der BASIS gelöst und das System der Wynger verlassen. Unsere lange Reise hat begonnen. Wir können endlich so leben, wie wir es immer wollten. Das alleine zählt. Allerdings bereitet mir die erlangte Unabhängigkeit, so sehr ich sie immer befürwortet habe, auch Sorgen. In ih rer Euphorie, die sie in diesen Tagen beherrscht, vergessen die Solaner allzu leicht, daß ein Leben, das sich ausschließlich im Weltraum abspielt auch auf lange Sicht eine Illusion blei ben wird. Wir werden immer auf Planeten und deren Rohstoffe ange Der Vorgang, auf den wir so lange wiesen sein. Die meisten wollen es gewartet und hingearbeitet haben, ist nicht wahr haben. Sie eifern einer Phi losophie nach, deren Grundlagen für nun eingetreten. Perry Rhodan hat uns die SOL über- meine Begriffe schlichtweg falsch sind.
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Auch Gavro Yaal gehört dazu. Schon immer hat er einen kompromißloseren Kurs vertreten als ich. Die Zahl seiner Anhänger wird in dem Maß steigen, in dem mein eigener Einfluß jetzt, nach dem die Solgeborenen keinen Sprecher mehr brauchen, nachlassen wird. Es besteht die GeJahr, daß er sich in sei nem Bestreben nach der totalen Unab hängigkeit der SOL in einen Fanatis mus verrennt, er für uns alle existenz bedrohend werden kann. Ich schreibe diese Zeilen, weil ich glaube, daß es wichtig ist, auch andere Auffassungen und Darstellungen als die, die im offiziellen Logbuch wieder gegeben werden, festzuhalten. Ich hof fe, daß man mich und meine Skepsis an der Haltung von Gavro Yaal später besser verstehen wird als heute. Diesem Buch werde ich meine Ge danken anvertrauen und Ereignisse, die aus meiner Sicht wichtig sind, auf zeichnen. Es soll eine Art Tagebuch werden, das keine nüchternen Daten enthält, sondern als Spiegel sehr per sönlicher Anschauungen dient. Ich schreibe es nicht allein für mich, son dern vor allem für spätere Generatio nen, die ihr Bild über die Geschehnisse an Bord der SOL abrunden wollen. Und ich hoffe, daß es nach mir jeman den geben wird, der diese Aufzeich nungen weiterführt. Joscan Hellmut am 24. Dezember 35 86 * Chart Deccon klappte das Buch zu und sah auf. Im Grunde genommen, überlegte er, war er ein einsamer Mensch, einsamer noch als Joscan Hellmut damals, als er das Logbuch begann. Hellmut hatte immer mit je
mandem reden können. Es hatte im mer Leute gegeben, die ihn unter stützten, anspornten oder auch kriti sierten. Er, Chart Deccon, hatte niemanden. Er übte seine diktatorische Macht be stenfalls im Verbund mit den zehn Magniden aus. Die überwiegende Mehrzahl der Besatzungsmitglieder kannte nicht einmal seinen Namen. In Augenblicken wie diesem be drückte ihn das. Aber er war anderer seits davon überzeugt, daß nur auf die von ihm und den früheren High Side ryts praktizierte Weise die Verhältnis se an Bord einigermaßen sicher unter Kontrolle gehalten werden konnten. Tief a t a e n d strich er sich über die Glatze. Er hatte nicht vorgehabt, mit seinen Gedanken in der Gegenwart zu bleiben. Abermals schob er alles, was mit dem Heute zu tun hatte, beiseite und konzentrierte sich auf das Logbuch. Vor mehr als zweihundert Jahren war es begonnen worden, und tatsächlich hatte es auch nach dem Abtritt Joscan Hellmuts immer Leute gegeben, die die Eintragungen in seinem Sinn fort geführt hatten. Auf diese Weise war ein schwerer, dicker Band entstanden, vollgepackt mit Informationen und persönlichen Eindrücken. Für seine Lektüre wählte Chart Dec con eine Stelle aus, die nur wenige Jahre nach der Übergabe der SOL ge schrieben worden war. Aus den zwangsläufig oft knappen Aufzeich nungen des Chronisten versuchte er die Geschichte zu rekonstruieren, wie sie sich damals abgespielt hatte. 2. Manchmal beruhigt es mich, zu se
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10 hen, daß es auch heute noch Leute gibt, die die totale Abkehr von der Außen welt nicht widerspruchslos hinnehmen. Allerdings wird es von Tag zu Tag ge fährlicher, an den Postulaten Gavro Yaals Kritik zu üben. Man treibt sich damit selbst in die Isolation. Deshalb kann ich das, was Perg Ivory vorhat, auch nicht befürworten. Ich habe lange mit ihm gesprochen, ohne ihn jedoch umstimmen zu kön nen. Was er tun will, hat mit seiner in neren Überzeugung zur Bestimmung der Solaner im Grunde genommen nichts zu tun, schon gar nicht will er damit gegen die Schiffsführung de monstrieren. Es ist mehr eine Bestäti gung seiner selbst, die er braucht, ein Ausleben persönlicher Bedürfnisse, die sich nach vielen Jahren als Pilot nicht mehr gänzlich unterdrücken las sen. Trotzdem bin ich fast sicher, daß Gavro Yaal seine Handlungsweise an ders verstehen wird. Er wird sie als Af front ansehen. Wie er darauf reagiert, wage ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Im Moment ist nur sicher, daß das Le ben für Perg Ivory nach seiner Rück kehr erheblich schwerer sein wird. Frances Vater hat sich von meinen Bedenken nicht überzeugen lassen. Er wird ausführen, was er sich vorgenom men hat, selbst wenn er sich damit nur schadet. Ich habe ihn gewarnt... Joscan Hellmut am 13. Juli 3590 3. Für Perg Ivory gab es keinen Grund, sich zu verstecken. Die Mög lichkeit, daß er auf seinem Weg jeman dem begegnete, war um diese Zeit denkbar gering, und wenn es doch ge-
schah, würde er sich irgendwie her ausreden können. Es war schon spät am Tag. Die Nachtphase hatte vor etwa einer Stun de begonnen, und die meisten Solaner hielten sich in ihren privaten Unter künften auf. Die Beleuchtungskörper in den Korridoren waren zurückge schaltet und verbreiteten nur matte Helligkeit. Weit vor sich, am Ende des Ganges, erkannte er bereits das Schott, das den Hangar von den übrigen Bereichen der SOL trennte. Zügig hielt er darauf zu, ohne sich darüber Gedanken zu machen, daß er sich mit der Ausfüh rung seines Vorhabens viele Feinde schaffen würde. Vor dem Schott blieb er stehen und betätigte die Öffnungsautomatik. „Identifikation"! verlangte die me chanische Stimme des Kontrollrech ners. Ohne zu zögern, schob der Mann sei ne Personalkarte in den dafür vorgese henen Schlitz. „Perg Ivory", sagte er. „Technische Wartung." Das Lautmuster seiner Stimme in Verbindung mit den auf der Karte vor gegebenen Daten genügte der Auto matik, seine Berechtigung zum Betre ten des Hangars anzuerkennen. Der Grund seines Hierseins um diese Stunde hatte sie nicht zu interessie ren. Das Schott fuhr auf. Pergs Bewegungen wurden hasti ger, als er die Halle betrat. In der Zen trale würde man sein Eindringen be merken. Er mußte gestartet sein, be vor jemand ernsthaft Verdacht schöpfte. Mehrere Lightning-Jets standen in dem Hangar aufgereiht. An einer von ihnen hatte er bereits heute Mittag im Zuge der allgemeinen Wartungsinter
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valle gearbeitet. Er ging auf die Ma schine zu und kletterte in die Pilo tenkanzel. Mit wenigen Handgriffen traf er die Vorbereitungen für einen Normalstart. Kontrollämpchen zeig ten an, daß das Triebwerk aufgeheizt wurde. In diesem Moment bellte eine Stim me durch den Hangar. „Wer bist du und was hast du vor?" Im ersten Schreck zuckte Perg zusammen, doch sofort wurde er wieder ruhiger. Er hatte damit gerech net, daß man auf ihn aufmerksam wer den würde, und sich eine entsprechen de Erklärung zurechtgelegt. „Ich bin Perg Ivory", antwortete er bereitwillig über den Normalfunk der Jet. „Ich glaube, daß ich vorhin einen Flüchtigkeitsfehler begangen habe und möchte ihn korrigieren." Eine Weile herrschte Schweigen. Der Wachhabende in der Zentrale würde überprüfen, ob er, Perg, tat sächlich zur Wartung dieser Maschine eingeteilt gewesen war. Das verschaff te ihm Zeit, seinen Plan zu Ende zu führen. Hastig betätigte er weitere Schaltungen. Sekunden später war die Jet startklar. „Worum handelt es sich?" klang die Stimme erneut auf, diesmal ebenfalls über die Funkanlage. „Ich habe in meiner Kabine den Wartungsplan nochmals studiert", er klärte Perg. „Dabei ist mir aufgefallen, daß ich zwei Kontrollen übersehen ha be. Ich hole sie jetzt nach." Er spürte, wie er allmählich nervös wurde. Der Eindruck, endlich wieder vor den Instrumenten eines startberei ten Flugkörpers zu sitzen, vermischte sich mit der Angst, frühzeitig entlarvt zu werden. Er beobachtete das innere Schleusenschott, das sich jetzt zu öff nen begann. Plötzlich ging ihm alles
11 viel zu langsam. „Warum erledigst du diese Arbeit nicht morgen?" fragte der Wachha bende. „Dann bist du ausgeruht und hast genügend Zeit dazu. Es handelt sich ohnehin nur um Routineüberprü fungen, die nicht allzu wichtig sind. Niemand wird mit der Lightning-Jet diese Nacht starten wollen." Doch! dachte Perg grimmig. Ich will es! „Ich bin nicht bereit, mir mangelndes Pflichtgefühl nachsagen zu las sen", entgegnete er mit absichtlicher Schärfe, während die Maschine auf ei nem Leitstrahl in die Schleusenkam mer glitt. Hinter ihr schloß sich das Schott. Die Luft wurde abgepumpt. „Ist es für deine Arbeiten nötig, daß du einen Startversuch simulierst?" „Ja." Er log bewußt, weil die Frage darauf hindeutete, daß der Wachhabende nicht die geringste Ahnung hatte. „Ich warne dich, Perg Ivory. Ich werde das überprüfen." „Tu es!" Er wußte nicht, ob er es laut gesagt oder nur gedacht hatte. Das Außen schott öffnete sich und gab den Blick in den Weltraum frei. Perg spürte, wie seine Hände zu zittern begannen. Nie mand konnte ihn jetzt noch aufhalten. Das erste Mal seit vielen Jahren würde er eine Lightning-Jet steuern! Er wür de die SOL verlassen und in eigener Verantwortung durch das All fliegen! Das war es, wovon er so lange ge träumt hatte. Früher, als Gavro Yaal noch nicht das Kommando an Bord führte, waren oft Erkundungseinsätze mit den Jets unternommen worden, und meistens war Perg dabei gewe sen. Mit Leib und Seele war er Pilot, nicht einmal ein schlechter dazu, und die Umstellung auf die Arbeiten beim
12 Wartungsdienst war ihm mehr als schwergefallen. Immer hatte er ge hofft, irgendwann wieder fliegen zu dürfen, doch je länger die Reise der SOL dauerte, desto geringer wurde diese Aussicht. Und n u n stand er kurz davor, seinen Traum zu verwirklichen. Er allein würde das kleine Raumfahrzeug steu ern und manövrieren, und mochte es um den Preis sein, fortan als Geächte ter außerhalb der Gesellschaft zu le ben. „Perg Ivory!" Jetzt erst schien der Wachhabende in der Zentrale begrif fen zu haben, was er wirklich vorhatte. „Du wirst aufgefordert, die Startvor bereitungen abzubrechen. Ein Probe flug liegt nicht in deinem Aufgaben bereich!" Perg lachte heiser. Er würde sich nicht mehr aufhalten lassen. Ent schlossen betätigte er die Startauto matik. Antigravfelder katapultierten die Jet aus dem Hangar. Dann zündete er das Triebwerk. Es war, als würden ihm die Sterne entgegenspringen. Von den Behar rungskräften spürte er nichts. Die An druckabsorber arbeiteten einwand frei. Auf den Heckbildschirmen konn te er verfolgen, wie die SOL hinter ihm zurückblieb. „Perg Ivory, du wirst zur sofortigen Rückkehr aufgefordert!" Er kümmerte sich nicht um den Aufruf, der jetzt über Hyperfunk her einkam. Eine unnatürliche Ruhe be mächtigte sich seiner. Er manövrierte die Jet so sicher, als hätte er auch in den letzten Jahren nichts anderes ge tan. Die Kugel des Planeten, in dessen Orbit die SOL seit einigen Stunden schwebte, wuchs vor Perg auf. Der Anblick überwältigte ihn. Es war ein
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Unterschied, ob man die Annäherung an fremde Welten über einen kleinen Bildschirm verfolgte oder gar nur aus nüchternen Berichten davon erfuhr — oder ob man, selbst an den Kontrollen eines Fluggeräts sitzend und nur durch eine Panzerglasscheibe vom freien Raum getrennt, unmittelbar an dem Geschehen beteiligt war. Es war ein einmaliges, lange ent behrtes Erlebnis. Perg Ivory befand sich wie in einem Rausch. Ursprüng lich hatte er die Absicht gehabt, für einige Minuten durch das All zu jagen und sofort zur SOL zurückzukehren. Jetzt wollte er mehr. Er war Light ning-Jet-Püot. und er wollte sich und allen anderen beweisen, daß er es zeit seines Lebens bleiben würde. Die ständigen Funkanrufe aus dem Mutterschiff berührten ihn nicht In weitem Bogen zog er die Maschine herum. Kurz mußte er die Augen schließen, als sich die Sonne dieses Systems hinter der Masse der SOL hervorschob und ihn zu blenden droh te. Die Sichtkuppel der Jet verdunkel te sich automatisch und verhinderte so, daß er erblindete. Vor ihm wuchs der Planet zu impo santer Größe auf. In einem Winkel von vierzig Grad tauchte er in die Atmo sphäre ein, deren Bestandteile beim Auftreffen auf den Schutzschirm eine grelle Lichtflut erzeugten. Perg dros selte die Geschwindigkeit und gestal tete den Flug flacher. Sofort besserten sich die Sichtverhältnisse. Die Maschine durchstieß eine locke re Wolkenschicht, womit der Blick auf die Oberfläche des Planeten endgültig frei wurde. In rasendem Flug nahm Perg alles in sich auf, was er zu sehen bekam. Wälder und Grasebenen zogen unter ihm vorbei, ausgedehnte Wü sten, bläulich schimmernde Meere,
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Savannen, Eisflächen, Gletscher, Ge entgegen, die Waffen im Anschlag. birge . . . und mehrere dunkle Punkte, Perg registrierte es mit nachsichtigem die er nicht genau identifizieren konn Lächeln. Gefaßt stieg er aus der Jet. te, von denen er aber annahm, daß es Der Innenraum des Hangars war sich um Ansiedlungen primitiver Ein jetzt hell erleuchtet. Zwischen den geborener handelte. aufgereihten Fluggeräten stand ein Dreimal umkreiste er diese Welt, Mann, der ebenfalls eine Waffe in der wechselte dabei ständig die Höhe, än Hand hielt. derte Flugwinkel und Geschwindig Perg ging auf ihn zu, von den beiden keit. Keine Sekunde kam er auf die Robotern eskortiert. Er hatte damit Idee, eine Landung zu versuchen. Wie gerechnet, daß er mit seinem Vorge allen Solgeborenen war ihm die Vor hen erheblichen Wirbel an Bord auslö stellung, eine Planetenoberfläche be sen würde, auch damit, daß er sich treten zu müsen, verhaßt. Seine Hei nach seiner Rückkehr vor den zustän mat war das Schiff, nirgendwo anders digen Gremien verantworten müßte. wollte er leben. Nur die Eintönigkeit, Daß sie zwei Kampfmaschinen und ei die dieses Leben manchmal mit sich nen Sicherheitsoffizier aufbieten wür brachte, hatte ihm in letzter Zeit so den, die ihn mit entsicherten Blastem stark zugesetzt. Er brauchte die Ab bedrohten, erschreckte ihn aber doch. wechslung hinter den Kontrollen ei „Kraft der mir übertragenen Befug ner Flugmaschine. nisse nehme ich dich fest", erklärte Ruhig richtete er den Bug nach der Offizier, als Perg vor ihm stehen oben und beschleunigte. Die Land blieb. „Du bist verhaftet." Er wurde unruhig. Das konnten sie schaft fiel unter ihm weg. Er schoß durch die Wolken und verließ die At nicht tun! Sie mochten ihn verwarnen .narstrafe auferle mosphäre. Die Schwärze des Welt und ihm eine raums schloß sich um ihn. gen — aber er hatte schließlich kein Jetzt näherte er sich wieder dem Verbrechen begangen, das einen Ar hanteiförmigen Raumschiffsverbund. rest rechtfertigte. Sein Hochgefühl Keine Spur von Wehmut oder Traurig und die innere Ausgeglichenheit be keit kam in ihm auf. Auch das Ein gannen zu zerbröckeln. Seine Auffas schleusen der Jet gehörte zu den Auf sung von Selbstverwirklichung war gaben des Piloten. Mehr, als allein die zu einer Falle für ihn geworden. se Aufgabe auszuführen, hatte er nicht „Wessen werde ich beschuldigt?" tun wollen. Nun kehrte er heim. fragte er. Seine Stime zitterte. Der Offizier deutete in die Schleu SOL-Zelle-1 und -2 schoben sich zu beiden Seiten aus seinem Blickfeld, senkammer, wo die Arbeitsgeräusche während das leuchtende Rechteck des der Jet langsam erstarben. Hangars im Mittelteil des Schiffes nä „Des Diebstahls", antwortete er mit her und näher kam. Wenig später setz merkwürdigem Unterton. Dann, nach te er auf, noch immer von innerer Aus einer kurzen Pause, fügte er hinzu: geglichenheit erfüllt. Das Röhren des „Und der Meuterei." Triebwerks verstummte, Luft wurde Perg Ivory erstarrte. Die Welt brach in die Schleusenkammer gepumpt, für ihn zusammen. dann öffnete sich das Innenschott. Zwei Kampfroboter stürmten ihm
14 Allmählich wurde es eng in dem Wohnraum. Normalerweise hielten sich kaum mehr als zwei Personen hier auf; für deren Bedürfnisse war er konzipiert und eingerichtet. Jetzt mochten es sechs- oder siebenmal so viel sein: Freunde. Bekannte und Leu te aus den Nachbarkabinen hatten sich eingefunden. Selbst KomtyWamman ließ es sich nicht nehmen, seinen Sohn heute zu besuchen. Der, dem der Trubel galt, hielt sich eher verschlossen. Er stand etwas ab seits von der Menge und beteiligte sich kaum an den Gesprächen. Ebenso vermied er es. die Gedanken der ande ren zu lesen. Menschenansammlun gen, die mit seiner Person zusammen hingen, mochte er nicht. „Was ist los mit dir?" Joscan Hell mut trat neben ihn und sah ihn von der Seite an. ..Du tust so, als berührte dich das alles nicht. Dabei sind sie we gen dir gekommen. Sie wollen dir Glück wünschen." „Für die meisten von ihnen ist das ein Vorwand." Es klang abweisend. „In Wahrheit wollen sie mich sehen." Der ehemalige Sprecher der Solge borenen senkte den Blick. Einmal mehr erkannte er die Tragik, die sein junger Freund in manchen Situatio nen zu bewältigen hatte. Wenn sich Leute um ihn kümmerten, mit denen er ansonsten kaum oder gar nichts zu schaffen hatte, setzte er voller Vorur teile voraus, daß sie ihn nur begaffen wollten. Dabei war sein Anblick und die Art seines Auftretens an Bord der SOL längst jedermann vertraut „Deine abweisende Haltung hat an dere Gründe", behautete Joscan. „Du bist enttäuscht, daß die Person, mit der du gern zusammen wärst, nicht hier ist. Um es einfach auszudrücken: Du hast Liebeskummer!"
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Er erhielt keine Antwort, denn in diesem Moment öffnete sich der Ein gang. Federspiel und Sternfeuer, die Zwillinge betraten nebeneinander den Raum. In ihrer Mitte hielten sie eine überdimensionale Platte Synthonah rung, in deren Oberfläche jemand mit zittriger Hand die Buchstaben Happy Birthday geritzt hatte. Die Gespräche verstummten. Aller Augen richteten sich auf die Jugendli chen, als erwartete man von ihnen, daß sie ein Lied anstimmten. Mit so viel Aufmerksamkeit hatten die bei den freilich nicht gerechnet. Unsicher blieben sie stehen, während zu allem Überdruß nun noch Douc Langur er schien, der sich an den beiden vorbei zwängte. Als er der erwartungsvollen Stille gewahr wurde, verharrte auch er und wedelte unschlüssig mit den Sin nesorganen. Joscan Hellmut stieß seinem Freund auffordernd in die Seite. Doch der war ebenfalls so überrascht, daß er sich zunächst nicht rührte. Schließlich war es Sternfeuer, die den Bann brach. „He, Bjo!" rief sie. „Wie lange sollen wir das Ding noch tragen? Es ist schwer." Endlich kam wieder Leben in die Anwesenden. Jemand lachte, andere begannen zu sprechen, während sich auch Bjo Breiskoll aus seiner Starre löste. Geschmeidig trat er auf die Zwillinge zu und nahm ihnen die Plat te ab. „Vielen Dank, ihr zwei", lächelte er. Man konnte ihm ansehen, daß seine Freude ehrlich war. Wie eine Trophäe hielt er das Präsent über den Kopf und trug es zum Tisch. „Eigentlich hätten wir gar nicht kommen dürfen", plapperte Feder spiel hinter ihm her. „Mutter war nicht
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sehr begeistert, daß wir dich mitten in der Nacht besuchen wollten, aber dann hat sie es doch erlaubt. Aller dings müssen wir gleich wieder ge hen. Du bist deswegen nicht böse — nein, Katzer?" Es war eine fließende Bewegung, wie Bjo die Platte auf dem Tisch ab legte und blitzartig herumfuhr. Man konnte meinen, er würde im nächsten Augenblick auf den Jungen losgehen. Doch es war Douc Langur, der ihn mit einer Greifklaue am Arm packte und etwas in seiner pfeifenden Spra che sagte. Der Translator, den er im mer mit sich führte, übersetzte. „Es sind Kinder." Bjo bewegte den Kopf, als wollte er etwas abschütteln das ihn umklam merte. „Nein", sagte er und versuchte aber mals zu lächeln. „Ich bin euch nicht böse. Ihr könnt mich ja ein anderes Mal wieder besuchen." „Alles klar, Bjo", lachte Sternfeuer. „Das tun wir." Federspiel versetzte ihm einen freundschaftlichen Rippenstoß und wandte sich ab. Hand in Hand verlie ßen er und seine Schwester den Raum. Joscan Hellmut erkannte den schuldbewußten Ausdruck im Ge sicht des Freundes, als er sich wieder zu ihm gesellte. Hinter ihm her trotte te Douc Langur. „Mitunter benimmst du dich un möglich", warf ihm der Kybernetiker vor. „Alle nennen sie dich den rot braungefleckten Katzer — und wenn du das aus dem Mund eines Jugendli chen hörst, spielst du plötzlich ver rückt." Bjo senkte den Kopf. „Es tut mir leid. Für einen Moment habe ich die Kontrolle über mich ver
15 loren." Joscan nickte wissend. Der Sohn von Lareena Breiskoll und Komty Wamman war ein hauptsächlich tele pathisch veranlagter Mutant. Viele be zeichneten ihn darüber hinaus als Kos mo-Spürer. Außer diesen geistigen Fä higkeiten hatte ihm der Evolutions sprung jedoch auch äußere Merkmale beschert, die ihn erheblich von ande ren Menschen unterschieden. An zahl reichen Stellen wuchsen Pelzfragmen te auf seiner Haut, in seinem Gesicht dominierten schrägstehende Augen mit geschlitzten Pupillen, und seine Körpergewandtheit war so sensatio nell, daß sie regelmäßig mit dem Attri but katzenhaft bedacht wurde. Letz lich hatte er auch verschiedene anima lische Instinkte nie ganz ablegen kön nen. „Du hast dich verändert in den letzten Wochen", bemerkte der For scher der Kaiserin von Therm. Früher warst du stolz auf deinen Körper und hast dich seiner Fähigkeiten in aller Offenheit bedient. Heute ist das an ders. Manchmal kommt es mir so vor, als schämtest du dich deiner, als wür dest du verzweifelt versuchen, ein an derer zu sein als der, der du nun ein mal bist. Und das alles, damit keiner mehr merkt, wie sehr du dich von den übrigen Solgeborenen unterscheidest. Leider ist mir die Gefühlswelt von euch Menschen immer noch zu fremd, um zu wissen, welche Gründe du da für haben könntest." „Ich kenne die Gründe, Douc", be haupete Joscan. bevor der Katzer Ge legenheit fand, auf die Vorhaltungen zu reagieren. „Aber ich glaube nicht, daß du sie verstehen würdest." Es war Bjo anzusehen, wie es in ihm arbeitete. „Ich finde es nicht nur unange
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Joscan Hellmut beobachtete die bracht, sondern taktlos, wie ihr über mich herzieht", zischte er. „Es steht Szene mit gemischten Gefühlen. Fran ce sträubte sich nicht gegen die Be euch nicht zu!" Er drehte sich um und wollte sich rührung des Katzers, aber sie versuch den übrigen Gästen zuwenden, die te, sie so unausgeprägt wie möglich zu weiterhin beisammen standen und gestalten, indem sie den Kopf kaum sich über mehr oder minder belanglo merklich zur Seite drehte. Ihr selbst se Themen unterhielten. Im selben war das wahrscheinlich gar nicht be Moment fuhr abermals das Eingangs wußt, und jedem Unbefangenen wäre schott zur Seite. Eine junge Frau trat ihr Reflex vermutlich entgangen — der Kybernetiker sah es wie in einem ein. „Bjo!" rief Joscan mit verhaltener Zeitraffer. Und Bjo, dessen körperli Stimme, um den Freund nicht vor al che Sensibilität so überdurchschnitt len anderen bloßzustellen. „Da ist lich ausgeprägt war, mußte es spüren. sie." Wieder wurde Joscan deutlich, wel Der Katzer blieb stehen. Sein Blick ches Problem sein Freund zu bewälti hing an dem Mädchen, als betrachte er gen hatte — er, der körperüch und gei einen wertvollen Kunstgegenstand. stig mutiert war und der doch wie Einmal mehr erlag er der Faszination, jeder andere Mann empfand und nichts anderes sein wollte. die diese Frau auf ihn ausübte. Sie mochte in seinem Alter sein, 24 oder 25 Jahre vielleicht, und es gab ge wiß nicht wenige Männer an Bord, die sich mit ausdauernder Hartnäckigkeit „Sei nicht böse, wenn ich nicht lan um ihre Gunst bewarben. Wenngleich ge bleibe, aber ich mache mir Sorgen keine Schönheit im landläufigen Sinn, um meinen Vater. Ein anderes Mal ha war sie doch ausgesprochen apart. Ihr ben wir sicherlich mehr Zeit füreinan Gesicht wirkte anziehend mit der zier der." lichen Nase, den sanft geschwunge Bjo erweckte den Anschein, als gin nen Läppen und großen, wissenden gen die Worte ungehört an ihm vorbei. Augen. Schulterlange braune Haare Er hielt die Rose in der Hand und be mit einem Stich ins Rötliche umrahm trachtete sie eingehend. ten es. Ihre Bewegungen, ihr Auftre „Wo hast du sie her?" fragte er. ten und ihre Ausstrahlung verrieten „Meines Wissens gibt es schon seit Selbstbewußtsein, und ihre unge einigen Jahren keine Rosen mehr an zwungene Natürlichkeit vermittelte Bord. Sie erinnern an die Erde, des ihr ein hohes Maß weiblicher A n m u t halb wurden sie nicht weiter gezüch Nur kurz sah sie sich um, dann hatte tet." sie Bjo Breiskoll entdeckt. Sie lief auf France lachte, und in ihren Augen ihn zu und reichte ihm die Blume, die glomm ein schelmisches Feuer. sie in der Hand hielt. Es war eine Rose. „Die Rose soll ein sehr persönliches „Alles Gute zum Geburtstag", sagte Geschenk sein. Da fragt man nicht, wo man es her hat. Vielleicht verrate ich sie lächelnd. Bjo beugte sich vor und drückte ihr es dir irgendwann, aber vorerst bleibt es mein Geheimnis." einen Kuß auf die Wange. Bjo lachte zurück. „Danke, France."
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„Einverstanden." Es klang fast ver ihm Spaß macht und für die er lebt. Er legen. „Übrigens glaube ich nicht, daß mußte es tun, wenn er sich nicht selbst man mir mit etwas anderem eine grö verleugnen wollte." ßere Freude hätte bereiten können." „Aber es ist Wahnsinn . ..!" „Vorsicht!" drohte sie scherzhaft. „Sicher ist es das. Aber du kennst „Ich fasse das als Kompliment auf." deinen Vater am besten. Je mehr man ihm von etwas abrät, desto sicherer „So war es auch gemeint." France ging nicht mehr darauf ein. setzt er seinen Kopf durch." Noch während Bjo sprach, wandte sie France wußte, daß er recht hatte. Ihr sich Joscan Hellmut zu. Der Ausdruck Vater war ein eigenwilliger Typ, der ihres Gesichts änderte sich und wurde sich von einem einmal gesteckten ernst. Vorhaben bestenfalls durch körperli „Mein Vater ist seit Stunden spurlos che Gewalt abhalten ließ. Wortö und verschwunden", sagte sie. „Du bist Beschwörungen allein richteten selten der letzte, der mit ihm gesprochen hat, etwas bei ihm aus. Insofern traf den Jose. Ich nehme an, daß er dir anver Kybernetiker natürlich keine Schuld. Es war der jungen Frau anzusehen, traut hat, was er vorhatte." Der Kybernetiker sah sie an. Eines wie ihr anfänglicher Ärger aufrichti Moment überlegte er, ob er ihr die ger Sorge wich. Wahrheit sagen sollte, dann entschied „Er ist seit langem ohne Flugpra er sich dafür. Es stand ihm nicht zu, xis", sagte sie leise. „Ich bezweifle. sie zu verschweigen. daß er noch in der Lage ist. eine Light ning-Jet sicher zu manövrieren. Wenn „Perg ist draußen." Ihr Blick wurde starr. Zwei steile ihm etwas zustößt Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. „Darüber würde ich mir keine Ge danken machen", mischte Bjo sich „Draußen? Was heißt das?" „Es heißt, daß er sich einer Light ein. Durch den Kontakt, den er mit ning-Jet bemächtigen und einen den Ivorys pflegte, durfte er sich ein persönliches Urteil erlauben. „Perg ist Rundflug unternehmen wollte." Frances Augen blitzten auf. Zornig erfahren genug, um zu wissen, was er sich zutrauen kann und worauf er sich schüttelte sie den Kopf. „Du sagst das, als sei es der natür einläßt." „Ach", winkte France ab. Die Geste lichste Vorgang, den man sich denken kann. Bist du noch bei Verstand, Jose! zeigte, daß sie grundsätzlich anderer Warum hast du das zugelassen? War Meinung war. „Er weiß es eben nicht! um hast du ihn nicht zurückgehal Selbst wenn er diesen Flug ohne Scha den übersteht und gesund zurück ten?" Der ehemalige Sprecher der Solge kommt, wird es Schwierigkeiten für borenen ließ sich von dem Gefühls ihn geben. Er wird für seine Eigen mächtigkeit eine empfindliche Strafe ausbruch nicht beeindrucken. „Ich habe es versucht", sagte er. erhalten." „Es kann nicht so schlimm werden", „Ich habe auf ihn eingeredet und ihm klargemacht, welches Risiko er auf versuchte Joscan sie zu beruhigen. sich nimmt. Aber es hat nicht gehol „Man wird ihm einen Verweis erteüen fen. Dein Vater ist mit Leib und Seele oder ihn einige Tage unter Arrest stel Pilot, seit Jahren ohne die Arbeit, die len. Das ist aber auch alles."
Der Katzer
France verzog die Mundwinkel. „Vielleicht wäre es so, wenn es nach dir ginge. An Bord der SOL ist aber Gavro Yaal derjenige, der den meisten Einfluß hat, und er vertritt, wie du weißt, einen wesentlich härteren Kurs." „Trotzdem! Auch er und seine An hänger wissen die Schwere eines Ver gehens in der richtigen Relation zu se hen. Außerdem ist Yaal kein Richter. Er kann kundtun, was er von der Sa che hält, und damit sind seine Mög lichkeiten schon erschöpft." Er sagte das mit fester, sicherer Stimme, weil er b e m ü h t war, dem Mädchen etwas Optimismus zu ver mitteln. Dabei hätte er sich für seine Worte selbst ohrfeigen mögen, weil er wußte, daß die Dinge anders lagen, als er sie darstellte. Auch France wußte es. „Du brauchst mir nichts vorzuma chen, Jose", sagte sie bedrückt. „Ich kenne die Verhältnisse." Der Kybernetiker machte eine ver legene Geste. „Auf jeden Fall werde ich versu chen, ihm zu helfen", versprach er. Sie nickte. „Danke. Ich werde darauf zurück kommen." Noch einmal wandte sie sich an Bjo. Zaghaft ergriff sie ihn am Arm. „Du, ich wollte dir deine Feier nicht verderben..." Der Katzer sah ihr schweigend ins Gesicht und registrierte, daß sie ein Lächeln zustande brachte. Plötzlich drängte es ihn, ihr etwas Aufmunterndes zu sagen oder ihr einfach zu ver stehen zu geben, wie sehr er sich über ihr Kommen gefreut hatte. Er unter ließ es, weil ihm zugleich bewußt wur de, daß dies der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für Sympathiebezeigungen
19 war. „Du hast mir nichts verdorben", brachte er lediglich hervor. Frances Lächeln erstarb. Sie drück te kurz seinen Arm und löste ihren Griff. „Ich m u ß zurück in meine Kabine", entschuldigte sie sich. „Solange ich nicht weiß, was mit meinem Vater ist, habe ich hier keine Ruhe. Ich lasse später wieder von mir hören." Bjo sagte kein Wort. Er stand nur da und sah ihr nach, bis sich das Schott hinter ihr geschlossen hatte. Erst als er merkte, wie verkrampft er die Rose in der Hand hielt, gelang es ihm, etwas nüchterner zu reagieren. Der Gedan ke, daß jemand von den Gästen sein unsicheres Verhalten registrieren könnte, behagte ihm nicht. Trotzig darum bemüht, seine Verlegenheit zu verbergen, blickte er sich um, doch die anderen kümmerten sich weniger um seine Person, als er gedacht hatte. Sie tranken und aßen, lachten und re deten. Nur Joscan Hellmut und Douc Langur hatten ihn aufmerksam beob achtet. Der Forscher der Kaiserin von Therm hob eine Greifklaue und deute te in die Richtung, in der France ver schwunden war. „Ich glaube, sie mag dich", pfiff er. „Ist dir das eigentlich schon aufgefal len?" Bjo stieß ein heiseres Lachen aus. „Es wäre schön, wenn du recht hät test. Nur kann ich mir nicht vorstellen, warum sie sich ausgerechnet für mich interessieren sollte." „Es fällt mir zwar schwer, mich in die Psyche eines Menschen zu verset zen", erwiderte Douc sachlich, „aber soviel ich weiß, gibt es dafür selten ei ne rationale Erklärung." „Schon gut!" Der Katzer machte ei
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ne ärgerliche Handbewegung. „Laß mich damit zufrieden! Ich will nichts mehr hören." „Merkst du eigentlich, wie sehr du dich selbst bemitleidest?" schimpfte Joscan. „Du bist heute fünfundzwan zig Jahre alt geworden. Wie lange wirst du noch brauchen, bis du begrif fen hast, daß Sympathie und Zunei gung nicht von Äußerlichkeiten ab hängig sind? Wenn dich dieses Mäd chen gern hat, dann fragt sie nicht da nach, ob du Haarbüschel auf der Haut hast oder ob deine Pupillen geschlitzt sind statt rund." „Natürlich fragt sie danach!" fauch te Bjo aufgebracht. „Es wird ihr nicht gleichgültig sein, ob sie mit einem normalen Mann oder einem Entarte ten zu tun hat!" „Rede keinen Unsinn, Junge!" Der Kybernetiker mußte an sich halten, um ihn nicht anzuschreien. „Wenn du dich als entartet bezeichnest, beweist das nur, wie sehr du dir darin gefällst, deine Probleme vor anderen zu dra matisieren. Es ist lächerlich!" Heftig warf Bjo den Kopf in den Nacken. „Ich habe dich nicht darum gebe ten, dich um mich zu kümmern", zischte er. „Dennoch erwartest du es, und du weißt, daß ich der letzte bin, der nicht jederzeit für dich da wäre. Nur habe ich keine Lust, mitanzusehen, wie du dich selbst immer mehr verleugnest, weil du glaubst, damit könntest du Sympathie erwecken oder fördern. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder, der etwas genauer hinschaut, merkt, daß France mehr für dich übrig hat als blo ße Freundschaft. Du brauchtest nur ihre Gedanken zu lesen, dann wüßtest du es. Aber du hast Angst davor, ent täuscht zu werden. Statt dessen ver-
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suchst du deine Art und deine Verhal tensweise zu ändern, aber damit er reichst du nichts." „Ich versuche nicht, mich zu än dern", verteidigte sich Bjo. „Es fällt mir nur manchmal schwer, zu begrei fen, daß ich unter all den Menschen an Bord ein Sonderfall bin." Joscan schüttelte unwillig den Kopf. „Du benimmst dich wie ein unmün diges Kind. Manchmal kommt es mir vor, als wärst du früher erwachsener gewesen "als heute. Ich kenne France seit ihrer Jugendzeit, Bjo. Wenn sie dich mag, dann tut sie es ohne jeden Vorbehalt."
Sie tat alles mögliche, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie legte die verschiedensten Lesespulen ein und versuchte sich an einer Partie 3-D-Schach gegen die kabineneigene Rechnereinheit, sie beschäftigte sich mit einem Problem aus ihrer berufli chen Tätigkeit, mit verschiedenen Handarbeiten und anderem Zeitver treib. Nichts davon half. Immer wieder mußte sie sich ihrer inneren Unruhe beugen. Dann stand sie auf und lief nervös im Raum um her, nur um sich anschließend wieder zu setzen und jenes leere, ohnmächti ge Gefühl zu spüren. In ihr herrschte der maßlose Drang, etwas zu unter nehmen. Sie wollte schreien oder ei nen Gegenstand an die Wand werfen, eine Mauer einreißen oder eine Fessel sprengen. Sie konnte es nicht. Mit dem zunehmenden Bewußtsein ihrer Machtlosigkeit steigerte sich ihr Herzschlag, die Hände begannen zu
Der Katzer
zittern, und auf der Stirn bildete sich kalter Schweiß. Sie fühlte sich wie in einem endlosen Kreislauf gefangen und war nicht fähig, daraus auszubre chen. Es dauerte einige Zeit, bis sie ruhi ger wurde. Irgendwann begann sie einzusehen, daß sie nur warten konn te, daß sie aus eigener Kraft nichts zu ändern oder herbeizuführen vermoch te. Sie brauchte Geduld, viel Geduld und ein bestimmtes Maß Gelassen heit. Es war nicht leicht, sich das anzu eignen, u n d es gelang ihr nur zum Teil. Aber sie spürte, wie ihre innere Stärke dadurch wuchs. Jetzt saß sie still in einem Sessel, die Haare zerzaust und das Gesicht ver steinert. Sie wartete. Manchmal wan derten ihre Blicke durch den Raum, in dem sie modernes und antikes Mobi liar auf eigenwillige Weise kombiniert hatte. Dann wieder schien sie ins Nichts zu starren und hing ihren Ge danken nach. Wenige Jahre nach ihrer Geburt hat te sie ihre Mutter verloren, die bei ei nem Reaktorunfall u m s Leben kam. Fast zwangsläufig entwickelte sie da nach eine überaus starke Bindung zu ihrem Vater, die sie selbst heute, als erwachsene Frau, nicht unterdrücken konnte. Sie half ihm über den Verlust seiner Gefährtin hinweg, und er stellte für sie zwei Elternteile in einer Person dar. Sicherlich war diese Vater-KindBeziehung psychologisch noch weit aus komplizierter gestaffelt, doch mochte das der Nenner sein, auf den sie sich für einen Laien bringen ließ. Für sie zumindest war es der tiefere Grund, warum sie sich noch immer nicht von ihm gelöst hatte und ihre ei genen Wege ging. Auch ihr Kontakt und die so plötz lich erwachte Zuneigung zu Bjo Breis
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Leitstrahl den Rückweg zur SOL nicht gefunden hatte? Daß die Maschi ne infolge unsachgemäßer Handha bung in der Atmosphäre des nahen Planeten verglüht war? Alle ihre Sorgen und Ängste über trugen sich auf die Bewegung ihrer Hand, die zitternd den Kontakt be rührte. Der Bildschirm flammte auf. In dreidimensionaler Widergabe ent stand das Abbild des Anrufers. „Bjo!" stieß sie überrascht hervor. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte sich völlig auf ihren Vater kon zentriert und außer acht gelassen, daß es an Bord jemanden geben mochte, der sich seinerseits um ihr Befinden sorgte. Der Anruf machte es deutlich. Sie schloß die Augen und atmete mit geöffnetem Mund aus. Ein Gefühl der Wärme u n d der Zuneigung über schwemmte sie. Ihre innere Ver krampfung löste sich, und die aufge stauten Nöte brachen sich Bahn in be freienden Tränen. Als sie die Augen wieder öffnete, stand das Bild des Katzers immer noch vor ihr, etwas verschwommen zwar, aber deutlich. „Bjo..." Sie lachte und weinte in einem, und aus ihrer Stimme sprach die große Er leichterung, die sie empfand. Er ließ sie nicht allein. Er war da, kümmerte sich um sie, dachte an sie und ihre Probleme, versuchte ihr zu helfen. Geduldig sah er mit an, wie sie sich die Tränen aus den Augen wisch te, wie sie sich langsam in ihrem Ses sel niederließ und verlegen zu lächeln begann. „Ich . . . " Er schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. „Ich wollte hören, wie es dir geht. Hast du etwas von deinem Vater erfahren?" Mein Gott, dachte sie, da stand er, ei
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ne dreidimensionale Projektion, und war doch in Wahrheit so weit von ihr entfernt. Warum war er nicht selbst gekommen? „Nein, noch nicht", antwortete sie mit belegter Stimme. „Bis jetzt gibt es keine Neuigkeiten." Er nickte leicht, als hätte er nichts anderes erwartet. „Mach dir bitte keine Sorgen", sagte er ruhig. Fast hatte sie den Eindruck, daß er mehr wußte, als er ihr gegenüber zu gab. Trotzdem strahlte er in diesem Moment etwas ungemein Vertrauen erweckendes aus. Plötzich fühlte sie sich geborgen. „Was ist mit deiner Geburtstagsfei er?" fragte sie zusammenhanglos und kam sich im gleichen Augenblick lä cherlich dabei vor. „Warum läßt du deine Gäste allein? " Im Grunde genommen, überlegte sie, wollte sie nur hören, daß sie ihm wichtiger war als alle anderen. Sie wollte hören, daß er ähnlich empfand wie sie. Bjo aber lächelte nur nachsichtig. „Die Feier ist längst zu Ende. Es ist bereits weit nach Mitternacht." Das kam unerwartet. In der ersten Überraschung blickte sie zu Boden. „Ohne dich", fügte er hinzu, „war dieser Geburtstag sowieso nur die Hälfte wert." Die Worte versetzten ihr einen Stich. Abermals fühlte sie sich auf innige Weise mit Bjo verbunden. Doch als sie den Kopf wieder hob, sah sie in kalte, stechende Augen. Das Lächeln war aus seinem Gesicht ver schwunden. Von einer Sekunde zur anderen hatte sich der Katzer verän dert — als verfügte er über zwei Ge sichter, die er nach Belieben wechseln konnte.
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Angst kroch in ihr hoch. Sie hatte jetzt einen Sinn. Obwohl er die Gefahr keine Erklärung für diese plötzliche erfaßte, sah er sich außerstande, di Wandlung. Es gab zwar keinen Grund, rekt einzugreifen. Es war der Grund das auf sich zu beziehen, dennoch zog für sein merkwürdiges Verhalten. ein eisiger Schauer über ihre Haut. Diese und ähnliche Gedanken „Paß auf dich auf, Mädchen." Die schossen ihr durch den Kopf, während Sanftheit in Bjos Stimme paßte nicht die Eindringlinge sich aufmerksam mehr zu seinem Erscheinungsbild. umsahen, ohne sie jedoch aus den Au Die Pupillen seiner Augen verengten gen zu lassen. Schließlich trat einer sich. Er zog die Oberlippe hoch und der Männer auf sie zu. fauchte leise. „Ich kann dir im Mo „Du bist France Ivory? " ment nicht helfen, aber ich werde für „Ja", nickte sie, „die bin ich." dich da sein . . . ! " Sie verstand nicht, was sie von ihr Er trennte die Verbindung, die Wie wollten. Sie war sich nicht bewußt, et was getan zu haben, das den Einsatz dergabe verblaßte. Stumm saß sie da, griff sich an die von zwei bewaffneten Sicherheitsleu Stirn. Natürlich; Bjo Breiskoll war Te ten rechtfertigte. Allerdings begriff lepath. Inmitten der Gedanken sie, daß sie alles nur noch verschlim schwingungen der Menschen an Bord mern würde, wenn sie protestierte mußte er etwas aufgefangen haben, oder sich widerspenstig verhielt. Sie das ihn zutiefst erschreckte. Nur so zwang sich, ruhig zu bleiben. war sein seltsames Verhalten zu erklä „Wir würden von dir gern erfahren, ren. wo sich dein Vater aufhält", sagte der Als sich hinter ihr das Schott zu ih Mann. Seine Augen blickten lauernd. rer Kabine ohne ihr Zutun öffnete, Irgendwie kam ihr die Situation un fuhr sie erschrocken aus dem Sessel wirklich vor. Sie hätte jedoch nicht zu hoch. Sie drehte sich um und erkannte erklären vermocht, warum das so war. zwei Männer, die mit vorgehaltenen Etwas sagte ihr, daß die Offiziere ei Blastern in den Raum eindrangen. gentlich besser informiert sein müß Mit einem Schlag wurde ihr alles ten als sie. klar. Der Katzer hatte nach ihrem Be „Wo er sich aufhält, weiß ich nicht", such keine Ruhe mehr gefunden. Er antwortete sie ausweichend. „Ich ha war einem seiner Grundsätze untreu be seit Stunden nichts von ihm ge geworden und hatte in den Gedanken hört." anderer Menschen gelesen. Er mußte „Was weißt d u ? " wissen, was mit ihrem Vater gesche Die glühenden Abstrahlmündungen hen war, zumindest daß er noch lebte; der Blaster nahmen ihr das Recht, Fra nur deshalb war er vorhin so ruhig ge gen nach dem Sinn des Verhörs zu blieben. Und er hatte erkannt, was stellen. Tief im Innern argwöhnte sie hier, in ihrer Kabine, gleich geschehen jedoch, daß die Männer sie in eine Fal würde; deshalb war er so verändert ge le locken wollten. Eine konkrete Vor wesen, bevor er die Verbindung unter stellung davon hatte sie nicht, den brach. noch blieb sie vorsichtig. Sie hob die Im Nachhinein schämte sie sich für Schultern, um ihre unschuldige Gelas die Angst, die sie vor ihm empfunden senheit zu unterstreichen. hatte. Seine letzten Worte erhielten „Mir ist nur bekannt, daß er die Ab
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sicht hatte, einen Inspektionsflug zu unternehmen..." Der Mann nickte knapp. Seine Lip pen bildeten einen dünnen Strich. „Das genügt!" Im gleichen Moment begriff sie, daß die Falle zugeschnappt war. Es war, als schlösse sich eine eisige, dunkle Klammer um sie. Ihrer Aussage mußten die Männer entnehmen, daß sie über das Vorha ben ihres Vaters informiert gewesen war und ihn nicht davon abgehalten hatte. Etwas anderes schienen die Si cherheitsleute gar nicht hören zu wol len . . . Aber ihr Fehler ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Sie fühlte sich hart am Arm gepackt und mitgezerrt. In einem instinktiven Reflex sträubte sie sich, doch darauf hin wurde der Griff nur noch fester. „Sei vernünftig. France Ivory! Wir müssen dich mitnehmen." „Warum?" schrie sie. während sich ihr Gesicht vor blindem Zorn rötete. „Was habe ich getan? " „Dein Vater ist wegen Meuterei an geklagt, und du hast dich mit deiner Antwort der Mitwisserschaft über führt. Es bleibt uns nichts übrig, als dich ebenfalls zu verhaften . Hätte sie nicht den Druck und die unsanfte Behandlung gespürt, sie wä re sich vorgekommen wie in einem Traum oder einem schlechten Film. „ M e u t e r e i . . . ? " stammelte sie fas sungslos. „Wißt ihr überhaupt, was Meuterei i s t . . .?" Sie begriff nichts mehr. Das konnte nicht wahr sein. Sie fühlte sich als Op fer einer gemeinen Intrige, hintergan gen und getäuscht. Als sie, die Männer an ihrer Seite, auf den Gang hinaus trat, konnte sie kaum einen klaren Ge danken mehr fassen. Alles war unver-
ständlich und verworren. Nur das Bewußtsein, daß an anderer Stelle jemand dieses grausame Spiel verfolgte, hielt sie aufrecht. Aus der Wirrnis ihrer Empfindungen schälte sich die Gestalt, der sie so viel Ver trauen entgegenbrachte. Bjo...! Ihre ganze Verzweiflung legte sie in den Ruf. Auf geistigem Wege versuch te sie, sich verständlich zu machen, ihn zu erreichen. Bjo! Ich weiß, daß du mich hören kannst. Ich brauche deine Hilfe. Was hier geschieht, ist Unrecht! Hilf meinem Vater und mir, wenn du dazu in der Lage bist! Hilf uns... 4.
Wie ich es befürchtet habe, ist Perg Ivory wegen seiner eigenmächtigen Handlungsweise in Haft genommen worden. Es war nicht anders zu erwar ten. Ein Gericht wird sich in den näch sten Tagen mit seiner unbedachten Ak tion beschäftigen. Allerdings ist in Zusammenhang mit seiner Festnahme eine gefährliche Es kalation der Verhältnisse eingetreten, die mich, je länger ich darüber nach denke, mehr und mehr entsetzt. Perg Ivory der Meuterei zu beschul digen, ist dermaßen widersinnig, daß man fast eine Art Verschwörung da hinter vermuten könnte. Dafür, daß auch seine Tochter zur Verantwortung gezogen werden soll, finde ich keine Worte mehr. Genausogut könnte man mich der Mitwisserschaft anklagen. Ich war ebenfalls über Pergs Vorhaben informiert, und jeder weiß das. Für meine Begriffe kann nur Gavro Yaal diese Ereignisse inszeniert ha ben. Seine These der totalen Abwen
Der Katzer
dung von festen Himmelskörpern ist für ihn und die meisten seiner Anhän ger schon zu einem Glaubensbekennt nis geworden. Für die Mannschaft muß Pergs Flug eine eklatante Verlet zung dieses Grundsatzes sein. Von sei nem Standpunkt aus kann Yaal das nicht einfach hinnehmen. Bis heute habe ich die Entwicklung beobachtet, ohne konkret zu versuchen, meine eigenen Vorstellungen zu ver wirklichen. Die wenigsten hätten ohne hin auf mich gehört. Jetzt jedoch ist das Maß voll. Ich werde diesem Treiben nicht länger tatenlos zusehen. So sehr ich mich mit allen Solanern und ihrer Weltanschauung grundsätzlich ver bunden fühle — sie haben nicht das Recht, Andersdenkende auf so brutale Weise aus dem Verkehr zu ziehen. Joscan Hellmut am 14. Juli 3590
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Fähigkeiten die Leute auf seine Seite zu ziehen verstand. Der ehemalige Sprecher der Solge borenen wurde zu einer Figur im Hin tergrund. Nicht, daß man ihn gemie den hätte. Er genoß weiterhin einiges Ansehen, und viele kamen zu ihm, wenn sie Rat brauchten oder ein per sönliches Problem besprechen woll ten. Aber er war stiller geworden, nachdenklich, weil die gesamte Ent wicklung in Bahnen abglitt, die er nicht vorausgesehen hatte und die er nicht befürwortete. Seine Meinungen hierzu behielt er weitgehend für sich, weil er keinen offenen Streit provozie ren wollte, und oft gab er um des Frie dens willen nach. Nicht wenige Sola ner kreideten ihm das als Schwäche an. Nun aber war er entschlossen, sein defensives Verhalten aufzugeben. Er war sich darüber im klaren, daß er sich mit seiner Intervention neue 5. i Feinde schaffen würde, aber das muß Es war lange her, daß Joscan die te er riskieren. Zentrale im Mittelteil der SOL zuletzt Es war keine angenehme Vorstel betreten hatte, und das flaue Gefühl, lung, und einen Moment zögerte er, als das ihn beherrschte, kam nicht über er vor dem Zentraleschott stand. Dann raschend für ihn. In gewisser Weise gab er sich einen Ruck und trat ent stand er im Begriff, die Höhle des Lö schlossen ein. wen aufzusuchen. Er fühlte sich alles Wie eine Woge umspülte ihn der andere als wohl dabei. Eindruck zielgerichteter Geschäftig Seit dreieinhalb Jahren war die SOL keit. Es wirkte befreiend auf ihn. Hier jetzt unterwegs, ohne daß sich ein Ter wurden Berechnungen und Einsatz raner in die inneren Belange der Be pläne erstellt, Anweisungen gegeben satzung eingemischt hätte. Seit drei und Meldungen aus anderen Schiffs einhalb Jahren bestimmten die Solge bereichen entgegengenommen und borenen selbst, welcher Kurs einge bearbeitet. Die Vorbereitungen für die schlagen wurde und wie sie ihr Leben Aufnahme von Rohstoffen, haupt sächlich von Wasser, liefen auf vollen an Bord zu gestalten dachten. In dieser Zeit war Joscans Einfluß Touren. stetig gesunken. Immer mehr Men Im ersten Augenblick schlug diese schen schlossen sich Gavro Yaals An Atmosphäre, die er so lange entbehrt sichten an, der mit missionarischem hatte, den Kybernetiker in ihren Eifer und ausgeprägten rhetorischen Bann. Er lächelte, blieb stehen und
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blickte sich um. Einige Leute, die ihn erkannten, grüßten freundlich, wäh rend sie an ihm vorbeihasteten. Etwas wie Wehmut begleitete die Erinne rung an vergangene Zeiten. Dann hatte sich Joscan wieder in der Gewalt. Inmitten der Menschen erkannte er Gavro Yaal, der sich mit dem diensttuenden Emotionauten un terhielt. Er streifte alle anderen Ein drücke von sich ab und schritt auf ihn zu. Als Yaal den Kybernetiker bemerk te, hob er unwillig den Kopf. Der Emotionaut, der die Spannung zwi schen den Männern zu spüren schien, entfernte sich hastig. „Was suchst du hier?" Joscan mochte sich aus den inter nen Belangen der SOL schon lange heraushalten — Rückgrat besaß er im mer noch. Den abweisenden Blick er widerte er standhaft. „Ich möchte mit dir reden." • Gavro Yaals Gestalt straffte sich. Er merkte, daß der Kybernetiker sich diesmal nicht mit einigen Worten ab speisen lassen würde, daß er notfalls die offene Konfrontation in Kauf nahm. „Ich wüßte nicht, was es zwischen uns zu reden gibt." Seine Stimme ent hielt eine Spur verletzender Ironie. „Die Tatsache, daß wir gezwungen sind, einen Planeten anzufliegen, um unsere Wasservorräte zu ergänzen, müßte deinen Stolz doch eigentlich zufriedenstellen." Joscan lächelte verhalten. „Es ist eine Bestätigung dessen, was ich immer gesagt habe", gab er leicht hin zurück, „und erscheint mir des halb keiner Diskussion mehr wert. Der Grund meines Hierseins ist ein an derer." Yaals Wangenknochen traten her-
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vor. Seine Stimme wurde härter. „Welcher?" Der Kybernetiker kämpfte gegen den Impuls an, dem anderen ins Ge sicht zu schreien, was er von seinen Methoden hielt. Gewaltsam be herrschte er sich. Seine Stärke lag in der Gelassenheit. „Nun . . . " Er wunderte sich selbst, wieviel unpersönliche Freundlichkeit sein Tonfall enthielt. „Ich möchte es so ausdrücken: Es ist mir nicht egal, was mit Perg Ivory und seiner Tochter geschieht..." Um Yaals Mundwinkel zuckte es. „Was willst du damit sagen?" fragte er gefährlich leise. „Ich will damit sagen, daß ich es für Irrsinn halte, wenn ein Mann, der sich einer Lightning-Jet bemächtigt und diese nach einem Flug ohne jede Be schädigung wieder übergibt, der Meu terei angeklagt wird. Und ich will deutlich machen, daß in mir der Ein druck entstanden ist, als arbeite eine bestimmte Gruppe darauf hin, diesen Mann mit unlauteren Mitteln aus dem Verkehr zu ziehen." Während dieser Sätze hatte Joscan Hellmut immer lauter gesprochen. Er betonte jedes Wort, ohne dabei ausfal lend oder hektisch zu wirken. Der Er folg stellte sich bereits ein. Die ersten Leute waren auf den Disput aufmerk sam geworden. Sie blieben stehen und wandten die Köpfe. Andere reagierten ebenso, und plötzlich herrschte im weiten Rund der Zentrale gespanntes Schweigen. Gavro Yaal war das sichtlich unan genehm. Man sah ihm an, wie es in ihm arbeitete. „Du bist befangen, weil du die An geklagten gut kennst", warf er dem Kybernetiker vor. „Du kennst die Bordgesetze doch selbst. Eines davon
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lautet, daß kein Solaner konkrete Be strebungen unternehmen darf, ohne ausdrückliche Genehmigung auf ei nem Planeten zu landen. Perg Ivory hat sich dieser Vorschrift widersetzt und damit gegen die Interessen der Gemeinschaft verstoßen." „Das ist richtig", gab Joscan zu. „Es ist jedoch keine Meuterei! Niemand ist gegen die Schiffsführung vorgegan gen, niemand hat gegen die Gemein schaft gehetzt, und niemand wurde aufgewiegelt." „Es hätte aber passieren kön nen . . ." „Was hätte passieren können? Daß andere Perg Ivorys selbstmörderi schem Beispiel folgten? Daß plötzlich tausend oder mehr Besatzungsmit glieder auf die Idee kommen, das Schiff zu verlassen? Meinst du nicht selbst, daß du dich mit solchen An nahmen geradezu lächerlich machst?" „Sei vorsichtig", knurrte Yaal. All mählich verlor er die Lust, innere Ru he vorzutäuschen. „Du könntest ge nauso leicht in die Mühlen des Geset zes geraten!" „Ist das eine Drohung?" „Faß es auf, wie du willst." „Moment!" Joscan hob einen Arm, als Yaal Anstalten machte, sich abzu wenden.? „Zweifelt in diesem Raum auch nur einer daran, daß ich mit der Lebensauffassung der Solaner bis auf wenige Punkte völlig konform gehe? Daß ich mich mit der Zielsetzung die ses Fluges ebenso identifiziere wie je der andere?" Niemand antwortete. Haben wir überhaupt ein Ziel? schoß es dem Kybernetiker durch den Kopf, doch er hütete sich, seine Zwei fel laut auszusprechen. Mit brennenden Augen sah er Gavro Yaal an.
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„Deine Drohung geht ins Leere", stellte er fest. Jetzt, nachdem er mit Si cherheit wußte, daß keiner der Anwe senden ihn beschuldigen würde, konnte er noch sicherer auftreten. „Ebenso wird sich herausstellen, daß Perg Ivory nie die Absicht hatte, auf dem Planeten zu landen." „Es ist die Aufgabe des Gerichts, dies zu untersuchen!" „Sicher. Ich wollte dem nicht vor greifen, wie es andere tun." Wieder lä chelte Joscan unverbindlich, doch gleich darauf wurde sein Gesichtsaus druck wieder ernst. Er hob die Stim me. „Was France Ivory betrifft, so er kläre ich hier in aller Öffentlichkeit, daß sie von den Absichten ihres Va ters nichts wußte. Sie hat es erst von mir erfahren. Wenn also jemand we gen sogenannter Mitwisserschaft an geklagt werden m u ß , dann bin ich es!" Gavro Yaal wirkte wie versteinert. „Ich werde mich daran erin nern . . . " , sagte er vieldeutig. Joscan nickte. Jede Person an Bord wußte aus eigener Anschauung, was er für die Interessen aller Solgebore nen getan hatte, als Perry Rhodan noch das Kommando führte. Nieman dem würde es einfallen, Hand an ihn zu legen, weil einer seiner Freunde ihn über eine beabsichtigte strafbare Handlung informiert hatte. Seine Loyalität stand trotz aller Anfeindun gen, denen er ausgesetzt war, außer Frage. Als der Kybernetiker die Zentrale verließ, wußte er, daß sein Weg nicht umsonst gewesen war. Diesmal war es Gavro Yaal nicht gelungen, ihn mund tot zu machen.
„Ich bin froh, daß sie dich freigelas
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sen haben. Ich stand knapp davor, ei ne Dummheit zu begehen." France beobachtete den Katzer, wie er lautlos zum Versorgungsautomaten ging. Das Tasten einer Bestellung, das Entgegennehmen des gefüllten Be chers und das Trinken eines Schlucks waren eine einzige, fließende Bewe gung. Geschmeidig ließ er sich ihr ge genüber nieder. „Was wolltest du tun? Mich heraus holen?" Bjo nickte. „Ich habe mit dem Gedanken ge spielt. Irgendwie war es mir unerträg lich, dich in Gefangenschaft zu wissen." Sie lächelte offen. Einmal mehr wur de ihr deutlich, was dieser Mann alles für sie tun würde. „Ich bin dir sehr dankbar", sagte sie. „Aber es war besser, daß du abgewar tet hast. Du hättest dich nur selbst in größte Schwierigkeiten gebracht." Bjo hob die Schultern. „So schlimm wäre es nicht gewor den. Meine Popularität an Bord ist ziemlich groß. Sie würden sich hüten, einen Telepathen anzugreifen, zumal sie nicht wissen können, ob sie irgendwann in eine Situation kommen, in der sie mich dringend brauchen." Er sagte das ohne jede Spur von Überheblichkeit. „Außerdem", fügte er hinzu, „kann ich mich erinnern, einen gedanklichen Hilferuf von dir gehört zu haben." „Wenn du jedem zu Hilfe eilen woll test, der sich ungerecht behandelt fühlt, wärst du sehr beschäftigt..." Diese Bemerkung war eine reine Provokation. France wußte es. Wieder wollte sie aus seinem Munde hören, was sie selbst sich erhoffte. „Es gibt Unterschiede", sagte Bjo einfach.
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Aus seinen katzenhaften Augen sah er sie an. Manchmal fürchtete sie sich vor diesen Augen, doch heute war es anders. Erstmals wurde ihr bewußt, daß sie ebenso ausdrucksfähig waren wie die jedes anderen Menschen, daß sie Wärme vermitteln konnten und Empfindungen widerspiegelten. Sie gab seinen Blick zurück, lange und schweigend — und sie spürte, wie ein wohliger Schauer sie durchfuhr. Seit vier Monaten kannten sie sich jetzt. Von Anfang an waren sie gut miteinander ausgekommen, hatten sich im Lauf der Zeit immer besser verstanden und viel gemeinsam unter nommen. Noch nie war ihr jedoch so deutlich gewesen, daß aus ihrer an fänglichen Freundschaft längst mehr geworden war. Es schien ihr wie eine Brücke, von beiden Seiten behutsam aufgebaut und Stück um Stück erwei tert, deren Hälften aufeinander zu strebten, bis sie sich berührten und zu einer Einheit verschmolzen . . . „Ist dir eigentlich je in den Sinn ge kommen, meine Gedanken zu lesen?" Die Frage kam so spontan, daß sie sich selbst darüber ärgerte. Hastig fügte sie hinzu: „Ich meine normalerweise, wenn ich nicht wie gestern in Not bin..." Insgeheim erwartete sie «ine Ant wort, die seiner Empörung Ausdruck gab. Bjo reagierte jedoch völlig an ders. „Die Versuchung ist manchmal groß", gab er zu. „Aber ich bin stark genug, ihr widerstehen zu können." France wußte, daß er die Wahrheit sagte, und auch das war für sie eine Bestätigung, wie gut sie ihn mittler weile kannte, wie leicht es ihr fiel, sich in ihn hineinzuversetzen. Sie traute sich zu, es sofort zu merken, wenn er ihr etwas verheimlichte oder etwas zu
Der Katzer
vertuschen suchte. Aber das hatte er nicht nötig. So un geschickt und ungewöhnlich er sich in ihrer Gegenwart manchmal benahm — dieses Gespräch hatte ihr gezeigt, daß er eine gehörige Portion Selbst vertrauen besaß. „Woran denkst d u ? " Sie lachte hell. „Daran, daß du vermutlich nicht so dumme Fragen stellen würdest, wenn du meine Gedanken verfolgtest." Er sah sie an, immer noch, unver wandt. Sein Blick wurde forschend. „Es würde viel zerstören . . . " Dies war ein Abtasten, schoß es ihr durch den Sinn, ein gegenseitiges, schüchternes Ergründen der Gefühle des anderen. Beide übten sie sich dar in, aus Worten herauszulesen, wie weit die Zuneigung des Gegenübers rei chen mochte. „Ja..." Wie sehr Bjo alle ihre Sorgen zunich te machte, überlegte sie, und plötzlich begann sie sich in einem inneren Im puls dagegen zu wehren, die Welt um sich zu vergessen. Vor wenigen Stun den hatte sie sich noch in der Gefan genschaft befunden, an der Seite ihres Vaters, und nur Joscan Hellmuts Auf tritt in der Kommandozentrale hatte dazu geführt, daß man sie auf freien Fuß gesetzt hatte. Ihr Vater aber stand weiterhin unter Anklage. Sie durfte das nicht einfach übergehen oder so tun, als würde sich dieses Problem auf ebenso einfache Weise lösen lassen wie ihres. Es war für sie selbst wie ein krasser Schnitt, aber mit einemmal war sie nicht mehr fähig, diese Gedanken zu verdrängen. Vielleicht zog sie unbewußt die Stirn in Falten, vielleicht wurde der Ausdruck ihrer Lippen um eine Spur
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härter — Bjo Breiskoll jedenfalls regi strierte ihren Stimmungsumschwung sofort. Sein Blick veränderte sich. Die Wärme, die er eben noch verströmt hatte, schwand. Plötzlich wirkte er, als hätte man ihn aus einem Traum geris sen, der von nüchterner Wirklichkeit verdrängt wurde. Es tat ihr weh, das so deutlich zu er leben; zu sehen, wie er ihre innere Wandlung ohne Vorbehalte auf sich bezog. Aber sie hatte nicht die Kraft, jetzt darauf einzugehen. „Ich sorge mich um Vater", sagte sie, in der Hoffnung, daß er diese Andeutung einer Erklärung richtig verstand. „Ich habe Angst, daß das Gericht der Anklage folgt und ihn als Meuterer verurteilt." Dem Katzer fiel es schwer, sich auf das Thema einzustellen, nachdem er eben noch geglaubt hatte, es könnte sich ein aufschlußreiches Gespräch über die Beziehung zwischen France und ihm entwickeln. Allerdings war er fair genug, dem Mädchen zuzugeste hen, daß sie Pergs Schicksal mehr be drückte und beschäftigte als alles an dere. „Das kann ich mir nicht vorstellen", sagte er. „Es wäre absurd." France fand diese Antwort einfältig, aber sie machte ihm keinen Vorwurf daraus. Bjo war ein sensibler Mensch, der seine Zeit brauchte, sich auf ihre plötzlich erwachte nüchterne Sach lichkeit einzustellen. „Du unterschätzt Gavro Yaals Ein fluß", erwiderte sie leise. „Es ist ihm noch nie schwergefallen, die Leute auf seine Seite zu ziehen. Du hast doch die Entwicklung ebenso miterlebt wie ich, nachdem uns Perry Rhodan die SOL übereignet hat. Anfangs wurden Personen, die Yaals Postulaten skep tisch oder ablehnend gegenüberstan
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den, zwar geduldet, aber sie bekamen auch damals schon zu spüren, daß sie ziemlich weit am Rand der Gemein schaft standen. Mit den Jahren wurde das immer schlimmer, und heute stellt man sie schon als Meuterer hin. Die meisten Solaner befürworten das, und daran kommt auch das Gericht nicht vorbei." Bjo schüttelte den Kopf. „Nein, France! Das Gericht ist auf Tatsachen angewiesen, es muß den Fall untersuchen und prüfen, ob dein Vater tatsächlich gegen die Interessen der Solaner gehandelt hat. Spätestens dann wird sich herausstellen, daß er einem persönlichen Bedürfnis gefolgt ist und nie die Absicht hatte, sich von den allgemeinen Grundsätzen loszusa gen." „Das sagst du, Bjo, weil du es weißt! Der Richter kann aber nur beurteilen, was er getan, und nicht, was er dabei gedacht hat! Muß ich dir noch klarma chen, was das bedeutet? Ist dir be kannt, welche Strafe auf Meuterei steht?" So stark steigerte sie sich in die Vor stellung hinein, daß ihre Stimme um kippte und ihre Augen feucht wurden. „Ich weiß es", sagte Bjo matt. ..Ich würde ihm gerne helfen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich das tun soll, oh ne seine Lage noch weiter zu ver schlimmern." Die Anteilnahme war echt. France befand sich jedoch nicht in der Stim mung, dies zu würdigen. „Niemand kann ihm helfen. Das ist ja die Tragik. Wir können nur dasitzen und abwarten, wie das Gericht ent scheidet." Der Katzer antwortete nicht. Nach denklich nippte er an seinem Becher. France beobachtete ihn. Er vermied es, sie anzusehen, und unwillkürlich
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fragte sie sich, warum. Vielleicht heckte er doch einen Plan aus, wie man Pergs Schicksal günstig beein flussen könnte . . . Nein! schalt sie sich selbst. Weder Bjo noch sonst jemand war in der La ge, etwas für ihn zu tun. Das Summen des Interkoms unter brach ihre Gedanken und die Stille, die sich in dem Raum ausgebreitet hatte. Ihr Kopf ruckte herum. Bjo blickte auf. Für den Bruchteil einer Sekunde sa hen sich die beiden Menschen an, als ahnten sie, daß eine Nachricht auf sie wartete, deren Übermittlung keinen Aufschub duldete. Dann betätigte France eine der Kontaktplatten, die in der Armlehne ihres Sessels integriert waren. Die Verbindung wurde hergestellt. Der Anrufer war Joscan Hellmut. Der ehemalige Sprecher der Solgebo renen hatte die Stirn in Falten gelegt. Seine Lippen waren ein dünner Strich. „Ihr müßt jetzt die Nerven behal ten", brach es aus ihm heraus. „Perg ist geflohen!" France sprang auf. Einen Moment mußte sie sich an der Sessellehne festhalten, weil ihre Knie zitterten, dann hatte sie sich wieder in der Ge walt. ..Er i s t . . . geflohen"!" stammelte sie voller Unglauben. „Wie konnte das passieren?" ..Ich weiß es nicht, Mädchen." Jos can schüttelte den Kopf. „Bisher dach te ich auch, daß unsere Gefängnisse ausbruchsicher sind. Trotzdem ist es ihm gelungen. Er hat einen Wächter niedergeschlagen und entwaffnet. Ich habe es eben erfahren — von meinem speziellen Freund Gavro Yaal persön lich. Es war ihm eine innere Freude,
Der Katzer
mir das mitzuteilen." Bjo erhob sich ebenfalls. „Dieser Narr!" flüsterte er. „Er macht alles nur noch schlimmer." „Das kannst du laut sagen", stimmte Joscan zu. „In den Augen der meisten Leute wird das wie ein Schuldaner kenntnis aussehen. Gavro Yaal und seinen Anhängern kommt es sehr ge legen." „Was geschieht jetzt?" fragte Fran ce. Ihre Stimme klang brüchig. „Was hat Vater vor?" Joscan hob die Schultern. „Was weiß denn ich!" erwiderte er ungehalten. „Ich bin ein besonnener Mensch, der immer ein vernünftiges Mittelmaß sucht. Ich habe keine Ah nung, was ein Mann anstellt, der offen sichtlich den Verstand verloren hat und außerdem im Besitz einer funk tionierenden Waffe ist." „Bitte!" schrie France auf. Ihr Ge sicht verzerrte sich. „Rede nicht so von ihm!" Sie spürte die sanfte Berührung des Katzers um ihre Schulter. „Er hat es nicht so gemeint", vertei digte Bjo seinen Freund. „Er hat ge nauso schlechte Nerven wie wir." Für einen Moment schloß sie die Augen. Tief atmete sie durch. Wie groß die Fähigkeit dieses sensiblen Mutanten war, beruhigend auf sie ein zuwirken, dachte sie. Ihr Inneres schien ausbrechen zu wollen. Endlich war jemand da, der ihre Sorgen teilte. Sie gab dem Impuls nach. Langsam ließ sie den Kopf zur Seite sinken, bet tete ihn an seine Schulter. Sie spürte Tränen, die ihr feucht die Wange her abrannen. Wie von einer weichen, schützenden Substanz fühlte sie sich umhüllt, in die sie sich bedenkenlos fallen lassen konnte. Der Druck seines Armes verstärkte
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fängnis ausgebrochen ist und einen Wächter entwaffnet hat. Wahrschein lich hat irgend etwas in seinem Schä del kurzgeschlossen, und dein Vater ist ein Mann, der auch ausführt, was er sich einmal vorgenommen hat. Wel cher Plan auch in ihm herumspukt, mit einem Strahler in der Hand wird sein Weg mit Blut besudelt sein! Wenn niemand mit ihm redet, der Verständ nis für seine Situation hat, gibt es ein Drama. Wir müssen ihn dazu bringen, sich freiwillig zu stellen. Nur dann hat er eine Chance, das alles zu überleben und nicht irgendwann erschossen zu werden." Je länger er sprach, desto sicherer wurde France, daß seine Überlegun gen nicht von der Hand zu weisen wa ren. Immer stärker setzte sich in ihr das Bewußtsein durch, daß Joscans Appell, nichts mehr zu unternehmen und stillzuhalten, einem überstarken Gefühl der Resignation entsprungen war. Bjo Breiskoll dagegen war nicht be reit, die Dinge auf sich beruhen zu las sen. Vielleicht hätte er anders reagiert, wenn es in ihm nicht diese starke ge fühlsmäßige Bindung zu ihr und da mit auch zu ihrem Vater gegeben hät te. So aber war er entschlossen, sich und seine Autorität einzusetzen, um Perg zumindest das Schlimmste zu er sparen. „Was willst du t u n ? " fragte sie leise. Sie war nicht davon überzeugt, daß seine Bereitschaft zur Hilfe auch durchführbar war. „Wie willst du Va terfinden?" „Ich bin Telepath", erwiderte der Katzer ruhig. „Wenn ich erst herausge funden habe, wo er steckt, wird sich auch eine Möglichkeit bieten, an ihn heranzukommen. Alles Weitere muß sich ergeben."
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Seine Tatkraft imponierte ihr, aber sie blieb weiterhin skeptisch — bis sie plötzlich begriff, daß seine Ausfüh rungen ein Vorschlag gewesen waren, nichts weiter als eine Idee, die ihrer Zustimmung bedurfte. Bjo stand da und sah sie auffordernd an. Ja, er war tete auf ihre Äußerung! „Ich weiß nicht, ob es richtig ist", sagte sie unsicher. „Wenn du meinen Vater aufsuchst, kannst du selbst in größte Schwierigkeiten kommen." Sie ärgerte sich über ihre Unent schlossenheit, aber letztlich mußte Bjo allein entscheiden, ob er das Risi ko eingehen wollte. Sie hatte kein Recht, ihn zu etwas zu drängen. Ihre Zweifel schienen ihn in seiner Entschlossenheit jedoch nur zu be stärken. Er lehnte sich rücklings ge gen die Wand und konzentrierte sich. France versuchte sich vorzustellen, was jetzt in seinem Kopf geschah, aber es gelang ihr nur mangelhaft. Die SOL war erfüllt von den Gedankenimpul sen ihrer Besatzungsmitgüeder. Von allen Seiten stürmten sie auf den Kat zer ein. Er mußte sich fühlen wie in ei nem Dschungel, durch den er sich kämpfte, ohne zu wissen, wo sein Ziel lag. Zwar kannte er Perg Ivorys emo tionales Muster, doch war es schwer, es unter den anderen aufzuspüren. Wahrscheinlich wirkte sein Gehirn in diesem Moment wie ein Sieb, das alles Unwichtige durchließ und nur die Ge danken einer bestimmten Person auf fangen würde. Je länger der Katzer schweigend ge gen die Wand gelehnt verharrte, desto mutloser wurde France. Es war ein fast aussichtsloses Unternehmen. Die Phase der Konzentration dauerte zu lange für ihre Begriffe. Inmitten des gedanklichen Wirrwarrs an Bord konnte er nicht erfolgreich sein. Er
Der Katzer
mußte scheitern. Irgendwann wandte sie sich ab. Sie mochte nicht weiter mitansehen, wie Bjo sich um etwas bemühte, das keine Aussicht mehr versprach. „Laß es gut sein", bat sie müde. „Du findest ihn nicht. Eher erfahren wir aus den Bordnachrichten, wo er sich aufhält." Die Bewegung des Katzers war nicht zu hören. Sie sah aus den Au genwinkeln, wie er sich von der Wand abstieß. „Ich habe ihn!" Unwillkürlich blieb sie stehen. Der Eindruck der momentanen Ungläu bigkeit vermischte sich mit einem warmen Gefühl der Zuneigung. Drei kleine Wörter, die dieser Mann sagte, genügten ihr, um plötzlich wieder Zu versicht zu schöpfen . . . „Er treibt sich im Mittelteil herum", erklärte Bjo. „Es dürfte nicht schwer sein, an ihn heranzukommen. Die Si cherheitsleute hat er erst einmal abge schüttelt." France drehte sich zu ihm herum und ergriff ihn an beiden Armen. „Du konntest seine Gedanken le sen?" Die Frage entsprang einer sponta nen Freude, geboren aus dem inneren Hochgefühl, jetzt endlich etwas unter nehmen zu können. France wußte, daß sie im Grunde genommen naiv war. Natürlich konnte Bjo die Gedan ken ihres Vaters lesen! „Zum T e i l . . . " , antwortete er aus weichend. Sofort wurde sie mißtrauisch. „Was heißt das?" „Es heißt, daß ich einen Gedanken fetzen aufgefangen habe, von dem ich nicht sicher bin, daß er aus sei nen oberflächlichen Überlegungen stammt. Er kann auch unbewußt ent
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standen sein. Es war kein schöner Ge danke, und wenn er ihn ausführt, hat er kein Gnade mehr zu erwarten — von niemandem." France fühlte sich wie in einem Schraubstock, der sich hin und wieder lockerte und ihr seelische Erleichte rung verschaffte, und der nun wieder angezogen wurde und sie zu erdrük ken schien. Sie war versucht, nach dem Inhalt dieses Gedankens zu fra gen, trotzdem unterließ sie es. Ganz bewußt hatte der Katzer nur in An deutungen gesprochen, um sie nicht zu beunruhigen. Sie war ihm dankbar dafür. Wie eine Wolke senkte sich sei ne Rücksichtnahme und seine Wärme über sie und linderte ihre Qualen. Be denkenlos gab sie nach, als er sie an sich heranzog. In seinen Armen, den Kopf an seiner Brust, fühlte sie sich geborgener als jemals zuvor in ihrem Leben. „Ich werde zu meinem Vater stehen, Bjo", flüsterte sie. „Was er auch tut!" Es klag wie ein Schwur. Daß sie ihn jetzt, in dieser Situation, abgab, bewies ihr selbst, wie groß das Vertrauen war, das sie in Bjo setzte. Auch wenn sie unbewußt damit eine Rangfolge deutlich gemacht hatte . . . er würde es nicht mißverstehen. Er nicht. „Ich weiß das", sagte er sanft, „und deshalb m u ß man verhindern, daß er eine noch größere Dummheit begeht. Man m u ß ihn finden und mit ihm re den." „Ich . . . " Frances Stimme klang ge dämpft, absorbiert vom Material sei ner Freizeitkombination. „Ich bin dir so dankbar, daß du dich für ihn einset zen willst . . . " „Obwohl die Lage eine größere, ent schlossenere Eile erfordert hätte, löste er die Umarmung nur sehr langsam.
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Als er France ansah, spielte um seine Lippen ein feines Lächeln. „Ich dachte, du kommst m i t . . . " In seinen Augen glomm ein seltsa mes Feuer. Er kannte sie gut, schoß es ihr durch den Sinn, viel besser, als sie geglaubt hatte. Er brauchte ihre Ge danken nicht zu erforschen, um zu wissen, was in ihr vorging. Er ahnte oder setzte einfach voraus, daß sie, um ihres Vaters willen, gern dabeisein wollte. Nie hätte sie jedoch damit ge rechnet, daß er ihrem Wunsch nachge ben würde. Für ihn, der sich schneller und geschickter als jeder andere Mensch bewegen konnte, mußte sie ein Hindernis sein. Dennoch bot er es an — nein, er bat förmlich darum. „Ja", sagte sie. Plötzlich war sie ge löst. Sie lachte. „Ich komme mit." „Dann los!" Bjo nahm sie an der Hand. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!"
Gleißend fuhr die Strahlspur durch den Korridor und erhitzte die Luft. An der Stelle, wo sie auftraf, verflüssigte sich das Material der Wandverklei dung und breitete sich wellenförmig zur Seite aus. Die Gesichter der fünf Männer leuchteten in gespenstischen Farben. Sie waren schreckverzerrt. „Bleibt mir vom Leibe!" schrie Perg Ivory, während er den Beschuß ein stellte und in einer Nische Deckung suchte. „Ich mache keinen Spaß! Es geht um mein Leben!" Es wurde still. Dann, nach einer Wei le, hörte Perg Schritte, unruhige, un entschlossene Schritte. Er lächelte in sich hinein. Sie wußten nicht, was sie tun sollten. Sie traten auf der Stelle, einer flüsterte jetzt.
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Im Moment befand er sich im Vor teil. Durch die Nische geschützt, konnte er schießen, sobald sich einer der Männer in sein Blickfeld wagte. Hätten sie sich von zwei Seiten genä hert, wäre er schon eher in Bedrängnis gekommen. So aber hatten sie keine Chance. Sie wußten es. „Deine Überheblichkeit wird nicht von langer Dauer sein", rief der Kom mandeur der Gruppe. „Zur Zeit hast du die besseren Karten, aber das wird sich bald ändern. Du kannst nicht ent kommen, Perg Ivory!" „Verschwindet!" „Noch hast du die Chance, wenig stens dein Leben zu retten, wenn es auch nicht mehr viel wert ist", ließ der Mann nicht locker. „Wirf den Strahler weg und komm mit erhobenen Hän den heraus!" Perg richtete die Waffe vor sich auf den Boden und drückte kurz ab. Der Schuß brachte den Belag zum Ko chen. „Verschwindet!" wiederholte er. „Macht, daß ihr fort kommt!" „Also gut", war die Antwort. „Noch bist du der Gewinner, aber irgendwann werden wir dich greifen. Verlaß dich darauf!" Wieder hörte Perg ihre Schritte. Sie entfernten sich. Dennoch fühlte er sich noch nicht si cher. Es war denkbar, daß sie ihn in ei nen Hinterhalt locken wollten, daß ei ner von ihnen zurückgeblieben war, der nur. darauf lauerte, daß er sorglos aus seinem Versteck trat. Er schüttelte grimmig den Kopf. Den Gefallen würde er ihnen nicht tun. Im Herauslaufen betätigte er den Strahler, richtete ihn nach rechts. Die grelle Bahn des Schusses fraß eine
Der Katzer
breite, siedende Spur in den Boden, wanderte ein Stück vorwärts — und brach ab. Niemand war zu sehen. Sie ließen ihn in Ruhe. Jetzt erst löste sich seine Spannung. Mit hängenden Armen stand er da und betrachtete die Narben, die er der SOL beigebracht hatte. Am ganzen Körper zitterte er. Schwer atmend lehnte er sich gegen die Wand. Er wußte, daß sie nicht locker lassen würden. Eine kurze Verschnaufpause war ihm gegönnt, nicht mehr. Wenn sie erst von zwei Seiten gegen ihn vor gingen oder sogar Kampfmaschinen einsetzten, mußte er entweder aufge ben oder dazu übergehen, andere Menschen vorsätzlich zu töten. Beides widerstrebte ihm zutiefst. Kurz schloß er die Augen und schüt telte wild den Kopf. Er befand sich in einem Dilemma, aus dem es kein Entkommen gab. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, am Ende mußte er der Verlierer sein. Es gab keine andere Möglichkeit. Sein unbändiger Drang, an den Kontrollen einer Lightning-Jet das be rauschende Gefühl des freien Fluges unmittelbar zu erleben, hatte sich bit ter gerächt. Der eigenen Unfähigkeit, die Folgen zu akzeptieren, schrieb er es mittlerweile zu, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen, einen Wächter niederzuschlagen und mit dessen Bla ster zu fliehen. Er hätte sich einen Pa ralysator aneignen k ö n n e n . . . aber es war zu spät, darüber nachzudenken. Perg stieß sich von der Wand ab und steckte den Strahler in den Gürtel sei ner Kombination. Zögernd ging er einige Schritte, verharrte dann sekun denlang, ging w e i t e r . . . Mit erschreckender Deutlichkeit wurde ihm bewußt, daß er keine Ah
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nung hatte, wohin er sich wenden soll te. Sicher — es gab tausend oder mehr Bereiche an Bord, in denen er sich mo natelang verbergen konnte, ohne daß ihn jemand fand. Aber das war keine Lösung. Er würde essen und trinken und dafür sein Versteck immer wieder verlassen müssen. Im Grunde genommen war er von einem Gefängnis in das andere gera ten. Er hatte lediglich die Enge einer kleinen, bewachten Kabine mit den weitläufigen Fluren, Korridoren und Hallen der SOL getauscht. Geändert hatte er damit nichts. Auch die SOL war begrenzt. Er konnte seinem Rich ter nicht entfliehen. Erbarmungslos würden sie ihn jagen, und irgendwann mußten sie ihn aufspüren. Es war eine perfekte, grausame Ma schinerie, aus der es kein Entkommen gab. Während er dies dachte, begann sein Unmut zu wachsen und sich allmäh lich zu einem Gefühl zu steigern, das unweigerlich in Haß münden mußte — Haß auf die, die sorglos lebten und sich vertrauensvoll in die Gemein schaft integrierten, auf die Förderer und Unterstützer des solanischen Le benssystems, und letztendlich auch auf sich selbst, weil er nicht mehr fä hig war, diese Verhältnisse mitzutra gen. Alles erschien ihm immer widersin niger und unwirklicher, insbesondere die vorherrschende Lebensphiloso phie mit ihrem Dogma der totalen Ab wendung von Planeten und dem irr witzigen Glauben an eine zukünftige Bevölkerung von Weltraumgebore nen . . . Ein Gedanke schoß ihm durch den Sinn, der die ganze Zeit im Unbewuß ten gehaust hatte und n u n den Weg an die Oberfläche des Denkens fand.
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Plötzlich wußte er, wo er diese ver achtenswürdige Gesellschaft am här testen treffen konnte! Die Vorstellung dessen, was er tun wollte, machte ihn zittern und raubte ihm den Atem. Seine Hände wurden feucht. Seine Absicht war ungeheuer lich — aber sie würde ihm einen Trumpf verschaffen, mit dem er viel leicht seine Haut retten konnte. Wenn er sein Vorhaben erst reali siert hatte, würden sie alle seine For derungen bedingungslos erfüllen. Dessen war er sicher. Ihre beinahe kol lektive Liebe zu den Weltraumgebore nen ließ ihnen keine andere Wahl. Inmitten der steigenden Verach tung, die er für sich zu empfinden be gann, schöpfte er wieder neuen Mut. Es war seine einzige Chance, und er war entschlossen, sie wahrzunehmen. Sein Körper straffte sich. Tief atme te er ein. Ja, er würde es tun! Er würde ein Weltraumbaby entfüh ren!
Damals als bedeutender Schritt der Evolution gefeiert, hatte Helma Buhr lo am 24. Dezember 3586 ein Kind ge boren, das außergewöhnliche körper liche Merkmale sein eigen nannte. An vielen Stellen der Haut besaß es glas artige Verdickungen, die alle Eigen schaften aufwiesen, ein Überleben im Vakuum und in der Kälte zu ermögli chen. Bald darauf kamen weitere die ser Kinder zur Welt, und bei vielen wa ren die Hautveränderungen noch def tiger ausgeprägt. Schon begannen die Spekulationen, daß irgendwann ein Mensch entstehen könnte, dessen ge samter Körper von jener rötlichen Hornschicht geschützt war. Es wäre
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ein Erfolg für all jene gewesen, die im mer gehofft hatten, aus der Bevölke rung der SOL könnte sich eine eigen ständige Art entwickeln, die mit dem ursprünglichen Terraner nur noch ent fernt verwandt war — der Homo sola rensis . . . Perg Ivory hielt diese Einstellung für übertrieben, und das Aufsehen das die Kinder allerorten erregten, schien ihm verblendet. Bereits das zweite Weltraumbaby öffnete vielen die Au gen, ohne ihnen freilich die Faszina tion zu nehmen. Es stellte klar, daß man es keineswegs mit einer natürli chen Evolution zu tun hatte — die nämlich beschränkte sich auf zufälli ge, sprunghafte Erbänderungen, die ausschließlich in Einzelfällen auftra ten und sich durch kontinuierliche Fortpflanzung verbreiteten. Ein treffendes Beispiel für eine sol che echte Mutation war Bjo Breiskoll. Sollte auf der SOL neben dem Homo sapiens jemals eine eigenständige Kat zer-Art entstehen, so war das nur möglich, indem Bjo seine veränderten Erbanlagen weitergab, die von ihm gezeugten Abkömmlinge ebenfalls, und so fort. Wenn die Umwelt genü gend Faktoren aufwies, die das Über leben dieser Menschen bis zur Ge schlechtsreife sicherstellte, konnten sie sich ausbreiten. Bedingt durch die lange Generationenabfolge würde es mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmen. Bei den Buhrlos waren die Voraus setzungen völlig anders. Abgesehen davon, daß sich erst noch herausstel len mußte, ob sie überhaupt fortpflan zungsfähig waren, konnte das ver mehrte Auftreten dieser Art von Kin dern nicht als eine Folge natürlicher Evolution betrachtet werden. Viel mehr hatte sich inzwischen die Ein
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sieht durchgesetzt, daß unbekannte Faktoren, die von außen auf die Eltern gewirkt und deren Erbanlagen verän dert hatten, die Anomalien im Er scheinungsbild der Babys verursacht haben müßten. Die gewohnte kosmi sche Strahlung kam dafür jedenfalls nicht in Frage, denn sie hätte alle Men schen betroffen, die an Bord eines Raumschiffes gezeugt wurden. Über haupt war es Unsinn, davon zu reden, die Buhrlos seien eine Geste der Na tur, damit den Solanern das Leben im Weltraum erleichtert werde. Besten falls begünstigte die Notwendigkeit, in ständigem Kontakt mit dem Kosmos zu existieren, das Überleben dieser Art — keinesfalls war sie die Ursache für ihr Auftreten. Die teilweise fast fanatische Huldi gung, die den sogenannten „Welt raumgeborenen" entgegengebracht wurde, blieb Perg Ivory deshalb un verständlich. Immerhin kam sie sei nen Plänen gelegen, denn die Solaner würden sich hüten, weiter gegen ihn vorzugehen, solange er einen der klei nen Buhrlos in seiner Gewalt hatte. Er lief jetzt zielstrebiger, ohne je doch seine Sicherheit zu vernachlässi gen. Immer wieder schaute er sich um, blieb hin und wieder stehen und lauschte, ob sich inzwischen ein neuer Sicherheitstrupp näherte. Noch blieb alles ruhig. Vielleicht hatten sie ihn auch aus den Augen ver loren, denn er benutzte mittlerweile nicht mehr die Hauptkorridore. Vor zugsweise bewegte er sich durch Ne bengänge oder selten benutzte Seiten stollen. In diesem Bereich der SOL kannte er sich aus wie in seiner Unter kunft. Er wußte, wohin er sich zu wen den hatte. Bald würde er in einen Wohnbereich gelangen und noch vor sichtiger zu Werke gehen müssen.
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Es störte ihn kaum noch. Verbissen würde er sein Ziel verfolgen, und die Aussicht, bald in der stärkeren Posi tion zu sein, verschaffte ihm eine bei nahe unnatürliche Gelassenheit. Es kümmerte ihn auch nicht mehr, daß er auf seinem Weg anderen Solanern begegnen würde. Die wenigsten kann ten ihn und wußten, daß er verfolgt wurde, und der Trubel, der um diese Zeit in den Wohntrakten herrschte, brachte ihm noch den Vorteil ein, daß man nicht blindlings gegen ihn vorge hen konnte, ohne andere ebenfalls zu gefährden. Dennoch zögerte er, als er hinter der nächsten Gangkreuzung die ersten Menschen wahrnahm. War es wirklich so einfach, durch diese Leute hin durchzuspazieren, in eine Unterkunft einzudringen und ein kleines Kind mit Buhrlo -Narben an sich zu reißen? An schließend vor eine empörte, aufge brachte Menge zu treten und mit der Waffe in der Hand, die Forderungen zur Freilassung des Babys zu stellen? Er lachte bitter auf. Nein, es war nicht einfach — so sehr er sich von diesen Menschen innerlich bereits entfernt hatte. Es war das Schwerste und Widerlichste, das er sich jemals vorgenommen hatte! Trotzdem würde er sich nicht mehr davon abbringen lassen. In ihm tobte die Entschlossenheit des Verzweifel ten. Er beschleunigte seinen Schritt wie der. In Gedanken ging er die Gege benheiten in diesem Wohnbereich noch einmal durch. Im zweiten Seiten korridor zur linken Hand, von seinem Standort aus gesehen, wußte er die Kabine einer Buhrlo-Mutter. Er kann te die Frau recht gut, hatte sogar ein kameradschaftliches Verhältnis zu ih rem Lebensgefährten — aber das alles
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kümmerte ihn nicht mehr. Er durfte keine falsche Rücksicht nehmen . . . Wie wenige Stunden das Leben ei nes Menschen grundlegend verändern konnten, dachte er voller Bitterkeit. Nichts von dem, was vor kurzem noch sein Dasein ausgemacht hatte, war ihm mehr wichtig. Er spürte nicht, wie er unbewußt die Zähne aufeinander preßte und seine Wangenknochen stark hervortraten. Für einen Moment überlegte er, daß er mit seinen wahn sinnigen Aktionen auch das Wohlerge hen seiner Tochter beeinflussen wür de. Nicht einmal das vermochte ihn aufzuhalten. Aus den Augenwinkeln nahm er ei ne schemenhafte Bewegung wahr. Perg zuckte zusammen und blieb ruckartig stehen. Unwillkürlich senkte sich eine Hand zu dem Blaster, doch bevor er richtig begriff, was geschah, schlug ihm jemand den Arm zur Seite. Es ging alles viel zu schnell. Der An greifer zog die Waffe in in einer blitzar tigen Bewegungen aus Pergs Gürtel, packte ihn an den Schultern und drückte ihn mit sanfter Gewalt gegen die Wand des Korridors. Verzweifelt trat er mit einem Bein um sich, doch der andere war so wendig, daß er den Gegenwehrversuchen behende aus weichen konnte. Der Druck gegen sei ne Oberarme verstärkte sich noch. „Sei vernünftig, Perg! Ich habe nicht die Absicht, mich mit dir anzule gen!" Der Klang dieser Stimme war ihm vertraut. Erst jetzt, als er schlagartig begriff, wer der Angreifer war, stellte er seine Bewegungen ein und verhielt sich ruhig. Aus großen, überraschten Augen starrte er in das Gesicht des an deren. „Bjo B r e i s k o l l . . . " , stammelte er. „Du...?"
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Der Katzer löste seinen Griff und trat einen Schritt zurück. Er nickte. Aus seinen merkwürdigen Augen sprachen Vorwurf und Enttäuschung. „Ich glaube, es ist an der Zeit, dich aufzuhalten", sagte er ruhig. Perg spürte, wie seine letzte Hoff nung zerbrach. Alles in ihm lehnte sich dagegen auf. Verbissen schüttelte er den Kopf. „ N e i n . . . das kannst du nicht tun..." Mehr brachte er nicht heraus. Die Stimme versagte ihm für einen Mo ment den Dienst. Dort stand ein jun ger Mann, ein Freund vielleicht, zu mindest ein guter Bekannter, der nicht nur entschlossen war, ihn zu rückzuhalten, sondern auch die Fähig keit besaß, seinen Willen durchzuset zen. Wie eine eisige Klammer schloß sich ein neues Gefängnis um Perg. Es war ein inneres, geistiges Gefängnis. Der Wille, auszubrechen und den einge schlagenen Weg weiterzugehen, und die drohende Haltung des Katzers, der das verhindern würde, erzeugten es. Hilflos ballte er die Hände zu Fäusten, bis sich die Fingernägel schmerzhaft ins Fleisch bohrten. Von der Seite, aus der Richtung, aus der auch Bjo ihn angegriffen hatte, nä herte sich eine weitere Person. Er brauchte nicht hinzusehen; er erkann te sie am Schritt. Langsam legte er den Kopf in den Nacken und schloß zit ternd die Augen. „Vater!" sagte France, und es war ihr anzuhören, daß sie Erleichterung empfand. „Ich bin froh, daß wir dich gefunden haben." Für Perg waren es Schmach und Er niedrigung. In dieser Situation seiner Tochter gegenüberzustehen, verletzte ihn zutiefst und weckte abermals sei
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ne Bereitschaft zur Gegenwehr. Er fühlte sich nackt, entblößt und hilflos ausgeliefert. Er durfte nicht nachge ben, wenn er sein Gesicht wahren wollte. „Ihr könnt mich nicht aufhalten!" Er wunderte sich selbst, wie fest und überzeugt seine Stimme klang. „Ich muß meinen Weg gehen, wie ich es mir vorgenommen habe!" „Du fühlst dich gedemütigt, weil wir dich gefunden und gestellt ha ben", analysierte Bjo nüchtern. „Aus gerechnet wir, deine Tochter und ein guter Freund. Das ändert aber nichts, Perg. Wahrscheinlich sind wir die ein zigen, denen du überhaupt noch zu hörst. Nur deshalb sind wir gekom men." Der Pilot schwieg. Als France auf ihn zutrat und ihn am Arm berühren wollte, stieß er sie mit einer heftigen Bewegung zurück. „Du bist verbittert, sonst würdest du nicht so reagieren", sagte Bjo. „Da bei hast du dich selbst in deine Lage hineinmanövriert. Du kannst nieman den außer dir die Schuld daran geben. Du kannst nur versuchen, die Folgen für dich nicht noch schlimmer zu ma chen. Wir machen dir keinen Vorwurf, weder France noch ich. Aber wir er warten, daß du deine Verantwortung trägst wie ein aufrichtiger Solaner und nicht vor ihr davonläufst." „Du m u ß t dich stellen!" fügte Fran ce beschwörend hinzu. Die kurzzeitige Enttäuschung über das Zurückweisen ihres Vaters ließ sie sich nicht anmer ken. „Hörst du, Vater, wenn du dir ei nen letzten Rest Achtung bewahren willst, mußt du aufgeben!" „Nichts werde ich tun!" stieß Perg hervor. „Ich werde es nicht dazu kom men lassen, daß sie mich als Meuterer verurteilen. Neuerdings sollen solche
39 Leute auf einem Planeten ausgesetzt werden. Wißt ihr das? Habt ihr das schon gehört? Sie werden mich auf ei nen verdammten Planeten bringen und mich dort meinem Schicksal überlassen!" „Noch ist nichts entschieden", ver suchte Bjo ihn zu beruhigen. „Der Vorwurf der Meuterei muß nachge wiesen sein, und es gibt genügend Leute, die deine Loyalität gegenüber den anderen Solanern bestätigen kön nen. Wenn du jedoch weiter so unbe sonnen handelst wie bisher, wird sich die allgemeine Stimmung immer deutlicher gegen dich wenden. Nur wenn du dich freiwillig stellst und zugibst, daß du Fehler gemacht hast, die du bereust, kannst du dir deine Chance bewahren." „Ich bereue nichts!" Pergs Stimme wurde schrill. „Ich habe nichts getan, was ich bereuen könnte. Niemandem ist Unrecht widerfahren." „Dann handle auch danach!" Selten zuvor hatte jemand den Katzer so laut und verärgert schreien hören. „Erklä re dem Gericht, warum du alles getan hast, erkläre ihnen, daß du das Leben an Bord der SOL in der jetzigen Form s c h ä t z t . . . sage ihnen, was du willst — nur lauf nicht davon!" Wieder fühlte sich Perg in die Enge gedrängt. Er war sich darüber im kla ren, daß der Katzer recht hatte. Selbst die Verbannung auf einen Planeten war harmlos und ertragbar im Ver gleich zu dem, was ihm widerfahren würde, wenn er weiterhin flüchtete und womöglich wirklich ein Kind als Geisel nahm. Im schlimmsten Fall mußte er damit rechnen, daß er dann für immer in der Verbannung bleiben würde. Normalerweise war vorgese hen, ausgesetzte Meuterer nach fünf Jahren wieder abzuholen.
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Andererseits verbot ihm sein un beugsamer Stolz, jetzt nachzugeben. Er hatte längst verloren, aber er wollte es nicht einsehen. Bjo, der rotbraunge fleckte Katzer, hatte ihm die Waffe entwendet, und er würde nicht zulas sen, daß er weitere Dummheiten be ging. Bei der kleinsten Bewegung die er als Angriffs- oder Fluchtversuch wertete, würde er ihn mit wenigen ge zielten Griffen niederringen und als Gefangenen ausliefern. Perg wußte, daß sein Weg hier zu Ende war, daß er nichts mehr tun konnte — und trotzdem gestand er die Niederlage nicht offen ein. Ver krampft lehnte er an der Wand und blickte abwechselnd den Katzer und seine Tochter an. „Du m u ß t über deinen Schatten springen." France sprach langsam, fast flehend. Sie betonte jedes Wort. „Bitte...!" Da endlich löste sich seine Span nung. Es war, als flösse jeglicher Wider stand aus ihm heraus, als wiche eine untragbare Last von ihm. Einen Mo ment hatte er das Bedürfnis, mit dem Rücken an der Wand herabzurutschen und still sitzen zu bleiben. Als hätten die Worte seiner Tochter einen Bann gebrochen, fühlte er sich erleichtert, ja befreit. Er nickte leicht und atmete tief ein. „Es ist gut", sagte er leise. „Ich gebe auf." Er wunderte sich, daß er keine Re signation empfand. In Wahrheit, be griff er, hatte er nicht aufgegeben und würde es auch nie tun. Er hatte ledig lich eingesehen, daß er in falschen Bahnen gedacht hatte, ausgelöst durch eine tiefe Bitternis über die Art, wie die Solaner ihn behandelten. Was er verletzt wähnte und nun ab-
gelegt hatte, war Eitelkeit. Sein Stolz hingegen war geblieben. * Wenn die SOL in den Orbit eines Planeten einflog, so war der Aufent halt in der Regel nur von kurzer Dau er. Sobald die Ergebnisse der Fern analysen durch die Messungen auto matischer Sonden bestätigt waren und feststand, daß die angeflogene Welt sich zur Aufnahme von Wasser und anderen Rohstoffen eignete, wur den die notwendigen Schritte einge leitet. Bald darauf schwärmten Bei boote aus — ausschließlich robotisch gesteuert und ohne jede menschliche Besatzung —, die nach der Durchfüh rung der erforderlichen Arbeiten un verzüglich zurückkehrten. Der Kontakt mit festen Himmels körpern, und sei es nur durch das Ein halten einer Umlaufbahn, paßte nicht in das Konzept, das die Solaner sich für ihre Lebensweise erarbeitet hat ten. Für die meisten war er ein Diktat existentieller Notwendigkeit. Deshalb wurde normalerweise dafür Sorge ge tragen, daß das Schiff nach Beendi gung der Transportarbeiten ohne we sentlichen Zeitverlust seine Reise wie der aufnahm und das angeflogene Sonnensystem verließ. Diesmal war es anders. Seit zwei Tagen bereits stand die SOL im Orbit, ohne daß ein Weiterflug sich abzeichnete. Den Grund kannte eigentlich niemand, denn die Wasser aufnahme war inzwischen längst ab geschlossen. Offiziell hieß es, einige wichtige Wartungsarbeiten an einem Triebwerkskomplex sollten zunächst noch beendet werden. Gavro Yaal besaß nicht so viel tech nisches Verständnis, um beurteilen zu
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können, ob diese Reparaturen tatsäch nichts als mit ihm reden, um seine Un lich in der Umlaufbahn durchgeführt sicherheit zu zerstreuen. werden mußten oder nicht auch wäh Cleton Weisel war ein großer, hage rend des Fluges hätten stattfinden rer Mann, dessen ungeschickte Bewe können. In dieser Hinsicht war er auf gungen allzu leicht darüber hinweg die Aussagen der Fachleute angewie täuschten, welche Kapazität er auf sei sen, und bislang hatte er keinen Anlaß nem Gebiet war. Erst wenn man mit gehabt, an deren Sachkenntnis zu ihm sprach und in seine Augen sah, er zweifeln. In den vergangenen Jahren kannte man, welche ausgeprägte Per war der Flug des Generationenschiffs sönlichkeit sich hinter seiner flachen ohne jede größere Panne verlaufen. Stirn verbarg. Manchmal jedoch bereitete ihm der Er betrat die Kabinenflucht in auf Gedanke Unbehagen, daß unter meh rechter, überlegener Haltung. Das al reren zehntausend Solanern nur eine lein wirkte schon störend auf Gavro vergleichsweise kleine Anzahl von Yaal. Bisher war ihm nie so deutlich Personen, hauptsächlich Techniker bewußt geworden, daß er gegen die und Wissenschaftler, in der Lage war, sen Mann so etwas wie eine persönli das Schiff in allen seinen Funktionen che Abneigung empfand. zu begreifen und, damit einherge Er war jedoch entschlossen, sich hend, zu warten und zu steuern. Es nichts davon anmerken zu lassen. Er konnte sehr leicht zu einer Cliquenbil bot dem Besucher einen Sitzplatz an dung führen, zu einem Elitedenken, und bemühte sich dabei, völlig unver das für den Bestand der Gemein fänglich zu wirken. Allerdings hielt er schaft an Bord katastrophale Folgen sich nicht mit einer Vorrede auf. Ohne haben mußte. Umschweife kam er zum Thema. In Zusammenhang mit der langen „Ich wollte mich bei dir erkundigen, Dauer des Orbitalflugs begannen ihn ob es wirklich nötig ist, daß deine solche Überlegungen wieder einmal Leute die Wartung des Triebwerks zu beschäftigen. Nicht, daß er miß zum jetzigen Zeitpunkt vornehmen. trauisch war. Er hätte SENECA befra Viele Solaner können nicht verstehen, gen können, und der Rechner hätte daß wir so lange im Orbit bleiben." ihm präzise Auskunft darüber gege „Die Arbeiten sind erforderlich und ben, inwieweit die Einhaltung der wurden begonnen, als wir in die Um Umlaufbahn erforderlich war. Aber er laufbahn einschwenkten", erklärte vermochte sich eines unsicheren Ein Cleton Weisel bereitwillig. „Sie wer drucks nicht zu erwehren, der immer den spätestens morgen abend beendet dann entstand, wenn man auf die Aus sein. Es ist zwar möglich, sie für eine sagen anderer Leute angewiesen war, Beschleunigungsphase zu unterbre ohne selbst einen ähnlich fundierten chen. Ich halte das aber nicht für Wissensstand zu besitzen. ratsam." Nur deshalb hatte er sich dazu hin Unwillkürlich kniff Gavro die Au reißen lassen, den Chef der Wartungs genlider zusammen. trupps zu sich zu bitten. Er erwartete „Wäre es gefährlich?" wollte er wis keine tiefschürfenden Erklärungen sen. und keinen präzisen wissenschaftli „Das n i c h t . . . " chen Bericht von ihm. Er wollte weiter Cleton sprach gedehnt, und es hatte
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den Anschein, als suche er nach Wor ten, um seinem Gegenüber einen Ge danken nahezubringen, der für ihn selbst Grundlage seines Handelns war. „Also?" bohrte Gavro. „Warum soll ten wir den Orbit nicht verlassen, wenn keine Gefahr damit verbunden ist?" Er gestand sich ein, daß er auf die Antwort förmlich lauerte. Der Techni ker mußte einen Grund haben, wenn er sich so offen dafür aussprach, den Abflug noch hinauszuzögern. „Ich habe gehört, daß morgen früh die Verhandlung gegen Perg Ivory stattfinden s o l l . . . " , deutete Cleton an. „Das ist richtig. Was hat es mit den Wartungsarbeiten zu t u n ? " „Nun, es steht zu erwarten, daß Perg der Meuterei für schuldig befunden und zur Verbannung auf einen Plane ten verurteilt wird. Solange sich die SOL im Orbit befindet, kann das Ur teil sofort vollstreckt werden. Andern falls müßte zunächst eine aufwendige Suche nach einer anderen geeigneten Welt gestartet werden. Deshalb bin ich dafür, mit dem Weiterflug noch zu warten. Wir schlagen dabei zwei Flie gen mit einer Klappe. Zum einen kön nen die Arbeiten meiner Leute ohne Zeitverlust und Unterbrechnung durchgeführt werden, zum anderen kann Perg Ivory direkt das Schiff ver lassen." Diese nüchterne Betrachtungsweise erschreckte Gavro. Er selbst war es zwar gewesen, der das Strafmaß für Meuterei in jene fast unmenschliche Dimension hatte wachsen lassen, doch forderte die kalte Argumentation des Technikers seinen Widerspruch her aus. „Das ist Manipulation!" warf er ihm
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vor. „Manipulation?" Cleton erhob sich ruckartig. „Niemand von uns hat die Absicht, irgend etwas zu manipulie ren! Wir dachten lediglich, es sei in deinem Sinn, den Meuterer so schnell wie möglich loszuwerden." Gavro blieb reglos in seinem Sessel sitzen und starrte den Techniker an. Er spürte die Unruhe, die sich in ihm ausbreitete, jenes drückende Gefühl, daß andere ihn beeinflussen könnten, daß sie seine Stellung für ihre Zwecke mißbrauchten und ihm Entscheidun gen aus der Hand nahmen. „Was hast du gegen Perg Ivory?" stieß er hervor. „Was haben deine Leu te gegen ihn?" Gehört er nicht selbst zu einem Wartungstrupp?" „Bis vor kurzem gehörte er zu uns. Jetzt empfinden wir das nicht mehr so." Cleton Weisel machte eine unbe stimmte Geste. „Siehst du, wir be trachten uns als Team, das der Bevöl kerung der SOL dient, indem es das Schiff flugtauglich erhält. Das ist un sere Aufgabe, und die nehmen wir wahr. Wenn aber einer von uns durch dreht und glaubt, er müßte seine Selbstverwirklichung darin suchen, daß er eine Jet entführt, so kann er nicht erwarten, daß wir ihm noch son derlich freundlich: gegenübertreten. Perg Ivory hat nicht nur unser Ver trauen, sondern das aller Solaner miß braucht; zumindest sehen wir es so. Er hat seine Stellung dazu benutzt, eine strafbare Handlung zu begehen. Für die Wartungsmannschaften ist der da mit untragbar geworden." Der Techniker war dazu übergegan gen, im Raum auf und ab zu laufen. Gavro Yaal verfolgte jede seiner Be wegungen. „Wenn sich bei der Verhandlung wi der Erwarten herausstellt, daß Perg
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ders als noch einen Tag zuvor. Seine Einrichtung strahlte Ruhe und Behag lichkeit aus — gestern hatte er eher ei nem ausgiebig frequentierten Ver sammlungsort geglichen. Während er sich setzte, blicke Jos can sich um und gab seinen Empfin dungen Ausdruck, indem er zustimmend nickte. „So gefällt es mir hier besser. Der Trubel bei der Geburtstagsfeier ge stern war mir fast schon zu viel." „Es liegt daran, daß du früher weni ger menschenscheu warst", sagte La reena Breiskoll lächelnd. „Die Zeit seit der Übergabe des Schiffes hat dich verändert." „Sie hat uns alle verändert", erwie derte der ehemalige Sprecher der Sol geborenen nachdenklich. „Wir sind anspruchsloser geworden. Wir fliegen in einem abgeschlossenen, von der Außenwelt isolierten Lebenserhal tungssystem durch den Kosmos, das wir SOL nennen. Richtung und Ge schwindigkeit sind willkürlich ge wählt. Wir haben kein Ziel, an dem wir uns orientieren könnten. Trotzdem sind wir zufrieden damit — die mei stens wenigstens. Manchmal begreife ich es nicht." „Unser Ziel war, über uns selbst be stimmen zu können", hielt Lareena ihm entgegen, „für uns selbst verant wortlich zu sein, nach unseren Maß stäben zu leben! Das haben wir er reicht Ist das nicht genug?" „Nein." Joscan beugte sich vor und legte die Fingerspitzen der Hände ge geneinander. „Wenn man mit dem ein mal Erreichten zufrieden ist und sich auf die faule Haut setzt, führt das zu Lethargie, Stagnation und Dekadenz. Wir sind zwar keine Terraner, aber wir Obwohl nichts darin verändert wor sind Nachfahren von ihnen. Wir sind den war, wirkte der Raum völlig an Menschen. Es liegt in unserer Natur,
unschuldig ist", meinte er forschend, „oder besser gesagt, wenn er freige sprochen wird — dann löst sich alles, was du ausgeführt hast, in Luft auf. Wir brauchten keinen Planeten zu fin den, und der Mann würde weiter bei euch arbeiten. Ich sehe immer noch nicht ganz ein, warum du empfiehlst, den Orbit beizubehalten." „Die Chancen für einen Freispruch sind fast Null", wich Cleton aus. „Und selbst dann gäbe es für uns keinen Grund, Perg weiter in unseren Reihen zu beschäftigen. Was er getan hat, läßt sich nicht beschönigen oder unter den Tisch kehren. Für uns ist er nicht mehr akzeptabel." „Wenn man dich reden hört, sagte Gavro langsam, ohne den anderen aus den Augen zu lassen, „könnte man an nehmen, ihr hättet eure eigenen Ge setze und Statuten . . . " „Unsinn!" Cleton schüttelte heftig den Kopf. „Du könntest es vielleicht eher mit Berufsehre umschreiben — das mag zutreffen. Im übrigen reagie ren fast alle Solaner ähnlich auf Pergs unbedachte Aktion, nicht zuletzt du selbst. Du kannst mir nicht weisma chen, daß du mit einem Freispruch rechnest. Im Gegenteil, du möchtest den Meuterer lieber heute als morgen verurteilt sehen, Unser Aufenthalt im Orbit kommt dir also sehr gelegen. Ist es nicht so?" In gewisser Weise, durchfuhr es Gavor Yaal, hatte Cleton ihn in der Hand. Die Überlegungen des Technikers wa ren stichhaltig, und er wußte das! „Ja", gab er widerwillig zu. „Es ist so."
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daß wir einen Antrieb brauchen, eine Aufgabe, eine ständige Herausforde rung. Das Leben, das wir führen, mag zwar auf den ersten Blick reizvoll sein, es scheint problemlos und angenehm. Aber gerade dieser Zustand kann sehr schnell ins Gegenteil umschlagen." Lareena hatte ihm schweigend zuge hört. Jetzt stützte sie einen Ellbogen auf die Sessellehne und legte zwei Fin ger an ihre Wange. Sie lächelte immer noch. „Du verstehst mehr von der menschlichen Psyche als ich", ge stand sie dem Kybernetiker zu. „Viel leicht hast du recht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß du mich deswegen besuchst." Joscan lachte rauh. „Du bist eine kluge Frau", sagte er — zur Hälfte anerkennend, weil sie ihn durchschaute, zur anderen Hälfte ent täuscht, weil sie nicht weiter auf das Thema eingehen wollte. Er kannte dieses Phänomen jedoch: kaum ein Solaner begriff die Problematik. „Ei gentlich dachte ich, ich würde deinen Sohn hier antreffen." „Da hast du Pech." Sie hob gelassen die Schultern. „Offiziell lebt er zwar noch bei mir, aber in letzter Zeit macht er sich rar. Was wolltest du von ihm?" „Nichts weiter", winkte Joscan ab. „Ich wollte mich mit ihm unterhal ten." Lareena nickte wissend. „Wegen France, n e h m e ich an." „Du weißt davon?" „Jose!" Das klang vorwurfsvoll. „Ich bin seine Mutter!" Wieder lachte er, diesmal deutlich verlegen. „Entschuldige. Ich vergaß, daß ihr immer ein gutes Verhältnis hattet. Ich will dir ehrlich sagen, daß ich mir Sor
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gen um den Jungen mache." „Dazu besteht kein Anlaß. Warum sollte man sich um einen Mann, sor gen, der sich für ein Mädchen interes siert!" „Du verstehst nicht, was ich meine." Der Kybernetiker machte eine unge schickte Handbewegung. „Es ist nicht so, daß sich Bjo lediglich für diese Frau interessiert — ich fürchte, er liebt sie." In Lareenas Augen blitzte es belu stigt auf. „Und? Hältst du das für unnormal, oder was? Vielleicht hat er Glück, und sie teilt seine Empfindungen." Joscan schüttelte unwillig den Kopf. „Bjo ist nicht wie andere Männer", setzte er erneut an. „Man nennt ihn den rotbraungefleckten Katzer — das sagt schon alles. Ich weiß, wie sehr er in letzter Zeit darunter leidet, und ich merke von Tag zu Tag mehr, wie er sich bemüht, anders aufzutreten und sich anders zu geben, als man es von ihm gewöhnt ist. Das ist es, was mich beunruhigt. Er schadet sich damit." Lareena lächelte verhalten, fast weise. Die Weisheit einer Frau, schoß es dem Kybernetiker durch den Sinn. „Es hat noch nie jemandem gescha det, wenn er an sich arbeitet. Warst du jemals ernsthaft verliebt, Jose? Wür dest du nicht auch, unbewußt viel leicht, versuchen, dein Wesen und dein Ich in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen und dabei möglicherweise Gedanken äußern oder Dinge tun, die du nie zuvor in Er wägung gezogen hast? Würdest du nicht auch versuchen, dich so zu ver halten, wie du glaubst, daß du das In teresse einer Frau wecken könntest? Es ist das, was man auch gern als
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Sonntagsgesicht bezeichnet, und es ist typisch für uns Menschen. „Ich glaube, wir reden aneinander vorbei", meinte der ehemalige Spre cher der Solgeborenen abweisend. „Bjo hat ernsthafte Probleme mit sei nen instinktbehafteten Verhaltens weisen und mit seinem äußeren Er scheinungsbild. Du kannst nicht so locker darüber hinwegsehen. Er fühlt sich beobachtet, ja begafft, es behagt ihm nicht mehr, daß er im Grunde ge nommen ein Außenstehender ist. Er liebt und möchte geliebt werden — und ich denke, er hat Angst davor, daß seine Zuneigung nicht erwidert werden könnte." Lareena kniff die Augen zusammen. „Anscheinend legst du es darauf an, daß ich als Mutter ihm ins Herz reden soll, sich von France zurückzuziehen? Daß ich ihm beibringen soll, er täte vernünftigerweise gut daran, sich von vornherein keine Hoffnungen zu ma chen?" Joscan schürzte die Lippen und nickte langsam. „In dieser Richtung, ja. Ich habe ihm zwar gestern genau das Gegenteil gesagt, aber ich glaube doch, es wäre besser für ihn. Er verrennt sich so in diese Sache, daß es schlimm für ihn ausgehen könnte, wenn er enttäuscht wird. Er ist sehr sensibel und verletz lich, und er glaubt ohnehin, daß er auf F r a n c e . . . nun, furchteinflößend wir ken könnte. Wenn sich das bestä tigt . . . " „Meine Güte, Jose!" unterbrach ihn Lareena. „Ich weiß, daß dir Bjos Schicksal sehr am Herzen liegt; das hat es ja schon immer getan, und ich achte das auch. Nur glaube ich nicht, daß er sich selbst so viele Gedanken über seine Person macht, wie du es tust. Er ist doch kein Kind mehr, das
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ständig eine moralische Stütze braucht. Er ist ein Mann wie jeder an dere, auch wenn er zur Sensibilität neigt und seine körperlichen Merkma le manchmal verflucht." „Es geht mir darum, daß France sie auch verfluchen könnte", warf der Ky bernetiker ein, aber er merkte, daß er an Überzeugungskraft verlor. Viel leicht machte er sich wirklich zu viele Gedanken. „Sie könnte vor einem in tensiveren Kontakt zurückschrecken, und das würde er nicht verkraften." „Könnte, würde, sollte . . . " Lareena verdrehte die Augen. „Wir sind doch beide nicht blind, Jose. Du weißt ebensogut wie ich, wie gut die beiden sich verstehen. Von Mal zu Mal kom men sie besser miteinander aus, füh len sie sich stärker zueinander hinge zogen. Warte erst einmal ab, wie es sich weiter entwickelt, bevor du an fängst zu unken. Sollte Bjo eine Ent täuschung erleben, können wir ihm immer noch helfen. Laß ihn seine Er fahrungen machen, die er braucht, um auch in schwierigen persönlichen Si tuationen zu bestehen. Laß ihn und France in Ruhe. Sie mögen sich, ich weiß es. Sei doch froh, daß er einen Menschen hat, der ihm mehr sein wird als ein Kamerad!" „Schon gut, schon gut!" Joscan winkte ab. Gegen die Ar gumente einer Mutter würde er nicht ankommen, das war ihm eben klarge worden. Er mußte lernen, sich Bjo ge genüber nicht als Vormund aufzuspie len. Trotzdem hatte er seine eigenen Gedanken zu dem Thema. Als er auf stand und zur Tür ging, konnte er es sich nicht verkneifen, sie zum Besten zu geben. „Es gibt eine Katastrophe", prophe zeite er, und auch wenn er verlegen grinste, meinte er es ernst.
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Die Sorge um den jungen Freund wich nicht, obwohl er nach Lareenas Gardinenpredigt entschlossen war, ab sofort seinen Mund zu halten. Natürlich — er hatte es ja über den Interkom selbst verfolgen können: Bjo kam mit. Lareena besser zurecht, als es noch am Abend vorher den An schein hatte. Wahrscheinlich war sie es, die ihm etwas m e h r Selbstsicher heit vermittelte. Trotzdem bestand die Gefahr, daß er bitter e r w a c h t e . . . Joscan beachtete die Leute nicht, die ihm auf dem Weg zu seiner Unter kunft begegneten. So sehr war er mit sich selbst beschäftigt, daß er um ein Haar sogar Douc Langur übersehen hätte. Schon als er fast an ihm vorbei war, bemerkte er ihn. Ruckartig blieb er stehen. „Ich dachte gerade, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben", schimpfte der Forscher der Kaiserin von Therm. Sein sitzkissenförmiger Körper wippte auf den vier Beinchen auf und ab. „Träumst d u ? " Der Kybernetiker strich sich durch die Haare. „Entschuldige, Douc. Ich war in Ge danken versunken," „Worum geht es?" fragte der Kleine interessiert. „Kann ich dir helfen? Wenn dir etwas nicht klar ist, könnte ich LOGIKOR befragen." Voller Eifer brachte er die Rechner kugel zum Vorschein. Joscan winkte amüsiert ab. „Es ist nichts, was mit dem Verstand zu erklären wäre", sagte er, während er sich langsam wieder in Bewegung setzte. Der Forscher hielt sich an seiner Sei te. Nebeneinander schlenderten sie durch den Korridor. „Was ist es dann?" fragte Douc und steckte LOGIKOR wieder weg. „Hat
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es wieder einmal mit der komplizier ten menschlichen Psyche zu tun? " „Allerdings." Joscan nickte. Er glaubte, endlich einen Gesprächspart ner gefunden zu haben, mit dem er sich vernünftig unterhalten konnte. „Es geht um den Katzer u n d . . . " Der Forscher pfiff schrill. „Oh", übersetzte der Translator. Der Kybernetiker blieb stehen und stemmte in übertriebener Entrüstung die Fäuste in die Hüften. „Was soll das heißen: Oh?" Das Pfeifgeräusch, stellte er fest, das der Translator jetzt erzeugte, klang wesentlich unreiner als der Laut, den Doucs natürliche Stimmbänder pro duziert hatten. „Verschone mich damit", bat der Forscher und wedelte mit einer Greif klaue. „Es interessiert mich nicht." „Ich dachte, du wolltest es hören", verteidigte sich Joscan. „Es wird Pro bleme geben." „Ein anderes Mal", sagte Douc ab weisend. „Ich habe keine Zeit jetzt. Ich bin auf dem Weg zur HÜPFER. Die Regenerationsröhre wartet auf mich." Der Kybernetiker breitete ergeben die Arme aus. „Ich wollte dich nicht aufhalten." Er wandte sich zum Gehen, doch der Forscher packte ihn am Arm. „Ihr Menschen seid ein komisches Volk", meinte er. „Bei euch m u ß im mer etwas los sein. Ihr habt nicht die Fähigkeit, einfach abzuschalten, aus zuspannen oder euch über eine Zeit der Ruhe und des Friedens zu freuen. Sobald ihr eine Weile ohne Konflikte über die Runden kommt, werdet ihr unzufrieden. Und wenn von außen keine Probleme an euch herangetra gen werden, dann schafft ihr euch selbst welche."
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48 Es war die nüchterne Betrachtungs weise eines Fremdwesens. Joscan wollte ihm entgegenhalten, daß er die solanische Mentalität nicht mit seiner messen dürfe, doch Douc wandte sich ab und gab damit zu erkennen, daß er nicht weiter darüber reden wollte. „Manchmal", sagte er leise im Ge hen, „manchmal verstehe ich euch nicht." * Sie waren zu dritt, u n d die heraus fordernde Art, in der sie betont lässig an die Wand gelehnt standen, gab deutlich zu erkennen, daß sie es auf ei ne Auseinandersetzung abgesehen hatten. Automatisch verlangsamte France ihren Schritt. Bjo, der neben ihr ging, nahm sie an der Hand und zog sie wei ter. „Keine Angst!" raunte er ihr zu. „Versuche dich ganz normal zu beneh men. Beachte sie nicht." Das war leicht gesagt. Frances Ner ven zählten in diesen Tagen ohnehin nicht zu den besten, und der Anblick der drei Jugendlichen verschlimmerte ihre Ängstlichkeit noch. Bjo dagegen wirkte völlig gelassen. Es war spät geworden, beide fühlten sich müde und leer nach den Ereignis sen des vergangenen Tages. Damit, daß sie auf dem Heimweg noch jeman dem begegnen würden, hätten sie nicht gerechnet, schon gar nicht mit einer Gruppe junger Männer, die of fensichtlich auf sie lauerten. Sie hatten ein Stellarium besucht, eine jener geschickt konstruierten Projektionskugeln, in der Bilder und Eindrücke vom umgebenden Welt raum oder anderer kosmischer Gebie te dem Besucher eine perfekte Simu-
lation des freien Aufenthalts im All boten. Schon zur Zeit, als die SOL offi ziell noch unter Perry Rhodans Kom mando stand, war der erste Raum die ser Art hergerichtet worden — damals heimlich, jedoch mit SENECAs Un terstützung —, und von Anfang an hat te der Katzer eine Vorliebe dafür ent wickelt. Inzwischen waren weitere Stellarien entstanden, andere befan den sich in Planung und Bau. In ge wisser Weise dokumentierten diese Stätten die Hinwendung der Solaner zum Weltraum, sie waren gerne und oft genutzte Orte der Entspannung. Auch France und Bjo hatten gehofft, etwas Ablenkung zu finden. Der jun gen Frau war es nur zum Teil gelun gen. Der Katzer hingegen schien die Fähigkeit zu besitzen, die projizierten Bilder völlig in sich aufzunehmen, sich mit der künstlichen Darstellung zu identifizieren. Mehrfach hatte er den Kopf an Frances Schulter gerie ben oder wohlig geschnurrt. Sie kann te diese instinktbehafteten Äußerun gen innerer Zufriedenheit mittlerwei le, und sie störte sich kaum daran — auch wenn es sie mitunter ernüchter te, ihn wie ein schutzbedürftiges Tier reagieren zu sehen. Ihm hatte es, im Zusammenspiel mit den Projektionen und ihrer Gegenwart, offensichtlich etwas mehr Ausgeglichenheit ver schafft — während in ihr jene merk würdig verhaltene Zuneigung, die sie für ihn empfand, abermals gewachsen war. Beruhigt hatte sie das alles freilich nicht. Von Stunde zu Stunde wurde die Sorge um ihren Vater belastender für sie, und als die drei Männer sich von der Wand lösten und nebeneinan der den Korridor versperrten, war es mit ihrer Fassung endgültig vorüber. Sie begann zu zittern und blieb ste
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hen. Alles in ihr verkrampfte sich. Bjo ließ sich durch die drohende Ge bärde nicht einschüchtern. Er drückte beruhigend ihre Hand und löste sich von ihr. Furchtlos schritt er auf die drei zu. Breitbeinig standen sie da, die Köp fe in arroganter Haltung erhoben und die Arme lässig in die Seiten gestützt. Sie waren jung, kaum mehr als 18 Jah re alt, aber sie wirkten überlegen und entschlossen. Zwei, drei Schritte vor ihnen blieb der Katzer stehen. Er musterte sie aus giebig, einen nach dem anderen, ohne dabei ein Wort zu sprechen. Gespann te Stille breitete sich aus. France, die die Szene aus einigen Metern Entfer nung verfolgte, hielt unwillkürlich den Atem an. Fast körperlich konnte sie die aggressionsgeladene Atmo sphäre wahrnehmen. Dies war ein stummes Belauern des Gegners. Es diente ebenso der Verun sicherung wie der Feststellung, wie weit der andere gehen würde. Zu gleich wurde damit jedoch auch der glimmende Funke geschürt, der letzt lich zur Explosion führen mußte. Einer der Jugendlichen wurde be reits unruhig. Er senkte den Blick, und es war zu sehen, wie er ständig sein Gewicht verlagerte. Ein anderer, äußerlich der kräftigste von ihnen, verschränkte daraufhin die Arme vor der Brust. Seine Gesichtszüge verstei nerten. „Also gut, Katzer", sagte er so gelas sen, wie es ihm in dieser Situation möglich war. Im Grunde mußte er sich darüber im klaren sein, daß er ge gen den Mutanten auch mit einer Übermacht von drei Personen keine reelle Chance besaß. „Wir wollen nichts von dir. Laß das Mädchen in Ruhe und mach dich davon!"
49 „Ich kann mich nicht erinnern", ent gegnete Bjo mit mühsam gespielter Höflichkeit, „euch um einen Rat ge fragt zu haben, wohin ich mich wen den soll." „Das tut nichts zur Sache", erklärte der Stämmige unwillig. Offensichtlich fungierte er als Anführer der drei. „Wir haben beschlossen, dich hier nichl durchzulassen, und danach hast dich zu richten!" Bjo lachte auf. „Ihr wollt mir verbieten, mich auf der SOL frei zu bewegen? Da habt ihr euch viel vorgenommen. Ich bin jetzt schon gespannt, wie ihr das ansteUen werdet." Im Gesicht des Wortführers begann es zu arbeiten. Zornig streckte er ei nen Arm aus und hielt einen Finger in die Höhe. „Blase dich nicht so auf, Freund chen! Es könnte sonst passieren, daß wir dir dein vorlautes Mundwerk stop fen müssen." „Ich gehe, wohin ich will", bekräf tigte Bjo ernst. Es klang hart; jede Be lustigung war aus seiner Stimme ver schwunden. „Niemand wird mich dar an hindern — ihr schon gar nicht!" Diese bewußte Beleidigung konnte der andere nicht einfach wegstecken. Impulsiv trat er einen Schritt vor. Sei ne Augen blitzten. „Nimm dich in acht!" stieß er her vor. „Wir lassen nicht mit uns spa ßen!" „Dann kommt!" rief Bjo und breite te die Arme aus. „Kommt her und hal tet mich auf!" Der Stämmige zuckte. Es hatte den Anschein, daß er mit sich kämpfte, ob er auf den Katzer losgehen oder lieber den Rückzug antreten sollte. Die bei den anderen standen unschlüssig her um. Sie würden sich nach ihrem An
führer richten. Bjo machte eine abfällige Handbe wegung. „Ihr seid Feiglinge", raunte er. „Großmäuler." France konnte es nicht länger mit ansehen. Sie gab sich einen Ruck und überwand ihre Furcht. „Was soll dieses Theater?" schrie sie aufgebracht, während sie an Bjos Sei te trat. Die Faust des Stämmigen sank nach unten. „Laßt uns in Frieden. Wir haben euch nichts getan!" Ihre Absicht war, die Gemüter zu beruhigen. Aber sie erreichte mit ih rem Auftritt eher das Gegenteil. In die beiden Jugendlichen, die sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hat ten, kam jetzt ebenfalls Bewegung. Ei ner von ihnen deutete in anklagender Geste auf sie. „Dein Vater ist daran schuld, daß der Ruf des gesamten technischen Wartungspersonals in Mißkredit ge bracht worden ist! Wir finden es em pörend, daß du dich noch frei im Schiff bewegen darfst!" „So ein Unsinn!" verteidigte sie sich spontan. „Ich habe von Vaters Aktion nichts gewußt. Genausowenig wie Bjo..." „Wir finden es auch nicht schön", unterbrach sie der Stämmige, „wie aufopferungsvoll der Katzer sich um dich kümmert. Er täte besser daran, sich eine andere Freundin . . . " „Jetzt ist es genug! Meine Freunde suche ich mir selbst aus. Wer glaubt ihr eigentlich, daß ihr seid! Wollt ihr euch zu Sittenwächtern aufspielen, die den Solanern erklären müssen, wen sie sich als Partner zulegen dür fen?" „Sei still", zischte Bjo und schob sie sanft zur Seite. „Sie lassen nicht mit sich reden."
, Du verstehst das völlig falsch", sag te der Kräftige. „Wir haben grundsätz lich nichts gegen dich, höchstens ge gen deinen Vater. Uns stört nur, daß du, obwohl du eine ausgesprochen hübsche Frau bist, ausgerechnet mit dem K a t z e r . . . " Weiter kam er nicht. In einer Bewe gung, die so schnell war, daß das un vorbereitete Auge ihr kaum zu folgen vermochte, war Bjo an ihn herangetre ten und hatte ihn an der Schulter ge packt. „Du hast doch gehört, daß sie sich ihre Freunde selbst aussucht", knurr te er gefährlich leise. „Reicht das nicht?" Der andere ruckte mit der Schulter heftig zur Seite und befreite sich aus dem Griff. Wachsender Haß entstellte seine Gesichtszüge. „Faß mich nicht an, du . . . " Bjos Körperhaltung versteifte sich. „Sag nicht noch einmal Katzer!" drohte er. „Ich kann dich nur war nen!" „Was lassen wir uns einschüchtern von dem Bastard!" rief jetzt einer der beiden anderen voller Angriffslust. Es brachte die Stimmung zum Sie den. Bjos Kopf fuhr herum. Im gleichen Moment stürzte sich der Angreifer ihm entgegen. So blindwütig trug er seine Attacke vor, daß auch Unbegab tere sich seiner hätten erwehren kön nen. Der Katzer fing seinen Schwung auf, indem er ihn im Laufen an den Ar men griff und sich einmal drehte. Der Junge hatte damit nicht gerechnet. Als Bjo ihn wieder losließ, stolperte er haltlos seinen Kameraden entgegen. Einer fing ihn auf. Im nächsten Augenblick gingen sie zu dritt gegen den Katzer vor. France schüttelte erbittert den Kopf. Sie be
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griff nicht, daß manche Menschen ihre Aggressionen nur in gewalttätigen Handlungen abbauen konnten. Schweigend beobachtete sie das Geschehen. Es war ein kurzer und trotz der zah lenmäßigen Überlegenheit der An greifer ungleicher Kampf. Mit seiner Gewandtheit und exzellenten Körper beherrschung war Bjo in allen Belan gen im Vorteil. Er verstand es, ge schickt auszuweichen, lautlos und schnell seinen Standort zu wechseln und die Hiebe, die ihn treffen sollten, blitzartig zu parieren. Mit wenigen ge zielten Griffen setzte er zwei der Ju gendlichen außer Gefecht. Betäubt, aber ohne ernsthafte Verletzungen, sanken sie zu Boden. Den dritten wir belte er herum und drückte ihn mit dem Rücken an die Wand. „Hör mir gut zu", sagte er ruhig. ..Wenn ihr mich oder sonst jemanden nicht leiden könnt, so ist das eure Sa che. Ihr m ü ß t damit fertig werden. Ihr solltet euch lediglich merken, daß ihr mit mir nicht umspringen könnt, wie es euch beliebt. Tobt euch mit eures gleichen aus, aber laßt andere in Frie den. Das nächste Mal werde ich euch weniger schonend behandeln." Der andere machte Anstalten, sich aus der Umklammerung zu befreien. Er spannte die Muskeln und wand sich heftig. Bjo ließ ihn für einen Se kundenbruchteil los. Bevor der Junge die Arme zum Angriff heben konnte, packte er wieder zu. Er riß ihn an sich, wirbelte herum und stieß ihn unsanft davon. Der andere war von der schnel len Reaktion viel zu überrascht, um sich darauf einzustellen. Er stolperte und fiel. Einige Meter schlitterte er über den Boden. Bjo beachtete ihn nicht mehr. Er wandte sich France zu.
51 „Seit ich denken kann, erregt meine körperliche Mutation Aufsehen", sag te er. „Bei manchen äußert sich das in einem Angriffstrieb. Eigentlich sollte ich mich längst daran gewöhnt ha ben . . . " Unbewußt erfaßte sie, was er damit ausdrücken wollte. Sie sah den trüben Blick seiner Augen und die hängen den Schultern. Wieder einmal litt er unter seiner Andersartigkeit. „Es ist vorbei", sagte sie sanft und legte ihm einen Arm um die Hüfte. „Laß uns gehen. Komm."
Für kurze Zeit hatte sie geglaubt, ihn beruhigen zu können, ihn durch Gesten und Worte merken zu lassen, daß er sich seiner körperlichen Merk male nicht zu schämen brauchte. Sie hatte ihm zeigen wollen, daß sie ihn akzeptierte — so wie er war. Sie ahnte, wie stark ihn manchmal die Vorstel lung belastete, daß sie sich zwar zu ihm hingezogen fühlen könnte, vor ei nem engeren, intensiven Kontakt je doch zurückschreckte. Die Begegnung mit den drei Ju gendlichen hatte ihm viel von dem Selbstvertrauen genommen, das er noch vor kurzem besaß. Ihre Worte hatten Wunden geschlagen und die Si cherheit, die ihm in den letzten Tagen im Umgang mit France eigen gewesen war, angegriffen. Sie war entschlossen, diese Wunden zu schließen, doch als sie ihre Unter kunft betraten, begann sie zu spüren, daß ihre eigenen Sorgen zu groß wa ren, als daß sie anderen bei deren Pro blemen hätte helfen können. Bjo muß te selbst darüber hinwegkommen und wieder zu sich finden. Sie war sicher, daß es ihm gelingen würde, auch ohne
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ihre Unterstützung. Während sie sich setzte, lief der Kat zer unruhig im Raum auf und ab. Sie beobachtete ihn, verfolgte jede seiner Bewegungen. Er wartete förmlich auf ein nettes, aufmunterndes Wort, und je länger das Schweigen dauerte, de sto nervöser wurde er. Schließlich wandte er sich um und sah sie offen an. „Vielleicht sollte ich mich an den Gedanken gewöhnen, daß ich niemals ein konfliktfreies Leben führen kann", sagte er. „Es wird immer Leute geben, die sich an mir stören und mir schmerzhaft bewußt machen, wie sehr ich mich von ihnen unterscheide." Sie erwiderte seinen Blick. In den katzenhaften Augen lag ein Schimmer von Traurigkeit. Aus einem Impuls heraus antwortete sie, u n d sie wunder te sich, wie leicht es ihr mit einem mal doch fiel, auf ihn einzugehen. „Das sind Ausnahmen, Bjo. Jeder Mensch wird wegen irgendwelcher Dinge von anderen angefeindet. Das geht nicht nur dir so. Die Mehrzahl achtet und respektiert dich — das al lein ist wichtig. Du solltest dich von der Vorstellung frei machen, daß du wegen deiner Mutation im Leben nur Nachteile zu erwarten hast. Du selbst hast doch die Erfahrung schon ge macht, daß es eher umgekehrt ist." Eine Weile schien er nachdenklich, dann nickte er lächelnd. „Ich weiß es ja." Es klang beinahe kleinlaut. „Du darfst mir nicht böse sein, aber manchmal bedrückt es mich, u n d dann bin ich froh, wenn ich mit jemand darüber reden kann." Spontan ging er zu ihr und strich ihr durch die Haare. „Es tut mir leid, wenn ich dich damit belästigt habe. Du hast weiß Gott genug eigene Sor gen."
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Ihre wenigen, allgemeinverbindli chen Sätze schienen ihm bereits ge nügt zu haben, sich wieder zu fangen. Kurz schloß sie die Augen und genoß seine sanfte Berührung. Ihr Vertrauen zu ihm wuchs abermals. „Du hast mich nicht belästigt", ver sicherte sie, während sie seine Hand ergriff u n d zärtlich drückte. „Ich kann mich nur im Moment nicht auf Dinge konzentrieren, die andere belasten, so gern ich es auch möchte. Meine Ge danken kreisen immer wieder um meinen Vater." Bjo bewies, daß es ihm seinerseits leichter fiel, auf Frances Probleme einzugehen. „Ich glaube noch nicht an eine Ver urteilung", sagte er, und sie merkte, daß es kein Mittel sein sollte, sie zu be ruhigen. Es war seine Überzeugung. „Das Gericht hat Jose gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Er wird Pergs Loyalität bestätigen. Auch wenn er an Bord nicht mehr viel Ein fluß hat, besitzt seine Stimme immer noch Gewicht." „Du machst dir etwas vor, wenn du so denkst." France atmete tief ein. „Nein, Bjo, wir dürfen uns in dieser Richtung keine Hoffnungen mehr ma chen. Wir haben vorhin schon darüber gesprochen. Ich möchte es nicht noch einmal aufrollen." Der Katzer wandte sich ab und ließ vom Getränkeautomaten zwei Cock tails mixen. Einen stellte er vor France auf den Tisch, den anderen hielt er in der Hand und nippte daran. „Was willst du tun, wenn dein Vater in die Verbannung geschickt wird?" fragte er leise. Sie ahnte, was er damit andeuten wollte. Den Angehörigen und Freun den von Personen, die eine Strafzeit auf einem Planeten zu verbüßen hat
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ten, blieb grundsätzlich freigestellt, ob sie die Verurteilten begleiten und an deren Seite die schweren Jahre ver bringen wollten. Niemand würde sie aufhalten, wenn sie sich entschlossen, mit ihnen zu gehen. Wie sie, France, sich verhalten sollte, war ihr selbst noch nicht klar. Sie mußte die Wahl treffen — nicht nur zwischen zwei Welten, sondern auch zwischen zwei Menschen. Noch ahnte sie nicht, zu wem ihre Bindung letzt lich stärker sein würde. Sie wußte nur, daß es die schwerste Entscheidung ih res Lebens sein würde. Mit leeren Augen fixierte sie das Cocktailglas. „Ich kann es noch nicht sagen", gab sie zu. „Wahrscheinlich werde ich ver suchen, Perg den Abschied etwas leichter zu machen, indem ich ihn nach unten begleite. Er soll nicht das Gefühl haben, daß ich mich von ihm abwende." Langsam stand sie auf und legte dem Katzer eine Hand auf die Schulter. „Alles Weitere wird sich er geben . . . " In einem Zug leerte Bjo sein Glas und stellte es auf der Tischplatte ab. „Ich k o m m e ebenfalls mit", sagte er entschlossen. „Ich möchte nicht, daß du diesen Weg alleine gehst. Es ist nicht einfach, sich von seinem Vater zu trennen." Innerlich zuckte sie zusammen. Schlagartig begriff sie, daß sie seine Frage falsch verstanden hatte. Er hatte nicht wissen wollen, ob sie Perg in die Verbannung folgen und die SOL end gültig verlassen würde. Nach dem, was sich zwischen ihnen in den letzten Tagen entwickelt hatte, schien er vor auszusetzen, daß sie den Gedanken, sie könnte bei ihrem Vater bleiben, nicht ernsthaft erwog. Nein, Bjo wollte lediglich erfahren,
53 was sie vorhatte, um ihr in einer ihrer schwersten Stunden zur Seite zu ste hen, bei ihr zu sein, ihr zu helfen und sie zu s t ü t z e n . . . Wieder spürte sie diese nie zuvor er lebte Wärme, die ihr entgegenschlug, das überwältigende Maß an menschli cher Hinwendung, das der Katzer ihr entgegenbrachte. Und wieder wurde ihr bewußt, daß die Empfindungen, die sie für ihn hegte, sich davon ei gentlich nicht unterschieden. Lange sah sie ihm schweigend in die Augen — in diese katzenhaften Augen, die längst jede Fremdartigkeit für sie verloren hatten. In diesem Moment verströmten sie nichts als Fürsorge und Zuneigung. Dieser Mann, begriff sie, würde für sie da sein, wann immer sie ihn brauchte. Seine Anwesenheit allein vermittel te ihr Geborgenheit und vermochte ih re innere Spannung zu lösen. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher, be schützt und in einem geringen Maß sorgenfreier. Trotz aller Selbständig keit, die sie sich angeeignet hatte, brauchte sie das. Jeder Mensch brauchte es. Als Bjo lächelte und mit den Finger spitzen ihre Wange berührte, war ihr, als würde eine gläserne Wand in ihr zerbrechen, eine unsichtbare Barriere, die sie bislang daran gehindert hatte, den intensiven Kontakt zu ihm und seinem Körper zu suchen. Plötzlich waren alle Bedenken, war alles in stinktive Zurückweichen vergessen. Etwas in ihr drängte sie zu ihm — zu dem Mann, dessen Gegenwart sie brauchte und den sie liebte. Sie schloß die Augen und neigte den Kopf zur Seite, um die Berührung sei ner Hand deutlicher zu spüren. Es war, als tauche sie in eine Wolke, in ei
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ne warme, weiche Welt aus Zuneigung und Glück. Nichts sonst existierte mehr, alles andere versank in der Be deutungslosigkeit. Es gab nur noch Bjo u n d sie — und in diesem Augenblick wollte sie alles geben, was sie zu geben vermochte. Sie wollte eins werden mit ihm. Fast ohne ihr Zutun öffneten sich ih re Lippen. Sein K u ß war vorsichtig und verhal ten, keineswegs fordernd, und gerade deshalb so ungemein liebevoll. Sie spürte die Wärme, die seine sensible Zärtlichkeit entfache, das Feuer, das sich flammend in ihr ausbreitete und jede Faser ihres Körpers in Brand setzte... 6. Ohne Übertreibung bin ich geneigt, diesen Tag als den schwärzesten in der Geschichte der SOL seit der Übergabe durch die Terraner zu bezeichnen. Er legt Zeugnis ab von einer allgemeinen Stimmung, die abweichende Sinnes haltungen oder auch nur den Wunsch nach Selbstverwirklichung einzelner Personen nicht mehr zu tolerieren ver mag. In meinen Augen ist dies ein Rückschritt in der menschlichen Ent wicklung, wie er krasser nicht sein könnte. Die Verhandlung gegen Perg Ivory ist vorüber. Das Urteil ist verkündet. Gavro Yaal und die große Masse sei ner Anhänger haben diesen Prozeß ge wonnen. Meine Meinung wurde zwar gehört, aber sie besaß keine ausschlag gebende Bedeutung mehr. Perg Ivory wurde verurteilt, fünf Jahre seines Le bens in der Verbannung auf einem Planeten zu verbringen.
Obwohl ich nicht ernsthaft damit rechnen durfte, habe ich bis zuletzt ge hofft, daß sich der Richter von der ten denziösen Stimmungsmache gegen den Piloten nicht beeinflussen lassen wür de. Ich will an dieser Stelle nieman dem Befangenheit oder Voreingenom- , menheit vorwerfen, aber einige Um stände, die mit der Verhandlung ein hergingen, wage ich zumindest als zweifelhaft zu bezeichnen. Allein die Tatsache, daß das Gericht schon nach weniger als zwei Tagen zu sammengetreten ist, gibt mir zu den ken. Üblich ist das nicht, und wenn man eine Verbindung damit herstellt, daß die SOL sich im Orbit eines Plane ten befindet, der optimale Bedingun gen für menschliches Überleben bietet, regt sich der Verdacht, die Eile könnte ein Vorwand gewesen sein, um nicht später die langwierige Suche nach ei ner anderen geeigneten Welt aufneh men zu müssen. In diesen Bereich meiner Überlegun gen gleitet auch der Umstand, daß dem Verurteilten der Rechtsweg ver sperrt bleibt. Natürlich steht es dem Gericht frei, eine Revision zuzulas sen oder das Urteil für unmittelbar rechtskräftig zu deklarieren. Dennoch bleibt die bittere Vermutung, daß das sofortige Inkrafttreten am Verkündi gungstag ebenfalls mit dem oben Ge schilderten zusammenhängt Natürlich ist das alles blanke Theo rie, und ich will mir nicht anmaßen, die Unabhängigkeit des Gerichts in Zweifel zu ziehen. Tatsache bleibt, daß Perg Ivory die SOL verlassen muß. Eine besonders feine Form gemeiner Ironie besteht darin, daß ihm außer einer Überle bensausrüstung eine Lightning-Jet zur Verfügung gestellt wird. Damit erlangt er auf dem Planeten zwar einen nahe
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zu unbegrenzten Bewegungsspiel raum, ansonsten wird ihm die Maschi ne jedoch wenig nützen. Bestenfalls wird er täglich daran erinnert, warum er sein Dasein allein und einsam auf einer fremden Welt fristen muß — und so war es wohl auch gedacht Dieser Prozeß und Pergs Verurtei lung jedenfalls sind für mich ein schlecht inszeniertes Schauspiel, eine reine Demonstration dessen, wie man mit Leuten zu verfahren gedenkt, die mit der allgemeinen Lebensauffas sung nicht konform gehen. Wenn sich diese Praxis fortsetzt, wird es nicht lange dauern, bis alle paar Monate ganze Gruppen von Personen aus tri vialen Anlässen von Bord verbannt werden. Ich kann deshalb nur hoffen, daß die Kriterien für Meuterei in Zukunft we sentlich enger definiert werden. Der Fall Ivory muß eine Ausnahmeerschei nung bleiben, sonst ist es schlecht be stellt um den Bestand der solanischen Gesellschaft. Joscan Hellmut am 15. Juli 3590 7.
Die letzten Stunden an Bord der SOL vergingen viel zu schnell, und sie waren geprägt von verzehrender Bit terkeit u n d Selbstvorwürfen. Für die Härte seiner Strafe fühlte sich Perg Ivory mitverantwortlich. Er hätte sich nicht dazu hinreißen lassen dürfen, aus seinem Gefängnis auszu brechen und überdies einen Wächter schwer zu verletzen. Gestern noch war es ihm als einziger Ausweg aus seiner Lage erschienen, heute bereute er es. Hätte er sich besser in der Gewalt ge habt, wäre das Urteil vielleicht weni
ger gnadenlos ausgefallen. Jetzt ließ sich nichts mehr ändern, und die Vorstellung dessen, was auf ihn wartete, begann sich für den Pilo ten zu einem endlosen Alptraum aus zuwachsen. Er, ein einzelner Mensch, verlassen und verloren in der freien Natur eines P l a n e t e n . . . er zweifelte daran, ob er den Belastungen — see lisch wie körperlich — standhalten würde. Alles hätte er gegeben, wenn sich eine Möglichkeit geboten hätte, an Bord bleiben zu dürfen. Mit solchen Gedanken zu spielen, war jedoch vermessen. Er mußte sich abfinden mit dem, was auf ihn zukam. Wenn er es auch nicht akzeptieren konnte — er mußte es hinnehmen und das Beste daraus machen. Er würde seinen Stolz nicht brechen lassen. Das einzige, was ihn in diesen Stun den etwas aufmunterte, war die Tatsa che, daß seine Tochter von jeder Mit täterschaft freigesprochen worden war. France hatte lediglich eine Ver warnung erhalten. Das war makaber genug, aber sie konnte wenigstens weiterhin ein freies und ungezwunge nes Leben führen. Perg lächelte, als er daran dachte. Unmittelbar nach der Verhandlung war er ein einziges Nervenbündel ge wesen, zitternd und innerlich gebro chen hatten sie ihn in die Zelle zurück geführt. Jetzt wurde er, je länger er sich mit seiner persönlichen Zukunft beschäftigte, zunehmend ruhiger, wenn auch noch nicht gelassen. Als das Zellenschott sich öffnete, konnte er nicht verhindern, daß er er schrocken zusammenfuhr. Draußen stand ein Sicherheitsoffizier, der auf fordernd mit der Waffe winkte. „Ich m u ß dich bitten, mit mir zu kommen", sagte er in fast bedauerndem Tonfall.
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Perg faßte sich sehr schnell. Lang in einem Kontursessel Platz nahm, lief sam erhob er sich und trat auf den France auf ihn zu. Sekunden später la Korridor hinaus. In einem Anflug von gen sie sich in den Armen — Vater und Galgenhumor grinste er den Mann an. Tochter. „Es braucht dir nicht leid zu tun", Sie weinte. Perg hörte es nicht, er meinte er. „Du befolgst nur deine Be spürte es an den unkontrollierten Be fehle." wegungen ihrer. Schultern. Er mußte Der Offizier ließ sich nicht anmer an sich halten, um nicht ebenfalls die ken, was er bei diesen Worten emp Fassung zu verlieren. fand. Sein Gesicht blieb starr, als er in „Du hättest nicht kommen sollen", eine bestimmte Richtung deutete. brachte er hervor. Es klang gequält. „Ich müßte diesen Weg alleine ge „Dort entlang!" Perg nickte und setzte sich schwei hen." gend in Bewegung. Der Mann folgte Schwer löste sie sich von ihm und ihm mit schußbereitem Paralysator. versuchte ihre Tränen unter gesenk Es war sein letzter Gang durch die tem Blick zu verbergen. SOL. Oft sah er sich um, nahm Ein „Nein", stammelte sie, „nein, ich drücke auf, betrachtete Dinge, die bis konnte es nicht. Ich mußte dich be vor kurzem zu seinem täglichen Le gleiten, wenn ich die Achtung vor mir ben gehörten. Sein Begleiter ließ ihn selbst nicht verlieren wollte." sogar gewähren, als er vor einem Inter Fest preßte er die Lippen zusam komanschluß stehenblieb und verson men. nen über die Tastatur strich. „Du machst es mir nur schwerer da Er hatte geglaubt, daß er wehmütig mit", murmelte er, traurig den Kopf werden könnte. Jetzt erst stellte er schüttelnd. Dann hob er einen Arm fest, wie abgeklärt und nüchtern er in und strich ihr sanft über die Schulter. Wahrheit schon war. Er betrachtete „Aber es ist gut. Ich danke dir." das Schiff als seine Heimat, als Zuhau Merkwürdigerweise, stellte er fest, se — das war aber schon alles. Es be hatte er sich auch von der Ansicht be rückte ihn nicht mehr. Tief im Innern freit, daß es seiner Tochter in der er hatte er sich längst von der SOL ge sten Zeit schwerfallen würde, ohne löst. Alles, was damit zusammenhing, ihn auszukommen. Die Anwesenheit war für ihn bereits Vergangenheit. des rostbräungefleckten Katzers Erst als er die Space-Jet betrat, die schien das Gegenteil zu beweisen. Der ihn zu dem Planeten transportieren junge Mann würde sich um France würde, überfiel ihn der Schmerz und kümmern, dessen war Perg sicher. Wenn er nur genug Zuneigung für sie fraß sich nagend in seine Seele. In der Zentrale erwartete ihn seine aufbrachte, mußte es ihm gelingen, ihr schnell über den persönlichen Ver Tochter. lust hinwegzuhelfen. Überrascht und erschüttert blieb Perg stehen. Er sah ihr an, wie schwer Wieder spürte Perg, wie diese seltsa es ihr fiel, ruhig zu bleiben. Etwas ab me, abgeklärte Ruhe ihn überkam. seits von ihr lehnte Bjo Breiskoll an ei Nein, er gehörte nicht mehr auf die ner Konsole. SOL. Nach einer kurzen Phase des Während der Pilot die Startvorberei Übergangs würde niemand ihn mehr tungen traf und der Sicherheitsoffizier vermissen. Umgekehrt war er über
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zeugt, daß auch er dem Leben an Bord des Schiffes nicht nachtrauern würde. Vielleicht war diese innere Einstel lung nicht mehr als eine Schutzfunk tion seines Geistes, um an dem, was ihn erwartete, nicht zu zerbrechen. Er wußte es nicht. Er sah nur, daß die Space-Jet — gleichsam als Bestäti gung seiner Gedanken — in diesem Moment den Hangar verließ und in die endlosen Weiten des Alls eintauchte. Für Perg Ivory war es, als würde das Band, das ihn mit der SOL vereinte, endgültig durchtrennt. Er kümmerte sich um nichts mehr. Nur aus den Au genwinkeln nahm er wahr, daß seine Tochter sich Bjo zuwandte und dieser sie in die Arme nahm. Er blickte aus der Sichtkuppel, wo der Planet, der nun sein Lebensinhalt werden würde, wie ein schmutziger Edelstein im Nichts schwebte. Als er s i c h dieser Welt das erste Mal genähert hatte, war er von einem per sönlichen Hochgefühl erfüllt gewesen. Diesmal empfand er Gleichgültigkeit, bestenfalls mäßiges Interesse. Der dis kusförmige Flugkörper durchstieß die Wolkendecke und schwebte ruhig durch die unteren Bereiche der Atmo sphäre. Der Pilot drosselte die Ge schwindigkeit so weit, daß die ver schiedenen Landschaftsformen aus giebig studiert werden konnten. „Du kannst dir aussuchen, wo wir dich absetzen sollen", erklärte der Si cherheitsoffizier. Perg bemerkte belu stigt, daß er einen scheuen Blick zu dem Katzer hinüber warf. „Es soll nicht heißen, wir hätten dich bewußt in einer unwirtlichen Gegend von Bord gelassen." Perg nickte, ohne zu antworten. Ei ne Weile studierte er die Wiedergabe der Detailbildschirme und ließ die un terschiedlichen Strukturen der Plane
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tenoberfläche auf sich einwirken. Der Pilot brachte die Space-Jet auf einen Rundumkurs, der nach jeder Umkrei sung um wenige Grad von der vorheri gen Bahn abwich. Auf diese Weise lie ferten die Kameras mit der Zeit ein breites Spektrum an geographischen Formationen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er da stand und beobachtete. Irgendwann hob er den Arm und deutete auf die Landschaft, die unter dem Flugge rät vorbeizog. , „Hier", sagte er einfach. „Hier werde ich mich niederlassen." Es war eine Gegend, wie sie in ähnli cher Form in den gemäßigten nördli chen Breiten Terras vorkommen mochte. Ebenen, Hügelgebiete und hoch aufragende Gebirgszüge wech selten einander ab, durchzogen von vielfach gewundenen Flußläufen und begrenzt durch einen ausgedehnten Ozean. Der Pilot b r u m m t e zustimmend und zog die Space-Jet in einer weiten Schleife herum. Inmitten einer dicht bewachsenen Grasebene setzte er auf. Einige Male federte das Beiboot durch, bis die Landehydraulik die Unebenheiten des Bodens ausgegli chen hatte. An der Kante eines Bedienungs pults stützte Perg sich ab und blickte nach draußen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, das Trauer und Ausge glichenheit in einem ausdrückte. Es schien, als schlösse er Freundschaft mit dieser Welt. Er spürte die Berührung einer Hand auf seinem Arm und wandte sich um. Neben ihm standen France und Bjo. „Komm", sagte seine Tochter leise. „Wir müssen gehen."
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Es war ein ungewohntes, ja beäng stigendes Gefühl, auf der Oberfläche eines Planeten zu stehen. France fühl te sich nicht wohl dabei. Das Land war weit und erschreckend endlos. Vor sich am Horizont erkannte sie einen schmalen Streifen des Meeres, dessen Farbe sich mit dem drückenden Blau des Himmels fast nahtlos vermischte. In einer anderen Richtung wuchs die zerklüftete Gesteinswand eines Gebir- • ges wie ein drohendes Mal in die Höhe. Sie mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben, bevor sie Bjo und Perg folgte, die bereits einige Schritte vorausge gangen waren. Ihre Stiefel versanken ein Stück in dem feuchten Boden. Vor kurzer Zeit mußte es hier geregnet ha ben. Die Luft war schwül und stickig, und mit jedem Atemzug roch sie eine fremde, würzige Komponente, die in der Atmosphäre enthalten war. All diese Dinge kannte sie zwar. Drei- oder viermal hatte sie das Sola rium besucht, in dem die Gegebenhei ten der freien Natur simuliert wurden. Aber es war ein Unterschied, ob man sich in der sicheren Obhut technischer Anlagen diesen Eindrücken hingab und sie studierte, oder ob man sie auf einer unbekannten Welt unmittelbar erlebte. Die Abneigung jedes Solaners ge gen das Leben auf festen Himmelskör pern erfaßte France in voller Stärke. Sie begann zu zittern, während sie sich weiter von der Space-Jet entfern te. Aus den unbewußten Tiefen einer anerzogenen und ausgelebten Geistes haltung brach die Furcht über sie her ein. Immer wieder m u ß t e sie sich klar machen, daß ihr keine Gefahr drohte, daß ein Planet der historische Lebens raum und die ursprünglich existenzer haltende Umgebung des Menschen
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war. Es half ihr, die Angst allmählich abzubauen, und sie war sicher, daß es ihr nach einiger Zeit gelingen würde, sich unbeschwerter auf dieser Welt zu bewegen. Ihr Vater hingegen schien den Schritt vom Raumschiff- zum Plane tenbewohner innerlich bereits vollzo gen zu haben. Während France an Bjos Seite stehen blieb, ging Perg noch einige Schritte weiter, breitete in einer befreiten Geste die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst. Als er zu den beiden zurückkam, wirkte sein Gesichtsausdruck beinahe ver klärt. „Es ist schön hier", sagte er und at mete mehrmals tief durch. „Es gefällt mir." France weigerte sich zu glau ben, daß diese Aussage einer ehrli chen und freien Meinungsbildung ent sprang. Sie empfand es eher als reinen Zweckoptimismus, und es drängte sie, ihrem Vater die Realitäten bewußt zu machen. „Du wirst allein hier leben müssen", erinnerte sie, „ohne den Kontakt zu anderen Menschen, ohne die Möglich keit, den Planeten zu verlassen, wenn es dir zu einsam wird . . . " „Ich weiß", winkte Perg ab. „Aber ich habe diesen Ort bewußt als Lande platz gewählt. In nicht allzu großer Entfernung gibt es eine Ansiedlung von Eingeborenen. Es ist mir zwar nicht bekannt, wie weit sie in ihrer Entwicklung sind, aber mir steht ein Translator zur Verfügung, der mir hel fen wird, mich mit ihnen zu verständi gen. Wenn die Lehren der Kosmopsy chologen nicht grundsätzlich falsch sind, dürfte es mir nicht schwerfallen, eine herausragende Stellung in ihren Reihen zu erlangen." „Du spekulierst mit Wahrschein
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lichkeiten", warf Bjo ihm vor. „Genau sogut kann alles ganz anders kom men." Pergs Miene verdüsterte sich. Er starrte den Katzer an, als wollte er im nächsten Moment auf ihn losgehen. „Natürlich kann es das!" schrie er. „Ich kann auch hinter dem nächsten Busch in einen Graben fallen und mir das Genick brechen!*' Unwillkürlich streckte France die Hand aus. „Vater, bitte, beruhige dich. Wir wis sen, wie du es meinst." Plötzlich war ihr klar geworden, daß er sich der Tragweite seiner Verban nung durchaus bewußt war. Er ver suchte lediglich, mit zuversichtlichen Gedanken sein neues Leben anzupak ken, und er wehrte sich gegen alle Ar gumente, die ihm von vornherein die Aussichtslosigkeit seiner Situation verdeutlichen wollten. Er war ge zwungen, hier zu existieren, er mußte hier zurechtkommen, wenn er nicht in tödliche Lethargie verfallen wollte. Er war entschlossen, fünf Jahre zu über leben und zu meistern. Von nieman dem wollte er sich seinen Stolz und seine Kraft schon zu Anfang zerstören lassen. Perg akzeptierte die entschuldigen den Worte seiner Tochter. Augen blicklich löste sich seine Spannung wieder. Er ging zu ihr und zeigte auf die Gebirgswand, die sich in mehreren Kilometern Entfernung erhob. „Kannst du die glitzernde Stelle se hen?" Sie blickte in die angegebene Rich tung, doch so sehr sie ihre Augen an strengte, entdeckte sie nichts, was ihre Aufmerksamkeit hätte wecken kön nen. „Nein", gab sie zu. „Ich sehe nichts."
59 „Es ist eine Kristallader", erklärte Perg, als hätte er ihre Antwort nicht gehört. „Ich habe viele alte Berichte gelesen. Es gibt manche Raumschiff kommandos, die von beseelten Kri stallansammlungen erzählten. Ich werde hingehen und mir die Sache an schauen. Vielleicht habe ich Glück, und dies ist eine intelligente und wei se Wesenheit." Erschreckt und schockiert sah Fran ce den Katzer an, doch der war seiner seits damit beschäftigt, die Gebirgs wand nach Anzeichen einer kristalli nen Gesteinsformation abzusuchen. Voller Erbitterung schloß sie die Au gen. Sie hatte sich getäuscht, und es schmerzte erbärmlich, sich das einge stehen zu müssen. Was ihr Vater sich an Lebensauffas sung aneignete, hatte nichts mit exi stenzbedingten Notwendigkeiten zu tun — es waren Anzeichen des begin nenden Wahnsinns! Es gab keine Kri stallader in dem Gebirge, und vermut lich war auch die Eingeborenensied lung ein Hirngespinst. Schweigend versuchte France die plötzliche Einsicht zu verdauen. Sie hätte schreien mögen, aber sie brachte keinen Ton hervor. Da stand Bjo Breiskoll, und da stand Perg Ivory — und in ihr brach sich, alles andere ver drängend, die Entschlossenheit Bahn, einen vom Wahnsinn bedrohten Men schen nicht allein hier zurückzulassen. Sie kam nicht mehr dazu, ihre Ge danken zu artikulieren und in Worte zu fassen. Am Himmel entstand ein grellweißer Streifen ionisierter Luft, verbunden mit dem schrillen Heulen eines nahenden Schnellflugkörpers. Vielleicht spielten ihr ihre Sinne einen Streich, aber sie fragte sich, wie der Pilot es fertigbringen wollte, die Ma
60 schine in diesem mörderischen Tem po sicher zu landen. Fast wunderte sie sich, daß es ihm ohne Totalschaden gelang. Nur wenige Meter neben dem diskusförmigen Beiboot rollte die Light ning-Jet aus. „Da ist das versprochene Ge schenk", rief Perg. Ungläubig schüt telte er den Kopf. „Ich kann es kaum fassen. Sie lassen mir tatsächlich eine Lightning-Jet hier." France sah ihm nach, wie er mit ru higen Schritten zum Landeplatz ging, um sich um seine Ausrüstung zu küm mern. Der Pilot, der aus dem Cockpit des Zwei-Mann-Jägers kletterte, be achtete ihn nicht. Nebeneinander be traten sie die Space-Jet, ohne sich ei nen Blick zuzuwerfen. Sie verhielten sich wie Fremde. Diese offene Mißachtung, die ihrem Vater entgegengebracht wurde, er schütterte France. Sie spürte den Arm des Katzers um ihre Schulter. Die Ge ste war zärtlich gemeint und sollte trö sten, und in jeder anderen Situation hätte sie beruhigend gewirkt. Jetzt je doch, in ihrer aufgewühlten Stim mung, empfand France sie als bedrän gend. Impulsiv fuhr sie zurück. „Laß mich!" sagte sie schroff. Im selben Moment tat es ihr leid, weil sie wußte, daß Bjo sich zurückge stoßen fühlen würde. Sein verletzter Gesichtsausdruck bewies es. Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht hatte er mit einer solchen Reak tion nicht gerechnet. „Was ist los?" Er stand da wie ein hilfloses Kind, erschrocken und unsicher. „Es hat nichts mit dir zu tun, Bjo." Ihr Tonfall war versöhnlich, obwohl sie sich im Grunde darüber ärgerte, daß er ihre Unausgeglichenheit auf sich bezog. Wenn er der Partner für sie
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sein sollte, den sie sich wünschte — hätte er nicht trotz aller Selbstzweifel fähig sein müssen, ihre Stimmungen mitzutragen? „Ich habe Angst um Va ter." „Angst?" Der Katzer fing sich sehr schnell. „Ich glaube nicht, daß wir uns um ihn sorgen müssen. Er macht den Eindruck, als käme er gut zurecht. Zu mindest ist er sich seiner sicher und geht die Sache unbekümmerter an, als ich gedacht habe. Er wird stark genug sein, sein Schicksal zu meistern." „Unsinn!" Wieder wurde France hef tig. Sie schrie fast. „Merkst du nicht, daß er am Rand des Wahnsinns steht? Er sieht Dinge, die es nicht gibt und bildet sich ein, Kontakt zu Wesen her stellen zu können, die nichts weiter sind als Trugbilder seiner Phantasie. Er wird zugrunde gehen, wenn man ihn hier alleine läßt!" Ganz allmählich nur erfaßte Bjo, welcher tiefere Sinn hinter ihren Wor ten steckte. Eine Weile rührte er sich nicht, schien dem Klang ihrer Stimme nachzulauschen. Seine Schultern hin gen kraftlos herab. „Du willst bei ihm b l e i b e n . . . " er riet er. Es war ein Flüstern, kaum hörbar und gerade deshalb voll innerer Tra gik. Er verstand sie nicht. Fast glaubte France zu sehen, wie in ihm ein müh sam errichtetes Gebäude aus Hoff nung und Zuversicht splitterte und in unzählige winzige Scherben zerbrach. Es tat ihr weh, ihn in dieser Verfas sung zu beobachten, aber sie wußte, daß sie ihren Entschluß nicht mehr ändern würde. Sie mußte sich zwi schen zwei Personen entscheiden, die sie gleichermaßen liebte — jede auf andere Weise —, und der Konflikt, der deswegen in ihr tobte, war für einen
Der Katzer
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Menschen kaum zu ertragen. Sie wunderte sich, wie ruhig sie äu ßerlich trotzdem war. Sie fühlte eine entsetzliche Leere. „Ja", sagte sie leise, „ich bleibe bei ihm." * Voll bepackt erschien Perg Ivory in der Luke der Space-Jet. Keinen Blick warf er mehr zurück, als er den Boden des Planeten betrat und zügig aus schritt. Alles, was er zum Überleben brauchte, war ihm zur Verfügung ge stellt worden. Er trug eine leichte All wetter-Kombination, und an seinem Gürtel baumelten ein Thermo-Strah ler und ein Paralysator. In dem wuch tigen Tornister auf seinem Rücken be fanden sich Nahrungskonzentrate, Medikamente und andere Dinge, die ihm für mindestens ein Jahr die Um stellung auf das Dasein in freier Natur erleichtern würden. Ihm auf den Fuß folgte ein Roboter, der ihm zur freien Verfügung übereig net und entsprechend programmiert worden war. Er konnte ihn für persön liche Dienste oder für schwierige Tä tigkeiten, die er nicht selbst ausführen wollte, in Anspruch nehmen. Schließlich schwebte noch eine An tigravplattform aus einem Laderaum der Space-Jet, auf der Meßgeräte und Instrumente zur Bearbeitung von al len denkbaren Materialien unterge bracht waren. „Es wird ihm wirklich nicht schwer gemacht", sagte Bjo mit brüchiger Stimme, während Perg sich ihnen nä herte. „Er hat alles, was er braucht, um hier leben zu können." „Vor allem braucht er psychische Unterstützung", entgegnete France.
„Und die kann nur ich ihm geben." In einer hilflosen Geste breitete er die Arme aus. „Ich brauche dich auch! Ich liebe dich!" „Ich weiß es, Bjo." Ihre Augen wa ren feucht, als sie ihm sanft über die Wange strich. „Bitte glaube mir, daß ich für dich ebenso empfinde, und ich möchte dich bitten, bei mir und Perg zu bleiben. Einen anderen Ausweg gibt es nicht für uns. Ich kann meinen Vater nicht alleine lassen! Du mußt versuchen, das zu verstehen. Wenn du bleibst, sind wir zu dritt. Es wird uns leichtfallen, die Zeit zu überstehen, bis die SOL uns wieder abholt." Und wir könnten weiterhin Zusam mensein, fügte sie in Gedanken hinzu. Der Katzer reagierte jedoch völlig anders auf ihren Vorschlag, als sie ins geheim erwartete. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie. „Du verkennst die Realitäten, Fran ce!" fuhr er sie an. „Wer immer sich entschließt, auf diesem Planeten zu le ben, der wird bis an sein Ende hier bleiben müssen. Niemand wird uns je mals abholen!" Sie war so entsetzt von seiner aggres siven Verzweiflung, daß sie ihn in ei ner heftigen Bewegung von sich stieß. Ihre ganze innere Qual, ihr Kummer und ihr Schmerz brachen sich Bahn. Alles schrie sie laut heraus. „Ich lasse mich von dir nicht behan deln wie eine Verrückte! Das Urteil lautet auf fünf Jahre; du weißt es ge nau. Danach werden wir wieder auf das Schiff überwechseln!" „So steht es auf dem Papier", schrie Bjo zurück. Auch er hatte seine Emo tionen nicht mehr unter Kontrolle. „Wach doch endlich auf, France! Das
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Urteil ist eine Farce! Die SOL fliegt keinen Rundumkurs! Sie wird nie hierher zurückkehren!" In ihrer Erregung war sie sachlichen Argumenten, auch wenn sie laut vor getragen wurden, nicht mehr zugäng lich. Natürlich hatte Bjo recht, aber das wollte sie in diesem Moment nicht wahrhaben. „Du kannst mich nicht umstim men", rief sie schwer atmend. „Wenn du glaubst, du müßtest gehen, dann geh! Ich jedenfalls bleibe." Der Katzer stand da wie ein zum Sprung bereites Raubtier. Er schüttel te wild den Kopf. „France, bitte . . . " Er brach ab. Seine Augen weiteten sich überrascht, und sein Blick ging an ihr vorbei. Sie sah, wie er sich straffte und zö gernd einen Shritt auf sie zu machte. Bevor sie darüber nachdenken konnte, was sein merkwürdiges Ver halten zu bedeuten hatte, spürte sie ein taubes Gefühl im Rücken, das sich wellenförmig ausbreitete und im Bruchteil einer Sekunde ihren gesam ten Körper erfaßte. Muskeln und Ner ven versagten den Dienst. In den Knien knickte sie ein u n d schlug seit lich in das Gras. Sie spürte nichts da von. Sie wollte den Kopf und die Augen bewegen, um zu sehen, was um sie herum vor sich ging, aber es gelang ihr nicht. Kurz erkannte sie Bjos Hand in ihrem Blickfeld, der ihr die Lider zu drückte. Dann war Dunkelheit. Sie wollte etwas sagen, ihrer Wut Ausdruck geben, schreien — sie konn te es nicht. Nur hören konnte sie. Und denken. „Warum hast du das getan?" „Ich habe euren Streit mitbekom-
men. Sie wußte nicht mehr, was sie sagte. Es ist unvernünftig und unnütz, wenn ihr oder auch nur einer von euch bei mir bleibt. Deshalb habe ich sie paralysiert." „Du hast ihr in den Rücken geschos sen!" „Was macht das schon! In ein paar Stunden ist sie wieder auf den Beinen. Nimm sie mit auf die SOL, Bjo. Sie kann nicht hier bleiben." „Ich weiß, du meinst es gut, Perg, aber es war ihr Wunsch, bei dir zu blei ben. Du kannst nicht über ihren Kopf hinweg..." „Natürlich kann ich! Keiner von euch gehört auf den Boden eines Planeten. Euer Zuhause ist die SOL. Dort liegt eure Zukunft! Nur dort fin det ihr die Basis für euer Leben. Geh jetzt, Bjo, geh und nimm sie mit. Wenn sie Liebe nicht mit Leidenschaft ver wechselt hat, wird sie dir verzeihen!" Er wird es nicht tun, dachte France, er wird sich nicht über meinen Willen hinwegsetzen. Doch dann fühlte sie sich angeho ben — der Gleichgewichtssinn vermit telte ihr die Bewegung. Der Katzer hatte sie auf die Arme genommen und trug sie fort. Nein! schrien ihre Gedanken. Du darfst mich nicht von meinem Vater trennen! Ich will es nicht! Laß mich hier! Bitte! Sie wußte, daß er sie hören konnte. Doch Bjo reagierte nicht. 8.
Selten habe ich einen Menschen gese hen, dessen Anblick mich so erschüt terte. Er trat aus der Space-Jet wie einer, der keine Zukunft mehr kennt Auf den
Der Katzer
Armen trug er den reglosen Körper des Mädchens. Seine Schultern waren ge beugt, die Mundwinkel voller Bitter keit verzogen, und die Augen Jeucht vor Tränen. Er kam auf mich zu und bettete France auf den kalten Stahl des Hangarbodens. „Kümmere dich um sie, Jose." Es war eine Bitte, eine flehende Bitte, die ich schon deshalb erfüllen würde, weil Bjo Breiskoll mein Freund ist. Ich erkannte, daß er Ruhe zur Selbstbesin nung brauchte, dennoch stellte ich die Frage: „Warum tust du es nicht?" Er sah mich nur traurig an. Sein Blick war leer. „Sie wird mich hassen", flüsterte er. „Für das, was ich getan habe, wird sie mich hassen." Das war gestern gewesen, kurz bevor die SOL den Orbit um den Planeten verließ, auf dem Perg Ivory nun lebt. Inzwischen weiß ich, was geschehen ist. France war bei mir und hat mir al les erzählt. Den Schock und die Demü tigung, die Bjo ihr versetzt hat, indem er sie zurück an Bord brachte, wird sie nicht vergessen können. Sie will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Der Katzer wird seine Zeit brauchen, bis er darüber hinwegkommt. Er liebt dieses Mädchen, und für seine Begriffe muß ihre plötzlich Ablehnung so aus sehen, als sei sie sich in Wahrheit über ihre Gefühle noch nicht im klaren gewe sen, als schrecke sie nach dem ersten sexuellen Kontakt nun doch vor sei nem Körper zurück. Nach allem, was ich von seinen diesbezüglichen Problemen weiß, wird er darin den Hauptgrund für ihr Verhalten sehen. Gewiß täuscht er sich, und ich werde versuchen, ihm das begreiflich zu ma chen. Er wird die Krise überwinden, dessen bin ich sicher.
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Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis er stark genug ist, daß ich ihm er zählen kann, was France mir anver traut hat: Aus der Liebe zwischen ihr und ihm wird ein Kind hervorgehen, ein Kind, das nach ihrem Willen den Namen Breiskoll tragen soll. Wenn es soweit ist, wird er begreifen, daß sie ihn nicht wirklich haßt, son dern daß sie nur nicht mit einem Mann leben will, der ihren Willen nicht re spektieren kann. Er wird begreifen, daß sie zu allem steht — zu Bjo, dem Kind, und zu dem, was sie empfunden hat. Sie nennt es Liebe, und sie bereut es nicht. Joscan Hellmut am 16. Juli 3590 9. Ein Drama in drei Tagen, dachte Chart Deccon, während er das Log buch langsam zuklappte. Er hatte nichts von technischen Problemen er fahren oder von gefährlichen Einflüs sen von außen, mit denen sich die Be satzung der SOL auseinanderzusetzen hatte. Der Inhalt der gelesenen Einträ ge war fast ausschließlich menschli cher Natur gewesen, er befaßte sich mit privater Tragik und persönlichen Schicksalen. Wie viele solcher Dramen spielten sich noch heute an Bord ab, überlegte er, Tag für Tag und Stunde für Stunde. Kaum jemand kümmerte sich um der artige Vorfälle oder erfuhr davon. In dem Chaos, das im Schiff herrschte, gingen sie unter. Der High Sideryt m u ß t e sich einge stehen, daß ihn die Geschichte um Perg Ivory und seine Tochter inner lich bewegt hatte. Dennoch schob er die Gedanken daran schnell zur Seite.
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Als er das Logbuch wieder in der El- menleben offenbar nie ohne Konflikte fenbeinschatulle verwahrte, erschien realisierbar war. ihm als Resümee bereits wichtiger, Er brauchte eine Dosis E-kick — erst daß damals, vor zweihundert Jahren, dann würde er sich wieder wohler füh bereits erste Ansätze dessen erkenn- len. Er mußte sich auf diese Weise erbar gewesen waren, was heute die Ge- frischen, um für Kommendes gewapp sellschaftsform an Bord prägte. net zu sein. Der Tag war ruhig verlaufen bis Im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten, während derer er im Logbuch jetzt, zumindest waren keine schwer blätterte, hatte ihm die Lektüre dies- wiegenden Dinge vorgefallen, die sein mal nicht die erhoffte Entspannung Eingreifen erfordert hätten. gebracht. Vielleicht lag das an der ErMorgen dagegen konnte schon wie kenntnis, daß menschliches Zusam- der die Hölle los sein. Im Atlan-Band der nächsten Woche stehen wieder die Erlebnisse des Arkoniden im Vordergrund. Während ein Magnide, ein Bruder der ersten Wertigkeit, eigene Pläne verfolgt, macht Atlan Bekanntschaft mit den BORDNOMADEN. . . BORDNOMADEN — unter diesem Titel erscheint auch Atlan-Band 506. Der Ro man wurde von Hubert Haensel geschrieben. ENDE
ATLAN erscheint wöchentlich im Moewig Vertag, 8000 München. Redaktion: Pabel Verlag KG, Falkweg 51,8000 München 60. Druck und Vertrieb: Erich Pabel Verlag KG, 7550 Rastatt. Anzeigenleitung: Verlagsgruppe Pabel-Moewig, Pabelhaus, 7550 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rolf Meibeicker. Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 4. Verkaufspreis inkl. gesetzt. MwSt. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegro8vertrieb Salzburg, Nieder alm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorhe riger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Abonnements- und Einzelbestellungen an PABEL VERLAG KG • Postfach 1780 7550 RASTATT • Telefon (0 72 22) 1 32 41. Printed in Germany.Juni 1981