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Der Positiv-Kontakt Er begegnet den Zeitnomaden - und erkennt die Gefahr für Ammavol von Hans Kneifel
Auf den...
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Nr. 123
Der Positiv-Kontakt Er begegnet den Zeitnomaden - und erkennt die Gefahr für Ammavol von Hans Kneifel
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Anfang Dezember des Jahres 2842 – eines Jahres, dessen erste Hälfte äußerst turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig bewiesen. Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Von den üblichen Geplänkeln und Reibereien an den Grenzen des Imperiums abgesehen, gibt es nach der erfolgreichen Ausschaltung des Plasma-Mutanten gegenwärtig keine Schwierigkeiten für die Menschen und die mit ihnen verbündeten Sternenvölker. Man hat also allen Grund, mit Optimismus in die Zukunft zu schauen. So glaubt man wenigstens, denn man weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts von einem Ereignis, das sich, obwohl es sich fern von der Erde und in ferner Vergangenheit abspielte, in zunehmendem Maße auch auf die Menschheit selbst auszuwirken beginnt. Alles begann in dem Augenblick, da ein fremdes Sternenvolk die Grenze der Dimensionen überschritt, sich aus den Fesseln der Körperlichkeit löste und zu Zeitnomaden wurde. Die programmierten Urgene blieben jedoch als Erbe der Zeitnomaden in diesem unserem Universum zurück. Seit undenklichen Zeiten im All treibend, erreichen einige den Bereich des Solaren Imperiums. Und eines von ihnen findet Kontakt zu einem Menschen – einen POSITIVKONTAKT …
Der Positiv-Kontakt
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Die Hautpersonen des Romans: Lelle Salgouz - Ein Mann begegnet den Zeitnomaden. Kervania Reallah und Meinja Idrak - Lelles Lebensgefährtinnen. Plantez Garvarenz - USO-Spezialist auf Ammavol. Pasqua - Planetarer Rat von Ammavol. Bruno - Ein Wolfshund läuft Amok.
1. Nimm eine Handvoll Staub, und wirf ihn weit von dir! Intelligenten Staub, Sporen, Keime … Dies war damals geschehen, in der fernen Vergangenheit, ausgehend vom Planeten Toulminth im Ovendeno-System. Einunddreißig verschiedene Wesen, millionenfach reproduziert, waren damals als kosmischer Staub auf die lange Reise ohne Ziel und ohne begründete Hoffnung auf eine vorläufige oder endgültige Heimstatt geschickt worden. Der Bernaler Possert Egk Flangkort und dreißig seiner fähigsten Kollegen, Wissenschaftler und Künstler hatten sich in kosmischen Staub verwandelt. Sie trieben, groß wie mittelgroße Kristalle, im Weltraum dahin. Schweigend und sehr schnell, schneller als der driftende kosmische Staub und das sich ausbreitende Wasserstoffgas. Die geistige Reife der Wesen, alle ihre Fähigkeiten, ihre grundsätzliche Friedfertigkeit und die hohe Vernunft … das alles war in diesen Ur-Genen vereinigt. Es waren winzige Extrakte eines Volkes, das seine Zustandsform verändert hatte und für normale Augen hatte verschwinden lassen. Ur-Gene … Wie Laich in einem warmen Teich oder die Pflanzensporen, die der Wind mit sich nahm, mit ihnen einen halben Planeten umrundete und sie dann in fremde jungfräuliche Erde fallen ließ, so drifteten die Millionen und aber Millionen der Gene durch das All. Vom Punkt ihres Ausstreuens aus bewegte sich ihr Strom nicht mehr linear weiter, sondern begann sich aufzufächern wie ein Schrotschuß.
Jahre vergingen langsam; Jahre sind nur Sekunden in der langsamen Uhr des Weltalls, die nach Jahrmillionen zählt. Jahrzehnte und Jahrhunderte verstrichen ohne jedes Ereignis, was die Sporen betraf. Die Sporen, jene phantastischen UrGene, besaßen keinerlei Bewußtsein. Sie wußten nichts von sich und ihrem Zustand. Erst dann, wenn sie ein lebendes Wesen berührten, würden sie sich entwickeln wie Viren oder wie Kristalle in einer geeigneten Lösung. Sie trieben weiter. Mehr und mehr fächerte sich der riesige Schwarm winzigster Einheiten auf. Einige Hunderte Sporen stürzten irgendwann in eine Sonne und wurden verbrannt. Andere wurden von toten leeren Monden eingefangen und blieben dort liegen – voller Möglichkeiten, die vermutlich niemals genützt werden konnten. Andere wieder senkten sich langsam auf Planeten nieder, die von exotischen Wesen und merkwürdigen Tieren besiedelt waren. Was geschah dort? Man würde es niemals erfahren. Aber – wer war daran interessiert, die Art der Bernaler in ihrer dreidimensionalen Daseinsform überleben zu lassen? Flangkort? Egk Flangkort war längst tot und vergessen, untergegangen im Strom der Zeit, Bestandteil einer mehr als phantastischen Zustandsform. Oder etwa nicht?
* Lelle wußte, daß seine Zeit noch lange nicht gekommen war. Aber er wußte mit einer eigentümlichen, beharrlichen Sicherheit,
4 daß jede Stunde ihren Mann brachte. Für ihn gab es diese Stunde noch nicht. Noch nicht! Als er seinen runden Schädel aus dem eiskalten Wasser der Quelle hob und durch den Vorhang aus kristallklaren Wassertropfen blickte, sah er das Bild, das er seit Jahren fast jeden Morgen sah, und dieses Bild war so schön, daß es fester Bestandteil seines Herzens und seiner Gedanken geworden war. »Kervie!« rief er. Lelle hatte eine dunkle Stimme, die bis in den letzten Winkel der Höhle reichte. »Ja, was gibt's?« rief Kervania Reallah zurück, die ältere der beiden Frauen. »Heute machst du das Frühstück«, rief Lelle und strich das Haar aus der Stirn zurück. »Bin schon dabei!« Elftausend Meter südlich der Stadt Quandvec ging der sandige Strand in ein Gewirr aus Hochflächen, Wäldern und Bergen über. Ein terrassenförmiger Felsabsturz war vor geologischen Zeiträumen vom Wasser ausgewaschen und in ein System von Kavernen verwandelt worden. Die Höhle mit den fünfzehn Nebenhöhlen, die Lelle Salgouz mit seinen beiden Frauen bewohnte, befand sich fünfzig Meter über den sanft auslaufenden Brandungswellen. »Ausgerechnet heute muß ich in die Stadt!« murmelte Lelle verärgert. Er mochte die Siedler nicht, mitsamt ihren zusammenbrechenden Bauwerken und ihrer ängstlichen Arroganz. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit: Die Bewohner der Stadt Quandvec mochten Lelle nicht, mitsamt seiner Wolfshundzucht, seinen beiden Frauen und seinen wilden Reden. »Bring Wasser mit!« schrie Meinja aus ihrer Höhle heraus. »In Ordnung!« brüllte Lelle. Einige Hunde begannen laut zu kläffen. Wenn er, Lelle, es richtig überdachte, dann mochte er auch die Hunde nicht. Aber sie bildeten seine wirtschaftliche Grundlage und vermehrten sich redlich. Lelle, ein breitschultriger Mann von hun-
Hans Kneifel dertzweiundachtzig Zentimetern Größe, für sein Alter mit mehr als zwei Zentnern Gewicht viel zu schwer und aufgeschwemmt, bewegte sich schwerfällig. Er nahm einen Kunststoffeimer, hielt ihn unter den Strahl der sprudelnden Quelle und wartete geduldig, bis der Eimer voll war. Dann schleppte er ihn über die Stufen nach oben. Er selbst hatte mindestens fünfhundert Stufen mit dem Strahler aus den Felsen geschnitten; nach oben, nach unten zum Strand, nach den verschiedenen Ausgängen dieses Systems aus Bäumen, Felsen und kleinen Schluchten. Endlich stand Lelle vor der glattgeschliffenen Steintafel, die ihnen als Tisch diente. Ein paar ausrangierte Sessel aus einer Schiffskombüse waren mit schweren Schrauben in Kunststoffankern in den Steinklötzen befestigt, die um den Tisch herumstanden. Der Boden dieser ersten Wohnhöhle war von dunkelrotem Moos bewachsen. Es war alles nicht sehr komfortabel, aber hier waren sie frei von den schrecklichen Folgen zusammenbrechender Gebäude. »Guten Morgen!« krächzte Lelle. »Gut geschlafen?« Er tätschelte Kervania, die gerade den Tisch deckte. Meinja hob die Kaffeekanne vom Herd und stellte sie in die Mitte des Tisches. »Es ging. Die Hunde waren verdammt unruhig!« stellte Kervania fest. »Sicher haben sie wieder ein Beben gespürt.« »Es sind keine Beben!« beharrte das jüngere Mädchen Meinja. »Etwas anderes, das niemand kennt.« »Meinetwegen!« knurrte Lelle und setzte sich in seinen Sessel. »Ich habe Hunger.« Seit Jahren hauste er hier. Zuerst war Kervania gekommen; eine junge, recht hübsche Frau, wie er ein Sonderling, der sich nur weit abseits der Gesellschaft sicher und wohl fühlen konnte. Zusammen hatten sie mit der Zucht der Wolfshunde angefangen, Lelle mit seinen großen, fleischigen Händen und seinen schadhaften Zähnen. Schließlich hatte Kervie eines Tages das Mädchen mitgebracht,
Der Positiv-Kontakt das man aus einem Raumschiff hinausgeworfen hatte. Sie begannen damals, die Höhlen und Nebenhöhlen einigermaßen gemütlich einzurichten. Inzwischen fühlten sie sich hier wohl. Sogar die Hunde fühlten sich wie im Paradies. »Du fährst heute in die Stadt?« fragte Meinja. Immer, wenn sie Lelle ansah, fragte sie sich, was sie zu diesem schwerfälligen Koloß mit den wulstigen Lippen hinzog. Vielleicht war es das Fehlen einer jeden anziehenden Eigenschaft? Sie wußte es nicht. »Die Hunde waren also unruhig?« erkundigte sich Lelle. Er kaute an einem zähen Stück Brot, auf das er eine daumendicke Scheibe WildbretSchinken gelegt hatte. Sie alle hier lebten nur zum Teil von den Erzeugnissen, die sie in der Stadt kaufen konnten. »Ja. Besonders Sasunn röchelte. Aber die Jungen sind noch nicht da. Es dauert noch einige Tage.« Sasunn war mehr ein weiblicher Wolf als ein Wolfshund. Ihre Instinkte waren geradezu mörderisch unzivilisiert. Aber ihre Welpen, von Lelles harter Hand abgerichtet, erzielten in der halbmondförmigen Stadt sehr gute Preise. Der Planet war jung erschlossen, und ein Jagdhund wurde immer benötigt, besonders ein guter Hund mit noch unverdorbenen Instinkten und einer guten Ausbildung. »Ich weiß«, murmelte Lelle. »Also kann ich beruhigt in die Stadt fahren?« »Ja, natürlich! Vergiß nicht die Energiezellen für unsere Geräte!« »Nein!« Es war einer der rund dreihundert schönen Morgen, der einen noch schöneren Tag verhieß. Über dem Wasser des südlichen Ozeans lag ein leichter Dunst. Die Sonne, die zwei Handbreit über dem Wasser stand, leuchtete blutrot, fast ein wenig purpurn durch den Nebel. In einer Stunde würde sich die Luft geklärt haben und dann gab es den ganzen Tag nichts anderes als einen ultramarinblauen Himmel, ohne eine Wolke, eine lähmende Hitze am Mittag und den Rest des
5 Tages einen kühlenden auflandigen Wind. Die Menge der Arbeit, die jedes Mitglied dieser etwas problematischen DreierGemeinschaft zu tun hatte, war fast konstant. Auf der Basis der eigenen Unvollkommenheit, multipliziert mit drei, ließ sich ein wenig typisches Leben führen, aber in seiner gewollten Primitivität war es für diese kleine Gruppe ein glückliches Leben. Zurück zur Natur – aber in wohldosierter Entfernung zu einem praktischen Arzt und zum Raumhafen der Kolonie. Aber da gab es natürlich eine Reihe Gefahren, die man nicht ignorieren durfte. Lelle brachte als erster die Rede darauf. »Wenn die Hunde unruhig sind«, sagte er und warf drei Stücke Zucker in den höllisch schwarzen, fast bitteren Kaffee, »dann gibt es meistens in der Stadt einen schweren Gebäudeschaden.« »So ist es, Lelle!« sagte Meinja und sah hinaus auf die dunstige See. Der wilde Glanz der roten Sonne flutete durch die Höhle. Die Sonne stand im Osten und leuchtete auch den letzten Winkel aus. »Ich glaube«, sagte Lelle langsam und nachdenklich, »daß auf diesem Planeten eine fürchterliche Gefahr zukommt.« »Gefahr, Lelle?« echote Kervania. Ihre dunkelbraunen Augen sahen ihn skeptisch an. »Gefahr, richtig!« murmelte er. »Diese Gefahr greift nach uns allen.« »Wie meinst du das?« fragte Meinja Idrak leise. Sie zog die Schultern hoch und sah plötzlich aus wie ein hilfloser Vogel. »So wie ich es meine«, bestätigte Lelle und sah hinüber zum Bord aus Felsgestein, auf dem die Flaschen standen, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Es war hochprozentiger Alkohol, aus den Wurzeln destilliert, die es im Umkreis dieser Felsen gab. »Wie meinst du es?« »Seit einiger Zeit fallen einzelne Gebäude zusammen«, erklärte Lelle. Er sagte den Mädchen damit nicht mehr, als sie selbst bereits genau wußten. »Niemand kann sich er-
6 klären, warum das passiert. Es gab Tote und Verwundete. Und ich sage euch …« Lelle stand auf, schüttete seine fast leere Kaffeetasse um und holte zu einer weitreichenden, prophetischen Geste aus. Er schien noch immer unter dem Einfluß des gestern genossenen Alkohols zu stehen. »… sage euch, daß dies unerklärliche Dinge sind. Ich hebe den Kopf und blicke um mich. Und ich sehe einen Planeten, von dem die Siedler in panischer Flucht davonlaufen. Alles, was Menschenhand erschuf, sinkt nieder in den Staub und wird vernichtet. Nur wir und unsere Hunde bleiben übrig. Und die Olbiawurzeln.« Kervania erkundigte sich vorsichtig: »Bist du noch etwas betrunken, Lelle?« Er maß sie mit einem durchdringenden Blick und begann, in der Haupthöhle hin und her zu gehen. »Keineswegs! Ich weiß, was ich weiß!« sagte er dröhnend. Er war ein Mann von rund fünfeinhalb Jahrzehnten terranischer Rechnung. Als er, hoch aufgerichtet und mit weitgreifenden Schritten, durch die Höhle lief, immer zwischen dem Mauerwerk des Eingangs und den Treppen der hinteren Höhlen hin und her, ähnelte er einer biblischen Gestalt. Ihm fehlte nur ein langes Gewand und ein langer Bart. Eindeutig war ihm die Gabe der weitschweifigen Überredungskunst gegeben. »Wir sind Ausgestoßene!« rief er anklagend. »Wir sind Opfer der Gesellschaft und ihrer unbarmherzigen Art, nur das Genormte zu akzeptieren! Wir leben nicht nur am Rand der Stadt, sondern auch außerhalb des Bewußtseins der Bewohner von Quandvec! Wir ängstigen die Bewohner, weil wir frei sind und alles das tun, was sie tun möchten. Sie fürchten uns, weil wir eine fremde Lebensform verkörpern! Sie begreifen uns nicht! Sie halten uns für Ausgestoßene, weil sie nicht in der Lage sind, uns zu begreifen. Neid ist ihr einziges Werkzeug! Ich sage euch, eines Tages werden wir allein übrigbleiben, wenn dieser Planet in
Hans Kneifel Trümmer gefallen ist.« Er machte eine Pause, holte tief Atem und blickte direkt in die rote Sonne, die sich immer höher schob. Langsam lösten sich die Nebel über dem Wasser auf. In der Ferne leuchteten die weißen Gebäude der Stadt, die den Namen ihres Architekten trug. »Ich glaube, ich muß gehen!« sagte er. »Am Vormittag handelt es sich in Degoschus Laden besonders gut.« Kervania Reallah bemerkte trocken: »Vergiß nicht – wir haben bei Degoschu ein bemerkenswertes Guthaben!« Er grinste breit; seine wulstigen Lippen verzogen sich und gaben seine häßlichen Zähne frei. »Das Guthaben … richtig! Ich weiß genau, was ich kaufen muß!« Degoschu verkaufte für ihn und die beiden Mädchen die Hunde. In den letzten Monaten hatte er zwanzig ausgebildete Hunde verkauft, das ergab einen hübschen Batzen Verrechnungseinheiten. »Habt ihr Sonderwünsche? Nicht zu viele, denn …!« brummte Lelle Salgouz. Meinja, die jüngere Frau, gab ihm einen zerknitterten Zettel. »Hier steht, was ich brauche!« sagte sie leise. »Ich brauche es wirklich, Lelle!« »Ich kann's mir denken!« knurrte er. »Und du, Kervie?« Auch von ihr bekam er einen Zettel, auf dem neun Posten vermerkt waren. Er steckte beide Zettel mißmutig ein; es bedeutete Mehrausgaben, die ihm alles andere als angenehm waren. »Ist gut!« bemerkte Salgouz. »Ich bin am frühen Nachmittag wieder zurück.« Kervania bemerkte kurz angebunden: »Aber nach Möglichkeit nüchtern, ohne Beulen im Gleiter und ohne blaue Flecken.« »Du wirst dich eines Tages noch um Kopf und Kragen geredet haben!« »Und du vielleicht um eine gute Köchin«, sagte die zweiunddreißigjährige Frau nicht ohne Sarkasmus. »Versuche, nicht unter fallende Trümmer zu kommen, Lelle!« »Keine Sorge. Unkraut vergeht nicht!«
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bemerkte er. Er blieb einen Augenblick im Ausgang der Höhle stehen, raffte ein paar Taschen zusammen und schien nachzudenken. Sein rotgeädertes Gesicht legte sich dabei in tiefe Querfalten. Unsicher und unschlüssig blickten seine tiefliegenden grauen Augen umher. Dann nickte er und begann, die vielen Treppenstufen abwärts zu steigen.
* Nicht ganz zehn Minuten später steuerte Lelle Salgouz seinen zerschrammten und verbeulten Gleiter entlang des feuchten Strandes in die Richtung auf Quandvec. Meistens fand er das Leben, das er hier führte, gut. Aber in der letzten Zeit war er alles andere als sicher. Während er den Lastengleiter steuerte, hatte er Zeit, über alles nachzudenken. Obwohl das Denken nicht gerade seine erklärte Stärke war, fand er doch heraus, daß er recht hatte. Der Planet war von einer Krankheit befallen, die ihn mit Pockennarben verunzierte. Rätselhafte Dinge gingen vor. Die Bewohner lebten in Angst und Schrecken vor dem lautlosen Terror, der wahllos zuschlug. Was gebaut worden war und über den Erdboden hinausragte, schien schon mit Baubeginn dem Untergang geweiht zu sein. Wie eine unsichtbare Faust, die aus dem Nichts zuschlug, erfaßte eine heimliche und bislang völlig unbekannte Kraft einzelne Gebäude und ließ sie zusammenfallen. Sie zerbröckelten und sanken in sich zusammen und, wenn diese Kraft in ihrer Wirkung nachließ oder aufhörte, gab es nichts anderes mehr als einen Haufen von Schutt. Aus diesem Schutt schleppten sich die Verwundeten, und die kommunalen Arbeitskommandos bargen die Toten. Wie eine ansteckende Krankheit schienen diese Zusammenbrüche die Stadt Quandvec erfaßt zu haben – niemand entkam ihnen. Der Planet Ammavol lag im AmmusesSystem, 23.120 Lichtjahre von Terra entfernt.
Der Planet war schön, aber herb; seine Schönheit und der Umstand, daß aus ihm eine blühende Kolonialwelt werden konnte, hielt die rund fünfzehntausend Kolonisten in Atem: Sie waren überzeugt, eine zweite Erde gefunden zu haben – mit den artspezifischen Unterschieden. Allein die um fünf Prozent geringere Oberflächenschwerebeschleunigung schien, auf vorsichtigtrügerische Weise, das Leben leichter zu machen. Der Tag dauerte achtundzwanzig Stunden und vierundzwanzig Minuten, und die mittlere Temperatur bewegte sich um siebenundzwanzig Grad Celsius. Man hatte beim ersten Plan der Besiedelung davon Abstand genommen, die Siedler über den gesamten Planeten zu verstreuen, und einem Architekten den Auftrag gegeben, an dem riesigen Strand des südlichen Ozeans eine einzige, große Stadt zu bauen. Verglichen mit den terranischen Ansiedlungen war sie klein, aber höchst modern: Die Stadt Quandvec an der Westküste des Kontinents Fahlsmog lag an einer weit verlaufenden Bucht und besaß ein reiches Hinterland, auf dem fast alles wuchs und gedieh, was man anpflanzte. Die einheimische Fauna und Flora besaß kaum drohenden Charakter, sah man von der natürlichen Wildheit einiger Tiere und von bestimmten fressenden Pflanzen ab. Und vor sechs Monaten war das Problem aufgetaucht … Sie nannten es nur: das Problem. Eine feine Umschreibung für einen Umstand, der das Ende der Kolonie bedeuten konnte. Wenn der nächste Routinebericht des USO-Inspektors negativ ausfiel, müßten alle Siedler ihre Habseligkeiten zusammenpacken und in die Raumschiffe gehen. Und genau das wollten sie alle vermeiden. »Verdammte Ignoranten! Sie sind alle schon tot! Aber sie wissen es noch nicht!« murmelte Lelle Salgouz. Er wußte, daß er einen simplen, aber gut funktionierenden Verstand besaß. Er wußte auch, daß er mit seinen Instinkten mehr wußte oder zumindest ahnte als die anderen.
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Die anderen – das waren alle Menschen außer ihm. Der Gleiter, eine schwere, leicht veraltete Konstruktion, raste mit höchster Geschwindigkeit entlang des goldenen Sandstrandes. Links waren die Brandungswellen, rechts der kleine Wall aus Treibgut, Holz und Pflanzen, die heftig wucherten. »Vielleicht erfahre ich bei Degoschu etwas mehr!« brummte Lelle und fuhr auf das Wasser hinaus. Jedenfalls fürchtete er sich nicht. Nicht vor dem Planeten und dessen unheimlichen Kräften, nicht vor den Bewohnern und nicht vor seinen Hunden.
2. Plantez Garvarenz ließ langsam das schwere Doppelglas sinken und blickte schweigend hinüber zur Stadtgrenze. Langsam erhob sich über den Trümmern die charakteristische Wolke aus Gesteinsstaub und Rauch von brennenden Geräten oder Möbeln. Plantez nickte grimmig. »Meine Geduld ist vorbei!« sagte er leise. In Garvarenz' Überlegungen tobte ein lautloser Kampf. Aber jetzt neigte sich die Waagschale: Auf der einen Seite stand ein Verlust von rund sechzehnhundert Menschen, auf der anderen Seite wog die Existenz der jungen Kolonie ebenso schwer. Bisher hatte Plantez die Partei der Leute von Ammavol ergriffen. Jetzt war es aus damit, endgültig vorbei. Langsam trieb der träge Morgenwind die Säule aus Staub und Rauch auseinander. Garvarenz drehte sich um und setzte sich auf den taufeuchten Bug des Gleiters. »Verdammt!« sagte er erbittert. Es würde ein schweres Stück Arbeit sein, den Rat der Kolonie zu unterrichten. Es mußte sein, so schnell wie möglich. Garvarenz war Spezialist der United Stars Organisation. Sein kleiner, weitestgehend unterirdisch angelegter Stützpunkt war eigentlich nur an der Sendeantenne des Hyperkoms zu erken-
nen. Er wohnte dreitausend Meter von den ersten Häusern der Stadt entfernt, dort, wo die Felder, die Robot-Gewächshäuser und die Farmen aufhörten und das Gelände in die fruchtbare Steppe mit den Waldflächen überging. Er sagte noch einmal: »Verdammt!« Er ahnte, was auf ihn zukam. Von ihm und seiner Entscheidung, die unabänderlich war, hing alles ab. Das wußten auch die Räte der Kolonie. Sie würden alles andere als begeistert sein, und das war noch die mildeste Umschreibung dieses Tatbestandes. Plantez warf sein Glas auf die Hintersitze des Gleiters, schwang sich hinter das Steuer und startete die Maschine. Summend erhob sich der Gleiter und drehte dann seine Nase in die Richtung der schräg werdenden Staubfahne. Einen Augenblick lang sah sich Garvarenz im Rückspiegel; sein schmales Gesicht mit dem scharfen Oberlippenbart war verkniffen und ließ die Art seiner Gedanken leicht erkennen. Und auch mein Gedichtband wird warten müssen! dachte er, als er den Beschleunigungshebel niedertrat und zu seiner Fahrt zum Ratsgebäude aufbrach.
* Als Lelle Salgouz den Vorratsturm des Fischereibetriebs erreichte, bremste er seinen Gleiter ab und sah sich um. Ein Bild breitete sich aus, das sich seit einigen Jahren nicht verändert hatte. Träge schaukelten die Fischerboote am weißen Kai, die Netze waren ausgespannt, die ersten Bootsmannschaften hantierten mit ihrem Fanggerät und schleppten Vorräte in die Boote. Ein knirschendes Geräusch schräg hinter ihm ließ Lelle herumfahren. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, und in der ersten Reaktion trat er den Beschleunigungshebel voll durch. Der Gleiter machte einen Satz und schlingerte quer über den Platz. Fluchend sprangen einige Fischer zur Seite, als die Maschine sich mit der spit-
Der Positiv-Kontakt zen Schnauze in das Geflecht einiger Netze bohrte und scharf abgebremst wurde. Mit einem gewaltigen Satz war Lelle außerhalb des Gleiters und starrte hinüber zum Turm. »Vorsicht!« schrie jemand laut. »In Deckung! Der Turm …«, hallte es vom anderen Ende des Platzes. Das drohende Knistern wurde lauter. Aus allen Ecken kamen die Leute und blieben erschrocken stehen, als sie sahen, was vor sich ging. In der glatten, gelbbraunen Fassade des Turmes zeigten sich die ersten, breiten Risse. Sie verzweigten sich und bildeten, noch immer von dem grauenhaften Knirschen begleitet, ein Netzwerk. Eine riesige Glassitscheibe lockerte sich und platzte dann krachend aus dem Rahmen. Sie flog im hohen Bogen auf den Platz hinunter und zerbarst in tausend Stücke. »Zurück, Leute! Holt die Rettungsgleiter!« schrie ein stämmiger Fischer und begann zu winken. Die gegossenen Plastikwände, durch Monierstahl eigentlich für eine kleine Ewigkeit in der Haltbarkeit ausgerechnet, begannen zu zerbröckeln. Jetzt ertönte aus dem Innern des viereckigen Turmes ein Krachen und Poltern. Die Fassade aus Plastikstücken hagelte in einem Regen scharfkantiger Fetzen auf das Pflaster hinunter. Das grelle Geräusch trieb die Menschen auseinander und in den Schutz der nächsten Häuser und Mauern. »Vorsicht! Die Antenne!« Die riesige Antenne auf dem flachen Dach des Turmes bog sich wie im Hurrikan, knickte an mehreren Stellen ab und fiel hinunter. Dann sackte der oberste Teil des Turmes zusammen, die Trümmer fielen nach außen und bildeten vier lange Fontänen aus Staub und Mauerwerk. Stahlstücke prasselten in das Geröll hinein. Das Metall klang, als ob jemand eine Totenglocke schlagen würde. Das nächsttiefere Geschoß brach auseinander und ergoß sich auf den daliegenden Schutt. Die Wolke aus Gesteinsstaub hob sich langsam, breitete sich nach allen Seiten
9 aus und verdunkelte das Bild. Elektrische Leitungen berührten sich und erzeugten Blitze und Lichtbogen. Dann brach der Stumpf des Turmes auseinander. Die Kisten und die Konserven und die Fische aus dem Tiefkühlraum vermischten sich mit den Mauerbrocken. Dosen wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Krananlage aus dem Innern des Turmes fiel klatschend ins Meer und zertrümmerte das Beiboot des Fischkutters. Dann kroch die braungelbe Staubwolke heran und verschluckte die Geräusche. Bis auf eines … Aus der Richtung des Stadtzentrums näherten sich die Sirenen der Rettungsgleiter. Langsam machten die Menschen einen Weg frei. Sie trauten sich nicht durch den dicken Vorhang aus Rauch und Staub. Irgendwo schrie jemand. Das Sirenengeheul wurde lauter. »Da haben sie es wieder!« stöhnte Lelle auf. Nur die schnelle Flucht hatte ihn gerettet. Der Platz, wo er gebremst hatte, lag jetzt unter einer zehn Meter hohen Schicht aus Trümmern. Die Rettungsgleiter schoben sich zwischen den Gebäuden hindurch. Ein Regen aus feinverstäubtem Wasser senkte sich auf die Staubwolke herunter. Das Bild wurde wieder frei und zeigte das Ausmaß der Zerstörung. Nichts mehr war von dem dreißig Meter hohen Turm stehengeblieben. »Die ganze Stadt wird kaputtgehen!« sagte sich Lelle und ging langsam auf den Gleiter zu. Die Rettungsmannschaften begannen mit den Aufräumungsarbeiten. Es sprach sich sehr schnell herum, daß im Büro des Fischereiturms, das im untersten Stockwerk untergebracht gewesen war, drei Personen gearbeitet hatten. »Noch drei Tote zu den sechzehnhundert!« knurrte Lelle. Auch er hatte keine Erklärung dafür, was hier geschah. Dieses Problem konnte das Ende der Kolonie bedeuten. Denn wenn der Inspektor seine Auffassung änderte, dann bedeutete
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dies tatsächlich das Ende menschlichen Lebens auf Ammavol. Konnte er, Lelle, etwas helfen? Er betrachtete die Menschenmenge, die arbeitenden Maschinen und die Geröllmassen, durch die sich die Roboter einen Weg bahnten. Es gab nichts zu helfen – die anderen konnten es besser. Aber noch immer hallte in seinen Ohren der einzelne Schrei nach, den er mitten in dem lauten Knirschen gehört hatte. Es war der Schrei eines Menschen in Todesnot gewesen. Schaudernd wandte sich Lelle ab, kletterte in seinen Gleiter und schwebte langsam rückwärts, nachdem er sich aus dem Wirrwarr von Netzen und Schwimmern und Tauen befreit hatte. Er steuerte die Maschine vorsichtig um einen Stapel Tonnen herum, dann um ein schmales Haus. Durch Gassen, die immer breiter wurden, fuhr er der Hauptstraße zu, die entlang des Ufers geführt war. Sein Ziel war der Laden von Degoschu.
* Eine Reihe schwerer Gleiter in allen Stadien der Abnutzung parkte vor dem langgestreckten, flachen Bauwerk. Lelles erster Blick galt den geräumigen Käfigen, in denen die Hunde normalerweise für die wenigen Tage ihres Aufenthaltes untergebracht waren. Die Boxen waren leer. Lelle registrierte es mit einem Grunzen. Er nahm den großen Sack von den Rücksitzen, sah in der Brusttasche seiner Jacke nach und fand dort die Bestellzettel. Langsam tappte er die wenigen Stufen hoch und stand plötzlich in der dämmerigen Kühle des Ladens. Etwa ein Dutzend Männer und eine Frau, die an der langen Verkaufstheke standen, drehten sich wie auf ein Kommando um. »Da ist unser Freund wieder!« »Lelle Salgouz, der Weise aus den Felsen!« Lelle grinste grüßend nach allen Seiten und knurrte:
»Schlecht geschlafen, wie? Eure Stimmung wird sich noch verschlechtern. Eben ist der Fischereiturm zusammengebrochen. Vermutlich drei Tote.« Degoschu kam aus dem Nebenzimmer hervor und hob die Hand. »He, Lelle!« sagte er. »Wie läuft das Geschäft?« »Leidlich!« gab Lelle zurück. »Und deines?« »Kann nicht klagen. Was habe ich gehört? Der Fischereiturm?« »Richtig. Diesmal wird der Inspektor nicht mehr länger warten. Das ist das Ende von Ammavol und Quandvec.« »Du bist verrückt!« sagte einer von der Theke her. »Das kann er nicht machen!« Sie sahen ihn an und setzten ihre gemurmelte Unterhaltung fort. In dieser Stadt gab es kein offenes Entsetzen mehr, wenn die Nachricht von einem Gebäudezusammenbruch die Runde machte. Es gab auch kein großes Erstaunen mehr – seit einem halben Jahr ungefähr hatte man sich an diese Schreckensmeldungen gewöhnt. Natürlich gab es Betroffenheit und eine Mischung aus schleichender Furcht, Sorge und Fatalismus. Schließlich gab es auf dem Planeten keinen einzigen Menschen, der nicht über dieses Phänomen Bescheid wußte. Aber nicht darüber, wodurch die Zerstörung ausgelöst wurde, warum sie in einem völlig unberechenbaren Rhythmus an völlig unberechenbaren Plätzen auftauchte. »Die Bauten draußen in La Celvia stehen schon seit einem halben Jahr!« sagte die Frau. Es war reiner Zweckoptimismus, der aus ihren Worten sprach. »Sie werden irgendwann auch zusammenbrechen!« sagte Lelle und breitete die zerknitterten Zettel auf der Theke auf. »Ein mieser Pessimist, dieser Lelle!« sagte ein Mann, in dem Lelle einen der Landvermesser erkannte. Lelle grinste ihn an, beschrieb mit dem rechten Arm eine umfassende Geste und bemerkte düster: »Dieser Planet ist nicht für normale Men-
Der Positiv-Kontakt schen. Er ist ein Planet für Außenseiter der Gesellschaft!« »Für dich und deine beiden Mädchen, ja? Und für Männer, die sich ihren Fusel aus Wurzeln destillieren!« »So ähnlich!« entgegnete Lelle. Degoschu beschäftigte sich mit dem Zusammenstellen der gewünschten Vorräte. Er enthielt sich jeder offiziellen Meinung über seine Kunden. Schließlich war er Geschäftsmann. »Jedenfalls«, sprach Lelle weiter, »werden nach und nach alle Gebäude, die über dem Erdboden sind, zusammenbrechen. Von einstürzenden Höhlen ist mir nichts bekannt.« Sie sahen ihn auf eine merkwürdige Weise an. Sie haßten ihn nicht, aber er war für sie einigermaßen unbegreiflich. Sie konnten das Leben, das er freiwillig führte, nicht akzeptieren, aber sie ahnten, daß er auf eine merkwürdige Weise glücklicher war als sie. Ein Mann kicherte. »Wir lassen uns jedenfalls nicht vertreiben!« stellte er fest. »Nicht durch den USOInspektor.« »Das nicht, aber wenn die Flotte anrückt …?« gab Lelle zu bedenken. »Dann gehen wir in die Wälder!« Es war grotesk und dennoch leicht verständlich. Die Menschen hatten eine schöne Stadt an einem der schönsten Plätze des Kontinents Fahlsmog gebaut. Und seit einem halben Jahr mußten sie erkennen, daß alle ihre Hoffnungen langsam zunichte gemacht wurden. Alles in ihnen wehrte sich dagegen, diese gewaltige erste Arbeit zu vergessen, die Stadt veröden und zusammenbrechen zu lassen und auf einem anderen Planeten neu anzufangen. Was getan werden konnte, um dem Planeten sein tödliches Geheimnis zu entreißen, das war getan worden. Aber weder eine Naturgewalt noch eine fremde Waffe konnte festgestellt werden. Diese tödliche Gefahr war namenlos. »Sie werden euch aus den Wäldern zurückholen!« sagte Lelle bissig. »Und dann, wenn die Flotte euch alle evakuiert hat, gehört der Planet mir und meinen Hunden.«
11 »Und deinen beiden Weibern, nicht wahr?« fragte die Frau. Sie besaß eine Gemüsefarm in der Gegend, aus der Lelle kam. »Warum nicht? Abwechslung verschönt das Leben!« sagte Lelle und lachte rauh auf. »Besonders dann, wenn es sich um einen Mann mit deinen Eigenschaften handelt!« sagte einer der Kunden. »Richtig!« Eine erwartungsvolle Stille trat ein. Degoschu stapelte nach wie vor Energiezellen und Dosen, Brotpackungen und die vielen kleinen Dinge auf die Theke, die Lelle für seine zwei Mädchen mitbringen mußte. Inzwischen kontrollierte Lelle den Stand seines Guthabens und überflog die Kosten des heutigen Einkaufs. Während er las, dachte er an andere Dinge. Beispielsweise an Plantez Garvarenz. Er dachte an einen kleinen, nur hundertsechzig Zentimeter großen Mann, der ein gewaltiges Problem hatte. Er mußte mit einem Schlag sämtliche Hoffnungen von knapp fünfzehntausend Personen vernichten. »Zufrieden, Lelle?« sagte Degoschu und deutete auf die gestapelten Waren. »Muß erst noch kontrollieren!« erwiderte Lelle und begann, seinen Sack aufzukrempeln. Langsam und methodisch stapelte er die verschiedenen Waren hinein. Jede seiner Bewegungen wurde von den übrigen Anwesenden peinlich genau registriert. Als der Sack halb voll war, richtete sich Lelle zu seiner ganzen massigen Größe auf und brummte verdrossen: »Was gafft ihr eigentlich so, Freunde?« »Nichts Besonderes«, gab einer der Männer zurück. »Wir überlegen uns nur, warum du dich auf dem Planeten so wohlfühlen kannst.« Lelle erwiderte dröhnend und mit wild rollenden Augen: »Warum? Weil ich das einfache Leben lebe und liebe! Darum!« Die Männer lachten geringschätzig. »Einfaches Leben! Daß ich nicht lache. Du bist ein vergammelter Troglodyt, nichts weiter!«
12 »Was ist das, ein Troglo … troglydit?« »Höhlenbewohner!« bemerkte Degoschu kurz. Lelle grinste wieder. Diesmal war sein Lächeln herausfordernd. »Genau das meine ich mit ›einfachem Leben‹!« sagte er abschließend und packte weiter seinen Sack voll. Er nickte Degoschu zu, grüßte aber die anderen nicht. Er ging hinaus, warf seinen Sack auf die Hintersitze und startete den Gleiter wieder. Er bog auf die breite Uferstraße ab und schwebte langsam in die Richtung des südlichen Endes von Quandvec. Die Stadt war groß und langgezogen. Sichelförmig legte sie sich entlang der weitgeschwungenen, idyllischen Bucht. Deutlich sah Lelle die Lücken in der sonst geschlossenen Front der Gebäude. Unwillkürlich, jeweils ein paar Häuser nebeneinander … überall hatte die Gefahr ohne Namen sich ausgetobt. »Wenn ich der Inspektor wäre?« knurrte Salgouz. »Ich würde sie alle vom Planeten jagen.« Über der Stadt lag die Ruhe des frühen Morgens. Es waren nicht viele Menschen zu sehen. Aber Lelle, dessen Instinkte weitaus besser entwickelt waren als die anderer Menschen, spürte hinter den gedämpften Geräuschen und den zögernden Bewegungen der Menschen eine stille, verzweifelte Panik. Er spürte noch etwas anderes: Die Menschen rotteten sich zusammen. Alle Bewegungen, die Lelle direkt oder aus den Augenwinkeln sah, schienen nur ein Ziel zu haben. Vorsichtig bremste er den Gleiter ab und blieb hinter einem großen, geparkten Lastengleiter. Die Mitglieder der Menschengruppen, die er an allen Ecken und Enden sehen konnte, sprachen nicht miteinander. Sie gingen langsam, aber zielstrebig in eine Richtung. Sie kletterten die flachen Treppenstufen aufwärts, bevölkerten die Gehsteige unter den schattenwerfenden Kronen der alten Bäume, benutzten Gleiter oder die wenigen Rollbänder. Endlich erkannte Lelle das Ziel der vielen Menschen.
Hans Kneifel »Das Ratsgebäude!« sagte er und dachte nach. Dann konzentrierten sich seine Gedanken auf den USO-Inspektor, und er begann zu ahnen, was die nächsten Stunden bringen würden. »Das geht auch mich an«, überlegte er laut und startete seinen Gleiter wieder. »Und Kervania und Meinja auch!« Er schwebte etwas schneller weiter, steuerte die Maschine einen schrägen Hang hinauf und kam auf der Parallelstraße wieder in die Richtung des zentralen Platzes. Hier erhob sich das schlanke Gebäude, in dem die Planetaren Räte sich versammelten; hier waren auch sämtliche Abteilungen der Administration der Stadt und somit des gesamten Planeten untergebracht. Schon von fern erkannte Lelle den Menschenauflauf. »Ganz hübsche Menge!« murmelte er. Die Menschen umstanden in einem exakten Halbkreis die Plattform vor dem Haupteingang des Bauwerks. Etwa zweitausend Seelen, schätze Salgouz. Seine Vorahnung wurde deutlicher und greifbar. »Plantez Garvarenz?« fragte er sich und steuerte seinen Gleiter näher. Nach fünfzig Metern winkte ihn einer der wenigen Polizisten von der Fahrbahn herunter. »Was ist los?« Lelle beugte sich weit aus dem Fenster. »Eine Verhandlung!« sagte der Polizist. Er schien Lelle nicht zu kennen. »Fahren Sie dort hinüber. Sonst gibt es einen heillosen Auflauf, wenn die anderen zurückkommen.« »In Ordnung, Major!« entgegnete Lelle, der einen heillosen Abscheu vor allen Uniformen hatte oder vor Kleidungsstücken, die uniformähnlich waren. Der Polizist warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, winkte dann aber ab. Gehorsam parkte Lelle den Gleiter, stieg aus und schlenderte langsam auf die Rücken der Menschen zu, die alle ihre Gesichter dem Eingangstor zuwandten und auf ein bemerkenswertes Ereignis zu warten schienen. Auch Lelle wartete. Er gab sich zehn Minuten, dann würde er den Rückweg antreten. Die Geburt eines Wurfes Wolfshund-Wel-
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pen war wichtiger – für ihn und seine beiden Frauen – als eine Bürgerversammlung. Es herrschte eine unnatürliche Stille. Nur ein wisperndes Geräusch ging durch die dichtgestaffelten Reihen der Wartenden. Zwei Gebäude waren heute eingestürzt, an zwei verschiedenen Stellen der Stadt. Und von den Gebäuden, die man weit außerhalb der Stadt errichtet, aber nicht ausgestattet hatte, waren ebenfalls zwei zerstört worden. Nach wie vor schlug der Planet zu. Aber – er zerstörte nur Dinge, die von Menschenhand errichtet worden waren, keine Berge, Felsen, Höhlen, Steine oder Bäume. Jetzt wußte Lelle, daß Plantez Garvarenz dort drin war und sich mit den Räten des Planeten auseinander zu setzen hatte. Tiefes Mitleid mit dem Mann, dessen Gedichte er zwar nicht verstand, aber schön fand, ergriff Lelle Salgouz.
3. Plantez fürchtete sich nicht im geringsten vor den Räten, die im Halbkreis vor ihm saßen und ihn anstarrten, als habe er gerade den Weltuntergang verkündet. Seine hellen, scharfen Augen musterten die Männer, dann wiederholte er: »Ich kann einfach nicht mehr länger schweigen!« Rat Novella, ein riesiger Mann mit hängenden Schultern und herunterbaumelnden Schnurrbartspitzen, hob die Hand. »Mann!« sagte er drängend. »Es geht nicht um eine Sache. Es geht um das Glück von rund fünfzehntausend Menschen!« »So sehe ich das auch!« bestätigte Garvarenz. »Das Leben von dieser Anzahl Menschen steht auf dem Spiel. Entweder bleiben sie am Leben, oder sie werden vom Planeten ausgerottet. Jeden Tag ein paar Siedler. Das geht seit einem halben Jahr so!« »Sie wissen, Spezialist, daß wir Testgebäude an allen Stellen des Planeten errichtet haben?« »Ich weiß. Und einige davon sind inzwischen auch nichts anderes mehr als Schutt
und Asche!« stieß Garvarenz hervor. Nervös zupfte er mit den Fingern der rechten Hand an seinem Schnurrbart. Sein Körper hatte sich verkrampft; er spürte die Welle von schweigender Feindschaft, die ihm entgegenschlug. Sie galt nicht ihm persönlich – er besaß das Vertrauen und die Sympathie fast aller Siedler. Es galt einem Mann, der mittels eines Funkspruchs die Anstrengungen der Siedler von heute auf morgen beenden konnte. »Wir forschen ununterbrochen!« schrie einer der Räte. Er saß ganz rechts und blätterte unablässig in einem Stapel von Schriftstücken. »Wir haben nichts gefunden. Wir wissen nicht einmal, wonach wir suchen!« »Auch das weiß ich!« sagte Plantez beschwichtigend. »Sehen Sie … Sie haben die Verantwortung für alles hier. Sie sind gewählt worden, um das Schicksal der Kolonie mitzubestimmen. Wenn Sie versuchen, mich an meinem Bericht zu hindern, oder vielmehr daran, ihn abzuschicken, dann verwandeln Sie sich von ehrbaren Räten in Verbrecher. Sogar in Mörder. Vielleicht können Sie sich diese Ansicht des Problems angewöhnen?« Er warf ihnen einen blitzenden Blick zu. Die Räte erschraken, aber dieses Erschrecken war nicht echt. Sie schienen ihre Meinung schon gefaßt zu haben. »Wenn Sie Ihren Hyperfunk starten, dann schließt die Kolonialbehörde auf Terra das Unternehmen Ammavol.« Garvarenz dachte an sein Gedicht von der Sinnlosigkeit menschlicher Bemühungen; ein neunzehnzeiliges Ding, kurz und mit einer makabren Pointe. Er neigte den Kopf. »Das ist richtig!« gab er zu. Visionen suchten ihn heim. Er wurde von fünfzehntausend wütenden Planetariern verfolgt, die alle nur ein persönliches Ziel hatten, nämlich zu verhindern, daß er persönlich den Planeten vernichtete. Jeder einzelne Aspekt seiner augenblicklichen Lage mißfiel dem Spezialisten sehr. »Ich habe eine Menge Routineberichte durchgegeben!« sagte er.
14 »Das wissen wir!« erwiderte ein Rat. »Alle drei Monate ist ein solcher Bericht fällig!« »Auch das ist uns bekannt.« »Mehrere hundert Gebäude sind seit sechs Monaten zerstört worden!« sagte er aufgebracht. »Rund fünfzehnhundert Menschen sind gestorben, etwa gleichviel sind verletzt worden. Ich kann nicht länger schweigen! Ich habe ohnehin bereits Dinge getan, die ich eigentlich nicht verantworten kann. Warum starren Sie mich eigentlich so an? Ich muß glauben, Sie wollen mich umbringen!« Novella schüttelte langsam seinen langen, schmalen Schädel. »Unsinn, Spezialist!« murmelte er im Ton der Beschwichtigung. »Niemand will Ihnen etwas tun!« Garvarenz lehnte sich zurück und sah durch die riesigen Panoramascheiben des Sitzungssaals. »Meine Herren«, sagte er nach einer Pause, »ich bin dafür, dieses Gerede zu beenden. Bitte, Rat, lassen Sie mich zu Ende sprechen. Ich habe ein halbes Jahr lang gegen meine Dienstvorschriften verstoßen und habe die Vorfälle verschwiegen oder weitgehend bagatellisiert. Heute habe allein ich beobachten müssen, wie eine Fabrik am Stadtende und der Turm am anderen Ende in sich zusammengebrochen sind. Ich habe die Panik miterlebt, ich habe die Rettungsmaßnahmen mitangesehen und war bei der Bestattung der Opfer dabei. Sechzehnhundert Opfer! Sechzehnhundert Gräber!« Seine Stimme wurde drängender und schärfer. Es war unverkennbar, daß er zu seinem unwiderruflichen Entschluß gekommen war. »Ich muß Ihnen als den Vertretern der Einwohnerschaft unmißverständlich klarmachen, daß ich ab jetzt nicht mehr schweigen kann. Ich werde jetzt, nachdem ich Ihnen erklärt habe, was geschehen wird, diesen Saal verlassen.« Rat Novella beugte sich vor und flüsterte
Hans Kneifel erstickt: »Was werden Sie tun?« Der USO-Spezialist legte die Hand auf den Kolben seiner Dienstwaffe und stand auf. »Ich werde über die Funkstation in meinem Stützpunkt die USO von den Vorfällen auf Ammavol benachrichtigen müssen. Es tut mir leid!« Rat Novella erhob sich ebenfalls und fragte keuchend: »Gibt es keine Alternative?« »Nein!« sagte Garvarenz. »Sie gestatten, daß ich mich entferne?« Er verneigte sich grüßend, drehte sich um und ging auf den Ausgang des kleinen Saales zu. Ein Ruf hielt ihn auf. »Wann haben Sie Ihre letzte Routinemeldung durchgegeben, Spezialist?« fragte ein anderer Rat. »Vor einigen Tagen!« sagte Garvarenz. »Obwohl ich Ihnen dies nicht hätte sagen dürfen.« Sie sahen ihm schweigend und mit brennenden Augen nach, bis sich die Tür schloß. Mit ihm ging das Schicksal des Planeten. Der Weg war klar vorgezeichnet: Innerhalb kurzer Zeit würde Ammavol evakuiert werden. Novella warf einem anderen Rat, einem grauhaarigen alten Mann, der im Ruf besonderer Klugheit stand, einen fragenden Blick zu. Der andere Rat, einer von fünfzehn gewählten Männern, schüttelte den Kopf. »Nein!« sagte er und lehnte sich schwer zurück. Auch er wußte, was jetzt folgen würde.
* Garvarenz sah, als er die Halle erreichte, durch die schweren Portale aus Spezialglas, daß die Menge auf ihn wartete. Er handelte augenblicklich. Die Gefahr war ihm gegenwärtig, und als er die ersten Gesichter erkannte und den Ausdruck darin, schreckte er zurück. Ohne seine Geschwindigkeit zu verlangsamen,
Der Positiv-Kontakt bog er im rechten Winkel ab und verschwand in einem Nebenkorridor. Ein leiser Schrei aus Tausenden Kehlen war die Antwort auf seine Reaktion. Ich muß auf dem schnellsten Weg zurück zu meinem Stützpunkt, dachte er. Er lief den leeren Korridor bis zu dessen Ende, dann bog er abermals nach links ab und riß nach zwanzig Metern die Tür eines Büros auf. Entsetzt starrte ihn eine Sekretärin an. »Geht's hier zur Rückseite des Ratsgebäudes?« fragte er. Der Kopf des Mädchens wandte sich zu der anderen Seite des Raumes, und sie sagte: »Ja, aber nur durch den Keller. Nach rechts!« Augenscheinlich hatte sie ihn erkannt. Er nickte ihr dankbar zu, durchquerte unbehelligt das Zimmer und verschwand hinter der schmalen Tür. Als sie sich hinter ihm geschlossen hatte, hörte er nicht nur das summende Geräusch aus vielen Kehlen, sondern auch die Tritte von Stiefeln. Sie suchen mich also! dachte der Spezialist. Mit einigen schnellen Blicken orientierte er sich. Er nahm die schräge Fläche und rannte hinunter in das Tiefgeschoß des Hauses. Hinter ihm blieben die Geräusche der aufgebrachten Menge zurück. »Hinaus! Schnell hinaus!« sagte er sich und rannte weiter. Noch immer bewegte er sich durch einen Gang ohne Fenster auf die Rückseite des Gebäudes zu. Nach ungefähr fünfzig Metern befand er sich in einem Rondell, von dem einige Türen, einige Gänge und zwei große Fenster abzweigten. Durch eines der Fenster sah er den Rasen hinter dem Haus. Noch waren die Verfolger nicht an dieser Stelle. Plantez Garvarenz spurtete auf das Fenster zu, bewegte in fieberhafter Eile die Riegel und schwenkte die große Fläche nach innen. Dann hechtete er durch den breiten Spalt nach draußen, rollte auf dem weichen Rasen ab und kam wieder auf die Füße. Er rannte geradeaus. Sein nächstes Ziel war ein
15 Gleiter, mit dem er aus der Stadt flüchten wollte. Ich weiß, was sie wollen! dachte er. Sie wollen Zeit gewinnen. Wenn sie mich einfangen, kann ich meinen Funkspruch nicht absetzen. Dann gewinnen sie rund drei Monate Zeit, nach der Ursache der Zerstörungen zu suchen. Noch stärker und intensiver zu suchen! Er bedauerte sie fast, als er keuchend zwischen niedrigen Blumenbeeten, halbhohen Büschen und unter den schützenden Baumkronen dahinrannte, die Arme angewinkelt und den Oberkörper vorwärts geneigt. Die Kolonisten hatten ihn gesehen und wußten, was sein nächster Zug war. Sie würden ihn verfolgen. In der Stadt war er bedroht, also mußte er den kürzesten Weg zu seinem Stützpunkt finden. Mit einem Hechtsprung verschwand er in einer Hecke. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, und er duckte sich. Vor ihm breitete sich nach beiden Seiten eine Ziermauer aus, die die Anlagen rund um das Ratsgebäude gegen Häuser und Gassen der Stadt abgrenzte. Von weitem sah Garvarenz die hoch aufgerichtete Gestalt des Architekten, nach dem die Stadt ihren Namen hatte. Die nächsten hundert Schritte waren die schwersten. Garvarenz sprang senkrecht in die Höhe, machte einen Klimmzug und schwang sich auf die Mauerkrone. Er spähte um sich und sah in eine kleine Gasse hinein, die aus zahlreichen farbigen Häuserfronten, blinden Fenstern und einer Anzahl von riesigen Betonplattformen bestand, die miteinander eine Art riesiger Treppe bildeten. Dann ließ er sich fallen, federte tief in die Knie ein und rannte nach links, die Gasse abwärts. Anscheinend beobachtete ihn niemand. Er rannte mit langen Schritten und versuchte, einigermaßen unauffällig zu wirken, was natürlich mißlingen mußte. Hinter der Mauer hörte er jetzt die Stimmen der aufgeregten Bürger. Vermutlich versuchten die Räte auch gar nicht, die Menschen aufzuhalten,
16 denn auch ihnen konnte es nur recht sein, wenn Ammavol noch eine dreimonatige Gnadenfrist erhielt. »Ich hätte sofort meinen Hyperfunkspruch abgeben müssen, ohne die Räte zu verständigen!« murmelte er keuchend und abgehackt, als er am Ende der langen Treppe den kleinen Platz erreichte. Hier parkten fünf Gleiter. Der Platz lag im Schatten, die Sonnenstrahlen hatten eben erst die obersten Stockwerke einiger Gebäude erreicht. Leise und schnell huschte Plantez quer über den Platz und blieb neben dem ersten Gleiter stehen. Der Zündschlüssel fehlte. »Pech gehabt!« flüsterte er und bewegte sich schnell hinter den Hecks der Maschinen weiter und hatte schließlich bei der letzten Maschine Glück. Hier steckte der plumpe, positronische Sicherheitsschlüssel. Garvarenz riß die Tür auf, schwang sich in den Fahrersitz und startete den Gleiter. Während sich das Gerät auf die Prallfelder erhob, warf er einen Blick in den Rückspiegel, der sich über die gesamte Breite der Windschutzscheibe hinzog. Er sah einige Schatten, die sich hastig bewegten. »Nichts wie weg!« sagte er sich. Mit wild aufbrummenden Maschinen stieß der Gleiter zurück, wurde hart gestoppt und beschleunigte in einer engen Kurve. Die Schatten … es waren die ersten Verfolger, die über die Trennmauer sprangen und ihn in kurzer Zeit eingeholt haben würden. Der Gleiter raste schlingernd eine zweite schmale Gasse abwärts, an deren Rand, unter weit vorspringenden Hausdächern, kleinere Gleiter standen, Abfallkisten und anderes Zeug. Mit dem Heck streifte der Gleiter Garvarenz' einige der Stapel, und sie brachen zusammen und verstreuten ihren Inhalt über den hellen Kunststein. Sein Fluchtweg war ihm klar – er mußte zurück in seinen Stützpunkt. Aber vorläufig konnte er nichts anderes tun, als dem Gewirr der Gassen, Treppen und Straßen des Stadtkerns zu folgen.
Hans Kneifel Es ging im Zickzack weiter. Auf der Stirn des Spezialisten standen dicke Schweißtropfen. Er riß den Gleiter, der etwa halbe Geschwindigkeit fuhr, hin und her und steuerte ihn auf eine der breiteren Straßen zu, in der er dann schneller werden konnte. Inzwischen war die halbe Stadt hinter ihm her. Wenn jemand beobachtet hatte, welchen Gleiter er gestohlen hatte, dann war auch seine Tarnung dahin. Er wich einem Fußgänger aus, der sich bückte, ihm entsetzt durch die Schutzscheibe nachstarrte und wild zu schreien begann. Dann riß er den Gleiter in eine NeunzigGrad-Kurve, erreichte die breite Straße, kurvte hinaus und trat den dicken Knopf tief durch. Der Gleiter beschleunigte. Plantez Garvarenz raste das kurze, gerade Stück der Straße entlang, überholte rücksichtslos, schnitt andere Fahrzeuge brutal und steuerte auf eine der nächsten Ausfahrten der Stadt zu. Hinter ihm und vor ihm erklangen Sirenen. Die Aufregung der Jagd hatte die ganze Siedlung erfaßt. »Vermutlich ist es zu spät!« knurrte Plantez heiser, aber er war entschlossen, sich bis zum letzten zu verteidigen. Sie würden ihn sicher nicht töten wollen, wenigstens nicht absichtlich. Aber es gab nur eine Möglichkeit, die Auflösung der Siedlung zu verhindern. Sie mußten ihn einsperren. Der Gleiter raste über eine Grasfläche, geriet für eine lange Sekunde in den Wasserschleier eines Beregnungsgerätes, schoß aus dem Nebel hervor und bog riskant über die gesamte Breite der Straße, dann fegte er die leichte Schräge der Ausfahrtstraße hinauf und kam auf die Piste, die zu den Farmen hinausführte und zu der riesigen, meist unterirdisch angelegten Kläranlage. Jetzt arbeiteten die Gleitermaschinen mit Höchstleistungen. In dieser Siedlung gab es noch keine zentrale Steueranlage für die Gleiter; die Maschinen mußten mit Handsteuerung gefahren werden. Der Spezialist raste in der Mitte der
Der Positiv-Kontakt nahezu freien Strecke dahin, überholte einige halbrobotische Transporter, schockte einige harmlose Familien, die offensichtlich ihre Felder besuchten, wurde schneller und schneller und näherte sich immer mehr seinem Stützpunkt. Weit hinter sich bemerkte er das Glitzern von Scheiben und wußte, daß ihm nur wenig Zeit bleiben würde. »Also bleibt es bei einem einfachen Notruf!« sagte er sich. Ein Notruf würde jedenfalls in Kürze ein USOSchiff herbeizitieren, und dann endeten die Probleme für ihn. In der nächsten Kurve wartete er die Unterbrechung der Begrenzungsmauern ab und raste geradeaus weiter. Der Gleiter summte über Gelände, das landwirtschaftlich genutzt wurde. Er hinterließ eine breite Spur, als er über Äcker und Felder schwebte und schließlich einen niedrigen Zaun umpflügte. Noch drei Kilometer waren es bis zum Sendemast. Es ging nicht mehr schneller. Die nächsten Minuten würde er kaum jemals in seinem Leben vergessen können. Sie gestalteten sich zu einem Alptraum. Mit Höchstgeschwindigkeit schoß der kleine Gleiter haarscharf an Felsen und Baumstämmen vorbei, sprang über niedrige Gräben, bohrte sich wie eine Ramme ins Gebüsch und trieb Scharen von Vögeln und kleiner Tiere auseinander. Im Rückspiegel sah er deutlich die Verfolger. Sie bildeten mit ihren Gleitern eine breite Kette und schwärmten auseinander. Und vor allem holten sie auf. Vor der Silhouette der Stadt baute sich die Kette der Verfolger auf. Garvarenz sah es im Rückspiegel. Vor sich, hinter den welligen Hügeln, erkannte er bereits die Spitze der HypersenderAntenne. Jetzt federte der Gleiter zwischen Buschwerk auf den sandigen Feldweg hinaus, wirbelte eine Staubfahne hoch und schoß auf den flachen, kleinen Bau aus Fertigbauteilen zu. Garvarenz bremste hart ab, ließ den Gleiter herumschleudern und warf sich förmlich aus dem Sitz. Er sprang die wenigen Meter bis zum Eingang, riß die Tür auf und blieb stehen. Seine Hand griff in einem automati-
17 schen Reflex hinunter zur Dienstwaffe, aber es war zu spät. Pasqua, der Rat des Planeten, zielte mit einem schweren Schocker auf ihn. Er räusperte sich und erklärte mit heiserer Stimme: »Ich weiß, was ich tue. Ich nehme die Verantwortung auf mich, Spezialist. Wir alle brauchen und verdienen diese drei Monate Schonzeit. Nach dieser Zeit werde ich persönlich einen Hilferuf an die USO richten, wenn wir das Verhängnis nicht finden.« Der Spezialist schüttelte den Kopf. Er sah über die Schultern und erblickte einen Halbkreis von Gleitern, aus denen die Kolonisten sprangen. Niemand sagte ein Wort, alles ging in einem unheildrohenden Schweigen vor sich. »Sie sind wahnsinnig, Rat Pasqua«, sagte er. »Nein. Ich habe nur mehr Mut zum Risiko. Oder nennen Sie es meinetwegen Dummheit. Ich werde für alles die Verantwortung übernehmen!« Er hob die Waffe ein wenig, zielte auf Plantez' Brust und drückte ab. Eine mittelstarke Ladung traf den USO-Mann und schickte ihn taumelnd zu Boden. Pasqua war aufgesprungen, hatte die Waffe fallen gelassen und fing den schlaffen Körper auf. Als die Volksmenge den Eingang betrat, kam Pasqua daraus hervor. »Fahrt zurück, Leute«, sagte er. »Ich war ein wenig schneller. Und …«, er machte eine bedeutungsschwere Pause, »… findet um Gotteswillen in den nächsten neunzig Tagen heraus, was den Planeten unbewohnbar macht.« Die meisten kehrten um. Mit einigen Polizisten und anderen besonnenen Männern, die sich nur deshalb den Verfolgern angeschlossen hatten, um echtes Unheil zu verhüten, verlud Planetarer Rat Pasqua den bewegungslosen Körper des Spezialisten in seinen schweren Dienstgleiter, den er hinter dem Haus geparkt hatte. »Wohin bringen wir ihn?« fragte einer der Polizisten. Pasqua blickte ihn mit dem Ausdruck eines gehetzten Mannes an.
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»Um das Maß voll zu machen – in mein Haus. Dort hat er alles, was er braucht, und außerdem kann ich ihn leicht bewachen lassen.« Pasqua baute aus dem Hypersender einen wichtigen Schaltbausatz aus, steckte ihn ein und vergewisserte sich, ehe er das Haus verließ, ob alles in Ordnung war. Er schloß auch die Tür und nahm den komplizierten Schlüssel an sich. Als er zu seinem Gleiter ging, wirkte er nicht nur wie ein gehetzter, sondern auch wie ein gebrochener Mann. Er hatte soeben rund siebenhundertfünfzig Menschen zum Tode verurteilt, nämlich so viele Siedler, wie durchschnittlich im Verlauf dreier Monate starben. Er fühlte sich unbeschreiblich elend.
4. Gerade, als Lelle Salgouz seinen Gleiter an der Stelle des letzten Zusammenbruchs vorbeisteuerte, kam die Gleiterkarawane zurück. Er hielt einen Gleiter an, und der Fahrer, ein Fischer, beugte sich aus dem Fenster. »Was war los, he?« fragte Lelle. »Sie haben den Spezialisten vor seiner Hütte gestellt!« Lelle blickte in das unrasierte, gespannte Gesicht des stämmigen Fahrers. »Und?« »Rat Pasqua hat ihn betäubt. Er übernimmt die Verantwortung! Junge, jetzt heißt es, den Grund der Vernichtung zu finden. Wir haben rund neunzig Tage Zeit, dann müßten wir Pasqua einsperren.« »Warum?« Es wurde Lelle erklärt. Lelle nickte; so ähnlich hatte er es sich vorgestellt. »Aha!« sagte er. »Wir haben also drei Monate Zeit, die Kolonie zu retten. Und ich sage euch, daß wir nichts finden. Vielleicht geschieht ein Wunder, aber sonst auf keinen Fall.« Der Lastengleiterlenker winkte ab und zog eine Grimasse der Verachtung. »Fahr zurück in deine Höhle und kümme-
re dich nicht darum!« sagte er. »Du findest sicher nichts, das ist sicher.« Lelle grunzte abfällig und fuhr weiter. Jetzt hatten sie es also geschafft! Nicht nur, daß sie zusahen, wie der Planet verwüstet wurde und die Menschen starben, nein, sie mußten auch noch den Spezialisten der United Stars Organisation gefangensetzen! Sie waren alle verrückt.
* Einen halben Tag später erwachte Plantez Garvarenz aus seiner Bewußtlosigkeit. Er sah sich um und erkannte langsam, wo er sich befand. »Immerhin!« murmelte er mit gefühllosen Lippen. »Der Mann hat eine Menge persönlichen Mut gezeigt.« Er meinte Rat Pasqua, in dessen Haus er sich befand. Die Wohnung des Rates lag in einem der stilvollen »alten« Häuser am Jachthafen. Hinter einer Fassade von klassischer Zeitlosigkeit verbarg sich eine kleine, aber hervorragend eingerichtete Wohnung. Plantez erhob sich halb und blickte durch eines der Fenster. Er sah augenblicklich die vier Posten, von denen die Vorderseite des Hauses bewacht wurde. Er lächelte bitter. »Immerhin habe ich neunzig Tage Zeit, um an meinem Gedichtband zu arbeiten«, brummte er. Es war nach einem Schema verlaufen, das ungewöhnlich, aber bekannt war. Er jedenfalls erkannte die einzelnen Teile des gesamten Vorgangs. Er war ein Gefangener in einer luxuriösen Umgebung. Er konnte sich der Einrichtung bedienen, konnte alle möglichen Wünsche äußern – bis auf einen: Er durfte dieses Haus nicht verlassen. Selbst wenn es ihm glücken würde, so konnte er sicher sein, daß Rat Pasqua seinen Hypersender funktionsuntüchtig gemacht hatte. Auf das Gesicht des Spezialisten stahl sich ein vorsichtiges Lächeln. Wäre er an der Stelle Pasquas gewesen, hätte er nicht anders gehandelt.
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Er öffnete die Tür und sah sich einer gut eingerichteten Toilette gegenüber. Zuerst sorgte er für seinen Körper, dann suchte er Papier und einen Stift und begann mit einem neuen Gedicht.
* Am Tag, als die sechs Welpen zur Welt kamen, betrank sich Lelle. Er wartete ab, bis die kleinen, blinden Tiere zufrieden neben der Hündin lagen und gesäugt wurden, dann ging er mit tappenden Schritten die lange, gewundene Steintreppe hinunter zu »seiner« Höhle. Noch immer war er das Gefühl nicht losgeworden, daß er zusammen mit den anderen Kolonisten im Bannkreis einer unsichtbaren Gefahr stand. Er meinte nicht das Zusammenbrechen der Gebäude, sondern etwas anderes. Was es war, konnte er nicht sagen. Also flüchtete er sich in eine seiner übersichtlichen Scheinwelten. Er schaltete das Licht ein. Von der Höhlendecke hingen einige Kabel. An den Punkten, wo sie sich mit der Decke oder den Wänden trafen, waren Lampen befestigt. Die Leuchtkörper selbst waren ohne jedes System eingeschraubt; schwere Schiffstiefstrahler, normale Birnen, Leuchtplatten, kugelförmige Sonnenelemente. Quer durch die Höhle zog sich ein fünf Meter langer Steintisch, der auf Steinbrocken ruhte. Er lag voll im Licht der Leuchtkörper. Auf der Platte, die durch alle möglichen Rückstände verschmutzt war und sauer roch, standen Flaschen, Glaskolben, ein klappriges Kühlaggregat, kupferne Röhren in primitiven Halterungen aus Ästen und Schnüren, ein Brenner und eine Menge leerer und halbvoller Gläser. In einem Regal am Ende des Tisches lagen mindestens zwei Dutzend Flaschen, die mit einer dunkelgelben Flüssigkeit gefüllt waren. »Sechs neue Hunde! Sechsmal Verdienst!« sagte Lelle. Er warf einen langen Blick auf den Haufen der kleinen, purpurnen Wurzeln, die er
in wochenlanger Suche in den Wäldern gefunden hatte. Er hatte lange experimentieren müssen, bis er die richtigen Grundsubstanzen für sein Vorhaben gefunden hatte, aber diese Wurzeln schlugen jeden Rekord. Lelle ging zum Anfang des Tisches und kontrollierte seinen Brenner. Es war ein konisches Rohr voller Holzkohle, deren Kern dunkel glühte. In sicherer Entfernung des Brenners stand die große Glaskugel, in der sich die Maische befand. Sie müßte heute reif sein. Erhitzte man das vergorene Gemisch aus Wasser, feingeriebenen Wurzeln und gewissen Aromastoffen, dann durchlief der Alkohol dampfförmig die Schlangen, kühlte ab und kondensierte und tropfte in den Filter aus aktiver Holzkohle. Am anderen Ende des Tisches konnte er dann in Flaschen abgefüllt werden. Lelle schaltete den Ventilator an. Ein Luftstrom fuhr in die glimmende Holzkohle, entfachte sie zu weißer Glut an, die Glut erhitzte die Masse, und der Destillierprozeß setzte sich zögernd in Bewegung. Seit Lelle einmal die halbe Apparatur um die Ohren geflogen war, ging er kein Risiko mehr ein; er mußte den Vorgang des Destillierens überwachen. Während er wartete, ging er hinüber zu seinem Vorratsschrank, zog den Korken aus einer Flasche und roch daran. Ein neuer Geruch mischte sich in die Symphonie der Gerüche dieser Höhle. Lelles Gesicht zog sich in der Vorfreude auseinander. »Riecht ausgezeichnet!« knurrte er, »und wird ausgezeichnet schmecken.« Durch das Untermischen von bestimmten Beeren und Früchten bekam er bei jedem Destilliervorgang einen anderen Geschmack. Lelle goß in ein nur leicht angeschmutztes Glas vier Finger hoch aus der Flasche ein, schnupperte lange daran und schüttete dann den rund fünfzigprozentigen Alkohol in einem Schluck herunter. Es war, als verschlucke er einen weißglühenden Eisenstab. Als die Hitze seinen Magen erreichte, begann sich das bekannte Wohlgefühl auszu-
20 breiten. Lelle grinste breit. Auf diesen Augenblick hatte er zwei Tage oder länger gewartet. Während er den Brennvorgang überwachte, trank er langsam Glas um Glas. Er befand sich innerhalb von zwei oder drei Stunden in der Welt seiner Phantasie. Seine dritte, geordnete, schöne Welt. Die erste war der Strand, das Wasser und die Sonne, die zweite das glückliche Leben in dem Höhlensystem, die dritte der Rausch, in dem Lelle zu seiner wirklichen Bedeutung kam. Er begann zu singen. Seine Stimme, dieser heisere Baß, füllte die kleine Höhle aus, mit allen ihren weißen und rötlichen Lichtern und den dampfenden und gluckernden Anlagen, mit dem Sausen des Gebläses und dem Zischen aus den Kühlröhren. Die Stimme drang über die natürlichen und die künstlich erweiterten Abzugsschächte durch das Labyrinth aus Treppen und Hohlräumen, erreichte die Höhle und den Zwinger mit den Hunden, die nach dem zehnten Ton ein Heulen anstimmten. Sie heulten, weil Lelles Stimme sie antrieb und anfeuerte. Der Chor der Hunde war schauerlich, das verschlungene Echo von Lelles uraltem marsianischen Kampflied war noch gräßlicher, und zusammen schien dieses mitternächtliche Lied die Felsen zertrümmern zu wollen. Lelle lauschte dem Klang seiner eigenen Stimme; er sang grundfalsch, aber begeistert und aus voller Kehle. Er war in seinem Element und dichtete, als ihm der Text ausging, hilflosholprige Verse dazu. Nur er wußte, was er damit ausdrücken wollte. Und er drückte es auch aus! Mitten in dieses Inferno mischte sich Kervies Stimme. Die Frau schrie von oben aus der Wohnhöhle: »Bist du betrunken, Lelle?« »Nein!« sang Lelle begeistert und schlug mit der Flasche einen harten Takt auf die Steinplatte. »Nein, ich bin glücklich!« sang Lelle zurück. Anjo, einer der stärksten Rüden seiner Hundefamilie, begann wie rasend zu kläffen
Hans Kneifel und ging dann in ein grauenerregendes Heulen über. »Denkst du daran, daß wir schlafen wollen?« schrie Meinja aus ihrer Schlafhöhle. »Ich denke daran, Geliebte, wie reizend du im Schlaf aussiehst!« donnerte Lelles rauchiger Baß. Er war bester Laune und begann sich wie ein Fürst zu fühlen. Herrscher über Frauen, Hunde und ein natürliches Schloß aus Felsen. »Du störst uns!« schrie Kervania, und auch ihre Stimme drang als zitterndes Echo durch die Kanäle. »Ihr stört mich meistens, und ich störe euch manchmal!« sang er zurück. Er trank fast die ganze Flasche aus, während er zusah, wie die köstliche Flüssigkeit aus dem Endstück des Filters tropfte und lief. Später hörte er mit dem Gesang auf, und auch die Hunde beruhigten sich langsam. Aber die Höhle blieb von wunderlichen Dämpfen durchzogen und von geheimnisvollen Lichtern durchleuchtet. Lelle füllte die Flaschen ab, stellte sie behutsam in das Regal und setzte sich dann auf die Tischkante. »Morgen komme ich wieder«, sagte er leise, »und dann räume ich hier alles auf.« Offensichtlich schliefen seine beiden Frauen, denn sie schimpften nicht mehr. Lelle schaltete mit der fast schlafwandlerischen Sicherheit des Betrunkenen die einzelnen Teile der Anlage aus, löschte das Licht und tastete sich mit vielen Unterbrechungen wieder die Treppe aufwärts. Er schwankte, in welche Richtung er aus der Wohnhöhle abbiegen sollte, dann entschied er sich für rechts. Er warf sich in voller Kleidung, eine Wolke aus Alkohol und anderen Gerüchen ausströmend, neben Kervania auf das Lager und legte seinen Arm um ihre Schultern. Kervania nahm kaum von ihm Notiz, aber an dem darauffolgenden Tag hatte Lelle nur noch soviel Energie übrig, um zum Strand zu gehen, etwas zu baden und dann die Folgen seines Rausches im Schatten auszuschlafen.
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* Bruno war der größte und bissigste Hund, den Lelle in seiner Zucht verwendete. Ein riesiges Tier mit einem braunen, zottigen Fell und einer dichten Mähne, mit schlanken Läufen und einem langen, schmalen Schädel. Dieser Hund war, obwohl er den wohl miesesten Charakter hatte, über den ein Hund verfügen konnte, der Liebling von Lelle Salgouz. Mehrere Tage nach dem Augenblick, wo Lelle wieder über einen annähernd klaren Kopf verfügte, beschäftigte er sich in seinem Hundezwinger. Insgesamt, mit den Welpen, gab es inzwischen dreizehn Hunde hier. Sie tobten entweder in dem kleinen Zwinger herum, lagen faul im Schatten oder kamen schweifwedelnd näher, als Lelle das Tor öffnete und sich auf die Hacken niederkauerte. Obwohl er bei der Dressur eine harte Hand hatte, liebten ihn die Tiere. »Kommt her, meine Lieben!« murmelte er in beruhigendem Tonfall. Bruno sprang mit einigen Sätzen auf ihn zu und riß ihn beinahe um. Lelle streichelte das Tier und grinste hinüber zu Meinja, die gerade die Wäsche auf lange Leinen hängte, um sie in der Sonne und im Wind trocknen zu lassen. Inzwischen waren die Vorräte, die er mitgebracht hatte, verstaut. Das Leben hoch über dem Strand ging seinen gewohnten Gang, und alle drei Menschen waren zufrieden. In dem Gärbottich befanden sich neue Wurzeln, durchmischt mit Zucker und bestimmten Hefepilzen, und das lustige Gluckern im Syphongläschen bewies, daß die Gärung begonnen hatte. Die Stadt interessierte Lelle nicht mehr als vorher, aber er hatte gehört, daß zweimal Gebäude zusammengestürzt waren. Vier Tote hatte es gegeben, und fünfzehn Verletzte. »Aber wir werden nicht unter Trümmern begraben, nicht war, mein Schatz!« knurrte er und kniff der Hündin in den Nackenpelz. Die kaum handgroßen Welpen ließen sich
von ihm beim Saugen nicht stören. Um ihn herum bildete sich ein dichter Kreis aus Hunden, die ihn ableckten, an ihm hochsprangen, leise winselnd und einander zur Seite drängten, um an den Mann heranzukommen. »Im Augenblick habe ich für euch alle nichts zu tun!« sagte Lelle und boxte Bruno freundschaftlich gegen die Schulter. »Aber in einigen Tagen werde ich euch mit hinausnehmen in den Wald und trainieren! Ihr werdet mir gutes Geld bringen.« Er brach ab. Eben war ihm ein furchtbarer Gedanke gekommen. Wenn in drei Monaten die Kolonie aufgelöst wurde, dann war es auch mit seinem Geschäft aus und vorbei! Niemand würde mehr Hunde brauchen! »Das auch noch!« stöhnte er auf. Er verschob das Nachdenken auf später. Die Überlegung lähmte ihn für den Augenblick, aber auf diese oder andere Weise würde er auch mit dem Problem der Hundeaufzucht fertig werden. So wie er in der letzten Zeit alle anderen Probleme gelöst hatte. Bruno schob sich langsam rückwärts aus dem Haufen der Hunde heraus, blieb stehen und blickte Lelle an. Er richtete seine großen Wolfsaugen auf den kauernden Mann und schien Lelle abzuschätzen. »Was hast du, Bruno?« brummte der Mann. Plötzlich kam ihm der Wolfshund fremd vor und ein wenig unheimlich. Der Hund bellte leise auf, drehte den Kopf weg und lief dann an eine Stelle des umzäunten Geländes, von der aus er einen Teil der Felsen, die Küstenlinie mit den Brandungswellen und in der Ferne die Bauwerke der Stadt erkennen konnte. Lelle zuckte die Schultern und wandte sein Interesse wieder den anderen Hunden zu. Er prüfte die Entwicklung der jungen Tiere, versuchte Veränderungen der alten Wolfshunde festzustellen und sah nach allen den Merkmalen, die einem Kleintierzüchter vertraut waren. Als er seine Überprüfungen beendet hatte, stellte er fest, daß er zufrieden war; alle Tiere waren gesund, springleben-
22 dig und ausgeruht. Nur Bruno machte ihm Sorgen. »Irgendwas hat das Tier!« sagte er und stand auf. Langsam ging er hinüber zu Bruno. Er blieb neben dem Zaun stehen und betrachtete seinen ältesten und erfahrensten Hund genau. Das Tier, das konnte er nach einiger Zeit deutlich sehen, wie äußerlich keinerlei Veränderungen auf. Der Wolfshund war weder abgemagert noch zu fett, das Fell glänzte, die Nase war wohltuend kalt, und die Rute besaß denselben Schwung wie immer. Aber da gab es etwas im Verhalten des Tieres, das ihm rätselhaft war. Wieder kauerte er sich nieder und streckte die Hand aus. Die Vorahnung des Bösen und Gefährlichen ergriff ihn wieder. »Bruno!« sagte er. Diesen Tonfall wendete er an, um die Tiere zu beruhigen. Der Hund starrte ihn an und wandte dann seinen Kopf ab. Bruno stieß ein kurzes, leises Heulen aus. »Verdammt! Was ist denn los mit dir!« Der große Hund riß den Rachen auf, streckte die Zunge weit heraus und gähnte. Dann schloß er die Augen. Es sah aus, als würde das Tier innere Schmerzen leiden. Langsam stand Lelle auf und schaute auf Bruno hinunter. »Ich muß überlegen, was passiert ist!« sagte sich Lelle, verließ langsam den Zwinger und warf, während er auf die Höhle zuging, immer wieder einen Blick auf den Hund. Bruno starrte ihn an, blieb aber regungslos stehen und ließ nicht erkennen, was ihm fehlte. Der harte Knoten in Lelles Magen vergrößerte sich. Kervania kam ihm im Höhleneingang entgegen. »Du machst ein mißmutiges Gesicht, Lelle. Was drückt dich?« Lelle brauchte einen kräftigen Schluck Schnaps, und er sagte es auch. »Was ist der Grund?« Er sah Kervania ins Gesicht. Kervania Reallah war eine große, flinke Frau, etwas vollschlank, mit langem Haar und dunkel-
Hans Kneifel braunen Augen. Die junge Frau spürte seine Unsicherheit; sie kannte Lelle ziemlich gut und glaubte, jede Regung seiner Gefühle feststellen zu können. Sie blinzelte. »Der Hund. Bruno.« »Was ist mit ihm?« Eine hervorstechende Eigenschaft des nüchternen Lelle Salgouz war es, daß er nur selten ausführlich wurde. »Er benimmt sich merkwürdig. Ich spüre auch etwas. Eine Gefahr, eine Seuche oder so.« Sie starrte ihn erschrocken an. Ihr Blick richtete sich auf die ferne Stadt. Lelle bemerkte das Abirren ihrer Augen und schüttelte den Kopf. »Ich habe geträumt!« sagte er. »Furchtbare Dinge. Furchtbare und schöne Dinge. Wir werden alle verwandelt werden!« Kervania rümpfte die Nase und winkte ab. »Du hast nicht geträumt, du warst betrunken. Dann schwingst du immer deine großen Reden und stellst dir alle möglichen Dinge vor.« »Diesmal ist es anders.« Lelle wußte von sich, daß er kein besonders kluger Mann war. Aber ebenso wußte er, daß er eine praktische Intelligenz besaß und sich bisher immer hatte helfen können. Und bisher war immer eingetreten, wovon er geträumt oder was er geahnt hatte. Er legte seine Pranken auf Kervanias Schultern und sagte leise: »Es ist anders!« »Der Hund benimmt sich, als würde er sprechen wollen. Oder so ähnlich. Und ich fühle, daß wir aufregenden Zeiten entgegengehen. Es hat nichts mit dem Geheimnis des Planeten zu tun. Oder doch?« Sie zuckte die Schultern und lehnte sich dann an ihn, rieb ihre Wange an seiner Schulter und sagte: »Komm mit mir in die Höhle, ja? Du wirst sehen, ein Mittagsschlaf klärt alle Probleme.« »Nein! Ich muß denken. Ich gehe an den Strand und trinke einen Schnaps!«
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Sie funkelte ihn zornig an und drehte sich um. »Schon gut! Besauf dich nur!« sagte sie. »Du benimmst dich ebenso merkwürdig wie deine Köter!« Er schlenderte davon, holte sich eine angebrochene Flasche und ging hinunter zum Strand. Er zog sich aus, schwamm einmal durch die Brandung und zurück und legte sich in die Sonne. So lange er auch nachdachte, so viel er auch trank – er kam nicht darauf, was ihn bedrückte. Als er über dem Meer die schwarzen Gewitterwolken sah, zog er sich wieder an und begann, die vielen Treppen hinaufzusteigen.
* Die Felsen schienen sich in die Pfeifen einer riesigen Orgel verwandelt zu haben. Jeder Windstoß fuhr durch die Schächte, strich an den Öffnungen vorbei und erzeugte schauerliche Töne. Der Regen trieb fast waagrecht durch die Luft, klatschte gegen die Felsen, und das Wasser rann in breiten Bahnen daran herunter. Die Treppen hatten sich in kleine Bäche verwandelt. Immer wieder zuckten die Blitze auf, tauchten das Land und die Felsen in kalkweißes Licht. Die verkrüppelten Bäume, die in den Felsritzen wuchsen, bogen sich hin und her. Laub wurde durch die Luft gerissen, und der Sand schwemmte über die kleinen Rasenflächen. Es war kurz vor Mitternacht desselben Tages. »Das ist schlimmer als vor einem Jahr!« murmelte Salgouz und richtete sich auf. Das Echo eines Donnerschlags rauschte in seinen Ohren. Durch das Heulen, Brausen und Plätschern hörte Lelle einen anderen Laut. Er sprang auf die Füße und warf einen raschen Blick neben sich. Kervania schlief fest; die Decke war über ihre Schultern hochgezogen. Ein Schrei? Ein dünnes, schneidendes Geräusch zitterte durch den vielfachen Lärm. Lelle fuhr in die Stiefel und riß die alte Lampe vom Haken. Die neue Energiezelle war eingescho-
ben, und ein fächerförmiger Lichtstrahl tanzte vor Lelle her, als der Mann hinunter in die Wohnhöhle rannte, sich das Schienbein an einem Stuhl anschlug und leise fluchte. Wieder dieser wimmernde, hohe Schrei. Nicht laut, und außerdem kam er aus der Nähe. Lelle ließ den Scheinwerfer kreisen. Er leuchtete voll in die Schlafhöhle Meinjas hinein, aber auch das jüngere Mädchen schlief. »Die Hunde!« rief Lelle unterdrückt. Blitzartig kam ihm eine Vision: Die Wassermassen hatten die Welpen ertränkt, und der nachrutschende Sand hatte sie verschüttet. Er rannte durch den dicken Vorhang hinaus, der hin und her geweht wurde. Augenblicklich schlug ihm der Regen ins Gesicht. Lelle rannte, so schnell er konnte, durch das aufspritzende Wasser die Treppe aufwärts. Ein Aststumpf kam, vom Wasser und der Wucht des Sturmes getrieben, in polternden Sprüngen die gewundene Treppe herunter und wurde genau gegen Lelles rechtes Knie geschleudert. Ein Blitz blendete ihn, er rutschte aus und fiel schwer mit der Schulter gegen die rauhen Felsen. Jetzt fluchte er laut. Lelle wurde etwas langsamer und gab darauf acht, wohin er trat. Er rannte zwischen den Felsen hoch, erreichte die tiefen Löcher, in denen die Hunde zu schlafen pflegten. Wieder kam von links jener hohle Schrei, dieses langgezogene Wimmern. Lelle richtete den Scheinwerfer auf die ungefähre Stelle, an der er die Quelle dieses Tones vermutete. Zwei leuchtende Wolfshundaugen starrten ihn aus der Finsternis an. »Bruno!« schrie er auf. Der Hund stand mitten im strömenden Regen. Alle anderen Tiere hatten sich vor der Wut des Sturmes verkrochen und in die hintersten Winkel ihrer Höhlen zurückgezogen. Bruno stand da, mit gespreizten Läufen und zitternden Flanken. Der Wolfsrachen war weit aufgerissen, und das Tier atmete schwer. Lelle blieb regungslos stehen und richtete
24 den Scheinwerfer auf den Boden, so daß Bruno nicht mehr geblendet wurde. Der Hund kam jetzt mit zögernden, steifen Schritten langsam näher. Er ging bis zum Gatter, legte seine Pfote auf den Riegel und schob den quietschenden Eisenstab zurück. Langsam schwang das Gattertürchen auf. Lelles Kinn sank auf seine Brust. »Du bist ja plötzlich schlau geworden!« stellte er fest, aber Regen und Donner rissen ihm die Worte von den Lippen. Der Hund kam näher an ihn heran und blieb vor ihm stehen. Er legte den Kopf in den Nacken, starrte den Menschen an und stieß dann wieder dieses wimmernde Heulen aus. Lelle bückte sich ein wenig, stemmte sich gegen den Sturm und streckte die Hand aus. Der Wolfshund schnappte langsam zu und behielt die Hand zwischen den Zähnen, dann zog er daran und schleppte Lelle mit sich. Nachdem sie das Gatter verlassen hatten, drehte sich der Hund wieder um und schloß, als wäre es die einfachste Sache seiner Welt, das Türchen. Die Vorahnung, die Salgouz seit Tagen mit sich herumschleppte wie ein Geschwür, wurde jetzt greifbar. Etwas ging in den Hunden vor. »Wenn du nur reden könntest!« stöhnte Lelle. Wieder winselte der Hund, packte ihn an den Fingern und schleppte ihn durch Sturm und wolkenbruchartigen Regen durch das Wasser, das über die Treppenstufen rann. »Wohin?« Total verwirrt folgte Lelle dem Hund. Sie kamen bis zum Vorhang. Bruno schob sich hindurch. Der Hund führte den Menschen. In der trockenen Höhle schüttelte sich Bruno erst einmal und übersprühte Tisch, Wände und Lelle mit Wassertropfen. Lelle richtete den Strahl der Lampe zur Decke und betätigte dann den Lichtschalter. Mit einem Satz sprang Bruno auf den Tisch und starrte Lelle an. Lelle fühlte sich von Sekunde zu Sekunde immer unbehaglicher. Mit den Pfoten balancierte Bruno ein Messer dergestalt hoch, daß er es mit den
Hans Kneifel Zähnen packen und halten konnte. Durch das Geräusch des strömenden Regens hindurch hörte Lelle, wie die Messerspitze über den Stein glitt. Der schrille Ton verursachte ihm eine Gänsehaut. Der Hund bewegte sich im Kreis, dann hob er den Kopf. Die Messerspitze hatte in die Tischplatte einen unregelmäßigen Kreis gezogen; ein feiner, leichter Schnitt war entstanden. Ein starkes Zittern ging durch den Hundekörper. Er keuchte jetzt, aber wieder senkte er den Schädel. Dann zog er kratzend und knirschend eine Linie, die den Kreis trennte. Etwa ein Fünftel des Durchmessers war jetzt abgeschnitten. Die Zeichnung wirkte … wie … Lelle suchte nach einem Begriff. Plötzlich ließ Bruno das Messer aus den Zähnen fallen. Es polterte auf den Stein, überschlug sich und landete klirrend auf dem Boden. Dann sprang er mit einem gewaltigen Satz auf den Mann los. Lelle riß den Arm hoch und erwischte den Hund an einem Bein. Er schob ihn hart von sich weg. Bruno überschlug sich in der Luft. Als er wieder auf seinen vier Beinen landete, schien er sich gänzlich verändert zu haben. Sein nasses Fell war struppig und glanzlos geworden. Die Haare und besonders die Wolfsmähne standen starr vom Körper ab. Sämtliche Muskeln waren verkrampft und angespannt. Das Tier röchelte und knurrte. Sein Atem ging stoßweise; die Flanken bebten wie ein Blasebalg. Die Augen schienen zu glühen. Dann formte der Kehlkopf des Wolfshunds eine Reihe von Tönen oder Geräuschen, wie sie Lelle noch niemals in seinem vierundfünfzigjährigen Leben gehört hatte. Schließlich warf sich das Tier nach rechts und sprang auf die Schlafhöhle Meinjas zu. Lelle machte ebenfalls einen Satz. Er erwischte gerade noch den Gurt mit der Waffe, als sich der Hund auf Meinja stürzte. Er flog wie ein Geschoß durch die dunkle, kleine Öffnung und landete fast lautlos auf den Decken, den Fellen und dem
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Mädchenkörper. Lelle riß die Waffe aus der Schutzhülle, aber er sah ein, daß selbst ein kurzer Schuß aus der Energiewaffe die Höhle in ein Inferno verwandeln und Mädchen und Hund töten würde. Mit einem wütenden Schrei warf er sich vorwärts, ein Messer in der Faust, das er auf dem Tisch gefunden hatte.
5. Der Hund biß einmal zu. Seine wolfsähnlichen Zähne schnitten durch das lange Haar eines Felles und bohrten sich in eine Decke, die nach den Ausdünstungen eines schlafenden Menschen roch. Dann griffen Lelles Finger um einen Hinterlauf. Der Hund wurde mit einem Ruck aus der Höhle gezogen. In seinen Ohren gellte der Entsetzensschrei des Mädchens Meinja, das aus dem Schlaf geschreckt worden war. Lelles andere Hand kam in einem Bogen herunter, aber als der Hund wütend nach dem Messer schnappte und Lelle die Hand zur Seite riß, schrammte der Stahl entlang der Felsen, verkantete sich und wurde aus Lelles Hand gerissen. Der Hund strampelte sich frei, sprang an Lelle vorbei und in die Richtung auf den Vorhang. »Er ist wahnsinnig geworden!« schrie Lelle. »Er flüchtet! Ich habe es immer gesagt …« Er packte seine Waffe und stürmte aus dem Raum, besann sich kurz und fegte die Lampe vom Tisch. Dann schlug der nasse Vorhang hinter dem Mann zusammen. Von weiter oben hörte Lelle das Heulen und Kreischen des Hundes. Wieder begann er, die Treppen hinaufzurennen. Sein Atem ging in keuchenden Stößen. Sturm und Gewitter hatten etwas nachgelassen, aber der Regen fiel in senkrechten dicken Schnüren aus dem schwarzen Himmel. Einmal sah er im Schein der Lampe einen Schatten, der weit vor ihm auf das freie Gelände über und hinter den Felsen zulief. Er will doch nicht etwa zur Stadt? Atemlos und mit nassem Haar, das ihm
die Augen zuklebte, kam Lelle oben an. Da stand sein Gleiter in einer Wasserpfütze. »Tatsächlich!« rief Lelle unterdrückt. Auf dem ausgefahrenen Weg, der jetzt die Oberfläche eines schmalen Baches zeigte, rannte der Hund in grotesken Sprüngen dahin. Lelle hob die Waffe, zielte flüchtig und feuerte. Ein hellgelber Blitzstrahl fuhr durch die Dunkelheit und detonierte in der Nähe des Tieres. Der Wolfshund sprang zur Seite, rannte aber weiter und verschwand hinter einem kleinen Felsbrocken. Lelle glaubte daran, daß der Hund in der Stadt eine kleine Aufregung hervorrufen konnte. War er tollwütig, dann war es allerdings etwas anderes. Jedenfalls handelte Salgouz schnell und zielstrebig. Er watete durch das Wasser und schwang sich in den Gleiter. Die Maschine startete. Ein Schalterdruck, und sechs Scheinwerfer durchschnitten das Dunkel. Lelle legte die Waffe und den Handscheinwerfer neben sich auf den Beifahrersitz und trat den Beschleunigungshebel voll durch. Mit einem Ruck fuhr der Gleiter an. Die Scheibenwischanlage trat in Tätigkeit. Lelle raste in verantwortungslos hohem Tempo hinter dem Hund her. Der Regen prasselte wütend auf das Verdeck und lief an der Scheibe herunter. Aber … das war keine Tollwut! Etwas ganz anderes! sagte sich Lelle und steuerte um den Felsen herum, den Hohlweg hinunter und auf die freie Fläche zu. Als sich die Maschine wieder gerade gestellt hatte, sah Lelle im äußersten Bereich der Lichtstrahlen wieder den Hund. Er schien sich umgedreht gehabt zu haben, um seinen Verfolger zu beobachten. Wütend steuerte Lelle auf diesen Fleck zu und packte den Griff der Waffe. Es war höllisch schwer, mit der linken Hand zu steuern und mit der rechten aus dem linken Seitenfenster zu zielen und zu schießen, aber Lelle schoß dreimal. Natürlich traf er nicht. Die Fahrt ging weiter. »Am Strand unten … dort werde ich ihn
26 erwischen!« Lelle war sicher, daß er Bruno erschießen mußte. Der Hund war eine Gefahr für jeden Menschen, dem er sich näherte. Was immer es war, wovon das Tier befallen worden war, Tollwut oder nicht, die Kolonisten würden wieder ihr schlechtes Gewissen an Lelle auslassen. Langsam senkte sich das Gelände. Lelle brauchte nicht nach Spuren zu suchen, denn jetzt war er sicher, daß sich die Zerstörungswut des Tieres nur gegen Menschen richten würde. Und außer den drei Insassen der Höhle gab es Menschen nur in Quandvec. Der Strand kam näher. Lelle sah bereits die breiten, zerstäubenden Kronen der Brandungswellen, die heranrollten und sich überschlugen. Der Gleiter wurde schneller. Jetzt sah er auch Spuren! Das Tier war in riesigen Sätzen geflohen; deutlich konnte Lelle die doppelten Abdrücke der Pfoten in dem Sandstreifen sehen, der zwischen den auslaufenden Wellen und dem hohen Strand lag. Aber schon nach Sekunden hatte der Regen die Eindrücke wieder weggespült. Dicht über dem Sand raste der Gleiter mit voll aufgeblendeten Scheinwerfern der Spur des Tieres nach. Lelle konnte den Hund selbst nicht entdecken, also mußte er sich nach den Eindrücken richten. »Schneller als der Gleiter?« rätselte er und legte die Waffe wieder zurück. Das Tier konnte unmöglich die gesamte Strecke in einem Tempo durchlaufen, das höher als das der Maschine war. Plötzlich begann der Mann wie wild zu fluchen. Die Abdrücke bogen langsam nach links ab, liefen den Strand hinauf und verschwanden. Lelle bremste den Gleiter ab und folgte der Spur, wurde langsamer und drehte die Maschine hin und her, um den Boden auszuleuchten. Nach einer Minute mußte er sich eingestehen, daß der Hund ihn überlistet hatte. Die Spur verlor sich irgendwo im Strandgras. Lelle drehte den Gleiter, beschleunigte wieder und fuhr weiter in die Richtung der Stadt. Woher besaß Bruno plötzlich solche
Hans Kneifel Kenntnisse? Warum hatte er sich derartig merkwürdig benommen? Es gab keine Erklärung. Weiter. Entlang des Strandes. Auf die fernen Lichter der Straßenbeleuchtung zu. Vielleicht kam er vor dem Hund dort an und konnte ihn überlisten, sich verstecken und auf Bruno warten, mit schußbereiter Waffe. In Lelle erwachte der Instinkt des Jägers – er fühlte sich herausgefordert. »Ich jage Bruno so, wie sie Plantez gejagt haben!« murmelte er, während er den Weg vor sich beobachtete und krampfhaft das Steuer festhielt. Und plötzlich, unvermittelt von links kommend, waren die Pfotenabdrücke wieder da. Der Hund hatte einen Haken geschlagen und dadurch, daß sich Lelle länger bei der Fährtensuche aufhielt, einen großen Vorsprung gewonnen. Zuerst mußte Lelle grinsen über dieses geschickte Manöver, dann wurde er wütend und folgte wieder der Spur. Der Gleiter konnte nicht mehr in der Geschwindigkeit gesteigert werden, aber Lelle konnte einen anderen Kurs steuern. Er kürzte eine große, dreiviertelkreisförmige Bucht ab, indem er über die Wellen schwebte und die Kapazität des Prallfeldes heraufsetzte. Die Scheinwerfer beleuchteten tiefgrünes, schäumendes Wasser. Lelle hielt das Steuer fest; er durfte nicht riskieren, von der Geraden abzuweichen. Aber als er nach einigen Minuten wieder in Strandnähe war, sah er schon wieder diese verdammten Spuren. Also war der Hund doch wesentlich schneller als er mit der Maschine! Es war nicht zu glauben! »Vielleicht habe ich mich oben im Wald zu lange aufgehalten!« entschuldigte sich Lelle vor sich selbst. Die Jagd ging weiter und endete – am Hafen. Der Gleiter schoß hinein in den Bereich der Tiefstrahler und des Lichtes aus vielen indirekten Beleuchtungsquellen. Vor sich, am Ende des Hafenplatzes, sah Lelle Schatten, die sich schnell bewegten. Er blendete ab und raste heran. Aus den Schatten wurden zwei Männer, die sich grotesk hin und
Der Positiv-Kontakt her bewegten. Dann sah Lelle den Hund. Er kämpfte mit den beiden Männern. Einer der Schatten sprang seitwärts, taumelte zurück und riß die Hand hoch. Lelle sah das Funkeln des Lichtes auf einer Waffe. Dann erhellte ein heißer, flammender Blitz die Szene. Bruno sprang in seltsam torkelnden Sätzen an den Männern vorbei und rannte in der Deckung einer Mauer davon. Lelle steuerte den Gleiter durch den Regen, der eine Art Vorhang vor den Lichtern bildete, und hielt neben den Männern an. Er streckte den Oberkörper durch die Fensteröffnung und rief: »Wenn ihr den Hund nochmal seht, erschießt ihn! Er ist tollwütig oder so!« Einer der beiden Posten hob die Hand und fluchte, dann sagte er: »Du und deine verdammten Hunde, Lelle! Bring sie doch selber um!« »Soll geschehen!« erklärte Lelle. »Aber ihr müßt mir dabei helfen. Ruft die Polizei.« »Geht in Ordnung! Los jetzt!« Lelle beschleunigte seinen Gleiter wieder, steuerte durch die schrägen Schleier des Regens und fuhr dicht entlang der Mauer die breite Uferstraße entlang, dorthin, wo er glaubte, daß Bruno gerannt war. Unbarmherzig suchten die Scheinwerfer die Gegend ab, leuchteten in die Ecken und warfen lange Lichter über die Fläche des hellen Straßenbelags. Lelle fuhr nun etwas langsamer. Seine Augen suchten die Straße ab, die angrenzenden Flächen, die Boote und die Poller an der Seeseite der Straße. Sein schlechtes Gefühl war kaum mehr zu steigern; vermutlich hatte Bruno einen der Männer gebissen. Warum standen diese Männer eigentlich genau an der Stelle? »Vermutlich passen sie auf Pasquas Gefangenen auf!« murmelte der Mann. Jetzt sah er Bruno. Das Tier rannte quer über die Straße und flüchtete, hinter einem Stapel von Plastikbehältern hervorkommend, hinüber in die Richtung der Stadt. Lelle riß den Gleiter herum, so daß die Maschine sich querstellte. Dann hob er seine Waffe und feuerte mindestens fünfzehn Schuß auf Bru-
27 no ab. Quer über die Straße detonierten die Feuerbälle und überstrahlten mühelos das Licht sämtlicher Beleuchtungskörper. Der vorletzte Schuß endlich schien getroffen zu haben, denn durch den lang nachhallenden Donner der Detonationen hörte Lelle ein Kreischen und sah, wie sich Bruno überschlug, aber nach einem Sturz und einigen Versuchen, sich wieder aufzurichten, weiterrannte. Der Hund schlug Haken und rannte geradeaus. Er würde auf der rechten Seite des Gleiters vorbeikommen. Vielleicht trieb ihn sein Instinkt dazu, wieder zurück in die Geborgenheit der Felsen zu laufen; in diesem Fall würde Lelle sich noch mehr ärgern als bisher. Er stieß mit dem Gleiter zurück, drehte die Maschine und folgte dem Tier. Im Licht der Scheinwerfer sah er, wie Bruno hinkte. Er rannte nur auf drei Läufen. »Ich muß ihn schnell erschießen! Bruno leidet!« knurrte Lelle und folgte dem Hund wieder dorthin zurück, wo er die beiden Posten wußte. Der Gleiter schwebte fast parallel zum Weg des Tieres. Bruno rannte und sprang, immer langsamer werdend, entlang der Schaufenster, der kleinen Restaurants und der Eingangstüren der Häuser. Ein einziger Treffer würde das dahinterliegende Haus verwüsten und Lelle völlig ruinieren. Er fürchtete sich davor, einen Schuß abzugeben. »Ich muß ihn erwischen!« sagte er sich immer wieder. Er wartete nur auf eine Gelegenheit. Er war sprungbereit. Als der Hund immer langsamer wurde und auf den schmaleren Durchgang zwischen Uferstraße und kleinem Platz zulief, hielt Lelle seinen Gleiter an, sprang hinaus in die Nässe und spurtete auf Bruno zu. Der Hund sah ihn kommen und duckte sich, angriffslustig knurrend, hinter einem Wall von Zierpflanzen. Inzwischen schienen auch zwei Gleiter der Polizei den Hund zu suchen; in der Ferne sah Lelle die zuckenden Signallichter. Die Wachtposten rannten ihm entgegen, als Lelle winkend und mit schußbereitem Strahler auf das Versteck zu-
28 rannte. Der Hund war nicht zu sehen, aber als Lelle näher heran war, sah er deutlich die breite Spur aus verwaschenen Blutstropfen. »Jetzt habe ich dich, du verrücktes Aas!« murmelte er und sprang zur Seite, als Bruno aus den Büschen heraus auf ihn stürzte. Abermals hatte der Hund eine Art Wandlung durchgemacht. Er sah aus wie eine nasse Furie. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt als der, die Lelles Sinne erfassen konnten. Lelles Hand bewegte sich wie von selbst, als der Hund in einem verzweifelten Satz haarscharf an seiner Brust vorbeisprang. Die Waffe krachte. Dieses Wesen mit den großen Brandflecken im Fell, mit den triefenden Haaren und dem zur Grimasse verzerrten Ausdruck des Wolfshundkopfes, mit dem gebrochenen Lauf und den Wunden, aus denen das Blut tropfte, war nicht mehr Bruno. Es war ein Tier, das sich selbst nicht mehr ähnelte. Es war wahnsinnig geworden. Seine Instinkte waren durcheinander geraten, sein tierischer Verstand war schlagartig krank geworden. Und jetzt hatte dieser geheimnisvolle Umstand den höchsten Punkt erreicht. Bruno wollte Lelle töten. Das Tier sprang geradewegs in den Blitz aus Lelles Waffe hinein. Bruno wurde zerfetzt und verbrannt. Dort, wo er sich befunden hatte, breiteten sich Flammen und Rauch aus, der vom heftig strömenden Regen schnell niedergeschlagen wurde. In Lelles Ohren gellte das Echo des scharfen Knalles. Die beiden Gleiter näherten sich von der einen Seite, die zwei Posten kamen aus der Richtung des Platzes und blieben hinter Lelle stehen. »Hast du ihn erledigt?« stieß einer atemlos hervor. Lelle maß ihn mit einem kurzen Blick voll kalter Verachtung. »Ich habe ihn erledigt.« Nach einigen Sekunden sagte der andere Mann, der ebenso durchnäßt war wie sie alle: »Was war eigentlich los? Tollwut? Uns hat er nicht gebissen, zum Glück!« Lelle starrte auf die Reste des Kadavers,
Hans Kneifel dann hob er den Kopf und sah die beiden Gleiter, die mit drehenden Lichtern und abgeblendeten Scheinwerfern einige Meter vor ihnen anhielten. »Es war keine Tollwut!« sagte er. »Sondern?« Die Türen der Gleiter sprangen auf. Lelle sagte mit einem fast träumerischen Gesichtsausdruck: »Der Hund hatte ein Geheimnis. Er sah Dinge, die wir nicht sehen können. Und das hat ihn krank gemacht und überfordert. Sein Gehirn war zu klein dafür.« Er wußte selbst nicht genau, warum er dies sagte, aber es fiel ihm gerade ein. Er kannte Bruno seit Jahren, und der Hund hatte ihn noch niemals enttäuscht. Irgendwie fühlte er, daß er dem Hund diese Art der Verteidigung schuldig war. Er steckte die Waffe ein, starrte den Wachtposten an und wiederholte: »Er war nicht dafür geschaffen!« Der Posten schüttelte den Kopf und knurrte geringschätzig: »Bist du betrunken, Lelle? Oder bist du völlig verrückt geworden?« »Nicht die Spur!« verteidigte sich Lelle. Der Regen sickerte aus seinen Haaren in den Kragen und klebte die Kleidung an die Haut. »Was redest du dann solch einen Unfug?« »Keinen Unfug!« sagte Lelle bestimmt. »So oder ähnlich war es. Es gibt auf diesem Planeten keine Tollwut!« Die Posten sahen sich an, einer von ihnen winkte ab und sagte: »Ich würde an deiner Stelle das Geschäft mit den Kötern aufgeben. Vom Hundezüchten verstehst du jedenfalls nichts. Hau ab und geh zu deinen beiden Mädchen zurück!« Lelle ballte die Faust, sein Gesicht färbte sich rot. »Willst du ein paar in die Zähne, Mann?« fragte er drohend. Der Posten wich zwei Schritte zurück. »Keineswegs!« sagte er leise. »Aber die Erfolge deiner Züchtungen sind nicht eben besonders groß.« Die vier Polizisten aus den Gleitern ka-
Der Positiv-Kontakt men heran und blieben stehen. Sie trugen schwarze, von der Nässe glänzende Überhänge. Sie betrachteten die zerfetzten Teile des Tierkörpers, dann sahen sie Lelle an; schließlich meinte einer von ihnen: »Was war eigentlich los?« Der andere blickte immer wieder zu dem einzigen erleuchteten Fenster hinauf. Es befand sich im oberen Stockwerk eines der schmalen Häuser am Hafenplatz. Lelle gab einen kurzen Bericht ab, in dem er das meiste verschwieg. Einer der vier Polizisten hatte seinen kleinen Recorder eingeschaltet und warf jetzt ein: »Und aus welchem Grund kamen Sie darauf, daß der Hund eine andere Krankheit als Tollwut hatte?« Lelles Antwort war von einfacher Größe. Er erklärte: »Ich weiß es einfach. Bruno war ein guter, vernünftiger Hund!« »In Ordnung!« erwiderte der Polizist. Man sah deutlich, daß er kaum ein Wort von Lelles Ausführungen geglaubt hatte. Er deutete auf die Reste des Kadavers. »Bringen Sie das weg, Salgouz, und dann wäre es das beste, wenn Sie ihre Hunde einmal von einem Tierarzt untersuchen lassen würden!« »Oder von einem Psychiater!« murmelte der Wächter. Lelle holte aus seinem Gleiter ein Stück Plastikfolie und suchte mit spitzen Fingern zusammen, was von Bruno übriggeblieben war. Er schnürte das kleine Bündel zusammen und warf es in die Maschine. Inzwischen war er von oben bis unten völlig durchnäßt. »In Ordnung!« sagte er. »Kann ich jetzt nach Hause fahren?« »Meinetwegen. Es wurde nichts zerstört, niemand ist verletzt worden. Aber denken Sie an das, was wir Ihnen gesagt haben!« erwiderte der Polizist. »Natürlich!« Lelle zuckte die Achseln, stieg ein und drehte seinen Gleiter herum. Dann machte er sich auf den Heimweg. Der Regen wurde
29 immer schwächer, je näher Lelle an die Felsengruppe kam. Er steuerte seinen Gleiter langsam durch die Nacht und dachte intensiv nach. Schließlich war er zu dem Schluß gekommen, daß es sich tatsächlich so ähnlich verhalten hatte, wie er es den Polizisten erklärt hatte. Der Hund war weder tollwütig noch krank. Sein Verstand hatte auf eine geheimnisvolle Weise eine Krise durchgemacht und war damit nicht fertig geworden. Als Lelle durchnäßt und frierend in der Wohnhöhle eintraf, erwarteten ihn zwei aufgeregte Frauen. Sie fielen mit einem Berg von Fragen über ihn her. Diesmal antwortete Lelle nichts.
6. Gegen Morgen wachte Lelle auf. Er erwachte auf eine Art, die er nicht kannte: Es war, als habe ihn jemand mit einem Schlag auf den Kopf geweckt. Nachdem er die Fragen der beiden Frauen abgewehrt, eine halbe Flasche seines Schnapses getrunken und heiß geduscht hatte, war er eingeschlafen. Sein Schlaf hatte einer Ohnmacht geähnelt. Und jetzt wurde er plötzlich und ruckhaft wach. Lelle blinzelte und richtete sich auf; wenigstens glaubte er, daß er eine entsprechende Bewegung machte. Eine milchig trübe Helligkeit umgab ihn. »Schon wieder besoffen!« sagte er. Der Klang seiner Stimme drang als vervielfältigtes Echo an seine Ohren. Jetzt erschrak er und riß die Augen auf. Er sah nichts anderes als eine gewisse Helligkeit, in der er schwamm wie in einem kalkigen Wasser oder einer ähnlichen Flüssigkeit. Ein eisiger Schrecken erfaßte ihn. Er versuchte sich zu erinnern. Vor wenigen Stunden war er eingeschlafen. Es mußte jetzt Morgen sein, früher Morgen. Eine starke Übelkeit hatte ihn in ihrem Griff. Er fühlte sich gleichermaßen schwindlig und beschwingt, er zitterte und spürte dennoch ein Gefühl, das ihm suggerierte, er sei frei und ungebunden und aller
30 Verpflichtungen los. Die normale Umgebung war für ihn verschwunden. Eigentlich müßte er jetzt in die Wohnhöhle sehen. Sie lag geradeaus, denn als er eingeschlafen war, hatte er sich unter der Decke von Meinja Idrak befunden, der jüngeren der beiden Frauen. Panik erfüllte ihn, als er die gewohnten Bilder vermißte. Die Wohnhöhle mit dem schweren Vorhang, den um diese Zeit Kervania längst zurückgezogen hatte. Sonnenlicht würde in einer breiten Bahn hineinfluten. Die Höhle würde nach Kaffee riechen und nach frischem Wasser und anderen Dingen. Wieder griff lähmend das Entsetzen nach Lelle Salgouz. Er schlug sich mit der Faust gegen die Brust und schrie auf. »Wo bin ich?« Auch seine Stimme kam aus dem milchigen Nebel als mehrfaches Echo zurück. Jetzt glaubte er wirklich, daß er wahnsinnig war. Auch spürte er seinen Körper nicht mehr; es war ihm, als ob ihn ein Alptraum in seinem Griff hielt. »Nein!« schrie er. Sein Verstand weigerte sich zunächst, diese neuartige Situation zu erkennen. Er bewegte sich wie ein Raumfahrer in der Schwerelosigkeit, aber ohne das Gefühl, einen Schutzanzug zu tragen. Er hatte eigentlich überhaupt kein Gefühl, sondern nur Empfindungen. Langsam kämpfte sein Verstand gegen die Panik an und schien zu gewinnen. Zahlreiche Fragen formulierten sich. Wo befand er sich eigentlich? Woher kam dieses trübe, schattenlose Licht, und woher kam der Nebel, in dem er sich bewegte und ferne, murmelnde Stimmen hörte, von denen er nichts verstand? Warum klangen diese Stimmen echoartig und fern? Was war geschehen? Lelle Salgouz zwang sich zur Ruhe. Sein einfacher, praktischer Verstand begann rasend zu arbeiten. Die Gedanken überschlugen sich förmlich. Er merkte plötzlich, daß er nicht wahnsinnig wurde wie sein Hund,
Hans Kneifel sondern daß er noch immer in der Lage war, klar zu überlegen. Eines war sicher: Er war nicht so betrunken, daß er in einer seiner Scheinwelten lebte. Zweitens: Die neue Umgebung, in der er sich befand, dieses nebligleuchtende Medium, war nicht gefährlich. Und die echoartigen Stimmen klangen beruhigend. Es schien ihm, als ob eine große Menge Menschen sich in einem riesigen Saal leise miteinander unterhielten. Er stand oder lag nicht in diesem Nebel, sondern er bewegte sich auf eine Weise hindurch, die ihm neu war. Es schien eine Art Schwimmen zu sein oder ein Driften wie durch eine leuchtende kosmische Wolke. »Wohin bin ich nur geraten?« fragte er leise. Niemand antwortete. Aber er merkte, daß sich in ihm etwas zu lösen begann. Die Spannungen, die ihn seit Tagen heimsuchten, lockerten sich und verschwanden völlig, als er daran dachte. Das Gefühl der drohenden Gefahr, das er die letzten Tage seit dem Einsturz des Fischereiturms am sechsundzwanzigsten November gehabt hatte, war ebenfalls völlig vergessen. Aber auch dieses andere Medium voll von flüsternden Stimmen aus der Nähe, von lauten Stimmen, die aus größerer Entfernung kamen, war nicht böse. Es würde ihn nicht vernichten. Plötzlich merkte er, daß sein Körper wieder deutliches Eigengewicht bekam. Er fiel, schneller werdend durch die neblige Masse. Die Stimmen wurden leiser. Sonnenlicht erfüllte den Nebel, blendete ihn – – und plötzlich befand er sich wieder in der Wohnhöhle. Und direkt zwischen seinen beiden Frauen. Sie begannen, als sie ihn sahen, laut zu kreischen. Sie wichen vor ihm zurück, als ob sie sich vor ihm fürchten würden. »Was habt ihr, verdammt?« rief Lelle. Er verstand die Welt nicht mehr. »Du warst … weg!« schrie Meinja und schlug die Hand vor den Mund. Ihr Gesicht war aschfahl. Auch Kervania starrte ihn mit
Der Positiv-Kontakt allen Zeichen des Entsetzens an. Lelle schüttelte den Kopf. »Beruhigt euch doch!« dröhnte er. »Ich bin ja hier. Und mir ist nichts passiert! Was war eigentlich los? Warum führt ihr euch so auf?« Kervania stieß fast drohend hervor: »Wo warst du? Du bist plötzlich für einige Minuten verschwunden gewesen!« »Wie?« Lelle konnte es nicht glauben. Er hatte das Gefühl, daß es Stunden gedauert hatte, und überdies weigerte sich sein Verstand, der Frau zu glauben. Wie konnte er verschwinden, wenn er eine Art Traum gehabt hatte? »Ja! Du warst verschwunden. Zuerst warst du weg, kamst für Sekundenbruchteile wieder, dann warst du ganz verschwunden.« »Das ist nicht möglich!« stammelte er. Er sah sich um. Da war wieder das vertraute Bild der Wohnhöhle, in die heller Sonnenschein einströmte. Die Frauen hatten das Frühstück bereitet und den Tisch gedeckt. Er selbst stand zwischen Kervanias Schlafhöhle und dem großen Herd mit dem riesigen Abzug aus Stein. Verblüfft schüttelte er den Kopf. »Wo war ich, als ich zum erstenmal unsichtbar wurde?« fragte Lelle. Er mußte sich wohl mit der Wahrheit abfinden. Er war verschwunden gewesen. Also konnte das Verweilen in dem milchig trüben Medium kein Traum gewesen sein, sondern ein anderer Zustand, in den sich sein Körper versetzt hatte. »Du warst gerade aufgestanden und kamst aus der Höhle!« rief Kervania und deutete an ihm vorbei. Zwar beruhigten sich die Mädchen langsam, aber noch immer wurden sie vom Entsetzen geschüttelt. »Und dann …?« Es war natürlich furchtbar für einen Menschen, wenn sein Gegenüber plötzlich unsichtbar wurde. Und wenn er nach einigen Minuten wieder auftauchte und so tat, als sei nichts gewesen – das war ebenso schrecklich. »Und dann … dann warst du vielleicht
31 fünf Minuten lang verschwunden!« sagte Meinja. »Einfach verschwunden! Nicht mehr da! Du hast dich aufgelöst, der Felsen hinter dir war zu sehen. Du warst durchsichtig!« »Das ist … ich weiß nicht, was das ist«, gab Lelle zu und kratzte sich am Kopf. »So ähnlich wie bei Bruno.« »Er ist nicht verschwunden!« sagte Kervania in einem Tonfall, als mache sie Lelle für alles Unangenehme der letzten Tage persönlich verantwortlich. Er zuckte die breiten Schultern. »Woher weißt du das? Wir sind ja nicht ständig bei den Hunden.« Lelle dachte an die schnell ausgehobene Grube, in der jener Plastiksack mit den traurigen Überresten Brunos lag, irgendwo zwischen Sandstrand und Waldgürtel. Es war natürlich möglich, daß diese fremde Kraft, die ihn unsichtbar gemacht und in den leuchtenden Nebel entführt hatte, sich vor kurzer Zeit auch des Hundes bemächtigt hatte. Kervania senkte den Kopf. »Du kannst recht haben!« sagte sie leise. »Aber was soll das alles? Wozu soll das gut sein?« Mit einer überzeugenden Gebärde flüsterte Salgouz: »Es ist der Planet! Was sollen die zusammenbrechenden Gebäude?« Er deutete auf den Tisch und setzte sich schwer in einen der Sessel. Dann stützte er die Ellenbogen auf und sagte dumpf: »Ich muß nachdenken. Das alles ist zuviel für mich. Und ich habe Hunger!« Sie aßen schweigend. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Lelle Salgouz spürte in seinem Innern einen Aufruhr, den er nicht begriff. Aber er wußte auch, daß er in dieser kurzen Zeit einige überraschende Einsichten gewonnen hatte. Die fragenden Gesichter der Frauen, ihre Ängstlichkeit und ihre Bereitschaft, alle unerklärlichen Dinge als Grund zur Panik zu betrachten, störte ihn noch mehr. Er verschob die Erörterung seiner geheimen Gedanken auf später. Er wür-
32 de einen großen Schluck nehmen und schwimmen. Und in der Sonne kamen ihm dann, wie meistens, die besten Ideen. »Was hat man in der Stadt gesagt?« fragte Meinja Idrak. Sie war noch unruhiger als Kervania. Die einzige Sicherheit ihres bisherigen Lebens war die Gemeinschaft in den Höhlen, die Lelle als Fürstenburg bezeichnete. Hier fühlte sie sich geborgen und geschützt. Und Lelle war ebenso eine Vaterfigur wie auch ein guter Liebhaber. Das Leben, das sie hier führten, schien ohne Sorgen zu sein. Zumindest ohne Sorgen, wie sie die anderen in der Welt außerhalb dieses Kreises kannten. Meinja fürchtete, daß die Vorkommnisse, die mit dem seltsamen Benehmen Brunos begonnen hatten, diese sichere kleine Welt zerstören konnten. Lelle berichtete mit vollem Mund, was in der Nacht passiert war. »Eines Tages«, schloß er wütend und stürzte den letzten Schluck Kaffee hinunter, »werde ich es ihnen zeigen. Ihnen allen! Sie mögen uns nicht, das ist es. Deswegen sagen sie solche Sachen!« Kervania sah ihn aufmerksam an. Sie betrachtete sein Gesicht und studierte alle seine Gesten. Lelle kam ihr verändert vor. Die letzten vierundzwanzig Stunden und die Ereignisse in dieser Zeit hatten ihn in gewisser Weise verändert. Am deutlichsten sah sie es daran, daß er nachdenklicher wirkte. Früher noch hatte er schnell gehandelt, nachdem er lange überlegt hatte. Jetzt schien er nur noch das zu tun, was er »nachdenken« nannte; eine Sache, die aus Träumen und Alkoholgenuß bestand. Aber seit rund vierundzwanzig Stunden schien sich Lelle in einen aktiven, klügeren Mann verwandelt zu haben. Das würde ihre eigene Lage schwächen, denn von allen drei Personen dieser Lebensgemeinschaft war Kervania zweifellos die klügste und die mit der meisten Erfahrung in praktischen Dingen dieses merkwürdigen Haushaltes. »Vielleicht werden sie eines Tages etwas leiser werden«, sagte Kervania. »Dann nämlich, wenn ihre Stadt vollkommen zusam-
Hans Kneifel mengebrochen ist.« Lelle nickte. »Vielleicht. Der Spezialist hat vermutlich zugesehen, wie ich den Hund erschossen habe. Er ist im Haus von Rat Pasqua untergebracht.« Sie sahen ihm nach, als er aufstand, die Wohnhöhle verließ und hinunterging in seine Brennerei. Dort suchte er lange nach einer Flasche, deren Inhalt zu seiner Stimmung paßte. Schließlich fand er sie und wanderte hinunter an den Strand.
* Er war völlig allein, als er nackt aus dem Wasser kam und langsam auf das Kleiderbündel zustapfte, in dessen Mitte das Glas in der Sonne leuchtete. Im Lauf der Jahre, die er hier verbrachte, war Lelles Haut niemals weiß gewesen; das Schwimmen hielt ihn kräftig, und die Sonne förderte das Nachdenken. Er setzte sich in den feinen, weißen Sand und spürte, wie die Wärme langsam seinen Körper durchdrang. Er entkorkte die Flasche und nahm einen langen Schluck. Der Geruch der Beeren, über die er destilliert hatte, die Wirkung des Alkohols und seine Müdigkeit – er hatte nur wenige Stunden bis zu seinem merkwürdigen Abenteuer geschlafen – versetzten ihn in einen Zustand, den er kannte und schätzte. Seine Einsichtsfähigkeit wuchs. Sein Geist wurde klar wie Quellwasser, seine Gedanken traten Höhenflüge an. Er dachte klar und exakt. Sein Bewußtsein hatte sich erweitert. Lelle erkannte völlig klar: Jemand oder etwas, eine völlig unbekannte Macht, nahm Einfluß auf ihn und den Hund. Der Hund hatte diesen Einfluß nicht überstanden, weil er ein Tier ohne denkende Intelligenz war. Aber er, Lelle, war durch den Aufenthalt in dem rätselvollen, von flüsternden Stimmen erfüllten Raum wissend gemacht worden. Bereits die Einsicht, daß die Geheimnisvollen – so nannte er sie ab jetzt – ihn so
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klug gemacht hatten, daß er verstand, daß sie für alles verantwortlich waren, war neu und schwindelerregend. »Noch einen Schluck!« murmelte er und setzte sein Vorhaben in die Tat um. Während der starke Alkohol durch seine Kehle rann, spürte Lelle plötzlich wieder dieses Schaudern, diese Übelkeit. Wieder umhüllte ihn der milchige Nebel.
* Diesmal war es anders … Lelle wurde körperlos und schwerelos. Er versank in dem Medium aus Schwerelosigkeit und Licht. Seine Übelkeit klang binnen einiger Sekunden ab und verlor sich völlig. Wieder war er bei den Geheimnisvollen. Aber jetzt fühlte er, wie sein Körper oder sein Geist oder das, was er war, von einer Art Sog erfaßt wurde. Er trieb in einem unsichtbaren Strom dahin. Diesmal schrie Lelle nicht. Aber er dachte. Er formte in seinen Gedanken einen Satz und wiederholte ihn immer wieder. Er handelte so wie als Kind, wo er sich durch ständige Wiederholungen etwas eingeprägt und gemerkt hatte. Wo bin ich? Wo bin ich? Lelle fühlte sich wie ein Ballon, der in einer Zone starker Strömungen dahindriftete. Er hatte sich in ein rätselhaftes Etwas verwandelt. Kein Körper mehr, aber das volle Bewußtsein. Es war kein Traum, daß wußte er, aber in dieser neuen Welt hatte er sich in etwas verwandelt, das er nicht mit Worten bezeichnen konnte. Einige Sekunden lang ärgerte er sich über dieses Unvermögen, dann vergaß er es, denn in seiner Nähe trieb ein anderes Ding vorbei, das so beschaffen war wie er. Wo bin ich? wiederholte er drängend. Du bist bei uns. Bei den Zeitnomaden! Lelles neues, herausgelöstes Ich erschrak. Dann versuchte er, zu begreifen, was er eben gehört hatte. Gehört? Es war ebenso ein formulierter Gedanke gewesen wie seine Frage.
Er erinnerte sich an den Ausdruck für dieses »Verfahren« – es war ein telepathischer Kontakt gewesen. Du bist bei uns. Das bedeutete, daß die Geheimnisvollen ihn erkannt hatten. Sie hatten ihn angesprochen. Bei uns. Also gab es eine ganze Anzahl von ihnen. Wo war er? Bei den Zeitnomaden. Was ist das? Wir treiben im Zeitstrom dahin, ohne festen Ruhesitz. Wir sind ruhelos und bewegen uns von einem Ort zum anderen. Warum? Weil dies das Schicksal aller Bernaler ist. Was ist ein Bernaler? Wir sind Wesen, die ehemals ebenso dreidimensional waren wie du. Lelle hörte für eine Weile auf, Fragen zu stellen. Er mußte erst das, was er eben erfahren hatte, gebührend durchdenken. Er ging systematisch vor. In seiner bisher recht primitiven Betrachtungsweise sah es so aus, daß er zum Anfang der Gedanken und Überlegungen zurückkehrte und dort begann, nach Erklärungen zu suchen. Also: Er befand sich innerhalb eines Zeitstroms. Das bedeutete, daß er aus seiner Zeit herausgenommen worden war, für seine Welt unsichtbar wurde, und überdies zusammen mit anderen Wesen in diesem Strom dahintrieb. Die Stimmen, die er schon beim erstenmal gehört hatte, waren nicht wirklich, sondern telepathisch. Wer oder was ein Bernaler war, wußte er noch nicht, aber sie würden es ihm sagen. Jetzt wußte er mit unumstößlicher Gewißheit, daß Bruno und er Opfer dieser Zeitnomaden waren. Warum seid ihr jetzt anders? formulierte er in Gedanken. Die Antwort war länger, aber klar zu verstehen. Dieses im Zeitstrom schwebende Etwas erklärte ihm, was das Schicksal des Planeten Bernal gewesen war, warum sie sich heute und hier in dieser Zustandsform befanden, und wie ausgerechnet er, Lelle Salgouz, zu ihnen gestoßen war. Eine unermeßlich lange oder überraschend kurze Zeit herrschte Schweigen. In diesem Schweigen trieb diese Intelli-
34 genz, mit der Lelle gesprochen hatte, vorbei. Lelle hatte deutlich gespürt, daß der Bernaler ihm, was Intelligenz und Wissen betraf, turmhoch überlegen war. Der Fremde war weitaus klüger als Rat Pasqua oder der USO-Spezialist. Lelle wußte noch immer nicht genau, wie er selbst in den Zeitstrom und in die Gemeinschaft der Zeitnomaden geraten war, aber so war es. Er begriff auch nicht, auf welchem Weg er den Bernaler verstehen konnte, denn Telepathie war ihm fremder als alles andere – aber er mußte es akzeptieren. Mein Hund, dachte Lelle nach einer Weile, ist er auch mit euch Bernalern in Kontakt gekommen? Diese Frage wurde von einem anderen, vorbeidriftenden Bernaler mit einem klaren Ja beantwortet. Und ich? Auch du, sagte ein anderes Ding, ein anderer mehrdimensionaler Bernaler, bist auf diese Weise in den Zeitstrom geraten. Bleibe ich hier? Erneut griff das Entsetzen nach Lelle, wenn er sich vorstellte, daß er innerhalb des Zeitstroms gefangen und für alle Ewigkeiten dort zum Aufenthalt verurteilt worden war. Vermutlich nicht. Du bist kein echter Zeitnomade. Der Begriff Zeitflimmern tauchte auf. Lelle verstand ihn noch nicht ganz, aber er konnte sich vorstellen, was es bedeutete. Der Hund ist wahnsinnig geworden. Werde ich auch wahnsinnig? fragte er in Gedanken. Nein. Aber ich merke, daß du viele ungeklärte Fragen hast! So ist es! Lelle hatte erkannt, daß er auf telepathischem Weg Verbindung mit den vorbeitreibenden Bewußtseinsinhalten aufnehmen konnte. Sie waren länger in diesem Zeitstrom als er, aber sie waren grundsätzlich nichts anderes. Die Bernaler waren also Angehörige eines planetaren Volkes, die vor einer nicht klar feststellbaren Anzahl von Jahren in den Zeitstrom geworfen worden wa-
Hans Kneifel ren. Dort schwebten sie als Zeitnomaden umher. Wißt ihr mehr über die verborgenen Dinge? fragte Lelle lautlos und intensiv. Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Wir wissen sehr viel. Und sehr viel Nutzloses! Er konnte die Fremden verstehen! Er vermochte mit ihnen zu reden! Er würde hier die Antworten auf viele Fragen bekommen. Lelle war halb außer sich vor Freude. Ihr kennt den Planeten Ammavol? Es ist die Welt, auf der wir uns befinden. Wenigstens ich. Wir kennen ihn. Lelle fragte in einigen Sätzen, was die Fremden über das Problem der Kolonisten wußten. Er schilderte die zusammenbrechenden Gebäude und die Angst der Siedler seit einem halben Jahr. Aufmerksam hörte er zu, was die fremden Stimmen, einander abwechselnd, ihm erzählten. Ihr meint … am Nordpol? fragte er fassungslos. Ja. Es sind … Die folgenden Worte hallten lange in Lelles Hirn nach. Sie waren unklar, aber er ahnte deutlich, daß er sie bald würde verstehen können. Der fremde Bewußtseinsinhalt, der langsam im Zeitstrom an ihm vorbeigetrieben war, entfernte sich. Aus der deutlichen Stimme wurde ein entferntes, undeutliches Flüstern. Lelle sah in seinem merkwürdigen Zustand, wie sich der Nebel langsam erhellte und die Bewegungen aufhörten. Das Ende, sagte er sich. Der Zustand wird gleich wieder aufhören. Die Helligkeit nahm zu. Lelle spürte das Gewicht seines Körpers. Er sank langsam aus dem Zeitstrom hinaus und wurde von Licht und eigener Schwerkraft hinausgeschoben und in die reale Welt gedrängt. Plötzlich wirbelte ihn die Übelkeit aus dem fremden Medium heraus und setzte ihn neben seinen Kleidern ab. Als er erwachte, hielt er die Schnapsfla-
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sche noch immer in der Hand. Aber sie war leer. Nicht einmal die Spur des Geruchs war noch vorhanden. Das Rauschen der Brandung brachte ihn völlig zu sich, und er sah sich um. Zehn Meter hinter ihm stand Kervania. Sie blickte ihn starr an. Ihre Augen waren aufgerissen, aber sie war so erschrocken, daß sie nicht zu sprechen vermochte. Dann drehte sie sich um und rannte davon, als wären Gespenster hinter ihr her.
7. Wie ein Rasender spurtete Lelle über den Strand. Kervania und er warfen in der Sonne des Vormittags lange Schatten. Nach zehn oder zwölf Schritten warf Lelle die leere Flasche ins Wasser, winkelte die Arme an und wurde schneller. Er keuchte nicht einmal, als er sich nach vorn stürzte, die Oberschenkel Kervanias umklammerte und die Frau im nassen Sand zu Fall brachte. Er hielt ihre Schultern fest an den Boden gedrückt, beugte sich über sie und fragte heiser: »Warum bist du weggelaufen, Kervie?« Sie schüttelte wild den Kopf hin und her und murmelte mit geschlossenen Augen: »Du verschwindest und tauchst wieder auf! Du bist unheimlich! Ich fürchte mich vor dir, Lelle.« Lelle sagte beschwichtigend: »Ich weiß jetzt alles, Kervania. Ich war im Zeitstrom, bei den Zeitnomaden, und ich glaube, ich kann von selbst hinein und wieder hinaus!« Sie öffnete die Augen und sah ihn prüfend an. »Was ist das?« Lelle erklärte es ihr. Er schloß mit den Worten: »Ich weiß jetzt auch, warum die Gebäude zusammenbrechen. Sie haben es mir gesagt. Es ist ein Erbstück der Lemurer.« Sie setzten sich in den Sand. Kervania war ruhiger geworden, aber sie konnte das Geschehen noch immer nicht begreifen. Lel-
le redete beruhigend auf sie ein und versuchte, ihr die Angst zu nehmen. Er sagte, daß es keine Gefahr sei, und daß die bernalischen Zeitnomaden ihm die richtigen Antworten gaben. Im Verlauf einer halben Stunde gelang es ihm, Kervania Reallah einigermaßen zu überzeugen. Sie versprach, nicht mehr zu erschrecken, wenn er verschwand, was mit einiger Sicherheit wieder der Fall sein würde; er fühlte es. Dann deutete Kervania auf seine Brust und sagte: »Das mußt du den Räten erklären, Lelle! Es ist die Rettung für die Siedlung und für die Kolonie!« »Ich weiß!« Lelle nickte zustimmend. »Ich werde mich rasieren, anziehen, und dann gehe ich zu Rat Pasqua.« »Und dann werden sie uns nicht mehr hassen!« flüsterte Kervania voller Vorfreude. Sie ließ sich von Lelle helfen. Sie gingen zurück zu der Stelle, wo die Flasche im Wasser trieb und die Kleider lagen. Lelle zog sich die Hose an, und eine Stunde später befand er sich bereits auf dem Weg nach Quandvec.
* Grundsätzlich war jeder Rat für jeden Kolonisten zu jeder Zeit zu sprechen. Aber es dauerte länger als eine halbe Stunde, bis Lelle vorgelassen wurde. Andere Kolonisten, hieß es, hätten auch Probleme. Schließlich öffnete sich die breite Tür, und Lelle Salgouz blickte in ein mittelgroßes Büro hinein. Er erkannte den Planetaren Rat Pasqua und neben ihm den Rat Drol'th. »Willkommen, Bürger Salgouz!« sagte Pasqua ohne sonderlich große Begeisterung und deutete auf einen leeren Sessel. »Bitte, setzen Sie sich.« »Danke.« Lelle nahm Platz und blickte von einem Gesicht zum anderen. Deutlich stand in beiden die Skepsis geschrieben. Sie war von seiner Person nicht zu trennen. Dies erkannte Lelle mit seinem neuen Wissen. »Sie sagten, Sie hätten ein wichtiges An-
36 liegen, Bürger?« fragte Drol'th und nickte leutselig. »Ich kann es mir nur schwer vorstellen, aber, bitte, reden Sie!« Lelle platzte heraus: »Ich weiß jetzt, warum es in der Siedlung und auch bei den Probebauten immer wieder zu Einstürzen und Katastrophen kommt.« Pasqua hob sich halb aus dem Sessel, starrte Lelle ins Gesicht und sank dann wieder zurück. »Ach, das wissen Sie? Woher?« »Ich verstehe die Zusammenhänge. Ein Bernaler aus dem Zeitstrom, also ein Zeitnomade, hat es mir gesagt. Es hängt mit den Lemurern zusammen.« Die beiden Räte wechselten einen langen, bezeichnenden Blick. Deutlich war zu spüren, daß sie Lelle kein Wort glaubten und das, was er sagte, für das Gestammel eines verrückten Betrunkenen hielten. Vorsichtig meinte Rat Pasqua: »Vielleicht können Sie uns erklären, wie Sie zu diesen Namen und dieser verrückten Idee gekommen sind, Bürger? Ich muß gestehen, daß es mir sehr schwer fällt, dies alles zu glauben. Im Gegenteil.« Lelle hob die Schultern. »Ich habe plötzlich gemerkt, daß ich aus der normalen Welt verschwunden war«, sagte er leise und mußte jetzt auch langsam einsehen, daß seine Erzählung mehr als unglaubwürdig klang. »Als ich wieder denken konnte, befand ich mich im Zeitstrom. Ich hatte telepathischen Kontakt mit einem, der sich ›Bernaler‹ nannte. Er beantwortete meine Fragen. Ich fragte ihn nach mir, nach meinem Hund und nach dem Problem von Ammavol, der Gefahr ohne Namen.« Er schilderte, noch immer ein wenig unbeholfen, seine Erlebnisse im Zeitstrom, vorher und nach den beiden Episoden. Die Räte glaubten ihm kein Wort und nahmen an, daß er sich über sie lustig machen wollte. Sie verloren die Geduld. Drol'th beugte sich weit über den Tisch. Seine Finger spielten nervös mit einem wertvollen Stift. »Verlangen Sie, Bürger, daß wir Ihnen
Hans Kneifel diese wirre Geschichte glauben?« Lelle nickte. »Sie klingt verrückt, ich weiß. Aber es ist die Wahrheit!« sagte er erbittert. »Ich kann doch solche Geschichten nicht erfinden. Warum glauben Sie es nicht? Es ist die Rettung für die Kolonie, meine Herren!« Pasqua wußte nicht genau, was er tun sollte. Einerseits klang das, was der Betrunkene vor ihm berichtete, völlig unglaubwürdig. Andererseits war selbst die geringste Chance besser als keine Chance. In den wenigen Tagen, die seit der Festnahme des USO-Mannes vergangen waren, hatten sich keinerlei neue Aspekte für die Rettung der Kolonie ergeben. »Hinterlassenschaften der Lemuren? Das hat Ihnen ein Bernaler gesagt, während Sie verschwunden waren? Sie scheinen endgültig verrückt geworden zu sein, Bürger Salgouz.« Das Gesicht von Rat Drol'th hatte sich verfärbt. Er schien Lelles Bericht und die unglaubliche Frechheit, mit der diese Erzählung vorgetragen worden war, für eine persönliche Beleidigung zu halten. Lelle stand langsam auf. »Ich bin nicht verrückt!« sagte er laut. »Sie sind verrückt, wenn Sie sich nicht helfen lassen!« »Sie vergessen sich!« ermahnte ihn Pasqua, der weiterhin skeptisch blieb, aber nichts unternahm. »Ist ja wahr!« rief Lelle. »Ich komme und biete Ihnen die Lösung aller Probleme an, und Sie denken, ich will Sie nur ärgern. Ich bin nicht verrückt. Ich führe nur ein anderes Leben als Sie, und deswegen wollen Sie mich nicht verstehen.« Pasqua erhob sich. Er sah aus wie ein Mann, der zu all seinen Problemen noch ein neues aufgebürdet bekommen hatte. Mit müden, roten Augen betrachtete er Lelle, der ebenso groß war wie er selbst. »Ich glaube, Sie sollten gehen, Bürger Salgouz. Wir können Ihnen nicht glauben. Dieses Märchen von der Vibrationsspange können Sie an anderer Stelle erzählen, aber
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auch das hilft uns nicht weiter. Ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie hergekommen sind.« Er blickte hinüber zur Tür, und Lelle sagte ärgerlich: »Sie werden schon sehen, Rat, daß ich recht habe!« »Gewiß!« erwidert Rat Drol'th. »Gewiß.« Lelle schmetterte die Tür hinter sich zu, stampfte durch das Vorzimmer, an den Elementen der Robotverwaltung, den Technikern und der Sekretärin vorbei. Er verließ das Ratsgebäude und blieb unschlüssig auf einer der untersten Stufen vor dem Eingang stehen. »Und jetzt? Was soll ich jetzt tun?« fragte er sich laut. Ihm fiel plötzlich Plantez Garvarenz ein, ein USO-Mann. Er war vermutlich der einzige, der ihm noch helfen konnte. Und ganz Quandvec war gegen Lelle und Garvarenz. »Auch das noch!« stöhnte Lelle auf. Er wußte, was er zu tun hatte, aber es würde höllisch schwer werden. Und alles nur wegen der Lemurer.
* Lelle erwachte gegen Mitternacht. Er hatte den ganzen Abend lang gegrübelt, getrunken, sich mit den Frauen gestritten und ihnen sein Vorhaben erklärt. Mit den Hunden war alles in bester Ordnung; der Rüde Bruno schien der einzige Hund gewesen zu sein, der in den Strom der Zeitnomaden hineingerissen worden war. »Aber doch nicht heute nacht!« sagte Lelle leise. »Ich muß die Geheimnisvollen fragen!« Zweimal hatten sie ihn zu sich geholt. Jetzt wollte er versuchen, von sich aus in den Zeitstrom hineinzuspringen. »Aber wie?« fragte er sich. Vor Anstrengung begann er sich zu verkrampfen. Er dachte intensiv an die Bilder, die vor seinem geistigen Auge standen, an die vorbeischwebenden Schatten der fremden Wesenheiten. Er konzentrierte sich darauf, wieder aus sei-
ner normalen Welt zu verschwinden und in diese andere Zone überzuwechseln. Seine Finger begannen zu zittern. Kalter Schweiß brach aus und machte die Haut klebrig. Lelle sehnte sich förmlich nach der Übelkeit, die diesen Wechsel ankündigte; schließlich erhoffte er von den Geheimnisvollen die Antwort auf seine neuen Fragen. Die Räte hatten ihn ausgelacht und hielten ihn für verrückt, aber er hatte es sich selbst versprochen, es »ihnen zu zeigen«. Und plötzlich war er wieder mitten in dem nebligen Medium. Im Zeitflimmern … Lelles Bewußtsein schwebte dahin, wesenlos, körperlos, gewichtslos. Er hörte fernes telepathisches Flüstern. Ich habe Fragen! Lelle bekam keine Antwort. Aber er spürte, wie sein eigenes Vergnügen, sich im Zeitflimmern, in dem normalen Leben der Zeitnomaden, zu bewegen, immer stärker wuchs. Es gab nichts Schreckliches mehr in diesem hellen Nebel. Nichts, das Lelle überforderte. Ich habe Fragen! Offensichtlich schien kein bernalischer Zeitnomade in seiner Nähe zu sein. Lelle trieb schwerelos dahin, strengte sich an, das undeutliche Flüstern aus der Ferne zu verstehen, aber er konnte den nahen Schatten eines anderen Bewußtseinsinhaltes nicht ausmachen. Er fühlte keinen Bernaler. Eine gewisse Zeit verging. Lelle wußte genau, daß er jetzt in seiner Welt wieder unsichtbar und verschwunden war. Plötzlich spürte er etwas oder jemanden, der sich im Zeitstrom auf ihn zubewegte. Wieder richtete er seinen Gedankenstrahl in diese Richtung und sandte seine Überlegungen aus. Ich frage euch! Ein Gedanke kam zurück. Es war ein Gedanke, ein Bild von unfaßbarer Fremdheit. Keineswegs der Gedanke eines Bernalers, sondern eine Art mehrdimensionales Bild, das eine Mischung darstellte zwischen dem realen Aussehen dieses Zeitnomaden und
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dem Abdruck oder der Matrix seines Verstandes. Lelle schauderte, denn dieses Bild war derartig fremd und unfaßbar für seinen Verstand, daß er nicht nur nichts davon begriff, sondern auch Gefahr lief, abermals verwirrt und unsicher zu werden. Wieder richtete er seinen Ruf an diesen Fremden. Er erhielt keine Antwort, aber der Fremde driftete in dem nebligen Zeitstrom vorbei. Die Flüsterstimmen schwiegen. Kein Bernaler war zu spüren. Niemand, mit dem Lelle Kontakt aufnehmen konnte. Er war allein im Zeitflimmern. Enttäuscht versuchte er, wieder aus dem Zeitflimmern herauszukommen. Er strengte sich an. Er sehnte sich nach dem alten Zustand, projizierte seine Gedanken auf eine unbekannte Weise und spürte auch sofort, daß er schwerer wurde, daß sein Fallen oder Schweben eine bestimmte Richtung einnahm … und plötzlich befand er sich wieder in der Schlafhöhle. »Also muß ich meine Probleme ganz allein klären, ohne die Hilfe der Bernaler!« sagte er sich, drehte sich auf die Seite und schlief weiter.
* Am nächsten Abend, wenige Minuten nach zehn Uhr, parkte Lelle seinen Gleiter weit von dem kleinen Platz entfernt, schaltete die Scheinwerfer ab, ließ aber die Schlüssel stecken. Langsam schob sich die breitschultrige Gestalt durch den Schatten, dicht an die Hausmauer gepreßt. Lelles Ziel war klar, aber es würde deutliche Widerstände geben. Und alles mußte sehr schnell vor sich gehen. Merkwürdig, dachte Lelle. Die Stadt ist völlig ruhig. Die Kolonisten haben entweder keine Nerven, oder der Schlaf ist die einzige Entspannung, über die sie im Augenblick verfügen. Er ging weiter, huschte unter einem Torbogen hindurch und wich sorgfältig dem Leuchtkreis einer Lampe aus. Von den bei-
den Wächtern, die sich auf der Hinterseite des Hauses befinden sollten, sah und merkte Lelle nichts. Er blieb stehen, seine Augen suchten das Dunkel ab. Sämtliche Fenster und Türen waren geschlossen. Nirgendwo sah Lelle Lichter, Bewegungen oder Personen. Jetzt befand er sich am unteren Ende einer Treppe, die zur Rückseite von Rat Pasquas Haus führte. Hier sollten eigentlich die Wachen stehen, die eine Flucht des Spezialisten zu verhindern hatten. Aber Lelle sah keinen Mann und auch keinen Roboter. Zögernd machte er einige Schritte und ging einen Teil der Treppe hinauf, blieb wieder stehen und lauschte. »Nichts!« flüsterte er. Hoch über sich sah er das einzige erleuchtete Fenster; es war der Wohnraum des Rates, in dem der gedichteschreibende USO-Spezialist untergebracht war. Vermutlich wurden die beiden Posten entweder abgelöst, oder sie waren beim Essen. »Weiter, Lelle!« sagte er zu sich und bewegte sich in einer Anzahl schneller Sprünge die Treppe vollends hinauf, warf sich nach vorn und preßte sich tief in die Dunkelheit einer Mauernische. Er drehte den Kopf und musterte jede Handbreit der Umgebung. Es gab keine Anzeichen einer Alarmanlage und demnach auch keinen Alarm. Nur Stille und Dunkelheit und seine hastigen Atemzüge. Lelles Hand legte sich auf den Kolben der Waffe, dann drehte er sich um neunzig Grad und ging auf das Nebenhaus zu. Dort blieb er stehen und sah zu dem erleuchteten Fenster hinauf. Auf der anderen Seite des Hauses, das wußte er, gab es ebenso ein solches großes Fenster, aber dort lag der Platz, und dort standen tatsächlich zwei Wächter. Lelle mußte in das Haus hinein – und auch wieder hinaus. Nach etwa fünf Minuten angestrengten Überlegens sah Lelle eine Möglichkeit. Er konnte auf allerlei Umwegen einen Dachgarten besteigen und von dort über Simse, Zierbalken und Geländer klettern. Augenblicklich machte er sich an die Arbeit. Er
Der Positiv-Kontakt nahm einen Anlauf, sprang schräg in die Höhe und ergriff eine vorspringende Steinbrüstung, schwang einmal hin und her und stellte seine Füße auf ein Sims. Neben den Fensteröffnungen stieg er lautlos und schnell fast senkrecht bis an den Rand des Dachgartens, und von dort bewegte er sich schräg in Etappen abwärts, bis er sein Gesicht an die Scheibe des bewußten Fensters legen konnte. Es war unglaublich … aber keiner der Bewohner der nahen Häuser hatte den Mann erblickt. Lelle drehte den Kopf zurück, hielt sich mit einem Arm fest und starrte durch das Glas ins Zimmer hinein. Er sah den Spezialisten, der ausgestreckt auf der Liege schlief. Nein, verbesserte sich Lelle, er schlief nicht, denn er sah jetzt, daß der Spezialist sich auf den Ellenbogen aufstützte und anscheinend las oder schrieb. Lelle klopfte mit der freien Hand mehrmals an das Fenster. Blitzschnell kam Bewegung in den Körper. Der USO-Mann rollte von der Liege, warf sich herum und kam schnell und auf bloßen Sohlen heran. Ihre Augen trafen sich. Lelle machte mit der Hand eine entsprechende Bewegung; der andere zögerte. Schließlich, nachdem er Lelles Gesicht ausgiebig studiert und offensichtlich lang genug überlegt hatte, griff Plantez Garvarenz an die Verriegelung und öffnete leise das Fenster. Lelle schwang sich über das Sims und ließ sich in den Raum fallen. Der Spezialist schloß blitzschnell das Fenster wieder, blickte auf Lelle herunter und fragte leise: »Was wollen Sie? Ich kenne Sie – Sie sind Lelle Salgouz, nicht wahr? Sie haben vor ein paar Tagen vor meinem Fenster im Regen Ihren Hund erschossen?« »Mann«, erwiderte Lelle nickend und sah in das schmale Gesicht des kleinen Mannes. »Können Sie schnell reden. Ja, Sie haben recht. Ich bin Lelle.« »Was wollen Sie hier?« »Sie abholen. Sie müssen mit mir zum
39 Nordpol kommen und dort die Vibrationsspange abschalten oder vernichten.« Der USO-Mann griff nach einer Zigarettenschachtel, zündete sich eine Zigarette an und betrachtete, neben die Liege gekauert, Lelle mit erwachender Aufmerksamkeit. Schließlich, als das Stäbchen brannte, fragte er: »Ich habe schon von den Wachen gehört, daß Sie einigen Unsinn erzählt haben. Das Ganze bitte noch einmal, schön langsam, und der Reihe nach.« Lelle berichtete: Als er die flüsternden Stimmen und die im Zeitstrom treibenden Bernaler gefragt hatte, gaben sie ihm eine klare Antwort. An beiden Polen des Planeten Ammavol, im Eis der polaren Kappen, gab es Stationen der Lemurer, die noch heute existierten und – mit Unterbrechungen – auch noch funktionierten. Auf dem Höhepunkt ihrer Zivilisation – das war die Erklärung des Bernalers – hatten die Lemurer auch den Planeten mit dem heutigen Namen Ammavol als Kolonialwelt eingeplant. Um zu verhindern, daß diese herrliche Kolonialwelt von anderen raumfahrenden Völkern entdeckt und kolonisiert werden konnte, hatten die Lemurer – von denen Lelle nur den Namen kannte, nicht aber deren Bedeutung in der kurzen Geschichte der Menschheit – jene Energiestationen an den Polen eingerichtet. Wie der Haltebügel auf einem altertümlichen Globus spannte sich also von Pol zu Pol eine energetische Vibrationsspange, unsichtbar, teilweise funktionierend, teilweise nicht, eine Schutzeinrichtung aus einer fernen Vergangenheit. Der Spezialist murmelte verblüfft, ohne darauf zu achten, daß die Asche von seiner Zigarette fiel: »Das können Sie nicht geträumt und erfunden haben, Salgouz!« Lelle schüttelte wild den Kopf und stieß hervor: »Nein. Das hat mir wirklich ein Bernaler gesagt. Sie glauben es mir? Aber hören Sie
40 noch den Schluß!« Vor Aufregung, daß ihm geglaubt wurde, zündete sich auch Lelle eine Zigarette an, dann sagte er: »Sie glauben mir?« »Beinahe! Machen Sie Ihren Bericht fertig, Bürger!« Der Spezialist blieb abwartend, aber er schien nicht ungläubig zu sein. »Der Bernaler sagte mir, daß diese Energiespange, diese vibrierende Energie von den Polen, alles vernichten sollte, was nicht natürlichen Ursprungs ist. Also alle künstlichen Bauwerke und solche Sachen. Die Lemurer wollten auf diese Art andere Wesen verjagen, die diesen Planeten vielleicht auch kolonisieren wollten. Zum Glück arbeitete die Vibrationsspange nicht gleichmäßig, denn sonst hätte Quandvec seine Stadt erst gar nicht errichten können. Seit einem halben Jahr ist die Spange offensichtlich in der Nähe der Stadt angelangt. Ich habe das alles den Räten berichtet, aber sie lachen mich aus und sagten, ich sei ein unverschämter Lügner. Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen. Was sollen wir tun?« Garvarenz ging hinüber zu dem niedrigen Tisch und sammelte eine Menge Blätter zusammen, die in seiner kleinen, gleichmäßigen Schrift bedeckt waren. »Ich denke, daß wir der Sache nachgehen sollen!« sagte der Spezialist. »Der Nordpol ist näher.« »Aber … Sie werden bewacht!« stammelte Lelle. Ihm kam die gelassene Ruhe des Mannes unheimlich vor. »So lustlos, daß Sie durchs Fenster klettern konnten. Es ist nicht wichtig, daß ich bewacht werde, denn Rat Pasqua hat den wichtigen Indikator meines Senders. Ohne diese kleine Baugruppe verläßt kein Funkspruch den Planeten. Aber hier ist es bequemer als in meinem Stützpunkt. Wir werden auch ohne weiteres flüchten können, wenn wir nicht gerade bewußt und vorsätzlich Unfug machen.« »Meinen Sie?« fragte Lelle skeptisch. »Haben Sie einen Gleiter in der Nähe?«
Hans Kneifel »Zweihundert Meter entfernt.« Der Spezialist sammelte langsam und methodisch ein, was ihm gehörte oder was er in der nächsten Zeit zu brauchen glaubte. Einmal blickte er auf und sah Lelle, der vom Fenster zurückkam, ins Gesicht. »Dieses Zeitflimmern …« murmelte er. »Wie funktioniert das?« Lelle schloß die Augen und konzentrierte sich. Er mußte einige zehn Sekunden warten, dann stellte sich das Gefühl der Übelkeit wieder ein. Er befand sich in dem milchigen Nebel und konzentrierte sich augenblicklich darauf, wieder in seine normale Welt zurückzukehren. »So funktioniert das!« sagte er und öffnete die Augen. Der USO-Mann stand leichenblaß vor ihm und keuchte erschrocken. Dann wischte er sich über die Stirn und murmelte erschüttert: »Jetzt glaube ich Ihnen alles, Lelle Salgouz!«
8. Der Gleiter raste mit hoher Geschwindigkeit und mit abgeschalteten Scheinwerfern durch die Nacht. Nachdem die beiden Männer das luxuriöse Gefängnis des Spezialisten verlassen hatten, waren sie innerhalb des Hauses in das Tiefgeschoß geschlichen und hatten dies ohne die geringsten Schwierigkeiten hinter sich gelassen. Niemand sah sie, niemand hielt sie auf – es war richtig, was Garvarenz gesagt hatte. »Wohin steuern Sie, Plantez?« erkundigte sich Lelle vorsichtig und klammerte sich am Sitz und am Armaturenbrett fest. Der USOMann fuhr wie ein Satan. »Zum Stützpunkt!« »Was haben wir dort zu tun?« fragte Lelle. Die Sache glitt aus seiner Hand, aber er war nicht sonderlich böse darüber. »Wir brauchen bestimmte Geräte, möglicherweise Waffen, schließlich einen besseren Gleiter, Vorräte und so weiter. Und da sie meine Flucht bald entdecken und mich in Stützpunktnähe suchen werden, eilt es uns
Der Positiv-Kontakt erheblich. Und außerdem muß ich noch ein Gedicht holen, das versehentlich im Stützpunkt liegengeblieben ist.« »Ich verstehe!« sagte Lelle. Sie fanden den Stützpunkt verlassen und unkontrolliert. Sobald die Tür aufgebrochen war, arbeiteten sie buchstäblich wie die Rasenden. Sie zerrten den schweren Luftgleiter aus dem Versteck, beluden ihn und rüsteten ihn aus. Garvarenz stapelte eine Menge unbekannter Ausrüstungsgegenstände auf die Ladefläche und schleppte Vorräte und Dinge herbei, die er mit geheimnisvollen Bemerkungen belegte. Dann wischte er sich über die Stirn, zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Ich kenne den Weg nach Ihrer famosen Höhle nicht besonders gut. Fliegen Sie vor mir her, Salgouz?« »Selbstverständlich!« sagte Salgouz. »Aber wundern Sie sich nicht, wenn die Hunde halb wahnsinnig werden! Sie mögen Fremde nicht!« Garvarenz knurrte zurück: »Und ich mag Hunde nicht!« »Ich eigentlich auch nicht«, brummte Lelle und schwang sich hinter das Steuer eines Gleiters »aber man verdient ganz gut damit. Aber ich glaube, ich mag Ihre Gedichte!« Die beiden Maschinen heulten auf, die Gleiter starteten. Salgouz stellte sich den Weg vor; sie würden einen ziemlich weiten Umweg fliegen müssen, um nicht wieder in Stadtnähe zu geraten. Er fühlte sich sicher in der Gegenwart des Spezialisten, aber er ahnte kommende Schwierigkeiten. Besonders die Fahrt zum Nordpol stellte er sich ziemlich abenteuerlich vor. Die beiden Gleiter rasten durch die Dunkelheit. Lelle orientierte sich an den bekannten Geländemerkmalen. Hier hatte er oftmals gejagt, dort drüben gab es den Wald mit den Wurzeln, aus denen er seinen Alkohol destillierte, die Ebene dort drüben, die grau im Licht der vielen Sterne lag, war der Platz, an dem er seine Hunde abrichtete. Die Felsformationen, die sich über seiner Wohnung er-
41 hoben, kamen näher. Dahinter rollten die Brandungswellen heran und brachen sich mit breiten weißen Schaumkronen. Kurze Zeit darauf schaltete Lelle die Scheinwerfer an und gab einige Zeichen mit den Blinkern und den Hecklichtern. Garvarenz verstand. Auch die Lichter seines Fluggleiters flammten auf. Lelle verringerte die Geschwindigkeit, flog einen Halbkreis und parkte seinen Gleiter dicht neben dem gewohnten Platz. Er schaltete die Maschinen aus, ließ aber die Standbeleuchtung brennen, sprang hinaus und hob beide Arme. »Kervania, Meinja! Kommt her! Haltet die Hunde fest!« Er wartete nicht auf die Antwort, sondern sprang zur Seite, als Garvarenz landete. Der große Fluggleiter blieb nach einer Drehung so stehen, daß sie ungehindert wieder starten konnten. Auch Garvarenz ließ die Notbeleuchtung eingeschaltet. »Fangen wir an!« sagte er und stellte sich neben Lelle. »Das also ist Ihr kleines Reich!« Lelle war ganz aufgeregt. Er packte den kleinen, schlanken Mann am Arm und zog ihn in die Richtung der Treppe. Weiter unten drängten sich die Hunde gegen das Gatter. »Kommen Sie!« sagte er. »Zuerst einen kräftigen Schluck!« »Meinetwegen.« Als die zwei Männer die obere Hälfte der Treppe hinter sich gelassen hatten, begannen die Hunde wild zu kläffen. Die Beleuchtungskörper wurden eingeschaltet. Lelle redete beruhigend auf die Tiere ein. Sie wurden aber nicht nennenswert leiser. Als Garvarenz die großen, wilden Tiere sah, pfiff er anerkennend durch die Zähne. »Ich bin nicht das«, sagte er und versuchte das Gebell zu übertönen, »was man einen Hundefreund nennen würde, aber vielleicht ist es ganz praktisch, ein oder zwei Hunde mitzunehmen. Wissen Sie, wo diese Gebäude oder Einrichtungen liegen?« »Nein«, erwiderte Lelle und sah am Fuß
42 der Treppe Meinja auftauchen. Sie hatte sich eine dreiviertellange Felljacke um die Schultern geworfen und blieb verblüfft stehen, als sie den Mann neben Lelle sah. »Aber ich kann in das Zeitflimmern zurückgehen und fragen. Das heißt, wenn ich einen Bernaler treffe.« Plantez schwieg, auch wenn er den tieferen Sinn dieser Antwort nicht ganz begriff. Er musterte Meinja mit seinem kühlen, kritischen Blick. Das Mädchen schien etwas verwirrt zu sein und zog sich langsam in die Richtung des Vorhangs zurück, der den Wohnraum abtrennte. »Das ist Meinja«, erklärte Lelle stolz. »Die Jüngere.« »Ich verstehe!« erwiderte Garvarenz halblaut. »Mein Name ist Garvarenz. Ich bin überrascht, zwischen den Felsen ein solches Kleinod zu finden.« Selbst im Licht der verschiedenen kleinen Lampen war deutlich zu erkennen, daß Meinja errötete. Die Männer traten ein, hinter ihnen schwang der Vorhang zurück. Garvarenz begrüßte Kervania, die aus ihrer Schlafhöhle gekommen war, dann setzte er sich auf die Kante des Steintisches. »Wir müssen sehr bald aufbrechen!« sagte er und betrachtete sehr aufmerksam die ungewohnte Umgebung. »Warum? Gleich zum Nordpol?« Garvarenz nickte und sah zu, wie Kervania begann, Kaffee zu kochen. »Die Siedler werden in kurzer Zeit meine Flucht bemerkt haben. Solange sie uns beide nicht verdächtigen, werden sie zunächst nur nach mir suchen. Zuerst also in meinem Stützpunkt. Von dort verlieren sich die Spuren, aber wenn sie intensiv suchen, finden sie sogar einen einzelnen Fluggleiter. Wir sollten möglichst schnell zwischen uns und die Stadtumgebung eine große Entfernung legen.« »Das sagt mir etwas!« murmelte Lelle. »Haben wir noch Zeit, etwas einzupacken?« Die beiden Frauen hatten der Unterhaltung atemlos und schweigend zugehört. Jetzt fragte Kervania, während sie die Tassen und
Hans Kneifel die Löffel auf den Tisch stellte: »Was habt ihr eigentlich vor? Daß du den Spezialisten befreien wolltest, wußte ich, aber …?« Lelle erwiderte in fast fröhlichem Tonfall: »Wir fliegen in seinem Luftgleiter zum Nordpol und zerstören die Vibrationsspange.« »Wie?« »Jawohl! Ich werde es ihnen zeigen! Die Bernaler werden uns dabei helfen. Sie wissen alles!« schrie Lelle und sprang auf. »Ich hole nur noch den Schnaps! Die besten Flaschen nehmen wir mit, Plantez! Und Sie sagen uns unterwegs Ihre Gedichte auf!« Garvarenz lachte. »Wohl kaum!« murmelte er. »Der Gedichtband ist noch nicht ausgereift. Es wird noch Jahre dauern, bis ich zu meiner endgültigen Form gekommen bin.« »Macht nichts!« rief Lelle und rannte die Treppe hinunter in seinen Gär und Destillierkeller. Eine hektische Unruhe hatte ihn erfaßt. Er wußte es selbst nicht, aber in Wirklichkeit freute er sich über die Chance, die sich ihm einmalig bot. Durch seine Tat würde er die Kolonie retten und sich bei jedem einzelnen der fünfzehntausend Kolonisten beliebt machen. Sie würden ihn ebenso verehren wie Quandvec, den Architekten der Uferstadt. Lelle raffte zusammen, was er fand: einen großen Wildbretschinken, ein riesiges selbstgebackenes Brot, einen runden Plastiksack voller Butter und mehrere Flaschen seines ältesten und besten Schnapses. Er packte diese Grundnahrungsmittel in einen salzüberkrusteten Seesack und keuchte damit wieder die Treppe hinauf. Eine halbleere Flasche hielt er in der Hand. »Zieht euch an, Mädchen!« dröhnte er. »Nehmt ein paar Handtücher mit! Wir fliegen zum Nordpol!« »Ihr seid alle verrückt!« murmelte Meinja und bewegte sich endlich. Sie hatte, was Lelle total entgangen war, Kervania aber nicht, ununterbrochen Garvarenz angestarrt. »Es scheint nur so, Madam!« erwiderte
Der Positiv-Kontakt Plantez mit ausgesuchter Höflichkeit. Kervania goß die Tassen voll. Lelle schüttete in jede Tasse einen mächtigen Schluck seines alkoholischen Erzeugnisses ohne Namen. Sofort verbreitete sich ein sehr angenehmer Geruch durch die Wohnhöhle. »Kümmere dich um die Hunde! Wir nehmen Sassa und Torr mit!« rief Lelle. Kervania nickte. Während die beiden Männer den starken, schwarzen Kaffee tranken und einzelne Teile ihres Plans absprachen, zogen sich die Frauen um. Sie suchten zusammen, was es an warmer und wassersicherer Kleidung gab. Meinja versorgte die Hunde; Lelle hatte ihr gesagt, man rechne mit etwa einer Woche Abwesenheit. Sassa und Torr, die nach Bruno ältesten und schärfsten Wolfshunde, wurden an Halsband und Leine gelegt und auf der Ladefläche des Luftgleiters angebunden. Meinja, in eine grellfarbige Seglerjacke gekleidet, kam in die Wohnhöhle, stellte sich neben Lelle und blickte Garvarenz wie hypnotisiert an. »Ich bin fertig!« sagte sie. »Brauchen wir Waffen?« Lelle warf Plantez einen forschenden Blick zu. Der Mann der United Stars Organisation dachte an das, was er von Lelle wußte und was er sich selbst dazugereimt hatte, und schüttelte langsam den Kopf. »Höchstens, um etwas für den Kochtopf zu schießen!« erklärte er. »Die Lemurer sind schon seit langer Zeit ausgestorben.« »Einverstanden.« Sie ließen alles stehen und liegen. Dann verließen sie die Höhle und kletterten hinauf zum Gleiterparkplatz. Es war noch immer Nacht. Die vier Personen stiegen zu den unruhigen Hunden und zu dem reichlichen Gepäck in den Gleiter. Zwischen den Felsen und der fernen Stadt waren keinerlei Lichter zu sehen; offensichtlich ein Zeichen dafür, daß nach Garvarenz nicht gesucht wurde. Oder Rat Pasqua, der das wichtigste Teil des Hypersenders bei sich trug, hatte die Suche unterbunden. Auch dies war eine Möglichkeit.
43 Garvarenz startete die schwere Maschine und wandte sich fragend an Lelle. »Ich fliege erst einmal möglichst weit nach Norden, klar?« »Ja.« »Und Sie versuchen auf Ihre verrückte Weise, die Bernaler zu fragen. In zwei Tagen können wir an Ort und Stelle sein!« »Das mache ich!« erwiderte Lelle. Plötzlich überfiel ihn die Angst, daß er weder in das Zeitflimmern zurückkehren noch dort die Bernaler treffen und befragen konnte. Das würde die Suche unter Umständen ins Unendliche ausdehnen. Er mußte die Unsicherheit schnell beenden. »Ich versuche alles!« sagte er. Plantez Garvarenz startete den Luftgleiter. Nachdem er sich nach den Sternen und dem eingebauten Kompaß orientiert hatte, zog er die Maschine mit gelöschten Positionslichtern hoch und schob den Beschleunigungsregler bis zum Anschlag durch. Der Fahrtwind begann an der Kabine zu rütteln und zu heulen. Die Hunde warfen sich flach auf den Boden und legten die Köpfe zwischen die Pfoten. Jetzt tauchte weit hinter ihnen die Stadt auf; eine unregelmäßig geformte Sichel inmitten der Dunkelheit. »Kannst du Verfolger sehen?« fragte Meinja leise. »Nein!« sagte Lelle Salgouz nach einer Weile. »Nichts. Jedenfalls kann ich niemanden erkennen. Keine Lichter. Auch nicht in der Stadt.« »Ausgezeichnet!« rief Plantez. »Vielleicht schaffen wir es tatsächlich, diese Vibrationsspange zu beseitigen.« Ihm und Lelle war klar, daß es ihnen nicht darum gehen konnte, die Geheimnisse der im Eis versunkenen Station zu ergründen. Sie konnten nur versuchen, die Station zu zerstören oder einen Teil der Anlagen außer Kraft zu setzen, so daß die sporadisch funktionierende Vibrationsspange ausfiel. Mehr brauchten sie auch nicht zu erreichen – die restlose Aufklärung konnten die Männer eines Explorerschiffes besorgen oder die nächste Generation der Siedler.
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Der Gleiter erreichte seine Höchstgeschwindigkeit und raste in rund fünfzehnhundert Metern Höhe geradeaus nach Norden. Und Lelle konzentrierte sich darauf, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen. Im Zeitflimmern …
* Meinja schrie auf, als der Platz vor ihr plötzlich leer wurde. Auch Plantez zuckte zusammen, aber er hatte sich inzwischen damit abgefunden, mit einem neu entdeckten Mutanten zusammenzuarbeiten. Lelle war verschwunden. Die Sekunden gingen dahin, nichts geschah, der Mann neben dem Spezialisten blieb verschwunden. Könnt ihr mich hören …? Wieder schwamm Lelle in der trüben Umgebung, hörte verschiedene Echostimmen und »sah« mit seinem Verstand die Bilder von Fremden. Und jetzt tauchte auch, als habe ihn die Neugierde angezogen, ein Bernaler auf. Kannst du mich hören? fragte Lelle scharf konzentriert. Ich kann dich hören. Du bist der Terraner, der von unseren Sporen infiziert wurde, nicht wahr? So ist es. Was weißt du über die Station, von der die Vibrationsspange ausgeht? Zögern. Pause. Ein langes Warten begann. Dann zeigte der Bernaler dem Terraner ein Bild. Es war eine von blendender Helligkeit überflutete und durchleuchtete Schneelandschaft. Täler aus Schneedünen, aus einzelnen Eisschollen aufgetürmte Berge, von deren Gipfeln weiße, langgezogene Wolken wehten. Lelle versuchte, sich dieses Bild zu merken. Es wurde deutlicher. Aus dem Wirrwarr aus Weiß und Schatten, aus Einschnitten und stäubenden Schneelawinen schälte sich ein rostroter, von dicken schwarzen Adern durchzogener Felsen hervor. Er sah wie eine Nase aus, wie ein Erker, der kühn und völlig unmotiviert aus einer ungeheuren senkrechten Wand aus festge-
backenem Schnee und spärlich tauendem grünem Eis herauswuchs. Ist dort die Station? In der Nähe. Tief darunter. Der Felsen ist nur ein Merkmal. Es gibt ihn schon seit urdenklichen Zeiten. Das Eis und der Schnee wurden durchsichtig wie Glas. Vor Lelles innerem Auge errichtete sich ein Bild, das eben in dem bernalischen Bewußtseinsinhalt entstanden war. Unfaßbar, was diese Zeitnomaden alles wußten! In der dicken Schicht aus Glas begannen sich einzelne Formen abzuzeichnen. Sie bestanden aus Kugeln, Würfeln und röhrenartigen, gekrümmten und verschnörkelten Elementen. Ein kleiner Würfel befand sich keine zwanzig Meter unterhalb der Felsnase. Er war von einem glühenden, intensiven Rot, wie man es nur in Träumen sehen konnte oder auf seltenen Bildern. Ist das die Station? Ja. Und in der Felsnase sind die Projektoren. Sie sehen aber nicht wie Antennen aus oder wie Dinge, die du kennst. Ein neues Bild: Dicke Leitungen führten von den Würfeln und Kugeln im Eis hinauf zum Felsen und verzweigten sich dort. Jede Leitung mündete in eine Halbkugel aus einem Material, das wie intensiv eingefärbtes Glas aussah. Eine Reihe anderer Bilder folgte. Sie zeigten die Landschaft, in der jener merkwürdige Ausschnitt lag. Sie zeigten Spalten im Eis und Gänge, die durch geheimnisvolle Kräfte offen gehalten wurden. Sie beschäftigten sich mit den Empfangsantennen, aus denen die Lemurer die Energie des Weltalls oder des Strahlungsgürtels anzapften, um die Vibrationsspange in Betrieb zu halten. Innenräume mit seltsamen Schaltungen und Pulten erschienen wie Filmbilder, farbig und dreidimensional und bewegt. Lelle erhielt ein komplettes Bild von der Station der ausgestorbenen Lemurer, aber es war ihm, als habe man eine Handvoll Mosaiksteine auf einen Tisch geworfen, und er müsse sie
Der Positiv-Kontakt erst zu einem Bild zusammensetzen. Mehr kann ich dir nicht zeigen. Ich kenne nicht mehr, sagte der Bernaler. Ich danke dir! rief Lelle konzentriert. Fünfzehntausend Kolonisten werden dir ihr Leben verdanken! Mehr als dieses! war die Antwort. Der bernalische Bewußtseinsinhalt entfernte sich. Aus der deutlich hörbaren Stimme wurde ein Flüstern, das leiser und leiser wurde und schließlich schwieg. Lelle wußte, daß es sinnlos war, länger hier zu warten, und er bereitete sich darauf vor, das Zeitflimmern wieder zu verlassen. Er wurde sich seines Körpers bewußt. Er verließ das milchige Medium, spürte die Schwerkraft und die Einschränkungen, die ihm sein dreidimensionaler menschlicher Körper auferlegte … und fiel zurück in seinen Sitz. »Sie haben wirklich ein erstaunliches Talent, andere Menschen zu beunruhigen«, erklärte Garvarenz, der sich des Eindrucks des Gespenstischen nicht erwehren konnte. Lelle sah ihn an, grinste breit und erklärte: »Aber ich kenne jetzt den Weg und den Ort, an dem sich diese verdammte Vibrationsanlage befindet!« Er wurde plötzlich furchtbar müde. Er schloß die Augen und schlief übergangslos ein. Garvarenz schwieg und dachte nach. Er befand sich in einer Lage, die wenig beneidenswert war. Fast jeder einzelne Aspekt des Unternehmens mißfiel ihm heftig. Sie versuchten, eine technische Anlage aufzuspüren und außer Funktion zu setzen. Eine Anlage, die seit rund fünfzig Jahrtausenden funktionierte und von einer Technik war, die keiner von ihnen verstand. Das Risiko war erheblich, die Mittel waren vermutlich ungenügend, und nur sie selbst waren entschlossen, die Zerstörung und die Verluste an Menschen zu stoppen. Und außerdem machte ihm die jüngere der beiden Gefährtinnen dieses so merkwürdig dummen und andererseits pfiffigen Mannes schöne Augen.
45 Wie soll das enden? fragte er sich.
9. Fünfzehnhundert Meter Höhe. Der Tag am Nordpol, ein halbes Planetenjahr lang, war jetzt im Mittag angelangt; die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht. Garvarenz verteilte seinen Vorrat an Sonnenbrillen und an filternden Kunststoffstreifen. Andernfalls würden sie geblendet werden. »Ab jetzt diktieren Sie den Weg, Lelle!« sagte er und deutete nach vorn. »Geht in Ordnung!« sagte Lelle, stützte sich auf das Armaturenbrett und blickte nach vorn. Vor ihnen lag die Landschaft, die er in einem der letzten Bilder gesehen hatte. Ein Muster aus Schnee und Schatten, sonnenbeschienen Flächen und Schleiern aus Schnee, die der Wind vor sich hertrieb. »Geradeaus!« sagte er halblaut. »Mindestens noch dreißig Kilometer!« »Ich habe verstanden!« erwiderte Plantez Garvarenz. Eine Ahnung drängte sich ihm auf. Er war von den Weisungen Lelles abhängig, der von diesem Geschäft so gut wie nichts verstand, denn er hatte nicht seine, Garvarenz', Ausbildung. Die Kommunikation würde extrem schwierig sein. Außerdem schienen die beiden Mädchen nicht unbedingt für dieses Unternehmen geschaffen zu sein. Der Gleiter raste weiter, und unter ihm und vor den Augen der vier Personen verschoben sich die einzelnen Teile der Landschaft. Leise jaulten die Hunde Torr und Sassa vor sich hin. »Nach allem, was ich weiß«, sagte Lelle schließlich, »müßte dort, schräg vorn, bald die Felsnase auftauchen.« »Welche Nase?« erkundigte sich Garvarenz. Lelle hatte inzwischen wieder nachgedacht. Dieser schwierige Prozeß war durch einige tiefe Schlucke aus der bewußten Flasche unterstützt worden. Die vielen einzelnen Impressionen hatten sich zu einer einzi-
46 gen Folge von Bildern zusammengefügt, ohne daß er etwas dazu hätte tun müssen. Er begann langsam und ein wenig stockend, Plantez von den Bildern zu berichten, die man ihm gezeigt hatte. Während er redete, merkte er, daß er inzwischen eine Menge neuer Wörter und Redewendungen kannte, daß er schneller und besser sprechen konnte, und daß Garvarenz alles verstand, was er sagte. Er schilderte den Weg der nächsten dreißig oder mehr Kilometer, den der Gleiter zurücklegen mußte. Sie befanden sich bereits jetzt nahe des absoluten Nordpols, also des einen Drehpunkts der Planetenachse. »Das alles haben Sie gesehen, Lelle?« fragte Garvarenz fast ehrfurchtsvoll. »Ja. Der Bernaler hat mir eine Anzahl Bilder gegeben. Sie fügen sich hier«, er deutete auf seine Schläfe, »vollkommen selbständig zusammen, ohne daß ich denken muß. Ich glaube, ich bin klüger geworden.« »Das glaube ich auch!« murmelte Kervania. In den beiden Tagen, in denen sie den langen Weg zwischen dem Pol und den Felsen zurückgelegt hatten, war seltsamerweise nichts passiert, was aus den vier einzelnen Individuen eine Gruppe hätte zusammenfügen können. Nach wie vor trank Lelle seinen Schnaps und erging sich, wenn er nicht gerade schlief, verschwunden war oder Garvarenz den Weg zeigte und ihm von seinen Eindrücken berichtete, in wilden, großsprecherischen Reden. Garvarenz konzentrierte sich darauf, den Gleiter zu steuern und einige Modelle durchzudenken, mit deren Hilfe er zusammen mit Lelle die alten Einrichtungen außer Funktion setzen konnte. Er betrachtete die Landschaft und hütete sich davor, mehr als nötig mit den Frauen, insbesondere mit Meinja, zu sprechen. Er fürchtete eine Eifersuchtstragödie; denn immer, wenn er einen Blick in den breiten Rückspiegel warf, sah er, daß ihn Meinja anscheinend unverwandt anblickte. Sie ähnelte dem Kaninchen, das sich von der Schlange hypnotisiert fühlt.
Hans Kneifel »Nicht wahr? Ich fühle mich auch viel klüger!« rief Lelle und schleuderte die leere Schnapsflasche aus dem Fenster. »Es wird nicht mehr auszuhalten sein, wenn wir zurückkommen!« erklärte Kervania. Sie fühlte, daß ein klügerer Lelle Salgouz ihr schneller entgleiten würde. »Wart's ab!« sagte Lelle. Vor ihnen breitete sich das fremde Panorama aus. Es bestand aus Weiß in allen Schattierungen, in sämtlichen gebrochenen Tönen. Lelle nahm Plantez' Fernglas und hob es an die Augen. Aufmerksam betrachtete er die Landschaft und suchte sie nach dem dunklen Fleck ab, nach dem isolierten Felsgrat. Langsam flog der Gleiter nach Norden, geradeaus, in einer Höhe, die es den Insassen gestattete, nach den Geländemerkmalen Ausschau zu halten, von denen Lelle erzählt hatte. Minuten vergingen. Kilometer um Kilometer der nordpolaren Landschaft zog unter dem Gleiter vorbei. Die Insassen schwiegen. Jeder von ihnen hing, während die Heizung des Gleiters erhitzte Luftmengen ins Innere drückte, seinen eigenen Gedanken nach, den bedeutenden und den unbedeutenden, meist denen der letztgenannten Art. »Dort!« schrie Lelle plötzlich. Sein Ausruf wirkte explosiv wie ein Schuß. Torr und Sassa fuhren auf und begannen wie wahnsinnig zu kläffen. Meinja langte nach hinten und hieb mit einem Stück der Leine auf die Hunde ein, worauf diese noch lauter wurden. Langsam, am Rand der Belastbarkeit seiner Nerven, holte Plantez Atem und schrie plötzlich: »Ruhe, verdammt!« Augenblicklich breitete sich Stille aus. Selbst Lelle war erschrocken. Mit großer Gelassenheit sagte Garvarenz: »Wichtige Aufgaben erfordern Stille. Lelle! Wo soll ich landen? Ich habe begriffen, daß Sie viel besser auf Fragen antworten als selbst präzise Ausführungen geben können. Wo?« Lelle entsann sich seiner vielfältigen Eindrücke und deutete nach vorn.
Der Positiv-Kontakt »Landen Sie unterhalb der Nase. Dort ist ein geschützter Platz.« »Verstanden.« Der Gleiter schwebte schräg abwärts. Vor ihm ragte, mindestens eintausend Meter hoch, der rotschwarze Felsen in den polaren Sonnentag. Unterhalb des Vorsprungs befand sich eine nahezu völlig ebene Fläche, die wie ein Feld aus Diamantstaub flimmerte und leuchtete. Plantez steuerte den Gleiter darauf zu und landete behutsam. Mit einer Serie schneller Bewegungen schaltete er die verschiedenen Aggregate der Maschinen aus. Schon jetzt begannen die Insassen zu frösteln; die Landschaft sah eisig, unberührt und trotz ihrer schneeweißen Schönheit verderbenbringend aus. Lelle brach als erster das Schweigen. »Ich kann mich erinnern«, sagte er mit einer Stimme, die deutlich erkennen ließ, daß er intensiv versuchte, sich seiner Eindrücke zu erinnern, »daß zwischen der Eisfläche und dem Felsen eine Öffnung ist. Von dort kann man bis zu dem sich verzweigenden Kabel vordringen!« »Mann!« murmelte Garvarenz. »Sie machen mich noch fertig! Völlig fertig.« Meinja fügte frostig hinzu: »Wir sind schließlich auf der Spur des Abenteuers, Spezialist!« Garvarenz drehte sich halb herum und erwiderte mit ausgesuchter Höflichkeit: »Das ahnte ich bereits, als ich zum erstenmal Lelle Salgouz sah. Alles aussteigen. Wir fangen an!« In der Kabine entwickelte sich ein wüstes Durcheinander, als die vier Personen sich mit Mützen und Schneebrillen, Waffen und Jacken, Handschuhen und anderen Ausrüstungsgegenständen beschäftigten. Schließlich sprangen auch die Hunde ins Freie und begannen zu jaulen, als sie auf dem spiegelblanken Eis ausrutschten. »Wohin jetzt?« fragte der Spezialist. Lelle hob die Schultern. Von allen Seiten drang, trotz des hellen und stechenden Sonnenscheins, die Eiseskälte auf sie ein. Sie gingen langsam, immerfort ausrutschend,
47 vom Gleiter weg. Lelle setzte sich an die Spitze und folgte den beiden Hunden, die im Zickzack auf die felsigen Strukturen zurannten. Zwischen der Eisplatte und dem Felsen war ein breiter Spalt, in dem sich riesige walähnliche Tiere tummelten. »Geradeaus, denke ich!« Lelle verglich, während er vorsichtig ausschritt, seine Gedankenbilder mit der Wirklichkeit. Zwanzig Meter unter ihm befanden sich die Gebäude der Vibrationsstation, oder wie immer man dieses Gerät aus der Vergangenheit nennen konnte. Nach etwa fünfhundert kleinen Schritten und mehreren Stürzen berührten Lelles Hände, durch dicke Handschuhe verhüllt, die Felswand. Sie schien, verglichen mit dem Eis rundum, geradezu warm zu sein. Lelle drehte sich um und winkte Garvarenz. »Hier muß es einen Eingang geben. Ein rundes Loch, rechts von dem Felsen. Helfen Sie mir!« sagte er. »Ich komme!« Plantez rutschte über das Eis auf ihn zu. Auch er hielt sich an dem Felsen fest und bewegte sich dann langsam entlang der ausgeschmolzenen Spalte nach rechts. Sie wanderten etwa zweihundert Meter, dann erscholl weit vor ihnen, hinter einer Krümmung, ein wütendes Gebell aus zwei Hundekehlen. Torr kam auf die Männer zugerannt und überschlug sich kläffend, als er bremste und anhalten wollte. Lelle grinste breit. »Der Hund hat etwas gefunden!« sagte er. »Sonst würde er sich nicht so verrückt gebärden!« »Einverstanden! Aber was …?« Nichts war zu sehen. Nicht die geringste Spur deutete darauf hin, daß hier die Hälfte einer Anlage versteckt war, die jedes menschliche Bauwerk auf dem Planeten Ammavol vernichten konnte. »Sehen wir weiter!« Von einer fieberhaften inneren Spannung erfüllt, gingen sie weiter. Sie stützten sich an der Felswand ab und folgten im Gänsemarsch dem Hund, der langsam vor ihnen nach rechts rannte und immer wieder verhalten
48 kläffte. Nach etwa hundert Schritten sahen sie den anderen Hund, der wie verrückt an einem Loch scharrte, das in der Felswand undeutlich zu erkennen war. »Hier!« sagte Lelle mit Nachdruck. Er erkannte wieder ein Bild aus seiner letzten Phase im Zeitflimmern. »Hier finden wir die Kabel, die von dort unten heraufkommen. Irgendwo im Felsen sind die verdammten Projektoren!« »Versuchen wir es!« Sie kauerten sich vor das vollkommen runde Loch hin. Es war mit Schnee und Eis gefüllt. Unten sahen sie frische Eiszapfen und die Spuren eines zögernden Abtauvorgangs. Langsam zogen Lelle und Plantez ihre Waffen. Nach einem deutlichen Wink des älteren Mannes rissen Meinja und Kervania die Hunde zurück. »Langsam und vorsichtig!« sagte der Spezialist und begann zu feuern. Der Strahl aus seiner Waffe verwandelte das Eis in Dampf und kochendes Wasser, das aus dem mannshohen Loch zu rinnen begann. Auch Lelle feuerte. Seit rund fünfzigtausend Jahren bestand diese Station. Der vermutlich gewundene Gang durch den Felsen war mehrmals leergeschmolzen und mehrmals wieder vom nachdrückenden Eis oder Schnee aufgefüllt worden. Die Männer feuerten von rechts und links hinein, und immer mehr Wasser floß, immer mehr weißer Dampf wurde von einem scharfen Wind nach links weggerissen. Als sie einige Sekunden warteten, konnten sie erkennen, daß sie ungefähr fünf Meter dieses Stollens vom Eis gesäubert hatten. »Müssen wir eigentlich hinein?« fragte Lelle in der nächsten Pause. Der warme Dampf schlug sich an der Kleidung nieder. »Nein, nicht unbedingt. Ich habe genügend Explosivstoffe mit, um diesen Felsen in Moleküle zu spalten!« erklärte der USOMann. »Aber wir wollen wenigstens sehen, was wir zerstören!« Lelle zuckte die Schultern und richtete seine Waffe wieder auf den Stollen. Eine Stunde später mußten sie erkennen, daß sie
Hans Kneifel rund zwanzig Meter gesäubert hatten, daß aber eine massive Trennschicht den Korridor versperrte. Sie drangen ein; Lelle ging hinter Plantez. Nachdem sie einen Scheinwerfer aus dem Gleiter geholt hatten, erkannten sie mehr. Es war eine Schicht eines glasartigen, dunklen Materials, das nahtlos mit dem Felsen verschmolz. Dieses Schott wirkte wie ein Korken. Lelle und Plantez sahen sich an. Ungerührt verkündete Plantez: »Wir sprengen, Lelle. Und zwar mit Nachdruck!« Lelle zog die Schultern hoch. Die Bilder, die ihm übermittelt worden waren, hatten nichts enthalten, woraus er schließen mußte, daß eine Sprengung für sie gefährlich sein würde. »Meinetwegen!« brummte er. »Sie sind der Fachmann!« Sie gingen zurück zum Gleiter.
10. Nur das schneidende Geräusch des eisigen Windes durchbrach die Stille. Meinja hielt einen Hund am Halsband fest; das Tier drängte sich zitternd an ihre Beine. Garvarenz schob den pelzgefütterten Ärmel seiner Jacke zurück und murmelte, nachdem er auf die Uhr geblickt hatte: »Noch drei Sekunden.« Sie hatten an der glasähnlichen Schleuse einen Kreis von Sprengkörpern befestigt. Sie standen untereinander in Verbindung und wurden durch Funk ferngezündet. Die hochwirksamen Explosiveinheiten entwickelten eine mörderische Hitze, aber wenig Sprengkraft. Zwei Sekunden vergingen, dann ertönte ein schwaches Geräusch – und aus der Felsöffnung schoß eine blendende Stichflamme, die zungenförmig das Eis der Platte berührte und in weißen Dampf verwandelte. Mitten in das Zischen des Dampfes hinein ertönte eine Serie von scharfen, harten Detonationen. Das Eis unter den Sohlen der vier Personen wurde erschüttert. »Der gesamte Hohlraum in den Felsen hat
Der Positiv-Kontakt sich jetzt in eine Hölle von mehreren zehntausend Celsiusgraden verwandelt!« stellte der Spezialist leidenschaftslos fest. »Was immer sich dort drinnen befunden haben mag – es ist verbrannt und zerschmolzen.« »Dann … dann ist die Vibrationsspange außer Funktion?« fragte Lelle hoffnungsvoll. Garvarenz zog fröstelnd die Schultern hoch und murmelte: »Hoffentlich.« Die Geräusche hörten auf. Ein Strom von kochendem Wasser, mit Dampf vermischt, brach aus dem Loch hervor. Dann folgte eine gigantische Dampfsäule, die orgelnd und kreisend über das Eis fegte und sich einige Meter über der Platte nach oben bog und dort zerfaserte. Die Eisplatte begann wieder zu beben. Lelle fing einen beunruhigten Blick des Spezialisten auf. Er stellte sich wieder das Bild vor, das er im Zeitflimmern gesehen hatte: Das Eis war durchsichtig geworden, und dort unten schwebten, eingebettet in die massive Masse, die fremden Gebäude der Lemurer. Wieder schüttelte sich die Eisplatte. »Dort unten!« sagte Lelle. »Vielleicht gehen auch die Gebäude in die Luft!« Eine Selbstzerstörungsautomatik? durchfuhr es Garvarenz. Der jaulende Strahl aus Wasser und Dampf hörte schlagartig auf. Von der hohen Felswand prasselte ein Hagel aus kleinen und großen Steinbrocken nieder. Und das Beben nahm zu, wurde stärker. Durch die Eisplatte fuhr ein Knistern. Spalten liefen über die gleichmäßige Fläche, vereinigten sich und bildeten ein schwarzes Muster. Sassa heulte langgezogen auf, riß sich los und warf Kervania um, die einige Meter über das Eis schlitterte. Garvarenz erkannte die Gefahr und brüllte: »Zurück zum Gleiter! Schnell! Die unterirdischen Anlagen!« »Ich habe es gewußt!« schrie Lelle und sah, wie Torr in die Höhe sprang, sich drehte und Meinja hinter sich her zog. Das Tier
49 rannte dorthin, wo es sich am meisten Schutz versprach, nämlich auf Lelle zu. Lelle stürmte los, fing den Hund auf und ergriff Meinja am Arm. Sie liefen rutschend auf den Gleiter zu, und erst, als sie die dünne Schneekruste auf dem Eis erreichten, wurden ihre Schritte schneller und sicherer. Noch immer knisterte die Eisplatte. Noch immer verbreiterten sich die Sprünge. Zwischen ihnen wurde kochendes Wasser hochgedrückt wie von einer unterirdischen Quelle. Die vier Menschen liefen um ihr Leben. Hinter ihnen begann langsam, sich von Sekunde zu Sekunde steigernd, eine Geräuschsymphonie. Das Bersten des aufspringenden Eises vermischte sich mit einem hohlen Sausen, mit dem Wasser aus der Tiefe heraufkam und eine Anzahl steiler Fontänen bildete. Dann pfiff und heulte aus einzelnen, breiteren Spalten Dampf hoch und verhüllte das Bild. Kervania hatte den Gleiter erreicht und riß eine Tür auf. Mit einem Hechtsprung setzte der erste Hund ins Innere und verkroch sich in einen Winkel. Das unterirdische Grollen nahm zu und wurde lauter und drohender. Die stabile Eismasse hatte sich jetzt in eine Zone von locker aufeinanderliegenden Eisstücken verwandelt. Diese Brocken in allen Größen gerieten in Bewegung und wurden geschüttelt und hochgeworfen, fielen wieder zurück, zermalmten einander und wurden nach allen Seiten auseinandergeschleudert. Sie befanden sich in einem eruptiven Strom aus Dampf, der sie umgab und bewegte. Ein Brocken von der Größe eines Hauses kam aus dem weißen Inferno hoch, schwebte sekundenlang in der Luft und fiel dann in einer steilen Parabel außerhalb des Eisfeldes nieder, keine zwanzig Meter von dem Gleiter entfernt, in den sich eben Meinja hineinzwängte. Der Gleiter wurde zwei Meter in die Höhe geworfen. Lelle fing das Mädchen auf und brüllte: »Starten Sie endlich, Plantez!« Plantez hastete um den Luftgleiter herum und warf sich in den Fahrersitz. Die Maschinen erwachten.
50 Das Krachen und Heulen, das zermalmende Geräusch und das Knistern wurden jetzt von einer harten, unterirdischen Detonation übertönt. Die Tausende von Eistrümmern wurden auseinandergesprengt und bildeten einen pilzförmigen Regen, der rund um die Eisfläche einschlug. Die Mehrzahl der Brocken hämmerte gegen die Felswand und wurde dort zerrieben. Neben Lelle sprang der zweite Hund in den Gleiter, Lelle selbst schlug sich den Schädel an, als er hineinsprang. Augenblicklich drehte sich die Maschine und schwebte langsam davon. »Schneller!« Ein Regen von faustgroßen Eisbrocken schlug auf das Dach, auf das Heck und die Motorhaube nieder. Der Gleiter wurde schneller. Die Vibrationen schleuderten das Eis wieder weg, aber die Schrammen und Beulen blieben. Es war ein grausiges Geräusch, als das Eis auf die Maschine niederhagelte. Zwei oder drei Meter über dem Eis zischte der Luftgleiter davon, wurde schneller und stieg in einer leichten Kurve höher. Die Insassen waren verkrampft. Nur langsam wich die Angst von ihnen. Zehn oder mehr Sekunden lang sprach niemand, dann knurrte Garvarenz: »Die alten Lemurer haben ihre Anlage offensichtlich gegen unerwünschtes Betreten geschützt. Warten wir ab, wie alles ausgeht!« Sie flogen drei oder viertausend Meter weit und blieben dann in einer Höhe von etwa eintausend Metern schwebend über einer Stelle. Schräg unter ihnen sahen sie den Ort der Verwüstung. Noch immer flogen aus der Dampfwolke, die vom Sturm ergriffen und zur Seite geblasen wurde, die Eisbrocken. Inzwischen schien jede weitere Detonation mächtiger und furchtbarer zu sein. Trümmer schwebten in flachen Parabeln durch die Luft und schlugen dumpf ins Eis oder in die Schichten festgebackenen Schnees hinein. Und als die Menschen gebannt dieses Schauspiel betrachteten, fiel die Dampfwolke in sich zu-
Hans Kneifel sammen. Dann stach eine schwarze Stichflamme, eine Säule aus Ruß, Rauch und Feuer, senkrecht in den Himmel. Sie blieb zehn oder fünfzehn Sekunden nahezu bewegungslos in dieser Position, nicht kleiner als hundert Meter, und dann löste sie sich auf. Die letzten Dampfreste wurden vom Wind mitgerissen. Vor der geschwärzten und glasartig angeschmolzenen Felsnase befand sich ein annähernd runder, tiefer Krater, der mit hellgrünem Wasser bis zum Rand gefüllt war. Kleine Dampfspiralen entstanden an seiner Oberfläche und vergingen sehr rasch wieder. Schließlich sprach Garvarenz: »Das war es, Freunde, fliegen wir zurück!« »Jetzt bin ich ganz sicher«, erwiderte Lelle, noch immer unter dem Schock des Erlebten, »daß die Vibrationsspange nicht mehr funktioniert.« Die beiden Mädchen schwiegen. Auch die Hunde hatten sich beruhigt. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr sagte der Spezialist: »Wir können, wenn wir sehr schnell sind, heute abend noch in Quandvec sein. Los, Freunde.« Der Luftgleiter setzte sich wieder in Bewegung, erreichte die Höchstgeschwindigkeit und die größtmögliche Flughöhe und raste zurück nach Süden. Sie erreichten die Stadt tatsächlich gerade in dem Augenblick, als die Lampen der öffentlichen Beleuchtungsanlage eingeschaltet wurden.
* Einige hundert Kolonisten bevölkerten den Platz vor dem Ratsgebäude. Dort versuchte gerade eine Gruppe aus Geologen, Physikern und Energiefachleuten ihre jüngsten Erkenntnisse zu erklären; es würde darauf hinauslaufen, daß sie ihr Versagen eingestehen mußten. Mit gellendem Horn schob sich, sämtliche Scheinwerfer voll aufgeblendet, der zerbeulte, zerschrammte Luftgleiter durch die Menge. Die Kolonisten warfen
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Blicke ins Innere und erkannten schlagartig, daß sich eine Sensation anbahnte. Plantez Garvarenz stoppte den Gleiter vor der Eingangstür des Gebäudes, stieg aus und schrie: »Lelle Salgouz und ich haben heute morgen die lemurischen Gebäude und Energiestationen vernichtet, die für die Vibrationsspange verantwortlich waren. Es wird keine zusammenbrechenden Gebäude mehr auf Ammavol geben!« Langsam stiegen sie aus. Die Menschen begannen zuerst, sich murmelnd zu unterhalten, dann schrien die ersten vor Begeisterung auf, schließlich, nach einer halben Minute, tobte der gesamte Platz. Polizeigleiter schoben sich heran. Einige Stunden später war alles, soweit in dieser kurzen Zeit möglich, geklärt. Lelle, seine beiden Frauen, die Hunde und Garvarenz saßen vor den Kameras des planeteneigenen kleinen TV-Netzes und schilderten, was sie erlebt hatten. Schließlich wandte sich Rat Pasqua an Lelle und erkundigte sich: »Was werden Sie jetzt tun, Bürger Salgouz? Wir haben uns entschuldigt, und Sie sind die Helden des Planeten?« Lelle machte ein mißmutiges Gesicht und erwiderte laut: »Ich hasse den Trubel. Wir gehen zurück in unsere Höhlen und leben dort weiter, bis es uns eines Tages nicht mehr gefällt.«
Er bemerkte zum erstenmal die Blicke, die Meinja dem USOSpezialisten zuwarf. »Und Sie, Spezialist? Was wird Ihre Reaktion sein?« Plantez brauchte nicht mehr zu überlegen. Sein Entschluß stand fest. »Ich werde keine Meldung machen. Die Vorfälle vor einigen Tagen vergessen wir am besten. Irgendwann sollten wir stückweise die Wahrheit sagen.« Selbst Rat Pasqua war verblüfft. Er griff in die Tasche und legte den Zentralteil des Hypersenders in Plantez' Hand. Und ich muß auf Lelle aufpassen, dachte der Spezialist. Er ist ein Mutant. Niemand, nicht einmal er selbst, weiß, welche verdammten Verwicklungen sich noch daraus ergeben können. Niemand – nicht einmal die Kinder und noch weniger die Hunde – schlief in dieser Nacht in Quandvec. Man feierte ein gewaltiges Fest. Jeder bewirtete jeden; der Alkohol floß in Strömen. Lelle lud sämtliche Räte zu sich in die Felsburg ein, und erstaunlicherweise kamen sie alle. Schlagartig war die Angst von dem Planeten genommen worden. Die Gefahr ohne Namen existierte nicht mehr. ENDE
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