Eine Einführung Dieses Buch handelt davon, wie man jeden - sei es Mensch oder Tier, jung oder alt, sich selbst oder and...
110 downloads
1468 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Eine Einführung Dieses Buch handelt davon, wie man jeden - sei es Mensch oder Tier, jung oder alt, sich selbst oder andere darin trainieren kann, etwas zu tun, was getan werden kann oder getan werden sollte. Also zum Beispiel, wie Sie die Katze dazu bringen, vom Küchentisch herunterzuspringen, oder Ihre Großmutter, nicht mehr an Ihnen herumzunörgeln. Wie Sie das Verhalten Ihrer Haustiere, Ihrer Kinder, Ihres Chefs, Ihrer Freunde beeinflussen. Wie Sie Ihren Aufschlag beim Tennis, Ihr Golfspiel, Ihre Rechenkünste, Ihr Gedächtnis verbessern. Bei all diesen Dingen bedienen wir uns der Prinzipien des Lernens durch Bestärkung. Diese Prinzipien sind Gesetze, so wie die Gesetze der Physik. So klar, wie ein herabfallender Apfel dem Gesetz der Schwerkraft unterliegt, so unterliegen alle Lern-Lehr-Situationen diesen Prinzipien. Jeder, der den Versuch unternimmt, ein Verhalten bei sich selbst oder anderen zu ändern, bedient sich bewusst oder unbewusst dieser Gesetze und Regeln. Normalerweise wenden wir die Prinzipien nicht richtig an. Wir drohen, wir streiten, wir üben Zwang aus oder entziehen etwas. Wir stürzen uns auf andere, wenn etwas schief läuft, und verpassen die Gelegenheit, zu loben, wenn die Dinge gut laufen. Wir sind unseren Kindern, anderen und sogar uns selbst gegenüber hart und ungeduldig; und haben wegen dieser Härte Schuldgefühle. Wir wissen, dass wir mit besseren Methoden unser Ziel schneller erreichen würden, und dies auch noch ohne Leid und Kummer zu verursachen, doch haben wir keine Vorstellung, wie diese Methoden aussehen könnten. Wir sind einfach nicht wie manche moderne Trainer darauf eingestellt, uns diese Regeln der positiven Bestärkung zunutze zu machen. Wenn Sie wissen, wie Sie diese positive Bestärkung einsetzen können, werden Sie schneller und besser und mit viel mehr Spaß jegliche Trainingsaufgabe durchführen können, zum Beispiel ein vierjähriges Kind dazu zu bringen, sich in der Öffentlichkeit ruhig zu verhalten, einen Welpen stubenrein zu bekommen, eine Sportmannschaft zu trainieren oder ein Gedicht auswendig zu lernen. Die Regeln der Bestärkung sind einfach; sie lassen sich alle in zehn Minuten auf eine Tafel schreiben und innerhalb einer Stunde erlernen. Sie anzuwenden, ist schon eher eine Herausforderung. Training durch Bestärkung ist wie ein Spiel - ein Spiel, bei dem schnelles Denken gefordert ist. Trainer kann jeder sein; manche können das auf Anhieb gut. Sie müssen keine besonders geduldige oder eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit sein, gut mit Tieren oder Menschen umgehen können oder das besitzen, was Frank Bück, ein Ausbilder von Zirkustieren, die Kraft des menschlichen Auges nannte. Sie müssen schlicht und einfach wissen, was sie tun. Immer schon gab es Menschen, die intuitiv die Regeln des Trainings anzuwenden verstanden. Wir bezeichnen sie als begabte Lehrer, hervorragende Offiziere, siegreiche Trainer, geniale Tierausbilder. Ich habe einige Theaterdirektoren und viele Orchesterdirigenten beobachtet, die die Bestärkung mit großer Begabung einsetzten. Diese begabten Trainer benötigen kein Buch, um sich der Regeln des Trainings bedienen zu können. Für alle anderen aber, die sich mit einem unerzogenen Tier herumschlagen oder ein Kind oder einen Mitarbeiter nicht verstehen, kann das Wissen darüber, wie di e Bestärkung wirklich funktioniert, ein Geschenk des Himmels sein. Das System der Bestärkung funktioniert nicht mit Belohnung und Strafe - moderne Ausbilder nehmen diese Worte nicht einmal in den Mund. Belohnung und Strafe erfolgen gewöhnlich nach einer Tat, im Bereich der Strafjustiz oft lange Zeit nach einer Tat. Sie können zukünftiges Verhalten beeinflussen oder auch nicht. Ein bereits gezeigtes Verhalten können sie sicherlich nicht beeinflussen. Eine Bestärkung erfolgt während eines vom Ausbilder erwünschten Verhaltens - sei es eine „positive“, also eine erstrebte Bestärkung, wie ein Lächeln oder ein freundlicher
Klaps, oder auch eine „negative “, also etwas, was man vermeiden will, wie ein Rucken an der Leine oder ein Stirnrunzeln. Zeitlich korrekt angewendet, funktioniert das Training durch Bestärkung: es verändert ein Verhalten. Meine ersten Erfahrungen mit der Ausbildung durch positive Bestärkung machte ich 1963 in Hawaii, als ich im dortigen Ozeanarium, dem Sea Life Park, eine Stelle als Haupttrainerin für Delphine antrat. Mit den herkömmlichen Methoden hatte ich Hunde und Pferde ausgebildet, Delphine waren aber etwas ganz anderes. Bei einem Tier, das einfach Fortschwimmen kann, ist es nicht möglich, mit einer Leine oder einem Zügel oder auch nur mit der Hand zu arbeiten. Das einzige Werkzeug, das zur Verfügung stand, war die positive Bestärkung - in erster Linie ein Eimer voll Fisch. Ein Psychologe erklärte mir die Prinzipien der Bestärkung. Die Kunst der Anwendung dieser Prinzipien lernte ich durch meine Arbeit mit den Delphinen. Als studierte Biologin, die schon immer ein großes Interesse am Verhalten der Tiere hatte, faszinierten mich bei dieser Art der Ausbildung nicht so sehr die Delphine selbst, sondern eher die Kommunikation mit ihnen - die Verständigung von mir zum Tier und vom Tier zu mir. Was ich bei der Ausbildung von Delphinen gelernt hatte, wandte ich dann auch bei anderen Tieren an. Und allmählich merkte ich, dass sich einiges aus diesem System in mein tägliches Leben einschlich. So hörte ich zum Beispiel auf, meine Kinder anzuschreien, weil ich feststellte, dass das Schreien zu nichts führte. Auf Verhalten zu achten, das mir gefiel, und dieses dann zu bestärken, wann immer es auftrat, funktionierte viel besser und bewahrte auch den Familienfrieden. Die Lektionen, die ich aus dem Training der Delphine gelernt hatte, basierten auf einem soliden Gerüst wissenschaftlicher Theorien. Das vorliegende Buch geht in beträchtlichem Maße über die Theorie hinaus, denn meines Wissens sind die Regeln für die Anwendung dieser Theorien von der Wissenschaft kaum beschrieben und den USA ein Bulle ruhig durch einen Porzellanladen. Viele Trainer von Olympiateilnehmern bedienen sich heute der positiven Bestärkung und des Formens und verlassen sich nicht mehr auf die althergebrachte Einschüchterung. Damit erzielen sie bemerkenswerte Leistungssteigerungen. Die Theorie der Bestärkung habe ich allerdings nirgendwo schriftlich als Regeln so festgelegt gesehen, dass sie sofort in praktische Lösungen umgesetzt werden könnten. Hier also sind diese Regeln, ich erkläre sie in diesem Buch so, wie ich sie verstehe und sie im richtigen Leben richtig oder falsch angewendet sehe. Das Training durch Bestärkung löst nicht alle Probleme - Ihr Bankkonto wird dadurch nicht fetter, eine schlechte Ehe nicht gerettet, schwere Persönlichkeits Störungen werden damit nicht überwunden. Bei einigen Situationen, zum Beispiel einem schreienden Baby, handelt es sich nicht um ein Problem des Trainings; hier sind andere Lösungsansätze gefordert. Manche Verhaltensweisen haben bei Menschen oder Tieren genetische Komponenten, die durch Training nur schwer oder gar nicht zu verändern sind. Einige Probleme sind des Trainings nicht wert. Richtig angewendet, kann die Bestärkung allerdings bei vielen Herausforderungen, Aufgaben und Ärgernissen des Lebens hilfreich sein. Wenn Sie die positive Bestärkung in einer bestimmten Situation anwenden, wird sie Sie vielleicht dazu bringen, sie auch in anderen einzusetzen, auf sie zu übertragen. Wie ein Delphinforscher, mit dem ich arbeitete, bitter bemerkte: „Niemand sollte ein Baby haben dürfen, der zuvor nicht ein Huhn hat trainieren müssen.“ Die Erfahrung mit Ergebnissen, die mit einem Huhn erreicht wurden, also einem Lebewesen, das nicht mit Gewalt trainiert werden kann, sollten also deutlich machen, dass Aggression einem Baby gegen über keine Ergebnisse bringt. Ich habe festgestellt, dass die meisten Delphintrainer, die bei ihrer täglichen Arbeit Fähigkeiten der positiven Bestärkung entwickeln mussten, erstaunlich nette und liebenswürdige Kinder haben. Liebenswürdige Kinder zu bekommen, wird Ihnen mit diesem Buch nicht garantiert. Bestimmte Ergebnisse oder Fähigkeiten werden in der Tat nicht versprochen. Was ich Ihnen aber mitgebe, sind die Grundprinzipien, auf denen das ganze Training beruht, und einige Vorschläge, wie man diese Prinzipien in den verschiedenen Situationen anwenden kann. Anders ausgedrückt, Sie werden in die „Kunst des Trainierens“ eingeführt. Dadurch werden Sie in der Lage
sein, Ärgernisse aufzulösen, die Ihnen schon viele Jahre Verdruß bereitet haben, oder auf Gebieten Fortschritte zu erzielen, auf denen Sie bis dahin keinerlei Erfolg gehabt hatten. Wenn Sie so wollen, werden Sie dann sicherlich in der Lage sein, ein Huhn zu trainieren. Bei der Theorie der Bestärkung scheint es eine natürliche Reihenfolge zu geben: Die nachfolgenden Kapitel sind in der Reihenfolge angeordnet, in der das Training in der Realität vonstatten geht, also von einfachen bis hin zu komplexen Vorgäng en. Es ist dies auch die Reihenfolge, in der man wohl am leichtesten lernt, ein richtiger Trainer zu werden. Das Buch ist so aufgebaut, dass Sie ein umfassendes Verständnis für das Training durch positive Bestärkung entwickeln werden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind jedoch ganz auf die Praxis bezogen. Zur Veranschaulichung finden Sie in den fünf Kapiteln dieses Buches Situationen des realen Lebens. Betrachten Sie bitte die beschriebenen Methoden als Vorschläge oder Anregungen und nicht so sehr als fertige Lösungen.
Bestärkung: Besser als Belohnung Was ist eine positive Bestärkung? Eine positive Bestärkung ist all das, was in Verbindung mit einer Handlung dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine solche Handlung wiederholt wird.
Merken Sie sich diesen Satz! Er ist das Geheimnis guten Trainings. Es gibt zwei Arten von Bestärkung: die positive und die negative. Eine positive Bestärkung ist etwas, was der Trainee bekommen will, also Futter, Streicheln oder Lob. Eine negative Bestärkung ist etwas, was der Trainee vermeiden will - ein Schlag, ein Stirnrunzeln, ein unangenehmer Ton (das Warnsignal im Auto, das dann ertönt, wenn man sich nicht angeschnallt hat, ist eine solche negative Bestärkung). Ein Verhalten, das bereits wiederholt auftritt, und sei es noch so sporadisch, kann durch positive Bestärkung immer intensiviert werden. Kommt ein Welpe auf Ihren Ruf zu Ihnen und Sie streicheln ihn, wird er voraussichtlich auch ohne irgendein anderes Training immer zuverlässiger zu Ihnen kommen. Stellen Sie sich vor, jemand solle Sie anrufen - Ihr Kind, Ihre Mutter oder Ihr Vater, Ihr Freund. Tut er oder sie dies nicht, so können Sie da nicht viel machen. Ganz wichtig beim Training durch Bestärkung ist die Tatsache, dass kein Verhalten bestärkt werden kann, das nicht auftritt. Wenn Sie sich andererseits immer über den Anruf eines geliebten Menschen freuen, wodurch das Verhalten positiv bestärkt wird, so vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch häufiger anruft. (Wenn Sie jedoch negativ bestärken - „Warum hast Du nicht angerufen, warum muss ich dich anrufen, du rufst mich nie an“ schaffen Sie natürlich eine Situation, die der Anrufer dadurch zu vermeiden trachtet, dass er nicht mehr anruft; so trainieren Sie ihn in der Tat dazu, nicht mehr anzurufen.) Einfach eine positive Bestärkung für ein Verhalten anzubieten, das ist das Grundelement des Trainings durch Bestärkung. In der wissenschaftlichen Literatur kann man von Psychologen lesen: „Es wurden Verhaltensmethoden angewandt“ oder „Das Problem wurde durch einen behavioristischen Ansatz gelöst“. All diese Aussagen bedeuten gewöhnlich, dass die Psychologen unabhängig von der Methode, die sie zuvor angewandt haben, zu positiver Bestärkung übergegangen sind. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich des ganzen Repertoires der in diesem Buch beschriebenen Trickkiste bedient haben. Möglicherweise waren sie sich dieser auch gar nicht bewusst.
Auf die Methode der positiven Bestärkung überzuwechseln, ist häufig das einzige, was zu tun ist. Es ist der bei weitem effektivste' Weg gegen das Bettnässen, also zum Beispiel: Morgens dann ein besonderes Lob und eine Umarmung, sofern das Bettlaken trocken geblieben ist. Die positive Bestärkung kann sogar selbst bei Ihnen wirken. In einer Arbeitsgemeinschaft über Shakespeare, der ich einst angehörte, traf ich einen Anwalt von der Wall Street in seinen späten Vierzigern, der mit Begeisterung Squash spielte. Der Mann hatte zufällig gehört, wie ich über Training sprach, und als er später den Raum verließ, merkte er an, er solle die positive Bestärkung wohl einmal bei seinem Squash-Spiel anwenden. Anstatt also über seine Fehler zu fluchen, was er gewöhnlich tat, wolle er versuchen, sich für seine guten Schläge zu loben. Zwei Wochen später traf ich ihn wieder, „Was macht Ihr Squash-Spiel?“ fragte ich ihn. Ein Anflug von Verwunderung und Freude war auf seinem Gesicht zu sehen, etwas recht Seltenes für einen Anwalt von der Wall Street. „Anfangs kam ich mir wie ein richtiger Dummkopf vor“, erzählte er, „und sagte bei jedem guten Schlag zu mir, Pete, alter Junge, da hast du noch einen weiten Weg vor dir.“ Teufel noch mal, wenn ich dann allein geübt habe, habe ich mir sogar selbst auf die Schultern geklopft. Und dann wurde mein Spiel immer besser. Auf der Rangliste des Clubs bin ich so hoch geklettert wie nie zuvor. Ich fege Leute vom Platz, gegen die ich zuvor kaum mal einen Punkt holen konnte. Und es macht mir auch mehr Spaß. Da ich mich selbst nicht mehr immer anschreie, bin ich am Ende eines Spiels auch nicht mehr wütend und enttäuscht. Mache ich mal einen schlechten Schlag, ist es mir egal, denn dem schlechten werden gute folgen. Und ich merke, dass es mir wirklich Spaß bereitet, wenn der andere einen Fehler macht, wütend wird, seinen Schläger wirft - ich weiß, dass dies für sein Spiel nicht gut ist, und dann lächele ich einfach...“ Welch ein scheußlicher Gegner. Und das nur, weil er nun auf positive Bestärkung umgeschaltet hat. Bestärkungen sind etwas Relatives, nichts Absolutes. Für Enten ist Regen eine positive Bestärkung, für Katzen eine negative, und für Kühe ist es egal, zumindest bei ansonsten mildem Wetter. Wenn Sie satt sind, ist Essen keine positive Bestärkung. Lächeln und Lob sind als Bestärkung nutzlos, wenn der Trainee versucht, Sie in Rage zu bringen. Um bestärkend zu wirken, muss die gewählte Bestärkung etwas sein, was der Trainee will. Gut ist es, über eine Vielzahl von Bestärkungen für jede beliebige Trainings Situation zu verfügen. In den Ozeanarien von Sea World werden Killerwale auf ganz unterschiedliche Weise bestärkt, mit Fisch (ihrem Futter), mit Zuwendung, Spielzeug und so weiter. Es finden ganze Vorstellungen statt, in denen die Tiere nie wissen, welches Verhalten als nächstes bestärkt oder welche Bestärkung kommen wird. Die „Überraschungen“ sind für die Tiere so interessant, dass man in den Vorstellungen fast ganz auf die normale Bestärkung mit Futter verzichten kann. Die Tiere erhalten ihr Futter am Ende des Tages. Die Notwendigkeit, laufend von einer Bestärkung zur anderen zu wechseln, ist eine Herausforderung und auch für die Trainer interessant. Positive Bestärkungen sind auch in der Beziehung der Menschen untereinander gut. Sie bilden die Grundlage für die Kunst des Schenkens: etwas zu erraten, was zweifellos bestärkend ist. (Richtig zu Schenken, ist auch für den Schenkenden eine Bestärkung.) In unserer Kultur ist meist den Frauen das Schenken überlassen. Ich kenne sogar eine Familie, in der die Mutter sämtliche Weihnachtsgeschenke für alle Familienmitglieder besorgt. Weihnachten ist es dann schon lustig, wenn die Geschwister sagen: „Also, dies ist von Anne für Billy“, wo doch jeder weiß, dass Anne damit überhaupt nichts zu tun hat. Aber es fördert nicht die Fähigkeit der Kinder, Möglichkeiten zur Bestärkung anderer zu finden. In unserer Kultur hat ein Mensch anderen gegenüber einen großen Vorteil, wenn er die Möglichkeiten der positiven Bestärkung zu beachten gelernt hat. Als Mutter sorgte ich dafür, dass meine Söhne das
Schenken lernten. So nahm ich sie, als sie sieben und fünf Jahre alt waren, zum Beispiel einmal mit in einen schicken Laden, in dem sie für jede ihrer beiden jüngeren Schwestern ein Kleid aussuchen sollten. Sie hatten Spaß daran, in den Plüschsesseln herumzulüm meln, alle vorgeführten Kleider zu begutachten, so wie es jedem Millionär stets Freude bereitet, seiner Freundin bei der Auswahl eines Pelzmantels behilflich zu sein. Auch den jüngeren Geschwistern bereitete es Freude. So wurde dank dieser und ähnlicher Übungen gelernt, wie man ein richtiges Interesse daran hat, was andere Menschen wollen und wie es Spaß machen kann, wirksame positive Bestärkungen für Menschen zu finden, die man liebt.
Was ist eine negative Bestärkung? Über die Definition der negativen Bestärkung streiten sich die Psychologen. Zu unserem Zweck ist eine negative Bestärkung etwas, was der Trainee zu vermeiden sucht. Unter negative Bestärkungen können die leichtesten Negativsignale fallen - wie ein kaum wahrnehmbarer Luftzug, der Sie in einem Restaurant dennoch dazu veranlasst, sich an einen anderen Tisch zu setzen - bis hin zu einer Reihe extremer Signale, wie zum Beispiel einem Elektroschock. Eine negative Bestärkung ist keine Strafe. Strafe kommt nach einem Verhalten, das sie beeinflussen soll. Also können Sie durch ein verändertes Denken oder ein anderes Verhalten nicht verhindern, dass Sie gestraft werden, weil das Fehlverhalten bereits geschehen ist. Ein für einen schlechten Aufsatz versohlter Junge kann in Zukunft bessere Aufsätze schreiben oder auch nicht, doch den Aufsatz, den er mit nach Hause gebracht hat, kann er nicht mehr ändern. Dagegen kann eine negative Bestärkung durch eine sofortige Veränderung des Verhaltens gestoppt oder verhindert werden. Stellen Sie sich vor, Sie legen im Wohnzimmer Ihrer Tante die Füße auf den Couchtisch. Die Tante hebt missbilligend eine Augenbraue. Sie tun Ihre Füße wieder auf den Boden. Das Gesicht der Tante entspannt sich. Und da Sie den aversiven Reiz stoppen konnten, wurde das Verhalten bestärkt. Sie haben etwas gelernt, nämlich im Haus der Tante die Füße nicht auf den Tisch zu legen. Verhalten lässt sich ganz über negative Bestärkung trainieren, so wie dies bei der traditionellen Ausbildung von Tieren oft der Fall ist: Das Pferd lernt die Linkswende, wenn der linke Zügel gespannt wird, weil der unangenehme Druck nachlässt, sobald die Wendung erfolgt ist. Der Löwe geht auf ein Podest zurück, um zu verhindern, dass die aufdringliche Peitsche oder der Stuhl vor sein Gesicht gehalten wird.
Wenn ich in diesem Buch über „Bestärkung“ spreche, meine ich damit immer die positive Bestärkung. Beziehe ich mich auf die negative Bestärkung, so werde ich dies explizit sagen. Im Großen und Ganzen werden beide Arten der Bestärkung auf dieselbe Art und Weise angewendet. So führt ein falsches Timing (der falsche Zeitpunkt) zu keinen (oder schlechten) Ergebnissen, genauso bei der einen wie der anderen Art der Bestärkung.
Das richtige Timing beim Bestärken Wie bereits erwähnt, muss eine Bestärkung in Verbindung mit der Handlung erfolgen, die sie verändern soll. Eine Bestärkung ist eine Information. Sie sagt dem Trainee genau, was Sie von ihm wollen. Versucht ein Trainee zu lernen, so wird der Informationsgehalt einer Bestärkung noch wichtiger als die Bestärkung selbst. Beim Trainieren von Athleten oder Tänzern ist es das vom Trainer in dem Moment, in dem eine Bewegung erfolgt, gerufene „Ja!“ oder „Gut!“, das die benötigte Information gibt - nicht die Besprechung im Umkleideraum nach dem Training.
Eine zu spät gegebene Bestärkung ist das größte Problem, dem sich ein Anfänger gegenübersieht. Der Hund setzt
sich. Bis der Besitzer aber „Guter Hund!“ sagt, ist der Hund schon wieder aufgestanden. Wofür denkt der Hund, hat er das „Guter Hund!“ bekommen? Für das Aufstehen. Wenn in einer Trainingssituation Schwierigkeiten auftreten, sollten Sie sich zuerst fragen, ob Sie vielleicht zu spät bestärkt haben. Arbeiten Sie mit einem Hund und kommen nicht recht weiter, hilft es manchmal, wenn Sie jemanden bitten, zu beobachten, ob Ihre Bestärkung eventuell zu spät erfolgt. Wir bestärken uns gegenseitig immer zu spät. Es ist ein Unterschied, ob Sie sagen „Liebling, gestern hast du wirklich toll ausgesehen!“ oder ob derselbe Satz in dem entsprechenden Moment gesagt wird. Die verspätete Bestärkung kann sogar eine schädliche Wirkung haben. („Wieso denn das, sehe ich jetzt nicht gut aus?“) Wir vertrauen rührend auf die Kraft des Wortes, um unser falsches Timing zu überspielen. Zu frühes Bestärken ist gleichermaßen unwirksam. Die Mitarbei ter im Zoo des New Yorker Stadtteils Bronx hatten Probleme mit einem Gorilla. Um das Innengehege reinigen zu können, mussten sie das Tier dazu bringen, in sein Außengehege zu gehen. Es setzte sich aber stets in die Türöffnung und konnte mit seiner enormen Kraft das Schließen der Schiebetür verhindern. Legten die Mitarbeiter Futter in das Außengehege oder wedelten aufgeregt mit Bananen, wurden sie entweder vom Gorilla ignoriert, oder er schnappte sich das Futter und rannte zur Tür zurück, noch bevor diese geschlossen werden konnte. Ein Trainer unter den Zoomitarbeitern wurde gebeten, sich des Problems anzunehmen. Er machte darauf aufmerksam, dass das Wedeln mit den Bananen und das Hinwerfen des Futters Versuche waren, ein Verhalten zu bestärken, das noch gar nicht gezeigt war. Der dafür verwendete Begriff lautet „Bestechung“. Die Lösung lag darin, den Gorilla zu ignorieren, solange er an der Tür saß, ihn aber mit Futter dann zu bestärken, wenn er zufällig von allein nach draußen ging. Das Problem war damit gelöst. Ich denke, dass wir Kinder manchmal zu früh bestärken, weil wir den falschen Eindruck haben, sie zu etwas ermutigen zu müssen („Gutes Mä dchen, so geht's, du hast es beinahe schon geschafft!“ ). Was wir vielleicht tun können, ist, den Versuch eines Tuns zu bestärken. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Versuch, etwas zu tun, und dem eigentlichen Tun. Das jammernde „Ich kann es nicht“ kann schon eine Tatsache sein, aber auch ein Zeichen dafür, dass zu oft der bloße Versuch bestärkt wurde. Allgemein gesagt bewirkt die Bestärkung eines Verhaltens, das noch nicht stattgefunden hat - mit Geschenken, Versprechungen, Komplimenten oder womit auch immer, nicht im Geringsten eine Bestärkung jenes gewünschten Verhaltens. Sie bestärkt jedoch das, was in dem Moment der Bestärkung gerade vor sich ging: sehr wahrscheinlich das Verlangen nach einer Bestärkung. Beim Training durch negative Bestärkung ist das Timing genauso wichtig. Das Pferd lernt nach links zu gehen, wenn am linken Zügel gezogen wird, aber erst wenn das Ziehen aufhört, macht es die eigentliche Bewegung nach links. Die Bestärkung ist also das Unterlassen. Sie steigen aufs Pferd, geben ihm einen Tritt in die Flanke, und es bewegt sich vorwärts. Sie sollten dann aufhören, das Tier weiterhin in die Flanke zu treten (außer wenn Sie wollen, dass es sich schneller fortbewegt). Häufig hämmern Reitanfänger ständig auf dem Tier herum, als ob es sich um eine Art Benzin handelte, das man benötigt, um das Pferd in der Bewegung zu halten. Der Tritt hört nicht auf, also liefert er dem Pferd keinerlei Informationen. Daraus entwickeln sich in den Reitschulen die Pferde mit den eisernen Flanken, die sich im Schneckentempo bewegen, egal wie oft sie einen Tritt bekommen. Das gleiche gilt für Menschen, an denen die Eltern, Chefs oder Lehrer stä ndig herumnörgeln oder von denen sie gescholten werden. Ist die negative Bestärkung nicht in dem Moment beendet, in dem das gewünschte Ergebnis erreicht ist, handelt es sich weder um eine Bestärkung noch um eine Information. Sprichwörtlich und nach der Informationstheorie wird daraus ein „Geräusch“. Wenn ich mir im Fernsehen amerikanischen Football oder Baseball ansehe, bin ich oft von den wunderbar genauen Bestärkungen fasziniert, die die Spieler immer wieder erhalten. In dem Moment, in dem es zu einem Touchdown kommt, signalisiert das Geschrei der
Menge ungetrübte Zustimmung. Und beobachten Sie einmal in dem Augenblick, in dem ein Punkt erzielt oder ein Spiel gewonnen ist, wie sich die Spieler gegenseitig mit Begeisterung bestärken. Hier liegt ein großer Unterschied zu Schauspielern, insbesondere zu Filmschauspielern. Auch auf der Bühne kommt der Applaus nach der Auff ührung. Für Filmschauspieler aber gibt es, vielleicht einmal abgesehen von einer gelegentlichen Reaktion eines Regisseurs, Kameramanns oder Kulissenschi ebers, keine rechtzeitige Bestärkung. Fanpost und gute Besprechungen, die nach Wochen oder Monaten eintreffen, sind geradezu farblos, vergleicht man sie mit der Raserei im Augenblick eines Erfolgs im Stadion der Yankees in New York. Wen wundert es, dass einige Stars oft ein anscheinend neurotisches Verlangen nach Bewunderung und Nervenkitzel zeigen. Weil die Bestärkungen immer „zu spät“ kommen, wie großartig sie auch sein mögen, ist diese Arbeit oft besonders unbefriedigend. Bestärkung.
Wie groß soll die Bestärkung sein? Trainer, die Futter als Bestärkung bei Tieren verwenden, wissen anfangs oft nicht, wie groß jede einzelne Bestärkung sein sollte. Die Antwort ist: So klein, wie es eben geht. Je kleiner die Bestärkung, desto schneller wird das Tier sie essen. Damit reduziert sich nicht nur die Wartezeit, es können pro Trainingseinheit auch mehr Bestärkungen gegeben werden, bevor das Tier gesä ttigt ist. 1979 wurde ich vom Nationalzoo in Washington, D.G., als Beraterin engagiert, um eine Gruppe von Zoomitarbeitem in die Technik der positiven Bestärkung einzuweisen. Eine der Teilnehmerinnen an diesem Training beschwerte sich dar über, dass sie bei der Ausbildung des Pandas nur langsam Fortschritte mache. Dies erschien mir deswegen seltsam, weil ich intuitiv das Gefühl hatte, dass Pandas große, gierige und aktive Tiere, die sie sind - mit Hilfe des Futters als Bestärkung leicht auszubilden sind. Ich beobachtete also eine Trainingseinheit und fand heraus, dass die Trainerin dem Panda als Bestärkung jedes Mal ei ne ganze Karotte gab, während es ihr nur allmählich gelang, eine bestimmte Körperbewegung zu formen. Der Panda nahm sich zum Fressen jeder Karotte stets viel Zeit, so dass er sich in fünfzehn Minuten wertvoller Zeit nur drei Bestärkungen verdient hatte (und eigentlich schon gar keine Karotten mehr mochte). Eine einzelne Karottenscheibe pro Bestärkung wäre besser gewesen. Allgemein genügt eine Bestärkung, die gerade mal ausreicht, um das Interesse des Tieres aufrechtzuerhalten also ein oder zwei Körner Mais für ein Huhn, ein Viertelwürfel Fleisch für eine Katze, ein halber Apfel für einen Elefanten. Bei Verwendung von Lieblingsfutter können die Stücke noch kleiner sein - für ein Pferd zum Beispiel ein Teelöffel Getreide. Mitarbeiter im Nationalzoo haben ihren Polarbären viele nützliche Dinge beigebracht, unter anderem, mit Hilfe von Rosinen in ein anderes Gehege zu gehen. Als Faustregel lässt sich sagen, dass ein Tier bei einer Trainingseinheit pro Tag dann gut arbeiten wird, wenn es dabei ungefähr ein Viertel seiner täglichen Futtermenge bekommt. Anschließend gibt man ihm die restlichen drei Viertel, ohne dass es dafür etwas tun muss. Bei drei oder vier Einheiten pro Tag lässt sich die normale Futtermenge in ungefähr achtzig Bestärkungen aufteilen, wobei jeweils zwanzig oder dreißig pro Einheit gegeben werden. Anscheinend kann ein Trainee an einem einzelnen Tag sein Interesse bei bis zu achtzig Bestärkungen aufrechterhalten. Auch die Schwierigkeit der Aufgabe hat auf die Größe der Bestärkung einen Einfluss. Im Sea Life Park fanden wir heraus, dass wir jeden unserer Wale für die wahrhaft olympischen Anstrengungen, sieben Meter senkrecht in die Höhe zu springen, mit einer großen Makrele belohnen mussten. Für die normale Bestärkung mit zwei kleinen mageren Fischlein verweigerten sie sich ganz einfach. Menschen erhalten für schwierigere Aufgaben manchmal eine größere Belohnung, aber auch nicht immer. Wie sehr hassen wir es, wenn wir sie nicht bekommen, wenn wir es sind, die diese schwierige Aufgabe ausführte n.
Bestärkung außer der Reihe: der Jackpot
Bei der Bestärkung mit Futter oder auf eine andere Art und Weise ist der Jackpot eine außerordentlich nützliche Technik. Der Jackpot ist eine viel größere Belohnung, vielleicht zehnmal größer als die normale Bestärkung, und eine, die für den Trainee überraschend kommt. In der Werbeagentur, in der ich einst arbeitete, hatten wir zu Weihnachten immer die übliche Büroparty und daneben ab und zu ein Fest, um das Ende eines großen Auftrags oder einen neuen Kunden zu feiern. Der Präsident pflegte aber jedes Jahr auch ein oder zwei völlig unerwartete Parties zu feiern. So ging er am hellichten Nachmittag durch alle Büros und rief, alle sollten aufhören zu arbeiten. Die Telefonzentrale wurde abgeschaltet, und herein kamen in einer langen Prozession die Lieferanten der Speisen und Getränke, Musiker, Barmixer, Champagner, geräucherter Lachs, usw. Das war ein für fünfzig Leute unerwarteter Jackpot. Er trug, so wie ich es empfand, wesentlich zu der guten Moral des Unterneh mens bei.
Ein Jackpot kann für einen plötzlichen Durchbruch eingesetzt werden. Ich kenne einen Pferdeausbilder, der vorn Rücken eines jungen Pferdes springt, wenn es zum ersten Mal eine schwierige Übung gemacht hat. Er schnallt dann den Sattel und das Zaumzeug ab und lässt das Pferd frei im Ring laufen - die komplette Freiheit als Jackpot, wodurch sich das neue Verhalten oft im Gehirn des Tieres festzusetzen schien. Paradoxerweise kann ein einzelner Jackpot auch zur Verbesserung der Reaktion eines widerspenstigen, ängstlichen oder aufsässigen Trainees hilfreich sein, der überhaupt kein gewünschtes Verhalten zeigt. Im Sea Life Park stellten wir Untersuchungen an, bei denen ein Delphin für neue Reaktionen anstelle alter, früher einmal antrainierter Verhaltensweisen bestärkt wurde. Unser Trainee war ein gelehriges Tier mit Namen Hou, das selten neue Reaktionen anbot. Als es für das, was es anbot, nicht bestärkt wurde, wurde es träge und lustlos und zeigte in einer Trainingseinheit zwanzig Minuten lang überhaupt keine Reaktionen. Schließlich gab ihm der Trainer zwei Fische „für nichts“. Durch diese Freigebigkeit sichtlich verwirrt, wurde Hou wieder aktiv und machte bald eine Bewegung, die bestärkt werden konnte und innerhalb weniger weiterer Trainingseinheiten zu einem richtigen Fortschritt führte. Die gleiche Erfahrung wie der Delphin habe ich selbst auch einmal gemacht. Im Alter von fünfzehn Jahren bestand mein größtes Vergnügen in Reitstunden. Der Stall, in dem ich ritt, verkaufte Karten für jeweils zehn Unterrichtsstunden. Von meinem Taschengeld konnte ich mir eine Karte pro Monat leisten. Zu jener Zeit lebte ich zusammen mit meinem Vater Philip Wylie und meiner Stiefmutter Ricky. Obwohl sie sehr gut zu mir waren, befand ich mich in einer jener Phasen, in denen man übt, tagelang so gehässig und schrecklich zu sein, wie nur irgend möglich. Eines Abends sagten meine liebevollen und erfinderischen Eltern, sie härten mein Verhalten ziemlich satt und beschlossen, mich zu belohnen. Sie schenkten mir dann eine brandneue Extra-Reitkarte. Einer der beiden hatte sich die Mühe gemacht, zum Stall zu fahren und die Karte zu kaufen. Toll! Ein Jackpot, den ich nicht verdient hatte. Soweit ich mich erinnere, riss ich mich sofort zusammen. Ricky Wylie bestätigte meine Erinnerung daran, als ich viele Jahre später dieses Buch schrieb. Ich verstehe nicht ganz, warum der nicht verdiente Jackpot eine solch plötzliche und lang anhaltende Wirkung hatte. Vielleicht wird eines Tages einmal jemand eine Doktorarbeit darüber schreiben und es uns erklären. Ich weiß noch, dass diese Extra-Reitkarte mir sofort die starken Gefühle der Unterdrückung und des Grolls nahm; ich denke, jener Delphin muss sich ebenso gefühlt haben.
Was sind konditionierte Bestärker? Insbesondere beim Einsatz von Futter als Bestärkung ist es häufig absolut unmöglich, die Bestärkung in dem Moment zu dem Trainee zu bringen, in dem dieser das Verhalten zeigt, das man unterstützen will. Wenn ich einem Delphin das Springen beibringe, kann ich ihm wahrscheinlich in dem Moment, in dem er sich gerade in der Luft befindet, keinen Fisch geben. Folgt auf jeden Sprung ein Fisch (eine verspätete Belohnung), kann das Tier
eventuell eine Verknüpfung zwischen dem Springen und dem Futter herstellen und häufiger springen. Welcher Aspekt des Springens mir gefallen hat, kann er so nicht erkennen. War es die Höhe? Der Bogen? Vielleicht auch das Aufspritzen beim Wiedereintauchen ins Wasser? Um dem Tier zu zeigen, welche Art des Sprungs genau ich gemeint hatte, würde es vieler Wiederholungen bedürfen. Zur Lösung dieses Problems setzen wir so genannte konditionierte Bestärker ein.
Ein konditionierter Bestärker ist ein anfangs bedeutungsloses Signal - ein Ton, ein Licht, eine Bewegung, das mit dem Eintreffen einer Bestärkung bewusst verknüpft wird. Delphintrainer bedienen sich der Polizeipfeife als konditioniertem Bestärker. Die Pfeifen sind sogar unter Wasser gut zu hören und lassen dem Trainer eine Hand frei, um Signale zu geben und den Fisch zu werfen. Bei anderen Tieren nehme ich häufig einen Knackfrosch, das Spielzeug, das man in einem billigen Warenhaus kaufen kann und das „klickklick“ macht, wenn man darauf drückt, oder auch ein lobendes Wort, das zur Verwendung als konditionierter Bestärker ausgewählt und dafür reserviert ist: „Guter Hund“, „Gutes Pony“. Lehrer kommen oft zu einem solchen ritualisierten und sorgfältig rationierten Lob wie „Das war gut“ oder „Sehr gut“, worauf die Kinder mit Spannung hinarbeiten und darauf warten. Konditionierte Bestärker gibt es in unserem Leben zuhauf. Wir mögen es, wenn das Telefon klingelt oder der Briefkasten voll ist, weil wir bei zahlreichen Gelegenheiten gelernt haben, das Klingeln oder die Umschläge mit guten Dingen zu verknüpfen - auch wenn die Hälfte der Anrufe nicht spaßig ist oder die meiste Post nur aus Reklamesendungen besteht. Wir hören gern Weihnachtslieder und hassen den Geruch beim Zahnarzt. Wir sammeln Dinge - wie Bilder, Teller, Trophäen -, nicht, weil sie schön sind oder nützlich, sondern weil sie uns an Zeiten erinnern, in denen wir glücklich waren, oder an Menschen, die wir lieben. Dies sind konditionierte Bestärker. In der Praxis des Tiertrainings, bei dem mit positiven Bestärkern gearbeitet wird, sollte stets mit einem konditionierten Bestärker begonnen werden. Bevor Sie mit dem Üben eines Verhaltens überhaupt anfangen, bringen Sie dem Trainee, während er eigentlich nichts Besonderes tut, bei, die Bedeutung des konditionierten Bestärkers zu verstehen, indem Sie diesen mit Futter, Streicheln oder einer anderen, richtigen Bestärkung verbinden. Mindestens bei Tieren können Sie gut erkennen, wann der Trainee Ihr Signal für „Gut!“ verstanden hat. Hat er den konditionierten Bestärker erkannt, wird er sichtbar aufgeregt und fängt an, danach zu suchen. Haben Sie einmal einen konditionierten Bestärker etabliert, so steht Ihnen eine gute Möglichkeit der Kommunikation zur Verfügung, mit der Sie dem Tier genau zeigen können, welches Verhalten es Ihnen zeigen soll. Sie müssen also nicht Dr. Doolittle sein, um mit den Tieren zu reden. Mit dieser antrainierten Bestärkung lässt sich eine ganze Menge „sagen“. Konditionierte Bestärker sind außerordentlich stark. Da allein schon die Information „Das machst du richtig“ wertvoll ist, muss nicht immer eine primäre Bestärkung folgen. Die Verwendung von Futter oder Streicheleinheiten, oder was auch immer in praktisch nichts unterteilt werden kann, führt zu ausgezeichneten Ergebnissen, während der konditionierte Bestärker noch weiter anhält. Ich habe gesehen, wie Meeressäugetiere weit über ihren Sättigungsgrad hinaus für konditionierte Bestärker arbeiteten. Pferde und Hunde arbeiten eine Stunde und auch länger für eine kleine oder überhaupt keine primäre Bestärkung, Natürlich arbeitet der Mensch endlos für Geld, das schließlich auch nur ein konditionierter Bestärker ist, eine Art Gutschein für Dinge, die man kaufen kann - dies gilt auch oder vielleicht besonders für jene Menschen, die bereits mehr Geld verdient haben, als sie ausgeben können, und die auf den konditionierten Bestärker regelrecht süchtig sind. In Verbindung mit mehreren primären Bestärkungen kann ein konditionierter Bestärker noch wirksamer werden. Auch wenn der Trainee zum Beispiel in einem bestimmten Moment kein Futter mag, erfüllt derselbe bestärkende Ton oder das Wort weiterhin seinen Zweck, wenn er bzw. es bewusst mit Wasser oder einem ande-
ren Bedürfnis oder etwas Angenehmen verknüpft wurde. Meine Katzen hören ein „Gutes Mädchen!“, wenn ich ihnen die Futterschüssel hinstelle, wenn ich sie streichele, sie herein- und hinaus lasse, wenn sie kleine Tricks ausführen und dafür mit Leckerchen. belohnt werden. Somit kann ich das „Gutes Mädchen!“ einsetzen, um die Katzen darin zu bestärken, vom Küchentisch herunterzuspringen, ohne anschließend noch eine richtige Bestärkung geben zu müssen. Wahrscheinlich liegt der Grund, warum Geld für uns so bestärkend wirkt, darin, dass es mit praktisch allem verbunden werden kann. Geld ist ein außerordentlich allgemeiner konditionierter Bestärker. Ist einmal ein konditionierter Bestärker eingeführt, ist darauf zu achten, ihn nicht „einfach so“ einzusetzen, sonst wird seine Wirkungskraft nachlassen. Die Kinder, die meine Welsh Ponys für mich ritten, lernten schnell, das „Gutes Pony!“ zur Bestärkung eines Verhaltens einzusetzen. Wollten sie nur ihrer Zuneigung Ausdruck geben, konnten sie mit den Ponys so reden, wie sie wollten und alle möglichen Worte außer den beiden vorgenannten benutzen. Eines Tages streichelte ein Mädchen, das erst vor kurzem zu der Gruppe gestoßen war, das Gesicht eines Ponys und sagte dabei „Du bist ein gutes Pony!“ Drei der anderen Kinder fielen sofort über sie her: „Warum sagst du das zu ihm? Er hat doch gar nichts getan!“ Kinder (und Ehepartner, Eltern, Geliebte und Freunde) sollte man ebenso mit Liebe und Aufmerksamkeit überschütten, ohne dass sie ein besonderes Verhalten zeigen. Lob sollte man als konditionierten Bestärker nur in Verbindung mit etwas Realem einsetzen. In der Wirklichkeit gibt es viele solcher Ereignisse, die gelobt werden können, eine Bestärkung, die in glückl ichen Familien reichlich ausgetauscht wird. Falsches oder bedeutungsloses Lob wird jedoch, auch von ganz kleinen Kindern, schnell verübelt und verliert die Kraft seiner Bestärkung. Ebenso kann man einen konditionierten negativen Bestärker entwickeln, ein sehr nützliches Instrument. Kinder und auch einige Hunde reagieren sofort auf ein scharfes, lautes „Nein!“, ohne es mit etwas anderem zu verknüpfen. Das Nein ist anscheinend ein primärer oder unkonditionierter, negativer Bestärker. Viele Tiere aber - und insbesondere Katzen - achten nicht auf Rufen oder Schimpfen. Eine Freundin gewöhnte ihrer Katze das Kratzen an der Couch ab, nachdem sie das „Nein!“ ganz zufällig als konditionierten Negativbestärker etablierte hatte: Eines Tages fiel ihr ein großes Metalltablett hin, zufällig genau neben der Katze, und sie rief laut „Nein!“, als das Tablett mit lautem Getöse zu Boden fiel. Die Katze erschrak fürchterlich und sprang mit allen Vieren in die Luft. Als das Tier das nächste Mal an der Couch kratze, rief sie „Nein!“, und mit großem Schrecken in den Augen hörte die Katze sofort mit dem Kratzen auf. Zwei oder drei Wiederholungen des nun konditionierten Wortes reichten aus, um das Verhalten für immer zu beenden.
Wie häufig setze ich die Bestärkung ein? Weit verbreitet ist das Missverständnis, man müsse, hat man einmal mit dem Trainieren eines Verhaltens durch positive Bestärkung angefangen, die Bestärkung während des ganzen restlichen Lebens des Trainees fortführen, ansonsten würde das Verhalten wieder verschwinden. Dies ist nicht richtig. Eine dauerhafte Bestärkung ist nur im Lernstadium erforderlich. Loben Sie ein Kleinkind, weil es auf den Topf geht Hat es das Verhalten einmal gelernt, läuft die Sache ganz von allein. Dem Anfänger geben wir eine ganze Menge Bestärkung oder sollten dies wenigstens tun - bringt man einem Kind das Fahrradfahren bei, kann dies bedeuten, dass wir es mit „So ist's richtig, schön gerade, jetzt kannst du's, gut!“ überschütten. Zeigt das Kind das erwünschte Verhalten dauerhaft und würden Sie es dann weiterhin loben, so sähen Sie ziemlich albern aus (und das Kind würde denken, Sie seien verrückt). Um ein fast erlerntes Verhalten mit einem gewissen Maß an Zuverlässigkeit beizubehalten, ist eine ständige Bestärkung nicht nötig; es ist vielmehr entscheidend, nicht regelmäßig zu bestärken, sondern eine Bestärkung nur gelegentlich, willkürlich und unvorhersehbar einzusetzen.
Dies bezeichnen die Psychologen mit variabler Bestärkung. Zur Beibehaltung eines Verhaltens ist diese Art der Bestärkung um vieles effektiver als eine konstante und vorhersehbare. Ein Psychologe erklärte es mir so: Wenn Sie ein neues Auto haben, eines, das immer ganz einfach anspringt, und Sie setzen sich eines Tages in dieses Auto, drehen den Schlüssel herum und das Auto springt nicht an, versuchen Sie es vielleicht noch ein paar Mal. Bald aber meinen Sie, etwas sei nicht in Ordnung, und Sie rufen die Werkstatt an. Ihr Verhalten, den Schlüssel herumzudrehen, erlischt schnell oder hört allmählich auf, wenn es die erwartete, sofortige Bestärkung nicht mehr gibt. Haben Sie aber eine alte Kiste, die beim ersten Versuch fast nie anspringt und bei der es oft Ewigkeiten dauert, bis Sie sie in Gang bringen, dann werden Sie vielleicht eine halbe Stunde probieren, sie zu star ten. Den Schlüssel herumzudrehen, ist hier ein langes und variables Verhalten, das dadurch nachdrücklich beibehalten wird. Hätte ich einem Delphin bei jedem Sprung einen Fisch gegeben, würde er seine Sprünge bald so klein und nachlässig wie möglich ausführen. Gäbe ich dann keinen Fisch mehr, so hörte der Delphin bald zu springen auf. Hätte das Tier jedoch gelernt, für Fisch hochzuspringen und bestärkte ich nun den ersten Sprung, dann den dritten und so weiter rein willkürlich, dann würde er das Verhalten nachdrücklicher beibehalten. Das nicht belohnte Tier würde immer häufiger in der Hoffnung springen, die Glückszahl zu ziehen, und vielleicht würden die Sprünge auch an Kraft zunehmen. Dadurch wiederum könnte ich die kraftvolleren Sprünge selektiv bestärken, wobei ich die variable Belohnung anwenden würde, um eine bessere Leistung zu formen. Allerdings sind auch einige gute Tiertrainer nicht in der Lage, dieses variable Schema der positiven Bestärkung richtig anzuwenden. Es ist anscheinend für viele Menschen ein besonders schwieriges Konzept, das sie vom Verstand her nicht akzeptieren können. Dass wir falsches Verhalten nicht weiter bestrafen müssen, sobald es aufhört, haben wir erkannt. Aber wir sehen nicht, dass es unnötig oder sogar nicht wünschenswert ist, ein korrektes Verhalten fortwährend zu belohnen. Die Kraft der variablen Belohnung ist der Ursprung allen Spiels. Käme jedes Mal eine Mark heraus, wenn Sie einen Groschen in den Spielautomaten steckten, würden Sie bald das Interesse verlieren. Ja, Sie würden zwar zu Geld kommen, aber wie langweilig wäre es doch. Die Menschen spielen genau deswegen gern am Automaten, weil nicht vorhersehbar ist, ob er etwas ausspuckt, ob nur ein wenig oder viel Geld, wann die Bestärkung kommen wird (vielleicht beim allerersten Mal). Warum einige Leute regelrecht süchtig nach dem Spielen werden und andere es tun oder auch lassen können, ist eine andere Sache; aber für diejenigen, die süchtig werden, ist es das Variable der Bestärkung, das zu der Sucht führt. Je länger diese variable Bestärkung andauert, desto wirkungsvoller bleibt das Verhalten erhalten. Versuchen Sie allerdings ein Verhalten zu löschen, arbeitet es eine lange Zeit gegen Sie. Ohne Bestärkung wird ein Verhalten wahrscheinlich von selbst aufhören. Wird es aber, wie sporadisch auch immer, von Zeit zu Zeit bestärkt durch eine Zigarette, ein Getränk, ein dem Nörgler oder Jammerlappen Nachgeben - so kann es durch eine lange, variable Bestärkung nachhaltig bestehen bleiben und erlischt eben nicht. Aus diesem Grunde kann ein ehemaliger Raucher, der gelegentlich eine Zigarette raucht, innerhalb eines einzigen Tages wieder zum Kettenraucher werden. Wir alle kennen Menschen, die aus unerklärlichen Gründen bei ihren Ehepartnern oder Geliebten bleiben, obwohl sie von ihnen misshandelt werden. Gewöhnlich denken wir, dies könne nur einer Frau passieren - sie fällt auf jemanden herein, der grob, rücksichtslos, egoistisch, sogar grausam ist, und trotzdem liebt sie ihn. Männern passiert dies aber auch. Jeder kennt solche Menschen, die - von einem unangenehmen Menschen geschieden oder auf andere Weise getrennt - genau wieder so einen finden. Sind diese Menschen aus irgendwelchen tiefenpsychologischen Gründen die ewigen Opfer? Möglicherweise. Können Sie aber nicht auch Opfer einer lang anhaltenden variablen Bestärkung sein? Wenn Sie eine Beziehung mit einer Person eingehen, die faszinierend, charmant, sexy, lustig und aufmerksam ist, und diese allmählich immer unangenehmer wird, sogar misshandelt, auch wenn sie ab und zu immer noch ihre guten Seiten zeigt, dann werden Sie für die immer seltener werdenden Momente leben, in denen Sie all diese wunderbaren Bestärkungen erhalten: die faszinierende, charmante, reizvolle und lustige Aufmerksamkeit. Was
nach gutem Menschenv erstand paradox erscheinen mag und aus der Sicht eines Trainers doch ganz offensichtlich ist: je seltener und unvorhersehbarer diese Momente werden, desto nachhaltiger ist deren Wirkung als Bestärker und desto länger wird das ursprüngliche Verhalten beibehalten. Auch ist leicht zu erkennen, warum sich jemand, ist er einmal diese Art der Beziehung eingegangen, wieder eine solche sucht. Einer Beziehung zu einer normalen Person, die meist anständig und freundlich ist, mag es an dem Kick durch diesen seltenen, lange ersehnten und somit doppelt intensiven Bestärker mangeln. Schauen Sie sich die Sache vom Standpunkt des Manipulators an: Ich kann sie/ihn aus meiner Hand essen lassen und tun, was immer ich will, nur für meine Bequemlichkeit und zu meinem Vorteil, solange ich ihr/ihm gebe, was sie/er will... ab und zu einmal. Dies ist eine Art, wie Zuhälter ihre Mädchen an sich binden. Richtig, dies ist ein starkes Band, aber hat das Opfer einmal erkannt, dass die Intensität des „Charmes“ mindestens teilweise auf den Zeitpunkt der Bestärkung zurückzuführen ist, kann er oder sie gewöhnlich diese Beziehung ohne Aufregungen verlassen und sich nach etwas anderem umsehen.
Ausnahmen von der variablen Bestärkung Die einzige Situation, in der man nach dem Erlernen eines Verhaltens nicht zur variablen Bestärkung übergehen sollte, ist dann gegeben, wenn mit dem Verhalten das Lösen eines Puzzles oder eines Tests verbunden ist. Bei der fortgeschrittenen Gehorsamsausbildung wird vom Hund verlangt, aus einer Reihe unterschiedlicher Gegenstände denjenigen herauszusuchen, den sein Besitzer angefasst hatte und der nach ihm riecht. Hier muss dem Hund jedes Mal gesagt werden, dass er den richtigen Gegenstand gefunden hat, damit er weiß, was er das nächste Mal zu tun hat. Bei Tests, bei denen es um eine Unterscheidung geht - also zum Beispiel den höheren von zwei Tonen herauszufinden -, muss jede richtige Antwort bestärkt werden, damit stets klar ist, was gerade verlangt wird (ein konditionierter Bestärker wäre hier natürlich auch möglich). Wenn wir Kreuzworträtsel lösen oder ein Puzzle legen, werden wir für die richtigen Annahmen bestärkt, denn nur diese „passen“. Würde man bei einem Puzzle mehrere Teile auf eine freie Stelle legen, bekäme man für die richtige Wahl keine positive Bestärkung. Eine solche ist aber als Feedback auf jede Art einer Auswahl-Versuchs Situation notwendig.
Dauerhaftes Verhalten durch Bestärkung Neben der variablen Bestärkung sind auch feste Bestärkungsschemata möglich, bei denen der Trainee weiß, dass er für eine Bestärkung erst eine bestimmte Zeit arbeiten oder eine gewisse Anzahl von Verhalten zeigen muss. So gelang es mir zum Beispiel, einen Delphin dadurch sechsmal hintereinander zum Springen zu bringen, dass ich jeden sechsten Sprung bestärkte. Bald war eine Serie von sechs Sprüngen möglich. Das Problem bei diesen festen Bestärkungen liegt darin, dass die ersten Aktionen der jeweiligen Serie nie bestärkt werden, sie also normalerweise auf eine minimale Anstrengung reduziert sind. Bei dem springenden Delphin wurden mit Ausnahme des letzten, bestärkten Sprunges im Laufe der Zeit alle Sprünge immer schwächer. Diese verminderte Wirkung fester Bestärkungen ist wahrscheinlich bei vielen Aufgaben, die der Mensch auszuführen hat, ein Faktor - zum Beispiel bei der Fließbandarbeit. Um eine Bestärkung zu bekommen, muss man einen gewissen Zeitraum arbeiten; da die Bestärkung aber unabhängig von der Qualität der Leistung in festgesetzten Zeiträumen erfolgt, ist der Trainee natürlich darauf bedacht, mit dem geringsten Aufwand gerade noch im Spiel zu bleiben und zu Beginn einer Arbeitsschicht ganz besonders schlecht zu arbeiten. Der Zahltag am Freitag ist eine solche feste Bestärkung, die direkt zum blauen Montag führt. Bei den Delphinen trägt eine gelegentliche Bestärkung des ersten oder zweiten sowie des sechsten Sprunges dazu bei, dass das Verhalten weiterhin gezeigt wird. Bei Menschen können sich verschiedene Leistungsprämien
oder andere Bestärkungen (zum Beispiel Auszeichnungen) als wirksam erweisen, die direkt mit der Qualität und der Quantität der Produkte in Verbindung stehen und über die normale Bestärkung hinausgehen. Unter Zuhilfenahme der variablen oder der festen Bestärkung lassen sich außerordentlich lange Verhaltenssequenzen trainieren. So kann ein Küken dazu gebracht werden, für ein einziges Maiskorn hundertmal oder mehr auf eine Taste zu picken. Viele Beispiele für eine verspätete Gratifikation sind beim Menschen bekannt. Der längste Zeitraum eines unbestätigten Verhaltens, so der Scherz eines Psychologen, ist im Rahmen der menschlichen Existenz das Abitur. Sind die Zeiträume bis zu einer Bestärkung extrem lang, kommt manchmal der Punkt, an dem das Verhalten verschwindet. Bei Küken ist dieser Punkt stoffwechselbedingt. Verbraucht das Küken beim Picken mehr Energie, als es durch die Körner wieder aufnehmen kann, so hört das Verhalten normalerweise allmählich auf- für die Arbeit ist die Belohnung so gering geworden, dass sie sich einfach nicht mehr lohnt. Menschen widerfahrt dies ebenfalls häufig. Ist der Zeitraum bis zu einer Bestärkung sehr lang, so lässt sich ein weiteres Phänomen beobachten: der langsame Beginn. Hat das Küken einmal angefangen, so pickt es in einem gleichmäßigen Tempo, da es jedes Picken näher an die Bestärkung heranführt. Allerdings haben Wissenschaftler festgestellt, dass ein Küken umso später mit einem Verhalten anfängt, je länger die Zeit bis zu einer Bestärkung dauert. Dies bezeichnet man als „verspäteten Beginn eines lang anhaltenden Verhaltens“, ein im menschlichen Leben sehr bekanntes Verhalten. Unendlich viele Gründe erfinden wir, um bei sehr lange dauernden Aufgaben, also vorn Zusammenstellen der Steuererklärung bis hin zum Reinigen der Garage, gerade jetzt nicht anfangen zu können. Etwas zu schreiben, auch wenn es sich nur um einen Brief handelt, ist ein solches lang anhaltendes Verhalten. Hat man einmal angefangen, läuft es eigentlich recht gut, aber es ist so schrecklich schwer, sich hinzusetzen und mit dem Schreiben zu beginnen. Einen Artikel zu schreiben anzufangen, war für James Thurner so schwierig, dass er seine Frau (die verständlicherweise darauf aus war, dass er Artikel schrieb, damit die Miete bezahlt werden konnte) manchmal dadurch täuschte, dass er den ganzen Morgen auf der Couch lag, in der einen Hand ein Buch hielt, das er las, und mit der anderen gelegentlich die Tasten der Schreibmaschine betätigte. Das Phänomen des langsamen Beginns wog schwerer als die Aussicht auf eine eventuelle positive Bestärkung durch Geld. Die vorgetäuschte Tipperei verhinderte zumindest die negative Bestärkung durch die Vorwürfe der Ehefrau. Eine Bestärkung vor dem Beginn einer Tätigkeit zu geben, ist eine Möglichkeit, diesem Phänomen zu begegnen. So habe ich bei meinen Delphinen den ersten oder zweiten Sprung der Serie von sechs Sprüngen ab und zu bestärkt. Auch bei mir selbst habe ich diese Technik angewendet. Einige Jahre besuchte ich ein oder zwei Abende pro Woche die Universität - wegen der drei Stunden Unterricht und jeweils einer Stunde Hin- und Rückfahrt mit der U-Bahn eine recht aufwendige Angelegenheit. Je mehr es auf 17 Uhr zuging, desto größer war die Versuchung, nicht zum Unterricht zu fahren. Ich fand dann aber heraus, wenn ich die Fahrt, d.h. den ersten Teil der Aufgabe, in fünf Schritte unterteilte - zur U-Bahn zu gehen, den Zug zu nehmen, auf den nächsten Zug umzusteigen, dann den Bus zur Universität zu nehmen und schließlich die Treppen zürn Unterrichtsraum hinaufzugehen - und am Ende jeden dieser ersten Schritte durch ein kleines Stück Schokolade bestärkte, die ich zwar mochte, jedoch normalerweise nie aß, dann war ich zumindest in der Lage, mein Haus zu verlassen. Innerhalb weniger Wochen konnte ich ohne diese Schokolade und ohne einen Kampf mit mir selbst fuhren zu müssen, bis in den Unterrichtsraum gelangen.
Zufällige Bestärkungen Im wahren Leben kommt es immer wieder zu oft rein zufälligen Bestärkungen. Ein Biologe, der sich mit dem Leben der Falken befasste, stellte fest, dass ein Falke, der unter einem bestimmten Busch eine Maus fand, diesen Busch ungefähr eine Woche lang jeden Tag an der Stelle überflog, die besonders bestärkt worden war. Wenn Sie einen FünfDollar-Schein in einem Mülleimer finden, so wette ich mit Ihnen, dass Sie am nächsten Tag nicht daran vorbeigehen, ohne einmal genauer hineinzusehen. Die zufällige Bestärkung brachte dem Falken einen Vorteil. Tatsächlich lässt sich
sagen, das Verhalten der Tiere habe sich allgemein so entwickelt, dass alle Arten von irgendeiner Bestärkung profitieren können. Viele zufällige Bestärkungen finden jedoch auch dann statt, wenn mit ihnen nur geringe oder keine Vorteile verbunden sind, und können das Verhalten stark beeinflussen. Hat das Verhalten keinen Bezug zu den Folgen, ist es für den Trainee aber als Voraussetzung für die Bestärkung notwendig, so bezeichnen Naturwissenschaftler dies als abergläubisches Verhalten. Das Kauen eines Bleistifts ist hierfür ein Beispiel. Wenn Sie während einer Prüfung den Stift zufällig in den Mund stecken und just in dem Moment die richtige Antwort finden oder eine gute Idee haben, kann die Bestärkung das Verhalten beeinflussen. Gute Ideen kommen, während man an einem Bleistift kaut, also wird das Kauen des Bleistifts bestärkt. Während meiner Zeit am College besaß ich keinen Stift, auf dem ich nicht herumgekaut hätte – bei sehr schwierigen Prüfungen habe ich die Stifte manchmal in zwei Teile zerbissen. Und ich war mir sogar sicher, das Kauen des Stiftes werde mir beim Denken helfen. Natürlich war dies nicht der Fall, es handelte sich nur um ein zufällig konditioniertes Verhalten. Das gleiche gilt für das Tragen einer bestimmten Kleidung oder die Einhaltung eines bestimmten Rituals bei der Ausführung einer bestimmten Aufgabe. Ich habe einen Baseballwerfer beobachtet, der jedes Mal, wenn er sich auf das Werfen des Balles vorbereitete, eine aus neun Schritten bestehende Verhaltenskette durchlief: Er berührte seine Kappe, berührte den Ball mit dem Handschuh, zog die Kappe nach vorn, kratzte sich am Ohr, zog die Kappe nach hinten, scharrte mit dem Schuh und so weiter. War es einmal besonders spannend, so machte er dieses Ritual zweimal, ohne die Reihenfolge zu verändern. Dies ging schnell vor sich - die Ansager im Stadion kommentierten es nicht -, und doch war es ein sehr anschauliches Beispiel eines abergläubischen Verhaltens. Häufig tritt abergläubisches Verhalten bei der Ausbildung von Tieren auf. Möglicherweise reagiert das Tier auf Kriterien, die man eigentlich gar nicht erreichen wollte, die aber so oft bestärkt wurden, dass sie zu einer konditionierten Bestärkung wurden. So denkt das Tier vielleicht, es müsse sich, um sich eine Bestärkung zu verdienen, auf eine bestimmte Weise hinsetzen oder Sie anschauen. Soll es das Verhalten aber auch an einem neuen Ort oder in einer anderen Kör perhaltung zeigen, bricht dieses auf geheimnisvolle Weise zusammen. Den Grund dafür herauszufinden, kann einige Zeit dauern. Wurde ein Verhalten zumindest teilweise eingeübt, ist es ratsam, unter anderen, alltäglichen und nicht besonders wichtigen Umständen Variationen einzubauen, damit sich nicht zufällig eine Konditionierung entwickelt, die sich Ihnen später in den Weg stellt. Achten Sie vor allem auf das Entstehen zufälliger Zeitmuster. Tiere und Menschen haben gleichermaßen ein sehr klares Gefühl für Zeitintervalle. So war ich zum Beispiel einmal so lange recht überzeugt davon, ich hätte zwei Tümmler darauf trainiert, auf einen Befehl (ein Signal mit der Hand) zu springen, bis mich ein Forscher mit einer Stoppuhr besuchte und mir sagte, die Tiere würden alle neunundzwanzig Sekunden springen. Sie sprangen alle neunundzwanzig Sekunden, ob ich nun einen Befehl gab oder nicht. Ich wurde zufällig darauf konditioniert, sehr regelmäßig den Befehl zu geben, und die Tümmler orientierten sich daran und nicht, wie ich dachte, an meiner Information. Viele, die Tiere auf konventionelle Weise ausbilden, stellen mich absolut vor ein Rätsel, was ihr abergläubisches Denken und Verhalten angeht. Manche erzählen mir, Delphine bevorzugten weiß gekleidete Menschen, Maultiere müsse man schlagen, Bären mögen keine Frauen und so weiter. Ausbilde! für Menschen können genauso schlimm sein, so glauben sie zum Beispiel, man müsse Kinder in der fünften Klasse anschreien oder auch bestrafen, um sich Respekt zu verschaffen. Sie sind auf Gedeih und Verderb mit der Tradition verhaftet: sie müssen stets auf dieselbe Art und Weise unterrichten, weil sie nicht in der Lage sind, wirksame Methoden von rein abergläubischen Methoden zu unterscheiden. Ein solches Unvermögen oder eine solche Verwirrung zeigt sich in vielen Berufen - bei Lehrern, Ingenieuren, dem Militär und vielleicht ganz besonders bei Ärzten. Es ist erschreckend, welche Behandlungen an Patienten oft vorgenommen werden, nicht, um sie zu heilen, sondern einfach deswegen, weil es immer schon so gemacht wurde oder weil es heutzutage jeder tut. Jeder, der einmal Patient in einem Krankenhaus war, wird sich an Dutzende von Beispielen unnötiger Handlungen erinnern, die nichts anderes waren als abergläubisches Verhalten. Interessanterweise verschwindet abergläubisches Verhalten nicht einfach dadurch, dass man auf die Unwirksamkeit hinweist. Ist es fest konditioniert, so wird es dementsprechend fest verteidigt. Kritisieren Sie einen Arzt deswegen,
weil er immer wieder eine unwirksame oder sogar schädliche Behandlung anwendet, wird er Sie sofort mit seiner Kritik überschütten. Genauso sicher wird sich dieser Baseballwerfer, der die neun vorbereitenden Schritte vor seinem Wurf benötigt, heftig dagegen wehren, wenn jemand von ihm verlangt, er solle den Ball werfen, ohne vorher seine Kappe mehrmals zu berühren. Abergläubisches Verhalten lässt sich zum Beispiel loswerden, indem man sich bewusst wird, dass es keine Verbindung zu einer Bestärkung gibt. Mein Sohn Teddy ist Bankangestellter, und sein Hobby ist Fechten. Zweibis dreimal pro Woche trainiert er und fährt an den Wochenenden häufig auf Turniere. Eines Tages, er hatte es gerade mit einem starken Gegner zu tun, war er richtig niedergeschlagen, weil er seine Lieblingsklinge zu Hause vergessen hatte. Er verlor den Kampf, erkannte dann aber, dass dieses Gefühl seiner Leistung wahrscheinlich viel mehr geschadet hatte als seine fehlende Klinge, und dass es sich bei seiner „Lieblingsklinge“ tatsächlich um ein abergläubisches Verhalten handelte. Ted begann, jegliches abergläubische Verhalten, das er in Verbindung mit der Fechterei feststellen konnte, auszuschalten. In seinem „Repertoire“ entdeckte er vieles, was ihn bei seinem Sport beeinflusste, angefangen von bestimmten Kleidungsstücken bis hin zu seinen Überzeugungen oder auch einem unruhigen Schlaf, einer Auseinandersetzung und sogar, wenn er bei einem Wettkampf nicht genügend Fruchtsaft dabei hatte. Jede dieser Einzelheiten nahm er systematisch unter die Lupe und entledigte sich nach und nach dieser Abhängigkeiten, sobald er sie als abergläubisches Verhalten erkannt hatte. Deshalb geht er nun sogar dann entspannt und zuversichtlich in einen Kampf, wenn die Stunden davor ein Alptraum waren, er den Zug verpasst, seine Ausrüstung verloren und mit dem Taxifahrer gestritten hatte, und auch dann, wenn er mit einer geborgten Klinge im Trainingsanzug und einem ungleichen Paar Socken antreten muss.
Was kann man mit positiver Bestärkung erreichen? Ich beschreibe jetzt einige Dinge, die mir bekannte Menschen mit positiver Bestärkung erreicht haben: Um in Übung zu bleiben, nahm eine Designerin namens Judy jede Woche an einem Abendkurs in Malerei an der nahe gelegenen Universität teil. Die meisten der insgesamt zwanzig Kurs teilnehmer waren ebenfalls Designer oder ausübende Künstler. Der Lehrer gab jede Woche. Hausaufgaben, doch die Mehrzahl der so sehr Beschäftigten scherte sich nicht darum. Gewöhnlich schalt der Lehrer die Klasse mindestens zehn Minuten lang, weil nicht alle die aufgetragenen Hausaufgaben angefertigt hatten. Judy hatte diese Schelterei satt und schlug vor. der Lehrer solle diejenigen bestärken, die die Hausaufgaben gemacht, und nicht auf denjenigen herumhacken, die nichts getan hatten. Fortan bestärkte er seine Schüler durch ein öffentliches Lob für jede erledigte Aufgabe. Nach drei Wochen hatte der Lehrer nicht nur eine fröhlichere Klasse, die Zahl derjenigen Schüler, die die Hausaufgaben anfertigten, stieg auch von ungefähr einem Drittel auf beinahe Dreiviertel an. Die Collegestudentin Shannon besuchte ein paar Freunde zu Hause und kam gerade dazu, als sich folgendes abspielte: Vier Erwachsene versuchten vergeblich und unter Einsatz ihrer körper lichen Unversehrtheit, den zum Haushalt gehörenden Schäfer hund festzuhalten, um sein entzündetes Ohr behandeln zu können. Shannon, die Hunde eigentlich nicht übermäßig mochte, sich aber in Sachen positiver Bestärkung auskannte, holte Käse aus dem Kühlschrank und brachte dem Hund innerhalb von fünf Minuten bei, so stillzuhalten, dass sie dann mit einer Hand die Medizin in das Ohr geben konnte. Eine junge Frau heiratete einen Mann, der sich als sehr rechthaberisch und schwierig herausstellte. Und was noch schlimmer war, auch sein Vater, der mit im Haushalt lebte, kommandierte die Schwiegertochter gleichermaßen gern herum. Die Geschichte wurde mir von der Mutter dieser jungen Frau erzählt, die bei ihrem
ersten Besuch dort regelrecht über das entsetzt war, was ihre Tochter durchmachen musste. „Keine Angst, Mutter“, sagte die Tochter, „warte mal ab.“ Die Tochter hatte sich angewöhnt, kaum auf die Befehle und harschen Bemerkungen zu reagieren und stattdessen jeden Ansatz von Nettigkeit oder Rücksichtnahme der beiden Männer durch Anerkennung und Zuneigung zu bestärken. Innerhalb eines Jahres hatte sie aus ihnen nette Me nschen gemacht. Eine in der Stadt lebende Schülerin der achten Klasse machte an den Wochenenden gern mit ihrem Hund lange Spaziergänge auf dem Land. Der Hund aber lief oft weit weg und kam nicht zurück, wenn er gerufen wurde, insbesondere dann nicht, wenn es wieder nach Hause gehen sollte. An einem Wochenende fing das Mädchen., wann immer es ihr während des Spaziergangs in den Sinn kam, an, viel Wirbel um den Hund zu machen - sie lobte ihn, streichelte ihn, sprach mit ihm wie mit einem Baby, um armte ihn und so weiter. Als es Zeit war, nach Hause zurückzugehen, rief sie den Hund, und dieser kam freudig zu ihr zurück. Dieser tolle Empfang überwog - als Bestärkung - anscheinend die längere Freiheit, die sich der Hund ansonsten nahm. Niemals wieder gab es bei den langen Spaziergängen auf dem Lande Schwierigkeiten. Ein Angestellter, der einen schrecklichen Chef hatte, überlegte, mit welchen Elementen seiner Arbeit er den Chef bestärken könnte - zum Beispiel dadurch, dass er ihm die Papiere, die er zu unterschreiben hatte, persönlich vorlegte - und wählte hierfür Zeiten, in denen sein Chef gerade mal keinen Wutanfall hatte. Der Chef entspannte sich und begann sogar gelegentlich, Witze zu erzählen. Einige Menschen entwickeln ganz besondere Bestärkungen, die sich andere unbedingt verdienen möchten. Annette, eine in einer Vorstadt lebende Hausfrau mit erwachsenen Kindern, würde recht isoliert leben, wäre da nicht ihr Netzwerk von Freunden, die jede Woche oder sogar noch häufiger anrufen, um die letzten Neuigkeiten zu berichten. Es sind nicht unbedingt Nachbarn oder Verwandte, die anrufen; es sind viele berufstätige Frauen, die weit entfernt wohnen, auch ich gehöre dazu. Warum also rufen wir alle Annette an? Haben wir eine schlechte Nachricht - eine Erkältung, eine Überprüfung durch das Finanzamt, der Babysitter zieht fort - so zeigt Annette ihr Mitgefühl und weiß Rat; das täten aber andere Freunde auch. Bei guten Nachrichten bietet Annette aber eine ungewöhnliche Bestärkung an. Hat die Bank zum Beispiel einen Kredit genehmigt, sagt sie mehr als nur „Das ist ja toll!“. Sie weist genau daraufhin, was man für die gute Nachricht getan und warum man sie verdient hat. „Siehst du?“ antwortet Annette zum Beispiel, „Weißt du noch, wie hart du für deine Kreditwürdigkeit gearbeitet hast? Erinnerst du dich noch an all die Schwierigkeiten, die du mit dem Telefonunternehmen gehabt hast und wie lange es gedauert hat, bis du eine Genehmigung bekommen hast? Jetzt zahlt es sich für dich aus; du bist als gute Geschäftsfrau anerkannt. Aber erst musstest du die richtigen Schritte machen, und das hast du auch getan. Ich bin stolz auf dich.“ Toll! Das ist mehr als eine Anerkennung, das ist eine Bestärkung - auch für Anstrengungen, die damals vielleicht nur Leiden und Mühen bedeutet haben. Annette nimmt die guten Nachrichten aus der Kategorie des „reinen Glücks“ heraus und macht aus ihnen eine Bestärkung. Dies bestärkt sicherlich die Neigung, Annette anzurufen.
Bestärkungen organisieren In Verkaufsveranstaltungen, Dale-Carnegie-Kursen, bei den Weight Watchers und fast allen Organisationen, die sich der Steigerung der persönlichen Fähigkeiten in der Gruppe widmen, vertraut man sehr auf die Wirkung der Bestärkung des Einzelnen durch die Gruppe. Beifall, Medaillen, Preisverleihungen und andere Formen der Anerkennung durch die Gruppe sind wirkungsvolle Bestärkungen, die gelegentlich mit sehr viel Einfallsreichtum eingesetzt werden. So mietete ein Verkaufsleiter von IBM, der sein Team wegen eines guten Jahres bestärken wollte, ein Football-Stadion, veranstaltete für seine Mitarbeiter, die leitenden Angestellten und alle Familienangehörigen eine große Party. Er ließ seine Verkaufsmitarbeiter durch den großen Tunnel auf das Spielfeld
laufen, während auf der Ergebnistafel die Namen der einzelnen unter dem Beifall aller Anwesenden aufleuchteten. Vor einigen Jahren nahm ich an einem „Est“-Kurs von Werner Erhard teil, einem Programm, das aggressive Verkaufsmethoden beinhaltete, das ich aber unter dem Gesichtspunkt des Trainings und der Anwendung des Formens und Bestärkens für genial und häufig brillant hielt. Wenn ich mich richtig erinnere, hieß das Programm „Training“. Der Leiter war der Trainer. Das Ziel des Formens war ein besseres Selbstbewusstsein, und die Hauptbestärkung bestand nicht in der Reaktion des Trainers, sondern in dem nonverbalen Verhalten der ganzen Gruppe. Um das Gruppenverhalten als Bestärker einzusetzen, sollten die 250 Mitglieder der Gruppe nach jedem Sprecher unabhängig davon applaudieren, ob sie sich danach fühlten oder nicht. So wurden von Anfang an die Schüchternen ermutigt, die Mutigen belohnt und alle Beiträge von der Gruppe anerkannt, wie aufschlussreich oder geistlos sie auch gewesen sein mochten. Anfangs wurde nur aus reinem Pflichtgefühl applaudiert. Bald aber entwickelte sich der Beifall als wahres Mittel der Kommunikation - nicht wie im Theater aus reinem Spaß, sondern mit Gefühl und Bedeutung. Ein Beispiel: In meiner Trainingsgruppe gab es, wie wahrscheinlich in jeder Est-Gruppe, einen Mann, der häufig an dem etwas auszusetzen hatte, was der Trainer sagte. Als dies zum dritten oder vierten Mal geschah, fing auch der Trainer mit ihm Streit an. Allen war von der Logik her klar, dass dieser streitlustige Mann Recht hatte. Mit zunehmender Streiterei war dies aber für keinen im Raum mehr wichtig. Wir anderen 249 Teilnehmer wollten nur, dass dieser Mann den Mund hielt und sich hinsetzte. Die Regeln des Spiels - in Wirklichkeit die Regeln des Formens machten es für uns unmöglich, zu protestieren oder ihm zu sagen, er solle ruhig sein. Allmählich aber sickerte das massive Schweigen der Gruppe in sein Bewusstsein. Wir konnten richtig sehen, wie er erkannte, dass es allen egal war, ob er Recht hatte. Vielleicht war das Recht-Haben nicht das einzig Wichtige in der Welt. Allmählich fing er an zu stottern, schwieg dann und setzte sich hin. Sofort brach die ganze Gruppe in tosenden Beifall aus, ein Ausdruck der Sympathie und des Verstehens wie auch der großen Erleichterung - eine sehr wirksame Bestärkung für die Einsicht, die dem Streithahn gerade gekommen war. Oft ist es schrecklich schwierig, einem Außenstehenden diese Art des Trainings, bei der wichtige Ereignisse auf der Verhaltensund nicht auf der Sprachebene stattfinden, zu erklären. Erhard greift wie ein Zen-Lehrer häufig zu Aphorismen. Im Falle des oben beschriebenen Streithahns heißt es bei Est: „Wenn man recht hat, hat man recht“. Das heißt, man wird nicht unbedingt geliebt; man hat einfach Recht. Gäbe ich diesen Aphorismus auf einer Party zum Besten, wenn jemand schwülstig daherredet, würde ein Absolvent des Est-Trainings vielleicht lachen - und wahrscheinlich jeder andere gute Trainer, der moderne Methoden anwendet, auch. Die meisten Zuhörer würden aber wohl eher annehmen, ich sei schwachsinnig oder betrunken. Gutes Verständnis eines Trainings lässt sich nicht unbedingt mit Worten erklären.
Sich selbst bestärken Sich selbst zu bestärken, ist eine der wirksamsten praktischen Anwendungen. Dies zu tun, versäumen wir häufig teilweise, weil es uns nicht in den Sinn kommt, zum Teil auch deswegen, weil wir dazu neigen, von uns eine ganze Menge mehr zu verlangen, als wir es von anderen tun würden. Wie es ein mir bekannter Geistlicher ausdrückte: „Nur wenige von uns haben sich einen so niedrigen Standard gesetzt, dass sie ihm auch leicht entsprechen können.“ Als Ergebnis jagen wir ohne Unterlass der Zeit nach, erledigen sogar, von uns selbst unbemerkt und ungedankt, eine Aufgabe nach der anderen. Einmal ganz abgesehen davon, dass man sich selbst für die Änderung einer Gewohnheit oder für eine neu erworbene Fertigkeit bestärken sollte, ist für das tägliche Überleben ein gewisser Grad an Bestärkung wünschenswert. Der Mangel an Bestärkung ist meiner Ansicht nach auch ein Grund für Ängste und Depressionen.
Sie können sich selbst mit gesunden Dingen bestärken - mit einer freien Stunde, einem Spaziergang, einem Gespräch mit Freunden oder einem guten Buch - oder auch mit ungesunden Sachen - mit Zigaretten, Whiskey, Dickmachenden Speisen, Drogen, langen Nächten und so weiter. Mir gefällt der Vorschlag der Künstlerin Ruth Gordon, die sagte: „Ein Schauspieler braucht Komplimente. Wenn ich eine ganze Weile keine Komplimente bekommen habe, mache ich mir selbst welche, und dies ist genauso gut, weil ich dann mindestens weiß, dass sie ehrlich gemeint sind.“
Formen: Superleistung ohne Stress und Angst Was versteht man unter Formen? Ein gerade gezeigtes Verhalten zu bestärken, so dass es häufiger auftritt, ist schön und gut. Wie aber bringen Ausbilder ihre Trainees dazu, Dinge zu tun, die sie wahrscheinlich niemals rein zufällig tun würden? Wie veranlassen sie einen Hund, Saltos rückwärts zu machen oder einen Delphin, durch einen Reifen zu springen? Salto machende Hunde, durch Reifen springende Delphine oder Menschen, die Basketbälle in Körbe werfen, werden mit Hilfe des Formens dazu gebracht. Einen ganz kleinen Ansatz eines Verhaltens in die richtige Richtung aufzunehmen und jeweils in kleinen Schritten zum endgültigen Ziel zu führen, das versteht man unter Formen. Der für diesen Vorgang verwendete Begriff lautet sukzessive oder schrittweise Annäherung.
Formen ist deswegen möglich, weil das Verhalten von Lebewesen variabel ist. Was immer das Lebewesen tut, es wird dies manchmal mit mehr Nachdruck oder in eine andere Richtung als sonst tun und so weiter. Durch die Festlegung einer Reihe von Zwischenzielen lässt sich ein gerade gezeigtes Verhalten als erster Schritt nutzen - wie ausgeklügelt oder schwierig das gewünschte, endgültige Verhalten, das man formen möchte, auch sein mag. Nehmen wir zum Beispiel an, ich wollte einem Huhn das „Tanzen“ beibringen. Ich könnte damit beginnen, das Huhn zu beobachten, wie es umherläuft, wie dies Hühner eben tun, und es jedes Mal dann zu bestärken, wenn es sich gerade nach links wendet. Bald wurde ich mein erstes Ziel erreicht haben: das Huhn würde sich recht häufig nach links wenden - und sich, weil es ja variabel in seinem Verhalten ist, ab und zu nur ein wenig nach links, manchmal eine ganzes Stück mehr dorthin bewegen. Nun könnte ich selektiv nur die größeren Bewegungen nach links bestärken - sagen wir, eine Vierteldrehung. Wenn diese Reaktionen überwiegen, würde die natürliche Unbeständigkeit wiederum sicherstellen, dass einige Drehungen mehr einem Halbkreis ähneln, während andere wiederum weniger als einen Viertelkreis ausmachen. Jetzt könnte ich meine Kriterien erhöhen, ein neues Ziel setzen und anfangen, halbe oder sogar noch vollständigere Kreise auszuwählen. Ist das Huhn so geformt, dass es mit großer Geschwindigkeit mehrere ganze Drehungen hintereinander ausführt, könnte ich mein Ziel, nämlich ein tanzendes Huhn zu bekommen, als erreicht betrachten. Wir sind alle daran gewöhnt, zu formen und geformt zu werden. Die Erziehung eines Kindes ist meist ein formender Prozess. Das Trainieren einer körperlichen Fertigkeit, vorn Tennisspiel bis zum Maschineschreiben, besteht größtenteils aus dem Formen. Wann immer wir etwas einüben - vor Publikum eine Rede zu halten oder die Tonleiter auf dem Klavier zu spielen -, formen wir etwas oder versuchen es wenigstens. Wir formen auch, wenn wir versuchen, unser eigenes Verhalten zu ändern - also zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören, weniger zurückhaltend zu sein oder besser mit Geld umzugehen.
Ob wir bei uns oder anderen erfolgreich ein Verhalten formen oder nicht, hängt eigentlich nicht von unserer Sachkenntnis, sondern von unserer Beharrlichkeit ab. Der Musikkritiker der New York Times, Harold Schonberg, schrieb über einen Dirigenten aus Europa, der nicht unbedingt ein guter Dirigent war, aber trotzdem wundervolle Konzerte gab, weil er mit seinem Orchester jeweils ein ganzes Jahr lang probte. Wir können fast alle eine gewisse Fertigkeit in beinahe allem erreichen, wenn wir dafür nur genügend Zeit aufwenden. Das aber ist langweilig. Wollen wir Neues nicht immer so schnell wie möglich lernen - Ski fahren, Klavier spielen usw.? Natürlich wollen wir das, und an dieser Stelle setzt gutes Formen ein. Wollen wir darüber hinaus nicht so wenig wie möglich üben oder Wiederholungen überhaupt vermeiden? Hier lautet die Antwort ebenfalls „Ja“. Natürlich müssen einige körperliche Fertigkeiten eingeübt werden, denn die Muskeln Jemen“ langsam und müssen Bewegungen mehrfach wiederholen, bevor sie leicht vonstatten gehen. Immerhin kann ein gut geplantes Programm das Ausmaß der notwendigen Wiederholungen senken. Der Lernfortschritt lässt sich zudem wesentlich dadurch beschleunigen, dass jeder einzelne Trainingsmoment zählt. Schließlich wollen wir im Sport, in der Musik oder bei einer anderen kreativen Tätigkeit nicht nur eine zuverlässige, sondern die bestmögliche Leistung bringen, die wir selbst oder die, die wir trainieren, zu geben in der Lage sind. In einem solchen Fall ist die korrekte Anwendung der Regeln, die dem Formen zugrunde liegen, von entscheidender Bedeutung.
Methoden und Prinzipien des Formens Zwei Aspekte des Formens eines Verhaltens sind bekannt: zum einen die Methoden - also das zu zeigende Verhalten und die Reihenfolge der Schritte, die zu dem gewünschten Ziel fuhren sollen -, zum anderen die Prinzipien oder Regeln, die bestimmen, wie, wann und warum solche Verhaltensweisen bestärkt werden. Die meisten Ausbilder, die meisten Bücher über Training und die Trainerausbilder befassen sich fast ausschließlich mit den Metho den: „Legen Sie Ihre Hände um den Golfschläger wie auf der Zeichnung dargestellt“; „Kimme und Korn müssen beim Zielen übereinstimmen“; „Lehnen Sie sich niemals in den Berg“, „Schlagen Sie mit dem Schneebesen die Eier im Uhrzeigersinn“, So weit, so gut. Solche Methoden wurden von vielen Menschen durch Versuch und Irrtum im Laufe vieler Jahre getestet, also funktionieren sie auch. Es ist in der Tat so, dass man sicherer auf einem Pferd sitzen kann, wenn man die Ferse nach unten gerichtet hält oder dass der Golfball weiter fliegt, wenn man gut durchschwingt. Wollen Sie eine bestimmte Fertigkeit erlernen, so würde ich Ihnen dringend raten, in Büchern, bei Lehrern oder Trainern und auch durch Beobachtung oder Analyse anderer unbedingt so viel wie möglich über die anerkannten Methoden herauszufinden, durch die das Verhalten erreicht wird, das mit der neuen Fertigkeit verbunden ist. Auf der anderen Seite des Formens stehen jedoch, die Prinzipien, die Regeln, die solche Dinge bestimmen, wie weitermachen oder einen Schritt zurückgehen, wie Kriterien am effektivsten gesteigert werden; was zu tun ist, wenn Schwierigkeiten auftreten und, vielleicht am wichtigsten, wann man aufhört. Generell sind diese Fragen der Intuition und der Erfahrung der Trainer oder Lehrer oder auch dem Zufall und dem Glück überlassen. Die erfolgreiche Anwendung solcher Prinzipien macht den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem großen Trainer aus, zwischen einem fröhlichen, schnellen und erfolgreichen Formen und einem frustrierenden, langsamen, langweiligen und unangenehmen. Erst ein gutes Formen, und nicht nur gute Methoden, machen ein Training erfolgreich.
Die zehn Regeln des Formens So wie ich es sehe, liegen dem Formen eines Verhaltens zehn Regeln zugrunde. Einige dieser Regeln - vor allem die ersten vier -kommen direkt aus den Labors der Psychologen und sind durch Experimente
nachgewiesen. Andere wurden wohl noch nicht formell untersucht, sie sind aber von allen, die sich viel mit dem For men befassen, als von Natur aus gültige Regeln anerkannt. Wir wissen immer (normalerweise einen Augenblick zu spät), wann wir gegen eine Regel verstoßen haben. Die Regeln, die ich hier jetzt aufliste, werde ich anschließend im Einzelnen ausführlich erläutern. 1.
Steigern Sie die Anforderungen in so kleinen Schritten, dass der Trainee stets eine realistische Chance hat, eine Bestärkung zu bekommen.
2.
Üben Sie stets nur ein Verhaltensdetail, niemals zwei gleich zeitig.
3.
Das geübte Verhalten muss bei variabler Belohnung sicher gezeigt werden, bevor Sie ein neues Detail hinzufügen oder die Kriterien erhöhen können.
4.
Lassen Sie bei der Einführung eines neuen Details zu, dass das bisher Gelernte vorübergehend schlechter ausgeführt wird.
5.
Seien Sie dem Trainee immer einen Schritt voraus: Planen Sie die Schritte sorgfältig, damit Sie wissen, was Sie als nächstes formen wollen, sollte der Trainee plötzlich einen größeren Fort schritt machen.
6.
Wechseln Sie mitten in der Übung nicht den Trainer. Jeder Trainee kann mehrere Trainer haben, doch soll er nicht gewechselt werden, während gerade ein Verhalten geformt wird.
7. 8. 9.
Bringt eine Übung keinen Erfolg, suchen Sie nach einem anderen Weg. Es gibt so viele Möglichkeiten, ein Verhalten zu bekommen, wie es Trainer gibt, die sich solche ausdenken. Unterbrechen Sie nie ohne Grund eine Trainingseinheit, weil dies als Strafe empfunden wird. Verschlechtert sich das Verhalten, gehen Sie „zurück in den Kindergarten“ und überprüfen rasch den gesamten Verlauf durch eine Reihe einfacher Bestärkungen.
10. Beenden Sie jede Sitzung möglichst mit einer gelungenen Übung, auf jeden Fall aber, solange Sie als Trainer noch einen Schritt voraus sind.
Erläuterung der Regeln 1.
Steigern Sie die Anforderungen in so kleinen Schritten, dass der Trainee stets eine realistische Chance hat, eine Bestärkung zu bekom men.
In der Praxis bedeutet dies, dass Sie in dem Maße die Anforderungen erhöhen oder ein neues Verhaltensdetail einüben sollten, wie es dem Trainee möglich ist, zum Erfolg zu kommen. Springt zum Beispiel Ihr Pferd 60 cm hoch, manchmal sogar 30 cm höher, könnten Sie damit beginnen, die Sprunghöhe auf 75 cm zu erhöhen. Sie gleich auf 90 cm heraufzuschrauben, könnte schwierig werden. Das Tier kann das Verhalten zwar zeigen , tut es aber noch nicht regelmäßig. Die Sprünge auf über 1 m zu erhöhen, hieße, das Schicksal herauszufordern.Wie schnell sich bei einem Trainee ein neues Verhaltens detail einüben lässt, hängt jetzt und in der Zukunft von seinen gegenwärtigen Fähigkeiten ab: Dabei ist es gleichgültig, ob das Pferd ein langbeiniges Tier und in der Lage ist, 2,50 m hoch zu springen, oder ob es normalerweise 1,20 m hohe Weidenzäune überwindet. Wie rasch Sie ein neues Verhaltensdetail einüben können, hängt davon ab, wie gut es Ihnen gelingt, Ihre Regeln zu
vermitteln, für deren Einhaltung es eine Bestärkung gibt. Ändern Sie jedes Mal, wenn Sie ein neues Detail üben, die Regeln. Geben Sie dem Trainee die Möglichkeit zu entdecken, dass die Bestärkung auch dann durch eine etwas größere Anstrengung verdient werden kann, wenn sich die Regeln geändert haben (und in einigen Fällen auch, dass das vormals gezeigte Verhalten nicht mehr ausreicht). Nur wenn die Bestärkung auf dieser neuen Stufe gegeben wird, ist Lernen überhaupt möglich. Sie gehen ein hohes Risiko ein, wenn Sie die Kriterien so sehr erhöhen, dass der Trainee sich weit mehr anstrengen muss, als er es bisher für Sie getan hat - ungeachtet dessen, was er außerhalb der Trainingszeit sonst von sich aus tut oder nicht tut. Das Verhalten kann sich möglicherweise verschlechtern. So könnte ein Springpferd schl echte Gewohnheiten annehmen, die nur mit viel Zeitaufwand wieder abzugewöhnen sind, wie das Scheuen vor einem Sprung oder das Umwerfen eines Hindernisses. Am schnellsten lässt sich ein Verhalten formen - und manchmal ist es auch die einzige Möglichkeit -, wenn die Kriterien in so kleinen Schritten erhöht werden, dass es dem Trainee leicht fällt, sich ständig zu verbessern. Ein ständiger Fortschritt - und mag er noch so gering sein - wird schneller zum Ziel fuhren, als der Versuch, einen schnellen Fortschritt zu erzwingen und dabei Gefahr zu laufen, eine gute Leistung komplett zu verlieren. Einmal sah ich einen Vater, der in dieser Hinsicht einen schwerwiegenden Fehler beging. Da die schulischen Leistungen seines Sohnes, er war im Teenager-Alter, sehr schlecht waren, konfiszierte er dessen geliebtes Motorrad so lange, bis sich seine Noten gebessert hatten. Der Junge bemühte sich sehr, und seine Noten stiegen von 5 auf 4 und von 4 auf 3. Anstatt aber diesen Fortschritt zu bestärken, sagte der Vater, die Leistungssteigerung sei noch nicht ausreichend und enthielt ihm das Motorrad weiterhin vor. Diese Eskalation der Kriterien bedeutete einen zu großen Sprung: der Junge hörte gänzlich auf zu lernen. Und er wurde sehr misstrauisch.
2.
Üben Sie stets nur ein Verhaltensdetail, niemals zwei gleichzeitig.
Ich meine damit nicht, dass Sie an verschiedenen Verhaltensdetails nicht zur selben Zeit arbeiten können, Natürlich geht das. Bei jeder Art von Unterricht könnten wir zum Beispiel eine Weile an der Form und dann an der Geschwindigkeit arbeiten - beim Tennis an der Rückhand, dann an der Vorhand, anschließend an der Beinarbeit und so weiter. Dies wirkt der Eintönigkeit entgegen. Gute Lehrer variieren die Arbeit ständig, sie gehen zu einer neuen Aufgabe über, sobald ein Fortschritt erzielt wurde.
Geht es um ein bestimmtes Verhalten, sollten Sie jedoch immer nur an einem Verhaltensdetail und ausschließlich an diesem arbeiten. Würde ich also mit einem Delphin das Eintauchen üben und das eine Mal eine Bestärkung nicht geben, weil es nicht tief genug war, ein anderes Mal. weil es in die falsche Richtung geschah, dann könnte das Tier überhaupt nicht herausbekommen, was ich von ihm will. Durch eine einzelne Bestärkung lassen sich keine zwei unterschiedlichen Informationen mitteilen: Das Eintauchen sollte ich also so lange formen, bis ich damit zufrieden bin, und dann unabhängig von dem, was zuvor gelernt wurde, die Richtung einüben. Erst wenn beide Verhaltensdetails etabliert sind, kann ich die Ausführung beider Details v erlangen. Für diese Regel gibt es eine Reihe praktischer Anwendungen. Lässt sich die Aufgabe in einzelne Komponenten unterteilen, die man getrennt formen kann, wird das Lernen viel zügiger vonstatten gehen. Nehmen wir einmal das Putten beim Golfspiel. Da s Einputten eines Golfballs hängt von der richtigen Entfernung nicht zu kurz und nicht zu weit hinter dem Loch - und der korrekten Richtung ab, also nicht links oder rechts vom Loch. Wenn ich mir das Putten selbst beibringen möchte, so würde ich diese beiden Dinge getrennt. üben. Vielleicht
legte ich ein mehrere Meter langes Band auf das Gras und würde dann üben, den Ball gerade bis über das Band zu putten, zuerst einmal im Abstand von 60 cm, dann 120 cm, 180 cm, 240 cm und so weiter. Das Band würde ich vielleicht auch in einem Kreis legen und von einer bestimmten Entfernung aus üben, wobei ich die Größe des Kreises allmählich immer weiter verkleinerte, bis ich ein sehr kleines Ziel zuverlässig treffen könnte. Erst dann, wenn ich mit meinen Fertigkeiten, was die Richtung und die Entfernung angeht, zufrieden wäre, würde ich beides kombinieren, ein großflächiges Ziel bilden und mit der Entfernung variieren. Dann würde ich die Größe des Ziels verringern und wieder mit der Entfernung solange variieren, bis ich ein kleines Ziel in unterschiedlicher Entfernung treffen könnte. Anschließend würde ich jeweils ein weiteres Detail hinzufügen, wie zum Beispiel den Berg hinauf zu putten. Je nach meinem Engagement und der mir möglichen Koordination von Hand und Auge könnte ich dann ausgezeichnet oder sogar überragend gut putten. Sicherlich wäre es mir innerhalb meiner Fähigkeiten aber möglich, recht zuverlässig gut zu putten. Jeder Golfer könnte sein Spiel an wenigen. Wochenenden mit Hilfe dieses Programms., mit dem jeweils nur ein einziges Detail geformt wird, mehr verbessern, als wenn er einen ganzen Sommer lang nach dem Zufallsprinzip und in der Hoffnung das Putten üben würde, bei jedem Pütt die korrekte Richtung und Entfernung zu treffen. Wenn sich bei uns, egal wie viel wir üben, kein Fortschritt einzustellen scheint, liegt das daran, dass wir zwei oder sogar noch mehr Dinge auf einmal verbessern wollen. Ist mit diesem Verhalten mehr als nur eine Eigenschaft verbunden? Lässt sich das Verhalten irgendwie in einzelne Elemente unterteilen, an denen getrennt gearbeitet werden kann? Wenn wir diese beiden Fragen mit „Ja“ beantworten können, lassen sich viele Probleme fast von selbst lösen.
3.
Das geübte Verhalten muss bei variabler Belohnung sicher gezeigt wer den, bevor Sie ein neues Detail hinzufügen oder die Kriterien erhöhen können.
Erinnern Sie sich an die variable Bestärkung? Ist ein Verhalten einmal gelernt und soll auf dem jeweiligen Stand gehalten werden, dürfen Sie es nur gelegentlich und nicht mehr regelmäßig bestärken. Diese Regel ist beim Formen eines Verhaltens der springende Punkt. Können Sie es sich leisten, ein gezeigtes Verhalten nur gelegentlich zu bestärken und trotzdem sicher zu sein, dass es weiterhin gezeigt wird, genügt es, eine Bestärkung nur bei optimaler Ausführung eines Verhaltens einzusetzen. Diese selektive Bestärkung treibt die Norm nach oben oder bringt ein durchschnittliches Verhalten in die Richtung des Verhaltens, das Sie haben wollen. Das Formen eines Verhaltens ist dann als gut zu bezeichnen, wenn zwischen kontinuierlicher Bestärkung - also um ein neues Verhaltensdetail einzuüben - und variabler Bestärkung - um das erreichte Ziel zu festigen und gelegentlich auftretende, überdurchschnittliche Reaktionen selektiv zu bestärken - reibungslos hin- und hergewechselt werden kann. Manchmal erfolgt der Wechsel zwischen fester und variabler Bestärkung mit jeweils nur zwei bis drei Bestärkungen auf jeder Stufe recht schnell. Dies geschieht besonders häufig, wenn dem Trainee plötzlich „ein Licht aufgeht“ wenn er also zu verstehen beginnt, wohin die Reise geht und er in seinen Reaktionen spontan besser wird. Für das Formen eines Verhaltens ist eine variable Bestärkung von so grundlegender Bedeutung, dass sie stets präsent sein und beachtet werden sollte, wenn man dabei ins Schwimmen gerät oder kein Fortschritt erzielt wird.
4. Lassen Sie bei der Einführung eines neuen Details zu, dass das bisher Gelernte vorübergehend schlechter ausgeführt wird. Stellen Sie sich vor, Sie lernen, wie man Squash spielt und sind schon recht zielgenau - Sie schicken den Ball genau dorthin, wohin Sie ihn auch haben wollen. Dann wollen Sie an der Geschwindigkeit arbeiten, der Ball aber fliegt
irgendwo hin, sobald Sie ihn fest schlagen. Vergessen Sie das Ziel für eine Weile und schlagen einfach den Ball. Können Sie die Geschwindigkeit des Balles einigermaßen kontrollieren, werden Sie Ihre Zielgenauigkeit sehr rasch wieder zurückerhalten. Zwar bleibt gelernt, was einmal gelernt ist; aber unter dem Druck, neue Verhaltensdetails zeigen zu müssen, sind manchmal alte, gut gelernte Verhaltensweisen vorübergehend verschwunden. Ich habe einmal einen Dirigenten beobachtet, der während der ersten Probe für eine neue Oper einen Wutanfall bekam, weil die Mitglieder des Chores einen Fehler nach dem anderen begingen. Sie schienen buchstäblich alles vergessen zu haben, was sie sich mit Mühen erarbeitet hatten. Allerdings trugen sie zum ersten Mal die schweren Kostüme, standen auf Leitern und mussten sich während des Singens bewegen: sich an dieses neue Detail zu gewöhnen, störte zeitweilig das zuvor gelernte Verhalten. Gegen Ende der Probe war der Chor wieder in der Lage, an dem neuen Musikstück zu arbeiten, ohne dass es eines weiteren Einstudierens bedurft hätte. Delphintrainer bezeichnen dies als „Neues-Becken-Syndrom“. Tut man einen Delphin in ein neues Becken, so ist damit zu rechnen, dass er alles, was er weiß, wahrscheinlich so lange vergessen haben wird, bis er die neuen Signale verarbeitet hat. Es ist wichtig zu verste hen, dass es überhaupt nichts bringt, wenn man sich oder andere wegen unter anderen Umständen begangener Fehler in einem früher erlernten Verhalten schilt. Schon nach kurzer Zeit werden die Fehler wieder verschwinden. Maßregelungen aber führen zu Verwirrung und lenken gelegentlich erst die Aufmerksamkeit auf diese Fehler, so dass diese weiterhin bestehen bleiben.
5.
Seien Sie dem Trainee immer einen Schritt voraus.
Planen Sie Ihre Schritte sorgfältig, damit Sie wissen, was Sie als nächstes formen wollen, sollte der Trainee plötzlich einen größeren Fortschritt machen. Ich habe einmal zwei Tage damit verbracht, einen kurz zuvor erst gefangenen Delphin zu formen, einige wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche über eine Stange zu springen. Als er das Verhalten zuverlässig zeigte, habe ich die Sprunghöhe um einige Zentimeter erhöht. Das Tier sprang sofort wieder und mit einer solchen Leichtigkeit darüber, dass ich die Stange noch höher hängen konnte. Innerhalb von fünfzehn Minuten sprang dieses Tier, das noch niemals zuvor trainiert worden war, zweieinhalb Meter hoch. Ein derartiger Durchbrach kann beim Formen eines Verhaltens jederzeit geschehen. Das Phänomen beobachten wir natürlich bei Menschen und auch bei vielen intelligenten Tierarten. Es lässt sich, so glaube ich, auf eine Einsicht zurückführen: Der Trainee versteht plötzlich, was von ihm erwartet wird (in diesem Fall viel höher zu springen) und tut es einfach. Orcas sind berühmt dafür, dass sie schon im Voraus wissen, welches Verhalten geformt werden soll. Die Trainer dieser Tiere erzählen immer denselben Witz: Orcas muss man nicht extra ausbilden, man muss das Verhalten nur auf eine Tafel schreiben und diese ins Wasser hängen, die Orcas werden das befolgen, was auf der Tafel geschrieben steht. Ausbilder geraten dann in Schwierigkeiten, wenn sie auf plötzliche Verbesserungen nicht vorbereitet sind. Wenn Sie als Trainer zum Beispiel von Detail A nach B gehen, sollten Sie schon die Details C und D im Kopf haben, falls der Trainee das Verhalten B plötzlich nach nur zwei Bestärkungen perfekt ausführt, sonst bleibt Ihnen anschließend nichts mehr, was Sie bestärken können. Durchbrüche scheinen für Trainees häufig sehr aufregend zu sein; sogar Tiere scheinen so etwas wie ein „Aha“-Erlebnis zu haben und fallen in eine regelrechte Hochstimmung. Ein Durchbruch ist somit eine einmalige Gelegenheit, schnell einen großen Fortschritt zu erzielen. Unvorbereitet zu sein und den Trainee auf einem niedrigen Ausbildungsstand zu halten, nur weil man nicht weiß, was man als nächstes tun soll, ist bestenfalls eine Zeitverschwendung, schlimmstenfalls entmutigt es den Trainee, so dass er künftig neue Aufgaben nur mit Widerwillen ausführen wird. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, scheint unser ganzes Schulsystem darauf ausgerichtet zu sein, die Kinder daran zu hindern, ihrem eigenen Tempo entsprechend lernen zu können - es werden nicht nur die langsamen Lerner bestraft, die keine Zeit zum Lernen bekommen, sondern auch die schnell lernenden Kinder, die nicht zusätzlich bestärkt werden, wenn ihr Denken besonders schnell voranschreitet. Begreift man zum Beispiel ganz rasch, worüber der Mathematiklehrer redet, so wird man mit dem Leiden stundenlanger Langeweile belohnt, während alle anderen womöglich wochenlang
nur Millimeterwei se vorwärts kommen. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn das Leben auf der Straße für die Schnellen viel mehr Spaß verspricht. 6.
Wechseln Sie nicht mittendrin den Trainer.
Wechseln Sie mitten im Formen eines Verhaltens den Trainer, so riskieren Sie eine starke Verlangsamung des Lernfortschritts. Wie genau man vor dem Trainerwechsel Verhaltensdetails auch besprechen mag, jeder setzt etwas andere Maßstäbe an, hat andere Reaktionszeiten. Auch wenn sich die Erwartungen an das Verhalten des Trainees nur wenig unterscheiden, führt es im Endeffekt dazu, dass man durch den Verlust der Bestärkung Zeit verliert, bis diese Unterschiede wieder ausgeglichen sind. Natürlich kann ein Schüler verschiedene Lehrer haben - uns bereitet es keine Probleme, wenn wir von einem Lehrer Französisch lernen, von einem anderen Arithmetik, von einem dritten Sport. Vielmehr ist es das einzelne Verhalten, das jeweils nur von einem Lehrer gelernt wird. Wahrend des Formens oder einzelner Schritte zu einem Verhalten hin ist es am besten, wenn die allmählich steigenden Kriterien von einer einzigen Person gesetzt werden. Wenn Sie also zum Beispiel zwei Kinder und einen Hund haben und die beiden dem Hund Tricks beibringen wollen, lassen Sie sie ruhig: aber lassen Sie jeden an einem anderen Trick arbeiten, Sie ersparen Ihrem Hund damit eine Menge Verwirrung. Wer lernen will, wird dies auch unter den denkbar schlechtesten Umständen tun. Eines der inzwischen bekanntesten „Menschenaffen-Sprachexperimente“, in dem Menschenaffen Begriffe aus der amerikanischen Zeichensprache und anderen Systemen beigebracht wurden, fand an der Columbia Universität statt und bezog auch einen jungen Schimpansen namens Nim Chimpsky ein. Wegen finanzieller und anderer Probleme wurde die arme Kreatur während eines Zeitraums von drei Jahren von über einhundert Zeichensprache-“Lehrern“ unterrichtet. Die Studenten und Forscher waren enttäuscht, dass bei Nim keine Anzeichen einer „richtigen“ Sprache zu erkennen waren. Das heißt, er bildete scheinbar keine richtigen Sätze. Erstaunlicherweise lernte er aber mehr als drei hundert Zeichen zu erkennen und zu verstehen - Substantive, Verben und so weiter -, was meiner Ansicht nach unter diesen Umständen verblüffend ist. Ebenso wechseln einige Schüler von einer Schule zur anderen, sie gehen durch die Hände unendlich vieler Lehrer und lernen dennoch etwas. Aber natürlich gibt es hierfür bessere Wege. Mitten im Formen eines Verhaltens den Ausbilder zu wechseln, sollte man einzig und allein dann in Betracht ziehen, wenn keinerlei Fortschritt zu verzeichnen ist. Bei keinem oder nur geringem Lernfortschritt gibt es durch ein Wechseln des Ausbilders nichts zu verlieren.
7.
Bringt eine Übung keinen Erfolg, probieren Sie eine andere.
Es ist ganz erstaunlich, wie sehr Menschen an einem System fest halten, das nicht funktioniert. Irgendwie sind sie überzeugt, mehr davon würde ein besseres Ergebnis hervorbringen. Welches Verhalten auch immer beeinflusst werden soll, es gibt so viele Wege wie Ausbilder, die sich solche ausdenken. Sollen Kinder schwimmen lernen, so will man ihnen vielleicht zuerst beibringen, keine Angst vor dem Wasser zu haben. Als ersten Schritt zu diesem Ziel könnte ein Trainer den Kindern zeigen, wie man Blasen im Wasser macht. Ein anderer ließe sie das Gesicht kurz unter Wasser tauchen, ein dritter sie so lange auf- und abhüpfen, bis sie sich auch unter Wasser trauten. Jeder gute Lehrer wird zu einer anderen Methode überwechseln, wenn er sieht, dass sich ein Kind langweilt oder fürchtet. Denn nicht bei jedem Individuum funktioniert jede Methode gleich gut. Hier fehlt traditionellen Ausbildern, insbesondere den Zirkustrainern, häufig die Einsicht. Ihre Methoden
haben sich über Generationen entwickelt und werden in ihren Familien weitergegeben - auf diese Art wird einem Bären das Radfahren beigebracht, dies ist der Weg, einen Löwen zum Brüllen zu bringen (reiß ihm ein paar Haare aus seiner Mähne, wenn du es wissen willst). Diese traditionellen „Rezepte“ werden für die besten gehalten, was sie manchmal auch sind; häufig aber werden sie für die einzig möglichen gehalten, und das ist der Grund, warum Zirkusvorführungen sich oft so ähnlich sind. Ein bekannter Fernsehstar, der einmal im Sea Life Park eine Vor stellung gegeben hatte, lud mich zu sich und seiner Frau auf ihre Farm in Virginia ein, um zuzusehen, wie sie Pferde ausbildeten. Dieser berühmte Mann war selbst ein ausgezeichneter Reiter und Trainer und besaß eine Reihe ausgebildeter Pferde. Wir beobachteten, wie ein Pferd auf traditionelle Weise trainiert wurde sich zu verbeugen, indem es sich auf ein Knie herunterlassen musste. Dazu bedurfte es zweier Männer, vieler Seile und Reitgerten. Bei dieser Methode wurde das Pferd so lange auf die Knie gezwungen, „bis es gelernt hatte, sich freiwillig und spontan auf die Knie zu lassen. Ich sagte, auf diese Weise müsse man es nicht machen und er klärte, ich könnte ein Pferd die Verbeugung lehren, ohne das Tier jemals zu berühren (zum Beispiel auf folgende Art und Weise: Ich befestige einen roten Punkt auf der Wand und verwende Futter und einen konditionierten Bestärker, um das Tier dazu zu bringen, mit seinem Knie den Punkt zu berühren. Dann versetze ich den Punkt immer weiter nach unten bis auf dem Boden, so dass das Pferd sich nun hinknien muss, wenn es den Punkt korrekt berühren und eine Bestärkung verdienen will.) Der Fernsehstar war angesichts dieses unverschämten Vorschlags so wütend (Was für eine Idee! Gäbe es einen anderen Weg, eine Verbeugung einzustudieren, so würde er sie bestimmt kennen!), dass wir mit ihm zur Abkühlung zwei- oder dreimal um die ganze Scheune gehen mussten.
8.
Unterbrechen Sie nie ohne Grund eine Trainingseinheit, weil dies als Strafe empfunden wird.
Diese Regel gilt nicht für das zufällige (obgleich bedeutungsvolle und fruchtbare) Formen, das man vielleicht bei sich zu Hause ausführt, also zum Beispiel ein Lob für die Schularbeiten, eine Begrüßung der Heimkommenden, Ermutigung der Kinder, hier und da eine Bestärkung, ganz ohne Formalitäten. In einer förmlicheren Situation aber - also beim Unterrichten oder dem Formen eines Verhaltens bei einem Tier - sollte der Trainer/Lehr er so lange sein Augenmerk auf den Trainee oder die Klasse gerichtet halten, bis die Trainings-/Unterrichts zeit vorüber ist. Das bedeutet mehr als nur gute Manieren oder eine gute Selbstdisziplin: dies ist gutes Training. Wenn ein Trainee versucht, sich eine Bestärkung zu verdienen, schließt er mit seinem Trainer sozusagen einen Vertrag. Fängt der Trainer an, mit Umstehenden zu plaudern, oder verlässt er gar den Raum, um ans Telefon zu gehen, oder träumt er einfach vor sich hin, so wird dadurch der Vertrag gebrochen. Obwohl der Trainee keinen Fehler begangen hat, gibt es hier keine Bestärkung. Ein solches Verhalten richtet mehr Schaden an, als dass der Trainer vielleicht nur eine gute Möglichkeit für eine Bestärkung verpasst hat. Es kann eine negative Auswirkung auf ein perfektes Verhalten haben, das eventuell zu einem bestimmten Zeitpunkt gezeigt wurde. Soll ein Trainee zurechtgewiesen werden, so bietet sich hierfür das Entziehen der Aufmerksamkeit an. Delphintrainer bezeichnen dies als „Auszeit“ und verwenden sie zur Korrektur eines Fehlverhaltens. Den Fischeimer aufnehmen und einmal für eine Minute weggehen, ist eine der wenigen und gewöhnlich sehr effektiven Mög lichkeiten, die bei einem Delphin für das „Nein!“ oder „Falsch!“ zur Verfügung stehen. Man würde gar nicht vermuten, dass Delphine verdrießlich dreinschauen oder sich reumütig zeigen können, aber sie können es ganz gewiss. Der Entzug der Aufmerksamkeit ist ein starkes Mittel, setzen wir ihn also nicht unüberlegt oder unfair ein.
9.
Verschlechtert sich das Verhalten, überprüfen Sie das Formen.
Manchmal verkümmert eine Fähigkeit oder ein Verhalten oder scheint völlig verschwunden zu sein. Wir alle kennen das Gefühl, wenn wir in einer anderen Sprache sprechen, uns an ein Gedicht erinnern oder mit einem Rad fahren wollen, was wir viele Jahre nicht mehr getan haben. Das beunruhigt uns ganz ungemein. Manchmal können äußere Umstände dazu führen, dass vorübergehend ein gut gelerntes Verhalten ausgelöscht wird - wenn es zum Beispiel vor lauter Lampenfieber unmöglich wird, die sorgfältig eingeprägte Rede zu halten, oder ein heftiger Sturz die Fähigkeit stark einschränkt, Berge zu erklimmen. Gelegentlich überlagert später Gelerntes das ursprüngliche Verhalten oder wirkt diesem entgegen, so dass ein vermischtes Verhalten gezeigt wird - Sie suchen nach einem spanischen Wort, und es kommt ein deutsches heraus. Diese Art von Verschlechterung lässt sich nicht dadurch korrigieren, dass man so lange auf einer Wiederholung besteht, bis das Verhalten wieder zufrieden stellend ausgeführt wird oder bis die Bestärkung erfolgt, sondern am schnellsten, indem man sich den Ablauf des ursprünglichen Formens in Erinnerung ruft und die ganze Abfolge sozusagen im Schnellverfahren nochmals durchläuft, allerdings unter den neuen Umständen (zwanzig Jahre später, mit Publikum und so weiter) und auf jeder Stufe höchstens ein- oder zweimal bestärkt. Im Sea Life Park bezeichneten wir das mit „zurück in den Kindergarten gehen“. Häufig gelang es mit dieser Technik, ein unzureichendes Verhalten in zehn bis fünfzehn Minuten wieder auf den gewünschten Stand zu bringen. Wir selbst tun dies auch, wenn wir vor einer Prüfung nochmals in die Bücher schauen oder unser Gedächtnis vor einem. Auftritt auffrischen, indem wir nochmals einen Blick in das Skript werfen. Es ist nützlich, sich an den ursprünglichen Verlauf des Formens zu erinnern, gleichgültig, ob man an einer geistigen oder eher körperlichen Fertigkeit arbeitet. Bei Mensch und Tier funktioniert dies gleichermaßen.
10. Hören Sie auf, so lange Sie noch einen Schritt voraus sind. Wie lange sollte ein einzelnes Training dauern? Das hängt zum Teil von dem Zeitraum ab, den sich der Trainee konzentrieren kann. Katzen scheinen häufig nach vielleicht einem Dutzend Bestärkungen unruhig zu werden, also können fünf Minuten schon genug sein. Hunde und Pferde können länger arbeiten. Bei Menschen dauert ein Unterricht oft eine Stunde, beim Sport, bei Fortbildungsseminaren und verschiedenen anderen Unternehmungen vergeht häufig ein ganzer Tag damit. Wann aufgehört wird, ist bei weitem nicht so wichtig wie womit. Auf jeden Fall sollte man aufhören, so lange man noch einen Schritt voraus ist. Dies gilt für einzelne Sitzungen insgesamt, aber auch für einzelne Schritte innerhalb einer Sitzung, wenn man an einem Verhalten zu arbeiten aufhört und zu einem anderen übergeht. Sobald ein gewisser Fortschritt erreicht ist, sollte zu einem anderen Verhalten gewechselt werden. Das zuletzt gezeigte Verhalten ist das, was dem Trainee im Gedächtnis bleibt. Deshalb sollte es immer eine gute Leistung sein, die entsprechend bestärkt werden kann. Allzu häufig geschieht es aber, dass wir drei oder vier gute Reaktionen bekommen - der Hund apportiert wunderbar, der Sportspringer macht zum ersten Mal einen Eineinhalbfachen Salto, dem Sänger gelingt zum ersten Mal eine schwierige Tonfolge - und wir sind dann so erfreut, dass wir es noch einmal und immer wieder sehen oder tun wollen. Also wiederholen wir das Verhalten oder versuchen es wenigstens. Der Trainee aber ist schon bald erschöpft, das Verhalten wird immer schlechter, die Fehler häufen sich, Korrekturen und Schimpfen treten immer öfter auf, die Trainings Sitzung war einfach für die Katz. Reitanfänger verhalten sich häufig so. Das ist auch der Grund, warum ich überhaupt nicht gern Menschen beim Springen mit dem Pferd beobachte. So oft verpassen sie den Punkt, an dem sie hätten aufhören sollen; dann nämlich, wenn das Tier eine besonders gute Leistung gezeigt hat und bevor das Verhalten nur noch schlechter werden kann. Als Trainer sollten Sie sich, wenn notwendig, dazu zwingen, nach einer guten Reaktion aufzuhören. Das ist
manchmal gar nicht so einfach. Aber vielleicht sehen Sie beim nächsten Mal, dass das Apportieren, der Salto, das Solostück nicht nur genauso gut waren wie in der vorangegangenen Sitzung, sondern spürbar besser. Psychologen bezeichnen dies als „verborgenes Lernen“. Jedes Training ist immer auch von Stress begleitet, und wenn es nur der Stress ist, etwas gut machen zu wollen. Dieser Stress kann die Leistung soweit beeinträchtigen, dass er einen Teil des stattfindenden Lernprozesses überdeckt, Fangen Sie also, bevor sich Stress überhaupt entwickelt, bei der nächsten Trainingssitzung einen Schritt vor dem Verhalten an, mit dem Sie die letzte Sitzung beendet haben, damit Sie so viel mehr haben, was Sie bestärken können. Auf diese Weise ein Verhalten zu formen, steht natürlich konträr zu der Ausbildung mit Druck und ständigen Wiederholungen. Es kann nicht nur ständigen Fortschritt, sondern auch absolut fehlerfreies Training bewirken, und dies auch extrem schnell. Ich hatte einmal ein einjähriges Pony innerhalb einer Viertelstunde ans Halfter gewöhnt, das heißt vollständig und dauerhaft, indem ich ständig zwischen fünf Aufgaben hin- und herwechselte (vorwärts, halt, links, rechts, rückwärts) und gleichzeitig bei den einzelnen Aufgaben jeden Fortschritt bestärkte. Paradoxerweise hangt ein solches Schnelltraining von unserer Bereitschaft ab, uns selbst von zeitlichen Begrenzungen, dem Setzen eines bestimmten Ziels und der Schnelligkeit des Fortschritts freizumachen. Seien wir stattdessen einfach bereit, dann aufzuhören, wenn wir noch einen Schritt voraus sind. Dies ist ein Phänom en, das wir aus dem Zen-Buddhismus kennen. Gelegentlich lässt sich ein Training nicht auf einem Höhepunkt beenden. Vielleicht haben die Schüler eine ganze Stunde bezahlt, und sie wollen sie ganz haben, obwohl der gute Zeitpunkt zum Aufhören bereits früher erreicht ist. Möglicherweise aber verläuft das Training auch nicht so gut, dass es einen Höhepunkt gibt, und eine frühe Ermüdung ist das Problem. In einem solchen Fall ist es ratsam, das Training mit einer einfachen Übung abzuschließen, für die es garantiert eine Bestärkung gibt, so dass man sie als insgesamt bestärkend erlebt. Delphintrainerbeenden lange und anstrengende Trainings oft mit einem einfachen Ballspiel; Reitlehrer nehmen für diesen Zweck manchmal Spiele wie „Simon sagt“ oder einen Kehrreim. Neue Aufgaben oder Materialien gegen Ende einer Sitzung einzuführen, ist etwas, was man keinesfalls tun sollte. Das führt nur dazu, dass sie mit einem unangemessenen und unbestärkten Verhalten abschließt. Als ich noch ein Kind war, endeten meine Klavierstunden immer auf diese Art und Weise. Das war immer sehr entmutigend, und bis heute kann ich immer noch nicht Klavier spielen.
Das Formen im Spiel üben Auch wenn Sie die Prinzipien des Formens kennen und verstehen, können Sie sie nicht anwenden, wenn Sie sie nicht üben. Formen ist kein Vorgang mit Worten, es ist eine Fertigkeit, zu der keine Worte benötigt werden - es ist wie eine Flut verschiedener interaktiver Verhaltensweisen wie Tanzen, Liebesspiel oder Surfen. Und als solches lässt es sich nicht dadurch lernen, dass man darüber liest, nachdenkt oder davon spricht. Man muss es tun. Eine einfache und faszinierende Möglichkeit zur Entwicklung solcher Fertigkeiten ist das Trainingsspiel. Ich verwende das Trai ningsspiel, um die Technik des Trainierens zu lehren. Viele Trainer spielen es im Bereich des Sports. Es ist aber auch ein interessantes Partyspiel. Für dieses Spiel braucht man mindestens zwei Personen: den Trainee und den Trainer. Ideal ist das Spiel mit sechs Personen, weil dann jede mindestens einmal die Erfahrung als Trainee und einmal als Trainer machen kann, bevor die Gruppe die Lust daran verliert. Auch mit größeren Gruppen - zum Beispiel einer Schulklasse oder den Zuhörern eines Vortrags -, kann es gespielt werden, weil das Zuschauen beinahe ebensoviel Spaß macht wie das Teilnehmen selbst. Der Trainee wird aus dem Raum geschickt. Die anderen Personen wählen einen Trainer und bestimmen ein Verhalten, das geformt werden soll: zum Beispiel, den eigenen Namen auf die Tafel schreiben, auf- und abspringen oder auf einen Stuhl steigen. Der Trainee wird hereingeholt und gebeten, sich möglichst aktiv im Raum zu bewegen. Der Trainer bestärkt Bewegungen, die direkt auf das gewünschte Verhalten gerichtet sind. Ich lege gern als Regel fest,
dass der Trainee nach den ersten Bestärkungen zur Tür zurückgeht und von vorn beginnt. Das scheint der häufig auftretenden Tendenz vorzubeugen, dass nämlich einige Trainees einfach dort stehen bleiben, wo sie die Bestärkung bekommen haben. Reden ist nicht gestattet, Lachen, Stöhnen und andere Gefühlsbekundungen dagegen schon. Anweisungen und Diskussionen bleiben der Zeit nach dem Spiel vorbehalten. Gewöhnlich geht das Trainingsspiel recht schnell. Hierfür gebe ich Ihnen ein Beispiel: Wir sind sechs Personen und spielen das Trainingsspiel im Wohnzimmer bei einer Freundin zuhause. Ruth spielt freiwillig den Trainee, Anne ist als Trainer dran. Ruth verlässt das Zimmer. Wir einigen uns darauf, dass als gewünschtes Verhalten die Lampe auf dem Tisch neben der Couch eingeschaltet werden soll. Ruth wird hereingerufen und geht durch das Zimmer. Wenn sie sich in Richtung der Lampe bewegt, pfeift Anne. Ruth kehrt zum „Start“ (der Tür) zurück, geht dann zielstrebig zu der Stelle, an der sie bestärkt worden war und hält an. Kein Pfeifton. Sie bewegt ihre Hände hin und her. Kein Pfeifton. Versuchsweise bewegt sie sich dabei von der Lampe weg. Immer noch kein Pfeifton. Ruth geht wieder im Zimmer umher. Als sie wieder auf die Lampe zugeht, kommt von Anne ein Pfeifton. Ruth geht zur Tür zurück und dann an die neue Stelle, an der sie diesen letzten Pfeifton gehört hat. Dieses Mal aber geht sie weiter. Bingo: ein Pfeifton. Ohne wieder zur Tür zurückzukehren, bewegt sie sich etwas weiter vorwärts und hört den Pfeifton genau in dem Moment, an dem sie an dem Tisch ankommt. Sie hält an. Sie stößt an den Tisch. Kein Pfeifton. Sie bewegt ihre Hände hin und her. Kein Pfeifton. Eine Hand streift den Lampenschirm, Anne pfeift. Ruth fängt an, den ganzen Lampenschirm abzutasten - sie bewegt ihn, dreht ihn herum, schaukelt ihn hin und her. Kein Pfeifton. Ruth greift unter den Lampenschirm. Ein Pfeifton. Ruth greift wieder unter den Lampenschirm, mit sehr zielsicherer Geste; sie erfüllt die Aufgabe und schaltet die Lampe an. Anne pfeift, wir anderen applaudieren. Nicht immer, auch nicht bei einfachen, gewohnten Verhaltensweisen, läuft das Spiel so glatt ab wie hier. Wie sich herausstellte, traf Anne die richtige Entscheidung, Ruth nicht zu bestärken, als sie sich von der Stelle, an der sie zum ersten Mal bestärkt würde, fortbewegte, allerdings in die falsche Richtung. Wäre Ruth dann aber an die Stelle zurückgekehrt und einfach dort stehen geblieben, wäre sie in Schwierigkeiten geraten. Nun stelle ich Ihnen ein Trainingsspiel vor, bei dem es mehr als nur ein Problem gab. Ich unterrichtete in einer Oberschulklasse. Leonard war der Trainee, Beth der Trainer. Das gewünschte Verhalten bestand diesmal darin, mit dem Wandschalter die Deckenbeleuchtung anzumachen. Leonard betrat den Raum und fing an, umherzugehen; Beth formte ihn schnell dahin, dass er zu der Wand ging, auf der sich der Schalter befand. Leonard hatte anfangs allerdings seine Hände in der Hosentasche. Nachdem er mehrere Bestärkungen dafür bekommen hatte, dass er mit den Händen in der Hosentasche umherging, waren die Hände praktisch in der Hosentasche festgeklebt. Er stieß an die Wand, drehte sich um, lehnte sich an die Wand, lehnte sich sogar an den Lichtschalter, doch schien er diesen nicht wahrzunehmen, und er nahm seine Hände niemals aus der Hosentasche. Während ich das Ganze beobachtete, dachte ich,, man könnte Leonard vielleicht dazu bringen, die Wand mit einer Hand zu berühren, dann würde er den Schalter bemerken und das Licht einschalten. Wie aber konnte man seine Hände aus der Hosentasche heraus bekommen? Beth hatte eine andere Idee. Mit der Pfeife „fing “ sie eine Bewegung Leonards ein, wie er sich in der Hocke gegen die Wand lehnte und hatte ihn bald so weit gebracht, dass er mit seinem Rücken neben dem Schalter die Wand herauf- und herunterrieb, Die anderen Schüler fingen zu kichern an, als sie erkannten, dass Beth Leonard dazu bringen wollte, sich seitwärts zu bewegen und mit dem Rücken den Schalter zu betätigen, damit also das geforderte Detail zufällig, wenn auch nicht bewusst, auszuführen. Es war aber eine langwierige Angelegenheit, und wir konnten richtig sehen, wie Leonard den Mut verlor und sich immer mehr
ärgerte. „Kann ich es mal probieren?!“ fragte Maria. Beth sah mich zustimmungsheischend an. Ich zuckte mit den Achseln, die Klasse schien einzuwilligen, und Maria holte ihre eigene Pfeife heraus (der Erwerb einer Pfeife war die einzige Voraussetzung für den Kurs). Maria winkte Leonard zur „Start“-Position an der Tür zurück und stellte dann in einem Abstand von ungefähr dreißig Zentimetern von der Wand einen Stuhl neben den Lichtschalter, setzte sich selbst auf ihn und nickte Leonard zu, er solle anfangen. Er ging flott auf die Wand zu, an der er so oft bestärkt worden war, an Maria vorbei und schien sie an ihrer neuen Position nicht zu beachten. Als er an ihr vorbeiging, streckte sie den Fuß aus und brachte ihn zumStolpern. Leonards riss seine Hände aus der Hosentasche und stützte sich an der Wand ab, um den Sturz abzufangen. Als seine Hände dort auftrafen, ertönte die Pfeife. Leonard erstarrte und blickte Maria an. Um ihn nicht irgendwohin zu locken, schaute sie von ihm weg in die Mitte des Raumes. Versuchsweise fing Leonard an, mit seiner Hand auf die Wand zu klatschen, was sie bestärkte. Wieder berühr te er die Wand, und dieses Mal schaute er sich an, was er tat. Sie bestärkte ihn. Dann sahen wir alle, wie Leonard plötzlich den Lichtschalter fixierte. Alle hielten den Atem an. Leonard richtete sich etwas auf, war plötzlich voll bei der Sache und schaltete das Licht ein. Tumulthafter Beifall. Durch die Bestärkungen lernen die Teilnehmer an einem Trainingsspiel und die Zuschauer gleichermaßen. Der Trainer begreift vor allem, wie wichtig das Timing ist. Stellen wir uns vor, der Trainee nähert sich dem Lichtschalter, dreht sich aber genau in dem Moment weg, in dem die Pfeife ertönt. Nun gut, denkt der Trainer. Das nächste Mal wird es schon gelingen. Nehmen wir aber jetzt an, der Trainee geht zum Ausgangspunkt zurück, eilt dann zum Schalter und dreht sich weg. Ein Aufstöhnen. Der Trainer hat das Drehen geformt. Und jeder, nicht nur der Trainer, sieht, wie wichtig es ist, die Pfeife einen Moment eher einzusetzen, nämlich während das gewünschte Verhalten gerade stattfindet. Der Trainee seinerseits begreift, dass es bei dieser Form des Lernens nicht auf den Verstand ankommt. Es ist ganz egal, woran Sie denken; bewegen Sie sich nur einfach weiter und sammeln Pfeiftöne. Dann wird Ihr Körper schon herausfinden, was er ohne Ihre Hilfe tun muss. Für helle, intellektuelle Menschen ist dies eine absolut qualvolle Erfahrung. Sie neigen nämlich dazu, beim Ton der Pfeife zu erstarren und zu versuchen, ihre Handlung zu analysieren. Dass sie nichts wissen und dass es nichts ausmacht, dass sie nichts wissen, ist für sie ein Schock. Sheri Gish, ein Kollege, und ich brachten einmal dem Psychologen Ronald Sdmsterman bei, mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Raum umherzugehen, und das über einen Zeitraum von jeweils bis zu einer Minute - eine lange Zeit ohne eine Bestärkung, aber Randy war ja ein gewissenhafter Mensch - bis die im Raum Versammelten beschlossen, das Verhalten sei nun sorgfältig genug etabliert, und in tosenden Applaus ausbrachen (das ist übrigens die Bestärkung für den Trainer, die fast immer spontan erfolgt). Ron, der im Rahmen seiner Forschung viele Tiere trainiert hatte und vorschnell meinte, er selbst sei „nicht trainierbar“, ahnte nicht, dass die auf seinem Rücken gefalteten Hände nun ein geformtes Verhalten waren und nicht nur ein unbewusster Ausdruck einer Meinung. Bewiesen wird hiermit nicht das skrupellose Wesen des Trainings durch Bestärkung, sondern unsere falsche Annahme, der wir ja gewohnheitsmäßig anhängen, dass nämlich die Kommunikation mit Worten das Entscheidende und Lernen ohne die Sprache oder zumindest ein gewisses verbales Bewusstsein nicht möglich sei. Die Erfahrung des non-verbalen Lernens ist insbesondere für diejenigen Menschen nützlich, die in ihrem Beruf viel mit sprachlichen Anweisungen arbeiten, also: Lehrer, Therapeuten, Supervisoren. Sind Sie selbst einmal der Trainee gewesen, können Sie mit jedem Trainee mitempfinden, der das von uns geformte Verhalten zeigt, allerdings noch nicht begriffen hat, was von ihm erwartet wird, und sogar mitfühlen, wenn er Fehler macht. Sie sind in der Lage, Geduld mit einem Tier (oder dem Kind oder dem Patienten) zu üben, das voller Frust und Wut darüber explodiert, dass sich das als nicht gut erwiesen hat, was seiner vollen Überzeugung nach richtig war. Dies ist etwas, was menschliche Trainees an den Rand der Tränen bringen kann.
Haben Sie einmal non-verbales Formen bei einem erwachsenen Trainee durchgeführt, werden Sie wahrscheinlich nicht mehr so schnell beim Unterrichten, Trainieren oder Ausbilden im täglichen Leben sagen, der Trainee (Tier, Schüler, oder wer auch immer) „hasst mich“ oder „versucht bewusst, mich auf die Palme zu bringen“ oder „ist dumm“ oder „muss heute krank sein“. Diese Übung, an der jeder vereinbarungsgemäß und aus freien Stücken teilnimmt, zeigt ganz deutlich, dass es nicht dem Trainee angelastet werden kann, wenn dabei etwas schief läuft. Das Licht, das Fachleuten bei diesem Spiel aufgeht, ist Teil des Vergnügens (und alle anderen sehen dies zur selben Zeit ebenfalls - das kann man nicht verhindern. Auf der anderen Seite wird ma n aber auch in schmunzelnder Sympathie gebadet). Wird dieses Spiel rein zum Vergnügen gespielt, so liegt der Reiz übrigens darin, dass jeder ohne jegliche Vorkenntnisse und Erfahrungen daran teilnehmen kann. Manche Menschen sind wahre Naturtalente. Nach meiner Erfahrung können intuitive, kreative und sehr emotionale Menschen ausgezeichnet formen, während ruhige, beobachtende Menschen gute Trainees abgeben - also eigentlich das Gegenteil von dem, was zu erwarten wäre. Dass dies eine mit dem Zeichnen oder Schreiben vergleichbare Erfahrung ist, wird deutlich, wenn man sich einen Raum voller in das Geschehen vertiefter Leute anschaut, in dem sich außer dem Trainee niemand bewegt, und der Trainer mit seinem ganzen Körper und all seinen Gedanken auf die Aufgabe konzentriert ist. Es ist eine kreative Arbeit Außer auf der Bühne ist Kreativität etwas, was Gruppen selten gemeinsam erfahren. Allein schon unter diesem Aspekt ist das Trainingsspiel wertvoll. Das Trainingsspiel spielten wir gelegentlich im Sea Life Park, insbesondere auch einige denkwürdige Runden mit dem Philosophen Gregory Bateson, der für einige meiner Trainer den Trainee spielte. Er erwies sich in der Tat nicht deswegen als untrainierbar, weil er still stehen geblieben wäre, sondern weil er eine solch endlose Vielzahl an Reaktionen anbot, dass der Trainer davon im wahrsten Sinne des Wortes überrollt wurde. Eine weitere, für mich sehr interessante Spielrunde fand einmal nach einem Mittagessen mit sechs berufstätigen Frauen statt, die sich untereinander nicht kannten und aus ganz unterschiedlichen Berufen kamen. Nach zwei Stunden Spiel, in dem sich eine Psy chotherapeutin als wundervolle Trainee und eine Discotänzerin als brillante Trainerin entpuppt hatten, gingen wir wieder auseinander. Wir kannten uns jetzt viel besser und mochten uns auch viel mehr. 1980 unterrichtete ich versuchsweise eine Gruppe von Oberschülern an der Brearley School in New York. Wir hatten das Spiel während des Unterrichts gespielt, und ein harter Kern von sechs höchst einfallsreichen jungen Frauen fing an, zu Hause miteinander das Trainingsspiel zu spielen. Sie spielten es gewöhnlich zu zweit und formten solch exotische Verhaltensweisen wie die Treppe rückwärts hinaufkriechen. In der Schule hatten sie - wie ich meine mit Erfolg - analytisch zu denken gelernt und dachten vor und nach jeder Sitzung genau nach, bevor sie sich dann mit der normalen Begeisterung sechzehnjähriger Mädchen in das eigentliche Spiel stürzten. Bald schon formten sie ihre Eltern, setzten positive Bestärkungen bei ihren Lehrern ein und machten aus nervenden Geschwistern unterhaltsame Gefährten, indem sie das gewünschte Verhalten selektiv bestärkten. Niemals zuvor oder später sah ich eine Gruppe, die die Technik und die Möglichkeiten so schnell begriffen hatte.
Zielverfolgung, Nachahmung und Nachbildung Professionelle Trainer bedienen sich verschiedener Techniken, um das Formen zu beschleunigen. Drei davon können auch für Sie von Nutzen sein: Zielverfolgung, Nachahmung und Nachbildung. Bei der Zielverfolgung, die bei der Dressur von Seelöwen und anderen Tieren weithin Anwendung findet, wird das Tier geformt, mit seiner Nase ein Ziel zu berühren - zum Beispiel ein am Ende einer Stange befestigter Knauf oder ganz einfach die zur Faust geformte Hand des Trainers. Bewegt man nun das Ziel hin und her und lässt das Tier vorwärts gehen, um das
Ziel zu berühren, so können viele unterschiedliche Verhaltensweisen ausgelöst werden, zum Beispiel Treppen hinaufgehen, hochspringen oder auf zwei Beinen stehen, dem Trainer folgen, in eine Transportkiste hinein- und wieder hinausspringen und so weiter. Im Grunde genommen bedienen wir uns eines solchen Ziels auch, wenn wir mit unserer Hand auf unseren Oberschenkel klopfen, damit der Hund bei Fuß geht. Die Bewegung scheint Hunde anzuziehen, und wenn sie sich uns nähern, bestärken wir ihr Verhalten durch Streicheln. Auf das Sofa zu klopfen, um jemanden dazu einzuladen, sich neben einen zu setzen, ist auch eine Art der Zielverfolgung. Inmitten viel größerer Menschen bleiben japanische Touristen als Gruppe zusammen, indem sie einer Fahne folgen, die von ihrem Reiseleiter hochgehalten wird wiederum eine Zielverfolgung. In früheren Zeiten haben Flaggen und Fahnen in einer Schlacht demselben Zweck gedient. Die Nachahmung ist für einige Tiere (auch Vögel) und auch für Menschen eine natürliche Sache. Durch Beobachten und anschließendes Nachmachen des Verhaltens der Älteren lernen alle jungen Lebewesen viel von dem, was sie wissen müssen. Psychologen werten das „Lernen durch Beobachten“ bei Tieren als Zeichen von Intelligenz - Primaten sind darin gut, andere Tiere eher schlecht. Für mich ist das Vorhandensein oder das Fehlen dieser Fähigkeit bei einer Art eine Funktion der ethologischen Entwicklung - das heißt also der Rolle in der Natur - und weniger der Intelligenz an sich. Einige Vögel sind bemerkenswert gut im Nachahmen von Verhaltensweisen. In England haben Meisen gelernt, auf Treppenstufen stehende Milchflaschen zu öffnen und den Rahm zu trinken. Durch Nachahmung verbreitete sich diese Fertigkeit unter der Meisenpopulation so schnell, dass ein neuartiger Flaschendeckel erfunden werden musste. Hunde lernen durch Beobachten weniger gut. Tun sie etwas, was andere Hunde auch tun, so ahmen sie diese nicht nach, sondern reagieren normalerweise auf dieselben Signale. Dagegen sind Katzen, denen Tierpsychologen eine niedrigere Intelligenz als Hunden zubilligen, wunderbare Nachahmer. Der volkstümliche Ausdruck „Copycat“ (im Englischen ein Begriff für Nachahmer) ist nicht zufällig entstanden. Bringen Sie einer Katze in Ihrem Haushalt einen Trick bei - also zum Beispiel an der Haustür zu klingeln, um hereingelassen zu werden -, so können dies auch andere oder auch neu hinzukommende Katzen lernen, ohne dass Sie sie darin gesondert trainieren müssen. Katzen können sogar andere Tierarten nachahmen. Meine Tochter brachte eines Abends ihrem Pudel innerhalb einer Stunde bei, sich auf einen kleinen Schaukelstuhl zu setzen und auf ihm hin- und herzuschaukeln. Als Bestärkung verwendete sie dabei Schinkenwürfel. Eine unserer Katzen schaute zu. Kaum war die Lektion für den Hund beendet, so sprang die Katze spontan auf den Stuhl und schaukelte ganz korrekt hin und her. Sie wartete auf ihren Anteil an den Schinkenwürfeln, den sie sich ganz bestimmt verdient hatte. Dieser starke Hang zur Nachahmung erklärt meiner Ansicht nach auch, warum Katzen häufig auf einem Baum stecken bleiben. Den Baum klettern sie mehr oder minder automatisch hinauf. Biologen sagen, dies sei genetisch bedingt. Die Katzen rennen mit ausgestreckten Krallen den Baum hinauf. Um jedoch wieder hinunter zugelangen, muss die Katze rückwärts gehen, damit sie die Krallen weiterhin einsetzen kann. Dies ist anscheinend eine gelernte Fertigkeit. Ich kann das bestätigen, weil ich selbst (mitten in der Nacht und oben auf einer Leiter) eine Katze geformt habe, rückwärts einen Baum hinunterzuklettern. Ich tat das, um in Zukunft das klagende Geheul einer festhängenden Katze nicht mehr hören zu müssen. Dieses Verhalten war bei der Katze für immer geformt - sie blieb niemals wieder stecken (obwohl sie weiterhin auf Bäume kletterte). Ich denke, in der freien Natur lernen Katzen von ihren Müttern durch Zuschauen, wie sie sich herumdrehen und rückwärts herunterklettern müssen; weil wir sie ihren Müttern aber im zarten Alter von sechs bis acht Wochen wegnehmen, kommt ihnen auch die Möglichkeit abhanden, dieses Verhalten nachzuahmen. Delphine ahmen sich gern gegenseitig nach, was das Training ungemein erleichtert. Damit mehrere Delphine dasselbe tun, muss man das gewünschte Verhalten bei einem Delphin formen und dann die anderen für jeden Versuch der Nachahmung bestärken. In der Gefangenschaft geborene Delphin-Babys lernen die Tricks der Erwachsenen häufig lange bevor sie alt genug sind, mit Fisch belohnt zu werden. Viele Ozeanarien haben
diese Erfahrung mit der „zweiten Besetzung“ auch gemacht, also mit Tieren, die anderen bei der Arbeit zuschauen und zeigen, dass sie das Verhallen auch gelernt haben, ohne jemals dafür bestärkt worden zu sein oder es ausgeführt zu haben. Artgenossen nachahmen zu können, scheint bei frei lebenden Delphinen überlebenswichtig zu sein. Wenn wir Menschen körperliche Fertigkeiten vermitteln wollen -Tanzen, Skilaufen, Tennis und so weiter -, können und sollten wir uns soweit wie möglich der Nachahmung bedienen. Üblicherweise sollte die Person, die das Verhalten vorgibt, mit dem Rücken zu der Person stehen, die nachahmen soll, damit diese den Bewegungen mit dem eigenen Körper folgen kann und die Bewegung nicht erst gedanklich umsetzen muss. Je weniger „dechiffriert“ und mit Worten beschrieben werden muss, desto besser wird es mit der Nachahmung klappen. Will man einem Linkshänder eine Fertigkeit beibringen, die normalerweise rechtshändig ausgeführt wird (zum Beispiel Häkeln), sollte man sich der Person gegenüber setzen und sie die Bewegungen nachahmen, also quasi spiegelbildlich ausführen lassen. Das Verhalten unserer Kinder wird natürlich größtenteils durch Nachahmen geformt. Was sie uns tun sehen, machen sie auch, zum Besseren oder Schlechteren hin. Auf meinem Postamt verursachten drei Kinder kürzlich einen solchen Lärm, dass man sich kaum verständlich machen konnte. Ihre Mutter, die in der Schlange anstand, schrie sie mehrere Male an, bevor es ihr schließlich mit Drohungen gelang, sie zum Schweigen zu bringen. „Wie kriegt man Kinder dazu, still zu sein?“ fragte sie die Postbeamtin. „Probieren Sie doch mal, selbst leise zu reden“, sagte die Beamtin ganz richtig. Um Kindern gute Manieren beizubringen, schlägt die Kolumnistin Judith Martin vor, dass während der Trainingszeit -“von der Geburt bis zur Heirat“ - jeder im Haus ordentlich essen, zivilisiert sprechen und zumindest vorgeben muss, er habe Interesse an den Dingen, die andere tun oder sagen. Bei der dritten Art des beschleunigten Formens, dem Nachbilden, führen wir den Trainee mit unseren Händen durch die Handlung, die er lernen soll. Ein Golfspieler tut dies, wenn er von hinten seine Arme um einen Anfänger legt, den Schläger hält und ihn und den Trainee in die gewünschte Schwungrichtung bringt. Einige der Trainer, die Menschenaffen die Zeichensprache beibringen, bedienen sich des Nachbildens in besonderem Maße. Dabei nimmt der Trainer die Hände des jungen Schimpansen und bringt sie in die gewünschte Position oder macht mit ihnen die Bewegungen; schließlich soll der Affe das Bild gezeigt bekommen und die Bewe gungen spontan ausführen. Nachbilden war das Geheimnis der „lebenden Statuen“, einer um die Jahrhundertwende sehr populären Zirkusnummer, bei der lebende Menschen und Pferde eine Pose einnahmen, die berühm ten Gemälden oder Skulpturen ähnelte. Die Zuschauer liebten diese Bewegungslosigkeit. Wenn die Lichter angingen, waren sie alle da, zürn Beispiel Napoleons Truppen in Waterloo, mitten in ihrer Bewegung - und nicht nur die Männer, sondern auch die Pferde, mit gebogenem Hals, Vorderbeinen in die Luft gestreckt, wie versteinert. Mir wurde gesagt, man hätte die Pferde stundenlang massiert, bis sie ganz entspannt waren, dann habe man sie wie Ton in die gewünschte Positur geformt und sie bestärkt, darin zu verharren. Mir persönlich erscheint das Nachbilden als Ausbildungshilfe etwas fragwürdig, auch wenn es weithin eingesetzt wird. So lange der Trainee das Verhalten nicht zeigt oder es zumindest nicht zu zeigen versucht, ohne festgehalten, gedrängt oder modelliert zu werden, wird er dabei wohl nicht viel lernen. Häufig lernt er nur zuzulassen, dass er durch die Bewegungen geführt wird: Der Hund, dem so das Apportieren beigebracht wird, lernt, dass man seinen Fang mit dem Bringholz zwischen seinen Kieferknochen zuhält. Wenn der Mensch aber wieder loslässt, lässt auch er los. Das Kleinkind, das auf einen Kinderstuhl gesetzt wird, bleibt dort so lange ruhig sitzen, wie man es dort festhält, sobald man aber die Hände wegnimmt, steht es auf und fängt an zu zappeln. Derjenige, der nachbildet oder modelliert, wird also trainiert - nämlich immer länger zu halten oder zu fuhren. Lässt man einen Trainee nur lange oder oft genug dieselben Bewegungen machen, könnte es sein, dass er schließlich auch lernt, das gewünschte Verhalten zu zeigen. Manchmal funktioniert es so, doch kann es gelegentlich eine ganze Weile dauern. Die Einsicht ,Aha! Die wollen, dass ich selbst das mache!“ ist vonnöten, soll aus dem anfänglichen Geführtwerden ein eigenständiges Tun werden. So etwas von einem Tier zu verlangen,
bedeutet eine ganze Menge. Und selbst wenn der Trainee Einstein persönlich wäre, bedeutet die Hoffnung auf Erleuchtung durch ständige Wiederholung eine Vergeudung wertvoller Traini ngszeit. Damit das Nachbilden funktioniert, muss es mit dem Prozess des Formens kombiniert werden. Bringt ein Trainer also einen Trainee in die richtige Position oder führt ihn durch eine Bewegung, so achtet er auf den leisesten Ansatz, den der Trainee selbst in die richtige Richtung zeigt, und bestärkt diesen dann. Die Kieferknochen des Hundes umschließen das Bringholz ganz leicht, der Golfspieler beginnt, den Schläger ruhig zu schwingen., die Hände des jungen Schimpansen bewegen sich ganz von selbst - dies sind die Momente, die gelobt und bestärkt werden. Anschließend kann man diese neue Fertigkeit formen und sich langsam aus dem Nachbilden heraus schleichen. Häufig erweist sich die Kombination aus Nachbilden und Formen als effektiver Weg, ein Verhalten einzutrainieren. Es ist die Kombination dieser beiden Elemente, die funktioniert, nicht das Nachbilden allein.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten Praktisch jeder Organismus kann in seinem Verhalten geformt werden. Psychologen haben winzige Babys trainiert, mit ihren Ärmchen zu winken, damit das Licht in ihrem Zimmer an- und ausgeht. Vögel kann man formen, auch Fische. Einmal habe ich einen großen Einsiedlerkrebs dazu gebracht, mit seinen Greifarmen an einem Faden zu ziehen und dadurch eine Glocke ertönen zu lassen. (Der Trick dabei war, in dem Moment den Krebs zu füttern, in dem seine mit einem Faden verbundenen Greifarme ziellos umherwedelten. Mit Hilfe einer feinen langen Sezierpinzette konnte ich Krabbenstückchen direkt in sein Maul führen.) Richard Herrnstein, ein Professor an der Harvard-Universität, erzählte mir, er habe einmal eine Kammmuschel geformt, mit ihren Schalenhälften zu klappern, um als Belohnung etwas Futter zu bekommen (Nicht erzählt hat er mir, wie er der Muschel das Futter gegeben hat.) Die Ausbilder von Meeressäugetieren brüsten sich gern damit, es gelänge ihnen, jedes Tier zu allen nur denkbaren Verhaltenswei sen zu formen, zu denen es körperlich und geistig in der Lage sei. Und soweit ich weiß, können sie es wirklich. Eines der Resultate der Trainings arbeit, insbesondere in Verbindung mit für den Trainee erfolgreichen Erfahrungen, besteht darin, im Laufe der Sitzungen die Zeitspanne der Konzentrationsfähigkeit zu verlängern. Was wir formen, ist eigentlich die Dauer der Aufmerksamkeit und Teilnahme. Bei einigen Organismen ist die Zeitspanne der Aufmerksamkeit von Natur aus kurz. Von unreifen Organismen - wie Welpen, Fohlen, Babys - sollten niemals mehr als drei bis vier Wiederholungen eines bestimmten Verhaltens verlangt werde n. Mehr Druck kann ihnen den Mut nehmen oder Angst machen. Dies bedeutet aber nicht, dass unreife Organismen nicht lernen können. Sie lernen ständig, allerdings in kleinen Häppchen. Ein Bekannter, Kapitän eines Fischerbootes, brachte seiner vier Monate alten Enkelin „Gib mir alle Fünfe!“ bei, wobei das Baby mit seiner geöffneten kleinen Hand voller Begeisterung gegen die Handfläche des Großvaters klatschte. Dieses winzige Abbild der bei Jazz-Musikern üblichen Begrüßung war für die Zuschauer immer ein Hit Erreicht hatte er dies mit einigen, nur wenige Momente dauernden „TrainingsSitzungen“. Biologisch bedingte Einschränkungen ergeben sich für das Formen nicht nur aufgrund des geringen Alters. Gewisse Verhaltensweisen sind für einige Arten etwas ganz Natürliches, für andere wiederum bedeuten sie eine Überforderung. So ist es zum Beispiel für Schweine schwierig, etwas zwischen den Zähnen zu halten. Sie leinen aber schnell, mit ihrer Schnauze etwas vorwärts zu schubsen. Die meisten Hunderassen wurden auf ein bestimmtes Verhalten und auch Aussehen hin gezüchtet: Einem Collie das Hüten einer Herde beizubringen, ist kaum notwendig, da das hierfür notwendige Verhalten angezüchtet ist. Dagegen wäre es eine schwierige Aufgabe, einem Basset das Hüten beibringen zu wollen. Einige Fertigkeiten lassen sich in bestimmten Entwicklungsphasen leichter lernen. So könnte
man ein Mungobaby bis zum zarten Alter von sechs Wochen zähmen und zu einem netten Haustier machen, zu einem späteren Zeitpunkt allerdings nicht mehr. Man sagt, der Mensch könne im Kindesalter eine Sprache leichter lernen als im Erwachsenenalter. Sprachwissenschaftler fanden vor kurzem jedoch heraus, dass Erwachsene, die den Willen zum Lernen mitbringen, eine Sprache schneller lernen können als die meiste n Kinder und Teenager. Schwimmen zu lernen, ist wohl für Erwachsene schwieriger. Wir gehören zu den sehr wenigen Arten, die nicht von Natur aus schwimmen können, und obwohl man einem Erwachsenen beibringen kann, sich auf dem Wasser treiben zu lassen und die richtigen Bewegungen zu machen, habe ich noch nie jemanden erlebt, der erst im Erwachsenenalter schwimmen gelernt hat und sich in tiefen Gewässern ausgelassen und locker bewegt. Wie steht es nun mit dem Formen des eigenen Verhaltens? Dafür steht eine ganze Reihe von Programmen zur Verfügung, zum Beispiel bei Nichtrauchervereinigungen, den Weight Watchers usw. In der Mehrzahl bedienen sich diese Programme Methoden der Verhaltensformung, sie werden gewöhnlich mit Verhaltensänderung bezeichnet und sind mehr oder weniger erfolgreich. Die Schwierigkeit hegt meiner Ansicht nach wohl darin, dass man sich selbst bestärken muss. Dann aber gibt es keine Überraschungen - der Trainee weiß immer, was der Trainer als nächstes tun wird. So ist es dann schrecklich einfach zu sagen: „Zum Teufel mit dem nächsten Pluspunkt auf meiner Karte, ich rauche lieber eine Zigarette.“ Untersuchungen haben ergeben, dass bei einigen Menschen jedes Programm des Selbstformens funktioniert. Andere sind erst erfolgreich, nachdem sie zuvor drei oder vier Programme ausprobiert oder eine bestimmte Methode öfters wiederholt haben. Solchen Menschen gelingt es in der Tat, eine Gewohnheit zu ändern oder eine Sucht aufzugeben, allerdings kaum schon beim ersten Versuch. Anderen kann mit einer Art Hypnose oder Selbsthypnose geholfen werden. Der Seniorchef eines großen Verlages berichtete mir, es sei ihm gelungen, seine starke Zigarettensucht dadurch aufzugeben, dass er von einem Hypnotiseur gelernt habe, sich durch Selbsthypnose in eine Art leichter Trance zu versetzen. Immer dann, wenn er einen übermächtigen Drang verspürte, sagte er ein Mantra (ein religiöser Spruch der Inder) oder eine Zauberformel in Form eines Satzes wie: „Ich will nicht rauchen“. Für ihn war das, als ob sich durch diese Technik ein Vorhang zwischen ihn und die Zigarette senkte. Erleichterung und Selbstgratulation waren dann die Bestärkung. Vielleicht sprechen solche Hypnosetechniken das Unterbewusstsein genauso wie ein Trainer an und bewirken eine gewisse Trennung von dem Trainee, dem Bewusstsein, wodurch dann positive und negative Bestärkungen eine größere Wirkung entfalten. Aus reiner Neugier habe ich während des Schreibens dieses Buches mehrere Selbsttrainingsprogramme ausprobiert zwei Gruppenprogramme und zwei Selbsthilfeprogramme - um mit dem Rauchen aufzuhören, meditieren zu lernen, das Gewicht zu kontrollieren und mit Geld besser umzugehen. Bei allen war ich mäßig erfolgreich, allerdings nicht unbedingt gleich beim ersten Versuch. Bei einigen Programmen dauerte es länger als ein Jahr. Das meiner Ansicht nach bei der Selbstbestärkung wirksamste und allen Programmen gemeinsame Element war das Aufschreiben der erzielten Resultate. Die Resultate musste ich jeweils so aufschreiben, dass ich die Verbesserungen auf einen Blick erkennen konnte. Zu diesem Zweck bediente ich mich grafischer Darstellungen. Folglich konnte mein schlechtes Gewissen nach einem Fehler durch einen Blick auf die Grafik gemildert werden, weil ich sehen konnte, dass sich mein Verhalten in den vergangenen sechs Monaten sehr gebessert hatte, Bis zur Perfektion war es wohl noch ein langer Weg, aber die „Kurve“ oder die absteigende Linie der Grafik führte in die richtige Richtung und war der sichtbare Beweis für die Verbesserung. Und auch wenn die Bestärkung nur schwach und langsam vonstatten ging, verschaffte sie mir meist doch die Motivation, die ausreichte, um weiterzumachen. Eine wunderbare und erfolgreiche Art des Selbsttrainings bietet der Computer. Unterhaltsame Bestärkungen können in das Computerprogramrn eingebaut werden, so dass der Lernprozess schnell erzielt wird und das Formen Spaß macht. Selbsttraining mit Hilfe des Computers ist heute eine höchst viel versprechende Anwendung der Regeln positiver Bestärkung.
Formen ohne Worte In herkömmlichen Trainings Situationen, wie z.B. einer Tennisstunde, weiß der Trainee, dass er geformt wird und ist gewöhnlich bereit, an dem Prozess des Formens mitzuwirken. Folglich muss man nicht einfach auf die Reaktion warten und sie dann bestärken. Mit Worten etwas nachzuhelfen, kann nicht schaden, zum Beispiel mit: „Mach das so. Gut. Mach es noch mal. Gut.“ In zwanglosen Situationen des täglichen Lebens sollte man beim Formen wohl besser ohne Anweisungen oder wortreiche Diskus sionen auskommen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine unordentliche Zimmerkameradin, die ihre schmutzige Kleidung überall herumliegen lässt, und wortreiche Ermahnungen - Schimpfen, Vorwürfe etc. - hätten nichts gefruchtet. Können Sie Ordnungssinn formen? Vielleicht ja.
Natürlich würden Sie zuerst einen Plan mit den ersten Schritten und den Zwischenschritten aufstellen, mit denen Sie Ihr Ziel erreichen wollen. Damit die schmutzige Wäsche zum Beispiel immer in den Wäschekorb gelangt, könnten Sie mit einer Socke anfangen und das Verhalten dadurch erzielen, dass Sie den Wäschekorb genau in dem Moment hinhalten, in dem die Socke auf den Boden fliegt. Bestärken können Sie mit Worten, durch Berührung oder mit irgendetwas, worauf Ihrer Ansicht nach Ihre Zimmergenossin reagieren oder was sie akzeptieren wird. Menschen sind nicht blöd. Sie ändern ihr Verhalten nach nur wenigen Bestärkungen. Auch wenn das Hinwerfen schmutziger Wasche eigentlich ein Akt unterschwelliger Aggression gegen Sie selbst ist, können Sie durch den Einsatz positiver Bestärkung einen ständigen und sichtbaren Fortschritt zu einer Ordnung hin erzielen, die Sie für angemessen halten. Bei dieser Art des Formens gibt es allerdings zwei Stolpersteine. Erstens ist es nämlich einfacher, Fehler zu bemerken als Verbesserungen. Und uns, die wir uns des Wortes bedienen, fällt es leichter, Vorhaltungen für ein nicht eingehaltenes Kriterium zu machen, als ein Ergebnis zu bestärken. Das aber kann den ganzen Prozess zum Scheitern verurteilen. Der zweite Stolperstein kann entstehen, wenn man versucht ist, über die Absicht zu sprechen, eine Person formen zu wollen. Dadurch kann die Absicht regelrecht hinfällig werden. Wenn Sie also sagen: „Ich werde dich jetzt bestärken“ - damit du die Wäsche in den Korb tust, kein Marihuana rauchst, weniger ausgibst, oder was auch immer - bestechen oder versprechen Sie etwas, aber bestärken eben nicht. Erfährt eine Person, dass sie geformt werden soll, so wehrt sie sich vielleicht dagegen und benimmt sich noch schlimmer. Ergebnisse erzielt man dann, wenn man etwas tut, und nicht, wenn man darüber spricht. Und wenn Sie es schaffen, das Verhalten eines Menschen erfolgreich zu formen, sollten Sie später damit nicht prahlen. Manche begreifen es nie und wollen unbedingt zeigen, was sie geleistet haben. Bestenfalls fühlt sich derjenige herablassend behandelt. Eine solche Prahlerei ist auch der beste Weg, sich den Trainee lebenslang zum Feind zu machen. Davon einmal abgesehen: Wer hat eigentlich die harte Arbeit geleistet, während Sie jemandem dadurch geholfen haben, eine Fähigkeit zu verbessern oder sich von einer schlechten Angewohnheit zu trennen, indem Sie Ihr eigenes Verhalten geändert haben, um entsprechend bestärken zu können? Der Trainee nämlich. Kluge Eltern brüsten sich niemals damit, wie gut sie ihre Kinder erzogen haben. Zum einen wissen wir alle, dass dies eine nicht enden wollende Aufgabe ist, zum anderen verdienen die Kinder unsere Achtung - und wenn es auch nur dafür wäre, dass sie unsere Erziehungsfehler überlebt haben. Da das Formen von Menschen stillschweigend ausgeführt werden kann oder sogar muss, riecht es einigen sehr nach Manipulation. Das halte ich für ein Missverständnis. Warum das Formen non-verbal, also ohne Worte, geschehen muss, liegt in der Tatsache begründet, dass wir an einem Verhalten und nicht an Vorstellungen arbeiten und nicht nur an dem Verhalten des Trainees, sondern auch an unserem eigenen.
Da sich das Verhalten von Menschen formen lässt, ohne dass diese sich bewusst sind, was man tut, und ohne dass sie hierfür ihr Einverständnis gegeben haben, wie zum Beispiel bei einer Tennisstunde, ist man fast schon gezwungen, ein Verhalten non-verbal zu formen. Ist es dann nicht auch möglich, Menschen zu formen, schreckliche Dinge zu tun? Das ist in der Tat so und gilt insbesondere dann, wenn als negative Bestärkung ein aversiver Reiz eingesetzt wird, der an sich schon so stark ist, dass er bloße Angst oder sogar schieres Entsetzen hervorrufen kann. In Versuchen haben Psychologen ein Phänomen entdeckt, das sie als „erlernte Hilflosigkeit“ bezeichnen. Wird einem Tier beigebracht, einen aversiven Reiz zu vermeiden, zum Beispiel einen elektrischen Schlag, indem es einen Hebel betätigt oder sich in eine andere Ecke seines Käfigs begibt, und kommt es dann in einen Käfig, in dem es dem elektrischen Schlag nicht ausweichen kann, so wird es diese Meideversuche allmählich aufgeben. Es wird vollständig gefügig und passiv und wird vielleicht sogar dann liegen bleiben und den Reiz akzeptieren, wenn der Weg in die Freiheit wieder offen ist. Beim Menschen ist die „Gehirnwäsche“ möglicherweise ein ähnliches Phänomen. Hier ist ein Mensch starken Entbehrungen und unabwendbaren Schmerzen oder Furcht ausgesetzt, und die aversiven Reize werden anschließend als negative Bestärkung benutzt - vielleicht in Form unvorhersehbarer Ereignisse, die der Trainee durch eine Veränderung seines Verhaltens vermeiden bzw. abwenden kann. Tiere können an solchen Situationen zerbrechen; Menschen sind in dieser Hinsicht zäher, einige würden alles tun, um die negative Bestä rkung zu vermeiden. Nehmen wir die Fotos von Party Hearst als Beweis, auf denen sie bei einem Banküberfall mit einem Maschinengewehr in der Hand dargestellt ist. Während auf der einen Seite diejenigen, die sie gefangen nahmen, hierfür kein Buch mit Erklärungen brauchten, sollten wir auf der anderen Seite nicht alle besser gegen solche Ereignisse geschützt sein, wenn wir verstünden, wie die Regeln des Formens funktionieren?
Reizkontrolle: Kooperation ohne Zwang Was sind Reize? Unter einem Reiz versteht man all das, was irgendeine Reaktion hervorruft. Manche Reize können ohne vorausgegangenes Lernen oder Training Reaktionen verursachen. Bei einem lauten Geräusch zucken wir zusammen, blinzeln bei grellem Licht und lassen uns von einem appetitlichen Duft gern in die Küche locken. Tieren geht es ebenso. Solche Geräusche, Lichter und Gerüche bezeichnet man als unkonditionierte oder primäre Reize. Andere Reize werden durch Verknüpfung gelernt. Für sich allein können sie bedeutungslos sein, sie sind aber zu erkennbaren Signalen für Verhalten geworden: Ampeln lassen uns anhalten und weitergehen, wir stürzen zum Telefon, wenn es klingelt; wir drehen uns um, wenn jemand auf einer lauten Straße unseren Namen sagt, und so weiter Jeden Tag reagieren wir auf eine Vi elzahl gelernter Signale, die als konditionierte oder sekundäre Reize bezeichnet werden. Bei einem Großteil der herkömmlichen Ausbildungsmethoden geht es um die Etablierung konditionierter Reize. Der Ausbilder eines Zuges Rekruten und der Hundebesitzer in einer Trainingsgruppe sind gleichermaßen und in erster Linie daran interessiert, dass ihre Auszubildenden die gegebenen Befehle ausführen, Befehle, bei denen es sich eigentlich um konditionierte Reize handelt. Dass ein Hund Sitz machen oder ein Mann anhalten kann, ist an sich nicht sehr beeindruckend, wohl aber, dass er es präzise und auf Befehl tut. Das bezeichnen wir als Gehorsam - es ist aber nicht der reine Erwerb von Verhaltensweisen, sondern die Garantie, dass sie auf ein Signal hin gezeigt werden. Die Psychologen nennen dies „ein Verhalten unter Reizkontrolle bringen“. Ein solches ist schwer zu trainieren. Das Training folgt bestimmten Regeln, und diese Regeln sind es wert, untersucht zu werden.
Was ist, wenn Sie niemals in Ihrem Leben einen Hund herumkommandieren oder eine Mannschaft ausbilden wollen? Dennoch kann es Ihnen von Nutzen sein, wenn Sie die Grundprinzipien der Reizkontrolle verstehen. Wenn zum Beispiel Ihre Kinder trödeln und nicht kommen, wenn Sie sie rufen, dann besitzen Sie wenig Reizkontrolle. Leiten Sie Menschen an und müssen eine Anweisung manchmal zwei- oder dreimal geben, bevor sie ausgeführt wird, dann haben Sie ein Problem mit der Reizkontrolle. Haben Sie sich schon jemals sagen hören: „Ich habe dir schon einmal gesagt, .... ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du ...“ (nicht die Tür zuknallen sollst, nicht die nassen Schwimmsachen auf dem Sofa liegenlassen sollst und so weiter)? Wenn das, was Sie sagen, nicht beim ersten und auch nicht beim tausendsten Mal wirkt, unterliegt das Verhalten nicht der Reizkontrolle. Manchmal denken wir, wir besäßen diese Reizkontrolle, wenn dies in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist. Wir erwarten, dass ein Signal oder ein Befehl ausgeführt wird, aber es geschieht nichts. Das Signal zu verstärken, ist eine ganz normale menschliche Reaktion darauf. Der Kellner versteht Ihr Französisch nicht? Sie sprechen lauter. Gewöhnlich bringt das nichts. Der Trainee muss das Signal erkennen, anderenfalls ernten Sie auf Ihr Schimpfen oder Schreien wie durch eine hochtechnische Lautsprecheranlage nur einen verständnislosen Blick. Eine andere menschliche Reaktion auf das Ausbleiben einer Reaktion auf einen konditionierten Reiz ist, wütend zu werden. Dies funktioniert nur, wenn die Person absichtlich keine gut gelernte Reaktion auf ein gut gelerntes Signal zeigt. Dann kann gelegentlich ein temperamentvoller Ausbruch ein gutes Verhalten auslösen. Manchmal reagiert der Trainee richtig, aber erst mit Verspätung oder zögerlich. Kommt die Reaktion auf einen Befehl häufig nur schwerfällig, kann es daran liegen, dass der Trainee nicht gelernt hat, schnell zu reagieren. Ohne positive Bestärkung nicht nur für die richtige, sondern auch für die sofortige Reaktion auf ein Signal, hat der Trainee nicht die Möglichkeit zu lernen, dass das Befolgen von Signalen Vorteile bringt. Das Verhalten untersteht in der Tat nicht der Reizkontrolle. Im täglichen Leben geht man mit der Reizkontrolle sehr häufig schlecht um. Versucht eine Person, Autorität auszuüben, wird wahrscheinlich die aridere wegen „Ungehorsams“ Ärger bekommen. Das eigentliche Problem sind aber Befehle, die nicht verstanden werden, und Signale, die nicht befolgt werden können - eine schlechte Kommunikation oder eine schludrige Reizkontrolle.
Die Regeln der Reizkontrolle Zur Etablierung der Reizkontrolle wird zunächst das Verhalten geformt und dann der Moment, in dem das gewünschte Verhalten während oder nach einem bestimmten Signal angeboten wird. Dieses Signal wird für das Verhalten dann zum Auslöser. Nehmen wir zum Beispiel einmal an. Sie hätten Ihrem Hund das „Sitz“ dadurch vermittelt, dass Sie seine Hinterhand herunterdrücken und ihn am Halsband hochziehen. Das sind unkonditionierte Reize; sie funktionieren, ohne dass sie gelernt werden müssen. Dann bestärken Sie eine freiwillig angebotene Zusammenarbeit und formen so das „Sitz“. Das tun Sie, während Sie „Sitz“ sagen. Anfangs hat dieses Wort (natürlich tut es jedes andere Wort in einer anderen Sprache auch) für den Hund keinerlei Bedeutung. Hat der Hund gelernt, dass er sich manchmal hinsetzen soll, kann er die Aufgabe des Hinsetzens während oder nach dem Signal „Sitz“ oder dem konditionierten Reiz in sich aufnehmen. Schließlich wird er sofort und voller Vertrauen dann „Sitz“ machen, wenn man es ihm sagt. Jetzt ist das Verhalten unter Reizkontrolle, nicht wahr? Falsch! Wir haben erst die Hälfte erreicht. Das Tier muss jetzt auch lernen - und das ist eine ganz andere Aufgabe -, nur dann Sitz zu machen, wenn es hierfür einen Befehl bekommen hat. Nur dann ist ein Verhalten vollständig unter Reizkontrolle, wenn es bei Fehlen des konditionierten Reizes ausgelöscht ist, also nicht auftritt.
Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Hund den ganzen Tag stehen muss, bis Sie „Sitz“ sagen. Inder Zeit, in der wir nichts von ihm verlangen, kann er tun und lassen, was er will. Soll eine Leistung zuverlässig erbracht werden, müssen der „Tu es“ und der „Tu es nicht“ Aspekt eines Signals in einer Trainings- oder ArbeitsSituation, wenn konditionierte Reize oder Signale verwendet werden, fest etabliert sein. Die vollständige, perfekte Reizkontrolle ist durch vier Bedingungen definiert, die jeweils als gesonderte Trainingsaufgabe angegangen werden müssen, als einzelne Bestandteile des Rezepts, das man Formen nennt: 1.
Das Verhalten geschieht immer sofort nach dem Einsatz des konditionierten Reizes (der Hund macht „Sitz “, wenn man es ihm sagt).
2.
Das Verhalten geschieht nie bei Fehlen eines Reizes (währendeines Trainings oder einer Arbeitssitzung macht der Hund niemals spontan „Sitz“).
3.
Das Verhalten geschieht niemals als Reaktion auf einen anderen Reiz (sagen Sie stattdessen „Platz “, bietet der Hund nicht das „Sitz“ an).
4.
Als Reaktion auf diesen Reiz wird kein anderes Verhalten gezeigt (sagen Sie „Sitz“, reagiert der Hund nicht mit „Platz“, mit Aufspringen und leckt auch nicht Ihr Gesicht ab).
Nur wenn alle vier Bedingungen zusammentreffen, hat der Hund das Kommando „Sitz“ wirklich und voll verstanden. Dann ist die Reizkontrolle vollständig. Wo und wann benutzen oder brauchen wir im täglichen Leben eine vollständige Reizkontrolle? Zum Beispiel in der Musik. Orchesterdirigenten machen von der Reizkontrolle oftmals komplexen Gebrauch. Während einer Probe können einem Dirigenten unter schiedliche Arten von Verhaltensfehlern begegnen. So kann er zum Beispiel ein Zeichen für eine Reaktion geben - sagen wir einmal für „forte“, lauter - und diese Reaktion vielleicht deswegen nicht bekommen, weil er die Bedeutung dieses Signals noch nicht aus - den Fall, dass ich sie einmal in einem Mietstall unterbringen musste, nicht nur auf meine Kommandos zu reagieren, sondern auch auf alle anderen Signale und Worte, deren sich traditionelle Trainer bedienen. Es war nicht nur möglich, sondern auch einfach, die Ponys auf zwei unterschiedliche Kommandosysteme zu trainieren. Auch wenn man einerseits nicht will, dass auf einen einzigen Reiz mehr als ein Verhalten gezeigt wird, sind verschiedene konditionierte Reize für ein Verhalten gut denkbar. So kann zum Beispiel in einem überfüllten Raum ein Sprecher um Ruhe bitten, indem er „Ruhe“ brüllt oder aufsteht und mit einer Hand eine besänftigende Geste macht. Sind in einem Raum die Leute laut und leicht betrunken und folglich auch unaufmerksam, wird es funktionieren, mit einem Löffel an ein Wasserglas zu schlagen. Wir alle sind darauf konditioniert, dieses eine Verhalten auf mindestens drei verschiedene Reize zu zeigen. Einen zweiten konditionierten Reiz für ein gelerntes Verhalten zu setzen, nennt man Reizübertragung oder Reiztransfer. Für eine solche Übertragung gibt man den üblichen, alten Reiz - vielleicht einen Lautbefehl - und dazu den neuen - zum Beispiel ein Handzeichen - und bestärkt dabei die Reaktion. Dann setzt man den alten Reiz weniger klar ein: richtet die Aufmerksamkeit auf den neuen hin, macht diesen also so lange viel offensichtlicher, bis die Reaktion auf den neuen Reiz genauso gut ist wie auf den ursprünglichen. Gewöhnlich funktioniert dies sogar etwas schneller als beim Original, weil das „zeige dieses Verhalten“ und „zeige dieses Verhalten auf Befehl“ bereits etabliert worden sind und das „zeige dieses Verhalten auch auf einen anderen Befehl“ somit leichter gelernt wird.
Stärke und Abschwächung der Reize Der erfolgreiche Einsatz konditionierter Reize bedingt kein bestimmtes Volumen oder keine bestimmte Größe des Reizes. Ein primärer oder unkonditionierter Reiz erzeugt, abhängig von seiner Stärke, unterschiedliche, abgestufte Ergebnisse. Die Reaktion kann auf einen tiefen Stich viel stärker als auf einen Nadelstich sein; und je lauter das Geräusch ist, desto mehr erschreckt es auch. Um eine Reaktion auszulösen, muss ein konditionierter Reiz dagegen lediglich erkannt werden. Sie sehen, dass die Ampel auf rot steht und halten an. Sie halten also nicht schneller oder langsamer an, nur weil die Ampelanlage zum Beispiel besonders groß ist. Sie wissen also, was Sie tun müssen, so lange Sie das Signal sehen. Ist ein Signal also einmal gelernt, so lässt es sich nicht nur übertragen, es kann auch immer kleiner werden, kaum noch erkennbar sein, aber dennoch zu denselben Ergebnissen führen. Letztendlich lassen sich Ergebnisse mit einem so winzig kleinen Signal erreichen, dass dieses von Nebenstehenden gar nicht mehr erkannt wird. Dies bezeichnet man als Abschwächen eines Signals. Des Abschwächens bedienen wir uns ständig: Was anfangs einmal ein sehr ausgeprägter Reiz war („Nein, Dickie, den anderen Kindern schütten wir keinen Sand über den Kopf, dabei ziehen wir Dickie mit Gewalt aus der Sandkiste heraus), wird mit der Zeit zu einem kleinen Reiz (l ediglich ein Stirnrunzeln oder ein kurzes Drohen mit dem Zeigefinger). Manchmal kommen Tiertrainer mit derart abgeschwächten Reizen zu wundervollen, scheinbar magischen Ergebnissen. Eine der lustigsten Vorstellungen sah ich im Tierpark in San Diego, als ein Papagei als Reaktion auf eine winzige Handbewegung seines Trainers in hysterisches Lachen ausbrach. Die Möglichkeiten lagen ganz offen auf der Hand: „Pedro, wie findest du den Hut dieses Mannes?“ „Hahahahahahaa...“ Da das Publikum das Signal nicht sah, schien das einfache, gelernte Verhalten der Ausdruck einer boshaften Intelligenz, die die Frage scharfzüngig beantwortete. Tatsächlich war es eine gut getimte Reaktion auf einen gut abgeschwächten Reiz. Wenn überhaupt, war die boshafte Intelligenz dem Trainer oder vielleicht dem Drehbuchschreiber eigen. Die weitaus besten Beispiele für die Konditionierung, das Abschwächen und die Übertragung von Reizen habe ich nicht in der Welt des Tiertrainings, sondern bei Orchesterproben beobachtet. Als Laiensängerin habe ich in verschiedenen Opern- und Symphoniechören häufig unter Gastdirigenten gesungen. Wahrend viele der Signale, die Dirigenten ihren Musikern geben, mehr oder weniger standardisiert sind, hat jeder auch persönliche Signale, deren Bedeutung kurzfristig etabliert werden muss, denn die Probenzeit übersteigt oft kaum die Aufführungszeit. Als in einer Probe zu Mahlers ...Auferstehungssymphonie“ die Bässe gerade ihren gewöhnlich heftigen Einsatz hatten, beobachtete ich, wie der Dirigent durch einen veränderten, aufgeregten Gesichtsausdruck und heftige Armbewegungen einen unkonditinoierten Reiz für „weich einsetzen“ etablierte. Jeder verstand die Bedeutung, in den nächsten Minuten war der Dirigent in der Lage, den Reiz abzuschwächen; es gelang ihm, die Lautstarke im gesamten Chor mit einem warnenden Blick oder einem kurzen Ducken, einer raschen Wiederholung der Geste und schließlich nur noch durch ein Schulterzucken zu reduzieren. Dirigenten übertragen Reize häufig auch, indem sie eine bekannte oder offensichtliche Geste - eine Auf wärtsbewegung mit dem Taktstock für „lauter“ - mit einem Kopfnicken oder einer Körperdrehung kombinieren. Als ich mich einmal links von einem Gastdirigenten bei den Alt-Stimmen befand, sah ich, wie er alle Signale für die Alt-Stimmen auf den linken Ellenbogen übertrug. Als Ergebnis der Etablierung einer Reizkontrolle muss der Trainee aufmerksam sein, will er für eine korrekte Reaktion eine Bestärkung bekommen, insbesondere dann, wenn ein ganz feiner Reiz gegeben wurde. Der Trainee kann in der Tat Signale wahrnehmen, die so subtil sind, dass ein Trainer nicht einmal gewahr ist, ein solches gegeben zu haben. Ein klassisches Beispiel ist der Kluge Hans, ein Pferd, das zur Jahrhundertwende in Deutschland lebte und das man für genial hielt. Durch das Scharren mit seinem Huf konnte er zählen, rechnen, buchstabieren und sogar Wurzeln ziehen. Natürlich wurden richtige Antworten mit einem Leckerbissen belohnt. Der Besitzer des Tieres, ein pensionierter Schullehrer, dachte wirklich, er hätte seinem Pferd
beigebracht, zu lesen, zu denken, zu rechnen und zu kommunizieren. Es antwortete nämlich auch bei Abwesenheit seines Besitzers. Viele gelehrte Herren reisten nach Berlin, um den Klugen Hans zu studieren und waren von der Genialität des Pferdes überzeugt. Ein Psychologe bewies schließlich, dass das Pferd häufig auf Signale reagierte, da es dann, wenn niemand im Raum die Antwort wusste, ohne Unterlass scharrte. Es bedurfte weiterer Untersuchungen - unter dem Protest derjenigen, die von der Genialität des Pferdes überzeugt waren -, um nachzuweisen, dass das Signal zum Aufhören, wenn die richtige Zahl erreicht war, aus einem minimalen Kopfheben des Besitzers oder einer anderen Person im Raum bestand. Es war eine ursprünglich durch den breitkrempigen Hut, den der Lehrer trug : überbetonte Bewegung, die inzwischen so klein geworden war, dass man (außer der Kluge Hans) sie kaum sehen und trotz Bemühens kaum unterdrücken konnte. Durch die Beobachtung auch der anderen Leute, nicht nur seines Besitzers, wusste das Pferd, wann es zu scharren aufhören musste. Das Phänomen des „Klugen Hans“ ist nun ein Synonym für ein scheinbar erstaunliches Verhalten, das von der Intelligenz der Tiere bis zu psychischen Phänomenen reicht, in Wirklichkeit aber durch ein minimales oder abgeschwächtes und zu einem konditionierten Reiz gewordenes Verhalten seitens des Versuchsleiters häufig unbewusst ausgelöst wird.
Konditionierte, aversive Reize Allein bei der herkömmlichen Ausbildung eines Haustiers scheint die Intensität eines konditionierten Signals einen Unterschied zu machen. Oft ist der konditionierte Reiz (ein Ruck an den Zügeln oder an der Leine, ein Tritt in die Rippen des Pferdes) die abgeschwächte Form des ursprünglichen, unkonditionierten Reizes (des harten Rucks, Schlags oder Tritts), der eine nichttrainierte Reaktion hervorrief. Wenn also das leichte Signal nichts bewirkt, sollte man wohl durch ein stärkeres Signal eine größere Reaktion hervorrufen können. Dies in die Praxis umzusetzen, ist jedoch problematisch.
Anfänger sind sich nicht bewusst, dass gelernte Signale und primäre Signale zwei unterschiedliche Dinge sind. Bekommen sie zum Beispiel auf einen leichten Zug keine Reaktion, dann ziehen sie etwas mehr, während das Pferd oder der Hund zur gleichen Zeit immer stärker in die entgegengesetzte Richtung drängt, und haben damit keinen Erfolg. Professionelle Ausbilder setzen Auslöser und Gewalt gern getrennt ein. Sie geben einen konditionierten Reiz und lösen bei Nichtbefolgen das Verhalten sogleich mit einem extrem starken, aversiven Reiz aus, der, wie ein Pferdetrainer sagt, ausreicht, um „das Gedächtnis aufzufrischen“. In der Hundeausbildung ist das beim Stachelhalsband so. Hat eine kleine, schmächtige Person es richtig gelernt, kann sogar sie mit einem solchen Halsband eine Dogge umwerfen, wenn sie nur kraftvoll genug schnell nickt und wieder loslässt. Hält man sich dieses primäre Signal in Reserve, so lassen sich rasch gute Reaktionen auf einen sehr sanften Ruck hin entwickeln. Auf die Dauer ist dies, wie es schon die britische Trainerin Barbara Woodhouse ausführte, viel freundlicher, als ständig mit einer wirkungslosen Kraftanstrengung immer wieder am Hals des armen Tieres herumzurucken und zu ziehen.
Zeitabläufe formen mit dem Zeitfenster Zeitfenster sind eine sehr nützliche Methode, auf einen konditionierten Reiz eine sofortige Reaktion zu bekommen. Stellen wir uns zum Beispiel vor, ein Trainee habe gelernt, als Reaktion auf einen konditionierten Reiz ein Verhalten zu zeigen. Zwischen dem Setzen eines Reizes und der Reaktion des Trainees vergeht aber gewöhnlich einige Zeit. Sie rufen zürn Essen, und man kommt gemächlichen Schrittes; Sie signalisieren Ihrem Elefanten „Halt“, und er läuft noch etwas weiter, bis er schließlich stehen bleibt. Wenn man will, lässt sich dieser Zeitraum über ein Zeitfenster
soweit verkürzen, dass das Verhalten so schnell erfolgt, wie es physisch ausgeführt werden kann. Man beginnt damit, den normalen Zeitraum, in dem das Verhalten normalerweise gezeigt wird, einzuschätzen. Anschließend wird nur noch das Verhalten bestärkt, das innerhalb dieses Zeitraums auftritt. Da Lebewesen unterschiedlich sind, werden einige Reaktionen aus diesem Zeitfenster herausfallen und führen folglich nicht mehr zu einer Bestärkung. Servieren Sie das Essen zum Beispiel innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Rufen und kommt jemand zu spät, so erhält er kaltes Essen oder nur noch das, was übrig ist. Setzen Sie also einen solchen Zeitrahmen und bestärken Sie nur Verhalten, das währenddessen gezeigt wird, so werden Sie feststellen, dass allmählich alle Reaktionen innerhalb dieses Rahmens und nicht mehr danach gezeigt werden. Jetzt können Sie die Schrauben wieder anziehen. Braucht die Familie fünfzehn Minuten, bis sie sich am Tisch versammelt hat? Dann beginnen Sie, das Essen nach zwölf oder nach zehn Minuten zu servieren. Es liegt ganz in Ihrem Ermessen, wie schnell Sie die Schraube weiter anziehen. Und Sie werden sich, wie sonst beim Formen auch, in dem Bereich bewegen, in dem das Verhalten am häufigsten gezeigt wird. Tiere und Menschen haben ein sehr gut entwickeltes Zeitgefühl und reagieren mit erstaunlicher Genauigkeit auf das Training mit Hilfe des Zeitfensters. Allerdings sollten sich Trainer nicht auf Annahmen verlassen, sondern ein solches Training mit Hilfe einer Uhr, vielleicht sogar einer Stoppuhr, durchführen. Wenn Sie bei einem Verhalten die Reaktionszeit zum Beispiel von fünf auf zwei Sekunden senken wollen, zählen Sie am besten selbst mit. Beabsichtigen Sie, Menschen zu trainieren, so diskutieren Sie nicht mit ihnen darüber, sondern Sie tun es einfach und schauen, was geschieht. Es gibt sonst nur Streitereien. In den Sechziger Jahren gab es als eine der Attraktionen im Sea Life Park eine Gruppe von sechs kleinen Delphinen, die alle gleichzeitig akrobatische Kunststücke in der Luft zeigten. Als Reaktion auf Kommandos, die unter Wasser gegeben wurden, machten sie verschiedene Sprünge und Drehungen. Anfangs kamen die Sprünge und Drehungen, oder was auch immer verlangt wurde, innerhalb eines Zeitraums von fünfzehn oder zwanzig Sekunden zusammenhanglos und vereinzelt. Mit Hilfe einer Stoppuhr und der Methode des Zeitfensters gelang es uns, die Zeit bis zur Ausführung auf zweieinhalb Sekunden herunterzuschrauben. Jedes Tier wusste, dass es innerhalb von zweieinhalb Sekunden nach einem Signal mit dem richtigen Sprung oder der korrekten Drehung reagieren musste, wollte es einen Fisch bekommen. Also hielten sich die Tiere unter der Wasseroberfläche in der Nähe des Lautsprechers auf, warteten dort voller Aufmerksamkeit und flogen wie ein Sturm wirbelnder Körper durch die Luft, sobald das auslösende Signal kam, Eine recht spektakuläre Vorstellung! Als ich eines Tages einmal im Publikum saß, hörte ich, wie ein intellektueller Typ, es war wohl ein Psychologe, seinen Kollegen voller Überzeugung erklärte, diese Art der Reaktion bekäme man nur mit Hilfe von Elektroschocks. Im täglichen Leben ist ein Zeitfenster einfach die Zeit, die man bereit ist zu warten, bis Ihre Aufforderung oder Anweisung befolgt wird. Eltern, Vorgesetzte und Lehrer werden gewöhnlich dann als fair und zuverlässig angesehen, wenn sie immer im selben Zeitraum die Ausführung erwarten und auch dann, wenn das Zeitfenster, in dem das Verhalten auftreten muss, damit es bestärkt werden kann, recht kurz ist.
Die Vorahnung eines Verhaltens Die Vorahnung einer Reaktion ist bei einem durch Signale kontrollierten Verhalten ein häufig auftretender Mangel. Ist ein Signal erst einmal gelernt, so ist der Trainee begierig, das Verhalten zu zeigen, bevor das Signal überhaupt gesetzt wird. Der Ausdruck, der dieses vorwegnehmende Verhalten beschreibt, stammt aus der Leichtathletik: einen Fehlstart verursachen. Menschen, die Signale oder Wünsche anderer vorausahnen, gelten allgemein als übereifrig, kriecherisch und unterwürfig. Ihr Verhalten irritiert eher, als dass es als Tugend gilt. Solche Probleme treten gelegentlich in der Unterordnung bei Dobermännern auf. Obwohl es wunderbar zu trainierende Hunde sind, ist ihre Aufmerksamkeit so groß, dass sie Kommandos auf den leisesten Hinweis vorahnen und häufig ausführen, bevor sie gegeben werden, und folglich einen Punktabzug erhalten. Die Vorah-
nung ist im Rodeo bei Pferden, die zum Kälbereinfangen benutzt werden, ein oft auftretender Fehler. Der Cowboy und das Pferd müssen hinter einer Barriere warten, bis das Kalb hereingelassen wird und sie ein Signal erhalten. Das Pferd ist aber so aufgeregt und stürzt heraus, bevor es ein Signal bekommen hat. Gelegentlich ist der Cowboy der Ansicht, sein Pferd sei ein richtiger Renner. In Wahrheit handelt es sich aber um eine unvollständig trainierte Reizkontrolle. Sehr häufig tritt die Vorahnung auch im amerikanischen Football beim „Abseits“ auf. Ein Spieler ist so eifrig, dass er sich schon vor dem Signal zum Spielbeginn in den Bereich der gegnerischen Mannschaft begibt, wofür dann die ganze Mannschaft bestraft wird. Vom praktischen Standpunkt aus kuriert man vorwegnehmende Handlungen mit Timeouts, mit Pausen. Ahnt der Trainee das Signal voraus und ist dies unerwünscht, so stoppen Sie alle Aktivitäten. Tun Sie eine ganze Minute lang nichts und setzen Sie auch kein Signal. Stellen Sie die Uhr bei jedem Fehlstart, den der Trainee begeht, zurück. Bestrafen Sie Übereifer, indem Sie die Möglichkeit zum Arbeiten nehmen. Damit wird das Vorahnen eines Komman dos effektiv gelöscht, auch wenn Zurechtweisungen, Strafen oder Wiederholungen nichts bewirkt haben.
Verhaltensketten durch Reize als Bestärker Ist ein konditionierter Reiz erst einmal etabliert, geschieht etwas Interessantes: er wird zu einem Bestärker. Denken wir an das Pausenläuten in der Schule. Das Läuten ist ein Signal, ein konditionierter Reiz, der sagt: „Du bist entlassen, geh' raus und spiele.“ Dennoch wird es als Bestärker wahrgenommen - die Kinder freuen sich darüber, und wenn sie etwas tun könnten, damit es früher läutet, würden sie es tun. Stellen Sie sich nun eine Klingel vor, die erst läutet, wenn im Klassenraum Ruhe eingekehrt ist. Kurz vor der Pause wäre es in einigen Schulklassen g anz schön leise. Da ein konditionierter Reiz auf die Möglichkeit einer Bestärkung hinweist, wird er zu einem begehrenswerten Ereignis. Ein solches begehrenswertes Ereignis ist an sich schon ein Bestärker. Folglich lässt sich ein Verhalten in der Tat dadurch bestärken, dass der konditionierte Reiz für ein anderes Verhalten gegeben wird. Hierfür ein Beispiel: Belohne ich meine Katze mit Leckerbissen dafür, dass sie auf mein „Komm“ hin zu mir kommt, und lernt sie dies und tut es auch, und sage ich dann „Komm“ und bestärke sie jedes Mal, wenn ich sie auf dem Kaminsims sitzen sehe, dann wird sie bald immer auf dem Kaminsims sitzen, wenn sie einen Leckerbissen haben will. (Vergessen wir nicht, die Katze meint, sie trainiere mich; sie meint, sie habe einen Weg gefunden, mich dazu zu bringen, „Komm“ zu sagen.) Lehre ich sie nun noch, dann auf den Kaminsims zu springen, wenn ich dorthin zeige, und setze als Bestärker entweder das „Komm“ oder Futter ein und zeige immer dann auf den Kaminsims, (a) wenn ich weiß, dass sie Hunger hat, und (b) wenn sie sich zufällig auf dem Rücken rollt, ... dann habe ich eine Verhaltenskette eintrainiert. Verhaltensketten treten sehr häufig auf. Im täglichen Leben haben wir oft lange Sequenzen miteinander verbundener Verhaltensweisen mit vielen bekannten Schritten - in diesem Zusammenhang fallen mir Arbeiten im Haushalt oder das Heimwerken ein -und erwarten auch von unseren Tieren, dass sie das gleiche tun: „Komm“, „Sitz“, „Platz“, „bei Fuß“ und endlos so weiter, ohne dass es eine richtige Bestärkung gibt. Diese langen Verhaltensreihen sind, was wir mit Verhaltensketten bezeichnen. Weil eigentlich jedes einzelne Verhalten durch das Signal oder die Möglichkeit des nächsten Verhaltens bestärkt wird, bis die Aufgabe insgesamt beendet und bestärkt ist, kann es im Gegensatz zu einem einfachen, lang anhaltenden Verhalten eine ganze Stunde lang oder Hunderte von Malen immer wieder - bequem fortgeführt werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung oder Verzögerung kommt. Wenn sich in der Verhaltenskette aber ungelernte Elemente befinden oder solche, die nicht unter di e Reizkontrolle gebracht wurden, brechen die Verhaltensketten zusammen, und das Verhalten zerfällt insgesamt in Einzelteile. Es ist unm öglich, den Trainee mit einem Signalwort zu bestärken, das er als solches nicht
erkennt und dessen Bedeutung für die Ausführung eines Verhaltens er nicht kennt. Dies bedeutet, dass Verhaltensketten immer rückwärts trainiert werden sollten. Beginnen Sie also mit dem letzten Verhaltenselement der Kette. Stellen Sie sicher, dass das Verhalten gelernt wurde und dass der dieses Verhalten einleitende Reiz erkannt wird. Trainieren Sie erst danach das vorletzte Element ein und so weiter. Ein Beispiel: Wenn Sie ein Gedicht, ein Musikstück, eine Rede oder Zeilen aus einem Theaterstück auswendig lernen wollen, die Aufgabe in vielleicht fünf Abschnitte unterteilen und diese Abschnitte in umgekehrter Reihenfolge auswendig lernen, also mit dem letzten beginnen, dann gehen Sie immer von dem gerade einmal, schwach gelernten zum besser, weil länger gelernten Text, von dem, was noch nicht so gut sitzt, zu dem bereits hervorragend gelernten und damit auch bestärkenden Text, den Sie schon ganz locker auswendig können. Etwas in der Reihenfolge auswendig zu lernen, in der es geschrieben wurde und folglich präsentiert werden muss, bedeutet, dass man sich von bekanntem Boden immer weiter durch unbekanntes und schwierigeres Terrain hindurchkämpfen muss. Dies ist letztlich eine nicht sehr bestärkende Erfahrung. Betrachtet und behandelt man das Auswendiglernen wie eine Verhaltenskette, so verkürzt sich nicht nur die Lernzeit beträchtlich, die Erfahrung wird insgesamt auch viel angenehmer. Den Verhaltensketten liegt nämlich ein besonderes Konzept zugrunde. Häufig habe ich mir selbst entgegengearbeitet und hatte das Gefühl, ich käme nicht mehr weiter, weil ich ein Tier, ein Kind oder auch mich selbst nicht dazu bringen konnte, hintereinander einige scheinbar einfache Dinge zu tun. Ich musste erst begreifen, dass ich versuchte, eine Verhaltenskette vom falschen Ende her aufzubauen. Wenn wir einen Kuchen backen, wird die Glasur am Schluss aufgebracht. Soll ein Kind aber beim Kuchenbacken Spaß haben, so werden wir es zuerst um „Hilfe“ beim Auftragen der Glasur bitten.
Ein Beispiel für eine Verhaltenskette Hier ein Beispiel: So lehrt man einen Hund das Spielen mit der Frisbee-Scheibe. Ein Freund, der in New York lebt und jedes Wochenende mit seinem Golden Retriever in den Central Park geht, um dort Frisbee zu spielen, erzählte mir, die Welt sei anscheinend voller Menschen, die bei dem Versuch scheiterten, ihrem Hund dieses Spiel beizubringen. Das ist schade, denn Frisbee-Spielen ist für einen großen Hund in der Stadt eine gute Beschäftigung. Die Frisbee-Scheibe ist viel langsamer und unberechenbarer als ein einfacher Ball, eher wie eine richtige Beute, und bestärkt den Hund darin, Sprünge und ungewöhnliches Fangverhalten zu zeigen, an denen auch der Besitzer Spaß hat. Außerdem kann der Besitzer „beim Frisbee-Spielen auf einer Stelle stehen bleiben, und der Hund arbeitet sich dennoch aus. Häufig beklagen sich die Leute, ihr Hund springe, wenn er dazu ermutigt werde, nach der Frisbee-Scheibe in ihrer Hand und versuche, nach ihr zu schnappen; wenn man sie aber werfe, stünde der Hund nur da und schaue der Scheibe nach- Beim Eintrainieren dieses Spiels gibt es zwei Probleme: Erstens muss die Entfernung geformt werden, die der Hund hinter der Frisbee-Scheibe herjagen soll. Und zweitens besteht das Spiel aus einer Verhaltenskette: Zuerst verfolgt der Hund die Scheibe, dann fängt er sie und schließlich bringt er sie zurück, damit sie wieder geworfen werden kann. Jedes Verhalten muss also getrennt trainiert werden, das letzte Verhalten dieser Kette zuerst. Das Apportieren kann man mit irgendetwas, das leicht zu halten ist - mit einer alten Socke vielleicht - und über eine sehr kurze Entfernung trainieren - sogar im Haus. Jagdhunde machen dies beinahe schon spontan; andere Rassen, wie zum Beispiel die Bulldoggen und die Boxer, müssen geformt werden, das Objekt fallen zu lassen oder zurückzugeben, denn sie finden oft das „Tauziehen“ schöner. Bringt der Hund auf Kommando Dinge zu Ihnen zurück, formen Sie das Fangen der Frisbee -Scheibe. Zuerst machen Sie den Hund auf die Scheibe „heiß“, indem sie diese vor seinem Gesicht hin- und herbewegen. Dann lassen Sie den Hund die Scheibe mehrere Male nehmen und wieder hergeben, wobei Sie ihn für das Hergeben natürlich
überschwänglich Loben. Anschließend halten Sie die Frisbee-Scheibe hoch, geben sie ihm, wenn er danach springt, und lassen ihn die Scheibe zurückgeben. Anschließend werfen Sie sie kurz in die Luft und freuen sich übermäßig, wenn der Hund sie fängt. Wenn der Hund das soweit verstanden hat, können Sie mit dem Formen des ersten Ve rhaltens der Verhaltenskette beginnen, mit dem Nachjagen. Dazu werfen Sie die Scheibe ein kleines Stück von sich fort, damit der Hund hinterherlaufen muss, um sie zu fangen. Und schon sind Sie auf dem richtigen Weg, einen tollen, Frisbee spielenden Hund zu bekommen. Mit zunehmender Entfernung muss der Hund lernen, die Frisbee-Scheibe zu beobachten und sich selbst in eine gute Ausgangsposition zu bringen. Das muss geübt werden und kann einige Wochenenden dauern, bis der Hund ungefähr zehn Meter weit hinterherläuft. Ein schneller Hund wird vielleicht in der Lage sein, die Scheibe einzuholen und zu fangen, so weit wie Sie sie werfen können. Ich habe außergewöhnliche Hunde beobachtet, denen es gelang, eine über ein ganzes Football-Feld geworfene Scheibe zu fangen. Hunde scheinen an. ihren eigenen Fähigkeiten Gefallen zu finden. Ein brillanter Lauf oder ein phantastischer Sprung in die Luft mit allen vier Pfoten saltorückwärts über die Schulter, dem die Zuschauer zujubeln, macht auch dem Hund Spaß. Nachdem der Hund die Scheibe gefangen hat, bringt er sie dennoch wieder zurück, weil Sie ihm das Ende der Verhaltenskette zuerst beigebracht haben und er sich dadurch die Bestärkung verdient: ein Lob oder einen weiteren Wurf mit der FrisbeeScheibe. Wenn Sie dies nicht beachten, der Hund also mehrmals weder gelobt wird noch einen weiteren Wurf bekommt, können Sie natürlich eine Verschlechterung des Apportierverhaltens beobachten. Und wenn der Hund müde wird und nicht mehr spielen will, wird er die Scheibe nur zögerlich zurückbringen oder sie unterwegs einfach fallenlassen, Jetzt ist es höchste Zeit aufzuhören - Sie beide haben ihren Spaß gehabt.
Die Übertragung der Reizkontrolle Bei den meisten Tieren dauert es bis zur Etablierung der Reizkontrolle eine Weile. Oftmals werden Sie aber feststellen, dass das Tier, ist einmal das dritte oder vierte Verhalten unter die Reizkontrolle gebracht verallgemeinert oder das Konzept in gewisser Weise verstanden hat. Sind drei oder vier Verhalten über Signale gelernt, so scheinen die meisten Trainees zu erkennen, dass gewisse Ereignisse Signale darstellen, wobei jedes einzelne Signal ein anderes Verhalten bedeutet und eine Bestärkung vom genauen Erkennen eines Signals und von der richtigen Reaktion darauf abhängt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Etablierung von konditionierten Reizen ganz einfach. Der Trainee hat das Prinzip verstanden und muss jetzt nur noch lernen, neue Signale zu erkennen und mit dem richtigen Verhalten zu verbinden. Da Sie als Trainer alles tun werden, um dies klar und deutlich zu machen, kann das dann folgende Training viel rascher als die ersten mühsamen Schritte vonstatten gehen. Menschen verallgemeinern sogar noch schneller. Wird die Reaktion auf nur einen einzigen gelernten Befehl bestärkt, so beginnen Menschen rasch, auch auf andere Befehle zu reagieren, um eine Bestärkung zu erhalten. Mein Freund Lee, Mathematiklehrer der Mittelstufe in einem der Problembezirke New Yorks, beginnt das neue Schuljahr immer damit, seinen Schülern beizubringen, auf seinen Hinweis hin das Kaugummi aus dem Mund zu nehmen. Ohne Zwang. Nur mit „Okay, alle miteinander, das erste, was wir jetzt tun werden, ist, das Kaugummi aus dem Mund nehmen. Gut! Wartet, Doreen hat ihres noch im Mund ...prima! Sie nimmt es heraus. Lasst es uns Doreen alle sagen.“ Am Ende der Schulstunde sagt er ihnen dann, sie sollen wieder Kaugummi kauen (wobei das ,7Die Stunde ist zu Ende“ als Bestärker dient). Dies scheint leichtfertig, sogar albern zu sein (verschont Lee aber vor dem Anblick kauender Kiefer, den er so hasst). Lee hat aber herausgefunden, dass diese erste Übung die Klasse auf die Möglichkeit aufmerksam macht, eine Bestärkung dafür zu erhalten, dass sie seine Bitten befolgt. Wie ein guter Trainer von Killerwalen setzt er neben guten Noten und seiner Anerkennung verschiedene andere Bestärkungen ein, wie zum Beispiel Spiele, großes Lob, früherer Unterrichtsschluss und sogar ein Extra-Kaugummi. Zuerst verbringt er natürlich beträchtlich mehr Zeit mit dem Kaugummikauen als mit mathematischen Aufgaben. Was die Kaugummis angeht, so denken seine Schüler, er spinne. Sie denken
aber auch, dass er meint, was er sagt, und dass es sich lohnt zu tun, was er verlangt. Die anderen Lehrer glauben, Lee habe ein angeborenes Talent, die Klasse ruhig zu halten; für den Schulleiter ist er ein „strenger Lehrer“. Lee seinerseits denkt, Kinder seien aufgeweckt genug, um ihre Reaktionen verallgemeinern zu können, und deshalb mag er sie. Und dafür, dass sie kein Kaugummi kauen.
Rückschritte und Wutausbrüche beim Lernen Bringt man ein Verhalten unter Reizkontrolle, so lässt sich häufig ein Phänomen beobachten, das von einem Trainer einmal als Rückschritt in der Prä-Lernphase bezeichnet wurde. Ein Verhalten wurde geformt und unter Reizkontrolle gebracht. Aber just in dem Augenblick, in dem der Trainee eine leichte Reaktion auf dieses Signal zu zeigen scheint, hört er nicht nur unvermittelt auf, darauf zu reagieren, sondern reagiert überhaupt nicht mehr. Er verhält sich so, als ob er niemals zuvor etwas von dem gehört hätte, wozu man ihn einmal geformt hat. Für den Trainer kann dies eine sehr entmutigende Situation sein. Da hat man auf der einen Seite einem Huhn das Tanzen beigebracht und will jetzt, dass es nur auf das Heben der rechten Hand hin tanzt. Das Huhn schaut auf die Hand, aber es tanzt nicht. Oder es steht still, wenn das Signal gegeben wird und fängt wie verrückt zu tanzen an, sobald das Signal verschwunden ist. Wollte man diese Abfolge graphisch darstellen, so sähe man mit zunehmender richtiger Reaktion des Trainees (das heißt Reaktionen auf ein Signal) eine allmählich steigende Linie, gefolgt von einem scharfen Einbruch nach Null (das heißt eine Reihe von Nicht-Reaktionen oder von falschen Reaktionen). Fährt man aber unbeirrt fort, kommt die Erleuchtung: Plötzlich springt der Trainee vom völligen Versagen auf eine in der Tat sehr gute Reaktion - Sie heben die Hand, das Huhn tanzt. Das Verhalten ist nun unter Reizkontrolle. Was sich meiner Ansicht nach hier abspielt, ist folgendes: Anfangs lernt der Trainee das Signal, ohne wahrzunehmen, was er eigentlich tut. Der Trainer sieht nur eine ermutigende Tendenz zu einer langsam ansteigenden richtigen Ausführung. Dann aber bemerkt der Trainee das Signal und nimmt wahr, dass es etwas damit zu tun hat, ob er eine Bestärkung erhält oder nicht. Er achtet in diesem Augenblick mehr auf das Signal als auf das Verhalten, das er zeigen soll. Natürlich zeigt er keine Reaktion und wird auch nicht bestärkt. Wenn er dann das Verhalten rein zufällig oder aufgrund der Beharrlichkeit des Trainers noch einmal zeigt und dafür bestärkt wird, hat er das Bild. Von diesem Moment an „weiß“ er, was das Signal bedeutet, er reagiert richtig und zuverlässig. Mir ist klar, dass ich, um zu beschreiben, was im Kopf eines Trainees vor sich geht, mit vielen Worten wie „wahrnehmen“ und „wissen“ um mich werfe, die die meisten Psychologen nicht auf Tiere angewendet sehen möchten. Auch ist es manchmal so, dass bei einem Tier im Training das Ausmaß der richtigen Reaktionen allmählich und ohne irgendwelche großen Ereignisse ansteigt. Hier ließe sich nur sehr schwer sagen, an welchem Punkt sich das Tier, wenn überhaupt, wirklich dessen bewusst ist, was es tut. Kommt es aber zu einem Rückschritt, so ist dies meiner Meinung nach ein Zeichen für eine Veränderung im Bewusstsein, in der Erkenntnis, und dies ist ganz unabhängig von der Art des Lebewesens. In den Unterlagen des an der Universität von Hawaii tätigen Forschers Michael Walker habe ich ganz deutlich Rückschritte (und folglich eine Art Bewusstseinsverschiebung) bei Experimenten zur Sinnesunterscheidung von Thunfischen erkennen können, einer der intelligenteren Fischarten, aber dennoch nur Fische. Für einen Trainee kann der Rückschritt eine frustrierende Sache sein. Wir alle kennen das Gefühl des Ärgers, das in uns aufkommt, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, was wir nur halb verstanden haben (die
Mathematik ist dafür ein gutes Beispiel) und das einzige, was wir wissen, ist, dass wir es nicht richtig begriffen haben. Häufig hat diese Frustration dann Zorn und Aggression zur Folge. Das Kind bricht in Tränen aus und durchbohrt das Mathe matikbuch mit einem Stift. Delphine schlagen wiederholt mit ihrem Körper platschend auf die Wasseroberfläche. Pferde bewegen heftig ihren Schweif und wollen ausschlagen. Hunde knurren. Wenn Dr. Walkers Thunfische während des Trainings der Signalerkennung Fehler machten und er sie länger als jeweils fünfundvierz ig Sekunden unbestärkt ließ, so konnte er feststellen, dass die Tiere sich so aufregten, dass sie aus dem Becken sprangen. Ich bin dazu übergegangen, dies als Wutausbruch in der PräLernphase zu bezeichnen. Für mich kommt es beim Trainee deswegen zu einem Wutausbruch, weil sich das, was er immer für richtig und wahr angesehen hat, plötzlich als nicht mehr wahr herausstellt und es dafür zumindest noch - keinen erkennbaren Grund gibt. Beim Menschen treten solche Wutausbrüche wohl häufig dann auf, wenn Überzeugungen, an denen lange festgehalten wurde, in Frage gestellt werden und man tief in seinem Inneren weiß, dass an der neuen Information etwas Wahres dran ist. Die Erkenntnis, dass das, was man gelernt hat, nicht die volle Wahrheit ist, scheint zu dem wütenden Rückfall, zu Überreaktionen zu führen, die weit über das hinausgehen, was, oberflächlich betrachtet, an Meinungsverschiedenheit, Diskussion oder Infragestellungen wahrscheinlicher und angemessener zu sein scheint. Wenn ich auf wissenschaftlichen Tagungen über Bestärkung rede, rufe ich manchmal mehr Feindseligkeit von Angehörigen anderer Disziplinen, von Psychologen über Neurologen bis hin zu einem Bischof der Episkopalkirche, hervor, als ich eigentlich erwartet habe, ich vermute, dass es sich bei solchen Worten der Wut eigentlich um die oben beschriebenen Symptome handelt. Mir tut es immer leid, wenn ich, sogar bei einem Thunfisch, solche Wutausbrüche erkenne, denn man sollte mit der entsprechenden Sachkenntnis in der Lage sein, den Trainee durch den Lernprozess zu führen, ohne bei ihm ein so hohes Maß an Frustration auszulösen. Im Laufe der Zeit habe ich aber gelernt, einen Wutausbruch als ein starkes Zeichen dafür anzusehen, dass das wirkliche Lernen tatsächlich und endlich geschieht. Wenn man den Wutausbruch mit etwas Distanz wie ein Gewitter vorübergehen lässt, wartet auf der anderen Seite vielleicht schon der Regenbogen.
Anwendungsmöglichkeiten der Reizkontrolle Es gibt niemanden, der über konditionierte Reize ständig kontrollieren oder kontrolliert werden muss. Lebewesen sind keine Maschi nen. Die Reaktion auf gelernte Signale ist vielmehr eine Anstrengung, die weder ununterbrochen ausgeführt werden soll noch kann. Die Welt herumzukommandieren, ist die meiste Zeit gar nicht nötig. Wenn die Kinder trödeln und Sie nicht in Eile sind, können Sie selbst langsamer machen. Mitarbeiter, die immer hart arbeiten, brauchen keine besondere Aufforderung und Anweisung mehr. Es besteht kein Grund, uns oder andere mit unnötigen Regeln und Vorschriften zu umgeben. Das erzeugt nur Widerstand. Die Reizkontrolle ist offensichtlich am Hervorbringen hilfsbereiter Kinder, gehorsamer Haustiere, zuverlässiger Mitarbeiter und so weiter beteiligt. Für viele Gruppenaktivitäten ist eine sehr spezielle Reizkontrolle notwendig, zum Beispiel bei Marschkapellen, Tanztruppen und Mannschaftssportarten. Bei der Reaktion auf eine ausgefeilte Sammlung gelernter Signale scheint sich ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu entwickeln; sogar Tiere scheinen dies zu mögen. Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass die Signale wie in einer Verhaltenskette zu Bestärkern werden. Beherrscht man erst einmal alle Verhalten und Signale, bringt die Ausführung der Reaktionen ein Großmaß an Bestärkung mit sich. Um es mit einem Wort zu sagen, es macht einfach Spaß. Das ist auch der Spaß, den es bereitet, an signalkontrollierten Gruppenaktivitäten wie dem Square Dance, Football, Chorgesang oder Musizieren teilzunehmen. Beim Anblick eines wunderbar ausgeführten, signal-kontrollierten Verhaltens - handele es sich um eine Flugakrobatik-Truppe der US Marine, die Blue Angels, oder um einen Klassenraum voller gut erzogener
Kinder - loben wir oft die an den Tag gelegte Disziplin: „Sie sind wirklich gut diszipliniert“ oder „Dieser Lehrer weiß, wie man Disziplin hält“. Das Konzept, das hinter der Disziplin steht, beinhaltet jedoch die Strafe, die, wie wir gesehen haben, bei der Etablierung der Reizkontrolle vollkommen unnötig ist. Der Zuchtmeister ist im Volksmund der Betreuer, die Eltern oder der Trainer, der Perfektion verlangt und alles, was darunter liegt, bestraft; es ist nicht jemand, der sich der Perfektion durch Belohnen eines verbesserten Verhaltens in die richtige Richtung an nähert. So geschieht es, dass Menschen, die eigentlich „Disziplin“ wollen, häufig dazu tendieren, Reizkontrolle auf der Grundlage „Tu was ich sage, oder sonst...“ zu erreichen versuchen. Da der Trainee sich falsch verhalten oder ungehorsam sein muss, um herauszufinden, was das „oder sonst“ bedeutet, und es dann schon zu spät ist, ein gezeigtes Verhalten ungeschehen zu machen, funktioniert dieser schon seit ewigen Zeiten versuchte Ansatz nicht allzu gut. Eine richtige und elegant ausgeführte Reizkontrolle, die über das Mittel der Bestärkung etabliert wurde, kann bei einem Trainee etwas hervorbringen, was wir als Disziplin deuten. Allerdings ist der Trainer die Person, die wirklich diszipliniert sein muss. Das ist ja schön und gut, aber wo fängt man eigentlich an? Was ist, wenn man mit Menschen lebt oder arbeitet, die Signale grundsätz lich unbeachtet lassen? Hier ist nun mein System, das in einem besonders harten Fall eine Änderung bewirkt: Karen Pryor (beim Anblick des nassen Badeanzuges und des Handtuchs eines jungen Besuchers auf dem Sofa im Wohnzimmer): Nimm bitte deine nassen Sachen vom Sofa runter und tu sie in den Trockner. Junger Besucher: Okay, in einer Minute. K.P. (geht auf den jungen Besucher zu und bleibt, ohne etwas zu sagen, stehen.) J.B. Was ist mit dir los? K.P. Nimm bitte deine nassen Sachen vom Sofa runter und tu sie in den Trockner. (Merke: ohne Worte wie „Jetzt!“ oder „Sofort!“ oder „ich meine es ernst“ hinzuzufügen. Ich trainiere diese Person darin, der ersten Bitte Folge zu leisten und nicht zu warten, bis das Signal durch Hinzufugen weiterer Details oder Drohungen schärfer wird.) J.B. Mensch, wenn du es so eilig hast, warum machst du es nicht selbst? KP. (Ein freundliches Lächeln, kein Kommentar. Ich warte auf das Verhalten, das ich bestärken möchte. Mit mir zu diskutieren, ist nicht das Verhalten, das ich möchte, also ignoriere ich es.) J.B. Okay, okay. (Er steht auf, geht zum Sofa, nimmt die Sachen und wirft sie in die Waschküche.) K.P. In den Trockner. J.B. (Vor sich hin murrend tut er die Sachen in den Trockner.) K.P. (Ein breites Lächeln, keine sarkastische Bemerkung): Danke! Wenn ich den jungen Besucher das nächste Mal um etwas bitten muss, brauche ich ihn wahrscheinlich nur anzusehen, um eine Handlung auszulösen. Mit der Zeit wird er zu den Personen im Haushalt gehören, die sofort erledigen, worum ich bitte. Aber ich will auch fair bleiben: Ich werde, soweit es machbar ist, tun, worum er mich bittet, und ich werde darauf achten, von ihm nicht mehr zu verlangen als seinen Anteil. Das Wissen darüber, wie man, ohne zu Toberei und Zwang greifen zu müssen, eine Reizkontrolle erhält, macht das Leben für beide Teile leichter, für den Trainer ebenso wie für den Trainee. Meine Tochter Gale führte als Schülerin der Mittelstufe bei einem Theaterstück in ihrer Schule einmal Regie, wozu jedes Jahr ein anderer Schüler ausgewählt wurde. Sie hatte dabei ungefähr zwanzig Mädchen und Jungen anzuleiten. Alles funktionierte gut, das Stück war ein voller Erfolg. Die Literaturlehrerin sagte mir bei der letzten Vorstellung, sie sei sehr erstaunt gewesen, dass Gale während der gesamten Probezeit niemals geschimpft habe. Schülerregisseure schreien eigentlich immer, aber nicht so Gale. „Natürlich nicht“, sagte ich ohne nachzudenken. „Sie ist eine Tiertrainerin.“ Am Gesicht der Lehrerin konnte ich ablesen, dass ich etwas Falsches gesagt hatte - ihre Schüler seien keine Tiere! Was ich damit aber meinte, war, dass Gale wusste, wie man eine Reizkontrolle ohne unnötige Eskalation etabliert.
Wer die Reizkontrolle wirklich verstanden hat, wird unnötige Anweisungen, unbegründete oder unverständliche Kommandos oder auch Befehle, die nicht befolgt werden können, vermeiden. Er wird keine Wünsche äußern, auf deren Ausführung er nicht vorbereitet ist. Was er erwartet, wird immer klar sein. Bei einer schlechten Reaktion wird er seine Kontrolle nicht verlieren. Er nörgelt, schimpft, jammert, erzwingt, bittet oder droht nicht, um sich durchzusetzen, weil er es einfach nicht nötig hat. Und wenn man ihn um etwas bittet, wird er es auch tun, sofern er es versprochen hat. Kriegt man eine ganze Familie oder einen Haushalt oder auch ein Unternehmen dazu, auf der Grundlage der wahren Reizkontrolle zu arbeiten - alle halten also ihre Zusagen ein, sagen, was sie brauchen, und tun, was sie sagen -, ist es richtig erstaunlich, wie viel getan wird, wie wenige Anweisungen je gegeben werden müssen und wie schnell sich Vertrauen aufbaut. Eine gute Reizkontrolle ist nichts weiter als eine gute Kommunikation - ehrlich und fair. Sie ist der komplexeste, schwierigste und eleganteste Teilbereich des Trainings durch Bestärkung.
Unerwünschtes Verhalten abtrainieren Wie können Sie, da Sie nun alles über die Etablierung eines neuen Verhaltens wissen, ein unerwünschtes Verhalten loswerden? Menschen und Tiere tun immer Dinge, von denen wir wünschten, sie täten sie nicht. Die Kinder schreien und zanken sich im Auto, Der Hund bellt die ganze Nacht. Katzen zerkratzen die Möbel, Die Mitbewohnerin lässt ihre schmutzige Wäsche überall herumliegen. Eine Tante streitet sich immer wieder mit Ihnen am Telefon. Dies alles sind unerwünschte Verhaltensweisen. Es gibt acht Methoden, dieses Verhalten zu verändern. Wirklich nur acht. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob es sich um ein lange beste hendes Verhalten handelt, wie eine unordentliche Mitbewohnerin, oder um ein kurzfristiges, wie die im Auto lärmenden Kinder. Was auch immer Sie dagegen tun werden, es wird eine Variation dieser acht Methoden sein. (Dabei beschäftige ich mich nicht mit der komplexen Verhaltensproblematik psychotischer Personen oder unberechenbar gefährlicher Hunde. Ich denke nur an einzelne, unerwünschte Verhaltensweisen.) Diese acht Methoden sind: Methode 1: Die extreme Lösung - erschießen Sie das Tier. (Das funktioniert auf jeden Fall. Sie werden bei diesem bestimmten Lebewesen niemals wieder dieses spezielle Verhalten angehen müssen.) Methode 2: Bestrafen (etwas, was jeder gerne tut, trotz der Tatsache, dass es fast nie funktioniert). Methode 3: Negative Bestärkung. Methode 4: Auslöschen; lassen Sie das Verhalten von selbst vorbei gehen. Methode 5: Trainieren Sie ein unvereinbares Verhalten. (Diese Methode ist besonders für Athleten und Tierbesitzer nützlich.) Methode 6: Das Verhalten unter Signalkontrolle bringen. (Anschließend bieten Sie dieses Signal niemals wieder an. Diese elegante Methode wird meist von Delphintrainern verwendet, um ein unerwünschtes Verhalten abzuschaffen.) Methode 7: Die Abwesenheit formen; bestärken Sie jedes und alles, was kein unerwünschtes Verhalten ist. (Eine nette Möglichkeit, unangenehme Verwandte in angenehme zu verwandeln.) Methode 8: Die Motivation ändern. (Dieses ist die wesentlichste und netteste aller Methoden,) Wie Sie erkennen können, gibt es vier schlechte, negative Methoden und vier gute, die sich der positiven
Bestärkung bedienen. Jede hat ihre Daseinsberechtigung. Die Vor- und Nachteile einer jeden Methode werde ich nun nacheinander behandeln und einige Anekdoten über Umstände erzählen, unter denen diese Methoden funktionierten. Bei jeder Methode werde ich auch wiederholt einige gut bekannte Probleme (der lärmende Hund, der mürrische Ehepartner und so weiter) mit Lösungsbeispielen beschreiben. Ich empfehle nicht alle diese Lösungen. So denke ich zum Beispiel, dass die Durchtrennung der Stimmbänder durch den Tierarzt (Methode i), um dem Hund das Bellen abzugewöhnen, eine scheußliche Lösung ist. Ich sage das, obwohl mein Onkel John Slater mit meiner widerstrebenden Zustimmung auf diese Lösung zurückgriff, als sich seine Nachbarn über das Bellen seiner Seelöwen beschwerten. Natürlich halten nicht alle Menschen in ihrem Schwimmbad Seelöwen. Vielleicht ist das für diesen Fall die beste Methode gewesen. Welche der acht Methoden die zur Lösung Ihres speziellen Problems am besten geeignete ist, kann ich nicht sagen. Sie sind der Trainer: Sie müssen die Entscheidung treffen.
Methode I: Die extreme Lösung Erschießen Sie das Tier. Das funktioniert immer. Sie werden ganz gewiss niemals mehr von diesem Tier mit diesem Verhaltensproblem belästigt. In der Tat ist es weltweit die einzige anerkannte Methode für Hunde, die Schafe reißen. Die Todesstrafe ist also die Lösung der Methode i. Welche moralischen oder anderen Implikationen auch mit der Todesstrafe verbunden sind - wenn man einen Mörder hinrichtet, wird er sicher nicht mehr in der Lage sein, weitere Morde zu begehen. Bei der Methode i wird also ein Verhalten dadurch verhindert, dass man den Verursacher zeitweise oder auf Dauer loswird. Ob man einen Mitarbeiter hinauswirft, sich von der Ehefrau scheiden lässt oder eine unordentliche Mitbewohnerin durch eine andere ersetzt: Dies alles sind Lösungen, die unter die Methode i fallen. Mit neuen Menschen werden vielleicht neue Probleme kommen, aber der Mensch, dessen Verhalten Sie ganz besonders satt hatten, ist fort und mit ihm das Problem. Die Methode i ist zwar recht hart, doch in manchen Fällen geeignet, in denen das Verhalten schwer zu ertragen und wohl nicht leicht zu ändern ist. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Ihre Eltern oder Ihr Ehepartner (oder Ihr Kind) misshandelt Sie. Manchmal handeln Menschen in dieser Situation, indem sie den Schlagenden töten, was in außerordentlichen Fällen von Selbstverteidigung nicht bestraft würde. Von zu Hause auszuziehen wäre eine andere und menschlichere Lösung dieser Methode 1. Ich hatte einmal eine Katze, die die seltsame Gewohnheit ent wickelte, sich des Nachts in die Küche zu schleichen und auf die Herdplatten zu urinieren. Wenn man am nächsten Morgen eine dieser Platten einschaltete, war der Geruch unglaublich ekelhaft. Die Katze konnte ungehindert nach draußen gelangen. Ich konnte sie nie bei diesem Verhalten erwischen, und wenn ich die Platten abdeckte, urinierte sie auf die Abdeckungen. Ihre Motivation konnte ich nicht entschlüsseln und ließ sie schließlich einschläfern. Methode 1. Für Methode i gibt es viele einfache und häufig vorkommende Beispiele: Ein Kind wird in sein Zimmer geschickt, weil es die Unterhaltung der Erwachsenen stört. Der Hund wird angebunden, so dass er nicht mehr hinter Autos herjagen kann. Menschen werden für unterschiedlich lange Zeiträume in ein Gefängnis gesperrt. Wir bezeichnen diese Dinge gern als Strafe (Methode 2), und von den Menschen oder Tieren (den Trainees) werden sie als solche empfunden, oder auch nicht. Dennoch handelt es sich um Techniken der Methode i. Grundsätzlich beseitigen sie ein Verhalten, indem sie die Trainees körperlich an der Ausführung hindern oder die Gegenwart des Trainees verhindern, Das wichtigste, was in Bezug auf Methode 1 verstanden werden muss, ist die Tatsache, dass der Trainee nichts
dabei lernt. Hindert man den Trainee an der Ausführung eines Verhaltens - durch Zurückhalten, Einschränken, Trennen, Hinrichten -, so lernt er über das Verhalten nicht viel. Man sollte meinen, dass jemand, der wegen eines Diebstahls ins Gefängnis geschickt wurde, zweimal darüber nachdenkt, bevor er es noch einmal tut. Wir wissen, dass dies der Realität aber kaum entspricht. Nur wenn er hinter Schloss und Riegel sitzt, wird er unseren Fernseher nicht stehlen können, das ist sicher. Verhalten ist nicht notwendigerweise vernünftig. Wurde es als Möglichkeit, eine Bestärkung zu erhalten, bereits etabliert und lösen Motivation und die Umstände das Verhalten aus, so wird das Verhalten wahrscheinlich von selbst wieder auftreten. So lange der Trainee zurückgehalten wird, ist ein Umlernen nicht möglich. Wird ein Verhalten nicht gezeigt, so kann man es auch nicht verändern. Das in sein Zimmer eingeschlossene Kind lernt vielleicht etwas (nämlich sich zu ärgern und vor Ihnen Angst zu haben), aber es lernt nicht, sich an netten Gesprächen zu beteiligen. Wird der Hund von der Leine gelassen, wird er sofort wieder Autos nachjagen. Die Methode i hat ihre Daseinsberechtigung. Häufig bietet sie eine sehr praktische Lösung. Wenn uns die Zeit fehlt, jemanden zu trainieren oder zu beaufsichtigen, sperren wir ihn oft auf irgendeine Weise vorübergehend ein. So setzen wir Babys zum Beispiel in einen Laufstall, und für kurze Zeit haben die meisten Babys auch nichts dagegen. Ein Vizepräsident des amerikanischen Hundezüchterverbandes erzählte mir, er selbst stelle einen Drahtkäfig in seine Küche, um seine Welpen stubenrein zu machen. Welpen müssen lernen, wann und wo sie sich lösen dürfen. Das erreicht er, indem er sie an einen geeigneten Ort führt, bevor sie es tun, und sie lobt, wenn es funktioniert. Einen Welpen kann man aber nicht den ganzen Tag über beobachten. Der Hundeexperte tut die Welpen nachts, oder wenn er weggeht oder beschäftigt ist, in den Laufstall, wo sie ungestraft pinkeln können. Zwar lernen sie dort nicht viel, machen aber wenigstens keine Flecken auf den Teppich. Positive Bestärkung erhalten sie dann, wenn ihr Besitzer da ist; Methode i schützt sie allerdings in der Zwischenzeit vor Ärger. Derselbe Hundebesitzer sperrt in der Nacht im Haus auch drei erwachsene Terrier ein, damit sie nicht das tun, was sie tagsüber nicht tun würden, nämlich vor der Schlafzimmertür winseln, Möbel anknabbern und Mülleimer umkippen. Die Hunde sind weit davon entfernt, diese Maßnahme übel zu nehmen, sie scheinen vielmehr bereitwillig „zu Bett zu gehen“. Vielleicht brauchen die Hunde auch die Ruhe vor uns.
Beispiele für Methode I: Die extreme Lösung Methode 1 löst irgendwie das Problem, ist aber nicht immer für jede Situation die Methode der Wahl. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Hören Sie mit dem Tennisspielen auf. Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Stichen Sie sich eine/n andere/n. Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Erschießen Sie das Tier. Verkaufen Sie es. Lassen Sie ihm vom Tierarzt die Stimmbänder durchschneiden. Die Kinder lärmen im Auto. Lassen Sie sie zu Fuß nach Hause gehen. Lassen Sie sie den Bus nehmen. Sehen Sie zu, dass jemand anderes das Auto fährt. Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Lassen Sie sich scheiden.
Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Werfen Sie ihn oder sie raus. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Schreiben Sie niemals Danksagungen. Dann hören die Leute vielleicht auf, Ihnen etwas zu schenken. Die Katze springt auf den Küchentisch. Lassen Sie die Katzen draußen oder trennen Sie sich von ihr. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Steigen Sie aus und nehmen Sie den nächsten Bus. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Sagen Sie „Nein!“ und bleiben Sie dabei.
Methode 2: Bestrafen Das ist die von Menschen bevorzugte Methode. Ist ein Verhalten unangemessen, denken wir zuerst an eine Bestrafung. Wir schelten ein Kind, schlagen den Hund, kürzen das Gehalt, verklagen eine Firma, quälen den Dissidenten, überfallen den Nachbarstaat und so weiter. Bestrafung ist aber eine plumpe Art, ein Verhalten ändern zu wollen. Meist funktioniert sie nicht einmal. Bevor wir überlegen, was Bestrafung bewirken kann oder nicht, lassen Sie uns feststellen, was geschieht, wenn wir zu bestrafen versuchen und es dann nicht funktioniert. Stellen wir uns vor, wir hätten ein Kind, einen Hund oder einen Mitarbeiter wegen eines bestimmten Verhaltens bestraft, und dieses Verhalten tritt wieder auf. Sagen wir nun: „Hmmm, das mit der Bestrafung funktioniert nicht. Probieren wir etwas anderes.“ Nein, wir verstärken die Bestrafung. Reicht das Schimpfen nicht aus, versuchen wir es mit einem Klaps. Kommt Ihr Kind mit einem schlechten Zeugnis nach Hause, nehmen Sie ihm sein Fahrradweg. Ist das nächste Zeugnis genauso schlecht, nehmen Sie ihm auch noch sein Skateboard weg. Ihre Mitarbeiter trödeln bei der Arbeit. Drohen Sie ihnen. Funktioniert das nicht? Kürzen Sie das Gehalt. Immer noch keine Besserung? Mahnen Sie sie ab, werfen Sie sie raus, rufen Sie die Polizei. Peitschenhiebe verändern kein aufrührerisches Verhalten? Vielleicht funktionieren aber Daumenschrauben oder die Folterbank? Das Schreckliche an einer immer stärkeren Bestrafung ist die Tatsache, dass es absolut kein Ende gibt. Die Suche nach einer Strafe, die so schlimm ist, dass sie dieses Mal vielleicht wirklich funktioniert, ist für Affen oder Elefanten nicht von Belang, hat den Menschen aber seit Anbeginn der Geschichte oder sogar noch früher beschäftigt. Dass eine Bestrafung gewöhnlich nicht funktioniert, liegt zum einen in der Tatsache begründet dass sie in keinem Zusammen hang mit dem unerwünschten Verhalten steht. Sie erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, bei Gerichtsverfahren häufig zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt. Deshalb werden die Taten nicht mit der nachfolgenden Strafe in Ver bindung gesetzt. Tiere tun dies nie mals, auch Menschen versagen dabei oft. Würde einem nach jedem Diebstahl ein Finger abfallen oder gingen falsch geparkte Autos in Flammen auf, so würden gestohlenes Eigentum und Strafzettel für Falschparker bald ganz der Vergangenheit angehören. Auch wenn man versteht, wofür die Bestrafung erfolgt, lässt sich die Strafe nicht mildern, weil das Verhalten ja in der Vergangenheit liegt. Gegen ein schlechtes Zeugnis lässt sich nichts mehr tun, da es bereits ausgestellt wurde. So bleibt einem Kind also nichts anderes übrig, als die Bestrafung durch seine Eltern hinzunehmen. Ebenso wie bei Methode i lernt der Trainee auch bei Methode 2 nicht, wie er sein Verhalten verändern kann. Eine Bestrafung lehrt das Kind nicht, wie es ein besseres Zeugnis bekommt. Das einzige, worauf der Strafende hoffen kann, ist, dass sich die Motivation des Kindes ändert. Es wird in Zukunft sein Verhalten ändern, um zukünftig nicht mehr bestraft zu werden. Die meisten Tiere sind nicht in der Lage, in Zukunft ihr Verhalten zu ändern, um gewisse Konsequenzen in der
Zukunft vermeiden zu können. Packt ein Mensch seinen Vorstehhund und schlägt ihn dafür, dass er Kaninchen gejagt hat, so kann der Hund nicht verste hen, für welche der kurz zuvor ausgeführten Handlungen er gemaßregelt wird. Er wird sich möglicherweise immer mehr vor seinem Besitzer fürchten - mit dem Ergebnis, dass dieser seinen Hund leichter abrufen kann, wenn er Kaninchen jagt. Schläge an' sich haben auf das Jagen keinen Einfluss. Nebenbei bemerkt scheinen Katzen, was die Verknüpfung von Strafe und Verhalten angeht, ganz besonders schwer von Begriff zu sein. Wie Vögel fürchten sie sich nur dann, wenn sie bedroht wer den, und lernen dadurch nichts. Das mag auch der Grund sein, warum Katzen als schwer erziehbar gelten. Tatsächlich lassen sie sich nicht über Bestrafung erziehen, können aber über positive Bestärkung blitzschnell trainiert werden. Die Bestrafung oder ihre Androhung hilft dem Trainee nicht zu verstehen, wie er sein Verhalten ändern kann. Unterliegt dem Verhalten eine so starke Motivation, dass er einfach weitermachen muss (Futter zu stehlen, wenn er Hunger hat; als Heranwachsender Mitglied einer Bande zu sein), so lernt er allerdings, sich nicht erwischen zu lassen. Ausweichendes Verhalten nimmt unter einem Strafregime stark zu - eine traurige Situation in einer Familie und auch in größeren Gesellschaftsverbänden. Wiederholte oder strenge Bestrafungen haben zudem einige gefährliche Nebenwirkungen: Angst, Zorn, Unwillen, Widerstand beim Bestraften, beim Strafenden manchmal sogar Hass. Das sind einem Lernprozess nicht dienliche Geisteszustände. Ein Grund, warum unserer Meinung nach eine Bestrafung funktioniert, ist, dass das bestrafte Verhalten gelegentlich aufhört - falls der Trainee versteht, welche Handlung bestraft wird, falls die Motivation für ein Verhalten gering, die Angst vor zukünftiger Bestrafung groß und schließlich auch, wenn er vor allem in der Lage ist, sein Verhalten zu kontrollieren (so lässt sich zum Beispiel das Bettnässen durch Strafe nicht kurieren). Ein Kind, das beim ersten Mal sehr heftig für das Bemalen der Hauswand gescholten wurde, wird sehr wohl damit aufhören, das Haus weiter zu verunstalten. Ein Bürger, der dabei erwischt wird, wie er bei der Einkommenssteuer betrügt, wird es vielleicht kein zweites Mal versuchen. Die Chancen, ein Verhalten schon in seinen Anfängen zu stoppen, sind dann sehr gut, wenn es zu einem frühen Zeitpunkt erkannt wird, das heißt wenn es sich noch nicht festgesetzt hat und wenn die Bestrafung selbst für den Trainee eine ganz neuartige Erfahrung ist, ein Schock, gegenüber dem der Mensch oder das Tier noch nicht abgestumpft ist. Meine Eltern bestraften mich in meiner Kindheit insgesamt zweimal (und dann nur durch Schimpfen), das erste Mal fürs Stibitzen, als ich sechs Jahre alt war, das zweite Mal als ich mit fünfzehn Jahren die Schule schwänzte und alle in dem Glauben ließ, ich sei entführt worden. Da ich so außerordentlich selten bestraft wurde, trug diese Erfahrung wesentlich zu der Wirkung bei. Beide Verhalten stoppten sofort. Wenn die Bestrafung ein Verhalten tatsächlich beendet, ist diese Serie von Ereignissen für den Strafenden sehr bestärkend, Der Strafende neigt dann selbstsicher dazu, immer wieder zu bestrafen. Das große Vertrauen einiger Menschen in die Wirksamkeit einer Bestrafung mitzuerleben, erstaunt mich immer wieder. Ich sah es von strengen Schullehrern, brutalen Sporttrainern, dominierenden Vorgesetzten und Eltern mit guten Absichten gezeigt und verteidigt. Aufgrund gerade mal einer Handvoll Erfolgen in einem Morast nicht so guter Ergebnisse behalten sie ihr eigenes strafendes Verhalten bei und halten ungeachtet aller logischen Beweise des Gegenteils unbeirrt daran fest - ungeachtet anderer Lehrer an der selben Schule, anderer Trainer, Geschäftsführer, Generäle, Präsidenten oder Eltern, die sichtbar gleich gute oder bessere Resultate ohne den Einsatz von Strafe erzielen. Häufig bedeutet Bestrafung auch Rache, Dem Strafenden ist es vielleicht auch gleichgültig, ob sich das Verhalten des Opfers ändert oder nicht. Er oder sie bekommt eben seine/ihre Rache, die manchmal nicht gegen den Empfänger, sondern gegen die Gesellschaft insgesamt gerichtet ist. Denken Sie an halsstarrige Beamte, die mit
kaum verhohlener Schadenfreude wegen minimaler Formalitäten verzögern oder verhindern. dass Sie Ihre Lizenz, Ihr Darlehen, Ihren Büchereiausweis bekommen. Well die Bestrafung Dominanz demonstriert und hilft, diese aufrechtzuerhalten, wirkt sie für den Strafenden als Bestärkung. Bis zu dem Tag, an dem der Junge groß genug ist, sich gegen seinen brutalen Vater zu wehren, fühlt sich der Vater dominant und ist es tatsächlich auch. Darin könnte in der Tat die Hauptmotivation für unsere Tendenz als Menschen liegen: die Etablierung und Erhaltung von Dominanz mit Hilfe der Bestrafung. Der Strafende ist in erster Linie wohl nicht am Verhalten interessiert, sondern an dem Nachweis seines höheren Status. Hackordnungen, Dominanzkämpfe und Dominanztests sind ein fundamentales Merkmal aller sozialen Gruppen, von der Gänseherde bis hin zu Regierungen. Vielleicht lernen aber nur wir Menschen, Strafe zu nutzen, um in erster Linie uns selbst mit Dominanz zu belohnen. Überlegen Sie also, wenn Sie versucht sind, zu strafen: Wollen Sie, dass der Hund, das Kind, der Ehepartner, der Mitarbeiter ein gezeigtes Verhalten ändert? In diesem Fall haben Sie ein Trainingsproblem und müssen sich klar machen, dass Bestrafung als Hilfsmittel für das Training nur begrenzt einsetzbar ist. Oder wollen Sie in Wirklichkeit Rache? Dann sollten Sie nach gesünderer Bestärkung für sich selbst suchen. Vielleicht aber wollen Sie einfach, dass der Hund, das Kind, der Ehepartner, der Mitarbeiter, der Nachbarstaat und so weiter aufhört, Ihnen nicht zu gehorchen. In welcher Form auch immer wollen Sie, dass der Trainee aufhört, sich gegen Ihren überragenden Willen und Ihre hervorragende Urteilskraft zu stellen? In diesem Fall geht es um ein Dominanzproblem, und damit müssen Sie allein fertig werden.
Schuld und Schamgefühl Schuld und Schamgefühl sind Formen selbstverletzender Bestrafung. Es gibt kaum eine Empfindung, die unangenehmer als die eiskalte Hand der Schuld ist, die das Herz umschließt Es ist eine Strafe, die sich nur die menschliche Rasse ausdenken konnte. Einige Tiere - ganz bestimmt die Hunde - können Verlegenheit oder Scham zeigen (z.B. für ein zufälliges Häufchen im Haus). Keines aber verschwendet seine Zeit damit, wegen Handlungen in der Vergangenheit an Schuldgefühlen zu leiden. Das Ausmaß an Schuld, das wir uns aufladen, variiert ganz ungemein. So kann sich einer nach dem Begehen eines schweren Verbrechens entspannt und von Schuld frei fühlen, während sich ein anderer schon wegen Kaugummikauens schuldig fühlt. Viele Menschen erfahren in ihrem täglichen Leben keine Schuld oder Scham; dies liegt nicht daran, dass sie etwa perfekt oder gefühllose Hedoni sten (also Menschen, die ständig auf der Suche nach Lust und Genuss sind) sind, sondern daran, dass sie auf ihr eigenes Verhalten auf andere Art reagieren. Haben sie etwas getan, was sie im Nachhinein beunruhigt, werden sie es nicht wieder tun. Andere* begehen immer wieder denselben Fehler - sie spielen auf der Part)' den Clown, sagen einem geliebten Menschen unverzeihliche Worte obwohl sie am nächsten Tag wieder fürchterliche Schuldgefühle hegen. Man sollte meinen, die Angst vor einem Schuldgefühl wirke abschreckend. In dem Moment, in dem wir eine Tat begehen, für die wir uns später schuldig fühlen, sind wir jedoch meist völlig angstfrei. Als eine Methode, Verhalten zu ändern, steht die Schuld gleich neben dem Prügeln oder einer anderen Form der Bestrafung - weil sie zu spät kommt, ist sie nicht sehr effektiv. Wenn Sie also zu den Menschen gehören, die sich selbst auf diese Art und Weise bestrafen (und das sind wir fast alle, weil man uns das in frühester Kindheit schon gelehrt hat), sollten Sie sich vor Augen führen, dass es sich um eine Lösung der Methode 2 handelt, die Sie nicht unbedingt verdient haben. Sie mögen gute Grunde dafür haben, dieses Verhalten loszuwerden, aufgrund dessen Sie sich schuldig fühlen. Mit einer anderen Methode oder einer Kombination verschiedener Methoden könnten Sie allerdings erfolgreicher als mit der
Selbstbestrafung sein.
Beispiele für Methode 2: Bestrafen Diese Me thode ist selten effektiv und verliert ihre Wirksamkeit mit zunehmender Wiederholung, auch wenn sie weithin angewandt wird.
Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Schimpfen und brüllen Sie. Drohen Sie damit, alle Sachen wegzuwerfen, oder tun Sie es wirklich. Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Gehen Sie raus und schlagen Sie ihn, oder spritzen Sie ihn mit dem Schlauch nass, wenn er bellt (Merke: Der Hund wird so froh sein, Sie wieder zu sehen, dass er Ihnen die Strafe wahrscheinlich „verzeiht“). Die Kinder lärmen im Auto. Schreien Sie sie an. Drohen Sie ihnen. Drehen Sie sich herum und hauen Sie ihnen eine. Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Beginnen Sie einen Krach. Lassen Sie das Essen anbrennen. Schmollen Sie, schimpfen oder weinen sie. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Fluchen Sie, drehen Sie durch, kritisieren Sie sich selbst jedes Mal, wenn Sie einen Fehler gemacht haben. Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Schimpfen Sie und kritisieren Sie ihn, am besten vor anderen Menschen. Drohen Sie mit Gehaltskürzung oder kürzen Sie einfach das Gehalt. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Bestrafen Sie sich selbst damit, dass Sie die Aufgabe vor sich herschieben und sich dabei schuldig fühlen. (Das wird zwar nicht helfen, aber Sie können es ja versuchen.) Die Katze springt auf den Küchentisch. Schlagen Sie sie und/oder jagen Sie sie aus der Küche. Ein mürrischer Busfahrer ist zu. Ihnen unverschämt und nervt Sie. Besorgen Sie sich die Nummer des Busfahrers und beschweren Sie sich bei der Busgesellschaft, versuchen Sie, dass er versetzt, gemaßregelt oder gefeuert wird. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder hei Ihnen einziehen. Lassen Sie ihn/sie wieder zu sich ziehen, machen ihm oder ihr aber das Leben so schwer wie möglich.
Methode 3: Negative Bestärkung
Eine negative Bestärkung ist jedes noch so milde, aber unangenehme Ereignis oder jeder Reiz, mit dem ein Verhalten unterbrochen oder verhindert werden kann. Eine Kuh auf einem mit einem Elektrozaun umgebenen Feld berührt mit ihrer Nase den Zaun, spürt einen Schlag und schreckt zurück, wodurch der elektrische Schlag unterbrochen wird. Sie lernt, durch Nichtberühren des Zauns den Stromschlag zu vermeiden. Das Verhalten, den Zaun zu meiden, wurde bestärkt, allerdings mittels einer negativen und nicht einer positiven Bestärkung. Negative Bestärkungen gibt es im Leben zuhauf. Wir wechseln auf dem Stuhl unsere Position, wenn das Sitzen unangenehm wird. Wir wissen, wie wir uns vor dem Regen schützen können. Manche Menschen finden den Geruch von Knoblauch appetitanregend, andere abscheulich. Der Reiz wird nur dann zu einer negativen Bestärkung, wenn er vom Empfänger als unangenehm empfunden und das Verhalten verändert wird, um dieses Unangenehme loszuwerden. Der Unterschied zwischen negativer Bestärkung und Bestrafung liegt darin, dass eine negative ebenso wie eine positive Bestärkung während eines Verhaltens erfolgt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt, und dass sie durch eine Verhaltensänderung des Trainees „abgestellt“ werden kann. Wie wir im ersten Kapitel gesehen haben, beruhen fast alle herkömmlichen Trainingsmethoden für Tiere auf der Anwendung negativer Bestärkung. Das Pferd lernt nach links zu gehen, wenn am Unken Zügel gezogen wird, weil es dadurch das zerrende Gefühl in seiner linken Maulecke abmildern kann. Elefanten, Ochsen, Kamele und andere Lasttiere lernen, sich vorwärts zu bewegen, anzuhalten, Lasten zu ziehen usw., um dem Zug am Halfter, dem Stoß oder Schlag eines Stachelstocks oder einer Peitsche zu entgehen. Die negative Bestärkung ist eine für das Formen eines Verhaltens ausgezeichnet geeignete Methode und genauso wirksam wie die positive Bestärkung, sofern sie mit dem Verhalte n verknüpft ist und der Trainer bei richtiger Reaktion mit dem Reiz aufhört. Die Menschen setzen ihren Mitmenschen gegenüber ständig spontane negative Bestärkungen ein: den warnenden Blick, das Stirnrunzeln, die missbilligende Bemerkung. Viele verwenden zu viele negative Bestärkungen. Manche Kinder und auch einige Ehepart ner und Eltern sind in ihrem täglichen Leben fortwährend damit beschäftigt, sich so zu verhalten, dass sie negative Bestärkungen durch ihre Liebsten vermeiden. Der übermäßige Gebrauch einer nicht durch die Möglichkeit positiver Bestärkung abgemilderten negativen Bestärkung kann schlechte Gefühle erzeugen, nicht unbedingt wie bei einer Bestrafung Angst und Zorn, sondern Furchtsamkeit, Selbstzweifel und Ängstlichkeit. Wollen Sie nicht, dass Ihr Kind, das sich sehr bemüht, Ihnen nicht zu missfallen, zu einem seelischen Krüppel wird, dann braucht es erfolgreiche Erfahrungen. Auch in der Erwachsenenwelt erzielt der Chef, der Militärkom mandeur oder Trainer, der von seinen Untergebenen Perfektion verlangt und größtenteils über Missbilligung regiert, bessere Ergebnisse, wenn auch die Möglichkeit einer positiven Bestärkung besteht. Erfahrene Erwachsene können eine ganze Menge an negativer Bestärkung aushalten, aber gerade sie werden mürrisch, wenn das alles ist, was sie bekommen. Weit effektiver ist eine Mischung aus positiver und negativer Bestärkung. Der Trainer einer außerordentlich erfolgreichen Baseball-Mannschaft war wegen seiner Zähigkeit und sogar Härte berühmt. Eini ge Spieler kamen mit dem System nicht zurecht und verließen das Team, Ich beobachtete den Trainer eines Abends im Fernsehen. Obwohl er oberflächlich betrachtet ein Tyrann zu sein schien, gab er seinem Team gelegentlich sehr klare, positive Bestärkungen -einen zustimmenden Blick, ein Klopfen auf die Schulter; besserte sich die Leistung, so gab es dann sofort keine negative Bestärkung mehr. Die Moral des Teams war ausgezeichnet. Der einzige Umstand, bei dem eine negative Bestärkung einer positiven in der Tat vorzuziehen ist, ist der Umgang mit vorsätzlichem, absichtlichem Fehlverhalten. Sind Sie sich ziemlich sicher, dass der Trainee weiß, was er tun soll, statt dessen aber absichtlich etwas anderes tut, vielleicht um zu sehen, was dann geschieht, dann soll te das Zeichen Ihrer Missbilligung - das Stirnrunzeln, die Korrektur, der Ruck mit Leine oder Zügel, die Pause, die Zurechtweisung - sofort und klar erfolgen. Dies ist ein Augenblick, in dem eine harsche, negative Bestärkung wahrscheinlich keinen Unmut erzeugen wird. Sogar Tiere wissen genau, wann sie
versuchen, Sie auf die Palme zu bringen, und sind zufrieden, wenn sie die Erfahrung machen, dass sie es nicht schaffen. Insbesondere Kinder fühlen sich sicherer, wenn sie ihre Grenzen kennen. Testet ein Kind absichtlich seine Grenzen aus, liefert eine negative Bestärkung nützliche Informationen darüber, wo diese Grenzen sind. Bei der negativen Bestärkung liegt der Trick darin, dann damit aufzuhören, wenn sich das Verhalten des Trainees auch nur ganz leicht verbessert hat. Manche Mütter und Lehrer tun dies intuitiv richtig. Ein Vierjähriger hat einen Wutausbruch und schreit: „Ich hasse dich, ich hasse dich“ und bearbeitet dabei die Beine seiner Mutter. Die Mutter gibt eine negative Bestärkung, indem sie dem Kind die Aufmerksamkei t entzieht und wieder ihrer Beschäftigung nachgeht Sobald sich dieser Ausbruch zu einem Schniefen und einem verzweifelten Blick zurück entwickelt hat, gibt die Mutter ihrem Kind sofort wieder ihre Aufmerksamkeit, sie umarmt und drückt es an sich und wechselt das Thema. Ein Psychologe würde dieses Beispiel vielleicht eher als Auslöschung, als Methode 4, bezeichnen - das heißt das Verhalten stirbt aus, weil es keine Ergebnisse bringt. Ein solches Mittel ist bei einem kleinen Kind meiner Ansicht nach die Wegnahme der Aufmerk samkeit. Es ist ein stark aversiver Reiz, der ebenso wie jede andere negative Bestärkung mit Vorsicht einzusetzen ist. Kann sichergestellt werden, dass der Trainee die negative Bestärkung als die Folge seines eigenen Handelns ansieht und nicht als etwas, was Sie ihm absichtlich antun, so findet sich hier eine weitere Anwendungsmöglichkeit. Stellen Sie sich vor. Sie hätten einen großen Hund mit langem Fell der am liebsten auf dem Sofa im Wohnzimmer schläft. Haben Sie ihm gewaltsam klargemacht, dass Sie das nicht möchten, lernt der Hund schnell, vom Sofa zu springen, sobald er Sie kommen hört, weil er vor einer Bestrafung Angst hat. Ihn zu schlagen, wenn Sie ihn auf dem Sofa erwischen. wird sein Verhalten während Ihrer Abwesenheit nicht verändern. Für diesen Fall gibt es einen alten Trick, der hier funktionieren kann: Legen Sie einige kleine, einsatzbereite Mause fallen auf das Sofa. Springt der Hund dann hoch, wird die Mausefalle zuschnappen, den Hund verwirren und vielleicht etwas zwicken. Der Hund hat die negative Bestärkung durch sein eigenes Handeln hervorgerufen, und die erste schlechte Erfahrung kann ausreichen, das Verhalten zu beseitigen. (Ich beeile mich hinzuzufügen, dass so etwas wahrscheinlich nur bei dummen Hunden funktioniert. Da ich nicht riskieren will, bestimmte Tierliebhaber zu verletzen, indem ich Rassen aufzähle, bei denen dieser Trick mit Sicherheit funktioniert, werde ich lieber solche Rassen nennen, bei denen er nicht funktioniert. Der Besitzer eines Boxers, der den Trick ausprobierte, berichtete, sein Hund habe, als er zum zweiten Mal mit den Mausefallen konfrontiert wurde, eine Decke von der Lehne auf die Mausefallen gezerrt, wodurch die Fallen zuschnappten, und habe sich auf dem Sofa dann auf diese Decke gelegt.) Für einige Traineegruppen ist die negative Bestärkung weder effektiv noch angemessen - zum Beispiel für Menschenbabys. Jede Mutter weiß, dass es beinahe unmöglich ist, das Verhalten eines aktiven Babys durch negative Bestärkung zu beeinflussen - das Krabbelkind von Großmutters Nippes auf dem Couchtisch fernzuhalten, indem man wiederholt „Nein“ sagt oder immer dann, wenn es danach greift, einen leichten Klaps auf die Hand des Babys gibt. Es ist viel besser, sich der Methode 8 (Änderung der Motivation) zu bedienen und die Dinge außer Reichweite des Babys zu tun oder auch die Methode 5*(das Antrainieren eines unvereinbaren Verhaltens) anzuwenden, indem es etwas anderes zum Spielen bekommt. Da Babys einfach nicht darauf programmiert sind, leicht durch unangenehme Erfahrungen zu lernen, können sie schnell durch positive Bestärkung lernen. Man könnte sagen, Babys seien geboren, um zu gefallen, nicht um zu gehorchen. Auch Welpen neigen dazu, durch positive Bestärkung leichter zu leinen und durch negative Bestärkung verängstigt und verwirrt zu werden. Aus diesem Grund raten die meisten Trainer von einem Unterordnungstraining vor dem 7. Lebensmonat ab. Mit Lob und Streicheln können Sie einem Welpen beibringen, ein Halsband zu tragen, die Leine zu akzeptieren und zusammen mit Ihnen spazieren zu gehen. Legen Sie ihm aber ein Stachelhalsband an und benutzen es, um ihm Fuß, Sitz und Bleib beizubringen, werden Sie ihn einschüchtern und ängstigen, bevor er viel lernen konnte. Es gibt eine Zeit, in der er lernt, auf eine negative Bestärkung zu reagieren. Das Babyalter ist dafür allerdings zu früh. Eine weitere Gruppe ist für negative Bestärkung besonders unzugänglich: die Wildtiere. Jeder, der einmal ein Wildtier hielt - einen Ozelot, einen Wolf, einen Waschbären, einen Otter -,
weiß, dass diese Tiere keine Befehle entgegennehmen. So ist es zum Beispiel außerordentlich schwierig, einen Wolf leinenführig zu machen. Dies gilt sogar dann, wenn Sie ihn vom Welpenalter an großgezogen haben und er recht zahm ist. Ziehen Sie, so zieht er automatisch dagegen, sind Sie zu hartnäckig und ziehen zu hart, wird der Wolf in Panik geraten und zu entkommen versuchen, unabhängig davon, wie friedlich und gut sozialisiert er eigentlich ist. Wenn Sie Ihren zahmen Otter an die Leine nehmen, werden Sie beide entweder dahin gehen, wohin er will, oder er wird mit aller Kraft gegen die Leine kämpfen. Es gibt anscheinend keinen Punkt, an dem mit Hilfe eines leichten Zugs das Verhalten geformt werden könnte. Bei Delphinen ist das genauso. Trotz all ihrer berühmten Trainierbarkeit leisten sie gegen jede Art von Gewalt Widerstand oder ergreifen die Flucht. Drücken Sie gegen einen Delphin, so drückt er zurück. Versuchen Sie einmal, eine Delphingruppe mit Netzen in ein anderes Becken zu bringen. Fühlen sie sich bedrängt, greifen die unerschrockenen Tiere das Netz an, die schüchternen Tiere sinken aus hilfloser Angst auf den BeckenbodenDamit Delphine ruhig vor dem Netz herschwimmen, müssen sie mit positiver Bestärkung trainiert werden. Und auch dann muss jemand bei all diesen Situationen in Alarmbereitschaft am Beckenrand stehen, um hineinzuspringen und ein Tier aus dem Netz zu entwirren, in das es sich gestürzt hat. Der Psychologe Harry Frank vermutet, dass in diesem Widerstand gegen negative Bestärkung ein grundlegender Unterschied zwischen wilden und domestizierten Tieren liegt. Alle domestizierten Tiere sind für negative Bestärkungen empfänglich - sie können zusammen getrieben, geführt oder ganz allgemein herumge scheucht werden. Wir Menschen haben diese Eigenschaften bewusst oder unbewusst gezüchtet. Schließlich hat eine Kuh: die nicht mit der Herde getrieben werden kann, sondern wie ein Wolf oder Delphin dem aversiven Reiz widersteht oder in Panik gerät und flieht, keine Überlebenschance, wenn sie sich des Nachts außerhalb des Krals aufhält und von Löwen gefressen oder als Störenfried höchstwahrscheinlich vom Menschen getötet und gegessen wird. Die Gene dieser Kuh werden nicht weiter vererbt. Der Gehorsam ist in all unseren domestizierten Tieren festgelegt, ob er sich als Unterwerfungsbereitschaft oder als Zaudern bei der Kampfoder Flucht-Reaktion ausdrückt, wo milde negative Bestärkungen eingesetzt werden, um Lernen zu erzwingen. Eine Aus nahme bildet hier die Katze. Es ist wirklich recht schwierig, einer Katze beizubringen, an der Leine zu gehen. Gehen Sie mal auf eine Katzenausstellung, dort werden Sie sehen, dass sogar Profis es nicht einmal versuchen - Katzen werden auf dem Arm getragen oder sind in einem Käfig, sie werden nicht an der Leine geführt. Nach Harry Franks Vermutungen ist die Katze nicht wirklich ein domestiziertes Tier, deshalb fehlt ihr die Empfänglichkeit für negative Bestärkungen. Es ist vielleicht eher so, dass sie den Tisch mit uns teilt, also ein Tier ist, das wie Ratten und Kakerlaken den Lebensraum mit uns teilt, weil es ihm zum Vorteil gereicht. Wahrscheinlicher aber ist die Katze ein Symbiont, ein Tier, das mit uns Gefälligkeiten zum beiderseitigen Nutzen tauscht - Futter, Obdach und Streicheleinheiten von uns, Mäusefang, Unterhaltung und Schnurren von ihr. Arbeit und Gehorsam jedoch nicht. Das erklärt vielleicht auch, warum manche Menschen Katzen nicht mögen: sie furchten die Unkontrollierbarkeit. An alle Katzenhasser gerichtet: Es gibt eine bei Katzen funktionierende negative Bestärkung: Wasser ins Gesicht der Katze spritzen. Einmal war ich auf einer Dinnerparty und hatte mein neues schwarzes Wollkleid an. Die weiße Angorakatze der Gastgeberin sprang ständig auf meinen Schoß. Die Gastgeberin fand das niedlich, ich aber wollte keine weißen Katzenhaare auf meinem Kleid haben. Als sie gerade mal nicht hinsah, tauchte ich meine Finger in ein Weinglas und spritzte der Katze ins Gesicht. Sie verschwand sofort und kam nicht mehr wieder: das war eine sehr gute und nützliche negative Bestärkung.
Beispiele für Methode 3: Negative Bestärkung Eine negative Bestärkung kann effektiv und in einigen Situationen die Methode der Wahl sein. Sehr gut
funktioniert das, was hier über die lärmenden Kinder im Auto geschrieben ist, insbesondere, wenn die Kinder zu müde und zu verquer sind, als dass sie für ein Spiel oder ein Lied zugänglich wären (die Methode 5). Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Schalten Sie den Fernseher aus oder stellen Sie so lange kein Abendessen auf den Tisch, bis die Wäsche weggeräumt ist. (Heben Sie die negative Bestärkung auf, wenn Ihre Anweisungen befolgt sind; bestärken Sie zuerst sogar die geringsten Bemühungen.) Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Richten Sie einen grellen Scheinwerfer auf die Hundehütte. Schalten Sie das Licht aus, sobald der Hund zu bellen aufhört. Die Kinder lärmen im Auto. Hat der Lärmpegel die Schmerzgrenze erreicht, fahren Sie an den Straßenrand und halten das Auto an. Lesen Sie ein Buch. Lassen Sie sich auf keine Diskussion über das Anhalten ein. Auch das ist mit Lärm verbunden. Fahren Sie weiter, sobald Schweigen herrscht Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Drehen Sie ihm den Rücken zu oder verlassen Sie kurz das Zimmer, wenn die Stimme wieder einen unangenehmen Ton annimmt. Kehren Sie zurück und seien Sie wieder aufmerksam, sobald wieder Ruhe oder die Stimme wieder normal ist. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Nehmen Sie sich einen Trainer oder Zuschauer, der mitten im Schwung die schlechte Ausführung mit Worten korrigiert („Ah-ah-ah“ oder „Nein!“). Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Üben Sie eine stärkere Kontrolle aus und weisen Sie ihn jedes Mal zu Recht, wenn seine Leistung abfällt. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Die negative Bestärkung kommt automatisch von Freunden und Verwandten. Tante Alice wird Sie wissen lassen, wie beunruhigt sie ist, dass Sie die Krawatte niemals bekommen haben; Ihre Familie wird Sie wissen lassen, dass Sie Tante Alice doch schreiben sollten. Diese Informationen werden mit einem bestimmten Unterton des Widerwillens übermittelt. Die Katze springt auf den Küchentisch. Nehmen Sie eine Wasserpistole oder nur eine drohende Haltung ein und verbinden Sie diese mit einem unheilsschwangeren „Nein!“. Dieses Wort ist ein konditionierter, negativer Bestärker und wird die Katze davon abhalten, auf dem Tisch zu springen -natürlich nur, so lange Sie anwesend sind. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Protestieren Sie. Machen Sie sich jede „Behinderung “ , die Sie haben, zunutze, um Höflichkeit einzufordern, zum Beispiel hohes Alter, Jugend oder Unwissenheit. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder hei Ihnen einziehen. Lassen Sie ihn zurückkommen, aber verlangen Sie von ihm genau das Geld für Miete, Essen und zusätzliche Dienste wie Wäschewaschen und Babysittung, das Sie auch von einem Fremden verlangen würden. Machen Sie
es finanziell lohnend, wieder auszuziehen.
Methode 4: Auslöschen Wenn Sie eine Ratte trainiert haben, für eine Futterbelohnung mehrmals einen Hebel zu betätigen, und schalten dann die futterliefernde Maschine aus, wird die Ratte zunächst noch recht häufig auf den Hebel drücken, dann aber immer weniger, bis sie es schließlich aufgibt. Das Verhalten ist damit „ausgelöscht“. Der Begriff Auslöschung stammt aus dem Bereich der Psychologie. Er meint jedoch nicht die Auslöschung eines Tieres, sondern eines Verhaltens, das mangels Bestärkung von sich aus immer weniger gezeigt wird, bis es, wie eine abgebrannte Kerze, schließlich ganz erlischt. Ein Verhalten, das keine Ergebnisse bringt - weder gute noch schlechte, sondern gar keine -, wird wahrscheinlich ausgelöscht. Nicht immer reicht es, ein Verhalten nur zu ignorieren, damit es nicht mehr gezeigt wird. Einen Menschen zu ignorieren, ist in sich selbst ein Ergebnis, es ist ein völlig unsoziales Verhalten. So kann man nicht immer darauf zählen, das Verhalten eines Menschen oder sogar eines Tieres durch Ignorieren auszulöschen. Und eine Ratte, die einen Hebel betätigt, tut dies unter beengten Laborbedingungen, die von Außenreizen kaum beeinflusst werden. Das Ver halten von Menschen geschieht aber nicht in einem Vakuum, Ein Verhalten zu ignorieren, kann jedoch auch funktionieren. Einmal beobachtete ich den Dirigenten Thomas Schippers bei einer Probe mit den New Yorker Philharmonikern. Ein sehr lebhafter Dirigent - und ein sehr lebhaftes Orchester. Als Schippers zum Podium ging, benahm sich das Orchester ungehörig; ein Holzbläser schmetterte „I wish I was a Dixie“, ein Geiger ließ ein ungeheuerliches „Ohoh“ hören. Schippers ignorierte die Verrücktheiten, und sie hörten rasch auf. Was die Auslöschung bei Interaktionen von Menschen angeht, so scheint sie mir am besten bei verbalem Verhalten anwendbar - bei Jammern, Zanken, Hänseln, Einschüchtern. Zeigen diese Verhaltensweisen kein Ergebnis, bringen also niemanden auf die Palme, hören sie auf Jemanden auf die Palme zu bringen, vergessen Sie das bitte nicht, kann aber auch positiv bestärkend wirken. Der Bruder, der seine kleine Schwester mit seiner Hänselei über ihre Frisur zur Weißglut bringt, wird dadurch bestärkt. Wenn Sie sich im Büro über jemanden aufregen, der Sie hochnimmt, hat er oder sie schon gewonnen. Manchmal wissen dies sogar Tiere. Es fallen mir dabei Hunderassen wie Dackel und Scotchterrier ein, bei denen boshafte Rache einen besonders gut entwickelten und recht intelligenten Aspekt ihres Verhaltens darstellt. Sind Sie am Wochenende ohne den Hund weggegangen? Bis zu Ihrer Rückkehr hat er sich gut beschäftigt, er hat sich mitten in Ihrem Bett gelöst Sie könnten ihn dafür ordentlich verprügeln; Ihre Wutbezeugung wäre aber seine Rache. Häufig bestärken wir zufällig gerade das Verhalten, das wir gern auslöschen möchten. Bei Kindern ist das Jammern ein von den Eltern antrainiertes Verhalten. Jedes Kind, das sich müde, hungrig und unwohl fühlt, jammert wie ein Welpe. Der weitbeste Jammerlappen ist der, dessen Eltern solche Meister der Selbstkontrolle sind, dass sie unendlich lange dem Jammern widerstehen können, bevor sie schließlich nachgeben und sagen: „In Ordnung, ich hole dir dein verdammtes Eis; würdest du jetzt aber bitte ruhig sein!“ Wir vergessen oder verstehen nicht, dass das Verhalten durch jede Art der Bestärkung aufrechterhalten bleibt - ich betone, jede Bestärkung, ob gut oder schlecht. Einmal sah ich, wie im Bloomingdale-Kaufhaus ein hübsches, ungefähr sechs Jahre altes Mädchen seine Mutter, seine Großmutter und die gesamte Belegschaft der Wäscheab teilung mit einem virtuos dargebotenen „Aber du hast gesagt, du hast versprochen, ich will nicht“, usw. zum Stillstand brachte. Soweit ich herausfinden konnte, hatte das Mädchen die Einkauferei satt, und wahrscheinlich mit Recht. Oder es war ganz einfach müde. Es wollte weg und hatte gelernt zu bekommen, was es wollte, wenn es nur jammerte, denn dies wurde ja immer
bestärkt. Was machen Sie, wenn Sie zufällig einen ganzen Nachmittag lang ein jammerndes Kind am Hals haben? Ich sage Ihnen, was ich tun würde. Sobald das Protestieren oder Klagen in jenem verräterischen nasalen Ton einsetzt, teile ich dem Kind mit, dass das Jammern bei mir nicht funktioniert. (Das gibt ihm gewöhnlich etwas zürn Nachdenken, da es das, was es tut, nicht als Jammern ansieht, sondern als eine logische oder sogar brillante Überredung.) Hört das Jammern auf, beeile ich mich, das Verhalten durch ein Lob oder eine Umarmung zu bestärken. Wenn das Kind das vergisst und wieder zu jammern anfängt, kann ich das Verhalten gewöhnlich mit einem Stirnrunzeln oder einem Blick stoppen. Eigentlich sind Jammerlappen oft recht intelligente und angenehme, sogar interessante Gesellschafter, wenn sie nur ihr Spiel aufgeben und das Jammern ausgelöscht ist. Der übertriebene Respekt des Menschen vor der Sprache ist eines der Probleme im Umgang mit in Worten ausgedrücktem Verhalten. Worte haben fast etwas Magisches. In einer Situation, in der wir schikaniert oder gehänselt werden oder wenn jemand bejammert wird oder vielleicht noch offensichtlicher in einem Ehekrach, neigen wir dazu, mehr das gesprochene Wort als das Verhalten selbst zu beachten. Das „Aber du hast es versprochen“ ruft Reaktionen hervor wie „Nein, ich habe es nicht versprochen“ oder „Ich weiß, aber ich muss morgen nach Chicago; deshalb kann ich nicht tun, was ich gesagt habe. Kannst du das nicht verstehen?“ und so weiter ohne Ende. Wir müssen die gesagten Worte von dem Verhalten trennen. Wenn Ehepartner zum Beispiel miteinander streiten, ist der Streit das, was geschieht. Das Thema des Streits stiehlt dem Streit häufig die Show. Alles lässt sich in Grund und Boden diskutieren, und man kann an den Worten sterben, die gesagt werden (Therapeuten müssen sich unendliche Mengen davon anhören). Dennoch hat man es immer noch nicht mit dem Verhalten zu tun - der Streiterei. Daneben saugen wir die Worte eines Konflikts allzu leicht auf („Er hat gesagt, ich sei ein Feigling - ich bin aber kein Feigling“) und erkennen häufig nicht die Tatsache, dass wir damit bestärken. Und nicht nur das hält uns in unserem Ärger gefangen. Nehmen wir den Ehemann, der stets mit schlechter Laune nach Hause kommt, der sofort seine Martinis (oder seinen Joint oder sein Bier) haben will und sogleich danach sein Abendessen. Je griesgrämiger er ist, desto mehr beeilt sich seine Frau, seinen Wünschen nachzukommen, stimmt's? Was bestärkt sie denn wirklich? Die Griesgrämigkeit. Ein freundliches Benehmen, keine beschleunigte Befriedigung seiner Wünsche, kein Händeringen und keine Verstimmung seitens der Ehefrau können dazu beitragen, dass dem Griesgram die Launenhaftigkeit und Gereiztheit keinen Nutzen mehr bringen. Sich in eisiges Schweigen zu hüllen, zurückzuschreien oder zu bestrafen, wären andererseits auch Ergebnisse und könnten folglich bestärkend wirken. Wird das Verhalten und nicht die Person ignoriert, die es zeigt, werden viele unangenehme Verhaltensweisen wie von selbst aus gelöscht, weil sie zu keinem Ergebnis führen, sei es nun ein gutes oder schlechtes. Das Verhalten ist unproduktiv geworden. Feindseligkeit verschlingt Unmengen von Energie, und wenn es nicht funktioniert, wird sie gewöhnlich schnell eingestellt. Viele Verhaltensweisen sind zeitlich in sich selbst begrenzt. Werden Kinder, Hunde oder Pferde nach einer langen Periode der Beengung und Untätigkeit zum ersten Mal wieder nach draußen gelassen, sehnen sie sich danach, zu laufen und zu spielen. Dies zu kontrollieren versuchen, erfordert recht viel Mühe. Bevor man ihnen ein diszipliniertes Verhalten abverlangt oder mit dem Training anfangt, ist es häufig einfac her, sie erst einmal eine Weile umherlaufen zu lassen, bis das Verhalten von selbst aufhört. Pferdeausbilder nennen das „die Sau rauslassen“. Ein kluger Pferdetrainer wird ein junges Pferd erst einmal einige Minuten lang im Ring laufen, buckeln und austreten lassen, bevor er es sattelt und mit ihm arbeitet. Turnübungen vor dem eigentlichen Militär- oder Footballtraining dienen in gewisser Weise demselben Ziel. Abgesehen davon, dass die Muskeln bewegt werden, was mögliche Überanstrengung und Verletzung von Muskelpartien verhindern hilft, saugen diese grobmotorischen Aktivitäten einen Teil der freien Energie auf, so dass das Umhertollen und Spielen erlischt und die Truppen oder Spieler für das Training aufnahmebereit sind. Die Gewöhnung ist ein Weg zur Beseitigung unkonditionierter Reaktionen. Ist ein Trainee einem aversiven Reiz ausgesetzt, dem er nicht entfliehen oder den er nicht vermelden kann, und hat nichts, was er tut, eine Wirkung, so erlischt sein Meideverhalten schließlich. Er wird nicht mehr auf den Reiz reagieren, ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenken und ihn letztlich nicht mehr erkennen. Das nennt man
Gewöhnung. Anfangs war für mich der Straßenlärm in meiner New Yorker Wohnung unerträglich, schließlich aber lernte ich, wie die meisten New Yorker, trotz der Sirenen, des Geschreis, der Müllfahrzeuge und sogar des Lärms von Autounfällen tief und fest zu schlafen. Ich gewöhnte mich daran. Manchmal werden Pferde trainiert, indem man sie festgebunden allerlei harmlosen, aber beunruhigenden Ereignissen aussetzt, wie zum Beispiel sich öffnenden Regenschirmen, flatterndem Papier, Berührungen am ganzen Körper mit klappernden Blechdosen und so weiter. Die Pferde, die sich nicht von der Stelle rühren können, werden so an erschreckende Anblicke und Geräusche gewöhnt, damit sie nichts, was sich in den Straßen der Stadt ereignen mag, aus der Ruhe bringen kann.
Beispiele für Methode 4: Auslöschen Die Methode 4 nützt nicht, um gut gelernte und selbstbelohnende Verhaltensmuster los zu werden. Gut ist sie allerdings bei Jammern, Schmollen oder Sticheleien. Sogar kleine Kinder können lernen - und sind dankbar für die Entdeckung -, dass sie die Sticheleien älterer Kindern durch Nicht-Reagieren stoppen können. Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Warten Sie, bis er/sie erwachsen geworden ist. Der Hofhund bellt die ganze Nacht über. Es ist ein selbstbelohnendes Verhalten und erlischt selten spontan. Die Kinder lärmen im Auto. Ein gewisser Lärmpegel ist normal und harmlos; regen Sie sich nicht auf, die Kids werden irgendwann genug haben. Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause, Verhalten Sie sich so, dass seine Worte weder zu guten noch zu schlechten Ergebnissen führen. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Arbeiten Sie an anderen Schlägen, an der Fußarbeit usw. und versuchen Sie, die spezifischen Fehler dadurch auszumerzen, dass Sie sich nicht mehr auf sie konzentrieren. Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Ist das schlechte Verhalten ein Weg, Aufmerksamkeit zu erregen, dann entziehen Sie diese. Faulenzen kann selbstbestärkend sein. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben, Mit zunehmendem Alter hört dieses Verhalten allgemein auf. Das Leben ist so voller beschwerlicher Aufgaben wie Rechnungen bezahlen und Steuererklärungen abgeben, dass Danksagungen vergleichsweise entspannend sind. Die Katze springt auf den Kückentisch. Ignorieren Sie das Verhalten. Zwar wird es nicht verschwinden, doch Sie können erfolgreich Ihren Widerwillen gegen Katzenhaare im Essen loswerden. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Ignorieren Sie den Fahrer, bezahlen Sie den Fahrpreis und denken Sie nicht mehr daran.
Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Akzeptieren Sie es als vorübergehende Maßnahme und rechnen Sie damit, dass das erwachsene Kind wieder auszieht, sobald sich die finanzielle Situation gebessert hat oder die Krise vorbei ist.
Methode 5: Unvereinbares Verhalten trainieren Jetzt kommen die guten Geschichten, die positiven Methoden, um unerwünschtes Verhalten los zu werden. Eine elegante Methode besteht darin, dem Trainee ein weiteres Verhalten zu trainieren, das mit dem unerwünschten Verhalten physisch unvereinbar ist. So mögen es manche Menschen nicht, wenn der Hund am Tisch bettelt. Ich hasse es auch - es gibt nichts, was mir so sehr den Appetit verdirbt wie Hundeatem, traurige Hundeaugen und eine schwe re Pfote auf meinem Knie gerade dann, wenn ich ein Stück Steak zum Mund führen will. Nach der Methode 1bestünde eine Lösung darin, den Hund während des Essens vor die Tür zu setzen oder in einen anderen Raum einzusperren. Ebenso ist es aber möglich, das Betteln durch das Trainieren eines unvereinbaren Verhaltens unter Kontrolle zu bringen - zum Beispiel dem Hund beizubringen, während des Essens in der Tür zum Esszimmer zu liegen. Zuerst trainieren Sie das Abliegen und bringen so das Verhalten unter Signalkontrolle. Dann können Sie den Hund während des Essens an einem beliebi gen Ort abliegen lassen. Sind die Teller wieder abgeräumt, beloh nen Sie das Verhalten des Hundes mit Futter. Weggehen und Abliegen sind mit dem Betteln am Tisch unvereinbar. Physisch kann ein Hund nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, und so ist das Betteln beseitigt. Einmal sah ich, wie der Dirigent eines Symphonieorchesters während einer Opernprobe dieses unvereinbare Verhalten auf brillante Weise einsetzte. Der ganze Chor war plötzlich nicht mehr mit dem Orchester synchron. Es schien, als ob er einen Takt kürzer sänge. Nachdem der Dirigent das Problem gefunden hatte, suchte er nach einem ,,s'' in dem Text des Stückes, fand ein solches und ließ den Chor dieses „s“ besonders betonen, etwa so: „The king'sssss coming“. Heraus kam ein lustiger, brummender Ton, der aber mit einem zu schnellen Singen des Stücks unvereinbar war und das Problem löste. Ich selbst wandte die Methode 5 zum ersten Mal zur Lösung eines sehr schwierigen Problems bei einem Delphin an. Im Sea Life Park hatten wir zu einem Zeitpunkt einmal drei verschiedene Darstellertypen in der Freiluftshow: eine Gruppe von sechs kleinen, zierlichen Delphinen, einen riesigen weiblichen Tümmler namens Apo und ein hübsches hawaiianisches Mädchen, das während der Vorstellung zusammen mit den Tieren schwamm und spielte. Entgegen landläufiger Meinung sind Delphine nicht immer freundliche Tiere, und besonders die Tümmler schikanieren und sticheln gern. Apo, das sechshundert Pfund schwere Tümmlerweibchen, schika nierte die Schwimmerin, wenn sie ins Wasser kam, sauste unter ihr durch und hob sie in die Luft oder klopfte mit ihren Flossen auf deren Kopf. Das verängstigte das Mädchen sehr und war in der Tat auch sehr gefährlich. Wir wollten Apo nicht aus der Show herausnehmen, denn ihre Sprünge und Saltos machten sie zum Star. So fingen wir an, ihr einen Verschlag zu bauen, in den sie während der Vorstellung der Schwimmerin eingesperrt werden konnte - eine Lösung der Methode i -, trainierten aber gleichzeitig ein unvereinbares Verhalten. Wir brachten Apo dazu, unter Wasser einen Hebel 201 betätigen, um als Gegenleistung Fisch zu bekommen. Apo lernte mit Begeisterung, für jeden Fisch mehrmals den Hebel zu betätigen; sie begann auch, diesen Hebel
vor den anderen Delphinen zu schützen. Während der Vorstellungen brachte ein Trainer Apos Hebel in das Becken und bestärkte das Betäti gen immer dann, wenn die Schwimmerin in der Beckenmitte mit den anderen Delphinen spielte. Apo konnte nicht gleichzeitig ihren Hebel bedienen und in der Mitte des Beckens die Schwimmerin zusammenschlagen. Diese beiden Verhaltensweisen waren miteinander unvereinbar. Da Apo zum Glück lieber den Hebel betätigte als die Schwimmerin zu quälen, wurde das Verhalten beseitigt. (Die Schwimmerin traute diesem Zauber aber nicht recht und war erst wieder beruhigt, wenn Apo sich sicher hinter dem Gitter befand.) Durch das Trainieren eines unvereinbaren Verhaltens lassen sich gut ein falscher Schwung beim Tennis oder falsch gelernte Muskelbewegungen angehen. Muskeln „lernen“ langsam, aber gut; ist etwas einmal Teil eines Bewegungsmusters geworden, wird das Umlernen schwierig. (Für mich als Kind waren Klavierstunden frustrierend, weil meine Finger bei jedem Stück eine Note falsch zu lernen schienen und sie jedes Mal an derselben Stelle stolperten.) Ein damit unvereinbares Verhalten zu trainieren, ist eine Mög lichkeit, diesem Problem zu begegnen. Nehmen wir als Beispiel einen Tennisschwung und zerlegen in unserer Vorstellung die Bewegung in Einzelteile - in Haltung, Stellung, Beinarbeit, Anfang, Mitte und Ende - und gehen sehr langsam durch jeden einzelnen Teil der Bewegung oder, wenn nötig, mehrere Male durch einen einzigen Teil der Bewegung. Dann trainieren wir einen völlig anderen Schwung, eine Reihe ganz neuer Bewegungen. Haben die Muskeln dieses neue Muster einmal zu lernen begonnen, können wir sie zusammenfügen und die Geschwindigkeit der Bewegung erhöhen. Fangen wir dann in einer Spielsituation und bei voller Geschwindigkeit mit dieser Bewegung an, müssen wir unsere Aufmerksamkeit zunächst vol lkommen auf sie richten und nicht dorthin, wohin der Ball fliegt. Wir üben lediglich das Bewegungsmuster. Nun sollten wir zwei Schwünge haben - den alten, fehlerhaften und den neuen. Die beiden sind miteinander unvereinbar, wir können sie nicht beide gleichzeitig ausführen. Auch wenn wir uns einerseits niemals ganz von dem alten Schwung werden lösen können, lässt er sich doch auf ein Minimum reduzieren, indem wir den alten Schwung durch den neuen ersetzen. Haben sich die Muskeln einmal an das neue Bewegungsmuster gewöhnt, können wir uns wieder auf die Richtung konzentrieren. Und vermutlich wird sich der Ball mit einem besseren Schwung auch besser benehmen. (So hätte ich auch meinem Problem beim Klavier spielen begegnen können.) Zur Änderung des eigenen Verhaltens ist das Trainieren eines unvereinbaren Verhaltens besonders dann recht nützlich, wenn es sich um Gefühlszustände wie Trauer, Angst und Einsamkeit han delt. Manches Verhalten ist mit Selbstmitleid vollkommen unvereinbar, zum Beispiel: Tanzen, Chorsingen oder jede körperliche Aktivität, sogar Laufen. Sie können sich darin nicht engagieren und gleichzeitig in Selbstmitleid vergehen. Geht es Ihnen schlecht? Versuchen Sie es mit Methode 5.
Beispiele für Methode 5: Unvereinbares Verhalten trainieren Kluge Menschen setzen diese Methode oft ein. Singen und Spielen im Auto nimmt Eltern und Kindern die Langeweile beim Fahren. Ablenkung, Zerstreuung und angenehme Beschäftigungen sind für viele spannungsgeladene Augenblicke gute Alternativen. Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Kaufen Sie einen Wäschekorb und geben Sie eine Belohnung, wenn die Wäsche in den Korb getan wird. Wenn der Korb voll ist, waschen Sie die Wäsche gemeinsam und machen daraus ein gesellschaftliches Ereignis. Sich um die Wäsche zu kümmern, ist unvereinbar mit der Vernachlässigung der Wäsche.
Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Trainieren Sie das Abliegen auf Befehl. Hunde bellen selten im Liegen. Schreien Sie den Befehl aus dem Fenster oder bringen Sie im Zwinger eine Gegensprechanlage an. Zur Belohnung gibt es ein Lob. Die Kinder lärmen im Auto. Singen Sie mit ihnen Lieder, erzählen Sie Geschichten, machen Sie Spiele. Zanken und Schreien ist damit unvereinbar. Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Führen Sie angenehme Aktivitäten ein, die mit dem Brummen des heimkehrenden Partners unvereinbar sind, wie mit den Kindern spielen, sich mit einem Hobby beschäftigen. Dreißig Minuten für sich selbst zu haben, tut häufig gut. Ehegatten brauchen Zeit zum Abschalten, bevor sie sich dem Familienleben widmen. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Trainieren Sie einen ganz anderen Tennisschwung (siehe obiger Text). Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Verlangen Sie von ihm oder ihr, eine bestimmte Aufgabe schneller zu erledigen. Beobachten und loben Sie die beendete Aufgabe. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Bedanken Sie sich für Geschenke noch am gleichen Abend per Telefon. Dann müssen Sie nie mehr einen Brief schreiben. Die Katze springt auf den Küchentisch. Bringen Sie der Katze durch Streicheln und Futter als Belohnung bei, auf einem Küchenstuhl zu sitzen. Eine eifrige oder hungrige Katze kann so heftig auf den Stuhl springen, dass sie quer durch die Küche fliegt; sie ist aber dort, wo Sie sie haben wollen: nicht auf dem Tisch. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Beantworten Sie Knurren und Meckern mit Augenkontakt, einem freundlichen Lächeln und einem passenden Gruß wie „Guten Morgen“ oder, wenn der Fahrer richtig mit Ihnen schimpft, „Vielen Dank, das ist ganz in Ordnung“. Diese verblüffende Fehl- bzw. Gegenreaktion löst gelegentlich ein höfliches Verhalten aus. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Helfen Sie ihm oder ihr, eine andere Wohnung zu finden, auch wenn Sie sie anfangs bezahlen müssen.
Methode 6: Das Verhalten unter Signalkontrolle bringen Die Methode funktioniert unter Umständen, bei denen sonst gar nichts läuft. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz der Lerntheorie, dass ein Verhalten, wenn es unter Signalkontrolle gebracht wird - das heißt, wenn das Lebewesen lernt, als Reaktion auf eine Art Signal und nur dann ein Verhalten anzubieten -, mangels Signal allmählich erlischt. Mit Hilfe dieses Naturgesetzes ist es möglich, all diese unerwünschten Dinge einfach dadurch loszuwerden, dass man sie unter Signalkontrolle bringt ... und dann nie wieder das entsprechende Signal gibt.
Diese elegante Methode entdeckte ich, als ich mit einem Delphin das Tragen von Augenklappen trainierte. Damit wollten wir in unseren Vorstellungen im Sea Life Park das Unterwasserortungsgerät des Delphins, das Echolot, demonstrieren. Ich hatte vor, einem männlichen Tümmler namens Makua beizubringen, Gummisaugnäpfe auf seinen Augen zu tragen und dann, vorübergehend erblindet, mittels seines Ortungssystems Gegenstände unter Wasser zu suchen und zu apportieren. Inzwischen ist dieses Verhalten bei Vorstellungen in Ozeanarien zu einem Standardelement geworden. Auch wenn die Augenklappen Makua nicht verletzten, so mochte er sie nicht. Wenn er mich mit den Saugnäpfen in der Hand sah, ließ er sich auf den Boden des Beckens sinken und blieb dort. Er blieb dann bis zu fünf Minuten dort unten, wedelte sanft mit seiner Flosse und beobachtete mich misstrauisch durch das Wasser. Ihn aufzuschrecken und an die Oberfläche zu scheuchen, ihn zu locken oder zu bestechen, hielt ich für zwecklos. So belohnte ich ihn eines Tages, als er vor mir auf den Boden sank, mit einem Pfiff und einem Haufen Fische. Makua gab eine „Überraschungsblase“ ab - so groß wie ein Basketball, was in der Welt der Delphine so etwas wie „Na, so was“ bedeutet, kam an die Oberfläche und fraß seinen Fisch. Bald schon sank er mit dem Ziel auf den Boden, seine Bestär kung zu verdienen. Dann führte ich als Signal ein Unterwassergeräusch ein und bestärkte ihn nur für das Absinken auf das Signal hin. Sehr bald sank er in Abwesenheit des Signals nicht mehr ab. Nie wieder gab es in dieser Hinsicht ein Problem. Als ich wieder zum Training mit den Augenklappen zurückkehrte, akzeptierte er seine Klappen ohne Murren. Diese Methode habe ich auch verwendet, um lärmende Kinder im Auto ruhigzustellen. Wenn Sie auf dem Weg zu einem wunderbaren Ort sind - sagen wir zum Zirkus -, sind die Kinder vielleicht so laut, weil sie aufgeregt sind, viel zu aufgeregt, um für Methode 5 -Spielen und Singen - empfänglich zu sein. Und bei einem so fröhlichen Ereignis wollen Sie die Methode 3 - negative Bestärkung - durch an den Straßenrand fahren und anhalten nicht anwenden. Hier nun ist Methode 6 angesagt. Bringen Sie das Verhalten unter Signalkontrolle: „Okay, jeder macht jetzt so viel Krach, wie er kann. Fangt jetzt an!“ (Auch Sie machen Lärm.) Ungefähr dreißig Sekunden macht dies viel Spaß, dann verliert sich der Reiz. Zwei oder drei Wiederholungen reichen gewöhnlich aus, um den Rest der Fahrt einigermaßen Ruhe zu haben. Man könnte auch sagen, dass das Lärmen auf ein Signal hin den ganzen Spaß nimmt, oder dass ein Verhalten, welches unter Signalkontrolle gezeigt wird, dahin tendiert, mangels eines Signals zu erlöschen. Deborah Skinner, die Tochter von B. F. Skinner, gab mir ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man die Methode 6 einsetzt, um bei Hunden das Winseln an der Tür zu kontrollieren. Sie hatte einen kleinen Hund, der, wenn er nach draußen gesperrt wurde, an der Hintertür bellte und winselte, anstatt in den Garten zu gehen und sich zu lösen. Deborah bastelte eine kleine Pappscheibe, weiß auf der einen, schwarz auf der anderen Seite, die sie außen an den Türgriff hängte. Wenn die schwarze Seite zu sehen war, brachte kein Gejammer der Welt die Menschen im Haus dazu, die Tür zu öffnen. War die weiße Seitezusehen, wurde der Hund hereingelassen. Der Hund lernte rasch, in Anwesenheit des schwarzen Signals nicht weiter zu versuchen, hereinzukommen. Meinte Deborah, genügend Zeit sei vergangen, so öffnete sie die Tür einen Spalt, drehte die Scheibe herum und ließ den Hund herein, sobald er sich meldete. Als meine Tochter einen Zwergpudelwelpen gekauft hatte, versuchte ich es mit Deborahs System. Peter war mit seinen zwei Monaten ein sehr kleiner, kaum fünfzehn Zentimeter hoher Hund, und sogar im Haus konnte man ihn nicht unbeaufsichtigt umherlaufen lassen. Wenn ich zu tun hatte und Gale in der Schule war, taten wir ihn in Gales Zimmer, mit Futter, Wasser, Zeitungspapier und einer Decke. War er allein in dem Zimmer eingesperrt, veranstaltete er natürlich ein schreckliches Spektakel. Ich entschloss mich, es mit Deborahs Trick zu versuchen, also ihm ein Signal dafür zu geben, wann auf sein Bellen reagiert werden würde
und wann nicht. Ich griff das nächste, dessen ich habhaft werden konnte - ein kleines Handtuch - und hängte es innen an den Türgriff. So lange das Handtuc h dort hing, führte kein Gekläffe der Welt zu einem Ergebnis. War das Handtuch entfernt, wurden die Rufe des Welpen nach Gesellschaft und Freiheit erhört. Der Welpe hatte das sogleich begriffen und hörte auf, aufgeregt umherzuspringen, wenn er das Handtuch an der Tür sah. Um das Verhalten aufrechtzuerhalten, musste Ich nur daran denken, den Welpen nicht einfach so herauszulassen, wenn mir danach war, sondern die Tür zu öffnen, das Handtuch zu entfernen, die Tür zu schließen, zu warten bis der Welpe zu bellen anfing, und ihn dann nach draußen zu lassen. Damit hielt ich das Bellverhalten unter Reizkontrolle (in diesem Fall „kein Handtuch“ als Signal für: dein Bellen wird belohnt), und jegliches andere Bellen blieb ausgelöscht. Das funktionierte ganz ausgezeichnet - drei volle Tage lang. Dann war Peters lautes Verlangen plötzlich wieder zu hören. Ich öffnete die Tür und entdeckte, dass er herausgefunden hatte, wie er mit all seiner Kraft hochspringen und das Tuch vom Türgriff herunterzerren konnte. Sobald das Tuch dann am Boden lag, fühlte er sich vollkommen frei zu verlangen, nach draußen gelassen zu werden.
Beispiele für Methode 6: Das Verhalten unter Signalkontrolle bringen Dass diese Methode funktionieren könnte, erscheint nicht sehr logisch, sie kann aber erstaunlich wirksam sein und manchmal sofortige Abhilfe schaffen. Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Legen Sie einen Schlampertag ein. Schauen Sie mal, wie viel Unordnung Sie zu zweit in zehn Minuten machen können. (Wirksam; manchmal kann die unordentliche Person angesichts des großen Durcheinanders kleinere Unordnungen als solche erkennen und aufräumen - ein Hemd, zwei Socken, was Sie zwar immer noch nerven wird, aber von der Mitbewohnerin zuvor nicht als unordentlich empfunden wurde.) Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Bringen Sie dem Hund bei, für eine Belohnung auf den Befehl „Laut!“ zu bellen. Bekommt er den Befehl nicht, wird nicht gebellt. Die Kinder lärmen im Auto. Bringen Sie die Lärmerei unter Signalkontrolle (siehe Text oben). Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Legen Sie für das Meckern eine Zeit und ein Signal fest. Setzen Sie sich zehn Minuten hin, vielleicht um 17 Uhr. Bestärken Sie die Beschwerden während dieser Zeit durch Ihre vol le Aufmerksamkeit und Ihr Mitgefühl. Vor und nach dieser Zeit ignorieren Sie jegliche Meckerei. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Gäben Sie sich selbst den Befehl, den Ball falsch zu treffen, und lernten Sie dies absichtlich zu tun, würde dann der Fehler von allein erlöschen, wenn Sie den Befehl nicht gäben? Vielleicht. Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Ordnen Sie eine Partyzeit an. Dies war eine erstaunlich wirksame Technik, die der Chef der Werbeagentur, bei der ich einmal arbeitete, anwandte. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben.
Kaufen Sie sich einen Notizblock, Briefpapier, Briefmarken, einen Stift, ein Adressbuch und eine rote Schachtel. Erhalten Sie ein Geschenk, dann schreiben Sie den Namen des Schenkenden auf einen Notizzettel, tun diesen in die Schachtel, legen die Schachtel auf Ihr Kissen oder Ihren Teller und gehen nicht eher zu Bett oder fangen zu essen an, bevor Sie nicht den Brief geschrieben, adressiert, mit einer Briefmarke versehen und eingeworfen haben. Die Katze spring t auf den Küchentisch. Bringen Sie der Katze bei, auf ein Signal hin auf den Tisch zu springen und auch wieder herunter (davon sind Gäste sehr beeindruckt). Dann können Sie die Zeitspanne, die sie auf das Signal warten muss, formen (vielleicht den ganzen Tag). Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Dieses Verhalten unter Signalkontrolle zu bringen, ist nicht empfehlenswert. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Sobald die erwachsenen Kinder das Haus endgültig verlassen haben, laden Sie sie wieder zu sich ein. Machen Sie ihnen klar, sie sollten nur auf Ihre Einladung hin kommen. Dann laden Sie sie einfach nicht mehr ein.
Methode 7: Die Abwesenheit formen Diese Methode ist in den Fällen nützlich, in denen es nichts Besonderes gibt, was Ihr Trainee tun soll, außer dass Sie sein gezeigtes Verhalten stoppen möchten. Ein Beispiel: Anrufe voller Klagen und Schuldzuweisungen von Verwandten, die Sie mögen und nicht durch Methode i - auflegen - oder Methode 2 oder 3 - ausschimpfen oder ins Lächerliche ziehen - verletzen wollen. Der Tierpsychologe Harry Frank, der Wolfswelpen dadurch sozialisierte, dass er sie täglich ins Haus holte, beschloss, alles durch Streicheln und Aufmerksamkeit zu bestärken, was nicht in die Kategorie Zerstörung von Gegenständen fiel. Es stellte sich heraus, dass das Aufdem-Bett-liegen die einzige Beschäftigung in seinem Haushalt war, die kein Zerkauen der Couch, der Telefonkabel, der Teppiche und so weiter zur Folge hatte. Im Laufe der Zeit verbrachten Harry, seine Frau und die drei heranwachsenden jungen Wölfe die Abende damit, von dem großen Bett aus friedlich und gemeinsam die 22-Uhr-Nachrichten anzuschauen. Die Methode 7. Ich bediente mich der Methode 7, um das Verhalten meiner Mutter am Telefon zu verändern. Meine Mutter, die schon seit einigen Jahren recht gebrechlich war, lebte in einem Pflegeheim. Ich besuchte sie, sooft ich konnte, die meisten Kontakte liefen aber über das Telefon. Jahrelang waren diese Telefonate für mich eine Qual. Die Gesprächsthemen drehten sich gewöhnlich und manchmal ausschließlich um die Probleme meiner Mutter um Schmerzen, Einsamkeit, Geldmangel, also um reale Probleme, deren Lösung ich nicht herbeiführen konnte. Aus ihren Klagen wurden Tränen und aus den Tränen Anschuldigungen; Anschuldigungen, die mich wütend machten. Der Austausch war derart unerfreulich, dass ich mich vor den Telefonaten zu drücken versuchte. Irgendwie musste es doch einen besseren Weg geben. Ich fing an, mich während dieser Telefongespräche auf mein eigenes Verhalten zu konzentrieren, setzte die Methoden 4 und 7 ein. Ihre Klagen und Tränen ließ ich absichtlich erlöschen - die Methode 4 -, indem ich sagte „Ach“ und „Hmm“ oder „Gut, gut“. Keine wirklichen Ergebnisse, keine guten, keine schlechten. Ich legte nicht auf, wehrte mich nicht. Ich ließ gar nichts zu. Dann bestärkte ich alles und jedes, was keine Klage war: Fragen über meine Kinder, Neues aus dem Pflegeheim, Gespräche über das Wetter, über Bücher oder Freunde. Auf solche Dinge reagierte ich voller Enthusiasmus. Die Methode 7.
Innerhalb von zwei Monaten harte sich nach zwanzig konfliktreichen Jahren das Verhältnis von Tränen und Kummer völlig in Plaudern und Lachen geändert. Zu Beginn unserer Telefongespräche verwandelten sich die Sorgen meiner Mutter in einfache Fragen -“Hast du den Scheck weggeschickt? Hast du mit dem Arzt geredet? Könntest du bitte meinen Sozialarbeiter anrufen?“, sie wiederholte nicht ständig ihre Klagen. Der Rest der Zeit war gefüllt mit Tratsch, dem Schwelgen in Erinnerungen und mit Spaßen. Meine Mutter wurde wieder zu der faszinierenden, geistreichen Frau, die sie in ihrer Jugend gewesen war. In den ihr noch verbliebenen Jahren bereitete es mir große Freude, mit ihr persönlich oder am Telefon zu sprechen. „Ist das nicht eine schreckliche Manipulation?“ fragte mich ein befreundeter Psychologe. Sicherlich. Was davor aber geschehen war, war mir gegenüber auch reine Manipulation. Vielleicht hätte mich ein Therapeut dazu überreden können, mit meiner Mutter anders umzugehen, oder sie mit mir; vielleicht aber auch nicht. Wie viel einfacher scheint da ein klar umrissenes Ziel der Methode 7 erreichbar. Was bestärken wir eigentlich? Alles außer dem, was wir nicht wollen.
Beispiele für Methode 7: Die Abwesenheit des unerwünschten Verhaltens formen Hier sind bewusste Bemühungen über einen gewissen Zeitraum erforderlich, aber es ist oft der beste Weg, tief verwurzeltes Verhalten zu verändern. Der/die Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen, Kaufen Sie Bier oder laden Sie Menschen des anderen Geschlechts dann ein, wenn das Zimmer aufgeräumt ist oder der/die Mitbe wohner/in gerade die Wasche macht. Der Hofhund bellt die ganze Nacht über. Gehen Sie in den Hof und loben nachts ab und zu den Hund, wenn er zehn Minuten, zwanzig Minuten, eine Stunde usw. ruhig geblieben ist. Die Kinder lärmen im Auto. Warten Sie auf einen ruhigen Moment und sagen dann: „Ihr seid heute alle so ruhig gewesen, dass ich jetzt bei McDonalds anhalte.“ (Sagen Sie das möglichst dann, wenn McDonalds gerade ganz in der Nähe ist, damit Sie Ihr Versprechen sofort einlösen können, bevor die Kids wieder laut werden!) Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Denken Sie sich ein paar nette Bestärkungen aus und überraschen Sie ihn damit, wenn die Laune gerade mal freundlich“ ist. Schlechter Aufschwung beim Tennis. Ignorieren Sie schlechte Schläge und loben Sie sich selbst für gute. (Das funktioniert wirklich.) Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Loben Sie ihn übersehwenglich für jede Aufgabe, die er zu Ihrer Zufriedenheit ausgeführt hat. (Das müssen Sie nicht das ganze Leben lang tun, nur so lange, bis sich der neue Trend gefestigt hat.) Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Belohnen Sie sich jedes Mal mit einem Kinobesuch, wenn Sie ein Geschenk bekommen, sofort eine Danksagung geschrieben und auf die Post gebracht haben.
Die Katze springt auf den Küchentisch. Die Katze für Zeiten zu loben, die sie nicht auf dem Tisch war, ist in der Praxis nur durchführbar, wenn die Küchentür während Ihrer Abwesenheit geschlossen ist, damit sich die Katze mit ihrem Verhalten nicht selbst bestärkt. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Fahren Sie jeden Morgen mit demselben Busfahrer, sollte ein freundliches „Guten Morgen“ zu einem gerade mal nicht mürrischen Menschen innerhalb von ein bis zwei Wochen zu einer Verbesserung führen. ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Wohnen Ihre erwachsenen Kinder nicht zu Hause, bestärken Sie sie. Kritisieren Sie nicht deren Haushalt, die Wahl der Wohnung, die Einrichtung oder den Geschmack in Bezug auf ihre Freunde. Sie könnten sonst meinen, Sie hätte n Recht und hielten Ihr Haus für einen besseren Platz zum Leben.
Methode 8: Die Motivation ändern Oftmals ist das Auslöschen der Motivation für ein Verhalten die netteste und effektivste aller Methoden. Wer genug zu essen hat, wird keinen Laib Brot stehlen. Ein täglicher Anblick, bei dem ich stets zusammenzucke, ist die Mutter, deren kleines Kind in einem Supermarkt einen Wutanfall bekommt und die es dann am Arm schüttelt, um es zum Schweigen zu bringen. Natürlich kann man dabei mitfühlen - der Wutanfall ist peinlich, und durch das Schütteln ist es möglich, das Kind heimlich so zu schocken, dass es schweigt. Das ist weniger auffällig als zu schimpfen oder einen Klaps zu geben. (Wie jeder Orthopäde bestätigen kann, ist es auch ein guter Weg, einem Kleinkind den Ellenbogen oder die Schulter auszukugeln.) Gewöhnlich liegt das Problem darin, dass das Kind Hunger hat, und der Anblick und Geruch von Essen einfach zu viel ist. Nur wenige junge Mütter haben jemanden, bei dem sie das Kind zurücklassen können, während sie einkaufen. Insbesondere berufstätige Mütter müssen ausgerechnet kurz vor dem Abendessen einkaufen, wenn sie selbst abgespannt und hungrig und folglich reizbar sind. Die Kinder vor oder während des Einkaufens zu futtern, darin liegt die Lösung. Jede Art von Essen ist diesen qualvollen Szenen vorzuziehen, in die Kind, Mutter, Verkaufspersonal und alle, die sich zufällig in der Nähe befinden, verwickelt sind. Manches Verhalten bestärkt sich selbst - das heißt, die Ausführung des Verhaltens an sich ist die Bestärkung. Kaugummikauen, Rauchen und Daumenrutschen sind hierfür gute Beispiele. Der beste Weg, solches Verhalten bei sich oder anderen auszumerzen, besteht darin, die Motivation zu ändern, Ich gab als Kind das Kaugummikauen auf, weil mir meine Tante erzählte, ein Mädchen mit Kaugummi im Mund sehe „billig“ aus, und für mich war es wichtiger, nicht „billig“ auszusehen, als Kaugummi zu kauen. Raucher hören mit dem Rauchen auf, wenn ihre Motive für das Rauchen auf andere Weise befriedigt werden können oder wenn die Motivation hierfür - sagen wir einmal die Angst vor Krebs - stärker wiegt als die Bestärkung des Rauchens. Mit dem Daumenlutschen ist Schluss, wenn der Grad des Vertrauens bei einem Kind so groß ist, dass es sich nicht mehr selbst trösten muss. Soll die Motivation geändert werden, muss man feststellen, worin sie besteht, und dazu sind wir häufig nicht in der Lage. Wir ziehen gern voreilige Schlüsse: „Sie hasst meine Art“, „Der Chef hat mich auf dem Kieker“, „Dieses Kind hat nichts Gutes an sich“. Oft verstehen wir unsere eigene Motivation nicht. Aus diesem Grund hat sich der Stand der Psychologen und Psychiater auch zerstritten. Auch wenn uns selbst keine ungesunde Motivation zu Eigen ist, zahlen wir doch und insbesondere, wenn wir uns den medizinischen Berufen anvertrauen müssen, einen hohen Preis für diese weit verbreitete Kenntnis über verborgene Motivationen.
Sofern körperliche Beschwerden nicht eklatant offensichtlich sind, werden die Probleme meist auf einen emotionalen Ursprung zurückgeführt und ohne weitere Untersuchung der tatsächlichen physischen Gründe entsprechend behandelt. Ich sah, wie ein Geschäftsmann mit Amphetaminen behandelt wurde, damit er sich nicht mehr erschöpft „fühle“, während er in Wahrheit vor lauter Überarbeitung wirklich erschöpft war. In einer Stadt an der Westküste wurde unlängst eine junge Frau als neurotisch diagnostiziert und von einem halben Dutzend Ärzten mit Beruhigungsmitteln behandelt, weil diese für die Symptome offensichtlich keine körperlichen Gründe fanden. Sie wäre schon beinahe in einer Nervenheilanstalt gelandet, hätte nicht der siebte Arzt entdeckt, dass sie langsam an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung starb, die von einem undichten Ofen in ihrer Wohnung herrührte. Ich selbst habe einige Ärzte erlebt, die mich niemals zuvor gesehen hatten, mit mir schimpften und mir ein Rezept für Beruhigungsmittel gaben, obwohl ich ihnen gesagt hatte, meiner Meinung nach handele es sich um das Anfangsstadium von Mumps. Natürlich besteht das Motiv manchmal aus dem Bedürfnis nach Beruhigung, weshalb (falls derjenige, der die Erleichterung verordnet, eine kraftvolle und glaubwürdige Person ist) ein Beruhigungsmittel, eine Zuckerpille oder ein Placebo den Geist beruhigen, den Blutdruck senken und die Symptome lindem kann. Weihwasser oder ein Segen kann auch helfen, wenn man daran glaubt. Der so genannte Placebo-Effekt trägt vielleicht auch dazu bei, den Zauberarzt im Geschäft zu halten. Darin sehe ich nichts Falsches. Die Motivation ist ein Bedürfnis nach Beruhigung, ein echtes Bedürfnis. Der Trick besteht immer darin, die Motivation zu erkennen, weniger, voreilige Schlüsse zu ziehen. Ein Weg, dies zu tun, ist darauf zu achten, was tatsächlich für die Änderung des Verhaltens hilfreich ist und was nicht. Die Botschaft ist folgende: Haben Sie oder ein Freund ein rätselhaftes Verhaltensproblem, dann denken Sie intensiv über mögliche Motivationen hierfür nach. Lassen Sie dabei niemals Hunger, Krankheit, Einsamkeit oder Furcht als mögliche Gründe außer Acht. Können die zugrunde liegenden Ursachen behoben und folglich die Motivation beseitigt oder geändert werden, dann haben Sie Ihr Ziel erreicht.
Motivation und Entzug Motivation ist ein riesiges Gebiet, dem sich Wissenschaftler ein ganzes Leben lang widmen. Sie umfassend zu behandeln, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen; dennoch muss über die Motivation in Verbindung mit unerwünschtem Verhalten gesprochen werden. Vielleicht ist jetzt der Punkt gekommen, um über ein Trainingssegment zu diskutieren, das gelegentlich zur Erhöhung der Motivation eingesetzt wird, nämlich über den Entzug. Die Theorie besagt, dass ein Tier umso stärker und zuverlässiger für eine positive Bestärkung arbeitet, je mehr es eine solche Bestärkung braucht. Laborratten und -tauben werden häufig auf Futter als Bestärkung konditioniert. Um ihre Motivation zu erhöhen, erhalten sie weniger Futter, als sie sich selbst zuführen würden. Üblicherweise bekom men sie gerade so viel, dass sie 85 % ihres Normalgewichts halten. Dies bezeichnet man als Futterentzug. In der experimentellen Psychologie ist der Entzug zu einer solchen Standardtechnik geworden, dass ich zu Beginn meiner Trainerlaufbahn der Auffassung war, er sei für die Arbeit mit Ratten und Tauben eine Notwendigkeit. Natürlich haben wir den Entzug niemals bei Delphinen angewandt. Da Delphine oftmals krank werden und sterben, wenn sie nicht genügend zu fressen bekommen, bekamen unsere Delphine so viel, wie sie haben wollten, ob sie es sich nun bis zum Ende des jeweiligen Tages verdient hatten oder nicht. In jener Zeit geschah es, dass ich Futter und soziale Bestärkung recht erfolgreich bei Ponys und Kindern einsetzte, ohne vorher die Ration an Liebe oder Nahrung vermindert zu haben. Vielleicht war Futterentzug nur bei einfacheren Organismen wie Ratten oder Tauben notwendig? Unsere Trainer im Sea Life Park formten über die Bestärkung mit Futter das Verhalten von Schweinen, Hühnern, Pinguinen und sogar Fischen und Kraken, und sie hätten im Traum nicht daran gedacht, die armen Viecher vorher hungern zu lassen. Bis ich mit Dave Butchers Seelöwen
arbeitete, dachte ich trotzdem, Entzug sei bei einigen Trainingsarten notwendig, weil die Anwendung so weit verbreitet war. Ich hatte noch nie selbst mit Seelöwen gearbeitet und hatte den oberflächlichen Eindruck, dass sie nur für Fisch arbeiteten, unsozial seien und Trainer beißen würden. Auch dachte ich, nur junge Tiere würden trainiert. Alle arbeitenden Tiere, die ich jemals gesehen harte, waren verhältnismäßig klein und wogen zwischen einhundert und zweihundert Pfund. In der Freiheit, so wusste ich, würden sie sehr groß. Dave Butcher, der Leiter des Trainings in Sea World in Florida, zeigte mir, dass viel mehr möglich war, als ich mir vorstellen konnte. Seine Seelöwen arbeiteten für soziale und für Kontaktbestärkung ebenso wie für Fisch und natürlich auch für konditionierte Bestärker und nach variablen Plänen. Um sie zum Mitmachen zu bewegen, mussten sie also nicht hungrig gehalten werden. Während und nach der Vorstellung konnten die Seelöwen soviel Fisch haben, wie sie nur wollten. Als ein Ergebnis waren die Tiere nicht mürrisch oder knurrig, wie es hungrige Tiere meist sind. Zu den Menschen, die sie kannten, waren sie freundlich und genossen die Berührung. Es erstaunte mich, Trainier zu sehen, die in ihrer Mittagspause inmitten der Tiere ein Sonnenbad nahmen. Jeder der jungen Männer hatte sich gegen die Seite eine Seelöwen gelehnt und hielt den Kopf eines anderen Seelöwen in seinem Schoß. Ein weiteres Ergebnis der Vermeidung von Futterentzug bestand in der Tatsache, dass die Seelöwen immer größer wurden. Dave nahm an, die meisten früher ausgebildeten Seelöwen seien nicht deswegen so klein, weil sie noch jung, sondern weil sie in ihrem Wachstum gehemmt waren. Die Darsteller von Sea World wiegen sechs-, sieben- oder achthundert Pfund. Sie sind sehr aktiv, überhaupt nicht fett, aber riesig groß, so wie es die Natur gewollt hat. Und sie arbeiten hart. Die fünf oder mehr Vorstellungen, die sie täglich geben, sind großartig. Ich vermute, der Versuch, die Motivation durch irgendeine Art von Entzug zu erhöhen, ist nicht nur unnötig, sondern auch schädlich. Die normale Menge an Futter, Aufmerksamkeit, Gesellschaft oder irgend etwas anderem, was der Trainee mag oder braucht, vor Trainingsbeginn zu reduzieren allein um die Bestärkung kraftvoller zu machen, indem der Trainee bedürftiger gemacht wird -, ist eine magere Entschuldigung für ein schlechtes Training.
Beispiele für Methode 8: Die Motivation ändern Wenn Sie eine Möglichkeit finden können, es zu tun, funktioniert diese Methode immer und ist die beste von allen. Der'/die. Mitbewohner/in lässt überall schmutzige Wäsche herumliegen. Engagieren Sie ein Hausmädchen zum Aufräumen und für die Wasche, damit weder Sie noch Ihr Mitbewohner sich darum küm mern müssen. Dies ist vielleicht die beste Lösung, wenn Sie mit ihm verheiratet sind und Sie beide arbeiten. Oder der unordentliche Partner könnte dem ordentlichen beibringen, etwas nachlässiger zu werden. Der Hofhund bellt die ganze Nacht. Ein bellender Hund ist einsam, ängstlich und gelangweilt. Machen Sie während des Tages mit ihm Übungen und schenken Sie ihm genügend Aufmerksamkeit, damit er abends müde ist und schläft, oder schaffen Sie einen zweiten Hund an, damit er Gesellschaft h a t Die Kinder lärmen im Auto. Hunger oder Müdigkeit ist oft die Ursache für eskalierenden Lärm, Halten Sie Saft, Obst, Kekse und Kissen für ein bequemes Ausru hen auf dem Nachhauseweg bereit. Machen Sie auf längeren Fahrten zusätzlich noch alle Stunde zehn Minuten Pause, damit die Kindern draußen herumlaufen können (tut den Eltern übrigens auch gut). Der Ehepartner kommt immer schlecht gelaunt nach Hause. Ermutigen Sie ihn, die Arbeitsstelle zu wechseln. Empfangen Sie ihn mit Käse, Kräckern oder einer wannen Suppe, wenn Hunger und Müdigkeit die Ursache
sind. Ist Stress der Grund, ließe der sich durch einen Drink beheben. Schlechter Aufschwung heim Tennis. Hören Sie auf, die Welt durch einen Sieg auf dem Tennisplatz verändern zu wollen. Spielen Sie aus Spaß. (Gilt nicht für Weltklassespieler - oder etwa doch?!) Ein fauler Mitarbeiter, der sich gern drückt. Zahlen Sie für die getane Arbeit, zahlen Sie keinen Stundenlohn. Bei Mitarbeitern, die nicht aus westlichen Ländern kommen, ist eine aufgabenorientierte Bezahlung besonders effektiv. Das ist das Prinzip des ScheuneErrichtens: Jeder arbeitet wie verrückt, bis die Aufgabe bewältigt ist; dann gehen alle auseinander. HollywoodFilme werden auf diese Weise gedreht. Sie hassen es, Danksagungen zu schreiben. Diese Aufgabe führen wir nicht gern aus, weil es sich um eine Verhaltenskette handelt (siehe Methode 6), bei der der Start sehr schwer fällt, da am Ende keine positive Bestärkung wartet (das Geschenk haben wir ja schon erhalten!). Auch schieben wir sie manchmal vor uns her, weil wir glauben, einen besonders guten, perfekten oder klugen Brief schreiben zu müssen. Das stimmt nicht. Der Schenkende muss nur wissen, dass Sie sich über das Zeichen seiner Zuneigung gefreut haben. Phantasievolle Worte sind in einer Danksagung ebenso wenig wichtig wie schriftstellerische Fähigkeiten beim Ausstellen eines Schecks: Was zählt, ist eine prompte Erledigung, Die Katze springt auf den Küchentisch. Warum springen Katzen auf den Tisch? i. Weil sie auf der Suche nach Futter sind, also stellen Sie alles Essbare weg. 2. Katzen ruhen gern auf einem erhöhten Platz, wo sie sehen können, was um sie herum geschieht. Schaffen Sie ihnen einen Platz mit einem guten Überblick über das Geschehen in der Küche, der höher als der Tisch, aber noch niedrig genug ist, damit Sie sie streicheln können. Die Katze wird diesem Platz den Vorzug geben. Ein mürrischer Busfahrer ist zu Ihnen unverschämt und nervt Sie. Vermeiden Sie, durch Ihr Verhalten im Bus alles durcheinander zu bringen. Zahlen Sie passend, kennen Sie Ihr Fahrziel, blockieren Sie nicht den Gang, murmeln Sie keine Fragen undeutlich in sich rein, versuchen Sie, bei einem Stau verständnisvoll zu sein usw. Busfahrer können ungenießbar werden, weil manche Fahrgäste eine richtige Plage sind. Ihr schon erwachsener Nachwuchs, der Ihrer Meinung nach autark sein sollte, will wieder bei Ihnen einziehen. Erwachsene mit Freunden, Selbstachtung, einem Lebensziel, einer Arbeit und einem Dach über dem Kopf wollen gewöhnlich nicht bei ihren Eltern leben. Helfen Sie Ihren Kindern, die ersten drei während des Heranwachsens zu finden, werden sie selbst für eine Arbeit und ein eigenes Zuhause sorgen. Dann können Sie alle Freunde bleiben.
Komplexe Probleme lösen Ich habe in diesem Kapitel gezeigt, wie jede dieser acht Methoden bei bestimmten Verhaltensproblemen angewandt werden kann. Bei manchen Problemen sind offensichtlich eine oder mehrere Losungen die besten. Nimmt man den Hund, der des Nachts bellt, weil er sich einsam fühlt und Angst hat. mit ins Haus oder gesellt ihm einen zweiten Hund dazu, wird er normalerweise nur noch dann bellen, wenn er uns wirklich warnen will. Für andere Probleme sind verschiedene Methoden zu unterschiedlichen Zeiten geeignet. Je nach den
Umständen kann man auf unterschiedliche Weise Kinder davon abhalten, im Auto zu viel Lärm zu machen. Andere Verhaltensprobleme sind jedoch durch vielfache Motive verursacht, die tief verwurzelt und nicht durch eine einzige Methode kontrollierbar sind - dazu zählen Stresssymptome wie Nägelkauen, schlechte Angewohnheiten wie chronisches Zuspätkommen, Suchtverhalten wie das Rauchen. Ein solches Verhalten kann durch den wohl geplanten Einsatz einer der acht Methoden reduziert oder ausgelöscht werden. Möglicherweise bedarf es aber einer Kombination mehrerer Methoden, um das Verhalten zu stoppen. (Um es noch einmal zu betonen, ich spreche hier nur von Verhaltensproblemen bei einigermaßen normalen Lebewesen, nicht bei psychisch kranken oder geschädigten.) Lassen Sie uns einige Beispiele für Probleme beleuchten, zu deren Lösung mehrere Methoden berücksichtigt werden müssen.
Das Nägelkauen Zum einen ist das Nägelkauen ein Symptom für Stress und eine Art Ablenkung, die vorübergehend hilft, Spannung abzubauen. Bei Tieren nennt man dieses Verhalten Übersprungshandlung. Befindet sich ein Hund in einer Spannungssituation - wenn ihm zum Beispiel gut zugeredet wurde, sich von einem Fremden streicheln zu lassen -, könnte er sich plötzlich hinsetzen und kratzen. Plötzlich können zwei Pferde, die sich in einem Dominanzkonflikt gegenseitig bedrohen, zu grasen anfangen. Übersprungshandlungen beste hen sehr häufig aus Körperpflegeverhalten. Bei in Gefangenschaft lebenden Tieren kann ein solches Verhalten sooft wiederholt werden, dass es bis zur Selbstverstümmelung fuhrt. Vögel putzen ihr Gefieder, bis sie sich alle Federn selbst ausgerupft haben; Katzen lecken sich eine Pfote so lange, bis eine offene Wunde entstanden ist. Nägelkauen (und Haare ausreißen, Kratzen und anderes Pflegeverhalten) kann sich beim Menschen bis zu diesem Extrem entwickeln, und selbst Schmerzen können das Verhalten nicht stoppen. Weil das Verhalten zeitweilig wirklich von Stress ablenkt, wirkt es selbst-bestärkend und kann folglich nur sehr schwer abgelegt werden. Es kann zu einer Gewohnheit werden und auch ohne Stress auftreten. Manchmal funktioniert Methode 4 - die Auslöschung. Mit zunehmendem Alter und wachsendem Selbstvertrauen verliert sich die Angewohnheit. Das aber kann Jahre dauern. Weder die Methode i - machen Sie das Nägelkauen durch das Tragen von Handschuhen unmöglich noch Methode 2 - Strafen durch Schuldgefühle und Schimpfen - werden den Nägelkauer ein alternatives Verhalten lehren. Methode 3, negative Bestärkung - bestreichen der Nägel mit einer scheußlich schmeckenden Substanz -wirkt nur dann, wenn sich die Gewohnheit ohnehin ausschleicht (dies gilt gleichermaßen für das Daumenlutschen). Haben Sie diese Angewohnheit, so werden Sie sie wahrscheinlich am besten durch die Anwendung aller vier positiven Methoden los. Nehmen Sie zuerst die Methode 5, ein unvereinbares Verhalten, und lernen, sich zu beobachten, wie Sie mit dem Nägelkauen beginnen. Springen Sie jedes Mal, wenn Ihre Finger in Richtung Mund wollen, auf und tun Sie etwas anderes. Atmen Sie viermal gut durch, Trinken Sie ein Glas Wasser. Hüpfen Sie auf und ab. Strecken Sie sich. An den Nägeln kauen und zur selben Zeit all diese Dinge tun (die selbst spannungslösend wirken), wird Ihnen nicht gelingen. Fangen Sie unterdessen mit Methode 8 an, ändern Sie die Motivation. Reduzieren Sie den Stress in Ihrem Leben ganz allgemein. Teilen Sie Ihre Sorgen mit anderen, die dafür vielleicht Lösungen haben. Treiben Sie Sport, dies wird Sie gewöhnlich in die Lage versetzen, Probleme leichter anzugehen. Auch die Abwesenheit eines Verhaltens können Sie dadurch formen (Methode 7), dass Sie sich mit einem Ring oder einer guten Maniküre belohnen, sobald der Fingernagel lang genug gewachsen ist, dass man ihn sieht (auch wenn Sie zu diesem Zweck erst einmal den Finger bandagieren mussten). Sie könnten es auch mit dem ausgezeichneten Vorschlag der Psychologin Jennifer Fames versuchen, das Verhalten unter Signalkontrolle zu bringen: Wann immer Sie sich dabei ertappen, dass Sie an den Nägeln kauen, sollten Sie aufschreiben, was Sie in diesem Moment bedrückt. Setzen Sie sich dann jeden Abend zu einer bestimmten Zeit hin und kauen Sie 20 Minuten lang an Ihren Nägeln, während Sie sich mit den notierten Problemen befassen. Bald schon und besonders dann, wenn Sie diese Methode mit den anderen vorgeschlagenen kombiniert haben, sollten Sie die Zeit für das Nägelkauen auf Null
herunterformen können.
Chronische Unpünktlichkeit Menschen, die ein kompliziertes, anspruchsvolles Leben führen, kommen deswegen oft zu spät, weil sie viel zu tun haben und versuchen, Termine noch irgendwie reinzustopfen - berufstätige Mütter, Mitarbeiter in neuen und aufstrebenden Firmen, manche Ärzte usw. Andere kommen generell zu spät, ob sie nun beschäftigt sind oder nicht. Da einige der am meisten beschäftigten Menschen in der Welt auf die Sekunde pünktlich sind, liegt die Vermutung nahe, manche Menschen, die häufig zu spät kommen, wollten unbewusst zu spät kommen. Man sollte meinen, Unpünktlichkeit reduziere sich als negative Bestärkung von selbst - Sie verpassen den halben Film, die Party ist fast zu Ende, die Person, mit der Sie verabredet waren, ist wütend. Dies aber sind Strafen, keine negativen Bestärkungen, denn das zu ändernde Verhalten, ist nicht das Zuspätkommen, sondern das Verpassen des zur pünktlichen Ankunft notwendigen, rechtzeitigen Fortgehens. Menschen, die ständig zu spät kommen, haben im allgemeinen wunderbare Entschuldigungen parat, für die sie durch Verständnis besonders nett bestärkt werden (was ihre Fähigkeiten, Entschuldigungen zu finden, entwickelt und faktisch das Zuspätkommen bestärkt). Der schnellste Weg, gegen die Unpünktlichkeit anzukämpfen, ist die Methode 8, die Änderung der Motivation. Menschen haben viele Gründe, warum sie zu spät kommen. Einer ist Angst: sie fürchten sich vor der Schule, also trödeln sie. Ein anderer ist Selbstmitleid: „Ich bin so ein armer Tropf, ich bin so mit Verantwortung überladen, dass ich meinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.“ Dann gibt es die „feindliche“ Verspätung - wenn Sie insgeheim diese Menschen gar nicht treffen wollen - und die Angeber-Verspätung, wenn Sie offensichtlich was Besseres zu tun haben, als hier aufzutauchen. Welche Motive hinter einem bestimmten Fall stehen, ist unwichtig. Um mit dem Zuspätkommen aufzuhören, muss man nur die Moti vation ändern, also den Entschluss fassen, dass Pünktlichkeit unter allen Umständen die erste Priorität hat. Simsalabim! Niemals mehr müssen Sie hinter einem Flugzeug herrennen oder einen Termin verpassen. Als ewiger Zuspätkommer habe ich mich selbst auf diese Weise kuriert. Da ich mich für Pünktlichkeit als oberste Maxime entschieden hatte, kamen die Antworten auf solche Fragen immer automatisch wie „Habe ich vor dem Beginn der Ausschuss-Sitzung noch Zeit, zum Friseur zu gehen?“ oder „Kann ich mir vor dem Zahnarzt noch eine Erledigung dazwischenquetschen?“, „Muss ich jetzt schon zum Flughafen?“. Die Antwort lautete immer Nein, Nein und Ja. Ab und zu mache ich noch einen Fehler, im großen und ganzen aber hat die Entscheidung, die Pünktlichkeit als Motivation zu wählen, mein Leben enorm vereinfacht, und das meiner Familie, der Freunde und Kollegen ebenfalls. Reicht für Sie die Änderung der Motivation nicht aus, könnten Sie die Methode 5, das Trainieren eines unvereinbaren Verhaltens, hinzunehmen, indem Sie sich zum Ziel setzen, frühzeitig an einem Bestimmungsort einzutreffen. Oder fügen Sie die Methode 7 hinzu, das Formen der Abwesenheit. Bestärken Sie sich selbst oder lassen Sie sich von Ihren Freunden bestärken. Denn was für andere normal ist, die Pünktlichkeit nämlich, ist für Sie ein besonderer Erfolg - die nicht-vorhandene Unpünktlichkeit. Probieren Sie auch die Methode 6 aus, indem Sie die Unpünktlichkeit unter Signalkontrolle bringen. Wahlen Sie einige Ereignisse aus, zu denen Sie wirklich zu spät kommen wollen. Kündigen Sie an, dass Sie zu spät kommen wollen, und seien Sie dann auch zu spät. Da das unter Signalkontrolle gebrachte Verhalten mangels eines Signals allmählich erlischt, also nicht mehr gezeigt wird, kann das beabsichtigte Zuspätkommen, wenn es sicher ist, dazu beitragen, die „zufällige“ oder unbewusste Unpünktlichkeit für die Fälle auszumerzen, in denen Sie wirklich pünktlich sein sollten.
Suchtverhalten
Die Sucht nach Substanzen, die man einnimmt - Zigarettenrauch, Alkohol, Koffein, Drogen usw. -, hat körperliche Auswirkungen, die Sie, egal was Sie tun, abhängig machen und schließlich zu unangenehmen Entzugserscheinungen führen, wenn Sie ohne diese Substanzen auskommen müssen. Ein Suchtverhalten beinhaltet aber auch enorme Verhaltenskomponenten. Manche Menschen verhalten sich wie Süchtige, sie leiden an Entzugserscheinungen auf relativ harmlose Stoffe wie Tee, Limonade und Schokolade oder auch auf Freizeitbeschäftigungen wie Joggen oder Essen. Manche können Abhängigkeiten ein- und ausschalten. Die meisten Raucher empfinden den Drang zum Rauchen zu gewissen Zeiten besonders stark und sind verzweifelt, wenn sie dann nicht rauchen dürfen. Einige orthodoxe Juden können jedoch sechs Tage in der Woche stark rauchen und am Sabbath problemlos darauf verzichten. Die meisten Süchte bewirken neben den körperlichen Symptomen eine zeitweise Linderung in Stresssituationen, so dass sie zu Ersatzhandlungen werden, die es doppelt so schwer machen, sie zu beseitigen. Da aber Süchte so viele Verhaltenskomponenten haben, ist es denkbar, dass ein Suchtproblem von der Verhaltensseite her mit guten Erfolgs aussiebten über eine oder mehrere der acht Methoden angegangen werden kann. Alle Programme zur Rehabilitation von Suchtverhalten, von den Entzugskliniken bis hin zu den Anonymen Alkoholikern, bauen stark auf den Methoden 1 und 8 auf. Die verlangte Substanz wird physisch unerreichbar, die Therapie zeigt dem Trainee andere Möglichkeiten auf, eine Quelle der Zufriedenheit für sich zu finden - eine bessere Selbstachtung, Einsichte n, berufliche Fähigkeiten, usw. -, um die Motivation, die hinter diesem Bedürfnis steht, zu ändern. Viele Behandlungen basieren auf Methode 2, der Bestrafung, gewöhnlich in der Form, dass die Fehler angeprangert und Schuldgefühle eingeimpft werden. Ich unterzog mich einem Nichtraucher-Programm, das in der Tat sehr hilfreich war, obwohl ich häufig schwindelte. Beim Schwindeln - zum Beispiel rauchte ich geschnorrte Zigaretten auf einer anstrengenden Sitzung - fühlte ich mich schrecklich schuldig. Am nächsten Morgen war ich vor lauter Schuldgefühlen regelrecht krank. Allerdings hielt mich das beim nächsten Mal nicht zurück. Bei mir funktionierten die Methoden 2 und 3, also Bestrafung und negative Bestärkung, nicht sehr gut. Das mag für andere anders sein. Programme zur Gewichtsreduktion betonen nicht nur das Öffentliche Lob für verlorene Pfunde, sondern auch das Schamgefühl vor der Gruppe bei Gewichtszunahme. Manche Menschen tun alles zur Vermeidung eines solchen Schuldgefühls. In vielen Suchtverhalten finden sich Elemente abergläubischen Verhaltens. Essen.. Rauchen usw. wurden als Aktion zufällig mit Umweltsignalen verknüpft, die das Bedürfnis auslösen. Zu einer bestimmten Tageszeit wollen Sie etwas trinken, das Telefon klingelt, Sie überlegen, ob Sie sich eine Zigarette anzünden sollten usw. Eine systematische Feststellung all dieser Signale und das Auslöschen dieses Verhaltens dadurch, dass man es nicht bei jedem einzelnen Signal tut, sind im Rahmen der Methode 4 wertvolle Attribute, sich von einer suchthaften Gewohnheit zu trennen. Das könnte so etwas Einfaches sein wie den Aschenbecher außer Sichtweite zu stellen oder auch insgesamt in eine Umgebung zu wechseln, in der nichts mehr an ein altbekanntes Signal erinnert (ehemalige Heroinabhängige können schlecht clean bleiben, wenn sie ihr altes Leben auf ihnen bekannten Straßen wieder aufnehmen. Genus von Alkohol zum Erbrechen. Wie bei der Mehrzahl negativer Bestärkungen funktioniert das nur gut, wenn jemand eine Bestärkung gibt, am besten in unberechenbaren Momenten. Die Alkoholabhängigkeit kann, wie die meisten Suchtverhalten, nicht nur mit einer Methode bekämpft werden. Meiner Meinung nach führt der Weg aus der Sucht bei sich selbst - eine Situation, in der der Trainee selbst der effektivste Trainer sein kann durch alle acht Methoden, wobei man für jede einzelne Methode, mit Ausnahme der Bestrafung, den für sich geeigneten Weg finden muss. Die negative Bestärkung wurde als eine Methode zur Suchtkontrolle verkauft. So wurden Alkoholiker zum Beispiel an Elektroschockgeräte angeschlossen, die immer dann betätigt wurden, wenn sie ein Glas mit
Alkohol anhoben; und Medikamente bringen sie bei Genuss von Alkohol zum Erbrechen. Wie bei der Mehrzahl negativer Bestärkungen funktioniert das nur gut, wenn jemand eine Bestärkung gibt, am besten in unberechenbaren Momenten. Die Alkoholabhängigkeit kann, wie die meisten Suchtverhalten, nicht nur mit einer Methode bekämpft werden. Meinung nach führt der Weg aus der Sucht bei sich selbst – eine Situation, in der der Trainee selbst der effektivste Trainer sein kann – durch alle acht Methoden, wobei man für jede einzelne Methode, mit Ausnahme der Bestrafung, den für sich geeigneten Weg finden muss.
Bestärkung im Alltag Zu Beginn dieses Buches habe ich m Zusammenhang mit der Skinner'schen Theorie ausgeführt, Schopenhauer habe einmal gesagt, jede Idee sei zunächst der Lächerlichkeit preisgegeben, dann heftig angegriffen und schließlich als selbstverständlich betrachtet. Meiner Ansicht nach umfasst die Evolution einer Idee noch einen weiteren, einen vierten Schritt: Die Idee wird nicht nur akzeptiert, sondern auch verstanden, geschätzt und umgesetzt. Dies geschieht derzeit wohl mit der positiven Bestärkung, besonders bei Menschen, die mit dem Konzept Skinners aufgewachsen, also im Zeitgeist nach 1950 geboren sind. So wie heutzutage die Kinder mit dem Computer umgehen, vor dem die Eltern noch zurückschrecken, greifen sie zur positiven Bestärkung und zum Formen von Verhalten ohne Angst oder Widerstand. Die Methoden teilen sie mit den älteren und infizieren ihre Umwelt mit ihrem Enthusiasmus. Lassen Sie mich Ihnen hierfür einige ermutigende Beispiele geben.
Bestärkung im Sport Nach meinen gelegentlichen Beobachtungen läuft in den USA das Training in den meisten Mannschaftssportarten zum Beispiel im Profi -Football - nach der guten alten Tradition aus der Zeit der Neandertaler ab, mit vielen Entbehrungen, Strafen, Begünstigungen, verbalen und mentalen Misshandlungen. Das Training in den Einzelsportarten scheint sich dagegen völlig zu revolutionieren. Ein Symptom dieser Revolution war es nämlich auch, das mich veranlasste, dieses Buch zu schreiben. Mein Tischherr auf einer Dinner-Party in Westchester County, New York, war der Tennislehrer der Gastgeberin, ein netter junger Mann aus Australien. Er sagte zu mir: „Ich habe gehört, Sie waren Delphintrainerin. Kennen Sie sich mit Skinner und dem ganzen Kram aus?“ „Ja.“ „Können Sie mir sagen, wie ich an ein Buch von Skinner komme, das mir hilft, ein besserer Tennislehrer zu werden?“ Ich wusste, dass es so etwas nicht gab. Warum es so etwas nicht gab, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben, aber ich habe mich daran begeben, ein solches Buch zu schreiben, Hier ist es. Inzwischen habe ich über die erstaunliche Tatsache nachgedacht, dass dieser Mensch genau wusste, was er wollte, und wahrscheinlich viele andere auch. Das heißt also, es gibt Menschen, die bereits von dem Training durch Bestärkung gehört haben und mehr darüber wissen wollen. Damals lebte ich in der Stadt New York. Zum einen, um dem bewegungsarmen Stadtleben etwas entgegenzusetzen, und zum anderen aus Interesse als Trainerin begann ich, einige Trainingsstunden in den verschiedensten Sportarten zu nehmen, von der Gymnastik bis hin zu Squash, Segeln, Skilaufen (Abfährt und Langlauf), Eiskunstlaufen und Tanz. Zu meiner Überraschung versuchte nur einer meiner Trainer (der, bei dem ich Gymnastikunterricht hatte), Verhalten auf traditionelle Weise durch Einschüchterung und Spott zu erzielen. Alle anderen setzte n gut getimte positive
Bestärkung und sehr häufig einfallsreiche Formungsverfahren ein. Dies stand in krassem Gegensatz zu meiner Erinnerung an meine früheren sportlichen Aktivitäten -Ballettunterricht, Reitunterricht, Gymnastik in der Schule und im College. Bei keiner dieser Aktivitäten stach ich durch besondere Leistungen hervor, hatte eher Angst, als dass ich mich für sie begeisterte. So war das zum Beispiel mit dem Schlittschuhlaufen. Als Kind nahm ich in einer großen und erfolgreichen Eiskunstlaufschule Unterricht. Der Trainer zeigte uns, was wir tun sollten, und dann übten wir und mühten uns ab, bis wir es konnten, während er unsere Körperhaltung und die unserer Arme korrigierte und uns ermahnte, uns noch mehr anzustrengen. Was ich. nie lernte, war, auf den Außenkanten zu fahren - also in einem Linkskreis mit meinem Gewicht auf der Außenkante des linken Fußes. Da dies aber eine Voraussetzung für die meisten Figuren war, kam ich nicht sehr weit. Nun nahm ich noch einmal ein paar Stunden in einer modernen Eiskunstlaufschule in New York unter der Leitung eines Olympiatrainers. Die Lehrer wandten bei den Erwachsenen dieselben Methoden wie bei den Kindern an - kein Schimpfen oder Drängen, nur sofortige Bestärkung für jede gute Ausführung, und derer gab es viele. Alles, was ein Eisläufer wissen musste, wurde in kleine, leicht erreichbare Schritte unterteilt. Dies fing mit dem Hinfallen und Wideraufstehen an. Auf einem Fuß gleiten? Einfach: von der Wand abstoßen, die Füße parallel ausgerichtet, gleiten auf beiden Füßen; einen ganz kurz anheben, wieder aufsetzen, dann den anderen hochheben. Dann das Ganze noch einmal, aber ein wenig länger hochhalten, und so weiter. Innerhalb von zehn Minuten gelang es der gesamten Anfängerklasse, einschließlich der Dicken, der Schwachen, der Unsicheren, der sehr Jungen und der sehr Alten, auf einem Fuß dahinzugleiten, mit einem Ausdruck von heftigem Erstaunen und Stolz im Gesicht. Erst als ich nach dem Unterricht in der freien Laufzeit vergnügt auf den Außenkanten um die Kurven segelte, begriff ich, dass mich der „Crossover-Schritt“, der bei mir in der zweiten Stunde geformt wurde, von den Gleichgewichtsproblemen aus meiner Kindheit kuriert hatte. Und noch mehr! Nach der dritten Stunde konnte ich Pirouetten drehen, richti ge Pirouetten wie die Eiskunstläufer im Fernsehen, und saubere kleine Drehsprünge, von denen ich in meiner Kindheit nicht zu träumen gewagt hätte (diese wurden ganz raffiniert zuerst entlang der Wand geformt). Welch eine Offenbarung! Die Schwierigkeit, derartige Fertigkeiten zu lernen, liegt nicht in den körperlichen Voraussetzungen, sondern in dem Fehlen guter Methoden des Formens. Ein anderes Beispiel ist das Skifahren. Die Erfindung der Ski und Skischuhe aus Glasfasermaterial hat Skifahren für die Massen möglich gemacht, nicht mehr nur für die sehr athletischen Menschen. Die Massen aber stürzen sich wegen der Lehrmethoden auf die Hänge, bei denen zuerst kurze Ski verwendet werden und jedes einzelne beim Skifahren benötigte Verhalten geformt wird (Bremsen, Drehen und Anhalten - und natürlich das Hinfallen und Wideraufstehen). Ich flog nach Aspen, nahm drei Stunden Skiunterricht und fuhr einen Hügel hinunter. Am Ende der Woche nahmen die Kräftigeren in meinem Anfängerkurs mittelschwere Abfahrten. Es gab immer schon Lehrer, die schnelle Resultate hervorbrachten. Was sich meiner Meinung nach in den letzten zehn bis zwanzig fahren verändert hat, ist die Tatsache, dass die Prinzipien, die solche schnellen Resultate bringen, Teil der Trainingsstrategie geworden sind: „Auf diese Weise wird das Skifahren vermittelt. Kein Schimpfen, Beachten der Schritte 1 bis 10 : Lob und Bestärkung des Erreichten auf jeder Stufe - und schon werden die meisten nach drei Tagen den Hügel herunterfahren.“ Wird die Methode des Formens und Bestärkens von den meisten Lehrern eingesetzt und werden folglich die Ergebnisse schnell erreicht, so übernehmen die übrigen diese neuen Methoden schon deswegen, weil sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Geschähe dies in allen Einzelsportarten, hätte das sicher auch eine Auswirkung auf den so genannten Fitnesswahn. So macht das Lernen aktiver Fertigkeiten Spaß.
Bestärkung im Arbeitsleben In den Vereinigten Staaten nehmen Arbeitnehmer und Unternehmer gewöhnlich gegensätzliche Positionen ein. Die Vorstellung, dass wir alle in demselben Boot sitzen, war bei uns nie besonders populär. Im Arbeitsleben scheint es
allgemein so zu sein, dass jede Seite versucht, für sich so viel wie möglich bei dem anderen zu erreichen und so wenig wie möglich zu geben. Vom Trainingsstandpunkt aus gesehen ist dies natürlich bloßer Unfug, und einige Unternehmensleitungen neigen eher zu anderen Methoden. In den Sechziger Jahren waren „Sensibilitätstrainings“ und andere sozio-psychologische Ansätze beliebt, mit denen das Ma nagement über die Bedürfnisse und Gefühle der Mitarbeiter und Angestellten aufgeklärt werden sollte. Doch auch wenn man noch so aufgeklärt ist, was nützt es, wenn man nicht weiß, wie mit dem Problem eines Angestellten umzugehen ist? Tatsache im Arbeitsleben ist nun mal, dass manche einen höheren, andere einen niedrigeren Status haben; manche geben Befehle, andere empfangen diese. In unserem Land ist die Situation am Arbeitsplatz größtenteils nicht mit einer Familie zu vergleichen und sollte es auch nicht sein. Aus diesem Grund sind hier familientypische, zwischenmenschliche Problemlösungen ungeeignet. Interessanterweise habe ich hier und da in Geschäftsnachrichten und -informationen, über professionellere Trainingsansätze gelesen - von erfinderischen bi s geradezu brillanten Wegen der Bestärkung. So schlägt zum Beispiel ein Unternehmensberater vor, bei einer notwendigen Entlassung von Mitarbeitern die schlechtesten 10 % und die besten 20 % festzustellen. Dann sollten die 10 % entlassen und die besten 20 % darüber informiert werden, dass sie wegen ihrer guten Arbeit verschont geblieben sind. Welch vernünftige Idee. Abgesehen davon, dass Sie so den besten Leuten manch schlaflose Nacht ersparen und sie unter diesen beunruhigenden Umständen recht wirkungsvoll bestärken, können Sie die mittelmäßigen Mitarbeiter entweder motivieren, ebenfalls nach der Bestärkung zu streben, oder vermeiden, dass sie selbst auf das unter ste Niveau abrutschen. Für Manager auf mittlerer Ebene und in mittlerem Alter könnte eine Bestärkung eher in interessanteren Aufgaben in derselben Position bestehen als in der Hoffnung auf Beförderung, welche sie vielleicht an die Grenze ihrer Fähigkeiten bringen konnte (oder den Umzug der Familie bedeuten würde). Eine Software-Firma zahlt einen Bonus für Nichtraucher und für Mitarbeiter, die mit dem Rauchen aufgehört haben, und das aus gutem Grund: die von ihnen hergestellten Produkte können durch Rauchpartikel beschädigt werden. Andere Bestärkungen, die immer mehr Verbreitung finden, bestehen in der freien Wahl der Arbeitszeit, dem so genannten flexiblen Zeitsystem (besonders von berufstätigen Müttern bevorzugt), in der Arbeit in selbstverwalteten Produktionsteams und der Bezahlung für geleistete Arbeit und nicht nach Arbeitsstunden. All diese Managementtechniken sind bezeichnenderweise darauf ausgelegt, dass der Mitarbeiter tatsächlich eine Bestärkung findet - das ist gut für den Menschen, nicht nur für den Profit. Programme, die auf Kostensenkung und Steigerung der Arbeitsleistung abzielen - also Programme, die im wesentlichen den Mitarbeiter dazu zu bringen versuchen, dass er nicht mehr ganz so schlecht arbeitet -, sind bei weitem nicht so effektiv wie Programme, die Mitarbeiter darin unterstützen, eine bessere Arbeit zu leisten und sie dann dafür zu belohnen. Unternehmen, die sich der positiven Bestärkung bedienen, sehen die Ergebnisse oft auf ihrer Erfolgskurve. Ein großartiges Beispiel ist die Fluggesellschaft Delta Airlines, die dafür bekannt ist, dass sie besonders gut für ihre Mitarbeiter sorgt. Während der Rezession des Jahres 1981 weigerte sich die Geschäftsleitung trotz Betriebsverlusten, auch nur einen ihrer 37.000 Mitarbeiter zu entlassen. Es gab sogar eine achtprozentige Lohnerhöhung. In einem langgewachsenen Klima der positiven Bestärkung dachten die Mitarbeiter auf ähnliche Weise: sie bestärkten das Unternehmen, indem sie Geld zusammenlegten und ein neues Flugzeug kauften, eine Boeing 767 im Wert von 30 Millionen US-Dollar.
Bestärkung bei Tieren Immer wieder habe ich in diesem Buch darüber geschrieben, wie die Theorie der Bestärkung professionelle Tierausbilder in die Lage versetzt, das Verhalten jener Tiere zu trainieren, die mit Druck einfach nicht zu trainieren sind, also zum Beispiel Katzen, Pumas, Hühner, fliegende Vögel, Elefanten im Porzellanladen. Training mit Hilfe positiver Bestärkung hat Bereiche eröffnet, die wir, wie ich glaube, erst begonnen haben zu entdecken, nämlich nützliche Partnerschaften mit neuen, nicht domestizierten Tierarten zu entwickeln. Das
versetzt Tiere in die Lage, uns Fähigkeiten zu zeigen, die wir sonst wohl nicht erfahren hätten.
Die US-Marine spielte bei der Entwicklung der Nutzung nicht domestizierter Tiere eine Vorreiterrolle, von Delphinen als Hafenpatrouillen bis zu Pilotwalen für di e Lokalisierung von Schiffswracks. Auf einem Testgelände in Kalifornien setzt die US-Marine trainierte Seelöwen ein., um in für Taucher zu tiefen, zu trüben und zu kalten Wasserregionen Raketen aufzuspüren und zu bergen, Der Marinewissenschaftler Jim Simmons hat mit dem Einsatz von Tauben als Luftaufklärer bei Seenotoperationen experimentiert. Die in Leichtflugzeugen transportierten Tauben sind darin ausgebildet, auf einen Knopf zu hacken, wenn sie einen gelben, orangefarbenen oder roten Gegenstand entdecken (die Farbe der Schwimmwesten oder Rettungsinseln). Bisher übertreffen das Sehvermögen und die Effizienz der Tauben menschliche Aufklärer bei weitem, insbesondere, wenn die See rauh ist. Küstenwache und US-Luftwaffe führen zurzeit eine Feldstudie mit Tauben durch, die so genannte „Seejagd“. Ein Kommandeur der Küstenwache brachte es auf den Punkt: „Wo sonst bekomme ich erfahrene, hochqualifizierte Aufklärer, die buchstäblich für Hühnerfutter arbeiten?''' Dr. M. J. Willard, ein Schüler Skinners, entwickelte Systeme zur Ausbildung kleiner Affen, die Querschnittsgelähmten helfen sollten. Über Wortbefehle und nach dem Training mittels positiver und negativer Bestärkung sind die Affen in der Lage, Lichtschalter zu betätigen, den Fernsehsender zu wechseln, Seiten umzublättern, bestimmte Dinge zu holen, Kassetten in einen Recorder zu tun und wieder herauszunehmen und sogar den Patienten mit einem Löffel zu füttern. Sie sind stubenrein, den ganzen Tag im Einsatz und bringen sich abends selbst zu Bett. Das zuvorkommende Ver halten der Affen liegt in der Wirksamkeit des Trainings über Bestärkung begründet; der Eifer zu gefallen ist nicht, wie zum Beispiel bei den Blindenhunden, angezüchtet. (Zwischen dem Patienten und der Affen-Krankenschwester können sich echte Zuneigung und Vertrauen entwickeln.) Wir können uns heute noch gar nicht vorstellen, welche anderen Tiere und Fähigkeiten in den nächsten Jahrzehnten in die Partnerschaft mit uns eingebracht werden können. Als einer der Vorzüge der positiven Bestärkung müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, was wir einem Tier beibringen wollen, wir bestärken einfach, was es an Verhalten zeigt, und warten ab, wohin das führt. Niemand hätte sich je vorstellen können, dass Robben sprechen konnten; ein Trainer des Aquariums von New England bemerkte, dass Hoover, eine gerettete Robbe, Laute nachzuahmen schien. Die Nachahmung menschlicher Tone wurde durch Bestärkung geformt, und bald schon „sagte“ Hoover einige Worte. „Hoover, begrüße die Dame.“ Hoover reagierte (mit gutturaler, aber sehr klarer Bassstimme]: „Hallo, mein Schatz, wie geht's?“ Das hört sich lustig an, für Säugetierforscher und Bioakustiker aber ist es aus wissenschaftlicher Sicht äußerst interessant. Für mich als Verhaltensbiologin liegt der nützlichste und wunderbarste Aspekt des Trainings durch Bestärkung in dem Fenster, welches das Training zum Geist des Tiers hin öffnet. Jahrzehntelang war es Mode, bei Tieren das Vorhandensein von Geist und Gefühlen zu verneinen; dies war wahrscheinlich heilsam - es bringt Aufklärung in so manchen Aberglauben, manche Überbewertung („Mein Hund versteht jedes Wort, das ich sage.“) und Missdeutungen. Dann aber tauchten die Ethologen, die Verhaltensforscher, auf, allen voran Konrad Lorenz, und betonten, Tiere hätten innere Zustände - wie Ärger, Angst usw. - und signalisierten diese durch eindeutige Körperhaltungen und Bewegungen, die man beobachten und interpretieren könne. Wenn Sie das Tier sehen können und das Tier Sie und sie beide außerdem vor jeglichem körperlichen Aufeinandertreffen oder Verletzung geschützt sind, dann ist das Tier frei, jeden inneren Zustand zürn Ausdruck zu bringen, den das Training hervorruft. Sehr häufig beginnen die Tiere, das entstehende soziale Verhalten gegen den Trainer zu richten - mit Signalen, die vom Grußverhalten bis zu temperamentvollen Wutausbrüchen reichen. Auch wenn nichts über eine bestimmte Spezies selbst bekannt ist, man aber weiß, wie ein Trainee normalerweise auf verschiedene Trainingsereignisse reagiert, kann man in einer halben Stunde mehr
über die Natur seiner sozialen Signale erfahren, als wenn man einen ganzen Monat lang die Interaktion mit Artgenossen beobachten würde. Sehe ich zum Beispiel einen Delphin in die Luft springen und mit einem großen Platscher mitten in eine Gruppe anderer Delphine eintauchen, kann ich den Grund nur vermuten. Wenn ich in einem Training aber etwas nicht bestärke, was ich bis dahin immer bestärkt habe, und der Delphin springt in die Luft und landet mit einem dicken Platscher direkt vor mir im Wasser, so dass ich von oben bis unten nass werde, kann ich mit einiger Sicherheit sagen, diese Sprünge seien die Zurschaustellung eines aggressiven - und auch effektiven - Verhaltens. Man könnte noch viel mehr erzählen. Ein Wildtier mit einem einfachen Formen zu beschäftigen, kann einen verblüffenden Einblick in das geben, was sich mit Temperament einer Tierart bezeichnen lässt - also nicht nur, wie das Individuum, sondern wie die Spezies insgesamt auf Herausforderungen ihrer Umwelt reagiert. Als ich die Mitarbeiter des National Zoo das Training der Tiere lehrte, nahm ich eine Vielzahl unterschiedlicher Tierarten zu Demonstrationszwecken. Ich stand außerhalb des Geheges am Zaun, benutzte eine Pfeife als konditionierten Bestärker und Futter. Die Tiere konnten sich in ihrem Gehege frei bewegen. Als besonders zäh und hartnäckig erwiesen sich die Polarbären. Ein Bär, der zufällig bestärkt wurde, als er stillsaß, bot das Stillsitzen als Reaktion an. In froher Erwartung geifernd, konnte das Tier, die Augen fest auf den Trainer gerichtet, länger als eine halbe Stunde in der Hoffnung auf eine Bestärkung stillsitzen, Möglicherweise ist diese Art der Zähigkeit und Geduld für ein Tier, das auf Eisschollen Robben jagt, überlebenswichtig. Nie hätte ich mir vorstellen können, das Elefantengehege des National Zoo zu betreten, wie gut die Tiere auch ihren regelmäßigen Betreuern gehorchen mochten. Mit Hilfe des Betreuers Jim Jones führte ich mit der indischen Elefantendame Shanti durch die Stangen hindurch einige Trainings Sitzungen durch. Ich entschloss mich, sie zu formen, eine Frisbee-Scheibe zu werfen, und fing mit dem Apportieren an. Shanti begann, 101 Dinge mit der Scheibe zu tun, vor allem Lärm zu machen (Jim erzählte mir, Elefanten liebten es, Lärm zu machen). Shanti machte mit der Scheibe Lärm, indem sie sie mit dem Rüssel festhielt und gegen die Wand schlug, sie wie ein Kind mit dem Stock am Gitter entlangzog oder sie auf dem Boden mit dem Fuß hin- und herschob. Ich fand das schon amüsant. Und Shanti machte es Spaß. Sie (ernte sehr schnell, die Frisbee-Scheibe für einen Pfiff und einen Leckerbissen aus dem Eimer zu mir zurückzubringen. Ebenso schnell lernte sie, jedesmal ein wenig weiter weg zu stehen, damit ich, um die Scheibe zu nehmen, ein bisschen weiter hineinreichen musste. Als ich darauf nicht hereinfiel, kniff sie mich in den Arm. Als Jim und ich deswegen mit ihr schimpften (eine negative Bestärkung der Missbilligung, die Elefanten respektieren), fing sie an, die Frisbee-Scheibe besonders gut zu bringe n, tat jedoch so, als ob sie keine Karotten mehr wollte. Eine volle Minute lang befühlte sie die Karotte in meiner Hand mit ihrem Rüssel und schielte dabei immer bedeutungsvoll in meinen Eimer, bis sie mir endlich klargemacht hatte, dass sie lieber die Äpfel und Süßkartoffeln hätte. Als ich mich in dieser Sache als intelligent und bestechlich erwiesen und begonnen hatte, ihr die Lieblingsbestärkungen zu geben, benutzte sie diese Technik gleich wieder - sie erfühlte die Belohnung mit dem Rüssel, während sie mir bedeutungsvolle Blicke zuwarf und Augenkontakt hielt - in dem Versuch, mich zum Öffnen der Gehegetür zu bringen. Elefanten sind nicht nur ein bisschen schlau; Elefanten sind ausgesprochen gescheit. Bei unendlich vielen Tierarten zeigt sich das Temperament beim Formen. Als ich einmal eine Hyäne unbeabsichtigt nicht bestärkte, setzte sich das Tier vor mich hin, grinste und kicherte wie ein pelzbekleideter Johnny Carson, anstatt sich zu ärgern oder wegzudrehen. Denselben Fehler beging ich auch bei einem Wolf, den ich formte, um einen Busch in seinem Gehege zu gehen. Als ich es verpasst hatte, den Wolf zu bestärken, blickte er über die Schulter, starr te mir lange und tief in die Augen, rannte dann um den Busch herum und erntete dann alle Leckerbissen, die ich noch in der Tasche hatte. Der Wolf hatte die Situation richtig eingeschätzt, indem er sich entschieden hatte, ich sei immer noch im Spiel, weil ich ihn noch beobachtete, und überlegte, welche Handlung ihn denn zum Ziel bringen würde. Wölfe gehen große Risiken ein. Sind Hyänen die Komiker, dann Wölfe die Wikinger. Manchmal verstehen die Tiere die Bestärkung perfekt. Melanie Bond, die im National Zoo für die großen Menschenaffen verantwortlich war, hatte begonnen, den Schimpansen Harn für verschiedene Verhalten zu bestärken. Eines Morgens häufte er
sein Futter auf, anstatt es zu essen und wollte damit seine Absicht kundtun, lieber draußen im Freien zu essen, so wenigstens interpretierte es Melanie. Als Harn sah, wie Melanie schließlich die Tür öffnete und ihn rausliess, wusste er, was er tun musste: er gab ihr eine Stange Sellerie. Ich stimme mit den Biologen überein, die das natürliche Verhalten der Tiere ohne Störung oder Einmischung beobachten wollen und die deshalb solch grobe Einmischungen wie durch ein Training ablehnen. Ebenso kann ich den Experimentalpsychologen verstehen, wenn ich auch seine Ansicht nicht teile, der Informationen über Tiere, die sich nur aus Beobachtungen ergeben und nicht durch Zahlen belegt werden können, völlig ablehnt. Ich bleibe aber weiterhin überzeugt, dass das Formen ein fruchtbarer Weg ist, beide Ansätze zu kombinieren, und dass sowohl Theoretiker als auch Praktiker eine ganze Menge verpassen, wenn sie dieses Werkzeug nicht nutzen oder nicht nutzen können. Geschickt angewandt, können Formen und Bestärken auch eine sehr große Rolle bei Einsichten in ansonsten unergründliche Teile des menschlichen Geistes spielen. Meine Freundin Beverly arbeitete als Therapeutin in einem Heim für mehrfach behinderte Kinder - Kinder, die blind und taub oder gelähmt und geistig zurückgeblieben sind, Sie konstruierte ein Gerät, das als Reaktion auf Geräusche in einem Mikrofon Muster aus farbigen Lichtern erzeugte. Debbie, ein gelähmtes und geistig zurückgebliebenes Opfer einer Gehirnlähmung, die Tag und Nacht teilnahmslos und bewegungslos im Bett lag, lachte, als sie die Lichter zum ersten Mal sah. Sie hörte, wie ihre Stimme verstärkt wurde, sah, wie die Lichter stärker aufleuchteten und lernte schnell, dass sie diese Lichter durch ihre Stimme und ihr Lachen tanzen lassen konnte. Diese Entdeckung, dass nämlich sie, Debbie, interessante Dinge geschehen lassen konnte, machte es möglich, dass die Therapeutin Debbie allmählich lehren konnte, zu kommunizieren. Einen Jungen, dem von Geburt an ein Teil der Schädeldecke fehlte und der deshalb immer einen Schutzhelm tragen musste, hielt man für völlig blind, weil er zwar von einem Punkt zum anderen gehen konnte, auf optische Reize aber nicht reagierte. Beverly ermutigte ihn, in das Mikrofon zu sprechen, um seine eigene Stimme lauter zu hören. Dann stellte sie fest, dass sich der Junge auch an dem flackernden bunten licht orientierte - und immer länger sprach, um die Lichter tanzen zu lassen. Er sah ziemlich gut. Nachdem die Mitarbeiter das erfahren hatten, stand ihnen ein ganz neuer „Kanal“ zur Verfügung, über den sie das Kind erreichen und ihm helfen konnten. Dieses besondere Trainingsspielzeug blieb aufgrund der starren Heimregeln auf der Strecke. Beverly hatte nicht den richtigen Universitätsabschluss, der sie berechtigte, neue Therapieformen zu entwickeln. Es lagen keine Forschungsergebnisse vor, die belegten, dass mehrfach Behinderten durch farbiges Licht geholfen werden kann. Außerdem nahmen einige andere Mitarbeiter das Abweichen von den etablierten Pfaden übel. Ausschlaggebend ist aber, dass Training durch Bestärkung eine ganze Menge an Erklärungen und Rückschlüssen - nicht nur für den Trainee, sondern über ihn - liefern kann, und das manchmal innerhalb weniger Trainingsmomente.
Bestärkung in der Gesellschaft Gelegentlich scheint es so, also ob man die Behavioristen predigen hörte, alles im menschlichen Verhalten sei ein Produkt des Lernens und Konditionierens, und jedes menschliche Übel, von Kriegen bis hin zu Warzen, könne durch eine sinnvolle Anwendung der Bestärkung kuriert werden. Natürlich ist das nicht so. Verhalten ist eine reichhaltige Suppe aus externen und internen, gelernten und ungelernten Reaktionen. Jede Mutter weiß, dass Individualität angeboren ist (individuelles Verhalten hat der Biologe T.C. Schneiria sogar bei Insekten nachgewiesen). Zudem ist ein immenser Teil dessen, was wir tun und fühlen, ein Produkt unserer Evolution als soziales Tier. Dazu gehören unsere Tendenz zu Kooperation und Hilfsbereitschaft anderen gegenüber („Nächstenliebe auf Wechselseitigkeit“) ebenso wie die zu aggressiver Reaktion gegenüber jemandem, der sich an unseren Ideen oder unserem Eigentum vergreift („Territorialität“). Außerdem kann das, was einer in einem bestimmten Moment tut oder sagt, e benso stark von seinem körperlichen Zustand wie von seinen Erfahrungen
in der Vergangenheit oder seinen Erwartungen an die Zukunft abhängen: Eine Person, die sehr hungrig ist oder eine starke Erkältung hat, wird sich, unabhängig von dem, was sonst noch so geschieht, anders verhalten als wenn sie sich wohl und ausgeglichen fühlt. So hat die Bestärkung ihre Grenzen, ich sehe darin nichts Falsches. Ich stelle mir unser Verständnis von Verhalten vor wie drei miteinander verbundene Ringe. In einem Ring befinden sich die Behavioristen wie Skinner und alles, was wir über das Lernen und die Wahrnehmung wissen. In einem anderen sind die Ethologen wie Lorenz und alles versammelt, was wir über die biologische Entwicklung des Verhaltens wissen. Der dritte Ring enthält das Verhalten, das wir noch nicht richtig verstehen, wie zum Beispiel das Spielen. Und jeder Ring teilt durch Überlappung einen Teil seines Inhalts mit den anderen beiden. Da die Gesellschaft nicht nur allein aus dem Austausch von Bestärkung besteht, haben soziale Experimente, in denen es auch um die Bestärkung in Gruppen ging, gemischte Ergebnisse hervorgebracht. So könnte zum Beispiel die Anwendung der Bestärkung in einer strukturierten Gesellschaft - wie einem Gefängnis, einem Krankenhaus oder einem Erziehungsheim - von denselben Menschen, die die Bestärkung ausüben, unterminiert werden. Ein befreundeter Psychologe beschrieb mir einmal ein System der Bestärkung über Spielmarken bei jugendlichen Straftätern in einer Jugendstrafanstalt. Das System funktionierte in einem Pilotprojekt wunderbar, brach aber völlig auseinander und hatte sogar Streit und Rebellion zur Folge, als es in einer anderen Institution etabliert wurde. Es stellte sich heraus, dass die verantwortlichen Betreuer diese Marken so verteilten, wie sie es für Anwesenheit im Unterricht oder ein anderes erwünschtes Verhalten gelernt hatten; sie lächelten bei der Übergabe der Marken aber nicht. Und durch diesen kleinen Fehler, der von den jugendlichen Straftätern (und wie ich meine, zu Re cht) als Beleidigung empfunden wurde, zerfielen alle Bemühungen. Die Bestärkung wird bei Einzelnen und Gruppen nicht nur zur Förderung eines bestimmten Verhaltens, sondern auch gesellschaftlicher Werte genutzt - also den Sinn für Verantwortung. Gewöhnlich als angeboren betrachtete Werte oder charakteristische Merkmale lassen sich ebenfalls formen. So lässt sich zum Beispiel Kreativität bestärken. Als mein Sohn Michael die Kunstschule besuchte und in Manhattan in einer Dachwohnung lebte, nahm er eine Straßenkatze auf und bestärkte sie für ihre „niedliche Art“, für alles, was sie tat und ihn amüsierte. Wie die Katze das herausfand, weiß ich nicht, sie wurde aber eine sehr ungewöhnliche Katze - mutig, aufmerksam, treu und zuverlässig, voller herrlicher Überraschungen bis sie schon einige Jahre auf dem Buckel harte. Im Sea Life Park formten wir die Kreativität bei zwei Delphinen -in einem Experiment, das inzwischen in viele Anthologien aufgenommen wurde -, indem wir alles bestärkten, was die Tiere an Neuem zeigten und was niemals zuvor bestärkt wurde. Bald schon hatten die Tiere es verstanden und fingen an, oft sehr amüsantes Verhalten zu „erfinden“. Einer übertraf dabei den anderen durch immer verschrobenere Dinge. Im Großen und Ganzen betrachtet, wohnt auch Tieren ein gewisses Maß an Kreativität oder Einfallsreichtum inne. Das Training aber „hebt“ für jeden die Kurve an, so dass wirklich jeder mehr Kreativität entwickeln kann, wo auch immer der Ausgangspunkt war. Der Gesellschaft, vor allem im Rahmen der Schule, wird häufig vorgeworfen, sie unterdrücke Kreativität eher, als dass sie sie fördere. Obwohl diese Kritik meiner Ansicht nach ihre Berechtigung hat, ist verständlich, dass die Gesellschaft lieber den Status Quo erhalten möchte. Hatten die Delphine den Wert solcher Erfindungen erkannt, wurden sie eine rechte Plage. Sie öffneten Tore, stahlen Requisiten und erfanden eine Menge Unfug. Der Definition nach sind erfindungsreiche Menschen unberechenbar, vielleicht kann deswegen die Gesellschaft von diesen Menschen nur einen gewissen Prozentsatz verkraften. Würde sich jeder so wie unsere kreativen Delphine verhalten, kriegten wir nie etwas geregelt. Vielleicht fördert der Mut, sich über diesen Trend
hinwegzusetzen, die Erneuerer, die wirklich Erfolg haben. Meiner Meinung nach ist der wichtigste Anstoß, den diese Theorie der Bestärkung auf die Gesellschaft hat, nicht in der Veränderung eines bestimmten Verhaltens oder eingefleischter Gewohnheiten zu suchen, sondern in der Wirkung der positiven Bestärkung auf das Individuum selbst. Bestärkung ist Information - Information darüber, was von dem, was man tut, funktioniert. Besitzen wir Informationen darüber, wie wir unsere Umwelt dazu bringen, uns zu bestärken, dann kontrol lieren wir unsere Umwelt. Wir sind ihr nicht länger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Tatsächlich hängt unsere Fähigkeit zur Entwicklung in gewissem Maße von solchen Erfolgen ab. Lebewesen wollen also nicht aus dem offensichtlichen Grund - für Futter oder andere Belohnungen - durch Bestärkung lernen, sondern weil sie die Kontrolle über das bekommen, was geschieht. Warum Menschen das Verhalten anderer durch Bestärkung verändern möchten, liegt also in diesem so erfreulichen Ergebnis. Zu sehen, wie Tiere lebhafter werden, die Augen der kleinen Kinder leuchten, Menschen wegen ihrer Leistung aufblühen und strahlen, die sie durch Ihre Hilfe erreicht haben, ist in sich selbst schon eine extrem starke Bestärkung. Die Erfahrung, gute Ergebnisse zu erzielen, macht regelrecht süchtig. Eine erstaunliche, aber wichtige Folge des Trainings durch Bestärkung ist die Tatsache, dass sie sowohl in dem Trainer als auch in dem Trainee Zuneigung entstehen lässt. Während meiner Zeit im Sea Life Park geschah es mehrmals, dass ein ungezähmter Delphin, den man über Futter geformt und bestärkt hatte, plötzlich gelehrig wurde, sich streicheln ließ und Aufmerksamkeit forderte, ohne dass wir uns bemüht hatten, ihn „handzahm “ zu bekommen oder ihn entsprechend zu trainieren. Ich habe das auch bei Pferden erlebt, manchmal schon in einem einzigen Training, und sogar bei einigen Zootieren, die niemals zuvor gezähmt oder gestreichelt worden waren. Die Tiere benahmen sich, als ob sie den Trainer liebten. Auch der Trainer entwickelt rasch eine Bindung. Mit Respekt denke ich an Shanti, den Elefanten, und D'Artagnan, den Wolf. Ich habe sogar eine gewisse Schwäche für den Dummkopf von Polarbären. Was hier geschieht, ist meiner Ansicht nach die Entwicklung des Trainingserfolgs zu für beide Seiten verallgemeinerten, konditionierten Bestärkern hin. Der Trainer ist für den Trainee die Quelle des Interesses, der Erregung, der Belohnung, der lebensverbessernden Ereignisse. Und da die Reaktionen des Trainees für den Trainer interessant und belohnend sind, entwickeln beide wirklich eine Bindung zueinander. Sie sind nicht voneinander abhängig, sie haben eine Bindung, sie sind einander zugetan. Auf der Ebene zwischenmenschlicher Kommunikation kann die richtige Anwendung positiver Bestärkung tief greifende Auswirkungen haben. Sie entwickelt und verstärkt familiäre Gefühle, fe stigt Freundschaften, gibt Kindern Mut und lehrt sie im Gegenzug, selbst einfallsreich und geschickt zu bestärken. Sie kann zu tollem Sex verhelfen, denn Sex ist schließlich Bestandteil des gegenseitigen Austauschs positiver Bestärkungen. Wenn zwei Menschen sich gegenseitig wirklich gut bestärken, werden sie wahrscheinlich ein glückliches Paar abgeben. Richtig angewandt, bedeutet Bestärkung nicht, mit Belohnungen einfach so um sich zu werfen oder niemals nein zu sagen. Dieses Missverständnis tritt gelegentlich auf. Einmal sah ich eine Mutter, die ihr Kleinkind in einem Sportwagen die Straße hinunterschob und immer stoppte, wenn das Baby sie nervte. Sie holte dann eine kleine Tüte mit Leckereien aus der Tasche - Rosinen und Nüsse -und gab sie dem Kind zu essen, obwohl es anscheinend nicht besonders hungrig war und manchmal ihre Hand wegschob. Bei dem Versuch, das richtige zu tun, bot sie dem Kind bewusst eine Bestärkung für das Theater an. Auch versäumte sie es, nachzusehen, ob das Theater vielleicht eher durch drückende Kleidung oder andere unangenehme Dinge verursacht worden sein könnte. Niemand wird jemals perfekt sein, und ich schlage auch nicht vor, dass wir nur noch an positive Bestärkungen denken. Vielmehr stelle ich mir vor, dass wir in der zwischenmenschlichen Kommunikation eher auf positive Reaktionen achten als auf die in vielen Haushalten und Organisationen vorherrschende Härte, die Streitlust und den Rückzug, welche nicht nur die betroffenen Einzelpersonen beeinträchtigt, sondern auch auf die Gesellschaft
insgesamt wirkt. Bei all ihrer Freiheit ist die amerikanische Gesellschaft für mich eine Strafgesellschaft Wir tragen die Bürde der calvinistischen Negativität, die, unabhängig von unserem persönlichen Hintergrund, all unsere Institutionen und auch einen Großteil unseres Rechts Systems beeinflusst Ein Wechsel hinüber zu positiver Bestärkung kann ein verblüffendes Wagnis sein. Im Jahre 1981 rief eine kleine Stadt in Arizona, die verzweifelt ihre guten Lehrer behalten wollte, eine Stiftung ins Leben, sammelte Geld und gab an fünf mit den Stimmen des Lehrkörpers und der Gemeinde ausgewählte Lehrer Sondergratifikationen, die in manchen Fällen ein ganzes Monatsgehalt ausmachten. Das Geld wurde im Rahmen der Abschluss-Feier übergeben, die so ausgezeichneten Lehrer wurden von ihren Schülern spontan mit stehenden Ovationen geehrt. Im dritten Jahr schienen die Schüler aus dem Programm ebenso Nutzen zuziehen, nicht nur die Lehrer. Bei landesweiten Tests schnitten die Schüler -eine typische Mischung aus Rassen, ethnischen Zugehörigkeiten, Reichtum und Armut - überdurchschnittlich gut ab. Was ich an dieser Geschichte so signifikant finde, ist nicht die Bestärkung der besten Lehrer an sich, was sicherlich eine gute Idee war, sondern die Tatsache, dass es ein Ereignis für die Radiostationen war und landesweit über die Agenturen verbreitet wurde. Der Wechsel hin zu positiver Bestärkung war in unserer Kultur eine neuartige Sache. Sie wurde dann aber schnell zu einer akzeptierten Idee, die man nicht mehr als Experiment oder Spinnerei betrachtete. Im nächsten Jahr wird diese Nachricht sicherlich auch aus anderen Städten berichtet, die dem Beispiel gefolgt sind. Vielleicht wird es zwei oder drei Generationen dauern. Meiner Vermutung nach ist die positive Bestärkung eine Idee, die sich im Laufe der Zeit als zu infektiös erweisen wird, als dass sie unterdrückt werden könnte - weil sie jetzt mit einem Theoriegebilde gekoppelt ist, welches die Analyse des Geschehenen möglich macht, sollte einmal etwas schiefgelaufen sein. Ich denke, die meisten Behavioristen würden mir zustimmen, sich aber auch wundern, warum es so lange dauert. Die Einwände, die die Humanisten gegen den Behaviorismus hegen, betreffen vornehmlich die Folge, dass alles in der Gesellschaft durch Bestärkung funktionieren kann und sollte (zum großen Teil geschieht dies schon - aber schlecht). Meiner Meinung nach ist diese Furcht unbegründet. Skinners imaginäre Gesellschaft 'Waiden Two; gründete sich ausschließlich auf dem Muster der Bestärkung und würde, so denke ich als Biologin, nicht funktionieren. Idealistische Gesellschaften berücksichtigen diese biologischen Fakten aufgrund eines Statuskonflikts gelegentlich nicht oder versuchen sie abzuschaffen. Immerhi n sind wir noch soziale Tiere und müssen als solche Hierarchien schaffen. Innerhalb von Gruppen ist der Wettbewerb um einen höheren Status - mit allen Mitteln, nicht nur den zulässigen oder angeordneten - absolut unvermeidlich und übt in der Tat eine wichtige soziale Funktion aus: Das Vorhandensein einer durchdachten und gut funktionierenden Hierarchie trägt zur Reduzierung von Konflikten bei, sei es in Utopia oder in einer Pferdeherde. Man weiß, wo man steht, also muss man nicht knurren, um es zu beweisen. Der Status Einzelner und von Gruppen und viele andere Bedürfnisse und Neigungen des Menschen sind wohl zu vielschichtig, als dass ihnen durchgeplante Bestärkungssysteme entsprechen oder man sich über sie hinwegsetzen könnte, zumindest auf lange Sicht hi n. Die Behavioristen wiederum beunruhigt, dass sie viele Situationen in der Gesellschaft erkennen, in denen die richtige Anwendung der Bestärkung effektiv sein könnte, wir es aber mit unserer Sturheit, Dummheit ohne Unterlass vorziehen, Dinge falsch zu tun. Hierfür ein Beispiel: Länder, von denen wir hoffen, dass sie uns mit Wohlwollen betrachten, bekommen von uns Waffen und Hilfe. Was soll das?! Jemanden in der Hoffnung zu belohnen, selbst etwas gewinnen zu können, funktioniert nicht. Dieser Schuss geht schon auf dem niedrigsten Niveau nach hinten los. („Sie hat mich nur zu ihrer Party eingeladen, damit ich ihr etwas schenke; ich hasse sie!“ „Tante Tilly ist heute außergewöhnlich nett; was dieser alte Knochen wohl diesmal will?“) Ich bin mir auch nicht sicher, ob es um ein Deut besser ist, wenn wir zu Staaten, die sich danebenbenehmen, grob sind. Was ist denn, wenn es denen egal ist? Was ist denn, wenn sie uns vor allem zur Weißglut bringen wollen? Sicherlich ist das ein wenig vereinfacht, doch macht man es sich zu leicht, wenn man sich als Staat immer weiter und weiter auf eine Weise verhält, von der jeder auch nur wenig erfahrene Bestärker weiß, dass es unter Garantie nicht funktioniert. Als Staat ebenso wie als Einzelner sollten wir uns selbst stets die grundlegende
Frage stellen, die sich auch ein Trainer stellt, nämlich: „Was bestärke ich eigentlich?“ Die Gesetze der Bestärkung sind kraftvolle Werkzeuge. Das Regelwerk ist jedoch weitaus komplexer, als manche es sich vorstellen, und tatsächlich viel vielseitiger, als manche es gern hätten. Sich der Bestärkung zu bedienen, ist Teil eines kontinuierlichen Prozesses der Veränderung, des fortwährenden Gebens und Nehmens, des kontinuierlichen Wachsens. Man weiß um die Dualität, um die Wechselseitigkeit dieser Verbindung, Man erfährt mehr über andere und zwangsläufig auch mehr über sich selbst. Man könnte sagen, Training ist ein Prozess, in dem man gleichzeitig in seiner eigenen Haut stecken muss und auch wiederum nicht. Wer ist der Trainer, und wer wird trainiert? Beide verändern sich, beide lernen. Manche Menschen sehen die Theorie der Bestärkung als eine Methode der Kontrolle, der Manipulation, der Einschränkung des Einzelnen und der Gesellschaft. So wie die Veränderung einer Spezies im einzelnen Gen ihren Anfang nehmen muss, so müssen gesellschaftliche Veränderungen mit persönlichen Veränderungen beginnen - mit Veränderungen in dem, was dem Einzelnen gut tut. Gesellschaftliche Veränderungen können nicht von oben diktiert werden - zumindest nicht über einen längeren Zeitraum (biologisch gesehen, liegt Orwell mit seinem Buch 19X4 falsch). Lebewesen haben nicht nur ein Recht auf Futter und ein Obdach, sondern auch auf eine sie bestärkende Umwelt. Anwendung und Verständ nis der Bestärkung sind eine individuelle Erfahrung, die für alle nutzbringend sein kann. Weit davon entfernt, einzuschränken, macht sie uns alle frei, nicht die mechanistischen Aspekte des Lebens zu steigern, sondern die reiche und wunderbare Vielfalt allen Verhaltens.
Clicker-Training: eine verblüffende Methode Fünfzehn Jahre nach der Erstausgabe dieses Buches sehe ich nun Aspekte in dem Training durch Bestärkung, die ich mir damals nicht vorstellen konnte, insbesondere was die Langzeiteffekte und die allgemeine Wirkung angeht. In einem von der New Yorker Aka demie der Wissenschaften im Jahr 1981 herausgegebenen Artikel hob ich hervor, die Qualitäten, die der Mensch den Delphinen zuschreibe - also Verspieltheit, Intelligenz, Neugierde, Freundlichkeit zum Menschen und so weiter -, seien vielleicht nicht so sehr auf die Delphine selbst, sondern auf die Art, wie wir sie ausbilden, zurückzuführen. Nun habe ich den Beweis aus erster Hand. Jedes Lebewesen - Hund, Pferd.. Polarbär, sogar ein Fisch -, das wir mit Hilfe positiver Bestärker und einem Signal formen, wird verspielt, intelligent, neugierig und interessiert sich für uns. Was, Sie glauben dem Fisch nicht? Für Videoaufnahmen habe ich einen Fisch - den Pfauenaugenbuntbarsch - geformt, durch einen Reifen zu springen und einem Ziel zu folgen. (Das Blinken einer Taschenlampe war für den Fisch ein gutes Signal.) Obwohl diese landläufig als „Oscar“ bezeichnete Fischart für ihr zahmes Wesen und ihre Intelligenz bekannt war, habe ich sie noch nie so weit gehen sehen. Vielleicht hat der Fisch gelernt, dass er mit seiner eigenen Handlung das Verhalten der Menschen kontrollieren kann. Dieser Fisch wurde bei mir zu Hause der König in seinem Schloss, er spritzte im Wasser und stieß gegen den Deckel seines Beckens, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Durch das Glas berührte er mit seiner Nase die Nasen der kleinen Kinder; er drohte Besucherhunden, indem er Flossen und Kiemen spreizte und Scheinattacken schwamm. Die fünf Jahre seines Lebens wurde er in einem recht erstaunlichen Ausmaß zu einem verspielten, intelligenten, neugierigen und freundlichen Lebewesen, selbst dann, als er sich schon lange aus dem Show-Geschäft zurückgezogen harte und sein ganzes Futter umsonst bekam.
Dauerhafte Lernerfolge mit dem Clicker Eine weitere Langzeitwirkung dieser Trainingsart besteht, unabhängig von der Spezies, darin, dass einmal gelerntes Verhalten nicht wieder vergessen wird. Vor fünfzehn Jahren war dies gewiss bei den Delphinen so, ich war mir aber nicht sicher, ob das nur für diese Tiere galt oder nicht. Jetzt weiß ich es besser. Eine der Bemerkungen von traditionellen Hundeausbildern, die auf das Clicker-Training umgestiegen sind, ist ihr Erstaunen darüber, wie
unglaublich gut die Hunde das Gelernte beibehalten. Man muss es nicht so wie bei dem über Korrektur antrainierten Verhalten machen, also es sich immer wieder neu merken und aufpolieren und auffrischen. Ist das Verhalten einmal etabliert, bleibt es für immer verankert. Obwohl es nach meinem Wissen noch keine offiziellen Daten darüber gibt, liegt vermutlich in diesem hohen Wirkungsgrad nicht nur einer der Unterschiede zwischen dem Training mit positiven Bestärkern und aversiven Reizen, sondern auch zwischen dem Training mit einem Signal und Training ausschließlich über primäre Bestärker. Jetzt möchte ich Ihnen ein Beispiel für ein Langzeitverhalten geben, das sich aus nur einer einzigen Trainings Sitzung entwickelt hat. Eines Abends brachte ich nach dem Abendessen im Haus meines Cousins der Katze das Klavierspielen bei, um den Kindern eine Freude zu bereiten. Das heißt, mit dem Wort 'gut' als Signal und Schinkenstückchen als primäre Bestärker, formte ich das Verhalten, auf dem Klavierstuhl zu sitzen und mit einer Pfote auf die Tasten zu hauen. Bei den meisten Katzen dauert das ungefähr fünf Minuten. Katzen lieben es, die Menschen zu trainieren, damit diese kalkulierbar Leckerchen geben. Nach diesem Abend bat nie wieder jemand die Katze, das noch einmal zu tun, und auch die Katze bot dieses Verhalten nicht mehr an. Zwei Jahre später rief mich eines Morgens mein Cousin an und berichtete mir, er sei in der Nacht zuvor, nachdem er schon zu Bett gegangen war, von geisterartigen Tonen wachgeworden, die aus dem Erdgeschoß kamen: jemand schien Klavier zu spielen. Er habe nachgeschaut und gesehen, dass die Türen zum Wohnzimmer wie immer geschlossen waren, um Wärme zu sparen. Im Wohnzimmer selbst habe die Katze auf dem Klavierstuhl gesessen. Normalerweise schlafe sie mit oben im Schlafzimmer. Versehentlich sei sie im Wohnzimmer zurückgelassen worden. Als vermutlich die normalen Reaktionen des Miauens und vielleicht auch noch des an der Tür Kratzens nicht halfen, bot die Katze ein gelerntes Verhalten an, nicht, um diesmal Futter zu verlangen, sondern ihren bevorzugten Schlafplatz. Ihre Bemühungen waren erfolgreich.
Beschleunigtes Lernen mit dem Clicker Ein weiteres, neu auftretendes Element des Clicker-Trainings ist die Beschleunigung des Lernens. Fähige ClickerTrainer (von denen einige dies schon beinahe von Anfang an sind) können innerhalb weniger Tage ein Verhalten etablieren, für das sie auf herkömmliche Weise Monate oder sogar Jahre brauchen. Die bisher eindrücklichsten Beispiele habe ich in den USA im Bereich des Unterordnungstrainings bei Hunden beobachtet, bei der die traditionellen Trainingsmethoden schon fast genormt sind. Auch das Prüfverfahren ist stark vereinheitlicht. Da diese sehr genauen Verhaltensabläufe von Menschen entwickelt und geprüft wurden, kann eine Veränderung auch klar erkennbar werden. Mit herkömmlichen Trainingsmethoden dauert es gewöhnlich ein oder sogar zwei Jahre bis zur Teilnahme am Wettbewerb für Anfänger, ein weiteres oder sogar zwei Jahre bis zur Offenen Klasse und noch ein Jahr oder auch zwei bis zur Gebrauchsklasse, dem höchsten Rang. Mit Hilfe des Clicker-Trainings lernen Hunde heutzutage das ganze Verhalten in einem viel geringeren Zeitraum. In kaum mehr als einem Jahr hatte es jemand geschafft, einen Hund zu kaufen und mit ihm alle drei Stufen des Wettbewerbs zu absolvieren. Eine andere Hundebesitzerin brachte ihrem Australischen Cattledog in exakt drei Minuten alle Handsignale für Platz, Komm, Sitz, etc. auf der Gebrauchsklassenstufe bei. Wenn ich mich recht erinnere, waren es insgesamt acht Signale. Eine andere Frau bestand mit ihrem Irisch Setter (Entschuldigung, aber diese Rasse ist nicht für ihren Intellekt bekannt), mit dem sie nur drei Wochen trainiert hatte, die drei Qualifikationslaufe der Anfängerklasse mit einer sehr anständigen Punktzahl. Der Hund starb kurz danach in hohem Alter. Die Besitzerin bedauerte nur eines: „Ich wünschte, ich hätte für ihn schon eher diese wunderbare Kommunikationsmethode gefunden.“
Manche Menschen tun diese Berichte des superschnellen Lernens als Empfehlungsschreiben ab, für mich aber sind sie diagnostische Werkzeuge geworden. Wenn erfahrene Hundetrainer, die bisher auf herkömmliche Weise ausgebildet haben, zum Clicker-Training überwechseln - und mir aufgeregt erzählen, dass etwas, wozu sie sonst Monate gebraucht hatten, jetzt in einer Woche oder an einem Morgen, in einer Minute geschehen sei bin ich mir, auch ohne sie arbeiten gesehen zu haben, sicher, dass sie die beiden Grundelemente des ClickerTrainings gelernt haben. Sie beherrschen das Timing wie am Schnürchen und haben auch begriffen, die Kriterien in kleinen Schritte n, aber schnell zu erhöhen. (Nebenbei bemerkt ist die spontane Übertragung des Trainings von einer Art auf die andere ein weiterer Indikator dafür, dass der neue Clicker-Trainer die Technik richtig anwendet. „Ich habe meinem Pferd an einem Vormittag drei Dinge beigebracht, und dann kam ich nach Hause und habe dort den Hund, die Katze und das Meerschweinchen geclickt!“ Click.) Wäre es nicht toll, Daten über die Schnelligkeit zu haben, mit der das Clicker-Training funktioniert? Vielleicht wird ja ein Student in seiner Diplomarbeit die umfangreiche Datenbank der Unterordnungstrainer nutzen und den ersten, wirklich wissenschaftlichen Vergleich zwischen herkömmlichen Methoden und der neuen Technik erarbeiten.
So wird man den Clicker wieder los Ein häufig auftretender und verständlicher Einwand gegen das Clicker-Training besagt, man wolle nicht stecken bleiben und das ganze Leben des Trainees lang clicken und belohnen müssen. Hier handelt es sich wohl um ein Missverständnis. Um ein Verhalten aufrechtzuerhalten, ist der Click nicht notwendig, jedes alte Signal oder jede Art von Bestärker tun es auch. Der Click ist nur für das Training gedacht, wirklich nur dafür. Ist das, was Sie lehren wollten, einmal gelernt, können Sie den Clicker weglegen. Um etwas Neues zu „erklären“, werden Sie ihn aber vielleicht wieder benötigen. Mit Ihrem Clicker können Sie recht spezifische Informationen weiterleiten. Meine Freundin Patricia Brewington besitzt zum Beispiel einen Percheron-Wallach namens James. Von früher Kindheit bis ins Erwachsenenalter lehrten Pat und ihr Ehemann Daucy James mit dem Clicker solche Aufgaben wie Reiter tragen, Wagen und Schlitten ziehen, Stämme aus dem Wald herausschaffen. Als James dann voll ausgebildet war, wurden der Clicker und die Leckerbissen nicht mehr gebraucht. James kannte und befolgte viele Laut- und Handsignale. Neben dem Futter gab es noch viele andere Bestärker. So liebte er es sichtlich, als Bestärkung für gut getane Arbeit gelobt und gestreichelt zu werden. Auch mochte er Eiswürfel, Spiele mit dem Ball, mit seiner Nase mit den Schlittenschellen klingeln, in die Scheune hinein- und wieder hinausgehen, den Leuten bei ihren Tätigkeiten zuschauen dürfen und viele andere Bestärker des täglichen Lebens. Eines Tages bildete sich in James Fuß ein Abszess. Der Tierarzt verordnete das regelmäßige Einweichen des Fußes. So nahm Pat also einen Eimer warmen Wassers, stellte ihn neben James und tat sei nen enorm großen Fuß in den Eimer. James nahm ihn wieder heraus, Pat ihn wieder hinein, James wieder heraus, Nun war James ein sehr, sehr großes Pferd und Pat eine kleine Frau. Körperliche Kraft stand also nicht zur Wahl; außerdem schimpfte Pat fast nie mit ihren Pferden. Was war also zu tun? Pat ging ins Haus und fand ein Standardelement des Trainings. Viele ClickerTrainer spielen mit ihren Hunden ein Spiel, das ich scherzhaft „101 Dinge, die man mit einem Clicker tun kann“ nenne (oder mit einem Stuhl, einem Ball, einem Spielzeug). Im Wesentlichen auf dieselbe Weise, wie wir im Sea Life Park bei einem Delphin die „Kreativität“ entwickelt haben, wird das Tier in jeder Sitzung für eine neue Art, mit einem Gegenstand umzugehen, geclickt. Manche Hunde sind mit neuen Ideen genauso erfindungsreich wie es jeder Delphin sein konnte. Hunde scheinen ebenso wie Delphine oder, in diesem Fall, Pferde dieses herausfordernde Spiel zu mögen.
Angstfrei lernen mit dem Clicker Ein sowohl von Eingeweihten als auch von Außenstehenden viel diskutierter Bestandteil des Clicker-Trainings ist die Tatsache, dass nicht mit Strafe gearbeitet wird. Bei den herkömmlichen Methoden wird die Ansicht vertreten - und einige Psychologen tun dies auch - das Gute solle gelobt und das Schlechte bestraft werden, das Ergebnis sei dann ein perfektes Ergebnis irgendwo in der Mitte. Bei konventionellen Trainingsmethoden entstehen viele Probleme tatsächlich direkt aus der Anwendung von Strafe. Eine Araber-Stute konnte deswegen nicht mehr auf einer Ausstellung gezeigt werden, weil ihr auf konventionelle Weise beigebracht wurde, die Ohren zu spitzen, indem man die Peitsche um ihren Kopf herumsausen ließ (und sie im Stall dann ab und zu mit der Peitsche schlug, damit sie sich der Gefährlichkeit der Peitsche bewusst war). Diese Stute hatte sich angewöhnt, ihre Ohren nach hinten zu legen und böse anstatt wachsam auszusehen, ein Verhalten, das sich mit zunehmender Bestrafung noch weiter verstärkte. Hier sollte das Clicker-Training Abhilfe schaffen. Bestärkt man innerhalb einer Trainingssitzung erwünschtes Verhalten und bestraft oder „korrigiert“ Verhalten, das man nicht will, mischt also beides, so - das haben Clicker-Trainer herausgefunden -werden keine „guten“ Dinge mehr gezeigt. Erstens hört das beschleunigte Lernen auf, und der Trainee geht zurück zur „normalen“ Lerngeschwindigkeit: er lernt also langsam. Zweitens hört der Trainee ganz auf zu lernen, wenn man nicht aufpasst und, was noch schlimmer ist, er hört auf, lernen zu wollen. So wie sich ein Kind widerwillig in die Schule schleppt, unterwegs trödelt, können auch Hunde ihre Abneigung gegen das zeigen, was sie tun sollen, und geraten in einer Trainingssituation in Stress - zum Beispiel hecheln und gähnen sie. Sie wären lieber sonst irgendwo. Für nur mit dem Clicker trainierte Hunde ist es jedoch nicht ungewöhnlich, dass sie Trainingssitzungen selbst einleiten und voller Begeisterung an den Trainingsort eilen. Damit meine ich nicht, dass Clicker-Trainer niemals nein sagen. Natürlich könnten Sie einen Hund dafür maßregeln, dass er auf die Vorspeisen auf dem Couchtisch schielt; oder ihn auf einem Gehweg mit vielen Menschen an die Leine nehmen. Wir aber verwenden als Lernhilfe keine Strafe oder „Korrektur“, wie man beschönigend sagt. Dem Tier steht es in einer Trainingssitzung frei, etwas zu riskieren, zu raten, selbst ein Verhalten zu zeigen, das bestärkt werden kann. Hat er falsch geraten, in Ordnung. Als schlimmstes kommt eben kein Click. In einer sicheren Umgebung entdecken Lernende schnell, wie sie das Beste zeigen können, dessen sie fähig sind: und das rührt zu wunderbaren Ergebnissen.
Clicker-Training macht Spaß Menschen berichten immer wieder über einen weiteren Nebeneffekt des Clicker-Trainings: das Verhalten des Lernenden ändert sich insgesamt. Ein bestraftes oder über Korrektur trainiertes Tier lernt, gerade nur so viel zu tun, dass es keine Probleme bekommt. Es ist dann ein „guter Soldat“, es tut, was ihm gesagt wird, und das niemals freiwillig. Bei diesem System bleiben die Lernenden viel mehr an ihrem eigenen Tun und Leben interessiert als an dem, was Sie oder eine andere Stimme mit Autorität vielleicht verlangen. Aus diesem Grund sind sie nicht nur für Ablenkungen anfällig, sie hoffen auch darauf. Außerdem werden diese Lernenden wütend oder hören auf, wenn sie zu sehr gedrängt oder zu viel gestraft werden. Genau dieses Verhalten sehen wir aber bei den meisten Hunden, bei vielen Angestellten - und natürlich bei den Kindern in der Schule. Das Clicker-Training dagegen macht Spaß, dem Trainer und dem Lernenden. Das Spiel ist ein wichtiger Teil des Clicker-Trainings. Ich habe ein geistig behindertes Mädchen im Teenageralter gesehen, das lachte, als es zum ersten Mal für ein neues Verhalten geclickt wurde, und „Spielen'' signalisierte, als es den Clicker sah, was der Lehrer von ihm nicht kannte. Clicker-Trainer haben gelernt, ein Spielverhalten bei Tieren als Zeichen zu erkennen, dass der Lernende weiß, welches Verhalten bestärkt wurde. Wenn das Licht angeht, wie die Clicker-
Trainer sagen, machen Hunde Freudensprünge, Pferde tänzeln und werfen ihren Kopf hoch; Elefanten, so wurde mir erzählt, gehen im Kreis und piepsen quietschvergnügt. Sie sind glücklich. Sie sind aufgeregt. Das bedeutet Bestärken in sich selbst. Dieser Moment ist vorhersehbar und wiederholbar, fast immer gehen mit ihm physiologische Änderungen einher: auch das ein ergiebiges Forschungsgebiet. Macht ein Tier auf dieser Stufe mit, bekommt der Click einen enormen Wert, der viel mehr „wert“ ist als Futter. Bestärkend wirken sowohl der Ton als auch der Gegenstand, der ihn hervorbringt. Hierfür gebe ich Ihnen folgendes Beispiel: Debbie Davis ist eine Clicker-Training-Lehrerin, die behinderten Menschen beibringt, ihre eigenen Begleithunde auszubilden. Sie ist selbst an den Rollstuhl gefesselt, ihr Begleithund ist ein Papillon, ein kleiner schwarz-weiß er Zwerghund, ungefähr so groß wie eine Katze. Trotz seiner Größe ist der Hund sehr nützlich. Er kann Stifte apportieren, die Fernbedienung des Fernsehers suchen und Wäsche aus dem Trockner ziehen. Dieser kleine Hund springt während des Trainings vom Schoß seiner Besitzerin herunter, lauft unter den Stühlen hindurch, steigt in die Taschen mit dem Trainingszubehör der anderen Teilnehmer und stiehlt Clicker. „Mami hier, davon können wir nicht genug haben, oder?!“
Die Ursprünge des Clicker-Training Als das Buch „Dont' Shoot the Dog!“ auf den Markt kam, war die angewandte Verhaltensforschung noch nicht allgemein bekannt. Dreißig Jahre Delphintraining hatten noch keine weiteren Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. Auch wenn die Akademiker die Verhaltensanalyse erfolgreich in Unternehmen und Institutionen einsetzten, hatten sie keine leicht verständlichen Wege für antrainierte Menschen gefunden, die Wissenschaft in der Praxis umzusetzen. Dies änderte sich aber mit den Hundebesitzern. Dr. lan Dunbar, ein außerordentlich talentierte r und einflussreicher Forscher für Hundeverhalten, beschrieb und lehrte zwangfreies und verhaltensorientiertes Training für Hundebesitzer und empfahl; „Don't Shoot the Dog!“ In den Sechziger Jahren war es B. F. Skinner selbst, der als erster die Verwendung von Clickern bei Hunden empfahl. Der offizielle Beginn des Clicker-Trainings war meiner Ansicht nach im Mai 1992, als in San Francisco eine Podiumsdiskussion von Trainern und Wissenschaftlern der Amerikanischen Gesellschaft für Verhaltensanalyse stattfand und wenige Tage danach ein von mir, dem Hundetrainer Gary Wilkes und der Meeressäugetiertrainerin Ingrid Shallenberger geleitetes „Don't Shoot the Dog!“-Seminar, an dem 250 Hundetrainer teilnahmen. Die kleinen Plastikdicker, die Gary in einem Krimskrams-Laden gefunden hatte, dienten als großarti ge Lehrmittel und ebenso als Signale. Die Leute nahmen sie an. Ein Hundetrainingsseminar nach dem anderen fand statt. Mit diesen öffentlichen Seminaren, den Büchern, Videos und Internet-Aktivitäten, die sie entwickelten, begann wohl die Clicker-Training-Bewegung . Die Teilnehmer des Seminars waren nicht unbedingt professionelle Ausbilder, frönten aber leidenschaftlich ihrem Hobby. Es waren Anwälte, Piloten, Justizbeamte, Lehrer, Computerprogrammierer, leitende Angestellte, Zahnärzte, Ärzte und Journalisten. Es waren Menschen mit einem regen Interesse, viel Energie und analytischem Verstand. Sie begannen, andere zu unterrichten. Bald schon versuchten sich Tausende im Clicker-Training und trugen es weiter, als wir, die wir damit angefangen hatten, es jemals hätten tun können. Zwei junge Frauen aus Virginia kamen zu einem „Don't Shoot the Dog!“-Seminar und drehten ein Video, in dem gezeigt wurde, wie man Hunden mit dem Gucker ungefähr dreißig Tricks beibringen kann, angefangen von leichten Dingen betätige die Klingel, damit du hinausgelassen wirst - bis zu dem teuflisch schwierigen „Gib den Keks weiter“ (von einem Hund zum anderen). Steve White, ein Polizeibeamter aus Seattle, entwickelte ein Clicker-Trainings System zur Ausbildung von Patrouillenhunden. Einer seiner Hunde-Absolventen stellte in seiner ersten Nacht auf der Straße „drei böse Kerle“. (Er wedelte die ganze Zeit mit seiner Rute, ein typisches Merkmal für Clicker-
Hunde.) Rosemary Besenick aus Texas lehrte an den Rollstuhl gefesselte Menschen, die zum Teil auch geistig behindert waren, ihre eigenen Hunde auszubilden. Hundeliebha ber trainierten mit dem Clicker das richtige Verhalten im Ring -und gewannen Wettbewerbe. Kamleen Weaver, ebenfalls Ausbilderin von Polizeihunden und Computerlehrerin in einer High School in Texas, richtete ein Online-Diskussionsforum für Clicker-Trainer ein, bei dem sich 2000 Trainer meldeten. Clicker-Trainer entwickelten Web-Seiten im Internet, tauschten Fragen und neue Ideen aus. Mehrere Verhaltensanalytiker stürzten sich auf das Internet und halfen, manchmal täglich, Probleme zu lösen und unser Verständnis der wissenschaftlichen Ausdrucksweise zu verbessern. Führend dabei waren die Wissenschaftlerin Marian Breland Bailey, eine der ersten Absolventinnen bei Skinner, und ihr Ehemann Bob. Die Baileys verbrachten viel Zeit damit, die Clicker-Gemeinde über das Internet Fertigkeiten zu lehren und dadurch neue Anerkennung durch ihre Wissenschaftskollegen und neue Publikums schichten zu gewinnen. Der Astronom Helix Fearweather aus New Mexico eröffnete mit einer Web-Seite ein Archiv der wichtigsten und nützlichsten Adressen auf der immer weiter wachsenden Liste: die so genannten „Merkadressen“. Alexandra Kurland, Reitlehrerin und Pferdetrainerin im Staat New York, entwickelte das Clicker Training für Pferde - für alle Arten von Pferden, alle Arten von Aufgaben, einschließlich des Umtrainierens gefährlich aggressiver Pferde. Neue Clicker-Trainer berichteten über ihre Erfahrungen im Internet. Normale Menschen ohne frühere Trainingserfahrung brachten ihren Hunden bei, die Autoschlüssel oder die Fernbedienung des Fernsehers zu suchen, Brennholz zu bringen und den Kühlschrank zu öffnen, das richtige Getränk auszuwählen (die Limo und nicht das Salatdressing), den Kühlschrank zu schließen und der Person das Getränk zu bringen, die es haben wollte. Dann gab es diese großartige „Hot-Dog -Herausforderung“ im Internet: Kann man seinem Hund beibringen, ein ganzes Hot Dog zu apportieren, ohne es vorher zu essen? Natürlich. Die wahren Angeber setzen mit dem Apportieren eines Cheeseburger noch einen drauf- obwohl nach Meinung aller der Cheeseburger für den menschlichen Konsum etwas zu dünn ankam. Was geschah, war eine Art Kreation einer neuen Technik durch eine Gruppe: eine neue Anwendungsmöglichkeit für eine bestehende Wissenschaft. Real könnte man dies niemals tun: Man hätte also zum Beispiel nie so viele Studenten in einem Graduierten-Kur s haben können oder so viele Denker, die effektiv von Angesicht zu Angesicht miteinander kommunizieren. Die kanadische Clicker-Trainerin Diana Hilliard sagte einmal, das Internet habe uns eine Art globales Manhattan-Projekt gegeben: gute Gedanken und davon eine Menge, die gemeinsam, an einer Technik arbeiten.
Clicker-Training für Menschen Die Gesetze des Lernens gelten, so wie die Gesetze der Physik, für uns alle. Die Anwendungen zu visualisieren, ist aber nicht immer einfach. Oft fragten neue Clicker-Trainer mit einem verlegenen Kichern: „Funktioniert das auch bei Kindern?“ (oder Ehemännern ... oder Ehefrauen ...). Natürlich könnte es das. Doch müsste man das schon lernen. Es widerspricht zum Beispiel der eigenen Intui tion und verlangt einige Übung, den Mund bei dem zu halten, was man nicht mag, um auf das Verhalten zu warten, das man mag und das man bestärkt. Clicker-Training mit Hunden bot eine großartige Möglichkeit, erste Erfahrungen zu sammeln. Die Menschen fingen an, das, was sie verstanden, zu verallgemeinern. Von Seminarteilnehmern kamen dann solche Kommentare wie: „Ich habe aufgehört, an meinen Hunden herumzurucken ... und dann habe ich begriffen, dass ich das immer noch bei meinen Kindern mache!“
„Meine Zahnarztpraxis habe ich mit Anweisungen und Korrekturen geführt. Jetzt forme und bestärke ich. Und wissen Sie was? Die Fluktuation meiner Mitarbeiter sank auf null!“ „Für meine Hunde war das schön - bei mir aber hat es die Art und Weise geändert, wie ich mit jedem einzelnen Menschen in meinem Leben umgehe.“ Das Clicker-Training war so einfach und unkompliziert, dass die Menschen nicht nur von ihrem Verstand her Einsichten, sondern auch eine ganze Reihe Taktiken gewannen, die sie quer durch unendlich viele Verhaltensweisen einsetzen konnten. Heute ist dieser Anwendungstransfer unter den Clicker-Leuten eine alltägliche Sache. Clicker-Trainer in Lehrberufen - Lehrer an der High School und am College, Sonderlehrer, Physiotherapeuten, Betreuer von Gruppen - setzen diese Technik bei ihrer Arbeit ein. Ich bekomme regelmäßig E-mail-Nachrichten der Eltern von Kindern mit Entwicklungs- oder körperlichen Störungen, die begierig waren mitzuteilen, was sie mit ihren neuen Fähigkeiten mit und für ihre Kinder tun. Eine Mutter lehrt ihre stark autistische Tochter durch Formen und Bestärken, sich mit anderen verständigen und reden zu können. Mit Bestärkern und Signalen verbessern Eltern die Fertigkeiten ihrer behinderten Kinder, angefangen mit dem Essen über das Anziehen bis zum Gehen und Sprechen. Das Bestärkungstraining zu verstehen, kann sicherlich keine physiologischen oder neurologischen Defizite beheben oder die Hilfe einer professionellen Kraft ersetzen, aber das Leben aller erleichtern. Die Eltern lernen, angemessenes Verhalten zu bestärken und nicht zufällig unangemessenes, also: das Schweigen zu bestärken, nicht den Lärm; Spiel und nicht Wutanfälle. Das heißt nicht, dass sie „ihre Kinder wie Tiere behandeln“, ein weit verbreiteter Vorwurf, der von Voreingenommenheit zeugt: Beim Clicker-Training geht es nicht um Menschen oder Tiere. Es geht um bessere Wege des Lehrens und Leinens. (Tatsächlich sagt man von manchen Clicker-Trainern, sie behandelten ihre Tiere wie einige glückliche Kinder.) Am besten ist natürlich die Tatsache, dass Sie keinen Doktortitel benötigen, um wirksam bestärken zu können. Vor kurzem bin ich mit meiner Tochter und deren Familie von einem Ausflug zurückgefahren, als das vierzehn Monate alte Baby auf dem Rücksitz zu schreien anfing. Es protestierte damit gegen die Länge der Fahrt und auf seinem Sitz gefangen zu sein. Wir waren noch zwanzig Minuten von zu Hause entfernt. Meinem siebenjährigem Enkel Wylie, der hinten neben dem Baby saß, gelang es schließlich durch das Bestärken immer längerer Momente des Schweigens, das Schreien abzustellen. Und das Signal? Wylie grinste. Der Bestärker? Einmal a n Wylies Lutscher lecken. 1997 hielt ich im Rahmen eines Beratungsvertrages vor ungefähr fünfzig Erziehern einen Kurs im Formen und Bestärken von Verhalten. Gegen Ende des Kurses sollten die Teilnehmer ein Trainingsprojekt erarbeiten. Die Sprachtherapeutin Sharon Ames wählte dafür ihre dreieinhalb Jahre alten Zwillinge aus. Die Herausforderung, der sie sich beim Formen stellen wollte, war folgende: Obwohl die Zwillinge abends um 8 Uhr ins Bett gehen sollten, dauerte es immer drei Stunden oder sogar noch länger, bis die kleinen Lieblinge eingeschlafen waren. Als Bestärker führte Sharon Pfennigstücke in Gefäßen ein. Morgens konnte jeder Zwilling diese Pfennige gegen einen Preis einwechseln. In der ersten Nacht bekamen die Kinder für jede Stufe des Zubettgehens einen Click - und einen Pfennig. Click fürs ins Badezimmer gehen. Click für das wieder aus dem Bad herauskom men, Click für das Anziehen des Schlafanzuges und so weiter. War das Licht dann aus, bekamen sie jedes Mal, wenn Sharon wieder in ihr Zimmer kam, einen Click (und natürlich einen Pfennig), wenn sie auf den Berten lagen nicht in ihnen, nur darauf. In der ersten Nacht kam sie in der ersten halben Stunde jede Minute - das sind also 30 Clicks - und anschließend eine Stunde lang alle fünf Minuten, dann waren die Kinder schon eingeschlafen. In der zweiten Nacht „dünnte “ sie die Bestärkungsintervalle auf jeweils zehn Minuten aus, und innerhalb einer Stunde waren die Kleinen eingeschlafen. In der dritten Nacht schliefen die beiden sofort ein. Innerhalb von drei Tagen reduzierte sich die Zeit, die es brauchte, die Zwillinge ins Bett und zum Einschlafen zu bringen, von drei Stunden auf ungefähr zwanzig Minuten, eine angenehme Zeit; und dabei blieb es. Die Zwillinge fanden den Clicker auch gut. „Können wir das Clicker-Spiel noch mal spielen?“ Der Bestärker für Sharon und ihren Mann war natürlich ein richtiger Jackpot: nach Monaten des Schlafentzugs jede Nacht durchschlafen zu können. Die Familie Ames baute das Clicker-Training in ihr tägliches Leben ein (Sharon erzählte mir, sie hätten für sich,
herausgefunden, es sei wirksamer, nur sehr gelegentlich, aber dann richtig zu bestärken). Manchmal kommt Sharons Mutter zum Babysitten der beiden, Sharon hat ihrer Mutter gezeigt, wie sie bei den Zwillingen die Clicker einsetzen kann. Bald übernahm Sharons Mutter einen Hund. Sie beschwerte sich über ein paar Verhaltensprobleme bei ihrem neuen Tier. „Warum nimmst du nicht den Clicker?“ sagte Sharon. Ihre Mutter wusste nicht so recht. „Nun, für Kinder ist er wunderbar, aber meinst du wirklich, er würde auch bei Hunden funktionieren?“
Clicker-Training in der Praxis Während ich dieses Kapitel schreibe (November 1998) bin ich persönlich gerade dabei, zwei neue Anwendungsmöglichkeiten für Menschen zu entwickeln. Eine betrifft die Verwendung des Clickers (eines elektronischen „Blackbox “-Clickers mit Anschluss an einen Kopfhörer) für das Flugtraining. Ein Click ist nicht nur genauer, er ermöglicht auch die Bestärkung eines Verhaltens, dass auf andere Weise schlecht zu erreichen ist. Um zu verhindern, dass das Flug zeug sich mitdreht, sollte man zum Beispiel im Cockpit seine Hände vom Steuerknüppel nehmen, wenn man sich rumdrehen und auf die Instrumente schauen will. Als Autofahrer haben wir allerdings gelernt, unsere Hände niemals vom Lenkrad zu nehmen. Ein gelerntes Verhalten wieder abzutrainieren, ist immer viel mühsamer, also ein neues anzutrainieren. Eine Erinnerung oder eine Korrektur mit Worten dauert viel zu lange und kommt viel zu spät, Ein Click aber kann das geringste Anheben der Hand unterstreichen und es für immer festhalten. Ein Fluglehrer kann einen Schüler auch für dessen Entschlusskraft und gutes Denken dicken: zum Beispiel einen Blick auf die Instrumententafel zu werfen, bevor er daran erinnert wird. Der Clicker kann also ein non-verbales Verhalten in dem. Augenblick non-verbal belohnen, in dem es gezeigt wird. Mein Sohn Michael Pryor, Pilot und Entwickler des Projekts, berichtet, nach vorläufigen Daten scheine sich die Kompetenz beim Lernen einer Fertigkeit, wie zum Beispiel dem Instrumentenfliegen, schneller zu entwickeln; und was einmal gelernt sei, bleibe gelernt. Jeder Pilot, mit dem ich seit Beginn dieses Projekts gesprochen habe, stellt seine Ohren bei der Möglichkeit auf, dass er nicht mehr so oft in den Flugsimulator muss, um seine Instrumentenkunde und kenntnis auf Stand zu halten. Auch den Schülern macht es viel mehr Spaß. Michael Pryor sagt: „Wenn du nicht geclickt wirst, obwohl du annahmst, du würdest geclickt, beschleunigst du deine Bewegungen. Du strengst dich mehr an, um herauszufinden, was du tun solltest. Und wenn du dann den Click bekommst, ist das ein so schönes Gefühl wie 'Gewonnen!'. Es ist viel besser, als angeschrieen zu werden.“ 1997 nahm ich meine Beratungstätigkeit im New England-Kinderzentrum in Southborough, Bundesstaat Massachusetts, auf. Mit seinen ungefähr 500 Mitarbeitern und ungefähr 200 Schülern ist das New England-Zentrum eine der führenden Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, die sich Kindern mit Entwicklungsdefiziten, besonders mit Autismus, widmet Wir sind gerade dabei, ein Ereignissignal - manchmal Clicker, manchmal nichts - bei Kindern mit diagnostiziertem Autismus und anderen Entwicklungsstörungen zu erforschen. Die jungen und tatkräftigen Lehrer des Zentrums, die jeweils eines dieser herausfordernden Kinder rund um die Uhr betreuen und für sie sorgen, sind Collegeabsolventen mit einem Abschluss in Erziehungswissenschaften oder einem verwandten Gebiet. Sie erhalten von dem Zentrum intensives praktisches Training in Verhaltensanalyse und deren Anwendungen. Was der Clicker ihnen zusätzlich zu ihren Kenntnissen bietet, ist mindestens ein klares Stück positiver Information für jene Kinder, die auf die gesprochene Sprache nicht reagieren oder nicht reagieren können, und für die Lehrer ein Feedback über ihr eigenes Timing und die Steigerung der Kriterien. Meine eineinhalbjährige Beratungstätigkeit hat mir große Hoffnung gegeben, dass wir in der Lage sein werden,
einige der vorläufigen Beobachtungen dokumentieren zu können, zum Beispiel: Es gab Verhalten, das Kindern mit Defiziten auf herkömmliche Weise beigebracht wurde und anscheinend von einem Signal in Verbindung mit einem Lieblingsleckerbissen profitierte. Dazu gehörten zum Beispiel bessere körperliche Fertigkeiten, besserer Augenkontakt, Teilnahmebereitschaft und Befolgen von Anweisungen. Einige der Lehrer, mit denen ich arbeitete, verwendeten das Clicker-Training, um den Widerstand leicht erregbarer Kinder gegen so notwendige Dinge wie Zähneputzen, Haareschneiden und Temperaturmessen zu mindern oder ganz abzustellen. Manchmal schienen die Kinder richtig Spaß zu haben. Ich möchte betonen, dass nichts nachgewiesen ist, was wissenschaftlichen Ansprüchen Genüge leisten würde. Ein großer Vorteil einer sehr forschungsorientierten Einrichtung, die an dieser Untersuchung Interesse hätte, könnte darin liegen, dass wir Clicker-Trainer für die Lerntheorie und ihre praktische Anwendung einen dauerhafteren und nützlicheren Beitrag auf Datenbank-Grundlage leisten könnten und aus den Anekdoten und Beschreibungen der Anwendung, die wir entwickeln, herauskämen. Was steht als nächstes an? Nun gut, Trainer haben begonnen, sich der Association for Behavior Analysis (ABA, Gesellschaft für Verhaltensanalyse) anzuschließen und auf den Jahrestreffen Papiere vorzulegen und an Symposien teilzunehmen, Mittlerweile tauchen die Trainer immer tiefer in diese Wissenschaft ein, einige drücken sogar wieder die Schulbank, um sich fortzubilden. Wir lernen, Konzepte zu erkennen und zu benennen, derer wir uns in der Vergangenheit nur intuitiv bedient haben - wie Flüssigkeit des Ablaufs, Latenz und Heranführung. Es fasziniert mich, über die ABA zu entdecken, dass eine Gruppe Forscher und Erzieher viele der Phänomene, die wir Clicker-Trainer sehen, in ihren Unterrichtsräumen beobachten. Die von ihnen entwickelten Anwendungen heißen Präzisionsunterricht und Direkter Unterricht. Die Technik ist außerordentlich wirksam. Ich habe eine ihrer Hauptwirkungsstätten, die von Dr. Kent Johnson gegründete und von Joanne Robbins geleitete Versuchsschule in Seattle, die Morningside Academy, besucht. Die Schule nimmt jeweils nur fünfundvierzig Schüler auf. Die meisten Kinder dieser Schule sind nachgewiesenermaßen in ihrer Aufmerksamkeitsfähigkeit gestört oder hyperaktiv. Es werden nur Kinder akzeptiert, die mindestens zwei oder mehr Jahre in der Schule hinterherhinken. Morningside verlangt ein respektables Schulgeld, bietet aber eine vollständige Rückzahlung an, falls sich das Kind bis Weihnachten nicht um ein volles Schuljahr verbessert hat. Bis jetzt musste sie noch nie Geld zurückerstatten. Was machen sie, dass dem so ist? Alles, was ein Kind für ein erfolgreiches Schulleben wissen muss, wird in kleine Schritte unterteilt. Diese Schritte werden nach und nach in sehr kurzen Sequenzen eintrainiert, wobei die Kinder ihren eigenen Fortschritt nachvollziehen können. Gewinne sind selbst-bestärkend - man sucht, die eigene, zuvor erzielte Zeit zu schlagen und den eigenen Kenntnisstand anzuheben -, man kann sich aber auch primäre Bestärker wie Computerzeit oder Computerspiele auszahlen lassen (die natürlich alle auf gesteigerten Bestärkungsintervallen beruhen). Manchmal verursachen sehr kleine und leicht zu schließende Lücken in der Erziehung eines Kindes endlose Probleme. In einer Klasse habe ich über die Schultern eines neunjährigen Jungen geschaut, der dabei war, eine Minute lang immer wieder die Zahlen eins bis neun so schnell wie möglich niederzuschreiben, für einen Click. Er ist intelligent; aber irgendwie harte es das Schulsystem versäumt, ihn zu lehren, wie man die Zahlen sauber und zugleich schnell schreibt. Dieser kleine Defekt in seiner Ausbildung kann für seine zukünftige Laufbahn zu einem Alptraum werden, angefangen von der Algebra bis zum Aufschreiben der Telefonnummer eines Mädchens. Also sollte der Defekt jetzt behoben werden. Das ist natürlich nur ein kleines Beispiel für die Anwendung der operanten Konditionierung auf dem Gebiet der Erziehung. Das Morningside-Modell findet weitere Verbreitung. Dr. Johnson und sein Partner Dr. TV Joe Layng, sind für ein viel größeres neues Programm in den Schulen von Chicago verantwortlich. Auch anderorts gibt es weitere, ähnliche Programme. Ich hoffe und erwarte auch, dass eine Wandlung des Schulsystems - so dass es wirklich funktioniert -,
teilweise auf die Wissenschaft und Erneuerer wie Layng und Johnson zurückzuführen sein wird, und teilweise auf die Eltern. Damit das überhaupt funktioniert, muss man selbst etwas tun. Man kann nicht nur einen Experten engagieren und sagen: „Bringen Sie meinen Hund in Ordnung“ oder „Bringen Sie mein Kind in Ordnung “. Oder sogar: „Bringen Sie das Schulsystem in Ordnung.“ Sie selbst sind der wichtigste Trainer. Das ist ein Sport, an dem alle teilnehmen.
Clicker-Training weltweit Meiner Meinung nach hat sich in den letzten fünfzehn Jahren die Einstellung der Öffentlichkeit zu diesem Gebiet der Wissenschaft beträchtlich gewandelt. Es gibt immer noch Menschen, viele davon gut ausgebildet, die bei der Erwähnung des Namens Skinner zusammenzucken. Er beschwört in ihren Köpfen eine Mischung aus Brave New World (Huxley), Kontrolle des Denkens und Elektroschock. Jeder einzelne Zweifler aber wird durch viele aufgewogen, die sich bei dem Konzept der positiven Bestärkung wohlfühlen. Manche sind nur mit Worten gut. Wie Kathleen Weaver, die Begründerin der Clickerliste im Internet ausführte, verstehen wir Trainer unter dem Begriff Clicker-Training viel mehr als nur die Anwendung der Clicker. Clicker Anwender, die sich „positive“ oder „motivierende“ Trainer nennen, können sich dieses Ding, den Clicker, ausborgen, um damit die Wahl des spezifischen Verhaltens zu kennzeichnen. Dann aber fahren sie mit Bestrafung, physischem Zwang und all den anderen Misshandlungsformen herkömmlicher Trainingsmethoden fort. Dagegen verwenden Clicker-Trainer als Signal alle möglichen Reize und messen dem Clicker selbst keine abergläubisch magische Wirkung bei. Auch vermeiden sie abergläubisches Verhalten bewusst (wie die Steigerung der Strafe). Ihr Werkzeugkasten umfallt die ganze Spannbreite der Gesetze des Formens, der positiven Bestärkung und der operanten Konditionierung. Ob sie mit Kindern, Erwachsenen; Pferden oder Hunden arbeiten, sie sind es, die den Nutzen - schnelles Lernen, lange Wirkung, glückliche und sich beteiligende Trainees und puren Spaß - aus der Technik ziehen, die wir „Clicker-Training“ nennen. Vielleicht werden die vielen Geister, die an der neuen Technologie arbeiten, einen deutlicheren und übergreifenderen Namen für das Clicker-Training finden; das wenigstens hoffe ich. Vielleicht werden es hierfür keine englischen Worte sein. Dank des Internets ist das Clicker-Training zu einem weltweiten Phänomen geworden. Die Leute auf der Clicker-Liste hören eines Tages vielleicht von Schlittenhundausbildern in Finnland, die zum Clicken ihrer Hunde Rentierpfeifen (die aus Metall würden die Lippen zum Erfrieren bringen) einsetzen. Am Tag darauf ist es ein Pudelbesitzer aus Bosnien. Oder ein Tierarzt in Singapur. Eine Engländerin, die ihrem Igel das Apportieren beigebracht hat. 1998 waren es auf meiner Webseite www.dontshootthedog.com 100.000 Hits pro Monat aus jeweils mindestens vierzig verschiedenen Ländern. Der Verlag, der meine Clicker-Training-Sachen vertreibt, die Sunshine Books, Inc., hat Groß- und Einzelhändler - meist sind es Einzelpersonen, die aus ihrer Faszination ein Geschäft gemacht haben - in zehn Ländern und auf vier Kontinenten. In dieser Welt der gemeinsamen Kommunikation, des Experimentierens und der Entdeckungen gibt es Gefühle heller Aufregung. So ähnlich muss es in den Anfangstagen einer Entdeckung gewesen sein: die Anfangstage des Fliegens oder des Radios, als Kinder auf entfernt gelegenen Farmen die Kisten einschalteten, um wenigstens ein entferntes Zeitsignal zu hören. Wir sind die Pioniere. Wir wissen noch nicht, wohin es letztlich führen wird. Aaron Lynch, der Autor des Buches „Thought Contagion“ zitiert aus der Kommunikationstechnik über die besondere, mit der Verbreitung einer Technik verbundene Kommunikation. Für eine schnelle Verbreitung der Technik, so sagt er, sind drei Dinge von Bedeutung: Sie muss einfach sein. Sie muss für den Nutzer sichtbare Vorteile bringen. Sie muss etwas sein, das in kleinen Schritten gelernt wer den kann. Das alles trifft auf das Clicker-Training zu. So ist es sicherlich bei den Hundebesitzern geschehen. Wenn Menschen einen auf herkömmliche Weise ausgebildeten Hund sehen, sagen sie leicht: „Das muss Jahre gedauert haben, ich könnte das nie machen.“ Oder: „So schlau ist mein Hund nie.“ Sehen sie aber einen mit Clicker trainierten Hund in
Aktion, so rufen sie aus: „Wie hast du das gemacht? Kann ich es auch tun? Zeig es mir. Las es mich versuchen.“ Im Voraus lässt sich nicht sagen, welches besondere Ereignis der Angelpunkt für eine neue Anwendergruppe sein wird. Alexandra Kurlands Pferde und ihre Kunden, die in einem großen Mietstall arbeiteten, in dem sich jeden Tag Dutzende anderer Menschen aufhielten, lernten alle möglichen neue Fertigkeiten und in außerordentlichem Tempo. Von den Zuschauern wurde dies alles so lange als „das verrückte Clicker-Zeug“ abgetan, bis sie einem Pferd das Apportieren beigebracht hatte, wie ein Hund ein Spielzeug zu holen. Plötzlich musste jeder im Stall ein Pferd haben, das apportiert. „Wie hast du das gemacht? Kann ich das auch machen?“ Alex schrieb mir kürzlich per E-Mail: „Es ist geschafft. Den Geist können wir jetzt nicht zurück in seine Flasche tun. Das wird Spaß machen.“ Ich hoffe, sie hat mit dem Geist und der Flasche recht. Ich weiß, dass sie mit dem Spaß Recht hat. Es hat immer schon Spaß gemacht. Karen Pryor
Boston, MA, U.S.A., 2. November 1998
Service Glossar Im Sinne dieses Buches liegt bei der Erklärung der Begriffe die Betonung auf Verständlichkeit, nicht auf wissenschaftlicher Genauigkeit. Auslöschung bedeutet, dass ein Verhalten, das nicht mehr bestärkt wird, so lange abgeschwächt wird, bis es völlig verschwindet. Sie wirkt am stärksten beim abrupten Stoppen einer Immerbelohnung. Auszeit ist das Entziehen der Aufmerksamkeit als Korrektur eines Fehlverhaltens, also ein abruptes Beenden einer Clicker-Übung. Belohnung ist etwas vom Menschen positiv gemeintes. Wenn das andere Lebewesen das positiv empfindet, wird sie zu einer wirksamen Bestärkung, sonst bleibt sie ohne Bedeutung, Bestärkung ist all das, was in Verbindung mit einer Handlung dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine solche Handlung wiederholt wird. Bestärkung, konditionierte erfolgt durch ursprünglich bedeutungslose, neutrale Reize, die durch verlässliche Paarung mit einem primären Bestärker Voraussagecharakter erhalten. Der konditionierte Bestärker zeigt an, dass ein primärer Bestärker folgen wird. Bestärkung, negative (besser subtraktive) nimmt etwas fort, was unangenehm ist. Man fühlt sich erleichtert, die Situation ist angenehmer geworden. Sie hat sich von unangenehm zu neutral geändert. Die Wirkung einer negativen Bestärkung auf das Lernen ist die gleiche wie bei der positiven. Die unangenehme Startsituation hat aber unerwünschte Nebenwirkungen. Bestärkung, positive (besser additive) fügt etwas Angenehmes hinzu. Die Situation oder Stimmung ändert
sich von neutral zu positiv. Positive Bestärkung ist die Grundlage des Lernens am Erfolg. Sie führt zu einer hohen Lernbereitschaft. Bestärkung, primäre Alle Reize, die einen Trainee veranlassen, ein gezeigtes Verhalten zu wiederholen. Es sind Reize, die in irgendeiner Form eine Befriedigung von Bedürfnissen herbeiführen. Man erkennt sie daran, dass sie in einer neutralen Situation ablenkend wirken (Futter, Düfte, Sozialkontakt, Spielzeug; aber auch die Möglichkeit, etwas tun zu können, was man gern tut). Bestärkung, sekundäre siehe Bestärkung, konditionierte Bestärkung, variable wird gelegentlich unvorhersehbar gegeben. Sie schützt effektiv vor Löschung des Verhaltens. Clicker Als Gegenstand ist der Clicker ein Knackfrosch. Er gibt ein typisches, sehr kurzes Geräusch von sich. Er wird als konditionierter Bestärker benutzt und erlaubt die präzise Mitteilung darüber, was bestärkt wird. Er ist eine Brücke über die Zeit zwischen dem Verdienen der Belohnung und ihrer Aushändigung. Er wirkt als Versprechen für eine Belohnung. Er ist auch eine Informationsquelle, denn er zeigt, welches Verhalten gefällt. Formen ist die eigentliche Technik der Verhaltensänderung. Aus einem Ansatzverhalten werden die kleinen Änderungen bestärkt, die in Richtung des erstrebten Verhaltes führen. Die bisherige Ausführung wird nach jeder Verbesserung zukünftig ignoriert. Jackpot Er ist ein extra großer Gewinn, ein besonders beliebter Bestärker. Das kann sich in der Menge, vor allem aber in der Qualität ausdrücken. Gibt man einen Jackpot zu einem frühen Zeitpunkt, wird er den Trainee überzeugen, dass es einen Extragewinn gibt, dass es sich lohnt, weiterzumachen. Später gibt man den Jackpot vor allem nach langen Durststrecken des Suchens und Probierens, damit keine Frustration aufkommt. Der Jackpot bestärkt die längere Konzentration auf die Lernaufgabe. Konditionierung, operante Die hinter dem Clicker stehenden Le rnbeobachtungen, die zuerst von B.F. Skinner und John Watson syste matisiert wurden. Hier ist der Trainee aktiver „Operator“, nicht nur passiver Teilnehmer. Konditionierung Die Verknüpfung von direkt für ein Tier (oder einen Trainee ganz allgemein) bedeutungsvollen Reizen, wie Futter, Beute, Sex, Wasser, Gerüche, mit neutralen Reizen, die dem Tier nichts bedeuten. Sie bekommen Bedeutung, wenn sie kurz vor dem Auftreten eines unkonditionierten Reizes wahrgenommen werden. Reiz nennt man jeglichen Sinneseindruck. Er löst oft Aktivität oder Körperreaktionen aus. Ein bewegtes Objekt veranlasst Verfolgung, ein plötzliches Geräusch eine Kopfwendung, der Geruch von Futter Speichelabsonderung. Solche bedeutungsvollen Reize nennt man „unmittelbar“ im Gegensatz zu neutralen Reizen. Reiz, konditionierter ist ein zunächst bedeutungsloser Reiz, der regelmäßig kurz vor einem bedeutungsvollen, wahrgenommen wird. Er erhält vorhersagenden Charakter und damit die gleiche „Wirkung wie der unmittelbare Reiz. Konditionierte Reize erlaubt dem Tier, sich an seine speziellen Umwelt anzupassen. Signale können Körperhaltungen, Bewegungen, Laute, Gerüche, Gegenstände sein, kurz alles, was das Lebewesen als sinnliche Reize empfängt. Sie lösen ererbte Verhaltensweisen (Instinkthandlungen) aus. Signal, konditioniertes Ein gelerntes Signal im Gegensatz zu einem angeborenen Verhaltensauslöser. Fallen Reize zeitlich überwiegend mit dem Beginn eines bestimmten Verhaltens zusammen, werden sie allmählich als
Auslöser dieses Verhaltens, als Signal, konditioniert. Da wir wollen, dass das Verhalten ausgeführt wird, nennen wir es Befehl. Wie sicher es ausgeführt wird, hängt weniger von unserem Willen ab, als vielmehr von der Konsequenz, mit der das Verhalten bestärkt, und der Genauigkeit, mit der das Signal verknüpft wurde. Signalkontrolle Ein nicht natürlich vorkommendes Verhalten ist dann unter Kontrolle gebracht, wenn es nur als Reaktion auf das konditionierte Signal und sonst nicht gezeigt wird. Timing ist die genaue zeitliche Folge von Ereignissen. Beim Formen ist es die sofortige Bestärkung des erwünschten Verhaltensdetails. Der konditionierte Bestärker ermöglicht es, diese enge zeitliche Folge einzuhalten, indem er die verzögerte primäre Bestärkung ankündigt. Bei der Signalverknüpfung bedeutet Timing, den Zeitpunkt des Reizes kurz vor die erwartete Ausführung des Verhaltens zu legen. Darum muss das Verhalten bereits häufig auftreten. Trainee Ein in der einschlägigen Literatur eingeführter Begriff für das lernende Lebewesen, also der Hund, der Mensch etc. Verhaltensketten entstehen, wenn ein Verhalten nur noch bestärkt wird, nachdem zuvor bereits ein bestimmtes anderes Verhalten ausgeführt wurde. Vorahnung Das Signal wird erwartet und das signalkontrollierte Verhalten vorweggenommen, also zu früh ausgeführt. Ein klassischer Fehlstart. Zeitfenster ist die Zeit, die man bereit ist zu warten, bis auf ein Signal eine Reaktion erfolgt. Nur wenn das Verhalten innerhalb dieses Zeitfensters auftritt, wird es bestärkt. Durch allmähliches Verkürzen wird eine prompte Ausführung erreicht.
Adressen (noch etwas ergänzt)
http://wwwex.physik.uni-ulm.de/piweb/clicker/index.htm http://www.clicker.de/ http://www.yorkie.ch/clicker/ http://www.grosse-muensterlaenderin.de/Clicker/Clickermenue1.htm
http://www.clickerreiter.de http://clicker.pferde-liebe.de http://www.bfkd.de/caro/auftritt/Pferde/Pferde.html http://de.geocities.com/unsere_hafis/clickertraining.html