Nr. 403
Der Spezialkurier In der Gewalt der Insektoiden von Horst Hoffmann
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Nr. 403
Der Spezialkurier In der Gewalt der Insektoiden von Horst Hoffmann
Nach dem Aufbruch aus dem Korsallophur-Stau kommt Atlantis-Pthor, der »Dimensionsfahrstuhl«, auf seiner vorprogrammierten Reise der Schwarzen Galaxis unaufhaltsam näher. Und es gibt nichts, was die Pthorer und Atlan, ihr König, tun könnten, um den fliegenden Weltenbrocken abzustoppen und daran zu hindern, je nen Ort zu erreichen, von dem alles Unheil ausging, das Pthor im Lauf der Zeit über ungezählte Sternenvölker brachte. Als Pthor jedoch die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht, geschieht etwas Unerwartetes. Der fliegende Kontinent kommt abrupt zum Stillstand. Atlan, nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zukommen werden, ergreift daraufhin die Flucht nach vorn. Zusammen mit Thalia und einer Gruppe von ausgesuchten Dellos fliegt er mit dem Organschiff GRIET die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an. Dabei wird Enderleins Tiegel, ein Werft und Schrottplanet, fast zur Endstation für Atlans Expedition. Doch schließlich geht es mit der HORIET, einem neuen Organ schiff, weiter zum Marktplaneten Xudon – und von da aus nach Gooderspall, denn dort befindet sich DER SPEZIALKURIER …
Der Spezialkurier
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Die Hautpersonen des Romans:
Aislander - Spezialkurier Chirmor Flogs.
Atlan - Der Arkonide fliegt den Planeten Gooderspall an.
Caahan und XanderohnHert - Atlans Begleiter bei einem gefahrvollen Unternehmen.
Xaant - Ein Krieger aus dem Volk der Terzöge.
Thalia - Die Odinstochter macht sich Sorgen um Atlan.
1. Im Reich der Terzöge Xaant trieb die Arbeiter zur Eile an. Der rote Ball der Sonne stand bereits tief. Bald würde es zu dämmern beginnen. Dann kam die Stunde des Viertöters. Die Terzöge muß ten zurück in ihrer Burg sein, bevor das Un geheuer erwachte. Xaants Fühler senkten sich auf den weichen Boden hinab. Noch re gistrierten die hochempfindlichen Sinnesor gane nichts Ungewöhnliches in der näheren Umgebung. Xaant stand am Rand der Schlucht. Die Arbeiter schienen an der ein zigen Brücke, die vom Besetzten Land zur Burg der Königin führte, zu kleben. Wer im mer kommen würde, um den Gefangenen zu befreien oder Rache zu nehmen, würde über sie gehen müssen – und sterben. Es war nur eine von vielen Fallen. Die Terzöge hatten aus den Erfahrungen mit den Besatzern gelernt. Diejenigen, die Xaant und seinem Volk große Teile seiner Welt geraubt hatten, waren mächtig und traten in vielen verschiedenen Formen auf. Xaant war ein Krieger. Sein Chitinpanzer schimmerte im Licht der untergehenden Sonne purpurrot. Er hatte von der Königin den Auftrag erhalten, dafür zu sorgen, daß die Brücke bis zum Abend so präpariert sein würde, daß sie unter dem Gewicht der er warteten Feinde zusammenbrechen würde. Doch nun mußte der Terzog erkennen, daß die Arbeit nicht bis zum Einbruch der Dun kelheit fertiggestellt werden konnte. Xaant begab sich zur silberfarbenen Kontaktschie ne im Boden und erstattete Bericht. Nur Se kunden später erhielt er die Anweisung, mit den Arbeitern in die Burg zurückzukehren. Anscheinend waren also noch keine Besat
zer auf der Suche nach dem Gefangenen. Xaant gab den Befehl zur Umkehr. Gera de als der letzte Arbeiter die Brücke verlas sen hatte, spürte der Krieger die Erschütte rungen. Der Viertöter war erwacht. Die Arbeiter richteten sich auf ihre Hin tergliedmaßen auf und schlugen mit den Fühlern aneinander. Xaant war sekunden lang wie gelähmt. Dann rannte er die Kon taktschiene entlang in Richtung der Burg. Die Arbeiter folgten ihm. Es war ein Wett lauf mit dem Tod. Falls der Viertöter sie er reichte, bevor sie in Sicherheit waren, wür den vier der Terzöge ihr Ziel nicht lebend erreichen. Xaant wurde sich der Verantwor tung bewußt, die er zu tragen hatte, und sprang zur Seite. Einer der Arbeiter blieb ne ben ihm stehen, während die anderen in Pa nik weiter flüchteten. Xaants Antennen be rührten die des anderen. Führe sie! Flieht weiter! Ich komme nach! Eine lautlose Verständigung. Der Arbeiter gehorchte. Xaant blieb allein zurück und be rührte wieder mit den Fühlern den Boden. Der Viertöter war nahe. Xaant konnte nicht feststellen, aus welcher Richtung er kam. Doch er konnte etwas anderes tun. Xaant er innerte sich daran, daß es vor nicht allzu lan ger Zeit ein paar Kriegern gelungen war, einen Viertöter zu erlegen. Er begab sich zur Kontaktschiene und gab Nachricht an die Burg. Und er erhielt Antwort. Ein Trupp Krieger war bereits unterwegs, um die Arbeiter zu schützen und Xaant zu Hilfe zu kommen. Doch bis sie bei ihm wa ren, konnte der Viertöter ihn erreicht haben. Xaant mußte ein Versteck finden. Es war schon fast dunkel. Der Himmel in Richtung der Burg war in blutrotes Licht getaucht. Der Viertöter kam näher. Das Gelände
4 war hier flach. Es gab nichts, wo Xaant sich hätte verstecken können. Xaant fuhr auf seinen sechs Beinen herum und rannte zur Schlucht zurück. Am Rand angekommen, blieb er stehen und sah sich um. Ihm blieb keine Zeit, noch einmal zur Kontaktschiene zu laufen, um die Königin zu verständigen. Wenige Dutzend Körper längen von Xaant entfernt stand der Viertö ter. Der Terzog erstarrte, als er die vier tod bringenden Gliedmaßen mit den Giftsta cheln am Kopf des Monstrums in die Höhe ragen sah. Der Körper des Viertöters war flach und rund. Auf der mächtigen Schale, aus der die vier langen Beine ragten, hätten zehn Terzöge bequem Platz finden können. Die Giftstachel zitterten, als das Ungeheuer sprang. Xaant erwachte aus seiner Starre. Geistes gegenwärtig fuhr er herum und lief den Rand der Schlucht entlang zur Brücke. Seine Behendigkeit war nun alles, was er dem Viertöter entgegenzusetzen hatte. Xaant trug keine Waffen bei sich. Dort, wo Xaant eben noch gestanden hat te, klatschte der schwere Körper des Viertö ters zu Boden. Xaant erreichte die Brücke. Er wußte, daß er in diesem Augenblick ge gen den Befehl der Königin handelte. Sollte die Brücke schon jetzt zerstört werden, stand dies im Widerspruch zu den Interessen des Staates. Aber Xaant hatte Todesangst. Er lief über die Brücke bis zu ihrer Mitte und war tete auf den Feind. Der Viertöter konnte nicht springen, ohne Gefahr zu laufen, in den Abgrund zu stür zen. Xaant hoffte inbrünstig, daß er so lange am Rand der Schlucht warten würde, bis die Krieger erschienen. Doch das Monstrum tat ihm den Gefallen nicht. Der Viertöter richtete sich in die Höhe auf. Entsetzt beobachtete Xaant, wie die lan gen Beine enger aneinander rückten und der Schild des Hauptkörpers nach oben gedrückt wurde. Der Viertöter betrat die Brücke, von der Xaant angenommen hatte, daß sie viel zu schmal für ihn sei.
Horst Hoffmann Xaant sah den Todfeind auf sich zukom men. Es gab jetzt nur noch eine Chance. Xaant kroch unter die Brücke und klammer te sich daran fest. Unter ihm war der Ab grund, über ihm der Viertöter. Wo blieben die Krieger? Schon peitschten die tentakelartigen Gliedmaßen mit den Giftstacheln durch die Luft. Xaant brauchte alle Willenskraft, um nicht die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Er dachte an all seine Artgenos sen, die dem Viertöter zum Opfer gefallen waren. Er sah Bilder des Schreckens vor sei nem geistigen Auge, und plötzlich war er ganz ruhig. Die Brücke würde das Gewicht des Vier töters nicht lange tragen. Xaant mußte ihn dazu bringen, heftige Bewegungen auszu führen. Was aus ihm wurde, war ihm in die sen Augenblicken völlig egal. Hier bot sich eine Möglichkeit, Rache zu nehmen und sei nem Volk künftige Opfer zu ersparen. Xaant hoffte, daß die Königin dies verstehen und die vorzeitige Zerstörung der Brücke akzep tieren würde. Er wartete ab, bis wieder einer der Gift stachel nach ihm peitschte, dann ruckte sein Körper wie von der Sehne geschnellt darauf zu. Die Greifzangen am Kopf bohrten sich in das Fleisch über dem Stachel. Im näch sten Augenblick glaubte Xaant, alle Gleich gewichtssinne auf einmal zu verlieren. Er wurde durchgeschüttelt und konnte sich nur mit äußerster Mühe an der Brücke festhal ten. Ein furchtbares Kreischen erfüllte die Luft – der Schmerzensschrei des Viertöters. Die Giftstachel peitschten heran. Das Mon strum auf der Brücke tobte wie besessen. Xaant kroch ein Stück zurück auf den Rand der Schlucht zu. Der Viertöter folgte ihm nicht. Er war blind und taub vor Schmerzen und Zorn. Und nun sah Xaant die Krieger im schwachen Licht der beiden am Himmel ste henden Monde. Wieder Erschütterungen. Der Viertöter fuhr herum, als ein Hagel von winzigen vergifteten Pfeilen auf ihn nieder ging. Sie konnten ihm nichts anhaben, solan ge sie auf der Körperschale landeten. Doch
Der Spezialkurier die ruckhaften Bewegungen genügten. Die Brücke brach in der Mitte auseinan der. Mit einem furchtbaren Schrei stürzte der Viertöter in den Abgrund und erlitt das Schicksal, das eigentlich den Fremden zuge dacht war, die kommen würden. Xaant klammerte sich verzweifelt fest und wartete ab, bis der Teil der Brücke, an dem er hing, zur Ruhe gekommen war. Dann kroch er zurück. Er zitterte am ganzen Kör per, als er wieder festen Boden unter sich fühlte. Xaant ging an den Kriegern vorbei zur Kontaktschiene und legte die Fühler an das Metall. Ich habe versagt, bekannte er. Es ist meine Schuld, daß die Arbeit vieler Tage umsonst war. Ich hätte nicht an mich denken dürfen. Die Antwort der Königin war anders als befürchtet. Xaants Verhaltensweise wurde gutgehei ßen. Ein Viertöter war tot. Dies bedeutete Leben für all die Terzöge, die ihm in näch ster Zeit zum Opfer gefallen wären. Und es gab noch viele Fallen, in die die Fremden von jenseits der Grenze gehen würden. Xaant schloß sich erleichtert den Kriegern an und gelangte mit ihnen zur Burg. Unter wegs kamen sie an dem vorbei, was einmal der Begleiter des wertvollen Gefangenen ge wesen war – eine bis auf die Knochen abge nagte Leiche. So sollte es allen ergehen, die sich ins Reich der Terzöge wagten. Xaant erschauer te bei dem Gedanken. Er wußte, daß sein Volk zum Untergang verurteilt war, sollte es den Besatzern gelingen, die letzten Bastio nen zu erobern. Jene, die jenseits der Grenze in den Metropolen und im Land der Besatzer lebten, zählten für Xaant nicht mehr. Sie hatten kapituliert – abgesehen von den weni gen, die im Untergrund arbeiteten. Dennoch widerstrebte ihm die Gewalt, zu der die Terzöge sich gezwungen sahen, um zu überleben. Xaant meinte, daß man noch einmal versuchen sollte, eine friedliche Eini gung zu erzielen. Doch weshalb machte er sich eigentlich
5 Gedanken? Die Fallen und die Krieger wür den dafür sorgen, daß kein Fremder jemals mehr ins Reich der Terzöge gelangen konnte – zumindest nicht auf dem Landweg. Aus dem Himmel anzugreifen, würden sie nicht wagen, denn sie würden das Leben des Ge fangenen aufs Spiel setzen, der so wertvoll für sie zu sein schien. Xaant vertraute auf die Weisheit der Kö nigin. Sie würde wissen, was sie anordnete. Eine Frage jedoch ließ den Terzog nicht los. Was bedeutete den Fremden, die vom Himmel gekommen waren, das Sekret? Weshalb hatten sie einen Staat nach dem an deren zugrunde gerichtet, nur um an den be gehrten Stoff zu kommen, ohne den die Ter zöge auf die Dauer nicht leben konnten?
2. An Bord der HORIET Atlan stand mit ausdruckslosem Gesicht vor einem der Bildschirme in der Zentrale. Thalia war bei ihm und hatte eine Hand auf seinen Arm gelegt. Ebenso wie der Arkoni de spürte sie die bedrückende Aura, die von der Schwarzen Galaxis ausging, und das ob wohl das gekaperte Organschiff sich nach wie vor weit in den Außenbezirken dieses mysteriösen Sternennebels befand. Sie trieb zwischen den hier weit auseinanderstehen den Sonnen. Jene, die bis vor kurzem ihre Besatzung gestellt hatten und durch die Del los abgelöst worden waren, sollten sich für einen neuen Auftrag bereithalten. Noch wußte man also nicht, wer sich wirklich an Bord befand und auf dem Planeten Xudon eingegriffen hatte. »Ich weiß, was du denkst«, sagte Thalia. »Aber wir sollten nichts überstürzen, Atlan. Wir sind fremd hier und wissen so gut wie nichts über die hiesigen Verhältnisse. Der geringste Fehler, und wir …« Sie hatten Pthor, das in einer der zahlrei chen vorgelagerten Mikrogalaxien festhing, verlassen, um möglichst viel über die Schwarze Galaxis und deren Beherrscher
6 aus findig zu machen. Doch alles, was sie bisher erfahren konnten, war, daß es irgendwo im Zentrum der Schwarzen Galaxis einen »Dunklen Oheim« gab, dessen soge nannte Neffen ganze Sternreviere beherrsch ten. Ihnen unterstanden Hilfsvölker und Raumflotten. Das war aber auch schon alles, was Atlan und Thalia wußten. Die Neffen erhielten ihre Befehle vom Dunklen Oheim. Wer oder was das war, darüber konnte es nicht einmal Vermutungen geben. Atlan war entschlossen, das Geheimnis zu lösen, aber dazu mußte er tiefer in die Schwarze Galaxis vordringen, und der Weg dorthin schien nur über die Neffen des Geheimnisvollen zu führen. Der Dunkle Oheim mußte die Wurzel al len Übels sein – und damit verantwortlich für all die Grausamkeiten, die durch Pthor und vielleicht weitere Dimensionsfahrstühle verübt worden waren. Atlan dachte an Bronniter-Vang, die le bende Galionsfigur der HORIET. Ebenso wie die anderen Galionsfiguren, ohne die die Organschiffe zwischen den Sternen der Schwarzen Galaxis offenbar nicht manö vrierfähig waren, war das blaue Quallenwe sen mit den vielen Tentakeln nicht nur an ein Lebenserhaltungssystem angeschlossen, sondern auf komplizierte Weise mit den technischen Anlagen des Schiffes verbun den. Und der Arkonide dachte an die er wachten Schläfer aus der Senke der verlore nen Seelen, denen das gleiche grausame Schicksal zugedacht war. Zugedacht vom Dunklen Oheim und sei nen Helfershelfern. Nein, Atlan dachte nicht daran, tatenlos abzuwarten. Irgend etwas mußte er unternehmen. Der Neffe, der diesen Raumsektor, das so genannte Marantroner-Revier, beherrschte, wurde Chirmor Flog genannt. Sein Sitz war der Planet Säggallo. Dies hatte Atlan auf Xudon erfahren. Über Säggallo selbst war nichts in Erfahrung zu bringen gewesen – ebensowenig über Chirmor Flog. Doch es mußte einen Weg geben, an diesen Neffen – was immer sich hinter dem Begriff verbarg
Horst Hoffmann – zu gelangen. »Vielleicht sollten wir nach Pthor zurück kehren«, flüsterte Thalia. »Ich habe Angst um meine Brüder.« »Du denkst, daß Pthor inzwischen besetzt sein könnte?« Thalia gab keine Antwort. »Wir könnten nichts ausrichten, bevor wir nicht wissen, was hier vorgeht.« »Du bildest dir ein, einen wunden Punkt finden zu können.« Thalia schüttelte den Kopf. »Du beginnst vermessen zu werden, Atlan. Wir haben es mit Gewalten zu tun, gegen die wir nicht ankommen können.« »Ich habe niemals kapituliert.« Stille. Die Dellos hielten sich im Hinter grund der Zentrale. Einige waren an Elektro den und geheimnisvolle Geräte angeschlos sen, über die die Steueranweisungen Bronni ter-Vangs auf telepathischmechanischer Ba sis empfangen konnten. Nur Fälser, der Kommandant der Dello-Gruppe, befand sich bei Atlan und Thalia. Während Atlan seinen Gedanken nach hing, empfing Branor, einer von Fälsers drei Stellvertretern, einen von Bronniter-Vang aufgefangenen Funkspruch. »Ein anderes Organschiff, die KOLNYR, befindet sich im Anflug auf einen Planeten namens Gooderspall«, berichtete der Dello. »Dort soll es einen Spezialkurier Chirmor Flogs abholen und zu einer Welt bringen, die anscheinend nur dem Kurier bekannt ist. Aus dem Funkspruch geht hervor, daß der Kurier Aislander heißt.« Atlan wurde hellhörig. Spezialkurier? »Von wo stammte der Spruch?« fragte der Arkonide. Branor schloß sich wieder an die Elektro den an und schloß die Augen. Als er sich er hob, erklärte er: »Bronniter-Vang gibt an, daß es sich um eine dringliche Anweisung an den Komman danten der KOLNYR handelte, die über eine Relaiskette abgestrahlt wurde.« »Position der KOLNYR, Branor!« Wenig später hatte der Arkonide, was er wissen wollte. »Du wirst doch nicht etwa vorhaben,
Der Spezialkurier
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die KOLNYR zu kapern?« fragte Thalia ent setzt. »Wir werden sie nicht kapern. Wir werden die KOLNYR sein.« Atlan rief ei nem Dello etwas zu. Sekunden später er schienen einige Reflexe auf dem Bildschirm. »Wir sind näher an Gooderspall als die KOLNYR. Auf Gooderspall befindet sich ein Spezialkurier des Neffen. Was immer dessen Aufgabe ist – es muß sich um etwas Wichtiges handeln. Viel leicht erfahren wir von diesem Aislander etwas über Chirmor Flog, vielleicht sogar die Position von Säg gallo. Ich gehe davon aus, daß die Organ schiffe alle gleich schnell fliegen können. Dann haben wir etwa einen Tag Vorsprung vor der KOLNYR. Wir werden an ihrer Stel le auf Gooderspall landen.« »Und den Kurier entführen?« Thalia blickte den Arkoniden aus großen Augen an. »Weißt du, worauf du dich da einläßt?« »Allerdings. Ich wußte, worauf ich mich einließ, als ich mit der HORIET aufbrach.« »Ich habe Angst«, murmelte Thalia. Atlan ging darauf nicht ein. »Kurs Gooderspall, Fälser«, sagte er. »Bronniter-Vang soll einen Funkspruch ab setzen, gebündelt, so daß er von der KOLNYR nicht aufgefangen werden kann. Er soll vorgeben, daß die HORIET anstelle der KOLNYR unterwegs sei, um Aislander abzuholen. Alle weiteren Erklärungen nach der Landung.« Fälser bestätigte. Minuten später war die HORIET auf dem Weg.
* Gooderspall war der mittlere dreier Plane ten, die eine rote Sonne umliefen. Von Bronniter-Vang erfuhr Atlan auch, daß man diese Sonne und ihre Planeten unter den raumfahrenden Völkern dieses Raumsektors das »Branora-System« nannte. Was immer der Arkonide vorzufinden er wartet hatte – Gooderspall machte nicht den Eindruck, als ob diese Welt irgend etwas Besonderes aufzuweisen hätte: ein kleiner Sauerstoffplanet, etwas größer als der Mars.
Keine Raumstationen waren zu orten, als die HORIET die Bahn des dritten Planeten über querte, keine Raumschiffe im Weltraum – nichts. Branor bat über Funk um Landeer laubnis auf Gooderspall. Atlan runzelte die Stirn, als die HORIET bis auf etwa 500.000 Kilometer an Gooder spall heran war. Er gab den Befehl, das Or ganschiff zum Stillstand zu bringen und zu warten, bis endlich eine Antwort auf den Funkspruch kam. Er konnte sich nicht dar auf verlassen, daß man auch hier einem Or ganschiff mit dem gleichen Respekt, der gleichen Furcht begegnete wie auf Xudon. Eine unscheinbare Welt, ein Geheimkurier des Neffen Chirmor Flog, der sich bestimmt nicht zu einem Urlaub hier aufhielt – was steckte dahinter? Atlan begann zu ahnen, daß mehr auf dem Spiel stand, als nur Ais lander in seine Gewalt zu bringen. Der Arkonide blickte Branor fragend an. »Noch immer nichts«, erklärte der Dello. »Aber Bronniter-Vang hat den Raumhafen ausfindig gemacht, obwohl die Energieent wicklung dort unten sehr schwach ist.« »Das nützt uns nichts. Bronniter-Vang soll den Spruch im Abstand von fünf Minu ten wiederholen, bis wir Antwort haben. Sollten sich unsere Freunde nach Ablauf ei ner Stunde immer noch nicht gemeldet ha ben, versuchen wir die Landung.« Atlan fragte sich, über welche Bewaff nung die Planetarier verfügten und ob sie davon Gebrauch machen würden. Konnten sie es wagen, Abwehrfeuer auf ein Organ schiff des Neffen zu eröffnen? Oder hatten sie am Ende sogar schon den Befehl dazu? Ein Tag Vorsprung vor der KOLNYR. Wer befand sich an Bord? Atlan zuckte mit grimmiger Miene die Schultern. Alles würde darauf ankommen, daß die HORIET vor der Ankunft des wirklichen Kurierschiffs von Gooderspall verschwunden war. »Kontakt!« rief Branor plötzlich. »Sie melden sich. Sie fragen Bronniter-Vang, wa rum die HORIET gekommen ist und nicht die KOLNYR.« Atlan fluchte. Er hatte gehofft, daß man
8 diese und andere Fragen erst nach erfolgter Landung gestellt hätte. »Er soll ihnen ant worten, daß die KOLNYR Ärger mit ihrer Galionsfigur gehabt habe«, flüsterte Thalia dem Arkoniden zu. »Und falls die Bodensta tion in Kontakt mit der KOLNYR steht?« »Dann können wir nur noch zusehen, daß wir so schnell wie möglich aus diesem Raumsektor verschwinden.« »Gut.« Atlan sagte Branor, was Bronni ter-Vang zu antworten hätte. Nun begann das Warten. Endlos erscheinende Minuten vergingen, bis Branor endlich aufatmete. »Wir haben die Landeerlaubnis. Es sieht so aus, als ob man unsere Geschichte glau ben würde.« »Es sieht so aus …«, murmelte Atlan. Die HORIET nahm erneut Fahrt auf. Der Raumhafen befand sich auf dem größten der vier Kontinente. Je tiefer das Organschiff, einem Leitstrahl folgend, in die Atmosphäre eintauchte, desto besser konnte Atlan nun Einzelheiten auf der Planetenoberfläche aus machen. Es gab große Waldgebiete, Seen, Flüsse, ausgedehnte Ebenen und kleine Ge birge, doch was sofort ins Auge fiel, waren die unterschiedlich großen Gebilde, die alle an riesige Ameisenhügel erinnerten. Sie wa ren lose in die Landschaft hineingebaut, und es gab keinen Zweifel daran, daß sie künstli che Behausungen waren. Zwischen vielen von ihnen verliefen Straßen, oft ein regel rechtes Netz bildend. Dann gab es noch schimmernde dünne Linien, die durch das Land führten. Eine Eingeborenenzivilisation, dachte der Arkonide. Keine Rasse, die die Raumfahrt betrieb, würde solche vergleichsweise primi tiven Gebäude errichten. Anders sah es über dem Raumhafen aus. Er und die ihn umge benden Gebäudekomplexe waren zweifellos von Fremden errichtet worden, Hilfsvölker des Neffen. Dennoch wirkte auch hier alles zu primi tiv, und erneut stellte Atlan sich die Frage, was ein Spezialkurier hier suchen mochte. Die Kontrollgebäude wirkten verfallen. Überall auf dem Landefeld standen Geräte
Horst Hoffmann und Container herum, so daß es ohne die Einweisung schwergefallen wäre, einen si cheren Landeplatz zu finden. Doch schließ lich setzte die HORIET sanft auf. Es wurde still im Schiff. »Ich gehe mit dir«, sagte Thalia, als Atlan seinen aus den Beibooten der FESTUNG stammenden Raumanzug anlegte. Der Arkonide machte erst gar nicht den Versuch, die Odinstochter von ihrem Vorha ben abzubringen. Wenn sie sich einmal et was in den Kopf gesetzt hatte, führte sie es auch durch. Er gab Fälser einige Anweisungen für den Fall, daß Thalia und er oder die HORIET angegriffen würden, dann verließen die bei den das Schiff. Atlan deutete auf das am nächsten gelegene Gebäude, einen schlanken Turm, der über Rampen und meterdicke Röhren mit den an deren verbunden war. Eine Gruppe untersetzter breitschultriger Wesen kam auf Atlan und Thalia zu. Als sie bis auf etwa dreißig Meter heran waren, flü sterte Thalia: »Noots! Sie scheinen sich auf allen be wohnten Welten dieses Reviers breitge macht zu haben.« »Oder wurden stationiert«, gab Atlan ebenso leise zurück. Die Falthelme der Raumanzüge waren nicht geschlossen. Die Luft hier auf Gooderspall war atembar. Der Hauptgrund, weshalb Atlan den Anzug an gelegt hatte, war der, daß man ihn nicht im Goldenen Vlies sehen sollte. »Sehr begei stert scheinen sie nicht von uns zu sein.« Tatsächlich wirkte die Begrüßung ausge sprochen mürrisch. Atlan versuchte, in den Froschgesichtern der Echsenabkömmlinge zu lesen, und gab es schnell wieder auf. Die Gesichter der etwa eineinhalb Meter großen, in feste Lederkleidung gehüllten Wesen wa ren starr. Atlan erwiderte den »Gruß« mit der glei chen Herzlichkeit wie der Sprecher seiner Gegenüber. Noch einmal wurde er gefragt, warum die KOLNYR nicht erschienen sei, und wieder gab er geduldig die bekannte
Der Spezialkurier Antwort. Man wollte Einzelheiten wissen. Immer wieder wurden neue Fragen an die Ankömmlinge gestellt, und Atlan antwortete so gut wie eben möglich. Dabei steigerte sich sein Respekt vor dem Spezialkurier Aislan der. Was auch immer Aislander auf dieser scheinbar unbedeutenden Welt suchte – es mußte ungeheuer wichtig für den Nef fen sein. Wozu sonst die übertriebene Vor sicht der Noots? Ein Organschiff war gelan det, um den Kurier abzuholen. Atlan erin nerte sich an die ungläubigen Gesichter der Herrscher von Xudon, als er von der Kape rung der HORIET berichtet hatte. Für die »Marktsumme« war dies unvorstellbar ge wesen. Weshalb dann das Mißtrauen der Noots? Atlan ergriff die Initiative, als man ihn und Thalia ins Kontrollgebäude geführt hatte. »Wir sollen Aislander abholen und so schnell wie möglich zu Chirmor Flog brin gen. Es eilt sehr. Benachrichtigt den Spezial kurier, falls dies nicht längst geschehen ist. Wir erwarteten, Aislander auf dem Raumha fen zu finden. Offensichtlich seid ihr euch nicht ganz im klaren darüber, was es für euch bedeutet, den Befehlen des Neffen des Dunklen Oheims zuwiderzuhandeln oder sie zu sabotieren.« Atlan registrierte zufrieden, wie einige der Noots zusammenzuckten. Er schlug in die Kerbe. »Und jede Verzögerung bedeutet Sa botage. Bringt den Spezialkurier, oder ich werde über euer Verhalten ausführlich be richten.« Die Worte des Arkoniden verfehlten ihre Wirkung nicht. Atlan erkannte, daß es nicht nur Mißtrauen war, daß man ihm entgegen gebracht hatte, sondern in erster Linie Angst vor der Strafe. Darüber hinaus gewann er den Eindruck, daß die Noots hier auf Goo derspall nur widerwillig Dienst taten. »Der Spezialkurier wäre hier und abflug bereit, wenn wir ihn hätten erreichen kön nen«, sagte der Sprecher der Noots. »Das ist nicht möglich. Aislander hat seinen Ausflug vor sechzehn Planetentagen angetreten und ist noch nicht zurück.«
9 Der Arkonide wechselte einen schnellen Blick mit Thalia. Eine Welt schien zusam menzustürzen. Aislander irgendwo unter wegs auf Gooderspall – und die KOLNYR im Anflug. »Dann müssen wir ihn holen. Wo befindet er sich?« »Das weiß niemand«, kam die Antwort. »Der Spezialkurier des Neffen hätte vor drei Planetentagen zurück sein müssen. Er …« Der Noot sog Luft in seine Lungen. Der Oberkörper blähte sich auf. »Er ist verschol len.« Bevor Atlan etwas sagen konnte, be teuerte der Echsenabkömmling: »Es ist nicht unsere Schuld! Wir gaben ihm den besten Kundschafter mit, der noch in unseren Reihen war.« Atlan ballte die Fäuste voller Enttäu schung. Er hatte das Gefühl, in einer Sack gasse gelandet zu sein. Kein Aislander, kei ne Informationen, aber dafür die KOLNYR im Nacken, die mit jeder Minute näher kam. »Du hättest dich nicht auf dieses wahnsin nige Spiel einlassen sollen«, flüsterte Thalia in Pthora, was ihr einen mißtrauischen Blick des Noot-Sprechers einbrachte. Auf den Welten der Schwarzen Galaxis wurde eine Einheitssprache gesprochen – das Garva-Gu va. In dieser Sprache fragte Atlan weiter: »Aislander muß ein Ziel gehabt haben? Wozu überhaupt dieser ›Ausflug‹?« »Auch darüber wissen wir nichts. Der Spezialkurier gab keine diesbezüglichen Auskünfte. Aber seine Reise muß mit sei nem Auftrag zusammengehangen haben.« »Wohin?« Atlan war nahe daran, die Ge duld zu verlieren. Eine weitere Drohung mit der Rache des Neffen genügte, um den Noot zum Reden zu bringen. »Er ist in Begleitung des Kundschafters Tynamon-Derr ins Land der Eingeborenen aufgebrochen. Sie benutzten ein schnelles Raupenfahrzeug und hätten, wie gesagt, vor drei Tagen zurück sein müssen.« »Eingeborene?« Atlan fielen die ameisen hügelähnlichen Gebäude ein. »Ja«, sagte der Noot. »Ins Reich der Ter
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zöge.« Das Echsenwesen machte eine Pause, dann fügte es hinzu: »Wir haben ihn ge warnt, aber Aislander wollte nicht auf uns hören. Ich vermute, daß er mit den Terzögen verhandeln wollte.« Das war das letzte, was aus dem Noot über Aislander herauszubringen war. »Und nun?« fragte Thalia. »Welche Wahl haben wir noch? Wir wer den ihn suchen müssen.« Noch einmal stell te Atlan eine Frage: »Ihr habt Angst vor den Eingeborenen?« »Hier sind wir vor ihnen sicher«, antwor tete der Noot-Sprecher. »Aber niemand, der bei Sinnen ist, wagt sich in ihr Reich hin ein.«
* Knapp eine Stunde später war Atlan allen Warnungen der Noots zum Trotz in einem zweiten schnellen Raupenfahrzeug unter wegs, um Aislanders Spur zu finden. In sei ner Begleitung befand sich neben Caahan, einem der Dellos, ein Noot namens Xande rohn-Hert, ebenfalls ein Kundschafter, aber von Angst vor den insektoiden Ureinwoh nern Gooderspalls erfüllt. Außerdem war es mit seiner Ortskundigkeit nicht allzu weit her, wie der Arkonide bald feststellen muß te. Die Stadt um den Raumhafen herum war ein einziger Alptraum. Gebäude waren ein fach nebeneinander gesetzt worden. Richtige Straßen gab es kaum. In den Vororten und den Depots am Rand der Stadt bot sich ein noch chaotischeres Bild. Atlan seufzte, als das Fahrzeug endlich freies Gelände erreich te und lehnte sich im Sitz neben dem Noot zurück. Fast alle fünf Minuten hielt Xande rohn-Hert das Raupenfahrzeug an und sah sich um. Bereits vier Stunden waren mittlerweile seit der Landung der HORIET verstrichen. Atlan dachte an Thalia und die Dellos an Bord. Diesmal hatte die Odinstochter nicht darauf bestanden, Atlan zu begleiten. Er hat te ihr klarmachen können, daß sie an Bord der HORIET dringender gebraucht wurde,
falls er nicht rechtzeitig zurück sein und die KOLNYR am Himmel über dem Planeten erscheinen sollte. Die Dellos stellten eine Truppe dar, auf die er sich verlassen konnte, aber sie waren eben doch nur Androiden – und nur in begrenztem Umfang in der Lage, in Konfliktsituationen spontan die richtigen Entscheidungen zu treffen. Atlan sah Caahan unauffällig an, während das Fahrzeug sich den Weg zwischen eini gen Büschen hindurch bahnte, um über diese Abkürzung wieder auf einen Pfad zu kom men. Das Gesicht des Dellos war ausdrucks los. »Berichte mir über diese Terzöge«, for derte Atlan den Noot auf. »Ich will alles über sie wissen. Was hat es mit ihrem ›Reich‹ auf sich?« »Es beginnt in den Wäldern im Westen«, erklärte der Noot mürrisch. Atlan rechnete damit, daß er ihm früher oder später Schwierigkeiten machen würde. Die Angst vor den Terzögen mußte fast so groß sein wie die vor dem Neffen und seinen Vollstreckern. Je weiter das Fahrzeug sich von der Stadt entfernte, je seltener ein Bau werk der Noots zu sehen war, desto nervöser wurde Xanderohn-Hert. »Bevor Gooderspall erstmals von Raum schiffen angeflogen wurde, gehörte der gan ze Planet den Bestien. Niemand weiß genau, wann diese ersten Landungen erfolgten, aber es muß zu furchtbaren Kämpfen gekommen sein.« Der Noot redete wie ein Wasserfall, ohne die Landschaft links und rechts der Straße einen Moment aus den Augen zu lassen. Of fensichtlich brauchte er ein Ventil für seine Angst. »Allmählich gelang es, die Terzöge zu rückzutreiben. Sie flohen und ließen ihre Hügel im Stich. Wir verbrannten sie alle mit Flammenwerfern, um sicher zu sein, nicht eines Tages von einer ausgeschlüpften neuen Brut überfallen zu werden.« »Die Terzöge sind also Insektoiden?« »So groß wie ihr«, bestätigte XanderohnHert. Als er die Eingeborenen beschrieb,
Der Spezialkurier entstand vor Atlans geistigem Auge das Bild von riesigen Termiten. »Sie leben zu Tau senden in ihren Hügeln. Die Biester sind in telligent, aber es ist schwer, sich mit ihnen zu verständigen.« »Keine Möglichkeit?« Atlan sah Caahan überrascht an. »Es hat noch nie Kontakt mit ihnen gegeben? Ich denke, Aislander wollte mit ihnen verhandeln? Dann muß er …« »Wir können uns schon begreiflich ma chen.« Der Noot griff mit der freien Hand neben den Sitz und hielt eine kleine Peitsche zwischen den drei Krallenfingern in die Hö he. »Hiermit. Wenn wir mit einer Schockpeit sche in bestimmten Abständen gegen ihre Fühler schlagen, begreifen sie, was wir von ihnen wollen.« Der Noot gab ein krächzendes Geräusch von sich. »Allerdings muß man erst einmal lebend an sie herankommen. Mit Verständigung meinte ich eben, daß sie eine von der unse ren völlig verschiedene Denkweise haben. Sie sind intelligent, aber … nun, anders als wir. Doch was kümmert das mich. Ich bin froh, wenn ich diesen Wahnsinn lebend überstehe. Irgendwann kommt unsere Ablö sung. Niemand von uns wird sich nach Goo derspall zurücksehnen. Hast du dir's nicht noch einmal überlegt?« Die letzten Worte waren hastig hervorge stoßen. »Noch können wir umkehren!« »Nein!« Das kurze Aufflackern in Xande rohn-Herts Augen entging weder Atlan noch Caahan. Der Arkonide nickte Caahan zu, als der Noot wieder einmal den Himmel ab suchte. Was erwartete er? Einen Angriff aus der Luft? Jedenfalls rückte Caahan etwas nä her an ihn heran. Von nun an würde der Del lo jede Bewegung des Fahrers registrieren. Das Fahrzeug verfügte nur über eine unter teilte Sitzbank. Der hintere Teil bestand aus einer Ladefläche und dem Antriebsaggregat. Xanderohn-Hert saß in der Mitte, Atlan links und Caahan rechts von ihm. Das Gelände war eben, von einem Wald
11 noch keine Spur. Zur Linken waren einige Hügel zu sehen. Die Straße war ein ins Gras und Buschwerk gewalzter Pfad. Es war un schwer zu erkennen, daß sie so gut wie nie befahren wurde. Unwillkürlich begann auch Atlan, den Himmel zu beobachten. »Warum habt ihr nie versucht, zu einer Einigung mit den Eingeborenen zu kom men?« »Vielleicht ist es früher einmal versucht worden, aber dann hatte es keinen Sinn. Sie hocken in ihren Hügeln jenseits der Grenze und warten nur darauf, uns von Gooderspall vertreiben zu können.« Wieder der Blick zum Himmel. »Dann sind ihre … ihre Festungen unein nehmbar? Ihr habt Gleiter und Raumschiffe. Warum greift ihr nicht aus der Luft an?« »Du bist fremd hier, das merkt man. Wir, beziehungsweise die hier vor uns stationier ten Besatzungen haben es versucht, aber alle Gleiter wurden zerstört, bevor sie die Gren ze überhaupt erreichten. Die Terzöge sind nicht alle gleich. Einige von ihnen können fliegen, und sie stürzen sich wie lebende Ge schosse auf unsere Gleiter. Sie haben ganze Armeen! Und sie lauern auf uns! Wir müs sen zurück!« »Wir fahren weiter!« Atlan stieß einen Fluch aus. »Warum setzt ihr eure Raum schiffe nicht gegen sie ein? Ihr könntet ihre Behausungen vom Weltraum aus zerstören.« Ein Gedanke, der Atlan einen Schauer über den Rücken jagte. Er fragte sich, ob er selbst jemals in der Lage gewesen wäre, einen solchen Befehl zu geben – einen Be fehl, der das Ende einer Zivilisation bedeutet hätte, der man ihre eigene Welt, wenn auch nur zum Teil, weggenommen hatte. »Das dürfen wir nicht«, zischte Xande rohnHert. »Die Hügel jenseits der Grenze sind tabu.« »Aber viele wurden verbrannt.« »Befehl des Neffen Chirmor Flog«, zisch te der Noot trotzig. »Wenn es nach uns gin ge …« »Anhalten!« befahl Atlan. »Aber wieso? Kehren wir um?«
12 »Du sollst anhalten!« Das Fahrzeug stoppte. Atlan sprang auf den Weg und untersuchte die »Straße« selbst und das Gelände zu beiden Seiten, während Caahan den Noot im Auge behielt. »Es müßten Spuren von Aislanders Fahr zeug zu finden sein«, sagte der Arkonide, als er zurückkam. »Auch wenn er schon vor sechzehn Tagen aufbrach. Der Boden ist weich, aber es hat während der letzten Wo chen keine nennenswerten Niederschläge gegeben. Warum finde ich keine Spuren?« »Es ist ein ungeschriebenes Gesetz auf Gooderspall, daß niemals jemand den Weg benutzt, den vorher ein anderer genommen hat«, entgegnete Xanderohn-Hert. Er wollte etwas hinzufügen, aber Atlan hatte ihn schon an seinem Lederwams gepackt und aus dem Sitz gerissen. »Nun höre gut zu, Freund!« schrie er den Noot an. »Allmählich habe ich genug von deinen Mätzchen. Wir fahren weiter, bis wir Aislander gefunden haben. Wenn du nicht mit uns kommen willst, bleibst du hier. Ich will Aislander finden! Du bringst uns auf den Weg, den auch er genommen hat!« »Aber das bedeutet Selbstmord! Die Ter zöge kennen seinen Weg und haben ihre Fallen aufgestellt! Du kennst sie nicht! Sie sind …« »Schluß mit dem Gejammere!« Atlan stieß den Noot von sich und machte Anstal ten, auf die dreigeteilte Sitzbank zu steigen. »Du wirst mich nicht zurücklassen!« schrie Xanderohn-Hert in Panik. »Sie wer den mich …« »Ich denke, sie haben sich bis hinter die Grenze, hinter die Wälder im Westen zurück gezogen?« fragte Atlan sarkastisch, während er vor den Kontrollen Platz nahm. »Dann hast du nichts zu befürchten.« »Sie sind auch hier!« beteuerte der Noot. In der hellblauen Schuppenhaut bildeten sich feine Risse, aus denen eine zähe Flüs sigkeit drang. »Sie haben ihre Agenten unter den Überläufern, die mit uns kooperieren! Du darfst mich nicht allein zurücklassen. Sie werden kommen und mich …« Der Noot
Horst Hoffmann beugte sich vornüber und begann zu würgen. Seine Angst mußte unvorstellbar sein. Xan derohnHert zitterte am ganzen Leib, als At lan ihm half, sich aufzurichten. »Wir lassen dich nicht zurück, Freund. Nicht, wenn du uns jetzt alles sagst. Wer sind die ›Überläufer‹ und diese Agenten? Welchen Weg hat Aislander genommen?« Eine Stunde später hatte das Raupenfahr zeug einen Hügel überquert und eine zweite Fahrspur erreicht. Hier waren die Abdrücke von Raupenketten sofort zu erkennen. Atlan befahl Xanderohn-Hert anzuhalten, als nach weiteren dreißig Minuten eine mannshohe Gestalt den Weg versperrte. Der Noot sagte aus, daß es sich um einen der zu den »Besatzern« übergelaufenen Terzog handele. Dennoch zitterte er wieder vor Angst. Früher oder später, das wußte der Arkoni de, würde er das Fahrzeug selbst steuern und Aislanders Spur folgen müssen. »Die Schockpeitsche«, sagte er. »Nimm sie und steige aus. Ich muß wissen, ob Ais lander hier gesehen worden ist und wann.« »Ich bin nur ein schlechter Redner«, be teuerte der Zitternde. »Die Terzöge trom meln ihre Antworten auf den Boden. Es ist sehr schwierig, aus dem Rhythmus …« »Caahan«, rief Atlan dem Dello zu. »Mach dich bereit. Wir fahren allein wei ter.« »Nicht!« XanderohnHerts Stimme war schrill. »Ich frage ihn!«
* Zuulk blickte dem Fahrzeug nach, als es sich von ihm entfernte und hinter einer Baumgruppe verschwand. Zuulk war nicht der Überläufer, für den er sich ausgab. Er haßte diese Verräter, die mit den Besatzern gemeinsame Sache machten. Und er hatte kein Mitleid mit ihnen. Der Preis für den Verrat war hoch. Auf Dauer konnten sie außerhalb einer Staatengemein schaft nicht existieren. So kam es, daß es nur noch sehr wenige von ihnen gab.
Der Spezialkurier
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Auch Zuulk war allein, doch er hatte nie den Kontakt verloren. Auch jetzt, als er durch das Buschwerk bis zu einer freien Stelle im ansonsten mit Gras dicht bewachsenen Boden kroch, spür te er wieder jene Erregung, die ihn immer wieder überkam, wenn er kurz vor dem Kontakt stand. Seine Vordergliedmaßen kratzten die Er de auf, bis das schimmernde Metall der Kontaktschiene zum Vorschein kam. Kurz darauf lagen Zuulks Fühler darauf. Er ver sank in einer Welt voller Geborgenheit, als er seiner Königin jenseits der Grenze Be richt erstattete. Als Zuulk die Schiene wieder zuscharrte, war er wie neugeboren. Neue Kraft erfüllte ihn. Die Königin war zufrieden. Die Feinde würden in die präparierten Fallen gehen und umkommen. Zuulk sehnte den Tag herbei, an dem der alles entscheidende Angriff auf das Besetzte Land und den Ort erfolgen würde, wo die glühenden Sterne der Besetzer niedergingen. Wann dieser Tag kommen würde, das ent schied allein die Königin. Es würde ein letz tes verzweifeltes Aufbegehren des versklav ten und vertriebenen Volkes der Terzöge sein. Es würde Opfer geben. Der Gedanke quälte Zuulk. Aber sein Freiheitswille war unbändig. Er konnte in den Besatzern nur die un barmherzigen Feinde sehen, die die Burgen niedergebrannt und die Brut vernichtet hat ten. Zuulk konnte nichts von den Hinter gründen ahnen, von den Zwängen, denen auch die Fremden aus dem Himmel unter worfen waren.
3. Im Weltraum – an Bord der KOLNYR Das Organschiff, das den Befehl erhalten hatte, den Spezialkurier Aislander vom Pla neten Gooderspall abzuholen und zu einer anderen, nur dem Kurier bekannten Welt zu transportieren, näherte sich mit Überlichtge
schwindigkeit dem Branora-System und Gooderspall, wo ein Mann namens Atlan sich bange fragte, ob es nicht jeden Augen blick zum Funkkontakt zwischen dem Or ganschiff und Gooderspall kommen und sein Schwindel auffliegen würde. Atlans Be fürchtung war überflüssig. Zum ersten wähnte der Kommandant der KOLNYR sich sicher. Er wußte nichts von Atlans Streich, und hätte es ihm jemand gesagt, so hätte er diesen für verrückt erklärt. Niemand wagte es, den Neffen Chirmor Flog oder einen an deren Machthaber innerhalb der Schwarzen Galaxis so zu provozieren. Allein der Ge danke daran war Frevel. Der zweite Grund war weitaus schwerwiegender. Kalaman, die Galionsfigur der KOLNYR, war vor kurzer Zeit in eine todesähnliche Starre verfallen. Insofern gewann Atlans Be hauptung, die KOLNYR habe Ärger mit ih rer Galionsfigur, eine höchst makabre Be deutung. Kalaman war gerade noch in der Lage, mittels mechanischtelepathischer Kommunikation, die von seiner Seite aus nur unterbewußt erfolgte, die KOLNYR synchron mit dem Kommandanten zu steu ern. Es wäre nicht das erstemal gewesen, daß eine lebende Galionsfigur unter den großen Belastungen, die ihre unmenschliche Aufga be mit sich brachte, zusammengebrochen wäre. Immer wieder kam es zu solchen Zwi schenfällen. Organschiffe, die weite Strecken zu bewältigen hatten, hatten des halb oftmals eine zweite Galionsfigur zur Reserve in Tiefkühlbehältern an Bord. Nicht so auf der KOLNYR. Staah'Col, der Kommandant der KOLNYR, nahm also an, daß Kalaman die sen Verschleißprozeß durchgemacht hatte und sobald wie möglich ausgetauscht wer den mußte. Für Staah'Col zählte nur, daß die KOLNYR ihr Ziel zur vorausbestimmten Zeit erreichte. Und noch funktionierte die Steuerung. Er unterlag einem folgenschweren Irrtum. Kalaman, ein Wesen, das mit bloßem Au ge nur vage zu erkennen war, war krank. Die
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Strahlung einer Doppelsonne, die das Schiff passiert hatte, hatte verhängnisvoll auf das Wesen eingewirkt, das jedem Betrachter, der nicht von seiner Art war, wie eine ver schwommene, ovale Scheibe mit etlichen tentakelförmigen Extremitäten erscheinen mußte. Was wie Todesstarre auf die Besatzung des Schiffes wirkte, war nichts anderes als der allmähliche Auflösungsprozeß der Gali onsfigur. Ununterbrochen lösten sich mikro skopisch kleine Partikeln von ihrem Körper, und diese Partikeln drangen in die KOLNYR ein. Sie entwickelten ein Eigenle ben. Als sie die Zentrale erreichten, wurden sie von den Eda'Elcors, wie sich die unter setzten, buckligen Hominiden an Bord nann ten, eingeatmet. Die Eda'Elcors trugen keine Raumanzüge. Sie wirkten wie Gestalten aus einem Alptraum. Der Körper war fast völlig mit schwarzem Pelz bedeckt, wobei der Kopf keine Ausnahme bildete. Unter den zotteligen schwarzen Haaren glühten rote Augen. Ein Mund war nicht erkennbar. Schlanke lange Arme reichten bis auf den Boden hinab. Kalaman starb langsam, doch auch die Besatzung der KOLNYR trug den Keim des Todes bereits in sich, ohne es zu ahnen. Und die KOLNYR näherte sich unauf haltsam ihrem Ziel. Sie würde es erreichen, denn solange der Partikelschwund Kalamans Gehirn nicht erreicht hatte, würde Kalaman leben und seine Pflichten als Galionsfigur, wenn auch nur noch in begrenztem Umfang, erfüllen können. So nahm das Verhängnis seinen Fortgang. Die KOLNYR raste im Überlichtflug auf Gooderspall zu. Noch Stunden bis zur Lan dung. Selbst wenn Staah'Col gewußt hätte, was er ins BranoraSystem trug – er hätte den Flug nicht unterbrochen. Denn die Angst vor der Strafe für ein Versagen war übermäch tig.
4. Auf dem Todespfad
Xanderohn-Hert bot ein Bild des Jam mers. Atlan bekam Mitleid mit dem Noot. Das Wesen hatte einfach Angst, und Atlan konnte es ihm nicht mehr verdenken, nach dem er den Terzog gesehen hatte. Caahan beobachtete den Noot weiter, während der Arkonide zusah, wie Xanderohn die Kon trollen bediente. Manchmal brauchte dieser ein paar Anläufe, um diese oder jene Schal tung vorzunehmen. In ihren Städten, im Schutz ihrer Waffen auf den Spitzen der Kontrolltürme, von wo aus sie ein weites Gebiet beherrschten, fühl ten die Noots sich in Sicherheit. Hier war das anders. Atlan konnte sich in XanderohnHert hineinversetzen. Er mußte das Gefühl haben, alle Brücken hinter sich abgebrochen zu haben. Hinzu kam, daß nicht nur Aislan der verschollen war, sondern auch Tyna mon-Derr, der beste Kundschafter der Noots. Xanderohn-Hert mußte annehmen, daß dieser im Reich der Terzöge sein Ende gefunden hatte, falls er und der Spezialkuri er überhaupt bis dorthin vorgedrungen wa ren. Die Fahrt ging weiter über Hügel und durch dichtes Unterholz. Die »Straße« war weitgehend von beiden Seiten zugewachsen. Nur abgebrochene Zweige zeugten davon, daß hier vor kurzem jemand gefahren war. Die Gegend schien völlig verlassen. Dann und wann tauchten Terzöge auf, die alle die blaue Markierung der Überläufer an den Vordergliedmaßen trugen, die ihnen von den Noots unauslöschlich eingebrannt worden war. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen brach eine regelrechte Streit macht der Noots von der Stadt aus auf, um das von ihnen beherrschte Gelände nach freien Terzögen zu durchkämmen, die einge sickert waren. Wer nicht die blaue Markie rung trug, starb im Feuer der Flammenwer fer. Die Markierung bestand nicht einfach nur aus Farbe. Die Substanz gab eine Strah lung von sich, die es unmöglich machte, daß freie Terzöge von jenseits der Grenze sich mit Farbe tarnten, um sich als angebliche Überläufer der Stadt nähern zu können.
Der Spezialkurier So dachten die Noots. In Wirklichkeit gab es mehr als hundert Terzog-Agenten im Besetzten Land, die es verstanden hatten, die Markierungssubstanz von ihren gestorbenen übergelaufenen Art genossen abzulösen und sich selbst anzuhef ten. Zuulk war nur einer von ihnen. Die Kö nigin der Terzöge jenseits der Schlucht im größten Insektenstaat wußte über alle Schrit te der Noots Bescheid. Ein Netz von Kon taktschienen zog sich durch das Erdreich. Mehr als die Hälfte aller vermeintlichen Überläufer, denen Atlan, Xanderohn-Hert und Caahan auf ihrer Fahrt begegneten, wa ren in Wirklichkeit freie Terzöge. Dutzende von Augenpaaren beobachteten das Raupenfahrzeug, als es der untergehen den Sonne entgegenfuhr. Atlan wurde immer nervöser. Wie Xande rohn-Hert suchte er immer wieder den Him mel nach fliegenden Terzögen ab, obwohl er mit einiger Mühe aus dem Noot herausge bracht hatte, daß sie nicht einmal die Hälfte der Strecke bis zur Grenze zurückgelegt hat ten, als es zu dämmern begann. Bald würde es Nacht sein. Zwar verfügte das Fahrzeug über starke Scheinwerfer, aber Atlan be zweifelte, daß diese eine große Hilfe sein würden, sobald das unübersichtliche Gelän de begann. Ein See, hatte Xanderohn-Hert erklärt, dann erste Wälder, dann schließlich die Grenze zum Terzog-Reich. Was hinter die ser Grenze lag, davon wußte der Noot nichts zu berichten. Von allen Kundschaftern, die jemals ins Reich der Insektoiden eingedrun gen waren, war Tynamon-Derr als einziger wieder zurückgekehrt. Immerhin hatte Atlan erfahren können, daß Aislander nicht der erste Spezialkurier des Neffen Chirmor Flog gewesen war, der auf Gooderspall landete und zu den Einge borenen reiste, um angeblich mit ihnen zu verhandeln. Dies und der Umstand, daß es den Noots verboten war, die Bauten der Ter zöge vom Weltraum aus anzugreifen, was alle Probleme gelöst hätte, bereitete ihm Kopfzerbrechen.
15 Was steckte wirklich hinter Aislanders Mission? Wieso waren die »Ameisenhügel« so wertvoll für Chirmor Flog? Es war schon dunkel, als das Fahrzeug den See erreichte. Der in die Landschaft ge walzte Pfad führte an seinem Ufer vorbei. »Ich fahre nicht weiter!« schrie Xande rohn-Hert plötzlich. Mit einem Ruck, der Atlan und den Dello Caahan fast aus den Sitzen schleuderte, kam das Raupenfahrzeug zum Stehen. »Was soll das?« »Sie kommen in der Nacht! Die Agenten! Es ist lange her, daß wir den letzten Ver nichtungsfeldzug führten. Ich will zurück! Ich will nicht sterben wie …« Der Noot war aufgesprungen und auf die Ladefläche geklettert. Er ließ sich über den Rand der Fläche auf den weichen Boden gleiten und stieß im nächsten Augenblick einen markerschütternden Schrei aus. Se kunden später war Atlan bei ihm. Xande rohn-Hert zitterte. Die Klauenhand des Noots deutete auf etwas im Gras, dann sank er wie leblos in sich zusammen. »Behalte die Gegend im Auge«, rief Atlan dem Dello zu. Dann streifte er das Gras an der Stelle, auf die Xanderohn-Hert gezeigt hatte, zur Seite. Ein eiskalter Schauer überlief den Ar koniden, als er das Skelett sah. Dies waren ohne Zweifel die Überweste eines Noots. Die Knochen schimmerten weißlich. Sie wa ren vollkommen abgenagt. Atlan mußte ge gen die aufkommende Übelkeit ankämpfen, als er sich bückte, um einen Fetzen des wie mit feinen Scheren in Stücke geschnittenen Leders neben dem Skelett aufzuheben. Er rüttelte Xanderohn-Hert an den Schultern. »Sieh es dir an. Kennst du es? Gehörte es Tynamon-Derr?« Der Noot öffnete die Augen. Er war nicht mehr in der Lage, eine Antwort zu geben. Als er den Fetzen sah, kippte er erneut hin tenüber zu Boden. »Er ist ohnmächtig«, stellte Caahan fest. Atlan nickte nur. Die Reaktion des Noots hatte ihm genug gesagt. Tynamon-Derr. Der beste Kundschafter der Noots – und der ein
16 zige, der jemals aus dem Reich der Terzöge zurückgekehrt war. Tot. Atlan nahm einen Scheinwerfer aus dem Raupenfahrzeug und suchte die Umgebung ab. Er fand eine nie dergewalzte Stelle. Hier hatte sich das Fahr zeug Aislanders um die eigene Achse ge dreht, um nach Westen weiterzufahren. Der Spezialkurier hatte die Fahrt allein fortge setzt. »Und was nun?« fragte der Dello. »Wir werden die Nacht hier verbringen«, entschied Atlan. »Dann werden wir wohl oder übel Aislanders Spur folgen müssen.« Er deutete auf den bewußtlosen Noot. »Xanderohn-Hert wird uns keine große Hil fe mehr sein. Nur gut, daß ich ihn bei der Handhabung der Kontrollen beobachtete.« »Aber wir verlieren wertvolle Zeit!« pro testierte Caahan. »Ich weiß«, sagte Atlan. »Aber wir wür den so oder so nicht mehr rechtzeitig mit Aislander bei der HORIET sein. Vielleicht werden Tage vergehen, bis wir zurück sind. Aislander befindet sich irgendwo vor uns. Wir haben zuviel riskiert, um nun ohne ihn zurückzufahren. Ich werde ihn finden.« »Und wenn er tot ist?« Der Arkonide gab keine Antwort. Als er sich auf dem Sitz vor den Kontrollen zusam menkauerte, dachte er an Thalia und die HORIET. Bald würde die KOLNYR über Gooderspall erscheinen. Hatte er sich wirk lich einbilden können, den seit Tagen über fälligen Spezialkurier zu finden, bevor die KOLNYR eintraf? Atlan vertraute Thalia. Sie hatte in man chen Situationen bewiesen, wozu sie fähig war. Aber würde sie die Noots auf dem Raumhafen tatsächlich hinhalten können, wenn der Kommandant der KOLNYR sich meldete und sich möglicherweise legitimie ren konnte? Zu viele Gedanken. Atlan wußte nur ei nes. Er war einem Geheimnis auf der Spur. Es gab kein Zurück mehr. Der Arkonide be trachtete den bewußtlosen Xanderohn-Hert und fragte sich, was ihn und Caahan jenseits der Grenze zum Reich der Terzöge erwarte-
Horst Hoffmann te. Er erhielt nur wenige Minuten später einen Vorgeschmack davon. Caahan stieß einen erstickten Schrei aus und schlug sich die Hände vor die Augen. Jahrtausendelange Erfahrung zahlte sich aus, ein Instinkt, der Atlan vor Gefahren warnte, ehe er wirklich erkannte, was auf ihn zukam. Der Arkonide warf sich hinter die Sitzbank, als er das glühende Etwas sah, das auf ihn zuschoß. Im nächsten Augen blick ging ein Ruck durch das Fahrzeug. At lan wurde in die Höhe geschleudert und ließ sich über die Ladefläche rollen, bis er auf dem weichen Boden neben dem Fahrzeug landete. Er sah ein grelles Licht über sich und begann zu rennen, bis er das Ufer des Sees erreichte. Kopfüber stürzte der Arkoni de sich ins Wasser. Völlige Dunkelheit. At lan hielt die Luft an. Er tauchte immer tiefer, nur von dem Gedanken beseelt, dem Ding, was wie ein Geschoß auf das Fahrzeug ge prallt war und sofort darauf seine Verfol gung aufgenommen hatte, zu entgehen. In diesen Momenten setzte der Verstand des Arkoniden aus. Der Extrasinn hämmerte seine Impulse, doch Atlan war außerstande, sie wahrzunehmen. Immer weiter! Atlan drehte sich im kalten Wasser um und sah et was Glühendes, das ihn verfolgte. Was auch immer da vom Himmel gestürzt war, es war immer noch hinter ihm her. Wieder wand der Arkonide sich und schwamm unter Was ser weiter. Er spürte, wie ihm die Luft aus zugehen drohte. Lange konnte er nicht mehr tauchen. Ein paar kräftige Schwimmzüge, dann sah er sich wieder um. Das Leuchten war noch da, doch nun viel schwächer, ob wohl sich die Entfernung zwischen Atlan und dem Objekt nicht wesentlich verändert hatte. Dann plötzlich war es völlig dunkel. Atlan tauchte auf und sog Luft in die Lun gen. Das Ufer war mehr als fünfzig Meter entfernt. Caahan hatte das Fahrzeug gedreht und die Scheinwerfer eingeschaltet. Also hatte auch er die Handhabung der Kontrollen stu diert.
Der Spezialkurier »Abblenden!« schrie der Arkonide und preßte eine Hand vor die Augen. Sofort re duzierte sich die Lichtstärke der Scheinwer fer auf ein Glimmen – gerade ausreichend, um Atlan den toten Körper erkennen zu las sen, der nur wenige Meter von ihm entfernt auftauchte. Atlan war nicht einmal überrascht, als er sah, worum es sich bei dem »Geschoß« han delte. Er umfaßte ein Bein des Terzogs und schwamm an Land, den Insektoiden hinter sich herziehend. »Hilf mir!« forderte er Caahan auf. Zu sammen zogen sie die Leiche an Land. Atlan nickte grimmig, als er die feinen, fast trans parenten Flügel sah, die nun am Hinterleib des Terzogs klebten. »Ihre Luftwaffe«, stellte er fest, während er sich die Haare in den Nacken strich. »Unser tapferer Kundschafter sagte ja, daß es Exemplare gibt, die die Gleiter der Noots in der Luft rammen. Dies war ein erster Willkommensgruß, Caahan.« Der Dello schwieg. »Du kannst also auch mit dem Ding um gehen.« Atlan deutete auf das Raupenfahr zeug. »Gut. Wir werden uns abwechseln. Wir brechen auf, sobald es zu dämmern be ginnt.« »Falls wir die Nacht überleben.« »Ich glaube nicht, daß dem Flieger weite re folgen werden. Noch befinden wir uns nicht im eigentlichen Reich der Insektoiden. Es muß sich um einen Einzelgänger gehan delt haben, einen von denen, die XanderohnHert als Agenten bezeichnete. Nur gut, daß der Noot ohnmächtig ist. Ich bezweifle, daß er den Schock überlebt hätte.« Atlan bestieg das Fahrzeug. Ein Teil der Sitzbank war zerstört. Die Polsterung war vollkommen aufgerissen. »Hauptsache, daß die Kontrollen unbe schädigt sind«, murmelte der Arkonide. Er schaltete die Scheinwerfer wieder auf volle Leistung. »Das ist Leichtsinn«, sagte Caahan. »So machen wir sie nur auf uns aufmerksam.« »Sie wissen ganz genau, wo wir stecken.
17 War es kein Leichtsinn, als du deine Festbe leuchtung veranstaltetest?« »Ich wollte dir helfen. Ich …« »Du hast richtig gehandelt.« Atlan lächelte plötzlich trotz der Situati on, in der er sich befand. Drei ungleiche Partner, einer davon vor Angst gelähmt und ohne Bewußtsein, der zweite ein Spezialand roide, und er selbst ein König fern von sei ner Welt – ein Mann, der nicht einmal genau wußte, was er eigentlich suchte. Nach vier Stunden ohne Zwischenfall bra chen sie auf. Die Kettenspuren von Aislan ders Fahrzeug waren deutlich zu erkennen. Aislander war ohne Kundschafter weiter gefahren. Dies konnte nur eines bedeuten. Der Spezialkurier kannte sein Ziel. Er hat te genau gewußt, welchen Weg er einzu schlagen hatte. Das aber ließ vermuten, daß Aislander schon mindestens einmal zuvor bei den Terzögen gewesen war. Von nun an ging die Fahrt durch Busch werk und hohes Gras, zwischen Hügeln hin durch und durch Schluchten. Gegen Mittag befand sich das Fahrzeug in einer solchen Schlucht. Zu beiden Seiten ragten die Felswände etwa hundert Meter in die Höhe. Xanderohn-Hert lag immer noch ohne Bewußtsein auf der Ladefläche. Atlan spürte Gefahr. Sein von den Noots erhalte ner Strahler lag griffbereit neben ihm. Auch Caahan hatte die Waffe in der Hand. Atlan hatte befohlen, nur dann zu schießen, wenn es unvermeidlich war. Vielleicht gelang das unmöglich Erscheinende – den Terzögen durch Verzicht auf Gewalt klarzumachen, daß er und seine Begleiter nicht als Aggres soren kamen. Das Ende der Schlucht war fast erreicht, als Caahan einen Schrei ausstieß und nach oben zeigte. Wieder reagierte Atlan instink tiv. Das Fahrzeug kam abrupt zum Halten. Im nächsten Augenblick ging eine Steinla wine wenige Meter davor nieder. »Sie hätten uns zerschmettert, wenn du nicht …« Atlan brachte den Dello mit einer Geste zum Schweigen. »Dort oben stehen sie – auf beiden Seiten.
18 Nimm du die rechte. Wir heizen ihnen ein, aber töten sie nicht. Ein paar Schüsse auf den Rand der Schlucht sollten genügen. Vor allem die Steine!« Mehrere Terzöge, deren Oberkörper zwischen weiteren Felsblöcken zu erkennen waren, die bereits bewegt wur den. Atlan zielte kurz und schoß. Der glutro te Strahl ließ einige der Brocken schmelzen. Dampf zischte in die Luft, als das Moos, das einen Teil der Felswände unterhalb der Stel lungen der Terzöge bedeckte, verbrannt wurde. Augenblicklich verschwanden die Insek toiden. »Feuere weiter!« zischte Atlan dem Dello zu. »Ich versuche durchzubrechen!« Die Ketten des Fahrzeugs griffen in die Geröllhalde der Steinlawine. Nach drei An läufen gelang es Atlan, sie zu überwinden. Er und Caahan wurden hart durchgeschüt telt, als das Fahrzeug sich seinen Weg bahn te und sich dabei steil aufrichtete. Xande rohn-Hert auf der Ladefläche wäre längst am Boden gelandet, hätte Caahan ihn nicht mit einer Hand festgehalten. »Nun nichts wie weg!« Atlan beschleunigte mit Höchstwerten. Das Fahrzeug machte einen Satz nach vorne und schoß förmlich aus der Schlucht heraus. Ein Pfeilhagel ging neben, vor und hinter ihm nieder. Wie durch ein Wunder wurde es selbst nicht getroffen. Dann endlich erreich te es offenes Gelände. Nach zwei Kilometern hielt Atlan an. Er fluchte. Der Boden war immer noch steinig, und Atlan hatte keine Zeit gehabt, ihn genau zu beobachten. Er hatte Aislanders Spur ver loren. »Dort vorne«, sagte Caahan. Der Wald. Er erstreckte sich über den ganzen Horizont. Dies war die Grenze. Genau ein Tag war seit der Landung ver gangen, als Atlan den Wald durchquert hatte und das Reich der Terzöge vor sich sah. Es hatte keine weiteren Hinterhalte mehr gege ben. Warum das so war, wurde dem Arkoni den spätestens dann klar, als er die Insektoi-
Horst Hoffmann den in der Ferne kommen sah. Es mußten Tausende sein. Wie ein Teppich schoben sie sich auf das Waldgebiet zu und walzten alles nieder, was ihnen in den Weg kam. »Wir hätten wissen müssen, daß wir keine Chance haben«, sagte Caahan. Atlan schwieg. Seine Finger umklammer ten den Griff der Strahlwaffe. Zwei Männer gegen eine Armee, die keine Gnade kannte. Niemand brauchte Atlan zu sagen, wie seine Chancen standen. Die eigentlichen Herren von Gooderspall kamen näher – unaufhaltsam. Es gab keine Möglichkeit, ihnen auszuweichen, nicht ein mal Umkehr. Sie waren schneller als das Fahrzeug.
5. Der Raumhafen und die KOLNYR »Anruf!« meldete der Dello Branor an den Funkkontrollen der HORIET. »Der Oberbefehlshaber der Noots will mit dem Kommandanten der HORIET, beziehungs weise dessen Stellvertreter reden.« Thalia wechselte einen schnellen Blick mit Fälser. Bisher hatte dieser Oberbefehls haber sich im Hintergrund gehalten und die Kommunikation seinen Offizieren überlas sen. Was ließ ihn nun diese Zurückhaltung aufgeben? Bronniter-Vang gab die Antwort. Er teilte mit, daß er einen Funkspruch aus dem Welt raum aufgefangen hatte – von der KOLNYR. Deren Kommandant bat um Lan deerlaubnis, um Aislander abzuholen. Thalia stand wie versteinert in der Zentra le. Jeden Augenblick hatte sie mit dem Auf tauchen der angeblich verhinderten KOLNYR gerechnet. Ein Tag war vergan gen, seitdem Atlan aufgebrochen war. Doch nun, als die Orter der HORIET das sich schnell nähernde Raumschiff einfingen, war all das, was sie sich zurechtgelegt hatte, um die Noots hinzuhalten und die Landung des zweiten Organschiffs zu verhindern, wie weggeblasen. »Irgend etwas stimmt nicht mit der
Der Spezialkurier KOLNYR«, war Bronniter-Vang aus den Lautsprechern zu vernehmen. »Ihr Kom mandant, ein gewisser Staah'Col, gibt auf die Fragen der Noots reichlich verworrene Auskünfte.« Natürlich! dachte Thalia. Die Noots woll ten wissen, was hinter der merkwürdigen Geschichte steckte. Noch mochten sie glau ben, daß die HORIET tatsächlich hier war, um im Auftrag des Neffen den Spezialkurier abzuholen. Thalia mußte mit ihrem Oberbe fehlshaber reden, und zwar schnell. »Eine Verbindung!« rief sie Branor zu. Fälser stand neben ihr. Es gab Thalia ein ge wisses Gefühl der Beruhigung, ihn jetzt bei sich zu wissen. »Verbindung hergestellt!« Auf einem kleineren Bildschirm erschien das Gesicht des Oberbefehlshabers. Er begann ohne Um schweife nach der Legitimation der HO RIET-Besatzung zu fragen und nannte sei nen Namen: Kynomon-Morl. Thalia mußte aufs Ganze gehen. Sie er griff die Flucht nach vorn und fauchte den Noot in gespielter Entrüstung an: »Sie wagen es, die Legitimation von je mandem zu verlangen, der im Auftrag eines Neffen des Dunklen Oheims auf Ihrer Welt gelandet ist? Ausgerechnet Sie, die die Ver antwortung dafür tragen, daß der Spezialku rier Aislander verschollen ist?« Sie winkte barsch ab, als Kynomon-Morl zu einer Ent gegnung ansetzen wollte. »Jetzt rede ich! Sie werden sich zu verantworten haben, falls Aislander durch Ihre Schuld etwas zugesto ßen ist. Offenbar wissen Sie nicht einmal, welche Bedeutung die Mission des Spezial kuriers für den Neffen Chirmor Flog hat.« Thalia ignorierte Fälsers warnenden Blick. Sie mußte den Noot aus der Reserve locken, ihm solche Angst vor Strafe einja gen, daß er keine Lust mehr verspürte, dem Kommandanten der KOLNYR zu glauben. Natürlich bluffte sie, als sie den Anschein zu erwecken versuchte, über Aislanders Auf trag informiert zu sein, doch dieser Bluff verfehlte seine Wirkung nicht. Zumindest schien es so, als der Noot bei
19 de Klauenhände hob und die Handflächen gegeneinanderpreßte, offenbar als Zeichen der Unterwürfigkeit oder um Thalia zu be schwichtigen. »Ich zweifelte keinen Augenblick an Ih ren nach der Landung gemachten Aussa gen«, erklärte der Echsenabkömmling. »Aber versuchen Sie sich in meine Lage zu versetzen. Zuerst heißt es, daß die KOLNYR manövrierunfähig sei, weil die Galionsfigur nicht in Ordnung ist, dann jedoch fliegt sie plötzlich ins System ein und bittet um Lan deerlaubnis.« Die Odinstochter stand mit unbewegtem Gesicht vor dem Bildschirm. »Sie werden der KOLNYR keine Lande erlaubnis geben. Die Tatsache, daß sie nun doch im Branora-System erschienen ist, kann nur eines bedeuten. Die Hilferufe, die sie nach dem angeblichen Ausfall ihrer Gali onsfigur abstrahlte und die der Grund dafür waren, daß wir an ihrer Stelle hierher beor dert wurden, waren ein Betrug. Die Galions figur war entweder wirklich ausgefallen, was die Verzögerung ihrer Ankunft erklärt, oder ihr Ausfall wurde nur vorgetäuscht, was nur Teil eines großangelegten Betrugs manövers sein kann. Ich persönlich glaube, daß es an Bord zu einer Meuterei gekommen ist und daß die Meuterer den Spezialkurier in ihre Gewalt bringen wollen, um den Nef fen zu erpressen.« Thalia ging so nahe an den Bildschirm heran, daß Kynomon-Morl sie in Übergröße auf seinem Schirm sehen mußte. Thalia hat te sich in eine Erregung hineingeredet, die sie nun tatsächlich fast übers Ziel hinaus schießen ließ. »Ich verlange, daß Sie alles tun, um die Verräter unschädlich zu machen. Verhindern Sie eine Landung und lassen Sie Schiffe starten, um die KOLNYR an der Flucht zu hindern. Oder wollen Sie über Ihr Verschul den am noch unbekannten Schicksal Aislan ders hinaus noch zum Komplizen von Verrä tern werden?« »Eine beeindruckende Rede«, flüsterte Fälser auf Pthora, während der Noot mit ei
20 ner Antwort zögerte. »Aber Branor hat re gen Funkverkehr zwischen den Noots und dem Kommandanten der KOLNYR ange messen. Dieser Kynomon-Morl ist ein Schauspieler. Er geht nur zum Schein auf die Vorwürfe ein.« Die nächsten Worte des Oberbefehlsha bers gaben die Bestätigung. »Der Kommandant der KOLNYR bestrei tet, jemals einen Hilferuf abgegeben zu ha ben. Es handelt sich bei ihm um Staah'Col, der bereits in früheren Jahren Spezialkuriere des Neffen von Gooderspall abholte. An sei ner Loyalität kann kein Zweifel bestehen. Betrachten Sie sich als unsere Gefangenen. Verlassen Sie Ihr Schiff und leisten Sie kei nen Widerstand. Die KOLNYR wird Sie an Bord nehmen und zusammen mit dem Spe zialkurier Aislander von Gooderspall fort bringen.« Thalia war wie vom Schlag getroffen. Fälser nahm einige Schaltungen vor. Ein Monitor nach dem anderen erhellte sich. Die Bildschirme zeigten verschiedene Aus schnitte des Raumhafens. Überall erschienen gepanzerte und mit Strahlkanonen ausgerüs tete Fahrzeuge. »Sie sind verrückt!« entfuhr es der Odins tochter. »Sie machen sich zum Komplizen von …« Thalia schwieg, als sie merkte, daß sie sich wiederholte. Fieberhaft dachte sie nach. Was konnte sie tun? Wenn nur Atlan jetzt an Bord wäre. Widerstand war zweck los. »Wir sollten zum Schein kapitulieren«, schlug Fälser, wieder auf Pthora, vor. »Später wird sich eine Gelegenheit ergeben, die Entwicklung zu unseren Gunsten zu be einflussen. Die KOLNYR kann nicht star ten, bevor Aislander zurück ist. Und falls Aislander überhaupt jemals wieder auf taucht, dann wird er mit Atlan kommen. Er kann zu unserem Trumpf werden.« Thalia blickte den Dello skeptisch an. Wer garantierte, daß die KOLNYR nicht selbst Kundschafter aussandte? Wer garantierte dafür, daß Atlan noch lebte?
Horst Hoffmann Ein Gedanke, der Thalia zittern ließ. »Also gut«, flüsterte sie und atmete tief durch. »Wir leisten keinen Widerstand und fügen uns – vorerst.« »Noch nicht«, meldete sich BronniterVang in diesem Augenblick. »Fragen Sie Kynomon-Morl nach der Galionsfigur der KOLNYR. Er soll die Frage an den Kom mandanten der KOLNYR weiterleiten.« »Aber wozu? Wir haben gespielt und ver loren.« »Fragen Sie Kynomon-Morl, ob Staah'Col bestätigen kann, daß die Galionsfigur der KOLNYR noch lebt.«
* Thalia versprach sich nichts von Bronni ter-Vangs Vorschlag. Doch was hatte sie zu verlieren? So stellte sie die Frage. »Was wollen Sie damit erreichen?« kam es mürrisch von KynomonMorl. »Begreifen Sie endlich, daß Sie überführt sind.« Thalia wußte selbst nicht, was die Gali onsfigur der HORIET bezweckte, doch die Art, wie der Oberbefehlshaber der Noots auf Gooderspall sich gebärdete, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Sie sagte trotzig: »Wir ergeben uns sofort, wenn Sie uns den Beweis dafür erbringen können, daß die Galionsfigur der KOLNYR lebt und gesund ist. Sollten Sie uns die Antwort verweigern, sprengen wir die HORIET und uns selbst in die Luft.« Sarkastisch fügte die Odinstochter hinzu: »Wie Ihr Raumhafen dann aussehen wird, können Sie sich vorstellen.« Der Noot schwieg wieder. Thalia wußte nicht einmal, ob sie im Sinne BronniterVangs gesprochen hatte. Sie handelte nach ihrem Gefühl. Und es schien so, als ob sie – zumindest vorläufig – Erfolg hätte. Die Panzerfahrzeuge kamen zum Still stand. Allerdings war dies nur als Zeichen dafür zu werten, daß Kynomon-Morl die Drohung ernst nahm. Immer noch schwieg der Noot auf dem Bildschirm. Dann und wann sah er zur Seite, als ob er Nachricht von seinen Mitarbeitern erhielt. Als er sich
Der Spezialkurier wieder an Thalia wandte, sagte er: »Kommandant Staah'Col sieht keine Ver anlassung, die Frage zu beantworten. Die KOLNYR ist in unser System gelangt. Dies allein ist seiner und meiner Ansicht nach Beweis genug für die Unsinnigkeit Ihrer Frage und Behauptungen.« »Er soll mich hören«, drang BronniterVangs Stimme aus den Lautsprechern der Zentrale, wo sie von den Mikrophonen auf gefangen wurde, so daß der Noot ebenso wie die Dellos und Thalia vernehmen konnte, was die Galionsfigur zu sagen hatte: »Die Galionsfigur der KOLNYR ist tot. Ich empfing die letzten Impulse des Sterbenden. Sein Name war Kalaman. Seine Kräfte reichten gerade noch aus, um die KOLNYR in dieses System zu steuern. Kalaman war lange krank und sein Körper in der Auflö sung begriffen. Er warnte mich vor der Be satzung des Schiffes. Auch diese ist erkrankt und auf dem Weg in den Wahnsinn. Sie muß unschädlich gemacht werden.« »Das ist doch Unsinn!« entfuhr es dem Noot. »Dann lassen Sie die Galionsfigur der KOLNYR zu sich reden!« Fälser stand breit beinig neben Thalia. »Falls sie mit dem An flugmanöver auf Gooderspall nicht überfor dert ist.« Thalia erwachte aus der Starre, die sie be fallen hatte. Die Lage geriet immer mehr au ßer Kontrolle. Thalia kam sich wie eine Sta tistin in einem Spiel vor, dessen Regeln sie nicht begriff. Tatsächlich hatte die KOLNYR genau in dem Augenblick Fahrt aufgenommen, in dem Bronniter-Vang für alle vernehmbar vom Tod der Galionsfigur des Schiffes gesprochen hatte. Auch an Bord der KOLNYR mußte man den Funkverkehr mitgehört haben. Die Re aktion des Organschiffs war eindeutig. »Haben Sie der KOLNYR Landegeneh migung erteilt?« fragte Thalia hastig. Kynomon-Morl antwortete nicht. Weitere Noots erschienen neben ihm und redeten heftig gestikulierend auf ihn ein. Dann er losch der Bildschirm. Thalia begriff kaum noch etwas. Die
21 KOLNYR setzte zu einer Gewaltlandung an. Die Art und Weise, wie sich der Anflug vollzog, jagte Thalia einen Schauer über den Rücken. »Die Besatzung ist erkrankt, das Schiff verseucht«, war Bronniter-Vang zu verneh men. »Eine Landung auf Gooderspall muß unter allen Umständen verhindert werden. Die Folgen wären unabsehbar.« Mit kreidebleichem Gesicht sagte Thalia: »Dann bleibt uns nur noch eines. Macht die Bordgeschütze klar.« Noch während sie sprach, jagten zwei schlanke Raumschiffe der KOLNYR entge gen. Fasziniert beobachteten die Dellos und Thalia, wie sie die oberen Schichten der At mosphäre erreichten. Überall in den Kontrolltürmen des Raum hafens und der Stadt saßen Noots ebenso ge bannt vor den Bildschirmen. Sie sahen, wie die beiden Schiffe und die KOLNYR sich näher kamen, und sie sahen die beiden Ex plosionen. Es waren keine unbemannten Abfang schiffe gewesen, sondern Raumer mit Noots an Bord, die den wahnsinnigen Sturzflug der KOLNYR stoppen und sich davon überzeu gen sollten, ob der Bug des Organschiffes mit einer lebenden Galionsfigur besetzt war. Sekunden nach den Explosionen war überall dort, wo sich auf Gooderspall auf Empfang geschaltete Funkanlagen befanden, die Stimme des Kommandanten zu hören. Staah'Col stellte ein Ultimatum.
6. Im Reich der Terzöge Das Fahrzeug war zum Stillstand gekom men. Wie eine Wand aus smaragdgrün schimmernden Panzern schoben sich die Terzöge näher. »Nicht schießen«, zischte Atlan dem Del lo zu. »Warte noch.« »Sie werden nichts von uns übrig lassen, nichts außer Knochen«, flüsterte Caahan. »Warte!« Atlan legte die freie Hand auf den Arm des Androiden. »Sieh sie dir an!
22 Sie ändern ihre Marschrichtung und …« At lan schüttelte ungläubig den Kopf. »Es sieht so aus, als ob sie sich zu einer Prozession formierten …« Tatsächlich kamen die Insektoiden nicht näher. Die lebende Wand stand sekunden lang wenige Dutzend Meter vor den Ein dringlingen. Dann bewegte sie sich in nörd licher Richtung weiter. Die Terzöge hatten sich so gedreht, daß die Fühler eines jeden jeweils den Hinterleib desjenigen berührten, der vor ihm ging. Wie ein schimmerndes Band aus Hunderten von Leibern zog sich die Prozession hin, bis der letzte Eingebore ne in Sicht kam. Minuten später war nichts mehr von ihnen zu sehen. »Sie haben nicht einmal Notiz von uns genommen!« entfuhr es Caahan. »Sie wissen genau, daß wir hier sind.« Atlan zermarterte sich das Gehirn dar über, was hinter dem Manöver der Terzöge steckte. Irgendeine Teufelei – der Gedanke lag na he. Jede Flucht wäre sinnlos gewesen. Die Insektoiden hätten ihn, Caahan und Xande rohn-Hert innerhalb von Sekunden töten können, was bisher alle Terzöge, denen die drei ungleichen Männer begegnet waren, versucht hatten – mit Ausnahme der Über läufer. Es war kaum anzunehmen, daß die Ureinwohner Gooderspalls ganz plötzlich ihre Absichten geändert hatten. Vielleicht waren sie sich ihrer Beute so sicher, daß die eben vorbeigezogene Kolonne ihrer eigentli chen Aufgabe nachgehen konnte, ohne sich um die Eindringlinge zu kümmern. Ihrer eigentlichen Aufgabe … Insektenstaaten, Auf gabenteilung – Krieger, Arbeiter, Königin nen. Atlan war aufgefallen, daß der am Ende der Kolonne marschierende Terzog einen leicht rötlich schimmernden Panzer besaß und eine Art Speer in den Vordergliedmaßen getragen hatte – im Gegensatz zu allen ande ren. Handelte es sich also um Arbeiter, die sich nicht um ihn und seine beiden Begleiter zu kümmern hatten? Aber der Krieger, falls es sich um einen solchen handelte – warum
Horst Hoffmann hatte er nicht angegriffen? Sicher marschier te er zum Schutz der Arbeiter mit. Ein unbe stimmtes Gefühl der Gefahr überkam den Arkoniden – einer Gefahr nicht unbedingt für sich und seine Begleiter, sondern für den von den Noots besetzten Teil des Planeten. Plötzlich wußte er, woran ihn die seltsame Prozession erinnerte. Er konnte das Gefühl nicht rational begründen, aber er mußte un willkürlich an einen Truppenaufmarsch den ken – hier, an der Grenze des Terzog-Rei ches. Atlan schüttelte die Gedanken ab und wollte die Fahrt fortsetzen, als XanderohnHert sich regte. Der Kundschafter kam zu sich. Knapp unterrichtete ihn Atlan über die Ereignisse während seiner Bewußtlosigkeit. »Dann sind wir jenseits der Grenze?« Der Noot zitterte heftiger als je zuvor. »Im Reich der Bestien? Wir sind verloren! Ich will zu rück! Ich muß …« »Gar nichts mußt du, Freund! Wir fahren weiter, und du wirst mit uns kommen. Du al lein kannst mit der Schockpeitsche einiger maßen umgehen. Wir werden dich brauchen, wenn wir mit der Königin verhandeln wol len.« Es war unmöglich für einen Menschen, im Gesicht eines Noots zu lesen, aber in die sem Augenblick war Atlan sicher, daß Xan derohn-Hert ihn für vollkommen verrückt hielt. »Die … die Königin?« »Alle mir bekannten Insektenzivilisatio nen sind nach etwa dem gleichen Schema aufgebaut. An der Spitze des Staates steht die Königin. Wenn Aislander also verhan deln wollte, dann nur mit ihr. Wir haben im Augenblick seine Spur verloren, aber wir werden versuchen, sie wiederzufinden. Und ich bin sicher, daß sie zum nächsten großen Bau der Terzöge führt. Wir haben sie gese hen, bevor wir landeten. Es müssen wahre Festungen sein. Verkrieche dich hinter den Sitzen, mach, was du willst, aber sieh zu, daß du ansprechbar bist, wenn wir unser Ziel erreicht haben.« »Du wirst es nie erreichen! Niemand kann das!«
Der Spezialkurier »Aislander konnte es. Er kennt den Weg, also war er schon dort und ist lebend zurück gekehrt, wie wahrscheinlich andere Spezial kuriere vor ihm.« Xanderohn-Hert zeterte und jammerte. Atlan achtete nicht mehr auf ihn. Nur bei ihm und Caahan hatte der Noot eine Überle benschance, und das wußte er. Er tat dem Arkoniden leid, aber Atlan brauchte ihn. Zuviel stand auf dem Spiel, vielleicht das Schicksal einer ganzen Welt. Vielleicht noch mehr … »Der Weg Aislanders führte nach We sten«, sagte Atlan zum Dello, der nun wie der an den Kontrollen saß. »Wir können es uns nicht leisten, kreuz und quer in der Ge gend herumzufahren, also können wir nur hoffen, seine Spur wiederzufinden, wenn wir den bisherigen Kurs beibehalten. Also weiter.« Das Raupenkettenfahrzeug bahnte sich seinen Weg über kleine Hügel und durch Sa vannen. Es war Nachmittag, als es die Schlucht erreichte. Atlan stieg aus und sah in die gähnende Tiefe hinab. »Dort drüben!« rief Caahan. »Das sieht aus wie eine Brücke!« Es war einmal eine Brücke gewesen. Sie war in der Mitte auseinandergebrochen, als ob ein Meteor auf sie herniedergegangen wäre und ein etwa zwei Meter großes Stück einfach herausgeschlagen hätte. Caahan wendete das Fahrzeug und brachte es zu den Überresten der Brücke. Sie mußte einmal stabil genug gewesen sein, um schwere Fahrzeuge dieser Art die etwa fünfzig Meter breite Schlucht überqueren zu lassen. »Und nun?« fragte der Dello. XanderohnHert war nicht zu sehen. Er hatte sich hinter der Sitzbank verkrochen. Atlan zuckte die Schultern. Er suchte den Himmel ab. Noch gab es keine Anzeichen für einen zweiten Angriff aus der Luft. »Wir werden wohl oder übel zu Fuß weitergehen müssen. Wir lassen das Fahrzeug zurück. Ich werde ver suchen, hinüberzugelangen.« »Es ist unmöglich.«
23 Atlan zuckte die Schultern. Mehr Sorgen als die Überquerung der Schlucht machte ihm, daß immer noch keine Angreifer aufge taucht waren. Es war zu still. Dies war also das gefürchtete Reich der Terzöge. Ein ziemlich irreführender Begriff, denn das »Reich der Terzöge« konnte kein regional begrenzter Begriff sein. Dies konn te allenfalls für die Nachbarschaft des von den Noots besetzte Gebiets auf Gooderspall gelten. Von diesen hatte Atlan so gut wie nichts über die anderen Kontinente erfahren können, doch er ging davon aus, daß auch dort die gleiche Spezies dominierte wie hier. Irgendwo steckten sie, beobachteten die Eindringlinge, bereiteten den alles entschei denden Schlag vor. Atlan hatte keine Wahl. Er mußte weiter. Ein Zurück gab es nicht mehr. Atlan wurde sich der Phrasenhaftigkeit dieses Gedankens bewußt. Wie oft hatte er im Lauf seines lan gen Lebens in ähnlich scheinbar ausweglo sen Situationen gesteckt? Wie oft hatte sich wie durch ein Wunder alles zum Guten ge fügt? Irgendwann mußte auch dies vorbei sein. Gedanken, die nichts einbrachten. »Du wartest hier«, wies er den Dello an. »Achte auf Xanderohn-Hert. Ich versuche, auf die andere Seite der Schlucht zu gelan gen.« Noch während er sprach, entdeckte er die Abdrücke im Boden. Eindeutig die Spur von Aislanders Raupenkettenfahrzeug. Also mußte er die Brücke passiert haben, bevor deren Mittelteil einstürzte. Und er entdeckte etwas anderes. Den Auf marsch der Insektoiden auf der gegenüber liegenden Seite der Brücke. Atlan sah die Speere und Bögen in ihren Vordergliedmaßen. Kein Zweifel – diesmal handelte es sich nur um Krieger. »Du wartest und unternimmst nichts«, be fahl der König von Atlantis dem Dello. Er trat an den Rand der Schlucht und gab einen Schuß aus der Strahlwaffe in die Luft ab. Dann schleuderte er sie demonstrativ in die Tiefe.
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Horst Hoffmann Atlan betrat die Brücke.
Ein furchtbarer Gedanke. Xaant bewegte sich nicht. Wie zu Stein erstarrt, stand er vor der Königin. * Er glaubte zu wissen, weshalb sie ihn, den Für Xaant war es das erstemal, daß er der Unbedeutenden, zu sich bestellt hatte. Königin persönlich gegenüberstand. Er war Du verstehst, empfing er. Meine Krieger fast außer sich vor Erregung. Noch niemals haben große Hochachtung vor dir. Diesmal war er ins Zentrum der Burg vorgedrungen, haben wir es nicht mit einem einzigen Vier noch niemals hatte er die atemberaubende töter zu tun, sondern mit dreien. Sie müssen Pracht schauen können. vernichtet werden, bevor sie uns alle auslö Die vier Krieger, die ihn begleiteten, blie schen können. Mit ihrer Zahl potenziert sich ben am Eingang der Königinkammer zu ihre Macht. Ich habe dich dazu ausersehen, rück. Xaant wurde aufgefordert, allein wei die Krieger zu führen, die den Viertötern terzugehen. entgegengehen sollen. Dann stand er vor der Königin. Sie war Xaant hatte in diesem Augenblick keine um das Fünffache größer als er selbst. Ihr Angst. Die Nähe der Königin überdeckte sie Chitinpanzer schimmerte in allen Farben des vollkommen. Drei Viertöter, jung noch, aber Regenbogens. Die Fühler waren mehrere schon bald würde jeder von ihnen in der La Meter lang und ragten ihm entgegen. Sie vi ge sein, Nachkommen zur Welt zu bringen. brierten. Eine Aufforderung zur Kommuni Er, der unbedeutende Krieger Xaant, soll kation. Xaant erstarrte vor Ehrfurcht. Nur te jene führen, die die Ungeheuer unschäd allmählich hoben sich seine Fühler und be lich machen sollten. Eine fast unlösbare rührten die seiner Königin. Aufgabe. Du hast den Viertöter besiegt, empfing Doch das bekümmerte den Terzog in die Xaant. Das war eine große Tat, zumal du sem Moment nicht. Die Königin vertraute ihn mit List bezwangst. Doch es gibt ihm. Unbändige Euphorie erfüllte den Krie schlechte Nachrichten. Sieben Arbeiter wur ger, als er seine neue Aufgabe dankbar an den soeben tot aufgefunden – alle Opfer von nahm. Viertötern. Doch etwas anderes schwang in seinen Xaant erschauerte. Der Viertöter war tot. Gedanken mit – unbewußt, doch es konnte Die Terzöge in dieser Region hatten sich der Königin nicht entgehen. nach der Bekanntgabe seines Endes sicher Du denkst an die Fremden, die auf dem gefühlt. Nun waren wieder einige einem Weg sind, vernahm er. Mehr als die Hälfte Viertöter zum Opfer gefallen. der Krieger erwarten sie und werden verhin Nicht einem, dachte Xaant voller Bestür dern, daß sie noch weiter in unser Land vor zung. Die Königin hatte von Viertötern ge dringen. Du denkst viel über die Fremden sprochen – in der Mehrzahl. Aber das würde nach, Xaant, mehr als die anderen. bedeuten … Das war die Wahrheit. Xaant fühlte sich Du begreifst, kam es von der Königin. nackt, gerade so, als ob seine Seele vor der Wir haben alles versucht, um das Aus Königin ausgebreitet läge. Ein Gedanke hat schlüpfen einer neuen Brut des Viertöters zu te den Terzog in seinen Bann geschlagen. verhindern. Viele von uns haben sich geop Er wußte, daß ein großer Feldzug gegen fert, als sie die Höhlen des Ungeheuers zer die Besatzer geplant war. Überall an der störten. All diese Opfer waren umsonst. Es Grenze trafen Arbeiter und einige Krieger gibt eine neue Generation von Viertötern, die letzten Vorbereitungen. Vielleicht würde Xaant, zum erstenmal seit langem. Aus unse es wirklich gelingen, die verhaßten Frem ren Überlieferungen geht hervor, daß ein den, die soviel Leid über das Volk der Ter Viertöter immer drei Nachkommen hat. zöge gebracht hatten, von Gooderspall zu
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vertreiben oder zu töten. Aber auch Terzöge Geh jetzt, Xaant. Führe die Krieger und würden ihr Leben lassen müssen. Der Krieg bekämpfe die Viertöter. Wenn wir den würde schlimmer sein als jener nach der Schlag führen, müssen wir all unsere Kräfte Landung der ersten Besatzer vor vielen Ge auf den Krieg konzentrieren. Wir dürfen nerationen. kein Risiko eingehen. Die Viertöter müssen War es denn ganz und gar unmöglich, tot sein. Wenig später waren die Insektoiden auf sich mit ihnen in Frieden zu einigen? Xaant wußte, daß er anders dachte als seine Brü dem Weg in das Gebiet, wo man die Toten gefunden hatte. Es lag nahe der Schlucht, der. Der Gefangene. Nur die Königin wußte vielleicht, warum Wesen seiner Art immer auf deren Grund der von der Brücke gestürz te Viertöter lag. Doch Xaants Gedanken wieder kamen, um unter allen möglichen kreisten um die Fremden, und er war froh, Drohungen die Herausgabe des Sekrets zu daß er nicht zu den Kriegern gehörte, die auf verlangen. Auf jeden Fall mußte es für den sie warteten und sie gnadenlos umbringen Gefangenen und seine Auftraggeber von un endlichem Wert sein. würden. Jener, der gefangen in der Burg lag, war nicht auf seinem Weg behindert wor Warum verhandelte man nicht? Weshalb den. Die Königin hatte von Anfang an vor kein letzter Versuch, bevor der Boden des gehabt, ihn als Geisel zu benutzen. Die drei Besetzten Landes mit dem Blut von Terzö aber, die nun die Schlucht er reicht hatten, gen und Fremden getränkt würde? Plötzlich glaubte Xaant, in den Impulsen waren allen Anschlägen entgangen. der Königin so etwas wie Trauer zu erken Xaant versuchte, seine Gefühle niederzu nen. kämpfen. Er hatte Respekt vor diesen Frem Unsere Vorfahren haben mehr als einmal den, obwohl sie Feinde waren. versucht, mit den Besatzern zu verhandeln, Zwanzig Krieger begleiteten Xaant. Ein Xaant. Sie wurden getötet. Daß unsere Bur undzwanzig bewaffnete Terzöge gegen drei Viertöter. Xaant machte sich keine Hoffnun gen im Freien Land noch nicht längst ver nichtet wurden, verdanken wir nur dem Um gen, was den bevorstehenden Kampf anging. stand, daß hier das wertvolle Sekret produ Viele Terzöge würden sterben, und Xaant ziert wird – von mir und den anderen Köni hoffte, daß auch er den Tod fand. ginnen. Er wollte ins Ewige Reich eingegangen sein, bevor der Krieg begann. Diesmal werden die Fremden es nicht be kommen. Sie werden wieder versuchen, es Am Nachmittag fand er die Spur der drei sich mit Gewalt zu holen. Nein, Xaant, auch Ungeheuer. Zwei tote Terzöge lagen im nie ich will keinen Krieg, aber er ist unvermeid dergetrampelten Gras, die Chitinpanzer auf lich geworden. Solange die Besatzer nicht geknackt und das Körperinnere ausgesaugt. wissen, was mit dem Gefangenen geschehen Xaant erschauerte. Die Viertöter waren ist, werden sie nicht wagen, massiv gegen noch zusammen, wie die Spuren zeigten, die uns vorzugehen. Doch bald werden sie wis sie hinterlassen hatten. sen, daß er nicht zurückkehren wird. Bis da Sie führten in die Richtung, in der die hin muß der entscheidende Schlag geführt Krieger auf die Eindringlinge lauerten. Noch worden sein. Und darum müssen auch die war es hell, und die Ungeheuer würden ir drei Eindringlinge sterben. Sie dürfen nie gendwo versteckt schlafen. Doch die Stunde mals zurückkehren. der Dämmerung war nahe … Xaant fühlte Ehrfurcht. Er spürte, daß die Königin mit ihm gesprochen hatte wie mit * keinem anderen Krieger zuvor. Und er ahnte Unter sich die gähnende Tiefe – vor sich etwas von der Last der Verantwortung, die das Heer der Insektoiden. Einige von ihnen sie zu tragen hatte und unter der sie litt.
26 hatten ihre Speere erhoben und die Bögen gespannt. Mehr als einmal wollte Atlan ih nen etwas zurufen, schreien, daß er nicht als Gegner kam, daß jene, mit denen die Terzö ge in Hader lebten, auch nicht seine Freunde waren. Jedenfalls nicht, solange sie im Auftrag Chirmor Flogs handelten. Vielleicht waren die Noots und die anderen Hilfsvölker, die Atlan bisher kennengelernt hatte, früher ein mal harmlose Geschöpfe gewesen, die dann in den Bann des Bösen gerieten. Unwillkürlich kam Atlan der Gedanke, ob die Schwarze Galaxis immer schon von je nen Mächten beherrscht worden war, deren negative Aura überall zu spüren war. Der Arkonide verdrängte die Gedanken. Er brauchte alle Konzentration. Die Brücke war stabil genug gewesen, um Raupenfahr zeuge wie das von Aislander benutzte pas sieren zu lassen. Atlan sah sich kurz um. Caahan stand aufrecht neben XanderohnHert und hatte die Strahlwaffe auf die ge genüberliegende Seite der Schlucht gerich tet. Atlan konnte nur hoffen, daß der Dello sich an seine Anweisung hielt und nicht feu erte. Eine Armee zu allem entschlossener, kompromißloser Terzöge und ein Unbewaff neter, der jetzt die Bruchstelle erreichte. Atlans Chancen standen vielleicht eins zu tausend. Zwei Meter. Atlan konnte springen. Wür de dies für die Insektoiden einem Angriff gleichkommen? Das Goldene Vlies, der An zug der Vernichtung, schützte den Arkoni den vor den Pfeilen und Speeren, aber es würde ihn nicht vor dem Tod bewahren, wenn die Terzöge plötzlich vorpreschten und ihn von der Brücke drängten. Sie warteten. Kaum einer bewegte ein Glied. Die Bögen waren gespannt. Pfeile warteten nur darauf, von der Sehne zu schnellen und auf Atlan herabzuprasseln. Atlan konnte sich kaum erinnern, sich je mals so hilflos gefühlt zu haben. Er mußte hinüber, wenn er Aislander finden wollte. Hinter ihm Caahan. Ein einziger Schuß wür-
Horst Hoffmann de genügen, um alles zu zerstören. Zum wie derholten Mal hatte Atlan guten Willen ge zeigt, als er die eigene Waffe in den Ab grund geschleudert hatte. Wenn er sich nur mit den Terzögen ver ständigen könnte! Er hatte keine Wahl. Atlan sprang. Im gleichen Augenblick trat das ein, was er befürchtet hatte. Ein Pfeilhagel. Dann vorpreschende Körper, rot im Licht der un tergehenden Sonne schillernd. Atlan warf sich flach auf die Brücke. Schon glaubte er, von Hunderten von Klauenfüßen zertrampelt zu werden, als ein grauenhaftes Kreischen die Luft erfüllte. Atlan wagte sich nicht aufzurichten. Der schrille Laut hallte weiter in seinen Ohren und drohte die Trommelfelle zu zerreißen. Die Brücke wurde erschüttert. Immer noch glaubte Atlan an eine Art Kampfschrei der Insektoiden, die sich auf ihn stürzen und tö ten wollten. Doch plötzlich kam das Brückenteil zur Ruhe. Die Schreie brachen jedoch nicht ab. Langsam, als ob er Angst vor dem hätte, was er sehen würde, hob der Arkonide den Kopf. Atlan erschauerte. Er hatte mit einer List der Terzöge ge rechnet, mit einem Schachzug, den er nicht begriff. Nichts davon traf zu. Die Terzöge beachteten ihn nicht einmal. Sie kämpften gegen einen anderen schrecklichen Feind. Gegen drei Feinde, dachte Atlan. Drei rie sige Ungeheuer, Wesen mit jeweils vier lan gen Beinen und vier tentakelartigen Glied maßen am Kopf, an deren Ende Stachel sa ßen, die über den Köpfen der Terzöge durch die Luft peitschten. Wo sie einen er Krieger trafen, brach dieser unter schrillem Krei schen tot zusammen. Die Monstren wüteten furchtbar unter den Terzögen, die trotz ihrer drückenden zahlen mäßigen Überlegenheit nicht einmal Anstal ten machten, sich zu verteidigen. Sie stoben in alle Richtungen auseinander. Diejenigen, die sich gegenseitig dabei behinderten, wur den Opfer der Riesen. Schon jetzt war der
Der Spezialkurier Boden mit toten Terzögen übersät. Auf welch eine Welt bin ich geraten! durchfuhr es Atlan, der nicht wagte, sich zu bewegen. Immer noch war sein Körper flach auf das Brückenteil gepreßt und nur der Kopf erhoben – gerade so weit, daß der Ar konide das grausame Geschehen am Rand der Schlucht verfolgen konnte. Der Zeitpunkt, an dem die Terzöge ent weder geflohen oder tot waren, war abzuse hen. Atlan machte sich keine Illusionen dar über, wem sich die Ungeheuer dann zuwen den würden. Er hatte nur eine Chance, solange sie noch mit den Insektoiden beschäftigt waren. Atlan richtete sich auf die Kante auf und drehte sich um. »Caahan!« Atlan mußte sich fast die Luft aus den Lungen schreien, damit der Dello, der nun unentschlossen am anderen Finde der Schlucht stand, ihn verstehen konnte. »Xanderohn-Herts Strahler! Wirf ihn mir zu!« »Du mußt zurückkommen, Atlan!« »Den Strahler!« Für die Monstren waren die zwei Meter, die aus der Brücke herausgerissen worden waren, nicht mehr als ein Schritt mit ihren spindeldürren langen Beinen. Sollten sie es auf Atlan abgesehen haben, war jede Flucht sinnlos. Caahan holte die Waffe des Noots und warf sie. Atlan fing sie geschickt auf – ker nen Augenblick zu früh. Eines der Ungeheuer hatte seine Bewe gungen wahrgenommen und kam wie auf Stelzen auf ihn zu. Atlan zögerte nicht län ger. Er drückte ab. Der blendendhelle, glut rote Strahl fraß sich in den von einer dicken Schale umgebenen Leib des Tieres. Das Monstrum bäumte sich auf. Atlans Trom melfelle drohten zu platzen, als es vor Schmerzen aufkreischte. Der flache Körper stand einen Augenblick fast senkrecht in der Luft, nur auf die Hinterbeine gestützt. Dann klatschte er auf die Brücke. Sie begann zu schwanken. Atlan sah mit Schrecken, wie sich aus der Felswand um die Verankerung
27 herum erste Brocken lösten und in die Tiefe stürzten. Der Arkonide stand auf und feuerte ununterbrochen. Der Strahl der Energiewaf fe bestrich den Kopf des Angreifers und fraß sich zwischen die Augen, die in der Dämme rung glühten. Das Ungeheuer wand sich im Todeskampf. Die Tentakel mit den Stacheln am Ende peitschten wenige Meter vor Atlan durch die Luft. Atlan riß die linke Hand schützend vors Gesicht und feuerte blind weiter. Sein Finger war wie am Auslöser festgeklebt. Plötzlich war Ruhe. Atlan nahm den Arm herunter und sah ge rade noch, wie das Monstrum sich mit zwei Gliedmaßen an das Brückenteil zu klam mern versuchte. Wieder schoß er. Die Beine des Ungeheuers vergingen im todbringenden Strahl. Der Körper stürzte in den Abgrund. Sofort richtete Atlan sich auf weitere An griffe ein. Doch der Rand der Schlucht war verlassen. Die beiden Ungeheuer, die bis zu letzt unter den Terzögen gewütet hatten, setzten den Flüchtigen nach. Der Weg war frei. Jeden Augenblick konnten Terzöge oder die beiden grauenhaften Wesen zurück kommen. Atlan winkte Caahan zu. Der Dello lud sich Xanderohn-Hert über die Schulter. Kurz darauf standen beide neben dem Arkoniden. Caahan hatte den Noot im Sprung über die Bruchstelle gebracht. Xanderohn-Hert war bei Bewußtsein, aber er wirkte dennoch wie in Trance. Wie groß mußte seine Angst sein. Atlan verfluchte es, daß er selbst oder Caa han nicht in der Lage waren, sich mit den In sektoiden zu verständigen. So aber mußte der Noot weiter mit ihnen ziehen – bis zum bitteren Ende oder zum Erfolg. Als der Arkonide mit seinen beiden Be gleitern zwischen den toten Terzögen stand, schauerte es ihn. Die Nacht zog auf. Atlan verspürte wenig Lust, den Marsch in der Dunkelheit fortzu setzen, zumal das Licht der Monde nicht ausreichte, um Aislanders Spuren zu folgen. Wieder die Fragen. Die seltsame Kolon ne, die wie ein Truppenaufmarsch gewirkt
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hatte, die Ungeheuer, die jene getötet und in die Flucht geschlagen hatten, die Atlan und seine Begleiter aufhalten oder töten sollten. Atlan versuchte vergeblich, einen Sinn in all das zu bringen. »Wir werden noch einmal übernachten müssen«, sagte er zu Caahan. Er hatte keine Ahnung, wie weit sie noch von ihrem Ziel entfernt waren – von jenem Ort, den Aislan der gesucht hatte. Anderthalb Tage waren nun schon verstrichen. Thalia und die HORIET. Inzwischen wür de die KOLNYR gelandet sein. Hatte es überhaupt noch einen Sinn, nach Aislander zu suchen? Atlan preßte die Zähne aufeinander. Er spürte, daß er dem Ziel nahe war. Vielleicht nur noch wenige Kilometer … Plötzlich brach die Hölle los. Wieder das Kreischen gequälter Kreaturen. Schrille To deslaute und das Wüten der Ungeheuer. At lan griff instinktiv nach dem Arm des völlig apathischen Xanderohn-Hert und zog den Noot mit sich hinter einen Felsen. Caahan hatte sich bereits in Deckung geworfen. Die beiden Monde spendeten gerade ge nug Licht, um den Arkoniden erkennen zu lassen, was sich wenige Dutzend Meter vor ihm abspielte. Die Jäger waren zu Gejagten geworden. Es war mehr als makaber. Eine ganze Armee von Terzögen war in panischer Angst vor den Ungeheuern geflohen. Nun machten knapp zwei Dutzend Krieger Jagd auf sie. Sie hatten keine Chance. Aber Atlan witterte die seine.
* Einen Augenblick lang wußte Xaant nicht, was er tun sollte. Die Krieger, die von der Königin zur Schlucht bestellt worden waren, um die Eindringlinge zu vernichten, stoben in wilder Flucht überall an ihm vor bei. Nur mit einem konnte er kurz Kontakt aufnehmen. Xaant erfuhr vom Überfall, der Viertöter. Es war Nacht. Die Fliehenden wa ren nicht zu halten, und auch seine Krieger
wurden unruhig. Wie Xaant hatten sie im stillen gehofft, die Feinde bei Licht in ihren Verstecken überraschen zu können. Xaant spürte das unbändige Verlangen, zur Burg zurückzukehren. Noch vor Tagen wäre es für ihn undenkbar gewesen, bis zum Einbruch der Dunkelheit unterwegs zu sein, während irgendwo in der Nähe die Viertöter auf ihre Stunde warteten. Noch unvorstellba rer wäre es gewesen, die Begegnung mit ih nen zu suchen – in der Nacht. Er war unfreiwillig in eine Rolle gedrängt worden, der er nicht gewachsen war. Aber die Königin vertraute ihm. Immer wieder richtete der Terzog-Krieger sich an diesem Gedanken auf. Immer wieder dachte er an die Unterhaltung mit seiner Königin zurück. Das gab ihm die Kraft, die Angst zu be siegen. Und ein wenig dieser Kraft sprang auf die anderen Krieger über. Nur so war es zu erklären, daß sie ihm bisher gefolgt waren und auch noch mit ihm marschierten, als sie in die Nähe der Schlucht gelangten. Über die wie ein Netz in den Boden ge legten Kontaktschienen hielt Xaant ständig Kontakt mit der Königin. Immer wieder er hielt er die gleiche Anweisung. Die Viertöter mußten noch in dieser Nacht sterben. Die Dringlichkeit dieses Appells konnte nur eines bedeuten. Der Angriff auf die Bastionen der Besat zer stand unmittelbar bevor. Dies erklärte auch, warum keine Fliegenden eingesetzt wurden, um Xaants Krieger zu unterstützen. Alle Fliegenden mußten sich bereits an der Grenze oder schon im Besetzten Land befin den, wo sie zusammen mit den als Überläu fern getarnten Kriegern den Angriffsbefehl der Königin abwarteten. Xaant führte seine kleine Streitmacht – ein Kommando der Todgeweihten. Als die Terzöge die Schlucht erreichten, erstarrte Xaant. Er sah die Toten, Brüder, mit denen er noch gestern kommuniziert hatte, Krieger, die aus der gleichen Brut geschlüpft waren
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wie er. der Besatzers doch der Besatzer zitterte vor Augenblicke nur sah er die Fremden an Angst. In seiner Hand befand sich eine jener der Brücke. Dann waren die beiden Viertö Peitschen, die die Feinde dazu benutzten, ter heran. mit den Überläufern Kontakt aufzunehmen. Acht Krieger starben, bevor sie in der La Xaant wartete nicht ab, bis sie heran wa ge waren, einen einzigen Pfeil abzuschießen. ren. Er sprang auf und begann zu laufen. Zu Noch dreizehn gegen zwei Unbesiegbare. seiner Verwunderung wurde er nicht ver Die Pfeile schwirrten durch die Luft und folgt. Xaant blieb stehen und versuchte, sich prallten an den Schalen der Viertöter ab. Die in der Dunkelheit zu orientieren. Er fand ei Giftstachel der Ungeheuer lösten sich aus ne Kontaktschiene. Wenig später war die den Chitinpanzern der Krieger und fanden Königin über alles informiert, was vorgefal neue Opfer. Fünf weitere Krieger starben, len war. als die Monstren blitzschnell über ihnen wa Xaant hatte in aller Eile berichtet. Seine ren. Gedanken überschlugen sich. Hatten die Xaant selbst entging einem Stachel nur Fremden nicht die Gelegenheit gehabt, die knapp. Er hatte keine Hoffnung mehr. Die wenigen überlebenden Terzog-Krieger mit wenigen verwundbaren Stellen der Viertöter ihren furchtbaren Waffen zu vernichten, so waren viel zu klein, um den Pfeilen und wie sie es in der Vergangenheit immer getan Speeren ein gutes Ziel zu bieten. Darüber hatten? Warum hatten sie nur die Viertöter hinaus waren die Ungeheuer ständig in Be umgebracht und nicht die Terzöge? wegung, und die Krieger schossen in Panik, War es denkbar, daß sie den Terzögen ohne richtig zu zielen. helfen wollten? Xaant rollte sich in eine Bodenmulde, Xaant wußte, daß die drei Eindringlinge doch schon war einer der Viertöter vor ihm. bisher keinen einzigen Krieger getötet hat Die Giftstachel peitschten Meter über dem ten, auch wenn sie angegriffen wurden. Terzog in der Luft und schlugen in den Bo Wieder keimte die Hoffnung auf eine den neben ihm. Nur einer zuckte noch über friedliche Einigung mit den Besatzern in ihm. Der Viertöter spielte mit ihm. Sein Op ihm auf, während er auf die Anweisungen fer war ihm sicher. der Königin wartete. Aber er glaubte nicht Aus! dachte Xaant. Ich habe das Vertrau daran. Die Königin würde sicher schon en der Königin nicht rechtfertigen können. einen neuen Trupp Krieger hierhergeschickt Plötzlich blitzte es wenige Meter neben haben, um die drei zu töten. Um so mehr ihm auf. Nur kurz sah der Terzog eine Ge überraschte ihn die Anweisung aus der stalt hinter einem Felsblock hervortreten. Burg. Der Blitz kam direkt aus ihrer Hand. Xaant erhielt den Auftrag, die Eindring linge gefangenzunehmen und zur Königin Die Fremden! Nun werden sie Rache neh zu bringen. men! Wir hatten keine Chance gegen die Viertöter, noch weniger gegen die Eindring Das war alles. Weitere Auskünfte erhielt linge! er nicht. Doch dann war plötzlich Ruhe. Ein letztes Drei Krieger hatten außer Xaant überlebt. furchtbares Kreischen erfüllte die Luft, eine Xaant fand sie in einer Mulde. Sie waren Erschütterung durchlief den Boden. Xaant fast erstarrt vor Angst. Xaant berührte ihre war durch den Blitz geblendet. Als er wieder Antennen und erklärte, daß die Gefahr vor sehen konnte, lag der Viertöter leblos vor über sei. Dabei fragte er sich, woher er seine ihm am Boden. plötzliche Ruhe nahm. Einer der Fremden stand über ihm, ein Die Fremden schienen auf die Terzöge zu weiterer kam auf Xaant zu. Er zerrte den warten. Zwei von ihnen trugen Waffen, aber dritten Eindringling hinter sich her – einen diese waren gesenkt.
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Gefangennehmen! Es klang wie bittere Ironie. Wesen, die in der Lage gewesen wa ren, zwei Viertöter unschädlich zu machen, mußten den Terzögen haushoch überlegen sein. Doch die Königin hatte befohlen. Langsam kroch Xaant auf die drei zu. Sie waren ins Reich der Terzöge eingedrungen. Sie waren der Spur des in der Burg Gefange nen gefolgt. Sie hatten keinen einzigen Ter zog umgebracht, obwohl man ihnen dies und jenseits der Grenze den Garaus hatte machen wollen. Konnte dies bedeuten, daß sie anders wa ren als alle, die bisher gekommen waren, um Tod und Verderben über das Volk der Ter zöge zu bringen? Der phantastische Gedanke trieb Xaant vorwärts. Vor dem Besatzer mit der Schockpeitsche blieb er stehen.
* Atlan und Caahan hatten den Noot in ihre Mitte genommen, um zu verhindern, daß er im letzten Augenblick alles verdarb. Der Plan des Arkoniden schien aufgegangen zu sein. Der Terzog, der sich ihnen jetzt näher te, hatte seine Waffen weggeworfen. »Jetzt ruhig, Xanderohn-Hert«, flüsterte Atlan. »Wir haben nichts von ihm zu be fürchten. Er kommt, um mit uns zu reden.« »Das … das ist unmöglich!« zischte der Noot. »Kein Terzog würde jemals freiwillig mit uns reden wollen. Es ist eine Falle. Sie wollen uns töten! Wir sind bereits tot! Wir …« »Du wirst tot sein, wenn du dich weiter wie ein Dummkopf benimmst! Die Schock peitsche. Du wirst jetzt versuchen, von dem Terzog zu erfahren, was er von uns will. Wenn du dich weigerst, werfen wir dich di rekt vor die Klauen des Burschen.« Atlan hätte dem Noot mit der Strahlwaffe drohen können, aber damit vielleicht nur das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte. Der Noot würde lieber auf der Stelle durch
einen Schuß sterben als qualvoll in den Klauen des Terzogs. Atlan fühlte sich von sich selbst angewidert, aber ihm blieb keine andere Wahl, wenn er Aislander und dem Geheimnis, das sich auf diesem Planeten verbarg, auf die Spur kommen wollte. Sie hatten alle drei keine Wahl. Sollte der Terzog tatsächlich gekommen sein, um zu verhandeln oder eine Botschaft zu überbrin gen, würde er nicht ewig warten. Die Passi vität der Eindringlinge würde vielleicht schon als Ablehnung ausgelegt und entspre chend beantwortet werden. Verständigung oder Tod – das war die Al ternative. Endlich begriff auch XanderohnHert. Atlans Drohung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt und den Noot anscheinend wieder in die Lage versetzt, klar denken und die Situation einigermaßen realistisch ein schätzen zu können. Der Noot packte den Griff der Schock peitsche fester. Als er zwei Schritte auf den Terzog zu machte, brach wieder die zähe Flüssigkeit aus seiner Haut. Wieder begann eine der seltsamsten Arten der Verständigung zwischen intelligenten Wesen, die Atlan jemals mitverfolgt hatte. Einen Augenblick hatte Atlan die Befürch tung, der Terzog würde die Schläge gegen seine Fühler als Angriff werten. Jetzt, wo so überraschend doch noch eine Verständigung zustande zu kommen schien, durfte einfach nichts mehr passieren, durfte der Arkonide nicht gezwungen werden, auf die Insektoi den zu schießen. Doch der Terzog wartete geduldig ab, bis Xanderohn-Hert die Peitsche senkte. Dann begann der Krieger, eine Antwort auf den steinigen Boden zu trommeln. XanderohnHert konzentrierte sich. Der Noot schien in diesem Augenblick wie verwandelt. »Wir sollten kapitulieren«, sagte er, als die Fühler des Terzogs zur Ruhe gekommen waren. »Sie haben den Auftrag, uns gefan genzunehmen und zur Burg zu bringen, wo die Königin uns erwartet.« »Frage ihn nach Aislander!« »Aber du willst doch nicht auf diesen
Der Spezialkurier Wahnsinn eingehen!« Xanderohn-Hert war nahe daran, erneut die Kontrolle über sich zu verlieren. »Sie sind unvorstellbar grausam! Sie werden uns …« »Sie haben uns nicht angegriffen, und wir haben diese vier Krieger mit Sicherheit vor dem Tod durch die Riesen bewahrt. Frage sie!« Erst nach langem Zögern schlug der Noot wieder mit der Peitsche gegen die Fühler des Insektoiden. Atlan stellte sich bei dem An blick die Frage, ob auch Aislander in der La ge war – oder gewesen war –, sich auf diese oder ähnliche Weise mit den Eingeborenen von Gooderspall zu unterhalten. Da der Spe zialkurier des Neffen ganz offensichtlich ortskundig war, lag die Vermutung nahe, daß er den Kundschafter TynamonDerr nur deshalb mitgenommen hatte, damit er für ihn »übersetzen« konnte. Der Terzog antwortete auf die von Xande rohn-Hert gestellte Frage. »Ja«, erklärte der Noot. »Sie haben einen Gefangenen in ihrer Burg. Es kann nur Ais lander sein, denn es handelt sich nicht um einen von uns.« Atlan hatte keine andere Auskunft erwar tet. Also lebte Aislander noch. Die Terzöge waren intelligent und lebten im Kriegszu stand mit den Noots. Was immer Aislander auch von ihnen wollte – sie mußten erkannt haben, welchen Wert er als Geisel für sie darstellte. »Sage dem Krieger, daß wir uns ergeben und ihnen widerstandslos folgen werden!« »Aber …« »Caahan und ich werden ihnen folgen.« Atlan nickte dem Dello zu und warf den Strahler in hohem Bogen davon. Caahan folgte seinem Beispiel. »Du kannst dir ja überlegen, ob du mit uns gehst oder lieber allein zurückbleiben willst.« »Nein!« schrie der Noot und klammerte sich an den Arm des Arkoniden. »Laßt mich nicht allein. Ich tue alles, was ihr wollt, nur nehmt mich mit!« Wieder das Gefühl, sich in sich selbst ver kriechen zu müssen, einfach abzuschalten
31 und alles, was um ihn herum vorging, zu vergessen. Xanderohn-Hert tat dem Arkoni den mehr leid als jemals zuvor. Wenn nun alles umsonst sein sollte? Wenn er sich ge irrt hatte und Aislanders Mission keine neuen Anhaltspunkte für ihn geben würde? War es recht, ein Wesen so zu quälen, wie er es mit dem Noot tat? »Ich schwöre dir, daß dir nichts gesche hen wird«, knurrte Atlan. »Verdammt, ich schwöre es!« Und er hoffte, all das, was er dem Un glücklichen antun mußte, eines Tages wie dergutmachen zu können. Die Noots waren nicht frei. Sie waren ein Hilfsvolk. Niemand außer ihren Unterdrückern wußte wohl, mit welchen Mitteln sie und andere raumfahren de Rassen von den Neffen des Dunklen Oheims gefügig gemacht worden waren. At lan hatte aus der Vergangenheit gelernt. Wie so oft in den letzten Tagen und Wochen dachte er an jene Zeit zurück, in der die irdi sche Menschheit ihren langen Weg zu den Sternen angetreten hatte. Arkon, seine Hei mat. Andromeda, M 87… Immer wieder waren die Terraner und ih re Verbündeten auf Rassen gestoßen, die ih nen als Gegner gegenübertraten. Es hatte blutige Kämpfe gegeben, Raumschlachten und Begegnungen auf Planeten. Unzählige Opfer, bevor sich herausgestellt hatte, daß diejenigen, die in vorderster Front kämpften, fast immer nur Hilfsvölker der wahren Drahtzieher gewesen waren. Maahks, Tefro der und wie sie alle hießen – aus Feinden waren oftmals Freunde geworden, nachdem die Mächte im Dunkel besiegt worden wa ren. Doch der Arkonide hütete sich davor, vor eilig Vergleiche zu ziehen. Atlan ahnte, daß er lange Zeit allein sein würde – nur auf sich und die wenigen Freunde gestellt, die er an seiner Seite wußte. Hier war alles anders. Dies war nicht der Weltraum, den er kannte, nicht die Milchstraße oder die Nachbargala xien … Nicht die Erde. Manchmal wachte Atlan auf und sah sich
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wieder in TerraniaCity. Rhodan, Gucky, Icho Tolot – all seine Weggefährten. Dann war er fast sicher, eines Tages zur Erde zu rückkehren zu können, sicher, daß das, was er im Augenblick durchzustehen hatte, eines Tages ein einziger grausamer Alptraum sein würde. Aber wie lange würde dieser Alp traum dauern? Jahre oder Jahrhunderte? Wieder Parallelen – Erinnerungen an jene zehntausend Jahre, die er auf der Erde ver bracht hatte. Sentimentalitäten! meldete sich der Extra sinn. Du lebst hier und jetzt. Es ist kein Traum. Atlan gab sich einen Ruck. Die vier Terzöge postierten sich um die Eindringlin ge. Jener, mit dem sich XanderohnHert un terhalten hatte, trommelte kurz mit den Füh lern auf den Boden. »Wir sollen ihnen jetzt folgen.« Der Noot sprach nun wie jemand, der alle Gefühle verloren hatte, der sich in die Apathie ge flüchtet hatte, um das Grauen um ihn herum zu vergessen. Die Insektoiden setzten sich in Bewegung. Atlan nahm Xanderohn-Hert bei der Hand. Caahan folgte ihnen schweigend. Irgendwo vor ihnen lag ihr Ziel. Aislander – und was noch? Weit hinter ihnen der Stützpunkt der Noots auf Gooderspall. Thalia und die Del los. Die HORIET. Und wahrscheinlich schon die KOLNYR. Die zweite Nacht auf dem langen Weg. Würde Atlan, falls er mit seinen Begleitern und Aislander lebend aus dem Reich der Terzöge entkommen konnte, noch die HO RIET vorfinden? Atlan brauchte all seine Kraft und all sei ne Konzentration, um sich auf das Kommen de vorzubereiten. Es war sein Glück, daß er nicht ahnte, was sich über Gooderspall und auf dem Raumhafen abspielte.
7. Der Raumhafen – und die KOLNYR Ein Totenschiff. Die KOLNYR war auf die Bahn des drit ten Planeten zurückgewichen, nachdem das
Organschiff HORIET vom Raumhafen aus das Feuer eröffnet hatte. In einem der weni gen Augenblicke, in denen er noch klar den ken konnte, hatte Staah'Col erkannt, daß ei ne offene Schlacht das Ende seines Raumers bedeuten konnte, und das war gegen seinen Auftrag. Der Kommandant der KOLNYR erwachte nur noch selten aus dem rauschähnlichen Zustand, der ihn und die gesamte Besatzung befallen hatte. In diesen Momenten kannte er seinen Auftrag und wußte, warum er hier war. Die Angst vor einem Versagen über mannte ihn. Er zwang sich zur Konzentrati on und überlegte mit den wenigen Besat zungsmitgliedern, die ebenfalls noch eini germaßen bei Sinnen waren, wie er das Or ganschiff der Verräter – denn nur um solche konnte es sich nach den Staah'Col vorliegen den Informationen handeln – unschädlich machen und den Spezialkurier abholen konnte, ohne die Vernichtung der KOLNYR zu riskieren. In diesen Augenblicken war er Staah'Col, der Eda'Elcor. Immer stärker jedoch schnitt sich das in sein Bewußtsein, was keinen Na men trug. Es war nur ein Teil eines Etwas, das die gesamte Besatzung erfaßt hatte, ei nes Etwas, das aus der Galionsfigur Kala man hervorgegangen war. Winzige Partikeln hatten sich auf dem Pelz der Eda'Elcors niedergelassen und wa ren bis zur Haut vorgedrungen, von dort aus in den Körper und ins Gehirn. Ihre Gesamt heit bildete eine kollektive Intelligenz, eine Wesenheit, die mit menschlicher Vorstel lungskraft nicht erfaßbar war und nur noch wenig mit Kalaman zu tun hatte. Dieser war tot. Man stelle sich ein Mosaik vor, ein Bild aus Tausenden winziger Steine, das zerstört und dessen Bestandteile von einem Irren wieder zusammengetragen werden. Stein an Stein, aber ohne jeden Zusammenhang. Ein Wirrwarr ohne Sinn und Konturen. Doch das traf nicht ganz auf das schreckliche Le ben an Bord der KOLNYR zu. Ein Teil von Kalaman hatte den Tod über
Der Spezialkurier lebt und wirkte verhängnisvoll weiter. Es war ein Teil der Erinnerung des in seine Be standteile zerfallenen unbegreiflichen We sens Kalaman, das auf einer Welt in den un endlichen Tiefen des Universums herange wachsen war, bevor es von dort entführt und für seine Aufgabe als lebende Galionsfigur vorbereitet wurde. Mit dem Tod war Kalaman frei geworden. Das Relikt der Galionsfigur kannte nur noch einen Gedanken: Rache an jenen, die Kala man so lange gequält hatten. Strafe für sie und alle, die ihnen halfen. Die Besatzung der KOLNYR sollten das Werkzeug sein, die Noots auf Gooderspall das erste Ziel der Rache. Diese beiden Kräfte wirkten in Staah'Col, als er die KOLNYR wieder auf den zweiten Planeten zusteuerte – zum einen der von Angst vor Strafe halb wahnsinnige Kommandant eines Organschiffs, zum ande ren das, was aus Kalaman hervorgegangen war und sich zu neuem, monströsem Leben entwickelt hatte. Auch äußerlich waren die Eda'Elcors kaum noch wiederzuerkennen. Unter dem schwarzen Pelz bildeten sich Beulen. An einigen Stellen platzte die Haut auf und gab blauen Staub frei. Kalamans Körperpartikeln hatten begonnen, sich zu teilen, immer schneller. Bald war die gesam te Zentrale der KOLNYR von blauem Dunst erfüllt. Der »Dunst« lebte, und er drängte nach draußen. Die ersten Eda'Elcors erlitten Erstickungsanfälle. Staah'Col mußte landen – irgendwo auf Gooderspall. Sein Bewußtsein verschmolz mit dem der aus Kalaman geborenen Kollektivintelli genz. Beide Kräfte steuerten seine Handlun gen, wobei die Kollektivintelligenz immer stärker dominierte. Staah'ColKalaman würde auf dem Raum hafen landen, aber nicht so, wie die Noots und jene, die sich an Bord der HORIET be fanden, es erwarteten. Als die KOLNYR in die Atmosphäre ein tauchte, hatte die Kollektivintelligenz end gültig den Widerstand der Besatzung gebro chen. Es gab keine Individuen mehr an Bord, sondern nur noch jene Kraft, die die
33 Vernichtung wollte – die Vernichtung des Stützpunkts und aller Helfer der Versklaver. Sie sollten nicht sterben. Sie sollten zu Helfern auf einem Feldzug des Wahnsinns werden – Teil des Ungeheuerlichen.
* Die zweite Nacht. Thalia und der Oberbefehlshaber der auf Gooderspall stationierten Noots standen sich schweigend gegenüber. Alles war gesagt. Es hätte nicht der wiederholten eindringlichen Warnungen Bronniter-Vangs bedurft, um die Besatzung der HORIET und die Noots zu Verbündeten zu machen. Noch niemals in ihrem Leben hatte die Odinstochter Thalia die Last der Verantwor tung so schwer gespürt. Solange Atlan nicht zurück war, hatte sie die Befehlsgewalt über die HORIET. Sie mußte alle Entscheidungen treffen, notfalls ohne Rücksichtnahme auf die Noots, deren Oberbefehlshaber sich nun mit zwei Begleitern an Bord des Organ schiffs befand. Stundenlang hatte es so aus gesehen, als würde die KOLNYR aus dem System verschwinden, nachdem bekannt ge worden war, daß die Galionsfigur tatsächlich tot war. Natürlich waren Thalia, Atlan und die Dellos die Schwindler, natürlich war die KOLNYR in Wahrheit beauftragt worden, um Aislander abzuholen, aber das Verhalten ihrer Besatzung gab immer größere Rätsel auf. Die Galionsfigur lebte nicht mehr, die Besatzung war nach Bronniter-Vangs Anga ben krank, das Schiff verseucht. Und nun befand es sich wieder im Anflug auf Goo derspall. Im Augenblick gab es nur eines: Eine Landung mußte unter allen Umständen ver hindert werden. Was immer an Bord der KOLNYR vorging – es bedeutete Gefahr. Doch dann mußte Thalia erkennen, wie hilflos sie war. Kynomon-Morl stand über einen seiner Begleiter ständig in Verbindung mit den Ortungssystemen der Kontrollge bäude und einiger Sonden, die ins All ge schickt worden waren, nachdem die
34 KOLNYR eine Kreisbahn um Gooderspall eingeschlagen hatte. Der Oberbefehlshaber der Noots geriet in immer stärkere Erregung. Sein Begleiter sprach so leise zu ihm, daß Thalia kaum etwas verstand. »Sie müssen den Verstand verloren ha ben!« entfuhr es Kynomon-Morl, als er den fragenden Blick der Odinstochter sah. »Anstelle des erwarteten regulären Landean flugs jagen sie dicht über der Oberfläche um den halben Planeten herum auf uns zu. Sie ließen die KOLNYR auf der uns gegenüber liegenden Seite Gooderspalls einfach ab sacken und bremsten den Sturz erst im aller letzten Augenblick ab. Unsere Geschütze können sie nicht aufhalten. Und wenn die KOLNYR in deren Reichweite kommt, ist es zu spät. Sollte sie explodieren, wird die halbe Stadt zerstört.« Dies war ein Grund, warum das Organ schiff hier, in den tieferen Schichten der At mosphäre, quasi unangreifbar war. Ein Seuchenschiff befand sich im Anflug. Und es würde landen. Ein einziger Treffer aus den Energiegeschützen der HORIET oder den Kanonen der Noots konnte bereits ausreichen, um ein Leck zu schlagen und die unbekannten Seuchenerreger ins Freie ge langen zu lassen. Man konnte nur eines un ternehmen, solange man nichts Näheres über die Verhältnisse an Bord wußte. »Besitzen Sie Fesselfeldprojektoren, die so stark sind, daß es den Wahnsinnigen in der KOLNYR unmöglich gemacht wird, die Schleusen zu öffnen?« fragte Thalia. »Wir haben Projektoren, die ein Feld auf bauen können, innerhalb dessen jede Bewe gung unmöglich gemacht wird. Das be strahlte Objekt wird quasi eingefroren«, be stätigte der Noot. »Ihre Energie reicht je doch nur für kurze Zeit. Bisher gab es keine Notwendigkeit für ihren Einsatz, so daß wir unsere Energieerzeugung an anderen Dingen ausrichteten. Es ist unmöglich, kurzfristig …« »Wie lange können Sie die KOLNYR lahmlegen? Keine einzige Schleuse darf sich öffnen lassen!«
Horst Hoffmann »Stunden. Vielleicht einen Planetentag …« Und dann? Thalia wagte nicht daran zu denken, was über sie alle kommen könnte. Die HORIET durfte nicht starten, bevor At lan zurück war – mit oder ohne Aislander. Fälser wollte gerade etwas sagen, als zum zweitenmal die Stimme Staah'Cols in der Zentrale der HORIET zu hören war. Es war das gleiche Ultimatum, das er schon einmal gestellt hatte – beim ersten Versuch einer Gewaltlandung, bevor die HORIET das Feu er eröffnet hatte. Der Kommandant der KOLNYR verlang te, daß sich alle Bewohner der Stadt zum Raumhafengelände begaben und dort auf weitere Befehle warteten. Ansonsten würde die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Thalia kam ein furchtbarer Gedanke. Fäl ser nickte, als er ihrem Blick begegnete. »Das, was sich an Bord der KOLNYR breitgemacht und die Besatzung unter seinen Willen gezwungen hat, muß expandieren. Es braucht weitere Wirtskörper. Deshalb die Forderung des Kommandanten, der nicht mehr er selbst ist. Es gibt nur eine Möglich keit, die Versklavung aller intelligenten We sen von Gooderspall zu verhindern. Die HO RIET muß die KOLNYR mit Hilfe von Zugstrahlen in den Weltraum schleppen und vernichten, sobald sie weit genug vom Sy stem entfernt ist.« »Niemals!« protestierte Thalia heftig. »Wir werden nicht ohne Atlan starten!« »Wie können Sie annehmen, daß es etwas an Bord des Organschiffs gibt, daß sich die Besatzung unterworfen hat?« fragte Kyno mon-Morl ruhig. Zu ruhig, dachte Thalia, deren Gedanken sich überschlugen. Sie fühlte sich allein, von Fälser verraten. Konnte sie noch auf die Un terstützung der Dellos zählen, falls die Noots so reagierten, wie sie es befürchtete? Unaufhaltsam näherte sich die KOLNYR dem Raumhafen. »Unsere Galionsfigur Bronniter-Vang er klärte, daß sie kurz vor dem Tod Kontakt mit Kalaman im Bug der KOLNYR hatte.
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Die zeitliche Übereinstimmung mit den er sten Erkrankungen unter der Besatzung ge rade zu diesem Zeitpunkt kann kein Zufall sein. Dann die Funksprüche des Komman danten, bevor er sein erstes Ultimatum stell te. Sie waren verworren, oft sinnlos. Schließlich das Ultimatum selbst. Staah'Col verlor kein Wort mehr über seinen angebli chen Auftrag und den Spezialkurier. Wieso will er dann landen und die Noots auf dem Raumhafen zusammengetrieben sehen?« Die drei Noots in der Zentrale berieten sich flüsternd. Thalia fühlte Angst in sich aufsteigen. »Niemals! Wir starten nicht ohne Atlan! Es muß eine andere Möglichkeit geben. Schafft endlich die Projektoren heran! Wir müssen versuchen, mit der KOLNYR zu verhandeln. Wir brauchen Zeit!« »Sie können zurückkehren, nachdem Sie die KOLNYR in den Weltraum befördert und vernichtet haben«, sagte KynomonMorl. »Glauben Sie denn wirklich, das wäre so einfach? Die KOLNYR ist zwar etwas klei ner als unser Schiff, aber sie wird auszubre chen versuchen! Mehr noch! Der Komman dant wird das Feuer eröffnen und blind um sich schießen, wenn er merkt, daß er verlo ren hat! Und was ist, falls Atlan und Aislan der gerade dann zurückkehren, wenn wir im Weltraum sind? Falls sie Hilfe brauchen, die nur wir ihnen geben können?« Thalia steigerte sich in eine wahre Hyste rie hinein. Fälser fragte ruhig: »Glaubst du denn wirklich noch daran, daß er zurückkehrt?« Keine Antwort. Nie mand in der Zentrale sprach ein Wort, denn am Himmel war jetzt die KOLNYR zu er kennen, die von Süden her zur Gewaltlan dung ansetzte.
8. Im Reich der Terzöge Es war noch Nacht, als Atlan, Caahan und Xanderohn-Hert die Burg erreichten. Der Anblick des riesigen Hügels mit den unzäh
ligen Eingängen verschlug dem Arkoniden den Atem. Überall drang Licht aus den Öff nungen. Atlan fiel es schwer, die Größe des »Termitenhügels« abzuschätzen. Vielleicht dreihundert Meter hoch, dachte er. Viel leicht noch mehr. Der Durchmesser der Grundfläche – falls dieser Insektoidenstaat sich nicht noch weit unter der Planetenober fläche fortsetzte, mußte fast einen Kilometer betragen. Der Terzog-Krieger, die die kleine Grup pe anführte, blieb stehen. Man war einem schmalen Pfad gefolgt. Nun verbreiterte er sich und vereinte sich mit weiteren ausgetre tenen Wegen. Der Boden bestand hier fast nur aus weichem, mit Moos und Grasbü scheln bewachsenem Humus. Überall herrschte reger Betrieb. Hatte der Marsch bisher durch scheinbar verlassenes Gebiet geführt, so wimmelte es nun plötz lich von Terzögen. Sie krochen aus den Ein gängen der Burg und aus Trichtern überall im Boden und umringten die Ankömmlinge. Der Krieger, mit dem Xanderohn-Hert »gesprochen« hatte, berührte immer wieder Stellen am Boden, an denen es metallisch schimmerte. Er schien auf Anweisungen zu warten. Dann, nach Minuten, trommelte er vor dem Noot mit den Fühlern die Aufforde rung, ihm weiter zu folgen. XanderohnHert übersetzte. Er war immer noch apathisch – ein Wesen, das sich in sein Schicksal erge ben hatte. Atlan machte sich große Sorgen um ihn. Würde er noch in der Lage sein, mit der Kö nigin zu kommunizieren? Von einer unüberschaubaren Anzahl von Terzögen umgeben, folgten die Gefangenen ihrem Führer bis vor ein großes Tor. Atlan mußte seine bisherigen Eindrücke revidie ren. Dieser Hügel war ein einziges Gebäude. Das Licht, das aus der Öffnung drang, stammte von vielen kleinen an den Wänden angebrachten Leuchtkörpern. Atlan sah merkwürdig geformte metallene Instrumen te, aus denen Kabel ragten und in den Wän den verschwanden. Mehrere Terzog-Krieger
36 mit Speeren und Schlagwaffen in den Vor dergliedmaßen warteten auf die Ankömm linge. Sie wichen zurück oder traten zur Sei te, um ihnen eine Gasse zu bahnen, als sie die Burg betraten. Endlose Gänge – nein, es waren keine ins Erdreich getriebene oder aus Erde und Lehm geschaffene Gänge, es waren mit techni schen Einrichtungen übersäte Korridore. At lan konnte nicht erkennen, aus welchem Ma terial die Wände bestanden. Die Waffen der Terzöge jedenfalls schienen aus Chitin ge fertigt zu sein. Atlan erinnerte sich an die ersten Bilder von diesen »Termitenhügeln«, die er wäh rend des Landeanflugs gesehen hatte. Wie sehr hatte er sich getäuscht. Diese Burg bil dete eine vollkommene Kombination aus dem, was die Natur dieser Welt den Terzö gen lieferte und einer Technik, wie der Ar konide sie hier niemals zu finden erwartet hatte. Je tiefer er in das Bauwerk eindrang, desto größer wurde sein Respekt vor den Eingeborenen von Gooderspall. Nun wunderte es ihn nicht mehr, daß die Noots diesen Insektoiden nicht beikommen konnten. Aber es mußte noch mehr dahinter stecken. Atlan sehnte die Begegnung mit der Königin mehr denn je herbei. Wenn es eine Antwort gab, so konnte nur sie sie geben. Es ging weiter auf das Zentrum der Burg zu. Je näher die kleine Gruppe diesem kam, desto komplizierter zeigte sich die innere Gestaltung des Gigantkomplexes. Atlan sah Belüftungs- und Lichtschächte. Alles war vorhanden. Ein vollkommen autarkes Sy stem. Atlan mußte einfach Bewunderung für diese Kultur empfinden. Er spürte, daß die Terzöge keine Monstren waren, die um des Tötens willen die Noots umbrachten, die sich in ihr Reich vorwagten. Im Gegenteil – Atlan glaubte, etwas von der Tragödie die ses Volkes zu erkennen. Unterjocht, gede mütigt, der Freiheit beraubt. Ausgenützt aus einem Zweck, den der Arkonide noch nicht kannte. Konnte man es den Eingeborenen verdenken, daß sie sich gegen die Unter-
Horst Hoffmann drücker wehrten? Vor einem riesigen Tor in einer Halle mit schimmernden Wänden kam die Gruppe zum Stehen. Atlan wußte, daß er vor der Königinkammer stand. Und er wuß te, daß von den nächsten Minuten alles ab hing. »Demut«, übersetzte Xanderohn-Hert die von Xaant getrommelte Botschaft an je ne, die gleich der Königin gegenüberstehen würden. Dann öffnete sich das Tor.
* Acht bewaffnete Krieger begleiteten At lan, Caahan und Xanderohn-Hert in den rie sigen Raum, bis die drei nur noch wenige Meter vor der Königin standen. Atlan war mehr als beeindruckt. Er hatte auf dem Weg ins Zentrum der Burg verschiedene Arten von Terzögen gesehen – Krieger und Arbei ter. Doch dann gab es nur noch die Königin, fünfmal so groß wie ein Krieger und mit ei nem in allen Regenbogenfarben schillernden Panzer. Die langen Antennen zwischen den großen Facettenaugen bewegten sich leicht. Atlan hatte sekundenlang das Gefühl, regel recht durchleuchtet zu werden. Der Arkonide zwang sich, den Blick von der Königin zu lösen. Er sah sich um. Der Raum war groß, aber fast völlig ohne Ein richtung. Hier gab es keine technischen Ge räte, keine Kontrollen – nur eine metallen schimmernde kreisrunde Fläche von etwa zwei Meter Durchmesser im Boden. Die Krieger warteten. Es sah fast so aus, als erwartete man von Atlan und seinen Be gleitern, die Initiative zu ergreifen. Atlan nahm XanderohnHert beim Arm und rüttelte den Noot leicht. XanderohnHert reagierte kaum. Besorgt fragte Atlan: »Wirst du dich mit ihr unterhalten kön nen?« Atlan hatte erwartet, daß der Noot schrei en, wegrennen oder den Verstand verlieren würde, wenn er die riesige Königin sah. Fast schien das Gegenteil der Fall zu sein. Atlan hörte endgültig auf, sich in dieses labile We sen hineinversetzen zu wollen. Nur eines
Der Spezialkurier zählte jetzt. »Kannst du es?« »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob die Schockpeitsche stark genug ist.« »Versuche es.« Mit unsicheren Schritten ging XanderohnHert auf die Königin zu. Atlan hielt den Atem an, doch die Krieger rührten sich nicht, und auch die Königin wartete ruhig. Sie senkte ihre Fühler und streckte sie dem Noot entgegen. Alles hing nun von ihm ab. Eine falsche Reaktion, und alles wäre umsonst gewesen. Atlan hatte alles riskiert, als er die Waffe weggeworfen und sich so auf Gedeih und Verderb den Insektoiden ausgeliefert hatte. Noch einmal blickte der Noot sich nach Atlan um. Der Arkonide glaubte ein stum mes Flehen in seinen Augen erkennen zu können. Dann, ohne weitere Aufforderung, hob Xanderohn-Hert die Schockpeitsche und berührte die Fühler der Terzog-Königin. Atlan wußte nicht, was der Noot mit sei nen Schlägen mitteilte, aber er nahm an, daß es sich um eine Begrüßungsformel handelte. Er erhielt Gewißheit, als Xanderohn-Hert zurücktrat und die Königin kurz auf den Bo den trommelte. Einen Augenblick war Stille. Der Noot, der noch vor kurzem fast vor Angst gestorben war, wirkte ein weiteres Mal verändert – nicht wieder apathisch, son dern wie unter einem seltsamen Bann. Wieder trommelte die Königin. Diesmal dauerte es länger, bis Xanderohn-Hert sich schließlich umdrehte und sagte: »Sie möchte wissen, warum wir in ihr Reich eindrangen und wer ihr seid. Wesen eurer Art hat sie noch niemals gesehen.« »Sie muß wissen, daß wir Aislander su chen«, murmelte Atlan, mehr zu sich selbst als an den Noot gewandt. »Wir folgten sei ner Spur bis zur Brücke.« Laut sagte er: »Erkläre es ihr. Sag ihr, daß wir in Frie den gekommen sind, um den Spezialkurier des Neffen Chirmor Flog abzuholen. Wir bitten sie, ihn freizugeben, falls er in der Ge walt der Terzöge ist. Und wir …«
37 Wieder machte der Arkonide eine kurze Pause. Was sollte er erklären? Er sah wieder in die großen, aus unzähligen Facetten be stehenden Augen der Königin und spürte, daß es keinen Sinn hatte zu lügen. Er würde die Wahrheit sagen, erklären, daß er und Caahan von weit her gekommen und nicht Verbündete der Noots waren, daß sie im Ge genteil den Spezialkurier Aislander in ihre Gewalt bringen wollten, um über ihn mehr über den Neffen des Dunklen Oheims und die Verhältnisse in der Schwarzen Galaxis zu erfahren – ja, vielleicht sogar zu Chirmor Flog zu gelangen. Atlan diktierte dem Noot, was er zu über setzen hatte. Immer wieder mußte er Pausen machen, damit XanderohnHert mit der Schockpeitsche arbeiten konnte. Die Köni gin ließ die Prozedur geduldig über sich er gehen. Manchmal war es Atlan, als ob er träumte. Er befand sich mitten in der Höhle des Löwen, und das so gefürchtete Reich der Terzöge schien ein Reich des Friedens zu sein. Oft mußte der Arkonide sich ins Ge dächtnis rufen, daß dieser Eindruck trügen konnte. Als letztes ließ er Xanderohn-Hert mittei len, daß auf dem Raumhafen ein Organ schiff mit Wesen wie Caahan stand und dar auf wartete, daß er mit Aislander zurück kehrte. Noch einmal hob er hervor, daß er kein Feind der Terzöge sei und kein Verbün deter der Noots. Wie beim erstenmal, als At lan dies sagte und auch berichtete, daß er und die Besatzung der HORIET nicht im Auftrag Chirmor Flogs gekommen waren, drehte sich auch jetzt Xanderohn-Hert nach ihm um. Unglauben stand in seinen Augen geschrieben. Atlan hätte einiges dafür gege ben, in diesen Momenten die Gedanken des Noots zu kennen. Konnte er überhaupt si cher sein, daß XanderohnHert seine Worte richtig weitergab? Sah der Noot jetzt nicht einen Verräter in ihm? Würde er sich opfern, um die Pläne Atlans, die nicht in Einklang mit den Absichten seiner Artgenossen in der Stadt standen, im letzten Augenblick zu sa botieren?
38 Eine Pause. Wieder fühlte der Arkonide sich von der Königin durchleuchtet. Er frag te sich, ob sie über besondere Fähigkeiten verfügte. Sie war ohne Zweifel sehr intelli gent, aber war es möglich, daß sie telepa thisch begabt war und jeden seiner Gedan ken lesen konnte? Er hätte in diesem Fall nichts zu befürch ten gehabt. Alles, was er ausgeführt hatte, entsprach der Wahrheit. Der einzige Unsi cherheitsfaktor war nach wie vor Xande rohn-Hert. Endlich begann die Königin auf den Bo den zu trommeln. Der Noot übersetzte das Stakkato, und Atlan erschrak. »Sie sagt, daß ihr euch einen schlechten Zeitpunkt für eure Landung auf Gooderspall ausgesucht habt. Es wird Krieg geben. Als erstes wird der Raumhafen angegriffen. Die ser Schlag steht kurz bevor.« Atlan schüttelte ungläubig den Kopf. Caa han stieß einen Laut des Erschreckens aus. Und Xanderohn-Hert redete von dem ge planten Massaker unter seinen Artgenossen, als ob ihn dies überhaupt nichts anginge. Jetzt begriff Atlan. Der Noot war beeinflußt, seitdem er die Fühler der Königin zum er stenmal berührt hatte. Er war nur noch eine Maschine ohne eigenen Willen. Der Aufmarsch! durchfuhr es den Arkoni den. Die Kolonne der Terzöge kurz hinter der Grenze! Sie werden das von den Noots eroberte Land überschwemmen! Jetzt erst wurde er sich bewußt, daß er in der Burg und vor dieser gigantischen Fe stung keinen einzigen geflügelten Terzog gesehen hatte. Vielleicht hielten sie sich jetzt schon bereit, sich selbstmörderisch auf das Landefeld und auf die ganze Stadt zu stürzen. »Aber das ist Wahnsinn!« entfuhr es At lan. »Sage ihr, daß …« »Sie wird jetzt nicht weiter darüber spre chen.« Xanderohn-Hert benutzte erneut die Schockpeitsche, ohne von Atlan instruiert worden zu sein, und er erhielt Antwort. All mählich wurde er Atlan unheimlich. »Du wolltest den Spezialkurier finden. Du
Horst Hoffmann wirst ihn sehen.« Die Fühler der Königin berührten die run de Metallfläche im Boden. Minuten des Wartens. Dann öffnete sich die große Tür wie von Geisterhand, und drei Arbeiter brachten etwas in die Kammer der Königin, mit dem Atlan im ersten Moment nichts anfangen konnte. Dann erst sah er, daß es sich um einen etwa mannshohen wei ßen Kokon handelte. Die Terzöge setzten ihn wenige Meter neben Atlan ab. »Das«, erklärte Xanderohn-Hert, »ist der Spezialkurier des Neffen – Aislander.«
*
Atlan stieß einen Schrei aus. Das Grauen drohte ihn zu überwältigen, als er begriff, was er hier vor sich sah. In dem Kokon steckte Aislander – völlig unsichtbar, doch noch am Leben. An einigen Stellen bewegte das Gebilde sich. Aislander mußte Höllen qualen leiden, verzweifelt versuchen, sich zu befreien, vielleicht die Nähe von Wesen spüren, die gekommen waren, um ihn sei nem grausamen Schicksal zu entreißen. Der Tod wäre gnädiger gewesen. Was hatten die Terzöge mit Aislander vor? Wieso war er nicht längst erstickt? Bevor Atlan auffahren und seiner Empö rung Luft machen konnte, begann die Köni gin wieder zu trommeln. Außer den Fühlern bewegte sich nichts an ihr. Auch die Krieger hatten ihre Positionen nicht verlassen. Ein Bild des Friedens, dachte Atlan bitter. Welch ein Friede! Vielleicht überschwem men die Armeen der Terzöge jetzt schon das Gebiet der Noots. »Die Königin kennt deine Gefühle, At lan«, sagte Xanderohn-Hert wieder so ruhig, als ob ihn Aislanders Schicksal nichts angin ge – ein Schicksal, das auch ihm, Atlan und Caahan schon längst zugedacht sein konnte. »Sie möchte nun ihrerseits eine Erklärung abgeben, bevor sie über unser Schicksal ent scheidet. Sie bittet dich zuzuhören.« Doppelzüngigkeit! dachte der Arkonide. Verlorene Zeit! Er sah sich wieder um. Er
Der Spezialkurier mußte hier heraus, und zwar mit Caahan, dem in höheren Regionen schwebenden Noot und Aislander. Aber wie? Der einzige Eingang zur Kammer der Königin wurde streng bewacht. Vor der Tür drängten sich Hunderte, vielleicht Tausende von Terzö gen. Doch dann begann die Königin zu berich ten. Immer wieder mußte sie Pausen einle gen, in denen der Noot übersetzte. Atlan hörte zu, unwillig zuerst, dann immer faszi nierter. Er erhielt eine weitere Vorstellung von dem Leid, das Noots und Leute wie Ais lander über die Urbevölkerung von Gooder spall gebracht hatten. Begonnen hatte alles mit den ersten Lan dungen von Organschiffen. Die Noots hatten den Raumhafen und die Stadt errichtet, die Burgen der Terzöge verbrannt und ihre Brut getötet. Die Terzöge hatten fliehen müssen und gelernt zu kämpfen. Einige Zeit nachdem die Noots gelandet waren, erschienen die ersten Spezialkuriere des Neffen Chirmor Flog. In ihrem Auftrag wurde das von den Königinnen ausgeschie dene Drüsensekret geraubt. Wenn ein Staat sich sträubte, es herauszugeben, wurde er vernichtet. Bald gab es jenseits der heutigen Grenze keine einzige Burg der Terzöge mehr. Plötzlich hörten die Noots auf, weiter vor zudringen. Sie schonten die Burgen außer halb des von ihnen besetzten Gebiets. Wa rum dies so war, ließ sich nur vermuten. Ir gend jemand, von dem die Noots ihre Befeh le erhielten, brauchte das Sekret, zu wel chem Zweck auch immer. Hierüber konnte die Königin keine Aussage machen. Jeden falls war dies der Grund dafür, daß es den Noots strengstens verboten war, die Burgen jenseits der Grenze vom Weltraum aus anzu greifen und zu vernichten. Die Königinnen mußten am Leben bleiben, um das Sekret zu produzieren. Statt der Raubkommandos der Noots wa ren in der letzten Zeit Spezialkuriere wie Aislander gekommen, um mit den Eingebo renen des Planeten zu »verhandeln«. Sie wa
39 ren meist in der Lage, sich auch ohne Schockpeitschen mit den Terzögen zu ver ständigen. Deshalb auch der Name »Universalredner«. Eine solche Verhand lung sah so aus, daß die Terzöge vor die Wahl gestellt wurden, entweder das Sekret abzugeben oder vernichtet zu werden. Die Fremden benutzten die anderen, über den ganzen Planeten verteilten Burgen jeweils als Druckmittel. Kein Staat war unersetzlich. »Was hat es mit diesem Sekret auf sich?« unterbrach Atlan. Xanderohn-Herts Schock peitsche schlug wieder sanft gegen die lan gen Fühler der Königin. Immer mehr ge wann Atlan den Eindruck, daß diese beiden grundverschiedenen Wesen inzwischen längst zu einer geistigen Einheit verschmol zen waren. Es war paradox: Auf der einen Seite der Noot, der vor einem Tag schon bei dem Gedanken an eine Begegnung mit den freien Terzögen fast den Verstand verloren hatte, auf der anderen Seite die Herrscherin über jene Wesen, die die Noots wie die Pest fürchteten. Die Antwort: »Es wird von der Königin ausgeschieden und dient ihrem Volk zur Duftbestimmung und damit für eine verfeinerte Kommunika tion. Wesen unserer Art würden nie verste hen können, wie wertvoll dieses Sekret für die Terzöge ist. Ohne es sind sie zwar le bensfähig, aber in mancher Hinsicht wie ge lähmt. Die Terzöge leiden furchtbar darun ter, daß das Sekret in den letzten Jahren im mer wieder abgeholt wurde. Deshalb haben sie beschlossen, nichts mehr abzugeben und sich zu wehren, auf die Gefahr ihrer Ver nichtung hin.« »Aber was bedeutet den Noots oder Chirmor Flog das Sekret?« Wieder die Schläge mit der Schockpeit sche. Wieder das Trommeln. »Niemand weiß es. Aber die Terzöge sind entschlossen, nichts mehr abzugeben. Alles Sekret, das seit dem letzten Besuch Aislan ders produziert wurde, ist gut versteckt und in Sicherheit.« Zusammenhänge, die schwer zu begreifen waren. Wahrscheinlich war Gooderspall
40 Millionen von Jahren lang eine friedliche Welt gewesen – bis die Noots kamen, im Auftrag des Neffen Chirmor Flog, der wie derum auf eine noch unbekannte Art und Weise mit dem Dunklen Oheim in Verbin dung stand. »Aislander«, hörte Atlan sich sagen. »Was bedeutet er für die Terzöge?« Der Arkonide kannte die Antwort, bevor der Noot sprach. »Er ist eine Geisel. Niemand wird es wa gen, diese Burg anzugreifen, solange er hier vermutet wird.« Atlan wollte weitere Fragen stellen, un endlich viele. Dies alles drohte ihm über den Kopf zu wachsen. Aislander, das Schicksal der Terzöge, das Sekret und dessen Bedeu tung für Chirmor Flog … Er kam nicht dazu. Vorerst nicht … Zum erstenmal seit Betreten der Kammer bewegte sich die Königin. Ihr Körper drehte sich, bis ihre Fühler genau auf den Arkoni den zeigten. Dann berührten sie die Schläfen des Un sterblichen. Atlan versank in einer anderen Welt, einer Welt aus Bildern, Farben und Formen. Das, was Xanderohn-Hert ihm akustisch übermit telt hatte, sah er nun plastisch vor sich. Und mehr. Er spürte die aufgewühlten Gefühle eines Volkes in sich, das bereit war, alles zu ge ben, um die Freiheit zurückzugewinnen. Er »sah« den Aufmarsch der Krieger und Ar beiter der Terzöge aus vielen Staaten rings um jenes Gebiet, das sie das Besetzte Land nannten. Und Atlan wußte plötzlich mit ab soluter Sicherheit, daß die Flugterzöge schon jetzt in der Luft waren, um den Raum hafen anzugreifen. Überall im Besetzten Land waren die Agenten aus ihren Ver stecken gekommen oder hatten ihre Tarnung als Überläufer fallengelassen. »Das ist Wahnsinn!« schrie der Arkonide. »Ihr habt doch keine Chance! Selbst wenn ihr die Noots vernichten könnt, werden an dere kommen, um sie zu rächen, andere, die das Sekret rauben werden! Eure Welt ist
Horst Hoffmann nicht isoliert! Es gibt Millionen von Plane ten in diesem Sternenreich, von denen aus man furchtbare Rache an euch nehmen wird! Hört mit diesem Wahnsinn auf, solange es nicht zu spät ist!« Es gibt keine andere Möglichkeit, emp fing er. Zu oft sind wir betrogen und verletzt worden. Mein Volk und alle anderen Völker auf dieser Welt sind bereit, lieber zu sterben, als weiterhin in Sklaverei leben zu müssen. »Es muß einen Ausweg geben!« stieß At lan hervor. »Ihr habt uns nicht getötet, also wißt ihr, daß wir nicht eure Feinde sind. Vertraut mir und meinen Freunden. Wir kämpfen gegen jene, die in Wirklichkeit an eurem Leid schuld sind. Die Noots, die ihr Besatzer nennt, führen nur Befehle aus. Auch sie leben in Angst und sind unfrei. Aber sie würden euch schonungslos ausrot ten, falls ihr sie angreifen würdet. Ein Funk spruch genügt, und Dutzende von Organ schiffen werden in kurzer Zeit am Himmel stehen.« Das Sekret schützt uns. Niemand wird wagen, unsere letzten Burgen anzugreifen. »Doch! Es gibt so viele Staaten auf eurem Planeten, daß alle bis auf wenige vernichtet werden können. Ich nehme doch an, daß je de Königin dieses Sekret produziert.« So ist es. »Eben! Befehle den Kriegern, zur Burg zurückzukehren! Nimm Verbindung zu den anderen Königinnen auf. Ihr könnt die Noots alle umbringen und ihre Anlagen zerstören, aber an ihre Stelle werden andere treten. Es gibt nur einen Weg zur Freiheit.« Atlan zö gerte einen Augenblick. Dann fragte er: »Vertraust du mir?« Diesmal erhielt der Ar konide keine Antwort. Er hatte den Ein druck, daß die Königin, deren Fühlerenden immer noch auf seinen Schläfen lagen, sich selbst nicht ganz im klaren darüber war, was sie von ihren »Gästen« zu halten hatte. »Wir haben die gleichen Interessen«, drängte Atlan. »Die gleichen Feinde. Um zu den wirklich Verantwortlichen zu gelangen, muß ich den Spezialkurier Aislander haben – und das Sekret. Ich verspreche euch, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um euch
Der Spezialkurier zu helfen. Ihr werdet noch eine Zeitlang zu leiden haben, aber es wird der Tag kommen, an dem die Besatzer von dieser Welt ver schwinden, ohne daß ein einziger von euch sterben muß. Gib mir Aislander und das von ihm verlangte Sekret, wenn du mir ver traust.« Das kann ich nicht, wir brauchen es. »Ihr habt es schon so oft abgeben müssen. Noch einmal nur. Das ist die einzige Chan ce, in Zukunft nicht mehr ausgeraubt zu werden. Ein letztes Opfer!« Atlan hatte sich in eine Erregung hinein geredet, die ihn vor sich selbst erschrecken ließ. Wieder blieben die Impulse der Köni gin für fast eine Minute aus. Schon glaubte Atlan, alles verspielt zu haben, zu schnell auf die Herausgabe des Spezialkuriers und des geheimnisvollen Sekrets gedrängt zu ha ben. Endlich hörte er wieder die lautlose Stim me in seinem Bewußtsein. Bist du bereit, dich mir vollkommen zu öffnen? Es dauerte einen Moment, bis der Arkoni de begriff. Es gab nur noch ihn und die Kö nigin. Alles andere schien in einer anderen Welt zu existieren. Hatte sie nicht längst all seine Gedanken erfaßt? »Wenn es hilft, dir meinen guten Willen klarzumachen, ja.« Atlan spürte keine Veränderung. Dies al les war zu fremd für ihn. Er versuchte nicht mehr zu begreifen, was in diesen Momenten zwischen ihm und der Königin vorging. Er wußte nur, daß sie allein über sein Schicksal bestimmen würde, daß alles davon abhing, wie sie sich entscheiden würde. »Was soll ich tun?« fragte er. Du mußt nur bereit sein. »Ich bin bereit.« Atlan hatte noch nicht ausgesprochen, als er in einem Meer aus Schwärze versank. Es gab keinen Halt. Er spürte nichts mehr, war nicht mehr er selbst. Irgend etwas geschah mit ihm, und wie schon einmal in Gynsaal waren weder der Zellaktivator noch der An zug der Vernichtung Schutz gegen das, dem
41 er nun ausgesetzt war. Xanderohn-Hert war von der gleichen Starre befallen wie der Arkonide, obwohl er nicht mehr in direktem Kontakt mit der Kö nigin stand. So sah nur Caahan, der Dello, welche Veränderung mit dem Kokon vor ging, in den der Spezialkurier Aislander ein gesponnen war. Er hörte auf, sich zu bewegen. Entweder war auch Aislander vorüberge hend erstarrt, oder er war tot – erstickt, durch parapsychische Impulse getötet wor den. Caahan wagte nicht, Atlan darauf auf merksam zu machen. In diesen Augenblicken, das wußte der Dello, wurde nicht nur über sein und Atlans Schicksal entschieden. Es ging um viel mehr. Und Atlan bewegte sich nicht. Nur die Fühler der Königin zitterten leicht.
9. Der Raumhafen – und die KOLNYR Es waren schreckliche Minuten. Die KOLNYR raste auf den Hafen zu. Der An blick jagte Thalia einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Immer näher kam das Organschiff. Immer tiefer sinkend, schoß es auf das Landefeld zu, ohne die Ge schwindigkeit merklich zu verringern. Ky nomon-Morl schrie auf. Das konnte niemals gutgehen. Minutenlang stand die Hälfte der HORIET-Besatzung wie versteinert vor den Bildschirmen. Die anderen Dellos und die Noots hielten Verbindung mit den Kontroll türmen. Ein Gedanke beschäftigte sie alle. Es mußte unter allen Umständen verhindert werden, daß das, was sich an Bord der KOLNYR breitgemacht hatte, nach außen dringen konnte. Bei einer Bruchlandung würde das Organschiff mit Sicherheit aus einanderbrechen, daran konnte auch die rela tiv flexible organische »Haut«, die die tech nischen Einrichtungen umschloß, nichts än dern. Die Fesselfeld-Projektoren waren in zwischen herangefahren worden. Aber was
42 würden sie noch nützen können, falls die KOLNYR ihre Geschwindigkeit nicht ver ringern und auf dem Raumhafengelände oder irgendwo in der Stadt aufschlagen und zerschellen würde? Vielleicht war gerade das die Absicht des sen, was die Besatzung des Schiffes lenkte. Kynomon-Morl war zum Schein auf die Forderung des Kommandanten eingegangen. Von überallher kamen Noots zusammenge strömt und versammelten sich vor den Kon trollgebäuden. Es gab Tumulte. Die Ord nungskräfte hatten alle Hände voll zu tun, um die verängstigte Menge in Schach zu halten. Die Noots wurden so postiert, daß es vom Landefeld her aussehen mußte, als sei eine weit größere Zahl von ihnen zusam mengetrieben worden. Dann kam der alles entscheidende Augen blick. Nur wenige Kilometer vor dem Landefeld bremste die KOLNYR mit unglaublichen Werten ab. Dies war kein Manöver, wie es irgendein Raumfahrer, der nur halbwegs bei Sinnen war, ausführen würde. Das, was auf den Ortern, den auf Optik geschalteten Schirmen und den Anzeigen zu sehen war, bestätigte das, was Fälser gesagt hatte. Irgend etwas Unheimliches lenkte die KOLNYR. Die Besatzung bestand nur noch aus Marionetten – falls es überhaupt noch eine Besatzung gab. Der Kommandant hatte sich nicht mehr gemeldet. Das immer wieder ausgestrahlte Ultimatum kam von einem Speicherband. »Es reicht nicht!« schrie Thalia. »Sie stür zen ab! Sie …« Die KOLNYR schien plötzlich einfach in der Luft zu stehen. Jetzt wurde endgültig klar, daß weder Staah'Col noch ein anderes lebendes Wesen von der Art, wie Thalia es kannte, irgendwelchen Einfluß auf das Or ganschiff hatte. Die KOLNYR landete am Rand des Raumhafens, und mit ihr das Unbekannte. »Leisten Sie keinen Widerstand!« hallte Kynomon-Morls Stimme im gleichen Au genblick durch die Zentrale der HORIET.
Horst Hoffmann Thalia glaubte nicht recht zu hören. Die Del los fuhren herum und starrten ungläubig auf die Strahlwaffen in den Händen der drei Noots. »Werfen Sie ihre Waffen vor mir auf den Boden. Keine Dummheiten. Sie werden die KOLNYR von Gooderspall fortschaffen. Wir haben Krieg.«
* Thalia war den Tränen nahe. Die Dellos sahen sie fragend an, dabei hatte sie ebenso wenig eine Erklärung für das, was den Noot plötzlich trieb, wie alle anderen. Sie wußte nur eines. Dieser Mann scherzte nicht. Den noch versuchte sie einen letzten Bluff. »Sie werden nicht wagen, auf uns zu schießen! Denken Sie daran, weshalb wir hier sind! Außerdem wird niemand in der Lage sein, die HORIET zu fliegen, wenn Sie uns töten.« »Die Waffen!« Kynomon-Morl schien die Worte der Odinstochter überhaupt nicht ge hört zu haben. »Werfen Sie sie auf einen Haufen!« Sekundenlang kämpfte Thalia um ihre Beherrschung. Es war nur eine Annahme, daß es auf Gooderspall niemanden gab, der Organschiffe fliegen konnte. Daß es nur die vergleichsweise primitiven Raumschiffe der Noots auf dem Raumhafen gab, bewies überhaupt nichts. Thalia sah ein, daß sie im Moment nur eines tun konnte. Sie mußte der Aufforderung des Oberbefehlshabers nach kommen, um Zeit zu gewinnen. Ein flüchtiger Blick auf die Schirme. Am Rand des Hafens stand die KOLNYR, um sie herum die fahrbaren Projektoren, die das Organschiff regelrecht einfroren. Nichts in ihm konnte sich bewegen, solange die Ener gie der Projektoren reichte. Und dann? Thalia stieß eine Verwünschung aus, die Kynomon-Morl unbeeindruckt ließ. Ihre Waffe landete vor den Füßen des Noots. Diejenigen der Dellos, die ebenfalls über Waffen verfügten, folgten ihrem Beispiel. Kynomon-Morl gab einem seiner Begleiter
Der Spezialkurier ein Zeichen. Der Noot sammelte die Waffen ein und verschwand mit so vielen aus der Zentrale, wie er gerade tragen konnte. Als er zum letztenmal zurückgekommen und wie der verschwunden war, trat Kynomon-Morl vor einen kleinen Bildschirm. Der Monitor wurde hell und zeigte das Raumhafengelän de direkt vor der HORIET. Thalia sah die Waffen am Boden liegen und in einem Blitz vergehen, als der Noot von der Schleuse aus schoß. »Sie sind verrückt!« fuhr die Odinstochter Kynomon-Morl an. »Was nützt Ihnen das? Ich werde niemals den Befehl geben, mit der HORIET zu starten, solange Atlan nicht zu rück ist. Der Spezialkurier …« »Der Spezialkurier ist tot!« KynomonMorl zitterte leicht. Angst oder Zorn? »Und Atlan auch! Niemand überlebt Tage oder gar Wochen im Reich des Feindes. Die Terzöge greifen die Außenbezirke der Stadt an. Ihre Flieger stürzen sich in die Gebäude. Wir ha ben Krieg, und die KOLNYR bedeutet jetzt ein noch größeres Risiko. Wir haben Mittel, um Sie zu zwingen, Ihre Meinung zu än dern. Ersparen Sie mir, sie anzuwenden. Starten Sie. Meine Begleiter und ich bleiben an Bord. Starten Sie, oder wir zwingen Sie dazu. Notfalls werden meine eigenen Leute die HORIET steuern. Es gibt genug von ih nen, die mit einem Organschiff umzugehen verstehen.« Die Wahrheit? Thalia hätte viel dafür ge geben, im Gesicht ihres Gegenübers lesen zu können. »Ich glaube ihm«, sagte Fälser. »Wir ha ben keine Wahl. Starten wir, Thalia. Versu chen wir, die KOLNYR in den Weltraum zu schleppen, bevor sie …« »Es hat doch keinen Sinn!« schrie die Odinstochter den Dello an. »Was immer in der KOLNYR sitzt, wird mit der ganzen Trieb werksleistung gegensteuern, auf die Stadt schießen, sich vielleicht sogar auf die Stadt oder den Raumhafen stürzen, wenn es merkt, daß es verloren hat!« Ausflüchte. Thalia ging es nicht wirklich um die Noots. Atlan und Caahan konnten
43 nicht tot sein! Es durfte einfach nicht sein. Es war ihr in diesen Augenblicken egal, ob sie mit oder ohne den Spezialkurier zurück kehren würden, wenn sie nur endlich kämen. Zeit, eine letzte Frist! Vielleicht reichten Stunden … »Warten Sie, bis die Energie der Projekto ren erschöpft ist«, preßte Thalia hervor. »Ich verspreche Ihnen, daß wir dann versuchen werden, die KOLNYR von Gooderspall wegzuschaffen. Geben Sie uns diese Zeit noch. Wir …« »Wir starten sofort!« Kynomon-Morl hob den Strahler und zielte auf einen Dello. »Ich warnte Sie. Ich werde einen Mann nach dem anderen erschießen, bis Sie vernünftig wer den!« Wieder zitterte der Noot. Plötzlich schrie er: »Sehen Sie denn nicht, was hier vorgeht? Wir wollen leben!« Jetzt war für Thalia klar, daß es pure Angst war, Panik, die den Noot trieb. Kyno mon-Morl war nicht so ruhig, wie er sich gab. Er war zu allem fähig. Verzweifelt suchte Thalia nach einem Ausweg. Kyno mon-Morls Finger krümmte sich um den Abzug der Waffe, als Bronniter-Vangs Stim me in der Zentrale hallte. »Töten Sie zuerst mich, Kynomon-Morl!« Der Noot fuhr herum. »Was soll das heißen?« »Als Galionsfigur bin ich für Sie wertlos. Ich werde nicht mit Ihnen zusammenarbei ten und die HORIET von Gooderspall weg manövrieren. Wenn Sie starten wollen, brau chen Sie eine Galionsfigur. Lassen Sie mich ablösen. Ich bin wertlos für Sie. Nur von At lan nehme ich Befehle an.« Thalia hatte das Gefühl, von den Blicken des Noots durchbohrt zu werden, als dieser sich wieder an sie wandte. »Das ist eine Lüge!« Kynomon-Morl zit terte immer stärker. Er verlor nun zusehends die Kontrolle über sich. »Keine Galionsfigur darf sich gegen Befehle sträuben.« »Sie haben gehört, was Bronniter-Vang sagte.« Kynomon-Morl stieß schrille Laute aus und beriet sich mit seinen Begleitern. Thalia
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hielt den Atem an. Sie war Bronniter-Vang unendlich dankbar und zweifelte keinen Au genblick daran, daß seine Weigerung ernst gemeint war. »Also gut«, sagte der Oberbe fehlshaber der Noots endlich. »Wir warten noch, bis die Energie der Projektoren sich zu erschöpfen beginnt. Dann wird die HORIET starten – mit oder ohne Galionsfigur.« Was das bedeutete, war Thalia klar. Dort drüben, kaum mehr als zwei Kilometer ent fernt, stand die KOLNYR. In ihr war etwas, von dem Thalia sich nicht einmal eine vage Vorstellung machen konnte. Sie wußte nur, daß es gekommen war, um die Bevölkerung Gooderspalls zu versklaven – und sie selbst. In den Außenbezirken der Stadt kämpften die Noots gegen die Terzöge. Was nun, wenn die Noots längst einen Hilferuf abge strahlt hatten? Wie lange würde es dauern, bis die ersten Organschiffe mit Streitkräften Chirmor Flogs am Himmel standen? Konnte sie sich darauf verlassen, daß die Noots sich nicht an den Neffen werden würden, weil sie direkt oder indirekt dafür verantwortlich wa ren, daß Aislander nicht zurückgekehrt war? Lebte Atlan noch? Fragen über Fragen. »Wann wird der Energievorrat erschöpft sein?« »In knapp fünf Stunden«, sagte Kyno mon-Morl.
10. Im Reich der Terzöge. Der Krieg war vorbei, bevor er richtig be gonnen hatte. Im gleichen Augenblick, in dem die Königin ihre Fühler von Atlans Schläfen löste, stellten die fliegenden Terzö ge im Besetzten Land ihre Angriffe ein. Sie zogen sich zurück. Die Agenten, die die Nervenzentren der Station lahmlegen soll ten, kehrten in ihre Schlupfwinkel zurück. Die überall an der Grenze aufmarschierten Insektoiden erhielten den Befehl zum Rück zug – eine aus vielen Tausenden Kriegern und Arbeitern bestehende Armee.
Davon ahnte Atlan noch nichts. Es war, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwachte. Er sah die Königin vor sich, dann Caahan und Xanderohn-Hert. Und der Noot war es, der die seltsame Unterhaltung wieder fortführte. Atlan erin nerte sich an alles, was geschehen war, be vor die Königin ihn gefragt hatte, ob er be reit sei, sich ihr zu »öffnen«. Was danach mit ihm passiert war, lag im Dunkel. »Dort, Atlan«, flüsterte Caahan und deu tete auf den Kokon mit Aislander. Keine Be wegung. Nichts, was darauf hindeutete, daß der Spezialkurier noch lebte. Die Königin begann wieder mit den lan gen Fühlern auf den Boden zu trommeln. Es mußte eine lange Botschaft sein, denn es dauerte Minuten, bis Xanderohn-Hert sich zu rühren begann und sich Atlan zuwandte. Die Königin hatte ihre Entscheidung ge troffen. Atlans Augen tränten vor Erregung. Er wußte, daß das, was er jetzt hören würde, endgültig sein würde. »Die Terzöge werden dieses letzte Opfer bringen«, begann der Noot. »Die Königin hat erkannt, daß sie dir und deinen Helfern vertrauen kann. Sie weiß nun, daß ihr eben so um eure Freiheit kämpft wie sie und ihr Volk und daß du dein Versprechen halten wirst, alles zu tun, um die Terzöge vom Joch der Noots und ihrer Auftraggeber zu befrei en.« Xanderohn-Hert machte eine kurze Pause. Atlan schüttelte den Kopf. Er, der Noot, sprach von seinen Artgenossen wie von Fremden. Wußte er überhaupt, was er sagte? »Der Spezialkurier des Neffen lebt. Ihr werdet ihn mitnehmen und aus dem Kokon befreien können, sobald ihr mit eurem Schiff diese Welt verlassen habt. Auch das Sekret wird euch übergeben werden. Es soll euch zum Neffen führen.« »Uns?« fragte Atlan. »Du redest nur von uns.« »Ich werde hier in der Burg bleiben. Viel leicht kommt der Tag, an dem ich dazu bei tragen kann, das Unrecht wiedergutzuma chen, das dem Volk der Terzöge widerfah
Der Spezialkurier ren ist.« Atlan stieß die Luft aus. War das wirklich noch Xanderohn-Hert, der Feigling, der vor Angst fast gestorben wäre, als das Raupen fahrzeug sich der Grenze zum Reich der Terzöge näherte? Xanderohn-Herts Gesicht veränderte sich. Atlan glaubte, daß der Noot lächelte. »Ich weiß, was du jetzt denkst, Atlan, aber ich bin Herr meiner Gedanken. Der Kontakt mit der Königin hat etwas in mir verändert, aber ich weiß, daß es gut ist. Ihr müßt euch beeilen. Die Krieger werden euch in eine Kammer am Rand der Burg bringen, wo ihr ein Fahrzeug finden werdet, das euch schnell zum Raumhafen zurückbringt. Ihr müßt euch beeilen. Euren Gefährten droht große Gefahr.« »Woher weißt du … weiß die Königin das?« fragte der Arkonide schnell. »Was ist auf dem Landefeld los? Ist die KOLNYR da?« »Das weiß die Königin nicht. Sie spürt nur die Ausstrahlungen des Wesens Thalia. Du wirst es nicht verstehen können. Die Sinne der Königin reichen weit ins Land hinein. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, daß wir lebend hierhergelangten. Sie kann spüren, und sie spürte, daß ihr nicht zu den jenigen gehört, die immer wieder kommen, um das Sekret zu rauben.« »Aber wozu dann dieses … dieses Verhör eben?« »Der Kontakt zwischen dir und ihr? Es war kein Verhör. Sie spürte, daß ihr nicht wart wie die, die immer wieder vom Him mel herabkamen. Aber sie mußte sich Klar heit über eure wirklichen Motive verschaf fen. Deshalb der Körperkontakt. Bitte, frage nicht weiter. Das Fahrzeug wartet. Ihr wer det es steuern können. An Bord befindet sich das Sekret. Aislander wird mit euch zu ihm gebracht werden. Geht jetzt.« »Aislanders Raupenfahrzeug?« fragte At lan. »Nein. Es befindet sich zwar auch in der Burg, aber es wäre zu langsam. Über den Landweg würdet ihr die HORIET nicht
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mehr rechtzeitig erreichen.« Atlan sah ein, daß es keinen Sinn hatte, weitere Fragen zu stellen. Dennoch fühlte er sich unzufrieden. Alles ging zu schnell. Er hatte eine Hölle erwartet und Freunde gefun den. Noch einmal berührten die Fühler der Kö nigin seine Schläfen. Atlan empfing Ein drücke. Abschied, Dank und Besorgnis. Angst vor einem unbekannten Gegner und um Atlan, der diesem Gegner früher oder später gegenüberstehen würde. Ein Name: Chirmor Flog. Atlan kam erst wieder richtig zu sich, als er sich schon in der Kammer mit dem Glei ter befand. Die Krieger warteten im Hinter grund, während einige Arbeiter den Kokon mit Aislander an Bord brachten. Xanderohn-Hert stand neben dem Arkoni den. Er hielt einen wabenförmigen Behälter mit einer grünlichen Flüssigkeit darin in den Klauenhänden. »Das Sekret«, sagte der Noot und stellte den Behälter wieder in eine Vertiefung zwi schen den beiden Schalensitzen des Gleiters. Es war ein Fahrzeug, wie Atlan es niemals zuvor gesehen hatte. »Wem gehört es?« fragte der Arkonide. »Es ist von den Terzögen erbeutet wor den. Einer jener Männer, die kamen, um das Sekret zu rauben, benutzte es. Er ist tot. Es war das erstemal, daß die Terzöge sich wei gerten, das Sekret herauszugeben. Dann ka men jene, die verhandelten, wie sie es nann ten.« Wie wertvoll muß dieser Stoff für Chirmor Flog sein! dachte Atlan wieder. Wie wert voll, wenn der Neffe sogar auf eine Strafex pedition verzichtet hatte. Atlan und Caahan nahmen in den Scha lensitzen hinter den Kontrollen Platz. Unver mittelt öffnete sich ein großes Tor in der Wand der Burg, groß genug, um den Gleiter passieren zu lassen. Xanderohn-Hert sah dem Fahrzeug nach, als es ins Freie schoß und zu einem der schwach leuchtenden Punkte am Nachthim mel wurde, um schließlich ganz zu ver
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schwinden. Dann kehrte er zur Königin zu rück und erstattete Bericht. Vielleicht werden sie uns wirklich die Freiheit bringen können, empfing er beim Körperkontakt. Xanderohn-Hert war im Ge gensatz zum ersten Kontakt nicht in halbwa chem Zustand, sondern er selbst, ein Indivi duum, gleichberechtigt mit der Königin. Ge danken und Gefühle wurden ausgetauscht. Die Königin hatte versucht, Aislander auszuhorchen, bevor er in den Kokon einge sponnen wurde. Sie hatte nicht sehr viel aus ihm herausholen können. Sie wußte nur, daß es viele Welten gab, auf denen Wesen unter drückt wurden, die niemanden etwas getan hatten. Ein Name hatte sich ihr für immer eingeprägt. Chirmor Flog. Das war fast schon alles, was sie wußte. Selbst bei intensivem Körperkontakt hatte Aislander keine Informationen preisgege ben, nichts, das darauf schließen ließ, wozu Chirmor Flog das Sekret so dringend brauchte. Vielleicht würden Atlan und seine Ge fährten hinter das Geheimnis kommen. Viel leicht – wenn sie lange genug lebten.
11. Der Raumhafen – und der Weg ins
Ungewisse
Die Zeit verstrich – Stunde um Stunde. Die Noots draußen vor den Kontrolltürmen wurden immer nervöser. Ebenso verhielt es sich mit Kynomon-Morl und seinen beiden Begleitern, und das, obwohl der Oberbe fehlshaber selbst, vor etwa einer Stunde er klärt hatte, daß die Terzöge ihre Angriffe eingestellt und sich zurückgezogen hätten. Welche Angst mußten die Besatzer vor den Eingeborenen haben, wenn sie selbst jetzt noch an eine Falle glaubten. Bei der KOLNYR rührte sich nichts. Doch der Hauch des Todes war bis in die Zentrale der HORIET hinein spürbar. Die Minuten verrannen. Wo blieben Atlan und Caahan?
»Es hat keinen Sinn mehr zu warten«, sagte Fälser zu Thalia, als die drei Noots wieder in Verbindung mit ihren Artgenossen in den Kontrollgebäuden standen. »Wir dür fen nicht länger warten. Laß uns starten und die KOLNYR in den Weltraum bringen. Wenn sie vernichtet ist, können wir zurück kehren und mit der HORIET ins Reich der Terzöge eindringen. Falls Atlan, Caahan und der Noot noch am Leben sind, werden wir sie finden. Vielleicht war es unser Fehler, daß wir nicht gleich mit dem Schiff …« »Wie willst du sie von hier wegbringen, ohne daß gerade das eintritt, was verhindert werden soll?« fragte die Odinstochter mit ausdruckslosem Gesicht. Thalia hatte resi gniert, wie es schien. »Sobald die Projekto ren ausgeschaltet werden oder die KOLNYR aus dem Fesselfeld herausgerissen wird, wird dieses … dieses Etwas an Bord Amok laufen.« »Vielleicht auch nicht.« Thalia sah den Dello zweifelnd an. Sie schüttelte den Kopf. »Wie meinst du das? Es wird …« »Es braucht die Besatzung des Organ schiffs, um das Schiff steuern oder Schleu sen öffnen zu lassen – Hände, die die Kon trollen bedienen. Ich glaube nicht, daß noch ein einziges Besatzungsmitglied am Leben ist. Die Gewaltmanöver vor und während der Landung kann kaum jemand überstan den haben.« »Eine verrückte Hoffnung«, murmelte Thalia. Wie hoch waren die Chancen für die Richtigkeit von Fälsers Annahme? Was im mer die nächsten Minuten und Stunden brin gen würden – es war ein Spiel mit dem Feu er. Thalia wußte ja nicht einmal, wie die Wesen aussahen, die die KOLNYR geflogen hatten. Krank, wahnsinnig, nicht mehr sie selbst. War es die Absicht des Kommandan ten Staah'Col gewesen, außer dem Ultima tum keinen Kontakt zur HORIET oder den Bodenstationen aufzunehmen? Erst jetzt wurde dieses merkwürdige Verhalten Thalia bewußt. Warum kein Sichtkontakt? Hatte
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die Besatzung der KOLNYR Angst davor? Angst, sich so zu zeigen, wie sie durch das Unbekannte an Bord geworden war? Die Odinstochter sah sich vor die schwer ste Entscheidung ihres Lebens gestellt. Nein, Fälser fiel ihr nicht in den Rücken. Er dachte nur logischer, während sie sich weitgehend von Gefühlen leiten ließ. Die schwerste Entscheidung ihres Lebens – und der vielleicht glücklichste Augenblick ihres Lebens, als Kynomon-Morl sich plötz lich vom Funkgerät abwandte und auf sie zukam. Schon dachte Thalia, daß er nun wieder die Waffe ziehen und zum letztenmal fordern würde, endlich zu starten. Doch der Noot sagte nur: »Soeben erhielt ich die Meldung, daß sich ein unbekanntes Flugobjekt vom Reich der Terzöge her mit großer Geschwindigkeit nä hert, und zwar aus jener Richtung, in der Aislanders Ziel lag.« Fast im gleichen Augenblick rief Branor: »Wir werden angefunkt! Es ist … es ist Atlan! Wir sollen alle Startvorbereitungen treffen. Er kommt mit Caahan und Aislan der!«
* Atlan stieß eine Reihe von Flüchen aus. Er hatte insgeheim mehrere Organschiffe er wartet, die von der KOLNYR herbeigerufen worden waren. Statt dessen stand nur die KOLNYR selbst am Rand des Raumhafens. Thalia, Fälser und Kynomon-Morl hatten in aller Kürze berichtet. Die Frist war fast ver strichen. Noch zwanzig Minuten bis zur Er schöpfung der Energiereserven der Projekto ren. Am Rand des Landefelds tickte lautlos eine Zeitbombe. Auch Atlan stand Fälsers Spekulationen skeptisch gegenüber. Die HORIET war startbereit. Aislander befand sich, nach wie vor eingesponnen in den Kokon, in einem von drei Dellos be wachten Raum. Achtzehn Minuten, siebzehn, sechzehn … »Wir müssen es riskieren«, preßte der Ar konide hervor. »Fälser, du kümmerst dich
um deine Dellos.« Laut rief Atlan: »Du bist bereit, Bronniter-Vang?« Mikrophone leiteten die Frage an die Ga lionsfigur in der Bugkanzel weiter. Bronni ter-Vang antwortete über Funk: »Bereit.« »Wir starten und steigen so weit auf, wie unsere Zugstrahlen reichen. Die KOLNYR muß mit einem Ruck in den Weltraum geris sen werden, so daß die Besatzung, sollte sie noch leben, völlig überrascht wird und die Schleusen erst öffnen kann, sobald wir und die KOLNYR uns außerhalb der Atmosphä re befinden.« Atlan gab konkrete Anweisun gen an die Dellos und sprach sich noch ein mal mit Bronniter-Vang ab. Dann kam der alles entscheidende Augen blick. Das Organschiff hob ab. Atlan hoffte, daß jene, die vielleicht noch an Bord der KOLNYR lebten und wieder handlungsfähig sein würden, sobald die KOLNYR aus dem Einflußbereich der Projektoren gerissen wurde, infolge ihres Zustands tatsächlich nicht schnell genug reagieren konnten. Aber ebensogut war das Gegenteil möglich. Thalia hatte auch das Prinzip der Fessel feldprojektoren erklärt, soweit das eben mit wenigen Worten auszudrücken war. Noch war die Besatzung des Organschiffs erstarrt. Sie würde den Abflug der HORIET nicht einmal registrieren können. Die HORIET gewann schnell an Höhe und erreichte die oberen Schichten der At mosphäre, bevor Bronniter-Vang sich mel dete und mitteilte, daß man nun nicht mehr steigen dürfe. Atlan selbst saß vor den Kontrollen in der Zentrale. Er war an das Kommunikations netz angeschlossen. Der Kontakt mit der Ga lionsfigur vollzog sich in diesen Minuten wieder auf telepathischmechanischer Basis. Atlan war Bronniter-Vang, seine Hände auf den Knöpfen und Schalthebeln Werkzeuge der Galionsfigur. Jetzt! Der entscheidende Knopfdruck, ein Reg ler, der bis zum Anschlag hochgefahren
48 wurde. Die Zugstrahlen griffen mit voller Kraft nach der KOLNYR. Fälser saß neben dem Arkoniden und reagierte sofort. Er gab den Noots auf dem Raumhafen über Funk den Befehl, die Projektoren auszuschalten. Das Ergebnis war überwältigend. Die KOLNYR wurde in den Weltraum gerissen, als ob sie von einem Katapult ab geschossen worden wäre. Atlan begann zu schwitzen. Das Schicksal der HORIET und einer ganzen Welt hing davon ab, ob er nun schnell genug reagierte. Die KOLNYR schoß auf die HORIET zu und würde sie rammen, falls es Atlan nicht gelang, zusam men mit Bronniter-Vang schnell genug in den interplanetarischen Raum zu entkom men. Wieder die lautlose Kommunikation fast ohne Zeitverlust. Mit irrsinnigen Be schleunigungswerten jagte die HORIET in die Schwärze des Alls, aber der Abstand zwischen ihr und der KOLNYR wurde im mer geringer. Zugstrahlen aus! kam es von BronniterVang. Atlan zog den Regler in Nullstellung zurück. Er mußte der Galionsfigur blind ver trauen. Er sah nicht, daß nun auch die KOLNYR den freien Weltraum erreichte, ohne daß sie auch nur einen einzigen Schuß abgegeben oder versucht hätte, gegenzusteu ern. Der Abstand zwischen den beiden Organ schiffen vergrößerte sich. Ein Aufatmen ging durch die Zentrale. Atlan hörte es nicht. Er wußte nur, daß es noch zu früh war, die KOLNYR zu vernichten. Sie mußte aus dem System gebracht werden, wenn man nicht das Risiko eingehen wollte, daß bei einer Explosion die »Krankheitskeime«, von de nen niemand wußte, worum es sich dabei ei gentlich handelte, eines Tages in die Atmo sphäre der Planeten eindringen würden. Wieder die Zugstrahlen. Es war ein stunden langes Balancieren. Die KOLNYR durfte nicht zu nahe kommen, aber auch nicht zu weit zurückfallen, so daß zeitraubende Ma növer notwendig gewesen wären, um sie wieder »einzufangen«. Immer noch keine Reaktion der Besatzung. Atlan sah es an den
Horst Hoffmann Gesichtern Thalias und Fälsers. Als er die Kraft der Zugstrahlen endlich auf jenes Maß eingependelt hatte, das die Geschwindigkeit der beiden Schiffe genau synchronisierte, löste er sich für einen Augenblick aus dem Kommunikationssystem. »Keine Angriffe, kein Widerstand. Viel leicht sind die Wesen an Bord der KOLNYR tot, vielleicht aber auch nur handlungsunfä hig. Vielleicht können wir …« »Ich weiß, was dir vorschwebt, Atlan!« rief Thalia mit abwehrend ausgestreckten Armen. »Aber das ist Wahnsinn! Niemand könnte ihnen noch helfen! Sie sind eine Ge fahr und müssen …« »Branor?« Atlan hatte die Odinstochter mit einer Geste zum Schweigen gebracht. Er wandte sich an den Dello, der jetzt wieder seinen Platz an den Funkgeräten eingenom men hatte. »Du versuchst, jetzt einen Kon takt zur KOLNYR herzustellen. Funke sie an!« Der Dello gehorchte, während KynomonMorl heftig protestierte. Doch Atlan mußte Gewißheit haben. Als Branor auch nach zehn Minuten nichts erreicht hatte, nickte der Arkonide grimmig. Mittlerweile hatten die Organschiffe die Bahn des dritten Planeten längst überquert und befanden sich im interstellaren Raum – weit genug für Atlan, um zu tun, was zu tun war. Die KOLNYR verging in einem Feuer ball. Atlan blickte lange auf die Bildschirme. Hatte er richtig gehandelt? Niemand sollte es je erfahren. Doch At lans Zweifel waren unbegründet. Schon als die KOLNYR in den Weltraum gerissen worden war, hatte an Bord niemand mehr gelebt. Die Besatzung war von den zur un aufhaltsamen Expansion und Teilung ge zwungenen Körperpartikeln dessen, was ein mal die Galionsfigur Kalaman gewesen war, regelrecht verschlungen worden. Und ohne Wirtskörper waren auch die Partikeln zum Sterben verurteilt. Die HORIET kehrte nach Gooderspall zu
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rück. Kynomon-Morl und seine beiden Be gleiter verließen das Schiff. Atlan und Tha lia begleiteten sie hinaus. Der Arkonide wehrte kopfschüttelnd ab, als der Oberbe fehlshaber der Noots auf diesem Planeten ihm danken wollte. Es sollte nicht nur ein Dank für die Ab wendung einer unbekannten Gefahr sein. Kynomon-Morl war heilfroh, daß Aislander gefunden worden war und sich jetzt an Bord der HORIET befand. Atlan begriff erst jetzt, welche Angst die Noots vor einer Bestra fung ausgestanden haben mußten. »Ich werde versuchen zu erreichen, daß euer Dienst auf Gooderspall bald beendet ist. Ich werde auch nichts von eurem Versa gen berichten, wenn ihr mir versprecht, künftig den Frieden mit den Terzögen zu su chen, keine Burgen mehr zu verbrennen und keine Vernichtungsfeldzüge mehr zu füh ren.« »Wir müssen uns wehren!« protestierte KynomonMorl. »Sie sind es doch, die …« »Ihr wart es, die ihre Burgen und die Brut darin verbranntet! Deshalb hassen sie euch! Deshalb und weil ihr Sekret geraubt wurde.« »Es werden weitere Spezialkuriere kom men, um es zu holen!« »Vielleicht.« Atlan mußte sich in acht nehmen, um nicht neues mißtrauen zu er wecken. So sagte er nur: »Es ist möglich, daß es bald zu Veränderungen in diesem Re vier kommt.« Der Abschied. Kynomon-Morl und viele Noots beobachteten, wie die HORIET blitz schnell startete und immer kleiner am Him mel wurde, bis sie nicht mehr zu sehen war. Kynomon-Morl hoffte, daß dieser seltsa me hellhaarige Mann sein Versprechen hal ten und für eine Ablösung der auf Gooder spall stationierten Noots in nächster Zukunft sorgen würde. Denn daran dachte er. Der wahre Sinn von Atlans Worten war ihm ver borgen geblieben. Und das war gut so – vorerst.
* Im Reich der Terzöge
Für Xaant war ein Traum in Erfüllung ge gangen. Nebeneinander gingen die Krieger und der Noot durch die Burg. Xaant war von der Königin damit beauftragt worden, Xan derohn-Hert solange zu betreuen, bis er sich allein unter den Terzögen zurechtfinden konnte. Die Anweisung, ihm alle Anlagen zu zeigen, machte deutlich, wie sehr die Kö nigin dem Noot schon vertraute. Noch vor Tagen wäre so etwas undenkbar gewesen. Es schien tatsächlich so, als stünde den Ter zögen ein neues Zeitalter bevor. Doch Xaant war Realist genug, um zu wissen, wie vage diese Hoffnung und wie lange der Weg sein würde. Wie sehr mußte die Königin an die Fremden geglaubt haben, daß sie ihnen nicht nur den wertvollen Gefangenen, sondern auch das Sekret ausgeliefert hatte. Würden wirklich keine Kuriere mehr kommen, um neues Sekret zu rauben? Was immer die Zukunft auch bringen sollte – Xaant fühlte tiefe Dankbarkeit den Fremden gegenüber. Sie waren die ersten, die vom Himmel gekommen waren und nicht wie die Besatzer Unglück über das Volk der Terzöge gebracht hatten. Xaant wünschte ihnen alles Gute – dort, wo sie jetzt waren. Vielleicht gab es weitere Welten, auf denen Wesen unterdrückt und ausgebeutet wurden. Xaant wußte es nicht. Vielleicht kannte die Königin die Wahrheit, hatte sie von jenen erfahren, die gekommen waren, um das Sekret zu holen, deren Be wußtseinsinhalt zum Teil offengelegen hat te. Wenn dies der Fall war, mußte diese Wahrheit so schrecklich sein, daß die Köni gin sie ihrem Volk verschwieg, wo sie doch sonst keine Geheimnisse vor ihm hatte. Das alles lag viel zu sehr im Bereich der Spekulation. Xaant dachte an die eigene Zu kunft. Seine Welt war Gooderspall. Aber Xaant irrte sich, wenn er annahm, daß Gooderspall isoliert war. Der Planet war Teil eines größeren Ganzen, eines Gebildes, dessen Grauen selbst für den Krieger unvor stellbar waren. Und irgendwo in diesem Gebilde befan
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den sich nun die Fremden – irgendwo in der Schwarzen Galaxis, auf dem Weg zu einem unbekannten Ziel, einem Ziel, das bislang nur der Spezialkurier Aislander kannte. Doch dieser mußte erst einmal aus seinem Kokon befreit werden. An Bord der HO RIET herrschte hektische Aktivität, während Xaant noch zum Himmel emporstarrte und nach einem Stern suchte, der sich bewegte.
Dellos waren in Labors dabei, das Sekret zu untersuchen, andere kümmerten sich um Aislander. Xaant sah keinen sich bewegenden Stern. Er kehrte in die Burg zurück und wünschte den Fremden Glück.
ENDE
Weiter geht es in Band 105 von König von Atlantis mit:
Nomazar, der Sklave von Clark Darlton